Regina Toepfer (Hg.) Klassiker Des Mittelalters
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Regina Toepfer (Hg.) Klassiker des Mittelalters Spolia Berolinensia Beiträge zur Literatur- und Kulturgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit Herausgegeben von Dorothea Klein und Udo Kühne Band 38 Klassiker des Mittelalters Herausgegeben von Regina Toepfer Weidmann Klassiker des Mittelalters Herausgegeben von Regina Toepfer Weidmann Umschlagmotiv: Ausschnitt aus dem Codex Manesse, Heidelberg UB: Cod. Pal. germ. 848, fol. 11v (https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0018/image), bearbeitet von Wiebke Ohlendorf Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISO 9706 Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier Umschlaggestaltung: Anna Braungart, Tübingen Herstellung: Hubert & Co., 37079 Göttingen Printed in Germany © Weidmannsche Verlagsbuchhandlung GmbH, Hildesheim 2019 www.olms.de Alle Rechte vorbehalten ISSN 0931-4040 ISBN 978-3-615-00437-3 Danksagung Der Sammelband geht zurück auf eine Ringvorlesung des Instituts für Ger- manistik, die im Sommersemester 2017 an der Technischen Universität Braunschweig stattfand. Die Veranstaltungsreihe verfolgte ein doppeltes Ziel: Zum einen sollten wichtige Werke des Mittelalters vorgestellt werden, die zum impliziten Kanon gehören. Zum anderen lud die Vorlesung dazu ein, grundsätzlich über den Klassikerbegriff nachzudenken und literarische Wer- tungskriterien offenzulegen. Mein erster Dank gilt allen Autorinnen und Autoren, die sich auf dieses Thema eingelassen haben, in ihren Aufsätzen mittelalterliche Werke zur Lek- türe empfehlen und Gründe nennen, warum diese Texte heute noch gelesen werden sollen. Dass Felicitas Hoppe die wissenschaftlichen Beiträge durch eine poetische Perspektive ergänzt und von ihrer literarischen Faszination wie produktiven Rezeption des ‚Nibelungenlieds‘ erzählt, ist eine große Freude. Danken möchte ich allen Besucherinnen und Besuchern der Ringvorle- sung, an erster Stelle der Präsidentin der TU Braunschweig, Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla, für ihr Grußwort bei der Abschlussveranstaltung, aber auch allen Studierenden, Kollegen und Kolleginnen, Bürgerinnen und Bür- gern, an die sich der vorliegende Sammelband in gleicher Weise richtet. Der VI Danksagung Verein der Freunde der Weltliteratur, dessen Mitglieder der Braunschweiger Ringvorlesung schon lange treu verbunden sind, hat die Drucklegung des Bandes finanziell gefördert, wofür ich namentlich der ersten Vorsitzenden, Dr. Hilde Gahl, herzlich danke. Dank der freundlichen Vermittlung der beiden Reihenherausgeber der ‚Spolia Berolinensia‘, Prof. Dr. Dorothea Klein und Prof. Dr. Udo Kühne, kam die rundum erfreuliche Zusammenarbeit mit dem Verlag Weidmann zustande. Für die freundliche Betreuung und das hilfreiche Lektorat danke ich Dr. Paul Heinemann, für die zuverlässige Erstellung des Satzes einmal mehr Dr. Klara Vanek und für die engagierte redaktionelle Mitarbeit Nadine Lordick, M.A. Ohne ihre tatkräftige Unterstützung könnte der vorliegende Sammelband kaum im Kontext der aktuellen Braunschweiger Ringvorlesung zu ‚Klassikern der Frühen Neuzeit‘ erscheinen. Braunschweig, Mai 2019 Regina Toepfer Inhalt Regina Toepfer Wie wird ein Werk zum Klassiker? Kriterien, Probleme und Chancen mediävistischer Kanonbildung . 1 Thomas Scharff Ein Klassiker mittelalterlicher Geschichtsschreibung Einhards ‚Vita Karls des Großen‘ . 35 Christa Bertelsmeier-Kierst Eike von Repgow: ‚Sachsenspiegel‘. 59 Manuel Hoder Kanonische Adaptation. Beschreibungen von Ding und Figur in Heinrichs von Veldeke ‚Eneasroman‘ . 83 Elisabeth Lienert ‚Klassische‘ Antikenromane in ‚nachklassischer‘ Zeit? Rudolfs von Ems ‚Alexander‘ und Konrads von Würzburg ‚Trojanerkrieg‘. .117 VIII Inhalt Andreas Kraß Die Erfindung des Artusromans Von der ‚Historia Brittonum‘ zum ‚Erec‘ Hartmanns von Aue . 147 Wiebke Ohlendorf ein mære wil ich iu niuwen Wolframs von Eschenbach ‚Parzival‘ und seine Rezeption . 177 Albrecht Hausmann Gottfried von Straßburg: ‚Tristan‘. 215 Dorothea Klein Walther von der Vogelweide. 233 Florian Kragl Dietrichepik als kanonische Heldendichtung. .269 Felicitas Hoppe Alte Schätze, Paare, Klagen. Neues von den Nibelungen . 301 Regina Toepfer Wie wird ein Werk zum Klassiker? Kriterien, Probleme und Chancen mediävistischer Kanonbildung Der Titel dieses Sammelbandes weckt bestimmte Erwartungen. Die Bezeich- nung ‚Klassiker‘ ist keine neutrale Charakterisierung, sondern kommt einer Ehrung gleich. Bei diesem Begriff denkt man an die wichtigsten Werke der Literaturgeschichte, die alle Literaturinteressierten kennen und am besten auch lesen sollten. Einen Klassiker umgibt die Aura von Anciennität, er gilt als traditionell bedeutungsvoll und zugleich als unverändert aktuell. In seinem Essay ‚Warum Klassiker lesen?‘ definierte Italo Calvino den Begriff 1991 un- ter anderem folgendermaßen: Klassiker sind jene Bücher, die beladen mit den Spuren aller Leseerfahrungen daherkommen, die unserer vorausgegangen sind, und die hinter sich die Spur herziehen, die sie in der Kultur oder den Kulturen (oder einfach in der Sprache oder in den Bräuchen) hinterlassen haben, durch die sie gegangen sind.1 [Kursi- vierung im Original] 1 Vgl. Italo Calvino: Warum Klassiker lesen? Aus dem Italienischen v. Barbara Kleiner u. Susanne Schoop. München 2003 (Edition Akzente), S. 9. 2 Regina Toepfer Eine epochen- und kulturübergreifende Spur hinterlassen haben die Wer- ke, nicht aber der Begriff. Anders als man erwarten könnte, ist der Terminus ‚Klassik‘ recht jung. Erst in der Neuzeit wird er herausragenden Autoren als Gütesigel zugesprochen. In Deutschland ist seit der Mitte des 18. Jahrhun- derts von ‚klassischen‘ Autoren die Rede, wobei der Begriff zuerst auf die Kunstwerke der Antike, dann auf die deutsche Literatur um 1800 bezogen wurde.2 Ist der Titel ‚Klassiker des Mittelalters‘ damit anachronistisch? Sollte die Bezeichnung besser anderen Epochen vorbehalten bleiben, statt sie auf die Vormoderne zu übertragen? Der Titel des Bandes, in dem der Begriff ‚Klassi- ker‘ absichtlich nicht in Anführungszeichen gesetzt ist, beinhaltet ein State- ment: Ich gehe wie selbstverständlich davon aus, dass Werke des Mittelalters zum Literaturkanon gehören. Diese Entscheidung lässt sich gut begründen: Sowohl in der gelehrten lateinischen Literatur als auch in den volkssprachigen Werken des Mittelalters finden sich immer wieder literarische Wertungen. Autoren beziehen sich auf Autoren, sie rühmen manche Kollegen als vorbildlich und kritisieren andere für ihre Erzählweise. Daraus lässt sich schließen, dass die mittelhochdeutschen Autoren ein Bewusstsein von poetischer Qualität hatten. Schon im Mittelalter gab es ein Bedürfnis, zwischen guter und schlechter Literatur zu unterschei- den. Durch ihre Auf- und Abwertungen leiteten die höfischen Dichter einen Prozess ein, aus dem sich ein Kanon deutscher Literatur herausbildete.3 Neben historischen Urteilsverfahren ist auch die kultur- und literaturgeschichtliche Bedeutung mittelalterlicher Texte zu berücksichtigen. Manche Werke wurden über Jahrhunderte intensiv gelesen, boten Anregungen zu zahlreichen Adap- tionen und ziehen somit eine kultur- und epochenübergreifende Rezeptions- spur hinter sich her. Viele Werke, die hier behandelt werden, sind in diesem 2 Vgl. Horst Thomé: Klassik1. In: RLW, Bd. 2 (2000), S. 266–270. Vgl. auch Pascal Weit- mann: Die Problematik des Klassischen als Norm und Stilbegriff. In: Antike und Abendland 35 (1989), S. 150–186. 3 Zu kanonischen Tendenzen im Mittelalter vgl. auch Andrea Schindler: Was man gelesen haben muss – und was gelesen wird. Mittelhochdeutsche Literatur gestern und heute. In: Ina Karg u. Barbara Jessen (Hgg.): Kanon und Literaturgeschichte. Facetten einer Diskussion. Bern u. a. 2014 (Germanistik – Didaktik – Unterricht 12), S. 207–228, hier S. 208–215. – Zur Kanonbildung in der Frühen Neuzeit vgl. Barbara Sasse: Ansätze literarischer Kanonbildung in der deutschen Literatur des 15./16. Jahrhunderts. In: Simonetta Sanna (Hg.): Der Kanon in der deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft. Bern u. a. 2009, S. 211–220. Mediävistische Kanonbildung 3 rezeptionsgeschichtlichen Sinne Klassiker: Die Lieder Walthers von der Vo- gelweide, der ‚Parzival‘ Wolframs von Eschenbach und das ‚Nibelungenlied‘ sind auch nach 800 Jahren noch höchst lesenswert.4 Jeder Studierende sollte diese Werke im Verlauf eines Germanistik-Studiums kennengelernt haben. Wie aber wird ein Werk zum Klassiker? Die Antwort hängt meines Er- achtens entscheidend mit Fragen der Kanonbildung und Wertung von Litera- tur zusammen. Daher werde ich im Folgenden zunächst Kriterien der Kanon- bildung bestimmen, die am Beispiel mittelalterlicher Literatur – insbesondere am Literaturkatalog Gottfrieds von Straßburg – erläutert werden.5 Anschlie- ßend setze ich mich aus mediävistischer Perspektive mit den Problemen und Chancen auseinander, die mit Kanonbildung verbunden sind. 1. Kriterien der Kanonbildung Die Frage, welche Voraussetzungen ein Werk erfüllen muss, um zum Klassi- ker zu werden, ist nicht einfach zu beantworten. Es mag zwar Empfehlungen dafür geben, wie ein erfolgreiches Werk ‚gestrickt‘ sein muss; ein Patentrezept für Autoren, wie man einen Klassiker schreibt, ist jedoch