Kurze Ballettgeschichte
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KURZE BALLETTGESCHICHTE Geschichte des Balletts von der Renaissance bis um 1900 und Herren des Hofes die Gesellschaftstänze was allerdings kaum auffiel, weil die bodenlan- einzustudieren, die so schwierig waren, dass sie gen Roben der weiblichen Gestalten ohnehin Vom höfischen Tanz nicht spontan getanzt werden konnten. Neben meist nicht erkennen liessen, ob sich ein Mann Tanzunterricht gehörte auch das Arrangieren oder eine Frau dahinter verbarg. zum Ballett von Festen und theatralischen Darbietungen zu In der Regierungszeit des französischen den Pflichten der Tanzmeister. Sie waren denn Königs Louis XIV. von 1643 bis 1715 spielte das auch die ersten, die begannen Methoden zu Ballett immer wieder auch eine wichtige poli- Renaissance entwickeln, um Tanzschritte und Choreografien tische Rolle. Louis XIV. trat während vielen Jah- schriftlich allgemein verständlich aufzuzeich- ren in markanten Rollen in Balletten auf und nen, damit sich die komplexen Tänze wiederho- umgab sich am Hof gern mit den Künstlern, die len und verbreiten liessen. die Ballette mit ihm zusammen entwickelten. Domenico da Piacenza (gestorben nach Das sind etwa der Ballettmeister Pierre Beau- 1460) beschreibt in seinem Buch «Über die champ (1636-1705), der Hofkomponist Jean- Kunst zu tanzen» die Grundvoraussetzungen, Baptiste Lully (1632-1687) und der Dichter und die ein guter Tänzer mitbringen sollte; ein Ge- Theatermann Molière (1622-1673). 1653 ver- fühl für Rhythmus und ein gutes Gedächtnis. körperte der junge König im prunkvoll ausge- Ausserdem sollte ein Tänzer elegant sein und statteten «Ballet Royal de la Nuit» den Sonnen- ein gutes Körpergefühl und Raumbewusstsein gott Apollo - eine frühe Selbstdarstellung des haben. absolutistischen Herrschers, die ihm den Bei- Im 16. Jahrhundert entwickelte sich der namen Sonnenkönig (roi de soleil) einbrachte. Tanz der höfischen Gesellschaft mehr und mehr Die adeligen Laien, die in den Hofballet- zum Bühnentanz und stand in engem Zusam- te tanzten, waren den zunehmenden techni- menhang mit den Anfängen der Oper. Prunk- schen Anforderungen bald nicht mehr gewach- volle höfische Feste wurden mit einer dramati- schen Handlung unterlegt, die Dichtung, Musik, Tanz und prachtvolle Ausstattung zu einer Ein- «Ballett comique de la Reine», 1581 im Louvre heit zusammen führten. Zwischen den einzel- in Paris nen Szenen der Haupthandlung setzte man lienischen Oper die Hauptrolle. Typisch waren balletti, oder Pantomimen als Zwischenspiele grosse Tanzszenen, in denen der Hofadel und ein. Solche Feste dauerten mehrere Tage oder manchmal sogar der König selbst mitwirkten. sogar Wochen und fanden anlässlich von Hoch- Eines der ersten Hofballette war das 1581 im zeiten, Krönungen oder anderen Feierlichkeiten Louvre, dem damaligen königlichen Schloss in statt. Künstler und Ausstatter übertrafen sich Paris, aufgeführte «Ballet comique de la Rei- eins ums andere Mal mit noch verrückteren Ver- ne». Das Ballett wurde anlässlich der Hochzeit Ein Paar tanzt Gaillarde, Detail eines Gemäldes des senkungs-, Hebe- oder Flugapparaten, Feuer- des Herzogs von Joyeuse mit Marguerite von sogenannten Meister der Stratonike, Siena, 15. Jh. werken, Wasserspielen und Wolkenkonstrukti- Lothringen aufgeführt und dauerte von sechs onen. Uhr abends bis in die frühen Morgenstunden. Die Wurzeln des Balletts liegen in den hö- Die Tanzkunst in Frankreich bekam 1533 fischen Tänzen der Renaissance. Zu jener Zeit durch die Hochzeit der aus Florenz stammen- sind an den Fürstenhöfen Norditaliens und den Katharina di Medici mit dem französischen Frankreichs Schreittänze populär - basse dan- König Henri II. entscheidende Impulse. Katha- Le Roi de Soleil und das ses. Dazu gehören Branle, Ballo, Balletto, spä- rina di Medici hatte eine ganze Gruppe von Tän- Ballett am europäischen Hof ter die Sarabande und schliesslich das Menu- zern und andere Künstler in ihrem Gefolge und ett. Körperliche Beweglichkeit und Eleganz gilt begann am französischen Hof Feste und Auf- als Zeichen für einen lebendigen, beweglichen führungen zu veranstalten. Daraus entstand Im Laufe des 17. Jahrhunderts entwickel- Verstand. Der Tanz spielt im 15. Jahrhundert die neue musikalisch-szenische Kunstform des ten sich der profesionelle Tanz und der Laien- vor allem bei festlichen Gelegenheiten eine Ballet de cour. Dieses war als Gesamtkunstwerk tanz allmählich auseinander. Anfangs waren grosse Rolle. Man tanzt zur eigenen Freude, konzipiert, an dem Dichter, Komponisten, Cho- die Unterschiede noch gering. Auch traten in aber auch zur Unterhaltung von Zuschauern. reografen und bildende Künstler zusammen ar- den Hofballetten noch adelige Damen in Frau- Die Fürstenhöfe beschäftigen Tanzmeis- beiteten. Gestalten aus der antiken Mythologie enrollen auf. Doch schon bald durften sie nicht ter (maître de la danse), die mit den Damen und allegorische Figuren spielten wie in der ita- mehr an den Darstellungen teilnehmen. Weib- Louis XIV. als Sonnengott Apollon im liche Rollen wurden von Tänzern übernommen, «Ballet Royale de la Nuit», 1653 2 sen. Louis XIV. gründete darum 1661 die Das Ballett als eigenständige Darstellungsformen rasend schnell. So wurden 1760 veröffentlichte er seine «Lettres sur «Académy Royale de la Danse». Sie hatte die Kunstform auch in Frankreich in den auf Jahrmärkten auf- la danse et sur les ballets». Er skizzierte darin Aufgabe, objektive Kriterien und Standards für geführten Stücken, ähnlich der Commedia dell die Grundlagen einer Ästhetik des Balletts und die technische Entwicklung des Theater- und arte in Italien, akrobatische Tänze zu einem verhalf so dem Ballett zu einem hohen Anse- Gesellschaftstanzes zu entwickeln und zu über- Der französische Komponist Jean-Philip- wichtigen Bestandteil der Vorstellung. Die Dar- hen. Noverre war überzeugt, dass man ein Dra- wachen. pe Rameau (1683-1764) verband in seinen Tra- stellung von Handlung nur durch Körperspra- ma mit den Mitteln des Tanzes gestalten kön- Der Hofkomponist Jean-Baptiste Lully gédies lyrique das Ballett noch mehr mit der che wurde dadurch immer ausgefeilter, was in- ne. Seine Lettres wurden mehrfach übersetzt und Molière entwickelten zusammen die Co- Handlung als es sein Vorbild Lully schon ge- direkt die Entwicklung des Balletts beeinflusste. und in ganz Europa verbreitet. Noverre wirkte médie-ballets. Seit der Renaissance hat man in macht hatte. Den Tendenzen der Aufklärung Unter dem Einfluss der Aufklärung entwi- als Choreograf u.a. in Lyon, Stuttgart und Wien Anlehnung an die Antike immer wieder ver- entsprechend, beschäftigte sich Rameau mit ckelte sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhun- und hat seine Ideen in zahlreichen Balletten sucht, den Tanz schlüssig in die Dramaturgie der Idee des «edlen Wilden» und nutzte exoti- derts das Tanzdrama oder Handlungsballett. umgesetzt. Leider sind keine Aufzeichnungen der Handlung einzubinden. Dies gelang Molière sche Themen und Schauplätze, um damit eine Zuvor gab es in Balletten keine durchgängige seiner Choreografien überliefert. Das einzige und Lully durch die Verbindung der Komödie mit Gegenwelt zur gesellschaftlichen Wirklichkeit Handlung sondern ein gemeinsames Motiv erhaltene Handlungsballett aus jener Zeit, «La dem Ballet de cour: In den Comédie-ballets wa- oder Thema zu dem verschiedene Tänze er- Fille mal gardée» (1789), ist von Jean Dauber- ren Tanzszenen nicht nur szenische Zwischen- schaffen wurden. val, einem Schüler Noverres. spiele, sondern wichtige Bestandteile der Hand- Verschiedene Ballettmeister beschäftig- In allen wichtigen Hauptstädten Europas lung. ten sich im 18. Jahrhundert mit der Darstellung entstanden Ballettkompanien, die sich stilis- Der italienische Bühnentanz jener Zeit von Handlung und Gefühlen durch Tanz. Unter tisch mehr oder weniger unterschieden und war stark von der Commedia dell arte beein- ihnen gilt der französische Ballettmeister und dem Ballett in Sachen Stil, Technik und Innova- flusst. Er nahm deren pantomimische und ak- Choreograf Jean Georges Noverre (1727-1810) tion jede auf ihre Art ihren Stempel aufsetzten. robatische Techniken auf und passte sie dem als Begründer des Handlungsballetts. Noverre Eine ganze Reihe von einflussreichen und inno- Rhythmus der Musik an. Der Tanz diente wei- kämpfte im Geist der bürgerlichen Aufklärung vativen Ballettmeistern und Ballettpädagogen terhin vor allem als dekoratives Zwischenspiel gegen die Erstarrung und Prachtentfaltung des und europaweit berühmten Ballerinas und Bal- in Opern. höfischen Balletts, gegen Reifröcke und Perü- lerinos prägten die Entwicklung des Balletts Die italienische und französische Tanz- cken. Sein Interesse galt der Natürlichkeit und Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts. kunst entwickelte sich also relativ eigenständig dem Humanismus im Tanz und dem dramati- und verbreitete sich unterschiedlich im restli- schen Handlungsballett (Ballet d’Action). chen Europa. So arbeiteten am Wiener Hof im 17. Jahrhundert ausschliesslich italienische Bal- lettmeister, während die schwedische Königin Christina für das Ballet de cour schwärmte und den französischen Ballettmeister Antoine de Beaulieu beschäftigte. In England wurde die Entwicklung des Mu- siktheaters im 17. Jahrhundert durch den Bür- gerkrieg und ein zeitweiliges Theaterverbot be- einträchtig. Zar Peter der Grosse (1672-1725) wendete sich im Gegensatz zu seinen Vorgän- Jean-George Noverre, 1764, Portrait von Jean-Bap- gern der europäischen Kunst zu. Während sei- tiste Perronneau ner Regentschaft kamen die ersten europäi- schen Tänzer und Ballettmeister nach St. Petersburg. 1736 soll die erste Ballettauffüh-