Das Magazin zu Integration in Österreich

zusammen Winter 2020 #11 ÖSTERREICHISCHE POST AG/SP 08Z037821S, ÖSTERREICHISCHER INTEGRATIONSFONDS, SCHLACHTHAUSGASSE 30, 1030 WIEN 1030 30, SCHLACHTHAUSGASSE ÖSTERREICHISCHER INTEGRATIONSFONDS, 08Z037821S, ÖSTERREICHISCHE POST AG/SP Daheim in Österreich Das Gefühl der Zugehörigkeit zu Österreich gehört zu den Eckpfeilern für erfolgreiche Integration. Wie kann man die Identifikation zur neuen Heimat stärken und einer Abschottung entgegenwirken?

„ICH BIN DURCH UND WAS TUN GEGEN MEHR ZEIT DURCH WIENERIN“ ANTISEMITISMUS? FÜR WERTETHEMEN Fernsehmoderatorin Neue Publikation: Antisemitismus Die Werte- und Orientierungskurse Arabella Kiesbauer im Interview im Integrationskontext werden aufgewertet und verlängert

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EDITORIAL [hämatli] ist der germanische Ursprung des Wortes „Heimat“ und bedeutete früher ein Wohnrecht mit Schlafstelle im Haus. Vor seinem Aufstieg im deutschsprachigen Wortschatz im Laufe des 19. Jh. wurde der Begriff selten verwendet. Lange Zeit gab es das Wort nur in der Einzahl, inzwischen stehen „die Heimaten“ auch im Duden: Zeugnis eines modernen Heimatbegriffs, der sich nicht nur auf den Ort der Geburt beschränkt. Mehr als eine Heimat

ie flohen vor Krieg und Gewalt in ein zum guten Zusammenleben in unserer Gesell- Land, das ihnen völlig fremd war. schaft. Einen ersten Wegweiser dazu geben die Heute ist Österreich ihre Heimat. Der Werte- und Orientierungskurse, die ab Jänner Autor Omar Khir Alanam und die Kö- 2021 aufgewertet und erweitert werden. Über chin Hanin Alsaleh, beide aus Syrien, alle Neuerungen informieren wir auf Seite 18. Shaben sich auf Land und Leute eingelassen und sich ein neues Leben in Österreich aufgebaut. Ihre afrikanischen Wurzeln und das Wech- In der Titelgeschichte ab Seite sechs erzählen selspiel der beiden Kulturen sieht TV-Moderato- die beiden, wie wichtig Sprachkenntnisse, der rin Arabella Kiesbauer als große Bereicherung.

Omar Khir Alanam Kontakt zu Einheimischen im Alltag und das ei- Warum sie ihre Identität weniger über ihre Haut- erzählt ZUSAMMEN- gene Engagement sind, um Fuß zu fassen. Zwei farbe als über ihre kulturelle Prägung definiert, Redakteurin Yvonne beeindruckende Erfolgsgeschichten, die Mut und erzählt sie im Interview auf Seite 14: „Ich bin Brandstetter, wie Österreich seine Zuversicht machen. Wie die Verbundenheit zu durch und durch Wienerin!“. Eine starke Ver- Heimat wurde. Österreich entsteht und warum es die Integrati- bundenheit mit Wien und dem Wiener Dialekt on erschwert, wenn hat auch Arik Brauer, dem das Porträt auf Seite Landsleute unter sich 24 gewidmet ist. Er ist nicht nur ein Mann vie- bleiben und sich abschot- ler Künste, sondern auch jemand, der weit mehr ten, haben wir auch mit als ein Zuhause gehabt hat. Er wohnt in Wien, namhaften Expertinnen hat die Welt bereist, in Paris gelebt und in Isra- und Experten besprochen. el, wo er noch immer viel Zeit verbringt.

Über die Zugehörig- Wir wünschen Ihnen eine aufschlussreiche keit zu Österreich ent- Lektüre und freuen uns wie immer über Ihre scheidet nicht die Her- Meinung oder Abo-Bestellung unter magazin@ kunft, sondern der Wille integrationsfonds.at.

Der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) ist ein Fonds der Republik Österreich mit Integrationszentren in allen Landeshauptstädten und mobilen Beratungsstellen in zahlreichen Gemeinden. Für die Integration von Flüchtlingen und Zuwanderern stellt der ÖIF Beratungsformate, Werte- und Orientierungskurse, Deutschkurse und Integrationsprüfungen zur Verfügung. Mit Initiativen wie ZUSAMMEN:ÖSTERREICH, Veranstaltungen in ganz Österreich sowie Studien und Publikationen fördert der ÖIF eine sachliche Aus­­ einander­setzung mit integrations- und gesellschaftspolitisch relevanten Themen. www.integrationsfonds.at

Impressum: Medieninhaber, Herausgeber und Redaktionsadresse: Österreichischer Integrationsfonds, Schlachthausgasse 30, 1030 Wien, Tel.: +43 1/710 12 03, [email protected]. Chefredakteur: Mag. Roland Goiser. Leitende Redakteurin: Mag. Christine Sicher. Redaktion: Yvonne Brandstetter, BA; Angelika Grüner, MSc; Alexandru Nebejea, MA. Produktion & Anzeigen: CON- TENT MARKETING & CORPORATE PUBLISHING, VGN Medien Holding GmbH, Taborstraße 1–3, 1020 Wien, Tel.: +43 1/213 12-0, www.vgn.at. Leitung: Mag. Sabine Fanfule, MBA. Artdirektion: Erich Schillinger. Grafik: Mag. Christa Vadoudi. Korrektur: Mag. Daniela Illich, Bakk. Hersteller: Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Wiener ­Straße 80, 3580 Horn. Beiträge von Gastautorinnen und Gastautoren drücken deren persönliche Meinung aus und müssen nicht zwangsläufig den Positionen des Medieninhabers entsprechen. Alle Rechte vorbehalten gemäß § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz. Im-

Cover und Foto: Eugénie Sophie Berger und Foto: Cover pressum und Offenlegung nach § 25 MedienG abrufbar unter www.integrationsfonds.at/impressum.

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Titelgeschichte. Die emotionale Zugehörigkeit zu Österreich ist eine Säule der Integration. Wir haben den Autor Omar Khir Alanam und die Köchin Hanin Alsaleh gefragt, warum sie sich auf Österreich eingelassen und schnell Anschluss in der neuen Heimat gefunden haben. Daheim in Österreich

Meinungen 16 Integration in Zahlen. Identifikation mit Österreich Was erwartet die österreichische Bevölkerung von Flüchtlingen und Zuwanderern, was sind für sie die wichtigsten Faktoren für Integration? Serdar Sahin. Wie hoch ist die Identifikation mit Österreich bei zugewanderten 10 Ein wohliges Menschen? Gibt es Unterschiede zwischen den Herkunftsländern? Gefühl. 17 Hinweise. JournalistInnenpreis, Unterrichtsmaterialien Bewerbungen zum „JournalistInnenpreis Integration“ sind bis 30. Dezem- ber 2020 möglich. Die kostenlosen Unterrichtsmaterialien „Aufbre- chen-Ankommen-Bleiben“, die für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren Sandra Ivkic. konzipiert sind, wurden aktualisiert. 17 Zu Österreich gehören. 18 ÖIF-Projekt. Längere Wertekurse Die Werte- und Orientierungskurse vermitteln Regeln für ein gutes Zusam- menleben in Österreich. Nun werden sie auf drei Tage und ein freiwilliges Praxismodul erweitert.

Harald Brunner. 19 Anregungen und Tipps. Rat für Engagierte 19 Demokratie Demokratiebildung ist von essenzieller Bedeutung für jedes funk- einfach vermitteln – tionierende demokratische System. Harald Brunner von der Parlaments- wie gelingt’s? direktion gibt Tipps, wie man Demokratie einfach vermitteln und mit dem Spracherwerb kombinieren kann.

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oeif2004_Inhalt.indd 4 30.11.20 17:06 Leserbriefe 22 [email protected] t 14 Ausgabe 10/2020 Frage zur Verlosung des Buches Interview. TV-Moderatorin „Der Preis der Macht“ von Lou Lorenz- Arabella Kiesbauer spricht über Dittlbacher ihre afrikanischen Wurzeln, ihren offensiven Umgang mit „Warum engagieren Rassismus und ihr Engagement Sie sich freiwillig?“ für Integration. Vielen Dank für Ihren Artikel zum Ehrenamt. Ich engagiere mich be- reits seit 1984 in der Bibliothek in Haag am Hausruck und investiere dafür pro Jahr 200 bis 300 ehren- amtliche Stunden. Mir liegt die Le- sekompetenz sehr am Herzen und Zusammenleben. Gerhard Brunner ich freue mich, wenn schon kleine unterrichtet in seiner Freizeit ehren- Kinder in unseren Büchern stöbern. amtlich beim ÖIF-Projekt „Treffpunkt B. Stockhammer Deutsch“. Jedes Jahr im Dezember vermittelt er mit Wortschatzübungen Ich arbeite gerne ehrenamtlich, weil und Landeskunde österreichische ich es mag, Gleichgesinnte kennen- Advent- und Weihnachtsbräuche. zulernen und gemeinsam zum Zu- sammenleben beizutragen. Ich en- gagiere mich im Eine-Welt-Kreis Bad Schallerbach und im Klimabündnis- arbeitskreis. Vor allem Letzteres ist eine Aufgabe, die ich als sehr wich- tig einstufe – Engagement für nach- haltiges Leben für alle. V. Granner 20 Publikationen. Was tun gegen Antisemitismus? Die Sorge über den eingewanderten Antisemitismus wächst. Die neue Ich bin sukzessive in die Freiwillig- Ausgabe der ÖIF-Publikationsreihe „Perspektiven Integration“ widmet sich dem Antisemitismus im Kontext von Migration und Integration. keit hineingewachsen, als ich 2011 als 15-jähriges Mädchen nach Eich- 22 Zusammenleben. Traditionen kennenlernen graben übersiedelt bin: Mit großer Bei den freiwilligen Lernprojekten „Treffpunkt Deutsch“ und Freude übernehme ich seither viel- Caritas-Lerncafé gehört die Vermittlung von heimischen Traditionen zur Bildungsarbeit dazu. fältige Aufgaben in der Pfarre sowie im Fremdenverkehrs- und Verschö- 24 Persönlichkeiten. Arik Brauer nerungsverein – hier ist kontinuier- Arik Brauer hat seine reiche Lebensgeschichte in vielen verschiedenen liche Mitarbeit dringend gefragt. Künsten verarbeitet. Im Zentrum steht aber bis heute die Malerei. K. Grünwald 25 Wortwanderung. Rund um Weihnachten Begriffe, die in den deutschen Sprachraum eingewandert oder aus Ich habe zehn Jahre lang eine Pfad- diesem ausgewandert sind. findergruppe mit 13- bis 16-jährigen Jugendlichen geleitet. Diese Tätig- 26 Kultur. G’spür für Schnee keit hat mich wirklich erfüllt, die Der Kitzbüheler Maler Alfons Walde konnte die Faszination von Schnee wie kein anderer auf die Leinwand bringen und gehört zu den Pfadfinder sind für Jugendliche eine teuersten und am häufigsten gefälschten Malern Österreichs. wertvolle Einrichtung. Fotos: E. S. Berger, A. Bodner, J. Christandl/Kurier/picturedesk.com. Illustrationen: Ruth Veres Ruth Illustrationen: J. Christandl/Kurier/picturedesk.com. A. Bodner, E. S. Berger, Fotos: I. Saueressig

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oeif2004_Inhalt.indd 5 30.11.20 17:07 Omar Khir Alanam ist ein gefragter Autor und arbeitet mit Jugendlichen an Schulen. Seine Familie ist nicht das einzige, aber das stärkste Bindeglied zwischen den Kulturen. Foto: Eugénie Sophie Berger Eugénie Sophie Berger Foto:

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Die emotionale Zugehörigkeit zu Österreich gehört zu den Eckpfeilern für eine erfolgreiche Integration. Wie kann sie gefördert und gestärkt werden? Und warum ist ein Österreich-Bewusstsein wichtig für ein gelingendes Miteinander in unserer Gesellschaft? Yvonne Brandstetter, Christine Sicher und Roland Goiser Daheim in Österreich

ollt ihr etwas essen? käufer von Solaranlagen gearbeitet. Ich habe arabischen „Doch dort konnte ich nicht bleiben“, Salat gemacht. Natür- erzählt er von Krieg, Gewalt und Folter. lich mit steirischem Sechs Jahre später liest er in Graz sei- Kürbiskernöl“, bittet nem 14 Monate alten Sohn Naël eine uns Omar Khir Alanam in seine Woh- Geschichte vor: „Ich spreche mit ihm nung am Fuße des Schlossberges in Arabisch, seine Mama Steirisch und im Graz. Am Kernöl führt in der Steiermark Kindergarten lernt er Deutsch“, lacht kein Weg vorbei. Das steirische Kultur- Khir Alanam. Er ist angekommen in Ös- gut kennt der Syrer bereits seit seiner terreich: Sein erstes Buch „Danke! Wie Zeit im Flüchtlingsheim. Heute verfei- Österreich meine Heimat wurde“ ist nert der begeisterte Koch damit auch eine Hommage an Land und Leute. In seine Gerichte – steirische und orienta- seinem aktuellen Werk „Sisi, Sex und lische gleichermaßen. Semmelknödel. Ein Araber ergründet die österreichische Seele“ berichtet er Graz als neue Heimat mit feinem Humor über Unterschiede Im Oktober 2014 kam Omar Khir und Gemeinsamkeiten der Kulturen. Als Alanam in Österreich an. Der gebürti- gefragter Autor und Lyriker tritt er bei ge Damaszener hatte in seiner Heimat Poetry Slams auf, gibt Lesungen und ar- Betriebswirtschaft studiert und als Ver- beitet mit Jugendlichen an Schulen.

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Selbst aktiv werden deutet selbstverständlich nicht, dass Omar Khir Alanam will Zugewan- man dafür seine Herkunftskultur hin- derten zeigen, was man mit Fleiß und ter sich lassen muss. Eine Gesellschaft Willen erreichen kann. Sein Credo: ist immer dynamisch, Menschen soll- Raus aus der Opferrolle! „Ich kann ten es auch sein, egal, ob sie von hier nicht hier sitzen und nur einfordern. sind oder nicht.“ Ein gewisses Maß an Ich muss selbst aktiv werden.“ Khir Anpassung sei notwendig, um Öster- Alanam brachte sich Deutsch mit Hilfe reich verbunden zu sein. Im Gegenzug von YouTube-Videos im Selbststudium bräuchte es Offenheit, betont Sommer: bei, denn Sprache ist für den Syrer ein „Wer sich nicht in das Land, in dem er Schlüssel zur Integration. Rasch hat er lebt, einbringen möchte oder umge- versucht, über seine eigene Herkunfts- kehrt, wer sich nicht wertgeschätzt gruppe hinaus Kontakte zu knüpfen. fühlt, tut sich schwer, sich als zugehö- „Ich bin hinaus und habe nach dem rig zu verstehen.“ Weg gefragt, auch wenn es eine Über- Hanin Alsaleh windung für mich war.“ Nach und nach Neuanfang in Osttirol arbeitet im Restau- hat Khir Alanam dadurch steirische Hanin Alsaleh wurde ebenfalls in rant ihrer Eltern in Freunde gefunden. „Jeder neue Kon- Damaskus geboren – und lebt seit sechs Lienz und möchte sich eine Haube in takt, jedes neue Gespräch machte mich Jahren in Lienz, Osttirol. Unverkenn- der veganen Küche sicherer auf meinem Weg zur Integrati- bar, denn die 24-Jährige spricht nicht erkochen. Sie kam on.“ So hat er sich schnell an das Le- nur ausgezeichnetes Deutsch, sondern vor sechs Jahren nach Osttirol und ben in Österreich angepasst, sogar Ski- hat auch den Osttiroler Dialekt verin- hat schnell An- fahren kann er mittlerweile. nerlicht. „Der Anfang war nicht ein- schluss gefunden.

Ein gelernter Österreicher Heimat sei für ihn viel mehr als ein Ort. „Damaskus ist eine Heimat, die in mir lebt, die ich nicht mehr haben kann. Graz ist eine neue Heimat, hier fach. Ich bin ein Mensch, der sehr ger- liegt meine Zukunft.“ Alena, die Mut- ne spricht, aber ich konnte die Sprache ter seines Sohnes, sei nicht das einzige, nicht“, erinnert sie sich, „also ging ich aber das stärkste Bindeglied zwischen nach draußen, um den Menschen zu- den zwei Kulturen. Natürlich kennt zuhören und ihnen nachzusprechen“. auch Khir Alanam das Gefühl, hin und Alsaleh lernte schnell und begann eine hergerissen zu sein: „Wenn man mit ei- Kochlehre in Lienz. Für sie und ihre El- ner Kultur groß geworden ist und jetzt tern und die zwei Geschwister war von in einer ganz anderen lebt, ist das eben Anfang an klar: „Wir müssen den ers- manchmal verwirrend. Aber Alena be- „Österreicherin, ten Schritt machen, auf Leute zugehen, stätigt mir dann immer, dass ich auf Österreicher offen sein. Dann gehen sie auch auf uns dem besten Weg zum gelernten Öster- zu“. Familie Alsaleh fand schnell An- reicher bin.“ sein – das kann schluss und Freunde in Lienz. „Integ- Österreicherin, Österreicher sein – man lernen.“ ration heißt für mich auch, dass man kann man das lernen? Ja, sagt Monika sein Leben selbst in die Hand nehmen Sommer, Historikerin und Gründungs- Monika Sommer, Direktorin muss“, sagt sie bestimmt. „Meine Mut- direktorin des Hauses der Geschichte des Hauses der Geschichte ter hatte in Syrien ihr eigenes Restau- Österreich. „Geschichte und Traditionen Österreich rant. In Österreich musste sie wieder kann man erlernen, wenn man sich da- bei null anfangen. Sie hat sich hochge- mit auseinandersetzt, und dann kann arbeitet und führt heute in Lienz wie- man auch ein Teil davon sein. Das be- der ein Restaurant.“ Als Integrations-

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oeif2004_Österreichbewusstsein.indd 8 30.11.20 16:46 botschafterin der Initiative ZUSAM- der Sprache, dem Respekt vor unseren MEN:ÖSTERREICH besucht Hanin „Integration Werten und dem Einstieg in den Ar- Alsaleh mittlerweile Schulklassen und beitsmarkt“, weiß Integrationsministe- will mithelfen, Vorurteile abzubauen bedeutet auch, rin Susanne Raab. Wenn die Verbun- und Motivation zu schaffen: „Es sich mit dem denheit zu Österreich, den Österreiche- braucht Mühe und Kraft, sich sein Le- rinnen und Österreichern fehlt und ben neu aufzubauen. Man bekommt in Herzen in Zuwanderer über Generationen in eth- Österreich sehr viel Unterstützung, aber Österreich nischen Strukturen verharren, bleiben es ist wie bei einem kleinen Kind: Man sie isoliert vom Land, seinen Menschen muss lernen, selbst zu gehen." Alsaleh heimisch zu und ihren Werten – dann können sich ist zur Osttirolerin geworden: „Lienz ist fühlen.“ Parallelgesellschaften entwickeln. Islam- jetzt mein Zuhause“, erzählt sie. Susanne Raab, Frauen- und experte Ednan Aslan beobachtet vor al- Integrationsministerin lem in bestimmten Gebieten Wiens Ab- Parallelgesellschaften schottungstendenzen: „Über viele Jah- verhindern re hinweg hat man bestimmte Viertel „Integration bedeutet, Teil des Lan- sich selbst überlassen, man kommt dort des zu werden und sich nicht nur for- mittlerweile ohne Deutsch aus. Das Ös- mal, sondern auch mit dem Herzen in terreichische muss in diesen Stadtteilen Österreich heimisch zu fühlen. Diese wieder präsenter werden. Angebote wie emotionale Zugehörigkeit ist ein we- Jugendclubs, Büchereien oder Mütter-

Fotos: Eugénie Sophie Berger, Armin Bodner, Julia Stix, BKA/Andy Wenzel Armin Bodner, Eugénie Sophie Berger, Fotos: sentlicher Faktor, neben dem Erlernen treffs können den Austausch fördern.

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Kommentar von Serdar Sahin Wenn wir einen wirksamen Wandel Verantwortung für die wollen, dann müssen wir diesen Wan­ Gesellschaft übernehmen del wirksam gestalten“, fordert der ge­ Besonders schwierig ist Integration Ein wohliges Gefühl bürtige Türke, der heute an der Univer­ von Zugewanderten, die aus autoritä­ sität Wien lehrt. Fundamentalistische ren, antidemokratischen Staaten kom­ eimat. Ist das da, wo man Tendenzen erschweren die Integration men, weiß Soziologe Kenan Güngör: wohnt, arbeitet, Familie von Muslimen, meint Aslan: „Da wer­ „Wenn die religiöse und politische Welt­ Hund Freunde hat? Das ist den bewusst Ängste vor der Mehrheits­ anschauung dagegenspricht, strebt man es – und noch mehr. Es ist ein Ge­ gesellschaft geschürt und die Menschen es gar nicht erst an, Teil einer pluralis­ fühl des Wohlseins, der tiefen Ver­ so an der Identifikation mit Österreich tischen Gesellschaft zu sein oder sich bindung zu einem Ort, einem gehindert. Jede offene Begegnung und mit ihr verbunden zu fühlen.“ Was sagt Land. Das Kinderbuch „Oh, wie alles Fremde, nicht Vertraute wird als Güngör zur starken Verbundenheit vie­ schön ist Panama“ von Janosch il­ Bedrohung der eigenen Kultur und Re­ ler Türken oder Türkischstämmigen mit lustriert diese Emotionen auf ein­ ligion wahrgenommen.“ der Politik in ihrem Herkunftsland, die fachste Weise. Die Ferne zerrt un­ viele in Österreich irritiert? „Es ist an entwegt, wird romantisiert und sie sich kein Problem, wenn Menschen sich schmerzt. Doch kaum in der Ferne mit beiden Ländern verbunden fühlen. angekommen, begreift man, dass Die Frage ist, ob diese Verbundenhei­ es daheim eigentlich am schönsten ten miteinander kompatibel sind. Wenn ist. Das zu verstehen, ist essenziell in den Herkunftsländern stark gegen für die Identität eines Individuums. Europa agitiert wird, kann diese emoti­ Wer begreift, was Heimat ist, kann onale Verbundenheit instrumentalisiert sich öffnen, kann teilhaben an der werden und spaltend wirken.“ Wenn Gesellschaft. Die Alternative wäre Zuwanderer sich überhaupt nur mit Abschottung – ein zutiefst trauri­ dem Herkunftsland identifizieren, ger Zustand. Warum sich Janosch „dann fehlt die Verantwortungsüber­ an Kinder wandte, liegt auf der nahme für unsere Gesellschaft“. Hand. Je früher sich Individuen im Ob Zugewanderte und Flüchtlinge Klaren darüber sind, was Heimat sich im Laufe der Zeit auch emotional bedeutet, desto geringer sind spä­ mit dem Land verbunden fühlen, kön­ tere – sich vor allem in Jugendjah­ „Wer sich aus­ ne man nicht erzwingen, aber unter­ ren bildende – Identitätskonflikte. schließlich mit stützen, sagt Güngör und empfiehlt Hat es sich damit erledigt? Nein. Maßnahmen, wie zum Beispiel ver­ Anerkennung ist nötig, wenn Men­ der alten Hei­ stärkte Elternarbeit, Demokratiebildung schen sagen, Österreich sei ihre mat verbunden von Anfang an, das Fördern von hetero­ Heimat. Zu akzeptieren ist, wenn genen Freundeskreisen und das Vermei­ Menschen mit Migrationshinter­ fühlt, dem fehlt den einer exkludierenden Sprache. Es grund sagen, sie seien Vorarlber­ das Verantwor­ brauche auch von der Aufnahmegesell­ ger, Tiroler oder Wiener. Denn schaft Wertschätzung für Neuankömm­ wenn sie das sagen, ist es wahr. Es tungsgefühl für linge: „Jede Form von Beziehung hat steckt ein Gefühl dahinter – das Öster reich.“ zwei Seiten. Man kann sich nicht inte­ der Verbundenheit, der Dankbar­ grieren, wenn man das Gefühl hat, man keit und des Daheimseins. Kenan Güngör, Soziologe wird abgelehnt.“

Wie Österreich denkt Serdar Sahin ist Redakteur im Der österreichischen Bevölkerung ist Innenpolitik-Ressort der Tiroler durchaus bewusst, dass neben den Zu­ Tageszeitung. wanderern auch die Aufnahmegesell­ schaft einen Anteil an einer gelungenen

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Fotos: Eugénie S. Berger, Magdalena Possert. Illustration: Ruth Veres Kakadu“ zubegeistern.DieperfektenDeutschkenntnisseseinesVaters gehenauf Omar KhirAlanamskleinerSohnistschon fürdasÖIF-Kinderbuch „Schau,ein konsequentes Übenundmöglichstviele Gespräche mitEinheimischen zurück. Lernmaterialien. Wimmelplakaten und Förderung mitneuen der frühensprachlichen Der ÖIFunterstützt bei webshop www.integrationsfonds.at/ € 14,89bestellbar. im ÖIF-Webshop um lernen mitKatze Mitzi“ist Wimmelbildmappe „Deutsch und spielerischenÜben.Die zum Ausschneiden, Bemalen und einemMaterialienheft sprachfördernden Aktivitäten einem Anleitungsheftmit26 vier Wimmelbildplakaten, Das Gesamtpaket bestehtaus Katze Mitzi lernen mit Deutsch

gibt es kostenlose sprachportal.at Lernclips zu den neuen Wimmel-

Auf

TIPP:

plakaten.

www.

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Ressort Titelgeschichte

Auf die Menschen zugehen und ein Teil der Kultur sein, in der man lebt: Omar Khir Alanam in Graz und Familie Alsaleh in Lienz haben sich auf Österreich eingelassen.

Integration leisten muss. „Überraschend der europäischen Wertestudie aus dem dabei ist, dass die Einheimischen ihren Jahr 2018. Wo jemand geboren ist, wird Anteil mit 45 Prozent relativ hoch an- demnach für die Mehrheit immer un- sehen“, sagt Meinungsforscher Peter wichtiger, um als Österreicher akzep- Hajek, der gerade im aktuellen Integra- tiert zu werden. tionsbarometer erhoben hat, wie die „66 Prozent Österreicher das Zusammenleben mit der Bevölkerung „Österreich hat mir Zu­wanderern beurteilen. 9 von 10 Be- eine Stimme gegeben“ fragten befürworten verpflichtende In- nehmen Zurück nach Osttirol. In Lienz ste- tegrationsmaßnahmen, besonders hoch Parallelgesell- hen Hanin Alsaleh und ihre Familie in ist der Zuspruch für Sprachkurse sowie der Küche – vor allem dann, wenn an- Werte- und Orientierungskurse. Denn schaften wahr.“ dere frei haben. Die 24-Jährige hat eine als größtes Problem für die Integration Peter Hajek, Meinungsforscher Vorliebe für die österreichische Küche werden in der Bevölkerung nach wie entwickelt: „Am liebsten esse ich Kas- vor sprachliche und kulturelle Unter- pressknödel“, lacht sie und will dabei schiede gesehen. Sorgen bereiten die hoch hinaus, „ich möchte die erste Frau Verbreitung eines politischen Islams werden, die eine Haube in der veganen und das Thema Parallelgesellschaften. Küche bekommt“. Auch Omar Khir „66 Prozent der Befragten nehmen Pa- Alanam hat noch große Pläne für die rallelgesellschaften wahr, vor allem an Zukunft, sein viertes Buch entsteht ge- öffentlichen Plätzen, zum Beispiel beim rade. Dass er frei darüber schreiben Einkaufen“, präzisiert Hajek. „Das ist kann, was ihm auf dem Herzen liegt, seit der Flüchtlingskrise 2015 und den ist für den gebürtigen Syrer nicht selbst- Terroranschlägen eine Konstante.“ Wer verständlich. „In Syrien konnte ich in Österreich leben will, soll sich anpas- nicht auf der Bühne stehen und meine sen, Deutsch lernen, sich an die Geset- Texte frei lesen“, erzählt er. „Österreich ze halten und versuchen, die Mentali- hat mir so viel gegeben. Einen Platz, tät zu verstehen – das wünscht sich die eine Stimme. Das Land ist eine Heimat

österreichische Bevölkerung auch laut für mich geworden.“ News/picturedesk.com Ilgner/Verlagsgruppe Lukas Armin Bodner, Eugénie Sophie Berger, Fotos:

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Winter 2020 Nº 92 Deutsch lernen ÖSTERREICH Spiegel Die Zeitung für den Deutschunterricht

Arnold Backen Ehrenamt Schwarzenegger im Advent in Österreich „In Österreich bin ich Traditioneller Lebkuchen Zu Stützen kein Veganer“ Seite 5 aus Mariazell Seite 14 der Gesellschaft werden Seite 17

18 Österreich und Schwerpunkt und Österreich Winter seine Bundesländer Ausgabe 8 KLEINWALSERTAL TOURISMUS EGEN DOMINIK| BERCHTOLD

Spaß im Schnee Wann haben Sie das letzte Mal eine Schneeball- schlacht gemacht oder sind einen Hang hinunter- gerodelt, so wie die Kinder hier im Kleinwalsertal in Vorarlberg? Für viele Stadtmenschen in Österreich ist es normal geworden, dass kaum mehr Schnee fällt. Auch sie müssen in die verstehen österreichischen Alpen fahren, um verschneite Dörfer und Wälder zu erleben.

4.10.2020 In unserem Schwerpunkt treten wir eine Reise in den österreichischen Winter an und machen Lust auf eine weiße, weiche Schneelandschaft und Zusammenleben in Österreich. in Zusammenleben und Integration Integration für Unterrichtsmagazin Das mit jeder Menge Schneebälle. Zum Beispiel mit Ski-WM 2025 in Saalbach-Hinterglemm einer Reportage aus einem Winterwanderdorf in Österreich darf sich wieder auf alpine Ski-Weltmeisterschaften freuen. Osttirol, das geräumte Winterwanderwege im lawinensicheren Gelände bietet. Wie sieht es mit In Saalbach-Hinterglemm werden vom 4. bis Österreich war insgesamt schon zehnmal und dem Skitourismus in Zeiten der Corona-Pandemie 23. Februar 2025 die alpinen Titelkämpfe stattfinden, zuletzt 2013 mit Schladming WM-Gastgeber, – für aus und warum treiben Perchten in Österreich das hat der Vorstand des Ski-Weltverbandes (FIS) Saalbach ist es die zweite Austragung von Titel- zur Winterzeit ihr Unwesen? Das sind weitere Gute Deutschkenntnisse sind die Grundlage jeder erfolg- entschieden. Die Salzburger, die sich schon für die kämpfen nach 1991. In Zeiten, in denen Nachhaltig- Themen, die in den Artikeln zum Schwerpunkt WM 2023 beworben hatten, setzten sich deutlich keit groß und Größenwahn kritisch gesehen behandelt werden. gegen die Mitbewerber Crans Montana (Schweiz) werden, hat Saalbach mit seinem Konzept „Ein und Garmisch-Partenkirchen (Deutschland) durch. Berg, alle Bewerbe“ überzeugt. Sämtliche Rennen In unserer didaktischen Beilage finden Sie „Jedes Mal, wenn die FIS eine WM in Österreich werden auf dem Zwölferkogel veranstaltet, es spannende Übungen sowie eine 90-minütige veranstaltet hat, ist es ein besonderes Ereignis gibt nur ein Zielgelände und sämtliche Locations komplette Unterrichtseinheit mit einer Klang- mit vielen Zuschauern und sehr professioneller wie auch der Medaillenplatz sind in Gehdistanz. reise durch den Winter. Das berühmte Weih- lernen Organisation. Ich habe keine Zweifel, dass Saalbach Insgesamt sollen trotz der eben erst fertiggestellten nachtslied „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ spielt dieser starken Tradition gerecht wird“, sagte FIS- Seilbahn noch 40 bis 50 Millionen Euro in die darin eine zentrale Rolle. reichen Integrationsgeschichte. In verschiedenen Lern- Präsident Gian Franco Kasper. Region investiert werden. materialien und Webangeboten kombiniert der ÖIF den

Mit Werte- und Spracherwerb mit viel Wissen über das Zusammenle- Deutsch Orientierungs- wissen! ben in Österreich. Infos unter www.sprachportal.at

Onlinekurse: Zur Ergänzung und Digital Vertiefung bietet der ÖIF digitale Einstieg in die deutsche Sprache lernen mit Deutschkurse für die drei Sprachni- kombiniert. Die aktuelle Ausgabe dem ÖIF veaustufen A1, A2 und B1 an. Erfah- ist den neun Bundesländern gewid- rene und zertifizierte Lehrkräfte ge- met und will mit kreativen Übun- stalten einen abwechslungsreichen gen zur weiteren Auseinanderset- Live-Unterricht. Wer mehr über Ös- zung mit Österreich motivieren. terreichs Kultur, Kunst, Regionen und Dialekte lernen möchte, ist im „Österreich Spiegel“: Der „Öster- Kurs „Die Kulturstunde“ richtig. Un- reich Spiegel“ regt dazu an, sich Sprachportal.at: Auf der Online- komplizierte Anmeldung via Link unter mit Österreich in all seinen Facet- plattform www.sprachportal.at kön- www.sprachportal.at ten zu beschäftigen. Dafür bietet nen Lernende ihre Sprachkenntnis- die Zeitung authentische Artikel se und ihr Wissen über Österreich Magazin „Deutsch lernen“: Für den aus österreichischen Medien ab mit Kurzfilmen, Sprachvideos, Unterricht mit Flüchtlingen und Zuwan- B1-Niveau und leichtere Texte be- Lernpodcasts, 360-Grad-Panorama- derern ab Sprachniveau A1 bietet der reits ab A2-Niveau. Die didaktische bildern, Übungsblättern oder einem ÖIF das kostenlose Unterrichtsmagazin Beilage enthält Übungen zu den Vokabeltrainer spielerisch im Eigen- „Deutsch lernen“, das Wertewissen über Texten, während eine beiliegende studium erweitern. Österreich mit einem praxisorientierten CD passende Hörbeiträge liefert.

Virtueller Schulbesuch Buchtipp Omar Khir Alanam SISI, SEX UND Die ÖIF-Initiative ZUSAMMEN:ÖSTERREICH SEMMELKNÖDEL Im Buch „Sisi, Sex und Semmelknödel“ Ein Araber ergründet bringt Integrationsbotschafter virtuell ins die österreichische Seele schildert Omar Khir Alanam seine Erfah- Klassenzimmer. Integrationsbotschafter sind rungen mit dem Alltag in Österreich auf hu- Menschen mit Migrationshintergrund, die ihre morvolle Art und Weise. Er beschäftigt sich Chance in Österreich ergriffen haben. Wie mit der heimischen Esskultur genauso wie mit dem Hang beim klassischen Schulbesuch erzählen sie zur Bürokratie. Es ist Khir Alanams drittes Buch nach ihre Integrationsgeschichte und tauschen sich „Danke! Wie Österreich meine Heimat wurde“ und dem zu Integration, Diskriminierung und Toleranz Gedichtband „Auf der Reise im Dazwischen“. „Sisi, Sex aus. Der Zugang erfolgt unkompliziert via und Semmelknödel. Ein Araber ergründet die österreichi- Link. www.zusammen-oesterreich.at sche Seele“ edition a Verlag. www.omarkhiralanam.com Fotos: ÖIF Fotos:

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ie haben eine deutsche Mut- ter, einen Vater aus und sind in Wien geboren und aufgewachsen. Was be- deutet Heimat für Sie? SIch bin durch und durch Wienerin, da gibt es eine Verbindung mit meinen Wurzeln, die nicht zu kappen ist. Da– rüber hinaus habe ich aber einige Sehn- suchtsorte auf der ganzen Welt, an de- nen ich mit mir im Reinen bin. Wenn meine Familie dabei ist, ist es für mich perfekt.

Was mögen Sie an Österreich besonders? Österreich ist ein wunderschönes und sicheres Land. Intakte Natur, an- spruchsvolle Kunst und Kultur, vorzüg- liche Kulinarik – wir haben schon sehr viel zu bieten und dürfen ruhig stolz darauf sein. Besonders gerne wandere ich auf die Berge. Dort oben habe ich den Überblick, und in der Weite kann man die Gedanken schweifen lassen. Wenn ich mich zwischen Bergen und Meer entscheiden müsste, dann wären es die Berge. „Ich bin durch und durch Wienerin“ Arabella Kiesbauer definiert ihre Identität weniger über ihre Hautfarbe als über ihre kulturelle Prägung. Im Interview spricht sie über ihre afrikanischen Wurzeln, ihren offensiven Umgang mit Rassismus und ihr Engagement für Integration. Interview: Christine Sicher

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oeif2004_Interview.indd 14 30.11.20 15:50 P zur Person Arabella Kiesbauer ist eine Pionierin des Talk-Formats im deutschsprachigen Fernsehen. Ihren Durch- bruch hatte sie mit einer täglichen Talkshow auf ProSieben, die sie von 1994 bis 2004 moderierte. Später präsentierte sie TV-Events im ORF, u. a. den Opernball. Seit 2014 moderiert sie auf ATV die Sendung „Bauer sucht Frau“. Kiesbauer engagiert sich seit 2011 als Integrationsbotschafterin für die Initiative ZUSAMMEN:ÖSTERREICH und wurde 2013 mit dem Goldenen Verdienstzeichen der Republik Österreich ausgezeichnet. Sie lebt in Wien, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Im Buch „Mein afrikanisches Königen vorbehalten war und heute Herz“ haben Sie die Suche nach noch in Ghana gewebt wird. „Vor 30 Jahren Ihren Wurzeln in Ghana, der hätte mir wohl Heimat Ihres Vaters, beschrie- Ist die Hautfarbe ein Thema, ben. Ist die afrikanische Kultur wenn Sie Dirndl tragen? niemand ‚Bauer Teil Ihrer Identität? Zum Glück nicht mehr, da hat sich ge- sucht Frau‘ Natürlich, immerhin trage ich ja auch sellschaftlich doch einiges getan. Aber die Gene meines Vaters in mir. Dieses wahrscheinlich wäre vor 30 Jahren kli- angeboten.“ Wechselspiel verschiedenster Kulturen scheebedingt niemand auf die Idee ge- und Einflüsse sehe ich als große Berei- kommen, mir die Moderation einer der- Was bringen Vorbilder wie Sie cherung. Die Afrika-Reise auf den Spu- artigen Sendung anzubieten. Als ich als für junge Menschen mit Migra- ren meiner eigenen Geschichte hat mir Moderatorin in Deutschland angefan- tionshintergrund? wichtige Fragen beantwortet. Woher gen habe, hat die Hautfarbe alles ande- Aus meinen Gesprächen mit Jugendli- komme ich, wer sind meine Vorfahren, re überlagert. Es ist ein großer Fort- chen weiß ich, dass sie Identifikations- was haben sie mir als kulturelles Erbe schritt, dass es heute kaum mehr ein figuren suchen und brauchen – Men- mit auf den Weg gegeben? Thema ist, wenn ich als dunkelhäutige schen mit Migrationshintergrund, die Frau im Dirndl „Bauer sucht Frau“ mo- es trotz manchmal widriger Vorausset- deriere und durch Österreich fahre. zungen geschafft haben. Das bestärkt „Mein Umgang die kommende Generation darin, Chan- Rassistische Anfeindungen cengleichheit einzufordern und ihren mit Rassismus ist begleiten Sie seit Beginn Ihrer Platz als produktives Mitglied unserer die Offensive, Karriere als erste farbige Mode- Gesellschaft einzunehmen. ratorin im Fernsehen. Der trau- nicht die rige Höhepunkt: das Briefbom- Wie viel Identifikation mit der Opferrolle.“ ben-Attentat im Jahr 1995. Lebensweise und Kultur der Was hat sich seither verändert, neuen Heimat ist für die was muss sich noch ändern? Integration notwendig? Sie moderieren die Sendung Leider zeigt auch der Terroranschlag in Der Wille zur Integration ist eine Ver- „Bauer sucht Frau“ und zeigen Wien, wie Verblendung, religiöser pflichtung, egal in welchem Land man sich gern im Dirndlkleid. Wie Wahn und Extremismus zu Rassismus, lebt. Das Interesse an und das Ver- viel Heimat steckt in der Tracht? Terror und Gewaltakten führen. Rassis- ständnis für die Kultur der neuen Hei- Jedes Land hat seine Tracht, in Öster- mus wird uns immer begleiten. Mein mat sind dabei Grundvoraussetzungen, reich ist es das Dirndl. Ein der weibli- Umgang mit Rassismus ist die Offensi- um in der Gesellschaft anzukommen. chen Figur schmeichelndes Kleidungs- ve, nicht die Opferrolle. Ich spreche stück, das eine Heimatverbundenheit Probleme direkt an und versuche, mei- Glauben Sie, dass eine neue ausstrahlt – ich mag es sehr. Auch mei- nen Beitrag zu leisten, damit Rassismus Heimat die alte ersetzen kann? ne Verbindung zu Afrika schlägt sich eingedämmt wird. Das muss sie nicht. Im Herzen ist ge- in manchen meiner Kleidungsstücke nug Platz für vielfältiges Heimatgefühl. nieder: Im Sommer trage ich gerne ei- Das Attentat war Auslöser dass Verbundenheit zu mehreren Orten, nen traditionellen Boubou, das ist ein Sie sich gegen Vorurteile enga- Plätzen, Regionen, Ländern, aber auch lockerer, afrikanischer Kaftan für Män- gieren und als Integrations- zu Menschen aus verschiedenen ner. Oder Schals aus feinem und far- botschafterin von ZUSAMMEN: Kulturen und Religionen zu spüren, ist

Foto: Jürg Christandl/Kurier/picturedesk.com Jürg Foto: benfrohem Kente-Stoff, der früher nur ÖSTERREICH Schulen besuchen. ein Gewinn.

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oeif2004_Interview.indd 15 30.11.20 15:50 Ressort Integration in Zahlen

Identifikation mit Österreich Nur noch Zahlen, Daten und Fakten 24% Was erwartet die österreichische Bevölkerung von Flücht- der Bevölkerung lingen und Zuwanderern und was sind für sie die wich- glauben, dass es sehr wichtig ist, in Österreich tigsten Faktoren für Integration? Wie hoch ist die Identifi- geboren zu sein, um kation mit Österreich bei zugewanderten Menschen? Gibt österreichisch zu sein. es Unterschiede zwischen den Herkunftsländern? 2008 waren es 39%.

von 73,5 % 9 10 53% der Zugewanderten mit Österreichern halten es der Österreicher irakischem Migrations- für ein Zeichen schlechter erwarten, dass sich hintergrund fühlen sich Integration, wenn Zuwanderer stärker an eher dem Staat, aus dem Vorschriften der eigenen die österreichische sie oder ihre Eltern Religion über staatliche Lebensweise anpassen stammen, Gesetze gestellt werden. sollen. zugehörig.

Was ist für die Österreicherinnen und Österreicher sehr wichtig, damit Zugewanderte 83,2% in Österreich gut integriert sind? der Zugewanderten mit serbischem Gesetze respektieren 92 % Migrationshintergrund Gute Deutschkenntnisse 92 % fühlen sich eher Gleichberechtigung anerkennen 85 % Österreich zugehörig. Religiöse Toleranz 81 %

Fast 95% 87,4% der Menschen aus tradi- der Personen bosnischer Her- kunft fühlen sich in Öster- 2/3 tionellen Zuwanderungs- ländern sind mit der reich nicht benachteiligt. Da- der Bevölkerung österreichischen Lebens- gegen glauben 63,3% der nehmen Parallel- weise sehr oder im Personen mit syrischem gesellschaften in Großen und Ganzen Migrationshintergrund, dass einverstanden. sie benachteiligt werden. Österreich wahr.

Quellen: Statistisches Jahrbuch „Migration & Integration 2020“, Integrationsbarometer 2020, GfK-Befragung „Was denkt Österreich?“, ÖIF-Forschungsbericht „Muslimische Gruppen in Österreich“, Europäische Wertestudie 1990–2018

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oeif2004_Integration in Zahlen.indd 16 30.11.20 16:48 H Hinweise

Sandra Ivkic, Gesamtleitung Integrationsmaßnahmen im ÖIF

Zu Österreich gehören JOURNALISTINNENPREIS INTEGRATION Bereits zum 9. Mal wird 2020 der „Journalis- b wann ist man eine richtige Österreicherin, ein rich- tInnenpreis Integration“ in den Kategorien Print/ tiger Österreicher? Die europäische Wertestudie, die Online, TV und Radio ausgeschrieben. Der Preis alle zehn Jahre umfassend erforscht, wie sich unser zeichnet journalistische Beiträge aus, die im Zeit- Land wandelt, ist dieser Frage 2018 nachgegangen. raum von 15. Oktober 2019 bis 30. Dezember 2020 Wo jemand auf die Welt gekommen ist oder welche in Österreich publiziert wurden und sich mit der AVorfahren er hat, wird demnach für die österreichische Bevölke- Integration von Frauen und Mädchen, dem Arbeits- rung immer unwichtiger. Für die Mehrheit viel entscheidender ist markt im Integrationskontext, segregativen Mili- es, dass sich zugewanderte Menschen an die Gesetze halten, un- eus und parallelgesellschaftlichen Strukturen so- sere Institutionen, Bräuche und Werte akzeptieren sowie die Spra- wie kultureller Integration, Zusammenhalt und Zu- che lernen. Wer sich an diese Spielregeln hält, wird heute viel eher gehörigkeit beschäftigen. Bewerbungen – auch als „echter“ Österreicher akzeptiert als noch vor 30 Jahren, so das durch Dritte – sind bis 30. Dezember 2020 mög- Fazit der Werteforscher. Auch das Zugehörigkeitsgefühl der Zu- lich. Alle Informationen und das Einreichformular wanderer hat sich positiv entwickelt: Die meisten Zuwanderer ge- unter www.integrationsfonds.at/journalistenpreis ben an, sich in Österreich „völlig oder eher“ heimisch zu fühlen. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass in Teilen der zweiten und KOSTENLOSES dritten Generation zugewan- UNTERRICHTSMATERIAL Mehr als die Hälfte derter Türken die emotionalen Die Materialien „Aufbre- der afghanischen Bindungen zur Heimat der El- chen-Ankommen-Bleiben“ sind AUFBRECHEN Jugendlichen tern besonders stark sind und für die Verwendung in der Bil- ANKOMMEN BLEIBEN

Befragte aus den Herkunfts- dungs- und Jugendarbeit kon- Bildungsmaterial geben an, dass zu Flucht und Asyl. Ab 12 Jahren Vorschriften des ländern Afghanistan, Irak, Sy- zipiert. Lehrkräfte und Perso- Islam über rien und Tschetschenien dem nen, die in der Jugendarbeit tä- heimischen Lebensstil skep- tig sind, können damit Flüchtlingsthemen auf den Gesetzen tisch gegenüberstehen. 19 Pro- kreative Weise in ihre Tätigkeit integrieren. Im Zen- Österreichs stehen. zent der Personen mit iraki- trum des kostenlosen Materials stehen die persön- schem Migrationshintergrund lichen Lebensgeschichten von jungen Menschen, sind mit der Lebensweise in die aus ihrer Heimat flüchten mussten und nun in Österreich „eher nicht“ einverstanden. Österreich leben. Die Sammlung entstand in Ko- Umso wichtiger ist es, dass Zuwanderer von Beginn an die operation zwischen ÖIF, UNHCR und BAOBAB – Prinzipien der österreichischen Gesellschaft kennenlernen, wie es Globales Lernen und wurde im Oktober 2020 ak- in den ab Jänner 2021 verlängerten Werte- und Orientierungskur- tualisiert. Die Materialien sind für Kinder und Ju- sen geschieht. Diese Kurse können ein erster Wegweiser zur Iden- gendliche ab 12 Jahren geeignet. Beim Verfassen titätsbildung sein. Sich mit Österreich verbunden zu fühlen, ist der Texte wurde großer Wert auf eine einfache aber ein langer Prozess. Oft ist es das Ergebnis erfolgreicher Inte- Sprache gelegt, damit eine möglichst breite Ziel- gration. Wer gut Deutsch spricht und die Regeln des Zusammen- gruppe mit dem Bildungsmaterial arbeiten kann. lebens kennt, schafft die Voraussetzung für Berufstätigkeit, ein re- gelmäßiges Einkommen und soziale Kontakte. Die Identifikation Download der Unterrichtsmaterialien mit der neuen Heimat gewinnt damit an Bedeutung. unter www.integrationsfonds.at. Die gedruckte Broschüre kann unter

Illustration: Ruth Veres Ruth Illustration: www.unhcr.org/dach/at bestellt werden.

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oeif2004_Integration in Zahlen.indd 17 30.11.20 16:48 Ressort ÖIF-Format

Längere Wertekurse Die Werte- und Orientierungskurse vermitteln Regeln für ein gutes Zusammenleben in Österreich. Nun werden sie aufgewertet und auf drei Tage erweitert. Text: Christine Sicher emokratie, Frauenrechte, Mei- große Themenkomplexe stehen künftig nungsfreiheit, Gewaltverbot: jeweils einen Tag lang im Mittelpunkt: Viele Flüchtlinge haben die- Verfassungswerte und Regeln des Zusam- se Grundprinzipien unseres menlebens, Arbeitsmarkt und Bildung so- Staates in ihren Herkunftslän- wie Freiwilligenarbeit und kulturelle As- dern nie erlebt. „In den Wer- pekte des Zusammenlebens. „Für Flücht- te- und Orientierungskursen linge sind der heimische Arbeitsmarkt geben wir einen Überblick, und das Bildungssystem völlig neu, oft wie das Leben in Österreich auch unser Familien- und Frauenbild. Sie funktioniert und was man für profitieren von der längeren Dauer und ein gutes Zusammenleben erhalten ausführlichere Informationen. wissen muss“, erklärt Mirela Die Trainer haben nun mehr Zeit, über Memic, die den Bereich Wer- wichtige Prinzipien wie Gleichberechti- te und Orientierung im ÖIF gung und Meinungsfreiheit mit den Teil- leitet. Seit Ende 2015 gibt es nehmenden zu diskutieren oder genauer Wertekurse für Asylberechtig- darauf einzugehen, worauf es bei einer te und subsidiär Schutzbe- Bewerbung ankommt“, sagt Memic über rechtigte, seit 2017 sind sie das erweiterte Kursformat. Dass kulturel- verpflichtend. Fast 70.000 le Gewohnheiten niemals über dem Ge- Die Werte- und Orientie- Personen haben bisher öster- setz stehen dürfen, sei ein weiterer wich- rungskurse werden auf reichweit an einem von insgesamt rund tiger Punkt, der in Zukunft ausführlicher Deutsch abgehalten. Sind 5.500 Wertekursen teilgenommen. besprochen werden muss. die Deutschkenntnisse zu gering, übersetzen Dolmetscher. Verlängerung auf drei Tage Freiwillige Exkursionen Bisher absolvierte jeder Flüchtling ei- Nach positivem Abschluss der drei nen achtstündigen Kurs, der inhaltlich verpflichtenden Tage können die Teilneh- sehr dicht bepackt war. Ab Jänner 2021 mer freiwillig noch ein vierstündiges Pra- wird die Stundenzahl auf 24 erhöht – ver- xismodul zu den Schwerpunktthemen teilt auf drei Tage. „Zu vielen Themen Antisemitismus und Ehrenamt besuchen. Weitere Informationen www.integrationsfonds.at/wertekurse gibt es einen hohen Diskussionsbedarf“, „Am vierten Tag sind Exkursionen ge- weiß Memic. Man könne nicht voraus- plant. Wir gehen zum Beispiel in das Jü- setzen, dass Flüchtlinge wissen, was für dische Museum Wien, um antisemitische uns selbstverständlich ist. „Auch die Teil- Denkweisen zu thematisieren“, verrät nehmenden selbst wünschten sich eine Memic. Besuche beim Roten Kreuz oder vertiefende Auseinandersetzung.“ Drei anderen ehrenamtlichen Organisationen sollen aufzeigen, wie durch ein Ehren- amt die Integration beschleunigt werden „Viele Wertethemen haben kann.„Wir möchten in diesen drei bzw. einen hohen Diskussionsbedarf. vier Tagen die Essenz dessen vermitteln, was das Zusammenleben in unserer Ge- Dafür ist jetzt mehr Zeit.“ sellschaft ausmacht“, erklärt Memic. „Die Mirela Memic, Bereichsleiterin im ÖIF Wertekurse geben eine erste Orientierung und zeigen den Weg in Österreich. Ge-

hen müssen ihn die Leute selbst.“ ÖIF Fotos:

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oeif2004_Wertekurse.indd 18 30.11.20 15:58 Anregungen & Tipps Ressort

Rat für Engagierte Hier erhalten Sie Anregungen von Experten für die Arbeit oder das Zusammenleben mit Flüchtlingen und Zuwanderern.

Demokratie einfach Tipps von Harald Brunner: erklären – wie 1. Demokratiebildung und Spracherwerb kombinieren gelingt‘s? Es gibt viele Angebote im Netz, die sich mit politischer Bildung beschäftigen, und es gibt noch mehr Angebote, die zum Spracherwerb bestens geeignet sind. Demokratiebildung ist von Eine Kombination aus beidem bietet das österreichische Parlament. Inhaltlich essenzieller Bedeutung für jedes orientiert sich das Angebot der DemokratieWEBstatt an der Lernunterlage des funktionierende demokratische Innenministeriums zur Vorbereitung auf die österreichische Staatsbürgerschaft. System. Vor speziellen Heraus- Es richtet sich an Flüchtlinge und Zuwanderer und ganz allgemein an Men- forderungen bei der Vermittlung schen, die noch nicht lange in Österreich leben. www.demokratiewebstatt.at ist man gestellt, wenn Sprach- (Rubrik „Angekommen – Demokratie und Sprache üben“) barrieren hinzukommen. Die DemokratieWEBstatt des Parla- 2. Spannende Themen finden und Interesse wecken ments schafft mit der Rubrik Demokratiebildung erfordert zunächst, spannende Themen mit Anknüpfungs- „Angekommen“ Abhilfe. punkten zur Lebensrealität der Menschen zu finden und diese dann in einfa- cher Sprache zu vermitteln. Welche Sorgen und Themen sind gerade aktuell? Wo ist man unmittelbar von politischen Entscheidungen betroffen? Versuchen Sie die Themen mit geschichtlichem und kulturellem Hintergrundwissen über Österreich anzureichern!

3. Einfache Aufbereitung und Kombination mit Lernübungen Es erfordert ein besonderes Fingerspitzengefühl, an und für sich nicht einfach zu vermittelnde Inhalte zu erklären und gleichzeitig darauf zu achten, dass die Texte korrekt wiedergegeben werden. Dafür ist es erforderlich, wichtige Voka- bel, die zum Textverständnis benötigt werden, hervorzuheben und zu lernen. Grammatikalische Übungen zum Wortschatz müssen abwechslungsreich ge- staltet sein, um die Lust am Lernen zu erhalten.

4. Konnex mit dem eigenen Leben herstellen Was hat das Ganze eigentlich mit mir zu tun? Mit meiner Familie? Mit meinem Leben? Politik ist besonders für Jugendliche ein abstraktes Thema. Deshalb ist Harald Brunner es wichtig zu vermitteln, dass Politik alle Bereiche des Lebens betrifft. Nicht arbeitet in der Parlamentsdirektion nur Politikerinnen und Politiker entscheiden über die Zukunft des Landes, alle seit 2007 an der DemokratieWEBstatt, können etwas bewegen. Wer sich dessen bewusst ist, kann nicht nur für sich dem Onlineportal für Kinder und Jugendliche des österreichischen selbst, sondern auch für die Gemeinschaft einen wertvollen Beitrag leisten. Parlaments. Politische Bildung und Demokratievermittlung sind die 5. Wiederholen und diskutieren zentralen Themen der Demokratie- WEBstatt. Neben der inhaltlichen Wenn die Lerninhalte mehrfach wiederholt werden, bleiben sie besser im Ge- Weiterentwicklung der Seite ist dächtnis. Dies geschieht auch, wenn man sich über das Erlernte mit anderen er auch für die Chats mit unterhält. Machen Sie Pro- und Contra-Debatten über politische Themen! Da- Politikerinnen und Poli- tikern zuständig. mit fördern Sie die Sprachgewandtheit und zeigen, dass es verschiedene Mei- nungen zu einem Thema gibt. Erklären Sie die Bedeutung von Toleranz, und

Illustration: Ruth Veres Ruth Illustration: wie wichtig es in einer Demokratie ist, andere Standpunkte zu akzeptieren!

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oeif2004_Rat für Engagierte.indd 19 30.11.20 15:59 Ressort Publikationen

Was tun gegen Antisemitismus? Die Sorge über den eingewanderten Antisemitismus wächst. Die neue Aus- gabe der ÖIF-Publikationsreihe „Perspektiven Integration“ widmet sich dem Antisemitismus im Kontext von Migration und Integration. Text: Christine Sicher

orauf gründet 01 2020 elitischen Kultusgemeinde (IKG) der muslimi- Benjamin Nägele, Danielle Spera, sche Antisemi- Perspektiven Direktorin des Jüdischen Museums tismus? Warum Integration Wien, Ludwig Spaenle, Antisemi-

ist er so ver- ZUM THEMA Antisemitismus tismusbeauftragter der bayerischen breitet und welchen Einfluss haben im Kontext von Migration Staatsregierung, Politologin Nina W IM GESPRÄCH MIT KÖKSAL BALTACI

international tätige Verbände auf Michael Wolffsohn Ludwig Spaenle Hamed Abdel-Samad Nina Scholz Scholz sowie den Ex-IKG-General- Benjamin Nägele Raimund Fastenbauer den Antisemitismus unter Musli- Danielle Spera sekretär Raimund Fastenbauer. men in Europa? Wie soll man als Gesellschaft und Staat mit den be- Perspektiven: Michael Wolffsohn sieht zwei unruhigenden Entwicklungen um- Interviews mit Quellen, aus dem der muslimische gehen? Und warum spielt Bildungs- Tiefgang Antisemitismus gespeist wird: die arbeit eine zentrale Rolle? Die aktuelle Ausgabe der ÖIF-Pub- Religion und dominante Tradition likationsreihe „Perspektiven Integ- des Islam sowie den arabisch-isla- ration“ zum Thema „Antisemitis- misch-israelischen Konflikt. Er ist mus im Kontext von Migration“ davon überzeugt, dass diese gar bietet spannende Antworten auf nicht so neue Judenfeindlichkeit Fragen rund um die neu aufge- heute am gefährlichsten ist – noch „Judenfeindschaft flammte Judenfeindlichkeit in Eu- vor dem rechten und linken Anti- ist ein Kernelement ropa. „Die Presse“-Redakteur Kök- semitismus. Auch Benjamin Näge- sal Baltaci hat namhafte Expertin- le ist besorgt: „Viele der Migranten der islamistischen nen und Experten zum Gespräch kommen aus Ländern, in denen ein Ideologie.“ gebeten: den deutschen Historiker gesellschaftlich tief verwurzelter Michael Wolffsohn, den Politolo- Judenhass sowie Ablehnung gegen Nina Scholz gen und Autor Hamed Abdel-Sa- Israel herrschen.“ Nägele betont, mad, den Generalsekretär der Isra- dass gleichzeitig auch im rechten

Alle Ausgaben der Reihe „Perspektiven Integration“ finden Sie auf www.integrations- fonds.at/perspektiven. Sie können diese herun- terladen oder kostenlos ein Exemplar bestellen. Danielle Michael Benjamin Nina Hamed Spera Wolffsohn Nägele Scholz Abdel-Samad

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oeif2004_Publikationen.indd 20 27.11.20 11:15 Spektrum eine Enthemmung fest- Raimund Fastenbauer zustellen sei. Insgesamt sei es „er- Ehemaliger Generalsekretär der schreckend, dass 75 Jahre nach der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Befreiung von Auschwitz-Birkenau Jüdinnen und Juden in Europa noch immer nicht in Sicherheit le- ben können und jüdische Schulen und Synagogen Polizeischutz brau- „Niemand wird chen.“ Eine große Herausforderung als Antisemit geboren“ für die Gesellschaft, der man auch mit neuen Bildungskonzepten be- Wie definieren Sie persönlich Anti- Viele Lehrkräfte wissen nicht, wie gegnen muss, wie die Politikwis- semitismus? sie auf Antisemitismus reagieren senschaftlerin Nina Scholz fordert: Antisemitismus ist der Hass gegen sollen. Was raten Sie ihnen? „Mit Programmen, die auf die eu- den Juden, das jüdische Volk oder Wichtig ist, sich zuallererst selbst ropäische Variante des Antisemitis- den Staat Israel, in letzter Konse- das nötige Wissen zu verschaffen. mus zugeschnitten sind, sind mus- quenz der Wunsch nach dem Tod Man muss sich mit den Inhalten limische Jugendliche schwer zu er- der Juden. des politischen Islam, zu denen reichen.“ sehr wesentlich der Antisemitismus Welchen Einfluss haben die Migra- gehört, kritisch auseinandersetzen. Auch Danielle Spera setzt auf tionsbewegungen auf den Antisemi- Dann ist man – ohne in die Falle Aufklärung und Wissensvermitt- tismus in Europa? der Verallgemeinerung zu tappen – lung: „Wenn wir Flüchtlingen nä- Sie haben das Problem verschärft. besser in der Argumentation gegen herbringen, dass in Österreich le- Wenn Menschen bereits im Kinder- antisemitische Vorurteile gerüstet. bende Juden ebenfalls eine Flucht- garten und in der Schule mit anti- Das Wissen über die Vergangenheit geschichte aufweisen, sind sie semitischem Gedankengut konfron- ist das beste Mittel, um zu verhin- überrascht über diese Erkenntnis.“ tiert werden, hat das natürlich Aus- dern, sie nochmals zu erleben. Auch Zuwanderer aus dem ehema- wirkungen auf ihr ganzes Leben, so ligen Jugoslawien seien verblüfft leicht wird man Antisemitismus Sie geben Seminare für Deutschtrai- über die Fakten, sie hätten ebenso nicht mehr los. Wobei man hier ner und Integrationsberater und ver- einen anderen geschichtlichen Hin- nicht verallgemeinern darf: Viele mitteln Grundlagenwissen. Was tergrund, meint Spera. Die Direk- Menschen sind natürlich vor genau sind Ihre Erfahrungen, wie wichtig torin des Jüdischen Museums Wien solchen Einflüssen geflüchtet. sind solche Weiterbildungsmaßnah- beobachtet mit Sorge, dass manche men? türkische Jugendliche ausschließ- Wie kann man Menschen, die mit Meine Erfahrungen sind sehr posi- lich türkischsprachige Medien dem Antisemitismus aufgewachsen tiv, ich stoße auf großes Interesse. konsumieren. „Schülerinnen und sind, erreichen? Mir ist wichtig, das nötige Grund- Schüler müssen sich mit österrei- Niemand wird als Antisemit gebo- lagenwissen, das über den Islam chischen Medien, der österreichi- ren. Die gesetzlich vorgeschriebe- weitgehend fehlt, zu vermitteln und schen Demokratie und den öster- nen Wertekurse, die Antisemitismus mit didaktischen Ratschlägen zu reichischen Werten beschäftigen.“ und Toleranz gegenüber Andersden- verbinden. Diese Kombination er- kenden thematisieren, sind eine möglicht es den Teilnehmern, auf sehr gute Maßnahme. Hetzer gehö- entsprechende Äußerungen ange- ren konsequent des Landes verwie- messen zu reagieren. sen. Zudem sollte man mit den Zu- gewanderten ein Konzentrationsla- Waren Sie schon persönlich durch ger besuchen, damit sie sehen, verbale oder physische antisemiti-

Illustration: R.Veres. Fotos: Wikipedia, D. Shaked, Picturedesk.com, M.Wolffsohn, Hochmuth/APA/picturedesk.com, S. Kogiku, N. Scholz S. Kogiku, Hochmuth/APA/picturedesk.com, M.Wolffsohn, Picturedesk.com, Wikipedia, D. Shaked, Fotos: R.Veres. Illustration: wohin eine solche Geisteshaltung sche Angriffe betroffen? Raimund Ludwig führen kann. Nicht nur einmal und es reicht mir! Fastenbauer Spaenle

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oeif2004_Publikationen.indd 21 27.11.20 11:15 Ressort Zusammenleben in Österreich Traditionen Bei den freiwilligen Lernprojekten „Treffpunkt Deutsch“ und Caritas-Lerncafé gehört die Vermittlung von heimischen Traditionen zur Bildungsarbeit dazu. Text: Angelika Grüner

ch würde gerne auf einen Ad- ventmarkt gehen“, erzählt die 13-jährige Elena-Laura während sie Scherenschnitt-Tannenbäu- me ausschneidet. Die Pandemie Ihat der Schülerin mit rumänischen Wurzeln einen Strich durch den vor- weihnachtlichen Bummel gemacht. Elena-Laura besucht seit zwei Jahren das Caritas-Lerncafé im 10. Wiener Gemeindebezirk, eines von 56 Lern- cafés in ganz Österreich, in denen 2.200 Kinder und Jugendliche schu- lisch betreut werden. 95 Prozent der Kinder haben Migrationshintergrund. „In den letzten beiden Jahren hat sich mein Deutsch deutlich verbessert“, freut sich Elena-Laura. Die Lerncafés zielen auf langfristige Begleitung. „Wir bemühen uns, eine gute Beziehung zu den Kindern aufzubauen, das ist ent- scheidend für den Lernerfolg“, erzählt die Leiterin der Wiener Caritas-Lern- cafés, Martina Polleres-Hyll. Dazu ge- hört auch, dass an den Nachmittagen nicht nur Grammatik geübt wird. „Fes- te und Rituale sind fixe Bestandteile in den Lerncafés“, sagt Polleres-Hyll. Kinder unterschiedlicher Herkunft tau- „Mein Deutsch hat sich schen sich sehr gern über Traditionen im Lerncafé rasch aus. Die neun Lerncafés der Wiener Caritas bieten wegen Covid-19 auch verbessert.“ online kostenlose Lern- und Nachmit- Elena-Laura Puscasu, Schülerin im

tagsbetreuung an. Caritas-Lerncafé Eugénie Sophie Berger Fotos:

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oeif2004_Zusammenleben.indd 22 30.11.20 16:00 kennenlernen

dvent ist heuer anders. „Adventbräuche Das bekommt auch Ger- hard Brunner, der als finden im ehrenamtlicher Mitar- Deutschkurs beiter das ÖIF-Projekt A„Treffpunkt Deutsch“ unterstützt, zu großen Anklang.“ spüren. Der Präsenzunterricht ist stark Gerhard Brunner, Freiwilliger eingeschränkt, Gruppenausflüge sind bei „Treffpunkt Deutsch“ nicht möglich. Was Brunner sehr scha- de findet: „Am liebsten vermittle ich die österreichische Lebenskultur über Exkursionen. Im Sommer ist es das Wandern in der Natur, im Winter der Besuch eines Adventmarktes.“ Bereits seit 2016 unterrichtet der Polizist in seiner Freizeit mit viel Leidenschaft und Engagement einmal in der Woche eine Gruppe von zehn Flüchtlingen, die ihre Deutschkenntnisse verbessern wollen. Im Dezember bemüht sich Brunner jedes Jahr, vorweihnachtliche Stimmung in seinem Deutschkurs zu verbreiten. „Der kulturelle Hinter- grund von Weihnachten und die un- terschiedlichen Bräuche und Traditio- nen werden von allen neugierig auf- genommen.“ Mit Wortschatzübungen und Landeskunde bereitet er auf die Adventzeit und das Weihnachtsfest vor. „Wir reden offen über kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Es ist für mich sehr interessant zu hö- ren, was den Teilnehmern vertraut ist und was sie vermissen.“

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oeif2004_Zusammenleben.indd 23 30.11.20 16:00 Ressort Persönlichkeiten

Einfach fantastisch Arik Brauer hat seine reiche Lebensgeschichte in vielen verschiedenen Künsten verarbeitet. Im Zentrum steht aber bis heute die Malerei. Text: Christine Sicher

n wenigen Wochen wird Arik Malen gegen den Mainstream Brauer 92 Jahre alt. Von Alters- „Malen ist mein Drei Monate nach Kriegsende wurde müdigkeit keine Spur - Schaffens- Beruf und meine Brauer in die Kunstakademie aufge- kraft, Lebensfreude und Fantasie nommen, wo er die Wiener Schule des dominieren nach wie vor seinen Berufung.“ Phantastischen Realismus mitbegrün- IAlltag, den er mit seiner Frau Naomi Arik Brauer dete. Obwohl damals von der Kunstkri- und einem liebgewordenen Ritual be- tik verschmäht, habe er seine Villa in ginnt. „Wir schimpfen auf alle, die man wusst, was das eigentlich für eine gran- Wien nicht geerbt, sondern „ermalt“, schimpfen soll und loben alle, die man diose Sprache ist.“ Zuletzt hat er dem so Brauer stolz. „Ich habe über 2.000 loben soll. Dann setze ich mich hin Wortwitz der Wiener auch ein eigenes Bilder in meinem Leben gemalt und und fange an zu malen. Den ganzen Buch mit zahlreichen humorvollen fast alle verkauft.“ Die Natur in ihrer Tag. Ich kann gar nicht anders. Das ist Zeichnungen gewidmet. Vielfalt ist für Brauer wichtigste Inspi- nicht Disziplin, es ist mein Leben.“ ration. Als leidenschaftlicher Skifahrer, Mit Glück überlebt Bergsteiger und Radfahrer hat er Na- Im Dialekt daham 1929 im kältesten Winter des vorigen turwunder auch sportlich erkundet. Die Malerei stand immer im Zentrum Jahrhunderts geboren und aufgewach- Und als Umweltschützer der ersten seines künstlerischen Schaffens. Auch sen in Ottakring hat Brauer den Dialekt Stunde sang und malte er gegen die wenn er vielen zunächst als Sänger ein von klein auf als „Gassenbub“ mitbe- Zerstörung der Hainburger Au. Ein po- Begriff wurde. Lieder wie „Sie hab‘n a kommen. Brauer spricht gerne über sei- litischer Kopf ist er bis heute geblieben. Haus baut“ oder „Sein Köpferl im ne unbeschwerte Kindheit, die mit dem Sand“ aus den 1970er-Jahren sind in Einmarsch der Nationalsozialisten jäh Aktuell ist Arik Brauer der die Austropop-Geschichte eingegangen. beendet wurde. Während sein Vater im Kampf gegen den eingewan- Der heute in Wien und Israel lebende Konzentrationslager ermordet wurde, derten Antisemitismus ein Künstler hat sie teilweise schon wäh- entkam Arik Brauer selbst mit Glück ei- Anliegen. Auf Einladung des ÖIF wird er dazu am 15. De- rend seiner Zeit in Paris von 1957 bis ner Deportation ins KZ und erlebte die zember 2020 sprechen. Ver- 1963 geschrieben: „Als ich nach Wien Befreiung Wiens in einem Versteck. folgen Sie die Diskussion im zurückgekehrt bin, habe ich den Dia- „Ich bin auf die Butterseite gefallen. Ich Livestream! www.integrati- onsfonds.at/veranstaltungen lekt ganz neu erlebt. Mir wurde be- war in keinem KZ, ich habe überlebt.“

Wir verlosen drei Exemplare des neuen Buchs von Arik Brauer „Wienerisch für Fortgeschrittene“ V (Amalthea Verlag) und wollen dafür wissen, welches österreichische Dialektwort Sie am liebsten ver- Verlosung wenden, was es bedeutet und aus welcher Region es stammt. Senden Sie ein E-Mail mit Ihrer Antwort

und Postanschrift an [email protected]. Viel Glück! Gilbert Novy/Kurier/picturedesk.com Foto:

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oeif2004_Brauer.indd 24 27.11.20 11:14 Wissenswertes Ressort

Wortwanderung Begriffe rund um die Weihnachtsfeiertage, die in den deutschen Sprachraum ein- oder aus diesem ausgewandert sind.

Corona sorgt für einen stil- einer der wenigen Begriffe len Advent ohne Weih- aus dem Chinesischen, der nachtsfeiern und Markt- heute in fast allen Spra- getümmel. Zeit für eine chen der Welt vorkommt. Besinnung auf die religiö- Ins Deutsche wurde er im sen Wurzeln: Das Wort 17. Jahrhundert aus dem Advent ist dem lateini- Niederländischen thee schen adventus entlehnt übernommen, da er über und bedeutet Ankunft. Seit die holländischen Häfen Jahrhunderten bereiten den Weg zu uns fand. sich die Christen im Ad- vent auf das Fest der Ge- Wer heißen Tee trinkt, burt Jesu Christi vor. En- zieht in der warmen Stube Stille Nacht. Zu Weihnachten tun viele gel verkünden die frohe gern seinen Pullover aus. Familien etwas, was sie sonst nie tun: Lieder Botschaft, sie sind Mittler Dieses Wort stammt aus anstimmen. Heuer bekommt das Singen im kleinen zwischen Himmel und dem Englischen und bedeu- Familienkreis eine zusätzliche Bedeutung, denn Erde, was sich im griechi- tet Überzieher (to pull = viele Chöre müssen eine coronabedingte Pause einle- schen Ursprungswort án- ziehen, over = über). Um gen. Weihnachten ohne das berühmte Weihnachts- gelos (Bote) wiederfindet. etwa 1817 ging der Begriff lied aus Österreich gesungen zu haben, das ist für Die Engel haben nicht nur in den deutschen Sprach- viele undenkbar. „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ im Christentum, sondern schatz ein, im Englischen vermittelt Geborgenheit und Trost. Es wurde in auch im Judentum und im ist er dagegen kaum noch mehr als 300 Sprachen übersetzt und wird Islam eine lange Tradition. gebräuchlich. Die Kurzform jedes Jahr von über zwei Milliarden Pulli gibt es übrigens nur Menschen gesungen. Besonders schön ist Weih- im Deutschen. nachten in den verschnei- ten Bergen, und wer dazu noch Zeit in einem Chalet ver- Bei einer Skitour bleibt ein warmer Pulli unersetzlich. Das bringen kann, darf sich glücklich schätzen. Das Wort cha- Wort Ski wurde im 19. Jahrhundert vom norwegischen ski let stammt nicht aus Frankreich, sondern aus der entlehnt, was Scheit (gespaltenes Holz) bedeutet. Es stammt französischsprachigen Schweiz, wo es eine Sennhütte be- seinerseits vom gleichbedeutenden altnordischen skíð ab zeichnete. Ursprung ist das lateinische cala (geschützter und ist mit dem deutschen Wort Scheit urverwandt. „Bret- Ort). Heute wird der Begriff als Synonym für eine luxuriö- ter“, so nennen wir die Ski noch heute. Bis ins frühe 20. se Almhütte verwendet. Im Winter gibt es kaum stimmungs- Jahrhundert wurden sie als Fortbewegungsmittel genutzt. vollere Orte, um sich mit einer Tasse Tee aufzuwärmen. Der Dann wurde der skandinavische Migrant zum Sportgerät – Tee kam, genauso wie sein Name, aus China zu uns. Tee ist und zum festen Bestandteil der österreichischen Identität.

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Alfons Walde: „Der Aufstieg“, um 1927. Das Ge- mälde ist im Ori- ginal 94x66 cm groß.

von Kitzbühel in der Welt geprägt und sind seit vielen Jahren mit Preisen bis über 700.000 Euro ein Renner bei Auktionen. Walde hat mehrere tausend Werke hinterlas- sen und gehört nicht nur zu den teuersten, sondern auch zu den am häufigsten gefälschten Künstlern Österreichs. Der geschäftstüchtige Tiroler scheute selbst nicht davor zurück, seine populärsten Stücke zu duplizieren. Das berühmte Werk „Der Aufstieg“ gibt es in einigen Varianten und Größen. „Die Leu- te“, so Walde, „die meine Bilder kaufen, finden in ihnen etwas von dem, wonach sie sich in ihren rauchigen Städten sehnen: unsere Sonne, die Tiroler Luft, den Feier- erschneite Almen vor tag in den Bergen“. Um diese Sehn- blitzblauem Himmel, sucht zu bedienen, gründete er Häuser dick mit einen Kunstverlag, in dem er Post- G’spür Schneehauben be- karten und Poster produzierte. deckt, gut gebräunte Nicht nur als Maler hat der studier- VSkifahrer im Tiefschnee. Der Kitz- te Architekt viel zum Aufstieg Kitz- büheler Maler Alfons Walde (1891– bühels beigetragen: Er kreierte das für 1958) konnte die Faszination von Gams-Logo, entwarf die Hahnen- Schnee wie kein anderer auf die kamm-Bahn und setzte die bunten Leinwand bringen. Man fühlt sich Häuser durch. Den Fotografen Schnee mittendrin in der kalten Natur, kei- Alfons Walde hat die Kunstwelt erst ne Lifte, keine Pisten, dafür mas- spät entdeckt: Über 2.000 Aktfotos Text: Christine Sicher senhaft Schnee. Die winterweißen sind Zeugnisse der neuen Freizü-

Ölgemälde Waldes haben das Bild gigkeit der 1920er-Jahre. Museum Kitzbühel/VBK Wien Foto:

Museum Kitzbühel. Das Museum besitzt eine der größten Sammlungen von Alfons Walde. T Das Werk des Kitzbüheler Malers wird mit 60 Gemälden sowie über 100 Grafiken, Zeichnungen, Tipp Fotografien und Druckgrafiken umfassend präsentiert. www.museum-kitzbuehel.at

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