Das Jüdische Konstanz Blütezeit Und Vernichtung
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DAS JÜDISCHE KONSTANZ BLÜTEZEIT UND VERNICHTUNG DAS JÜDISCHE KONSTANZ Nach der rechtlichen Gleichstellung der Juden 1862 waren jüdische Familien aus den alten „Judendörfern“ des Hegau in die größte Stadt am Bodensee gezogen. Als Einzel- händler trugen sie zum Aufstieg von Konstanz bei, wirkten in Vereinen mit und wurden in kommunale Ämter gewählt. 1933 endete der Traum vom Zusammenleben: Auch Konstanz erniedrigte und verfolgte die Juden, Nachbarn bereicherten sich während der „Arisierung“ am Eigentum ihrer Mit- bürger. Die nahe Schweiz wurde nur für wenige Flüchtlinge TOBIAS ENGELSING TOBIAS zum rettenden Ufer, das Land schottete sich gegen jüdische Flüchtlinge ab. Am 22. Oktober 1940 wurden die letzten Konstanzer Juden nach Gurs und von dort in die Vernich- tungslager deportiert. Heute existiert neues jüdisches Leben in Konstanz, doch die Vernichtung der einst blühenden jüdischen Gemeinschaft ist nicht vergessen. ISBN 978-3-87800-072-3 TOBIAS ENGELSING DAS JÜDISCHE KONSTANZ BLÜTEZEIT UND VERNICHTUNG TOBIAS ENGELSING „ ‚Man kann nicht allen helfen’, sagt der Eng- herzige und hilft DAS JÜDISCHE keinem. “ KONSTANZ MARIE VON EBNER-ESCHENBACH BLÜTEZEIT UND VERNICHTUNG (1830 – 1916) Mit Beiträgen von Manfred Bosch, Lisa Foege und Birgit Lockheimer „ Wer zu handeln versäumt, ist noch keineswegs frei von Schuld. Niemand erhält seine Reinheit durch Teil- nahmslosigkeit. “ SIEGFRIED LENZ (1926 – 2014), „DIE ZEIT DER SCHULDLOSEN“ Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek 8 Das jüdische Konstanz - Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; Blütezeit und Vernichtung detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. 12 Die „bürgerliche Verbesserung“ der Juden ISBN 978-3-87800-072-3 16 „Wer Christ ist, stimme für Juden“: Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung Eine politische Debatte 1847 außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages Kriegsveteran und Optiker: Louis Frank unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro- verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 24 Endlich Bürger: Das Gleichstellungsgesetz von 1862 Tuchhändler und Bankier: Ludwig Neuburger Ein Multitalent am Theater: Adolf Oppenheim 40 Engagement in der Kommunalpolitik Arzt in Uniform: Dr. Daniel Guggenheim Erschienen anlässlich der Sonderausstellung zur Erinnerung an die vor 75 Jahren am 22. Oktober 1940 erfolgte Deportation der badischen Juden in das Internierungslager Gurs. 50 Heimat der Deutschen: Der Verein Schauspielerin in der Provinz: Gertrud Löb © Südverlag GmbH, Konstanz 2015 Ein Allroundtalent des Volkstheaters: Berty Friesländer-Bloch Herausgeber: Tobias Engelsing für das Rosgartenmuseum Konstanz 1. Auflage, Juli 2015 65 „Liegen wir im Feuer“: Jüdische Soldaten im Ersten Weltkrieg Autor: Tobias Engelsing, mit Beiträgen von Manfred Bosch, Lisa Foege und Birgit Lockheimer Katalogredaktion: Annette Güthner (Südverlag), Lisa Foege 70 Eine liberale Gemeinde: Das religiöse Leben Mitarbeit bei Archivrecherchen: stud. phil. Lukas-Daniel Barwitzki, stud. phil. Daniela Palästina und die Mainau: Theodor Herzl am Bodensee Schilhab Gestaltung: bbv, Siegrun Nuber, Konstanz 79 Erste Vorzeichen: Antisemitismus in der Region Umschlagabbildungen: © Titel: Nachlass Veit/Hornung, Rückseite: Rosgartenmuseum Abbildungen: s. Bildnachweis im Anhang Eine überzeugte Zionistin: Thekla Meinrath Scans: Ursula Benkoe Der Chronist des Landjudentums: Jacob Picard Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm 89 Geschäftsboykott und Badeverbote: Antijüdische Südverlag GmbH Maßnahmen ab 1933 Schützenstr. 24, 78462 Konstanz Gefördert von Der jüdische Metzger: Simon Levinger Tel. 07531-9053-0, Fax: 07531-9053-98 Das Mädchenpensionat der Schwestern Wieler www.suedverlag.de 111 Der große Raub: Die Arisierung 260 Anmerkungen 135 „Wer konnte, ging fort!“: Die Emigration 264 Namensliste der deportierten jüdischen Bürger Emigration in Etappen: Familie Löwenstein 266 Literaturhinweise 144 Die rettende Schweiz? 268 Bildnachweise Aus „Überfremdungsgründen“ abgelehnt: Das lange Ringen der Familie Hilb um eine neue Heimat 270 Die Autoren 163 „Die Bude muss weg!“: Die Zerstörung der Synagoge im 271 Danksagung November 1938 Der Dank des Vaterlands: Siegfried Rothschild Zweimal verfolgt: Familie Thanhauser 174 Das Schweigen der Kirchen 181 Mercedes-Benz-Niederlassung oder Spielplatz? 185 In der „Hölle von Gurs“ „Ich könnte sie nicht alleine lassen“ - Leopold Spiegel Eine fürsorgliche Tochter: Johanna Hammel 201 Jüdisches Leben in Konstanz nach 1945 Ein Kochgeschirr mit Schmuck: Sigmund Nissenbaum 217 Der Bodenseeraum als Refugium für Täter 223 Die „Wiedergutmachung“ Keine Träne zum Abschied: Anne Fürst 241 Zum Umgang mit der Erinnerung Unsentimental und humorvoll: Hannelore König DAS JÜDISCHE KONSTANZ BLÜTEZEIT UND VERNICHTUNG Tobias Engelsing Es waren Jahre des Aufbruchs und rosiger Zukunftsperspek- nen beleuchteten sie. Bereits 1847 hatte die tiven für die größte Stadt am Bodensee: 1863 erhielt Konstanz endlich württembergische Eisenbahn den Boden- den seit langem diskutierten Anschluss an die zwischen Waldshut see erreicht. Mit den Dampfschiffen kamen und Konstanz verlaufende „Hochrheinbahn“ und damit Verbindung erstmals auch Sommergäste von Friedrichs- zum überregionalen deutsch-schweizerischen Eisenbahnnetz. Nach hafen und Romanshorn her über den See mehr als einem Jahrzehnt des wirtschaftlichen und gesellschaftli- gefahren, um die alte Reichsstadt und ihre chen Stillstands und der politisch repressiven Stimmung seit der ge- Sehenswürdigkeiten zu bestaunen. Inner- Der 1863 eröffnete scheiterten bürgerlichen Revolution von 1848/49 schien sich die rund halb eines Jahrzehnts vervielfachte sich die Hauptbahnhof 8000 Einwohner zählende Stadt unter dem Einfluss junger liberal ge- Zahl der Handelsgeschäfte, Gasthäuser und mit seinem markanten sinnter Köpfe vom mittelalterlichen Mief befreien zu wollen: Militä- Hotels sowie der Massengüter herstellenden Glockenturm in einer zeitgenössischen risch nutzlos gewordene Stadttore und Umfassungsmauern wurden Gewerbebetriebe. Aus der beengten und Darstellung. abgerissen, die Straßen der Innenstadt gepflastert, erste Gaslater- heruntergekommenen, nur mehr auf den lokalen Markt bezogenen Stadt wurde eine ansehnliche regionale, vom Einzelhandel geprägte Metropole, die auch zunehmend Gewerbe- und Industriebetriebe anziehen konnte. Der Geist des Aufbruchs, der das noch relativ junge Großher- Ansicht des inneren zogtum Baden unter seinem neuen Großherzog Friedrich I. um 1860 Schottentores. Von erfasst hatte, löste auch in der bis dahin noch immer spätmittelal- über 30 Toren und Türmen der spätmittel- terlich geprägten Stadt mehrere Fortschrittsimpulse aus. Nach dem alterlichen Stadt- spektakulären Brand der hölzernen Rheinbrücke 1856 war beispiels- befestigung blieben weise eine Freiwillige Feuerwehr ins Leben gerufen worden. Deren bis etwa 1870 nur drei stehen, die anderen Initianten verstanden sich als mündige Bürger, die eine so wichti- wurden abgerissen ge Aufgabe wie den Brandschutz in die eigene Hand nehmen und oder als „Steinbruch“ neuzeitlich organisieren wollten. Mit der Notwendigkeit, eine neue verkauft. Brücke zu bauen, hatte auch die Eisenbahnfrage neuen Schwung bekommen. Damit verbunden waren Überlegungen zur städtebauli- chen Entwicklung. Düstere Patrizierhäuser sollten modernen Wohn- bauten weichen, sumpfiges Ufergelände aufgefüllt und für den Woh- nungsbau nutzbar gemacht werden. Mehrere Textilunternehmer weiteten ihre Produktion aus, und die örtliche Dampfschifffahrts- gesellschaft vergrößerte ihre Flotte. Zeitungsgründungen und regel- mäßig veranstaltete Bürgerabende schufen Foren für die öffentliche Meinung. Nach den Jahren der Unterdrückung jeder freiheitlichen Äußerung fanden kommunalpolitisch interessierte Bürger nun Zu- 8 9 Die Stadtsilhouette während der großen Veränderungen: Das mittelalterliche Kaufhaus (links) steht noch direkt am Wasser, doch der Münsterturm hat schon seinen neuen neogotischen Turmaufsatz. Um 1855. gang zu den bedeutsamen Angelegenheiten der Kommune und er- hielten Gelegenheit mitzureden. Ihre Stimmen zählten jedoch wenig, denn das geltende Wahlrecht begünstigte die begüterten Bürger. Im Bildungswesen und kulturell begann sich die Stadt der neuen Zeit zu öffnen: Eine höhere Töchterschule wurde gegründet, 1857 initiierte der ehemalige Bistumsverweser Heinrich Ignaz von Wessenberg ei- nen Kunstverein, und es fand sich eine Initiative zur Gründung eines Museums zusammen. Das halb verfallene Theater wurde renoviert. Durchziehende Wandertruppen belebten das Haus, indem sie neben seichten Schwänken auch Stücke zeitgenössischer Autoren auf die Bühne brachten. Die liberale Elite warb für ein neues Verständnis von Arbeit, für den technischen Fortschritt, für eine breitere, von den Kirchen losgelöste Bildung der Jugend, sie proklamierte Selbstverwaltung und bürgerliche Freiheiten. Ihre führenden Köpfe waren junge Ver- waltungsbeamte und alte Revolutionäre der Freiheitsbewegung von 1848: Zu nennen sind der spätere Bürgermeister Max Stromeyer, die Mediziner und Alt-48er Dr. Ernst Stitzenberger und Eduard Vanotti, der liberale Kaufmann Karl Zogelmann und der Bierbrauer Hermann Kempter. Zunehmend nationalbewusst, redeten diese liberalen Krei- se auch der Vereinigung der deutschen Länder in einem National- staat unter Preußens Führung das Wort. Der Fortschrittsgeist durch-