FESTNUMMER ZŰR vierhundertiahrféíer DÉR THÜRINGISCHEN PROVINZ 1523— 192 3

Mtinster L W. Aschendorffsche Veríagsbuchhandlung t . P , G a llu s H a s e lb e c k O . F . M ., Gorheim, Zum Jubel- | feste dér Thüringischen Ordcnsprovinz 1523— 1923 ,113 | 2. D r . F r a n z J a n s e n , Bonn, Gründung und Éntwicklung ! ’ dér Thüringischen Provinz...... 127 | 3. P. Dr-Berard Vogt O, F. M „ Aüegany, Die Provinz I vqm hl. Natnén Jcsu in Nordamerika ^,...... 142 | 4 . P . L iv a r iú s O lig e r O . F . M ., Rom, Die elsaÉ-lothrin- | gischen Franziskanerklöster und die Thüringische Provinz 158 | 5. D r ; H e n n a n n B tic k e r, Studienrat in Cleve, Dér Er- i furtér Dpmprediger , Dr. Konrad Kiinge und seíne Stelluhg • zűr Reformátion ...... 177 | 6 P. Drí Ewáld Müllier O, F, M„ Fulda, Die litera- I rische Fehde zwischen dem Franziskaner P . Edmund Bau- | Hiann (1645 —1731) und dem Superinlendenten D . Johann | Adolph Frohne zu Mühlhausen i. Th. (1652 -1713) 199 | 7. t P* Lic. Theophil W itzel O. F^M ., Fulda, Das • Bihelstudium in dér Tharingia von 1764— 1786. Zw ei | Qrientalisten des Frauenberges. Nachruf und Schriften Witzels | von P. Dr. Ewald M üller ...... 224 * 8. P . R e m ig iu s B o v in g Ö . F . M ., Bonn, Die Franzis- kanerkirche auf dem Frauenberge bei Fulda als Kunstv^rerk 232 '.í 9. Dr» H. Schwesinger, Pöfineck i.Th., Das Franziskaner- | klóster in SaaUeld a. S ...... 246 | 10. Richard Scheithauer, Studienrat in Mühlhausen i.T h ., I D p Franziskanerklöster zu Mühlhausen i. T h . 267 r 11. P . D f i Ferdinand Doelle O . F . M „ Bonn, Das Witten- | I berger Franziskanerklöster und die Reformation ..... 279 | J 1'2. D r . P a u l K e s e lin g , Studienassessor in. Lohr a. M ., D.as § I Franziskanerklöster zu Worbis auf dem Eichsfelde . ’ . . 308 | I 13. P. Damasus Fuchs O. F . M ., Schicksale des Barfű&er» | I Hoslers Gelnhausen im Drei&igjahrigen Kriege ...... 333 I r ri4. D r . W ilh e lm D e rs c h , Staatsarchivar in Marburg, Z ű r I I Geschichte dér Franziskanerbibliotheken zu Fulda und Sál- | I m ü n s te r...... 346 | ...í % r<3ÜV

t P. Theophil Witzel Kustos dér Tliuringia

P. Maxirailian Brandys P. M atthias Faust Provinzial dér Thuringia Provinzial dér Namen-Jesu-Provinz űr Vierhundertjahrfeier der Thüringischen Provinz ist es trotz Z grofler Schwierigkeiten gelungen, eine gehaltreiche Festnummer zusammenzustellen, in dér die Thuringia in groBen Strichen gezeichnet wird. P. Gallus Haselbeck, Dr. Jansen, P. Berard Vogt und P. Livarius Oliger behandeln im allgemeinen die geschichtliclie Entwicklung dér Tliuringia sowie ihrer amerikanisclien Tochterprovinz und dér ihr zeit- weise anvertrauten Klöster des Metzer Kommissariates; Studienrat Dr. Bücker, P. Ewald Müller und dér leider zu früh verstorbene P. Tlieo- pliil Witzel befassen sich mit dér Gelelirtengesciiichte sowohi in dér altén wie in dér neuen Tliuringia; P. Remigius Boving betrachtet die Kirclie des Mutterklosters auf dem Frauenberge als Kunstwerk; Dr. Scliwesinger, Studienrat Scheithauer und P. Ferdinand Doelle lenken unsern Blick auf einige alté Klöster vornelimlicli wahrend dér Stürme dér Reformation; Dr. Keseling und P. Damasus Fuchs entwerfen eln Bild von dér neuentstandenen Tliuringia aus dér Zeit des DreiBig- jahrigen Krieges bis zűr Sakularisation. Zum Schlusse gestattet uns Staatsarchivar Dr. Dersch einen kurzen Einblick in das Bibliotheks- wesen dér Provinz. Somit dürfte jede Phase in dér auBeren und inneren Entwicklung dér Provinz zu ihrem Rechte gekommen sein. Mögen diese kurzen Skizzen und Abhandlungen ein wenig dazu bei- tragen, die Liebe zűr altehrwürdigen Mutter Thuringia zu wecken und zu nah re n ! Für die hochlierzige Unterstützung von seiten dér Mutter- und Tochterprovinz, die es uns ermöglicht hat, das Jubelheft so umfang- reich und vornehm auszugestalten, sprechen w ir unseren aufrichtigen D ank aus. Bonn (Kreuzberg). Die Schriftleitung. Zum Jubelfest der Thüringischen Ordensprovinz 1523— 1923. Von P. Gallus Haselbeck 0. F. M. Die Thüringisclie Provinz und die Sachsische Provinz vöm Hl. Kreuze, beide Töchter dér altén Saxonia, sind Schicksals- schwestern bis auí den heutigen Tag. Beide können auí die gleichen Wechselfálle zurückschauen, nur daB die Thuringia gemeiniglich hárter getroffen wurde, weil ihre territoriale Lage bedeutend ungünstiger war und blieb. Beide können aber auch auf die gleichen gnadigen Fügungen dér Vorsehung zurück­ schauen und dankbaren und vertrauenden Herzens in die Zu- kunit blicken. Dér endgültige Sieg dér Observanz über den Konventua- lismus macht das welt- und kirchengeschichtliche Jahr 1517 auch zu einem Markstein in dér Geschichte des Franziskaner- ordens. Jene Klöster, die auch jetzt noch dér Observanz wider- strebten, wurden zu einer eigenen, neuen Ordensfamilie zu- sammengeschlossen. Iníolge dessen stellte sich auch auf seiten dér Observanz die Notwendigkeit heraus, die Provinzverbande neu zu organisieren, was im Jahre 1518 auf dem Kapitel von Lyon geschah. Die altehrwürdige Saxonia — obschon bis 1517 nur dér Martinianischen Reform zugetan — erklárte sich 1517 íür die Observanz. Nichtsdestoweniger wurde ihre bisherige Obser- vantenvikarie unter dem Namen Saxonia S. Crucis zűr selb- standigen Provinz erhoben, wahrend die übrigen Klöster den Namen Saxonia S. Joannis Baptistae weiterführten. War die Verbindung beider zuletzt auch nur lose und auBerlich ge- wesen, so ging doch damit endgültig die Hoffnung verloren, die von den Observanten eingenommenen altén Konvente wieder- zugewinnen. Trotz dieser nicht unbedeutenden Minderung ihres Bestandes erhob sich bereits 1521 im SchoBe dér Saxonia Franz. Studlen. 10. Jahrg. 3./4. Heít. 8 1 1 4 ZUM JUBELFEST DEE THÜRINGISCHEN ORDENSPROVINZ

S. Joannis Baptistae der Wunsch nach einer weiteren Trennung. lm Kapitel zu Zeitz hatte mán die Teilung grundsatzlich be- schlossen und ein paar Monate spáter, am 13. Október 1521, au£ dem Kapitel zu Neubrandenburg, wurde sie zűr vollendeten Tatsache, allerdings ohne Vorwissen und Zustimmung dér zu- stándigen höheren Oberen. Die zwölf Kustodien dér Provinz vöm hl. Johannes Baptista wurden zu je sechs und sechs den neuen Verwaltungskörpern zugeteilt. Die Niedersachsische Provinz behielt den Namen Saxo- nia S. Joannis Baptistae. Zu ihr gehörten die Kustodien Branden­ burg, Magdeburg, Halberstadt, Lübeck, Stettin und Bremen. Die übrigen Kustodien Leipzig, MeiBen, Thüringen, Breslau, Gold- berg, PreuBen und dér Konvent von Wittenberg aus dér Kustodie Magdeburg wurden unter dem Namen O bersachsische P ro ­ v in z zusammengeíalSt. Die Vater des niedersachsischen Anteils hatten dér Tren­ nung zugestimmt, vorausgesetzt, daB die Obersachsen die nötigen Scbritte zűr rechtlichen Ordnung dér Angelegenheit tun und die ganze Verantwortung dem Orden gegenüber tragen sollten. Alléin dér Ordensgeneral verweigerte seine Zustimmung, weil die Errichtung neuer Provinzen nicht seines Amtes sei und verwies die Bittsteller auf das náchste Generalkapitel. Dieses begann am 23. Mai 1523 zu Burgos. Es erklarte zunachst die eigenmachtige Teilung für null und nichtig und verweigerte dem 1521 erwahlten Provinzial von Obersachsen, P e trus von B orna, die Anerkennung, bestellte ihn aber zum kommissa- rischen Geschaftstráger bis zűr ersten kanonischen Wahl eines Provinzials. Gleichzeitig wurde die neue Provinz von Ober­ sachsen unter dem Namen T h u rin g ia errichtet. D ér Tag dér Ausíertigung des Beschlusses, Píingsten (24. Mai) 1523, ist alsó dér Geburtstag derThüringischenFranzis- kanerprovinz. Als Grund dér Trennung nennt die Teilungsurkunde von 1521 die GröBe dér altén Provinz, die eine gute Verwaltung und ersprieBliche Visitation zu sehr erschwere. Dieser Grund ist in dér Urkunde von Burgos wiederholt. Alléin, von seiten derjenigen, welche die Trennung betrieben, war das ofíenbar nur ein Vorwand. Die Urkunde von Burgos fügt einen wei­ teren Grund hinzu: „attendentes ... morum varietatem, adeo ut non possint íratres . . . servare illam pacem, quam tantum HASELBECK 115

commendavit Redemptor noster. “ Inwieweit dies zutraf, laBt sich beim heutigen Stande der Forscliung nicht beurteilen. Ein anderer ungenannter Grund, der die Trennung siclier mitbestimmt, ergibt sich, wenn w ir auf ein Ereignis der Ordens- gescliiclite blicken, das zeitlich mit der Errichtung der Tliu- ringia in engem Zusammenliang stelit. Es handelt sich um den Einbruch der böhmischen Observanten ins Gebiet der Saxonia S. Joannis Baptistae. Seit Ende des 15. Jahrhunderts strebten die böhmischen Observanten nach dem Besitz der Kustodien Breslau und Gold- berg, obschon natiirlich ohne Rechtsgrund. Ihre Umtriebe, von der böhmischen Regierung aus politischen Griinden Itraftig unterstiitzt, nahmen seit 1510 einen bedrohlichen Charakter an und gewannen seit 1517 Aussicht aui Eriolg. In der Tat suchte schon das Generalkapitel 1517 die strittigen Kustodien den Böhmen zuzuschieben und das Kapitel von Lyon 1518 sprach sie ihnen durch einen förmiichen Be- schluU zu. Das alles hatte freilich keinen anderen Erfolg ais energische Rechtsverwahrungen von seiten der Sachsen. Nun wollte das Generalkapitel von Bordeaux 1520 die Streitfrage durch besondere Kommissare an Ort und Stelle aus der Welt schaifen. Indes entschloB sich der General Franziskus Lychetto nachtraglich, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen. Auf seiner Visitationsreise fand er die Sachsische Provinz — entgegen den Anschuldigungen der Böhmen — durchaus aui der Höhe der Observanz. Er sprach sich dariiber lobend aus, umging aber vorlaufig die Streitfrage. Leider starb er schon einige Wochen nach der Visitation und nahm die Hoffnungen der Sachsen mit ins Grab. Da für das Jahr 1521 ein General­ kapitel nach Carpi ausgeschrieben war, riisteten sich beide Partéién, ihre Sache mit allén Mittein durchzufechten. Dort wurde nun wiederum beschlossen, den Streit durch Kommissare an Ort und Stelle definitiv zu regein. So stand die Angelegen­ heit, ais in der Sachsischen Provinz der Plan einer Teilung auftauchte. Man teilte also die Provinz um so bereitvi^illiger, da es gleichzeitig ein Schachzug war, die Kustodien Breslau und Goldberg wenigstens für Deutschland zu retten. So erklart sich leichter, warum die Trennung yor- züglich von den Obersachsen betrieben wurde, warum der 1 1 6 ZUM JUBELPEST DER THÜRlMÖISCflEN ŰRDlíNSPROVlNZ

BeschluB so rasch ausgefiihrt wurde. Vor allem aber, warum die Teilung ohne Vorwissen der höheren Oberen vollzogen wurde. Man wollte den Orden, dessen Vorurteil man kannte und fürchtete, vor eine vollendete Tatsache stellen. Auch die Generalkurie scheint die Angelegenheit in Ver- bindung mit dem Streitiall betrachtet zu haben. Bisher hatte man es mit der Bestallung eines Kommissars nicht eilig gehabt. Kaum aber war die Nachricht von der Teilung nach Rom ge- langt, ais dessen Ernennung sogleich vollzogen wurde. Die Antwort des Generals (Február 1522), die das Vorgehen der Sachsen miBbilligt, kündigt zugleich die Entsendung des Kom­ missars an. Am 18. Mai 1522 traf dieser in Breslau ein. Es war der Dalmatiner Observant Benedikt von Benkowich. Der Wider- stand der deutschen Stadte und Fürsten gegen die politischen Machinationen Böhmens, dessen sich die Sachsen natiirlich zu ihren Gunsten bedienten, verhinderte vorláuíig jede Entschei- dung. SchlieBlich zog sich der Kommissar nach Prag zuriick, wo er am 28. Juni 1522 die Kustodien Breslau und Goldberg den Böhmen zusprach. Dieser Ausgang war von vornherein zu erwarten. Natiirlich legten die Sachsen Rechtsverwahrung dagegen ein und appellierten an das kommende Generalkapitel. So blieb auch jetzt die Angelegenheit in der Schwebe. Pfingsten 1523 versammelte sich das Generalkapitel zu Burgos. Nach der kanonischen Errichtung der Thiiringi- schen Provinz fiel betreffs der strittigen Kustodien der Ent- scheid: Die Kustodie Breslau samt dem Kloster Goldberg falién den Böhmen zu. Die iibrigen Kloster der Kustodie Goldberg gehören ais Kustodie Görlitz der Thiiringischen Pro­ vinz. Die Ausfertigung der Sentenz tragt das Datum des 6. Juni 1523. Damit besaB die Thuringia folgende Kloster: Erfurt, Mühl- hausen, Nordhausen, Meiningen, Koburg, Saalfeld (Kustodie Thiiringen); Zeitz, Hof, St. Jobst, Weida, Zwickau, WeiBenfels, Altenburg (Kustodie Leipzig); MeiBen, Freiberg, Dresden, Kottbus, Oschatz, Torgau, SeuBlitz (^ustodie MeiBen); Görlitz, Bautzen, Löbau, Sorau, Krossen, Löwenberg, Lauban, Liegnitz, Sagan, Zittau (Kustodie Görlitz); Braunsberg, Wartenburg, Thorn, Kulm, Neuenburg, Danzig (Kustodie PreuBen). Auf Wunsch des Kur- fürsten von Sachsen kam aus der Niedersachsischen Kustodie HASELBECK 117

Magdeburg noch das Danaergeschenk Wittenberg hinzu. Das waren insgesamt 37 Klöster. Die Obersachsen waren indes mit dér Sentenz von Burgos nicht zufrieden und appellierten weiter. Den Namen Thüringen betrachteten sie als Besieglung des vorurteilsvollen Spruches. Darum blieben sie beim selbstgewahlten Namen. Die politischen und religiösen Wirren jener Tagé verhinderten eine zwangs- weise DurcMührung des Entscheides, und so behielt die neue Provinz faktisch auch die Klöster: Breslau, Schweidnitz, Neu- markt, Namslau, Strehlen, Brieg, Münsterberg und Goldberg. Die Tatsache, daB dér Vertreter dér Thüringisclien Provinz auí dem Generalkapitel von Parma 1529 samt dem ultramon- tanen Generalkommissar und den ultramontanen Kapitularen gezwungen wurde, die Sentenz von Burgos zu unterschreiben, anderte nichts mehr an dér Sachlage, weil die strittigen Klöster zum Teil dér Reíormation schon zum Opfer geí'allen waren und die übrigen schon in den nachsten Jahrzehnten erloschen. Einzig das Klöster NeilJe war 1524 durch Vermittlung des Bres- lauer Bischofs Jákob von Salza in die Hande dér Böhmen gef allén. Am 18. Október 1524 hielten die Váter dér Thüringischen Provinz ihr erstes Kapitel in Dresden. Mit Übergehung des bisherigen Kommissars wahlten sie den P. Benedikt von Löw enb erg zum ersten Provinzial. Walirscheinlich verwaltete dieser sein Amt bis zum Tode. Als Provinzial ist er uns be- zeugt 1524. 1526. 1527. 1530. 1533. 1538. 1540 und 1541. Eine Urkunde von 1543 erwáhnt ihn als den jüngst verstorbenen Minister. Daraus ergibt sich mit ziemlicíier Sicherheit, daB er das Amt von 1524 bis zu seinem Tode inne hatte. Seine Wahl war ein glücklicher Griff. Er hatte bereits die Saxonia S. Joannis Baptistae vor ihrer Teilung régiért. W Widerstand gegen die Eingriffe dér Böhmen war er besonders hervorgetreten. Zudem hing er mit aufrichtiger Treue an seiner Kirche und eiferte ernst für die Ordenszucht. Den allmáh- lichen Untergang seiner Provinz konnte er freilich nicht auf- halten, da die Verhaltnisse stárker waren als seine Kraft. Schon hatten namlich die Fürsten erkannt, daB ihrer reichsverraterischen Hausmachtpolitik nichts dienlicher sein konnte als eine kluge Benutzung dér Grundsatze Luthers. Daher bemachtigten sie sich dér bisher im ganzen noch ziellosen 1 1 8 ZUM JUBELFEST DER THÜRINGISCHEN ORDENSPROVINZ

Volksbewegung und führten sie in ihrem Sinn mit kráftiger Hand durch. lm Gebiet dér Obersachsischen Provinz geschah dies zuerst durch Friedrich II. von Liegnitz, dann in Kursachsen durch Friedrich den Weisen, seinen Brúder Johann und die evangelisch gesinnten Bürger. Mühlhausen und Nordhausen hatte dér Bauernkrieg vernichtet. lm Herzogtum Sachsen ver- anstaltete Heinrich dér Fromme 1539 die erste Kirchenvisitation, die zűr Aufhebung dér Klöster MeiBen, Dresden, Oschatz und SeuBIitz íührte. Freiberg war schon vorher eingegangen. Auch in den Reichsstádten dér Lausitz konnten sich die Brüder nicht mehr haltén, als dér Protestantismus daselbst zűr Macht gelangte. Bei den Klosteraufhebungen wurden gewöhnlich nur die Güter und Kleinodien sequestriert sowie die Aufnahme neuer Mitglieder untersagt. Den Mönchen wurde dér Austritt oder das Verbleiben im Kloster freigestellt. Den Zurückbleibenden wurde jedoch Gottesdienst und Ghorgebet sowie das Terminieren strenge untersagt, ja mán verbot ihnen sogar, Besuche auBer- halb des Klosters zu machen. Ihren Lebensunterhalt erhielten sie kümmerlich auí Gemeindekosten und nur dann, wenn sie sich den Verordnungen fügten. So standén sie dér groBen Abfallsbewegung ohnmachtig gegenüber. Begreiflicherweise blieb darum meist nur dér altere Stamm im Kloster, dér es zu be- schwerlich fand, eine neue Existenz zu beginnen. Dazu kamen die Optimisten, die auf eine baldige Wendung dér Dinge hofften und jene, die sich nicht entschlieBen konnten, auf ihr Ordens- kleid, wenn auch nur áuBerlich, zu verzichten. Ein groBer Teil dér jüngeren Generation verlieB das Kloster. Es ware indes verkehrt, wollte mán diese Tatsache als Massenabfall bezeichnen. GewiB hatten fást allé Klöster den einen oder anderen Apostaten zu beklagen, aber viele Flüchtlinge suchten ein Unterkommen im Weltklerus, weil sie unter den aufgezwungenen unwürdigen Verhaltnissen nicht mehr im Kloster bleiben wollten. Aller Mühe zum Trotz konnte darum Benedikt von Löwen- berg nur eine Ruine hinterlassen. DaB er keinen Amtsnach- folger mehr hatte, verrát ein Brief des Kustos von PreuBen, Johannes Rollaw, dér 1555 an den General berichtet, die Pro­ vinz habé schon seit 10 Jahren keinen Minister mehr. Die Regierung führte ein „Vize-Minister“ . Als solcher ist uns 1554 Jákob S ch w e d e rich bezeugt. Wahrscheinlich hat er dieses HASELBECK 119

Amt gleich nach dem Tode des ersten und einzigen Ministers übernommen. DaB er noch einen Nachfolger erhalten, ist kaum wahrscheinlich, wenn w ir aucli in den spáteren Jahren noch vereinzelte Thuringianer treffen, ja das Kloster Erfurt noch anfangs dér neunziger Jahre bestand. So war die Thuringia im Jahrhundert ihrer Gründung unter- gegangen, nicht durch eigene Schuld, sondern in Ehren. Die Brüder habén für ihre Kirche mannhaft gestritten. Namen wie Konrad Kiing, Alexander Swenichen, Jákob Schwederich, Michael Hillebrant sind uns unverdachtige Bürgen. Alléin, wer w ill die Springflut aufhalten, wenn sie den Damm gebrochen hat? „Sie habén den Siegeslauf dér neuen Ideen nicht hindern können.“ „Sie konnten nur für ihre Treue dulden und viele Opfer, mancher- orts Jahre hindurch bringen.“

Von 1633 — 1802. Die Siege dér kaiserlichen Waffen zu Beginn des DreiBigjahrigen Krieges erweckten in katholischen Kreisen die kühnsten Hoffnungen. Auch die Franziskaner glaubten wieder zu ihrem altén Besitzstand im deutschen Reich gelangen zu können. Daher rief das Generalkapitel von 1625 zunachst die Saxonia S. Crucis wieder ins Leben. Allerdings war das nur möglich, weil die Kölnische Provinz groBzügig einen Teil ihrer eigenen Klöster und Mitglieder zűr VerfügHng stellte, denn das angestammte Gebiet dér Saxonia lag vorláufig noch im Reiche dér Hoffnungen. Zwei Jahre spáter wurde die Errichtung dér Saxonia S. Joannis Baptistae in Aussicht genommen und die Saxonia S. Crucis entschloB sich nach einigem Zögern zu deren Gunsten auf den südlichen Teil dér ehemals kölnischen Klöster, sowie auf ganz Mitteldeutschland einschliefilich dér beiden Sachsen zu verzichten. Merkwürdigerweise geriet die Angelegenheit bald ins Stocken und verlief völlig im Sande, als aüf dem Generalkapitel von Toledo 1633 die Thüringische Provinz wieder erweckt w urde. Sie wurde unter den Schutz dér hl. Elisabeth gestellt und in den Bezirk eingewiesen, dér für die Saxonia S. Joanijis Baptistae reserviert worden war. Das Anrecht auf ihre altén Klöster wurde ihr ausdrücklich bestatigt: „Volentes, ut de facto omnes et singuli conventus . . . quos olim ad dictam provinciam nostram spectasse deprehenderis... oboedientiae tuoque regimini sine ulla controversia subdantur." Das Gesamtdefinitorium der 1 2 0 ZUM JUBELFEST DER THÜRINGISCHEN ORDENSPBOVINZ

neuen Provinz, das mit Ausnahme des Provinzials aus Mitgliedern der Colonia bestand, wurde 1635 bestimmt und 1637, nachdem die papstliclie Bestatigung eingetroffen war, versammelte sich das erste Kapitel (Intermedium) zu Limburg an der Lahn. Die Wendung des Kriegsgescliicks verniclitete leider die geliegten Hoffnungen. Die Thuringia konnte daher von ihrem alten Erbe nicht Besitz ergreifen. So blieb sie vorlaufig auf das Gebiet besclirankt, das von der Kölnisclien Provinz an die Sacbsisclie und von dieser an die Tliiiringische gekommen war. Nun begaiin ein hartes Ringen um die Existenz, zumal das Normáljaidé des Westfalischen Friedens die kleine Zahl der Klöster n()cli verminderte. Aber die Griinder der Thuringia waren ein kampfgestahltes Geschlecht und nach einem Menschen- alter war die neue Griindung gesichert, zumal es gelungen war, das Gebiet im Süden iiber-die urspriinglich gesteckten Grenzen auszudehnen und so einigermaBen zu ersetzen, was der West- falische Friede an Hoifnungen auf Thiiringen und Sachsen vernichtet hatte. Bald nahm die Provinz einen raschen, glanzenden Auf- schwung, der gegen das Jahr 1760 seinen Höhepunkt erreichte. Sie besaB damals 21 Klöster: Attendorn, D erm bach, Friesen^^ hagen. F u i da, Hachenburg, Hadamar, H am m elburg, Limburg, Marienthal a. d. Sieg, M iltenberg, Montabaur, Mosbach, Sal- miinster, Schillingsíürst, Schwarzenberg, Sinzheim, Spalt, Tauberbischofsheim, Volkersberg, Wetzlar, Wor- bis (der einzige Ort, wo die Thuringia in ihrem angestammten Gebiet FuB iassen konnte). Dazu kam das Terziarinnenkloster Limburg, das der Jurisdiktion des Provinzials unterstellt war. Im gleichen MaBe war die Zahl der Mitglieder gewachsen. 24 Briider hatten die Griindung der Provinz unternommen. Um 1760 aber zahlte man sogar gegen 600 und dariiber. Die Pro­ vinz hatte sich 1672 der Reform der Rekollekten angeschlossen und unter dem wachsamen Auge eifriger Oberer bliihte die Ordenszucht überall. Nationale Empfindlichkeiten echt deutscher Art veranlaBten 1762 die Abtrennung der Klöster jenseits der Linie Frankfurt- Kassel. Der nordwestliche Teii erhielt ais neue Provinz den Namen Thuringia inferior; sie ist durch die Sakularisation ganzlich verschwunden und nicht wieder ins Leben getreten. Der südöstliche Teii, bestehend aus den 13 Konventen, die oben HASELBECK 121 im Sperrdruck hervorgehoben sind, behielt den Namen und die Rechte dér altén Provinz. Dazu kamen 1773 vorübergehend dér Konvent Neuburg a. d. Donau und die Residenz Beilngries. Es war eine an Arbeiten und Erfolgen reich gesegnete Zeit. Aníangs stand die Wiedergewinnung dér getrennten prote- stantischen Glaubensbrüder und die Diasporaseelsorge obenan. So gewannen sie das Fürstentum Hatzfeld-Krottorf dér katho- lischen Kirche zurück. lm Gebiete des Fürsten von Schwarzen- berg gelang ihnen das Gleiche in 7 Ortschaften. Eine ausge- breitete Tátigkeit derselben A rt entfalteten sie im Hoheniohe- schen Gebiet, in dér rechtsrheinischen Pfaiz, im Fürstentum Nassau-Hadamar, ja an den meisten Orten, wo sie sich nieder- lieBen. Noch von 1698—1798, alsó in einer Zeit, wo die gegen- reíormatorische Bewegung schon ihre StoBkraft verloren hatte, záhlen die Statistiken dér Provinz 4509 Konvertiten auf. Be- sondere Erwáhnung verdient, daB dér groBe Ireniker, dér spátere Bischof von Wiener-Neustadt, P. Christoph de Rojas y Spi- nola, Mitglied dér Thuringia war. Viele Píarreien, die sie gegründet liatten, muBten sie dauernd verwalten. Lagen dieselben weit vöm Konvente ab, so daB ein Páter dórt dauernd residieren muBte, so erhielten sie den Titel Mission. Deren besaB die Provinz mindestens 15. Konnten sie jedoch von einem bestimmten Konvent aus excurrendo ver­ seken werden, so hieBen sie Stationen. Wegen des groBen Mangels an Seelsorgsklerus hatte die Thuringia sowohi in katho- lischen Gegenden als in dér Diaspora insgesamt gegen 100 Stationen zu besorgen. Dazu leisteten sie nach Zeit und Ge- legenheit bald da, bald dórt, wo sie gerade begehrt wurden, vorübergehend seelsorgliche Aushilfe, die von den Patres termi- narii groBenteils zugleich mit dem. Termin zu besorgen war. Für manche Kirchen, wie die Stiítskirche in Herrieden bei Ans- bach, stellten sie standig Beichtváter. Den Dóm in Fulda, die Stiítskirche in Wetzlar, sowie verschiedene Hofkirchen versahen sie dauernd mit tüchtigen Predigern. Ein hervorragender Homilet war P. Christian Bretz, dessen Werke um 1870 teilweise neu herausgegeben wurden und heute noch eine Neubearbeitung verdienten. In ausgiebiger Weise widmete sich die Thuringia dem Unterricht und dér Jugenderziehung, indem sie im AnschluB an viele ihrer Niederlassungen öífentliche Lateinschulen oder 1 2 2 ZUM JUBELFEST DER THÜRINGISCHEN ÖRDENSPKOVINZ

Gymnasien errichtete. Die bedeutendsten befanden sich in Lim- burg, Attendorn, Haramelburg, Tauberbischoísheim und Milten- berg. Daneben íührten Hadamar, Schwarzenberg, Schillings- fürst, Haltenbergstetten, Mosbach, Montabaur, Marktbreit, Sinz- líeim und Salmünster ein bescheidenes Dagein, indem sie ent- weder nur zeitweise bestanden, oder nur die Syntax, d. h. die unteren Klassen lehrten. Die Provinz besai3 zwei Studienháuser íür Philosophia, zuletzt Miltenberg und Tauberbischoísheim, und zwei Studien- hauser íür Theologie, zuletzt Hammelburg und Fulda. Die noch in groBer Zahl vorhandenen gedruckten Dissertationsthesen und die über verschiedene Bibliotheken verstreuten Manuskripte dér Lektoren beweisen einen regen Studienbetrieb. Zuweilen wurden die Lektoren auch auí Lehrstühle auBerhalb des Ordens beruíen, wie in das Augustinerstiít Ewig bei Attendorn und auí die Uni- versitát Fulda. Mánner, wie dér Skotist F rie d ric h Stum - m elius, dér Kontroversschriítsteller Edm und Baum ann, dér Kanonist Wolfgang Schmitt, dér Orientalist Arsenius Rehm, dér Chronist und asketische Schriítsteller K aspar L ie b le r ver- schafíten dér Provinz Achtung und Ansehen in dér Gelehrten- welt. Erst die eingebildete Aufklarung wagte es, gegen Ende des 18. Jahrhunderts, wie einst die Reíormation, von íaulen und unwissenden Mönchen zu reden und deren Vernichtung zu predigen.

Von 1802 — 1875. Die maUlosen Verleumdungen, die aus den Zirkeln dér Auíklárer gegen die Klöster geschleudert wur­ den, íührten zugleich mit den staatlichen und religiösen Um- walzungen zu einer allgemeinen Sakularisation in Deutschland. Die Thuringia bekam bereits vor dér Saxonia einen Vorgeschmack zu kosten, weil Sinzheim und Mosbach im Gebiet dér sakulari- sationssüchtigen Wittelsbacher gelegen waren. Bevor jedoch die beschlossene Auíhebung erledigt war, íielen 1803 durch den ReichsdeputationshauptschluB Mosbach und Sinzheim samt Tauberbischoísheim und Miltenberg an das Fürstentum Lei- ningen und 1806 an Baden. Miltenberg kam spater zu Bayern, dem schon írüher Schillingsíürst, Schwarzenberg und Spalt zu- geíallen waren. Worbis kam an PreuBen; das Fuldaer Stiít mit den Klöstern Hammelburg, Fulda, Salmünster, Dermbach und Volkersberg kam dér Reihe nach an Nassau-Oranien HASELBECK 123

(1803), unter französische Herrschaft (1806), an das GroBher- zogtum Frankfurt (1810), bis es endlich auí dem Wiener Kon- greB 1814/15 zwischen Bayern, Kurhessen und Sachsen- Weimar zerschlagen wurde. Dabei kamen Hammelburg und Volkersberg an Bayern, Fulda und Salmünster an Hessen und Dérmbach an Weimar. Die neuen Herren hatten allé das Sakularisationsrecht erhalten. Sie verboten sofort jeden Verkehr mit auslándischen Ordensoberen, mochten sie auch im deutschen „Ausland“ wohnen. Damit war die Thuringia erst in vier und spáter gar in fünf Stücke zerrissen, die sich gegenséitig wohl noch trösten, aber nicht mehr helfen konnten. Bald folgte fást überall die Klosterauíliebung. Wer austreten wollte, erhielt eine Pfarrei oder eine geringe Abfindung. Die übrigen konnten bis zum Tode im Kloster bleiben. An Stelle des verbotenen Termins erhielten sie kargliche Pensionen. Um wenigstens einen TeiI dér sakularisierten Güter sogleich verwerten zu können,' drángte mán die Zurückbleibenden in Sammelklöster zusammen, oder versteigerte vor ihren Augen die Kirchen- gerate und allé irgendwie entbehrliclien Effekten und Liegen- schaften des Klosters. Die traurigen Zustande, die Nőt und Hofínungslosigkeit wirkten begreiflicherweise zersetzend auf die Klosterzucht dér Zurückbleibenden, und so nahm ein groBer Teil dér eíiemals blühenden Klöster ein bedauernswertes Ende. Am besten ging es den Klöstern in Bayern, nachdem sie Ludwig I., wenn auch mit vielen staatskirclilichen Klauseln, wieder eröffnet hatte. Fulda und Salmünster alléin wurden wahrend dér Saku- larisation nicht geschlossen, wegen ihrer Verdienste um die Schule, wie die hessische Regierung bemerkte. Auf diese beiden Klöster wurde merkwürdigerweise dér Name Thuringia über- tragen, obgleich das Provinzialat seinen Sitz schon über ein Jahrhundert in Hammelburg hatte. Dér gemeinsame Obere führte den Namen Direktor, ein in den Ordensannalen einzig dastehender Fali. Die Lage dér beiden Klöster blieb aber jahrzehntelang sehr armselig. Das wirkte láhmend auf die Ordenszucht. Darum lieB sich dér reformeifrige Bischof Kött von Fulda die Ober- aufsicht als Visitator Apostolicus übertragen. 1853 vereinigte er Fulda und Salmünster mit dér eben wieder auíblühenden Saxonia. Doch wurden sie schon zwei Jahre spater als Kustodie 1 2 4 ZUM JUBBLFEST DER THORINGISCHEN ORDENSPROVINZ wieder selbstandig. Nun regte sich allmahlich in den Ruinen wieder Msches Leben. Bis 1873 liamen drei neue Klöster hinzu, namlich Ottbergen (1868), Stetten (1869) und Marienthal im Rtieingau (1873). Die Aussicht auf eine bessere Zukunft wirkte machtig auf die Gesundung des inneren Lebens. Aber schon schnitt der Kulturkampf 1875 jáh die weitere Entwick- lung ab. Einzelne Patres blieben zu Salmiinster und Marien­ thal in Weltkleidern zuriick und hiiteten so die Klöster. Die übrigen wanderten teils nach Amerika aus, teils machten sie in Epinal an der französisch-deutschen Grenze den miUgliickten Versuch, einen Posten in der Nahe der Heimat zu haltén.

1875 bis je tz t. Was PreuBen verschmaht hatte, kam Amerika zugute. Nach Überwindung der Miihen und Schwierig- keiten des Aniangs entstand in den Vereinigten Staaten eine Reihe von Niederlassungen, die 1901 den Grundstock der Pro- vinz vom hl. Namen Jesu bildeten. Doch die Geschichte dieser Griindungen ist einer anderen Feder vorbehalten. In Deutschland begann 1881 der Abbau der Kulturkampf- gesetzgebung. So konnten sich bereits 1884 drei der zuriick- gebliebenen Patres auf dem Frauenberg zu einem gemein- schaftlichen Leben zusammenfinden. Die amtliche Eröffnung des Klosters erfolgte aber erst 1887, ais die letzten Schran- ken des Verbannungsgesetzes gefallen waren. Nach und nach folgten Ottbergen und Marienthal im Rheingau, Salmiinster, sowie 1890 die Neugriindungen Bornhofen und Gorheim (Sig- maringen). . Leider war es bei Beginn des Kulturkampfes nicht ge- lungen, in der Nahe der deutschen Grenze ein Haus zu ge- winnen. Deshalb war im folgenden Jahrzehnt der Nachwuchs aus der Heimat gering 0- Da zudem der gröBere Teii der alteren Mitglieder in Amerika zuriickgeblieben war, hatte der Kustos

1) Da dis Thuringia in den ersten Jahren nach dem Kulturkampfe wegen Mangels an Lehrkraften noch kein eigenes KoIIeg zur Ausbildung ihrer Ordens- aspiranten in den hiimanistischen Studien eröfínen konnte, erklarte sich die sachsische Provinz vom hl. Kreuze bereit, einstweilen Zoglinge der thiiringi- schen Kustodie in Ihr groBes Studienkolleg zu Harreveld aulzunehmen und zugleich mit ihren Ordensaspiranten ausbilden zu lassen. Für diesen Dienst und fiir so manche anderen Beweise briiderlicher Unterstiitzung in jenen ersten Jahren des Wiederaufbaues bleibt die Thuringia ihrer groBen Nachbarprovinz stets dankbar. P. M. B ra n d ys. h a s e l b e c k 125

P. Damasus R üsing jahrelang einen schweren Stand. Erst als sein Nachíolger, P. D io n y s iu s S ch u le r — 1894 dér erste Provinzial nach beinahe 100 Jahren dér Unterbrechung — das Kolleg in Watersleyde gegründet hatte, begann die Zahl dér Mitglieder regelinaBig zu wachsen. Die Kleriker machten an- fangs ihre höheren Studien ganz am Priesterseminar in Fulda. Allmahlich gelang es, eine eigene Philo&opiiische Fakultat zu schaffen und zuletzt, nachdem teils im Antonianum zu Rom, teils auf deutsclien Universitáten eine genügende Anzahl von Lektoren vorgebildet war, auch die Theologische Fakultat. Die Zahl dér Klöster wollte indes nicht zunehmen, weil die Entwicklung dér Dinge das alté Gebiet dér Thuringia über die Halíte vermindert hatte — unglücklicherweise gerade in katho- lischen Gegenden. Das Siegerland und Eichsfeld waren schon vor dem Kulturkam'pf von dér Saxonia besiedelt worden, und was an Baden und Bayern geíallen war, blieb aus politischen Gründen verschlossen. Somit war die Thuringia lange die kleinste unter den deutschen Provinzen. Doch galt sie nicht als die unbedeu- tendste. Als Leó XIII. 1897 die groBe Union unter den vier Familien des Ordens zustande gebracht hatte, berief er aus dér Thuringia den P. A lo y s iu s L a u e r als Ordensgeneral. Er war dér erste deutsche General seit Gründung des Ordens. Ihm folgte 1903 P. Dionysius Schuler, jetzt Erz- bischoí von Nazianz, aus dér gleichen Provinz. 1899 schienen sich die Aussichten dér Provinz zu bessern, als mit dem Konvent zu Metz ElsaB-Lothringen ihrem Gebiet zugewiesen wurde. Dórt gelangen bald drei neue Gründungen. Sie wurden jedoch schon 1913 als eigenes Kommissariat selb- standig. lm engeren Gebiet dér Thuringia wurde indessen nur ein einziges neues Kloster zu Kelkheim im Taunus gegründet. Dazu kam wáhrend des Krieges Hadamar, aber nur als Kolleg für unsere Studenten genehmigt, die dórt am staatlichen Gymna­ sium ihr Maturitatsexamen ablegen sollten. Erst nach dér Revolution fand die Provinz neue Entwicklungsmöglichkeiten. Nun entstanden rasch Niederlassungen in Freiburg, NuBbach, Weggenthal, Rottweil, Ulm-Söflingen, Wiesbaden, Saulgau, Wan- gen, Saarbrücken und Hermeskeil. Noch habén sie íreilich die Gründungsschwierigkeiten nicht überwunden. 1 2 6 ZtTM JUBELFEST d e r THÜRlNGlSCHEN ORDENSPROVINZ

DaB aber die Thuringia auch in diesem Zeitabschnitt trotz aller Hemmungen und Hindernisse im Dienste dér Kirche ihr Bestes hergab, beweist die Tatsache, daB sie von 1911— 1920 im ganzen 668 Missionen und missionsalinliche Veranstaltungen und 620 Exerzitien abgehalten hat. 1906 übernahm sie ein Missionsgebiet auí dér japanischen Insel Hokkaido (Jesso), das neben dér Hauptstadt Tokyo das aussichtsreichste Arbeitsfeld Japans bildet. 1915 wurde es zu einer eigenen Apostoliscben Praíektur (Sapporo) erlioben. Was die Provinz íür ihr teures, bedrangtes Vaterland — trotz aller Verkennung wahrend ihres 400jáhrigen Bestehens — im Weltkriege gerne geopíert, steht auí anderen Blattern ausführlich beschrieben. Es genügt zu bemerken, dafi 232 Mitglieder, 68°/o des Gesamtbestandes, im Dienst des deutschen Volkes standén, von denen 33, alsó 15 “/q, ihr Leben opferten und 111, d. i. 48°/o) mit Orden ausgezeichnet wurden. Möge die Thuringia unter dem Schutze dér hl. Elisabeth im 5. Jahrhundert ihres Bestehens wachsen, blühen und Frucht in Fülle bringen, Gott dem Herrn zu Ehren und dér Welt zum Segen. Wie waldesgrün Thüringens Berge ragén Umstrahlt von Licht, vöm Hímmel blau umspannt; So grüne frisch und froh zu spaten Tagén Thuringia im altén Hessenland. JANSEN 127

Gründung und Entwicklung dér Thüringischen Provinz. (Mit zwei Karten.)

Von Dr. Franz Jansen. Über die Thüringische Provinz besitzen w ir mehrere neuere Arbeiten'); sie behandeln jedoch meist nur Epochen ihrer Ge- sehichte. Vorliegende Skizze, die dem Jubelfest dér Provinz ihr Entstehen verdankt, suclit die Tliuringia liineinzustellen in den Werdegang dér ersten Mutterprovinz, dér Provinz Saclisen, um aus dér Erkenntnis ihres Werdens zu einem íesteren Urteil über ihre Errichtung als selbstandige Provinz und deren Ge- schicke zu gelangen. Wohl kein Ordensbezirk dér Franziskaner in Deutschland hat seinen Namen auí so verschiedene Landesteile übertragen als die Thuringia. Vöm Westen gelangt dér Name nach dem Osten, nacli Brandenburg, Sachsen und Sclilesien; selbst West- preuBen war zeitweise in die Tliuringia einbegriffen. Dann schlug sie im eigentlichen Thüringen vs^ieder Wurzeln und dehnte íür kurze Zeit ihre Vorposten bis ElsaB-Lothringen aus. In dér Neuzeit findet die Provinz ihren Wirkungskreis in Thüringen, Hessen, Frankén, Württemberg, Baden und dér Rheinprovinz. Erwahnt sei auch ihre Mission in Japan. Noch zu Lebzeiten des Ordensstiíters ist Thüringen dem Minoritenorden erschlossen worden^). Die Stadt Erfurt in Thüringen sah 1224 schon Minderbrüder. Zwischen 1224 und 1231 ist Thüringen als Kustodie ein beschrankt selbstandiger

i)IchnenneL. Lemmens, Aus derWerdezeit dér thüringischen Franzis- kanerprovinz. Als Ms. gedruckt im Kloster Frauenberg bei Fulda 1899 und Aus den ersten Jahrzehnten dér thüringischen Ordensprovinz, in: Seraphisches St.-Joseís-Kolleg zu Watersleyde, Jahresbericht íür das Schuljahr 1907/08, 1— 15; P. M in g e s , Geschichte dér Franziskaner in Bayern, München 1896; G. Haseibeck, Necroiogium Prov. S. Elisabeth Thuringiae Ordinis Fratrum Minorum, in: A F VI, Ad Claras Aquas 1912, 9—17; F. D o e lle , Die Obser- vanzbewegung in dér sachsischen Franziskanerprovinz bis zum Generalkapitel von Parma 1529, in: R ST, Hett 30 und 31, Münster i. W. 1918. H. B o e h m e r. Chronica fratris Jordani, in: Collection d’études et de documents, tóm. VI (Paris 1908) 36 í. 1 2 8 GRÜNDÜIÍG U>ÍD ÉNTWICKLUNG DER THÜRINGISCHÉN PR0VIN2

Ordensbezirk geworden*). Bis 1230 gehörte Thüringen zűr Provincia Teutoniae, dann fást volle 300 Jahre — bis 1523 — zűr Provincia Saxoniae. Mit groiSer Wahrscheinlichkeit kann die Thuringia im nachsten Jalire auf eine 700jaiirige Seibstan- digkeit zurückschauen. (lm November 1224 erhált dér Mainzer Guardian Jordanus den Auítrag vöm Provinzial, nach Thüringen zu gehen und zwar sehr wahrscheinlich als Kustos des neu zu gewinnenden Gebiets.) Um eine Vorstellung von dem Umfange dér Custodia Thuringiae dér Frühzeit zu geben, seien hier ihre Konvente nach einem altén Verzeichnisse vi^iedergegeben ^): Arnstadt, , Erfurt, Koburg, Meiningen, Mühlhausen, Nordhausen und Saalfeld. Das Anwachsen dér Kustodie Thüringen und ihres über- geordneten Verbandes, dér Provincia Saxoniae, weiter zu ver- folgen, ist für das Verstandnis dér Errichtung dér Provincia Thuringiae von keinem Belang. Erst dér Bestand dér Provincia Saxoniae S. Joannis Baptistae von 1521 hat für unsere Zwecke Bedeutung. Die beigefügte Karte 1 gibt hierüber AufschluB. Ein gleiches Überspringen von mehreren hundert Jahren ist hinsichtlich dér Darsteliung des inneren Lebens in dér Saxonla nicht möglich. Die Entwicklung des inneren Lebens dieser Provinz bietet den Schlüssel zum Verstandnis dér Vor- gange des Jahres 1521. Bis gegen Ende den 14. Jahrhunderts bildet dér Orden mit Bezug auf die Beobachtung dér Ordensregel eine Einheit, wenn mán von vereinzelten Abweichungen absieht. Am Ende des Jahrhunderts deutet sich die Spaltung in eine strenge und eine freie Aufíassung dér Ordensregel an (Paul von Trinci,

1) Ebd. 41. P. S c h la g e r, Verzeichnis dér Klöster dér sachsischen Franziskanerprovinzen, in; FS I 231 sagt mit Beruíung auf die Chronica Jordani S. 41, nachdem er vöm Jahre 1223 gesprochen hat: „Zwei Jahre spater <1225> ist Jordanus Kustos von Thüringen. In dér Chronik steht aber: „Eodem anno <1231> missus est a fr. . . . ministro Theutonie fratri Jordano tunc custodi Thuringie . . . in consolationem . . . frater Nicolaus. . . “ Damit ist erst für 1231 ein Kustos und implicite eine Kustodie Thüringen bezeugt. Schiagers Beruíung auf die Chronik Jordans für 1225 ist demnach unzulássig, obgleich mán auf Grund des selbstandigen Auftretens des Bruders Jordán schon seit 1224/25 ihn als Kustos von Thüringen betrachten könnte. 2) K. Eubel, Provinciale Ordinis Fratrum Minorum vetustissimum se­ cundum Codicem Vaticanum Nr. 1960, Ad Claras Aquas (Quaracchi) 1892, 29. JANSfi.N 12fl ein Reíormer 1368). Mit wachsender Zahl dér Anhanger dér strengen Auffassung (Observanten) beginnt recht eigentlich dér Kampf mit den niclit reformierten Brüdern (Konventua- len). Die auf Wunsch Papst Martins V. vöm hl. Joiiannes Kapistran 1430 ausgearbeiteten „Constitutiones Martinianae“ sollten zwischen beiden Gegnern vermitteln, schufen aber die „Martinianer“. In dér Saxonia hat die Observanz (strenge Regelbeob- achtung) um 1427 Éingang gefunden; in diesem Jahre hat sie bereits im Brandenburger Konvent bestanden^). Seit 1415 bis 1446 geniefien die Observanten eine nur durch wenige Rechte des Provinzialministers eingeschrankte Selbstandigkeit. 1446 fallen diese Schranken íast ganz und seit 1517 sind die Obser­ vanten völlig selbstandig^). lm Jahre 1430 vi^urden in dér Saxonia die Martinianischen Konstitutionen angenommen, so daB auch hier die drei Partéién: Konventualen, Martinianer und Observanten vertreten waren^). Sie sind mit ihren auseinander und gegeneinander gerichteten Zielen das eine Element dér Zwietracht in dér Saxonia. Ein zweites Element wurde mit dem Streit um die Kusto- dien Breslau und Goldberg in die Saxonia getragen. Die Ku- stodie Goldberg (bis 1274 Custodia Budensis genannt) kam 1262 von dér Böhmischen Provinz an die Saxonia, mufite 1266 zurück- gegeben werden, um 1269 v^’iederum an die Saxonia zu falién^)- Die Kustodie Breslau war 1274 an die Saxonia gekommen®). Auí den Besitz beider Kustodien richteten sich die Anstrengungen dér Observanten Böhmens®). Das dritte Element ist dér nationale Gegensatz zwischen Germanen und Slaven, den deutschen Patres der Saxonia und den slavischen Vatern dér Bohemia und Polonia. Die Besiedlung

>) D oelle, Observanzbewegung 5; H. Barlo, Epitome Croni-Veridica erectionis, progressus ac status almae Provinciae Thuringiae, in : La Palestina e le rimanenti missioni francesoane in tutte la terra, Roma 1890/91, 114: 1421. 2) D oelle, Observanzbewegung 4, Anm. 3, letzter Absatz. 3) Ebd. 4. ■i) Chr. R e isch , Die Kustodien Goldberg und Breslau, in; Monumenta Germaniae Franciscana, Abt. 2, Bd. 1, Teii 1: 1240— 1517, Düsseldorf 1917, X; Schlager, Verzeichnis 231.

8 ) Schlager, Verzeichnis 231; D oelle, Observanzbewegung 167, A. 2. D oelle, Observanzbewegung 73. Franzisk. Studien. 10. Jahrg. 3./4. Heit. 9 130 GRÜNDÜNG UND ENTWICKLUNG DÉR THORINGISCHEN PROVINZ und Germanisierung Schlesiens — die Kustodien Breslau und Goldberg lagen zutn gröBten Teile in Schlesien — und die Einfüh- rung des Minoritenordens dórt erfolgten zu gleicher Zeit'). Die Gescliichte líennt melír als ein Beispiel dafür, wie wenig Dank solche Kulturarbeit spáter eintrágt. Wie stark dér national politische Gegensatz wirkte, dafür bieten Doelle^) und Francke dér Beispiele genug. Die Gegensátze wurden niclit im Orden alléin ausgetragen; sie wurden in dem Augenblicke zu öffentlichen, als die ver- schiedenen Partéién die weltlichen Machthaber für ihre Ziele einzuspannen suchten. Das bedeutete zweifellos eine Versteifung dér Gegensátze, eine Verstarkung und nicht minder aber auch eine Preisgabe dér bisherigen Selbstandigkeit. Jetzt redeten Fürsten und Magistrate ein gewichtiges Wort mit^). Die groBe Gefahr, die in dér Anruíung dér weltliclien Macht íür die Selb­ standigkeit des Ordens lag, scheint nicht erkannt worden zu sein. DieFolgen zeigten sichwáhrend dér Reformation; jetzt schalteten Stádte und Herren selbstmachtig mit so manchem Konvente. Einen weiteren Punkt habé ich berührt: die Reíormation. Dér Höhepunkt dér Zwietracht und vielfaltigen Kámpíe falit hinein in die garende Zeit dér Reformation. Da6 die Brüder mehr als nötig in diese Kámpfe hineingezogen wurden, habén sie nicht zum wenigsten durch jenes Verhalten verschuldet ®). Ihre Flucht an die öffentlichkeit brachte MiBstande u. a. zűr allgemeinen Kenntnis, was ihnen bei strikter Behandlung jener Streitpunkte als interne Ordenssache erspart geblieben wáre und ihre Beilegung erleichtert hatte. An Versuchen, die Streitfragen durch Verhandlungen aus dem Wege zu raumen, hat es aus den Reihen des Ordens heraus nicht gefehlt. Von solchen Versuchen seien als die bedeutendsten

1) R eisch X. 2) D oelle, Observanzbewegung 74 f. 123. E. Francke, Über die Vertreibung dér Bernhardiner aus Breslaú, in; Zeitschriít des Vereins für Geschichte Schlesiens, Heít 41, Breslau 1907, an verseli. Stellen; L. Lem m ens, Die Kustodie PreuBen, in: Urkundenbuch dér altén sáchsischen Franziskanerprovinz II, Düsseldorí 1913, 122 n. 460. 125 n. 471. 133 n. 505. 507. *) D oelle, Observanzbewegimg 124. 5) Lemmens, Urkundenbuch 133, n. 505; Doelle, Observanzbewegung 40. 63; J. Soffner, Dér Minorit Fr, Michael Hillebrant aus Schweidnitz,

Breslau 1805, 2 f. 5. 8 . JANSÍ5M 131 hervorgehoben einmal die Unterstellung gewisser Klöster unter einen Visitator Regiminis *), die unter dem Provinzialminister Mattliias Döring erfolgte und von dem Minister Ludwig Henning (1507-1515 Provinzialminister) beseitigt wurde. An zweiter Stelle ist das Wirken Ludwig Hennings^), zu nennen. Sein Ziel war die Union von Konventualen und Observanten in dér Saxonia. Erreicht liat er die Reform dér Konventualen nach den Mar- tinianischen Konstitutionen und dieBeseitigung dér Sonderstellung unter dem Visitator Regiminis (1509). Statt dér drei Partéién gab es nunmehr noch zwei; Obser­ vanten und Martinianer. Allé übrigen Gegensatze blieben, ja, sie sind durch Hennings schroffes Auítreten verscharít worden. Auch das Generalkapitel von 1517 hat sie nicht aus dér Welt geschafft. Die Union dér Observanten mit den Martinianern wurde hier zwar vollzogen, blieb aber auf dem Papier. Die Martinianer dér Saxonia unterwarfen sich dér Observanz, die Kampfstimmung jedoch blieb. Die Union von 1517 bedeutet für die Saxonia den Aníang vöm Ende dér zwiespaltigen Regel- auffassung (zwiespaltig; observantisch und martinianisch; Kon­ ventualen gab es 1517 nicht mehr in dér Saxonia), und weiter auch nichts ®). Denn in den nachsten Jahren spaltete sich die Saxonia in drei neue Provinzen, sicherlich kein Zeichen dér Union! Fassen w ir die Lage in dér Saxonia um das Jahr 1520 zusammen: Mifitrauen und Streit zwischen Observanten und bisherigen Martinianern, nationale Gegensatze dér Sachsen zu den Slaven, Streit um die Kustodien Breslau und Goldberg und dazu die Verwirrung, die durch Luthers Auítreten vetursacht wurde. Unhaltbar waren die Zustánde in Liegnitz, Neisse

1) Reisch XI; P. Doelle, Die Reformbewegung unter dem Visitator regiminis dér saclisisclien Ordensprovinz, in: FS III (Münster i. W. 1916); F. D o e lle , Reformtatigkeit des Provinzials Ludwig Henning in dér sachsi- sclien Franziskanerprovinz (1507— 1515), in: FS B 3, Münster i. W. 1915, 41,

Anm. 1 und S. 78. 2) D oelle, Reformtatigkeit und Observanzbewegung 73. 78. 3) D o e lle , Observanzbewegung 113, wo die Prov. Sax. S. Crucis durch eine Vereinigung mit dér Prov. Sax. S. Joan. Bapt. eine Vernichtung dér Observanz befürchtet. Das war 1520, drei Jahre nach dér Union!; F. T echen, Die Chroniken des Klosters Ribnitz, in: Mecklenburgische Geschichtsquellen I, Schwerin 1909, 129 (Spottgedichte und Schmahschriften dér Martinianer gegen die Observanten). 9* 1 3 2 GRONDUNO UND ENTWICKLUNG DER THÜRINŰISCHEN p r o v in z und Breslau, in welcheti Stadten sowohl die sachsische als die böhmische Ordensprovraz Konvente besaBen *). Auf dem Generalkapitel zu Lyon am 11. Juli 1518 wurde die Provincia Saxoniae geteilt in die Provincia Saxoniae Sanctae Crucis ( = bisherige Observantenvikarie) und in die Provincia Saxoniae Sancti Joannis Baptistae (írüher die martinianische Provincia Saxoniae)^). lm Jahre 1521 spaltete die Provincia S. Joan. Bapt. sich in eine niedersaclisische und obersachsische Provinz. Zwei Jahre darauf erhielt die obersachsische Provinz den Namen „Provincia Thuringiae“ .

Stammtaíel. Teutonia 1221— 1230 Rhenana Saxonia 1230 1230—1518 Saxonia S. Crucis Saxonia S. Joannis Baptistae 1518 1518 Natio Inferior Natio Superior 1521 1521 seit 1523: Saxonia S. Joan. Bapt. seit 1523: Thuringia

Der auBere Vorgang derTeilung der Saxonia Sancti Joannis Baptistae ist foigender : Die Frage der Teilung ist auf mehreren Kapiteln verhandelt worden. 1521 war man sich auf derKapitels- versammlung zu Zeitz in dieser Frage einig gevvorden. Die Niedersachsen stimmten Unter der Bedingung zu, daB die Er- laubnis des Ordensgenerals eingeholt werde. Das nachste Kapitel zu Neubrandenburg am 13. Olitober 1521 brachte die Scheidung auf Drángen der Obersachsen und gegen den Protest der Nieder­ sachsen, dafi die Verantwortung gegeniiber dem General und Generalltapitel den Obersachsen zufalle. Die Entscheidung dieser beiden Instanzen sei fiir' sie alléin maBgebend.

1) Reisch XI; Soifner 2; Doelle, Observanzbewegung 74. 2) L. W a d d in g , Annales Minorum XVI 70 f. n. IV. 3) P. Schlager, Zwei Urkunden aus dem Schweriner Hauptarchiv, in; BGSF III, Düsseldorf 1910, 112. T echen 128. Die lateinische Chronik, auf der Slaggert beruht, sagt ganz kurz: „Anno 1522, reverendus pater minister, frater Gerardus-Funck, sacre theologie professor, celebravit primum capitulum fa c ta d iv is io n e p e r partes Saxonie in conventu Hamburgensi profesto exaltationis S. Crucis <13.Sept.>, ublMartinianiste maximam confusionem fecerunt ordini ecclesiastico." JANSEN 133

Der „nacio inferior" ‘) wurden zugeteilt die Kustodien: Brandenburg, Magdeburg, Halberstadt, Lübeck, Stettin und Eremen; die „nacio superior" erliielt die Kustodien: Leipzig, MeiBen, Tliüringen, Breslau, Goldberg und PreuBen. „Dér Wittenberger Konvent, dér zűr Kustodie Magdeburg gehörte, kam auí ausdrücklichen Wunsch Friedrichs des Weisen

1) Die Teilungsurkunde bei S c h la g e r, Zwei Urkunden, führt eine ,nacio superior* und eine ,nacio inferior' an. Das Kapitel von Burgos 1523 spricht von Saxonia Superior und Saxonia Inferior, die von nun an Thuringia und Saxonia S. Joannis Baptistae heifien sollen. 2) D o e lle , Observanzbevi^egung 137. V Wadding XVI 149 n. VII. V. G re id e re r, Germania Franciscana, tóm. II, Oeniponte 1781, 590. 1 3 4 GRÜNDUNG UND ENTWICKLUNG DEB THÜRINGISCHEN PROVINZ nicht ihren Wünschen entsprach *)■ Sollten sie doch die Kusto- dien Goldberg und Breslau mit den Böhmen teilen. Damit ver- íieleii sie dér angedroliten Straíe^) des Verlustes dér zugeteilten Konvente . Dieser zweite Grund hat nun verschiedene Ausdeutung erfahrenr Doelle z. B. sagt®): „Uns w ill es scheinen, daB diese morum varietas

1) D oelle, Observanzbewegung 179—197. 2) Wadding XVI 154 n. XI. 3) D oelle, Observanzbewegung 198. ■*) Schlager, Zwei Urkunden I lli. ®) D oelle, Observanzbewegung 138. JANSEN 135 hauptsáchlich in dér verschiedenen Stellungnahme dér Brüder zűr Glaubensneuerung zu erblicken ist.“ Die Obersachsen hátten in- folge ihrer Beziehungen zu Wittenberg undFriedrich dem Weisen in dieser auígeregten Zeit mehr zűr Reíormation hingeneigt als die Niedersaclisen. Eine solclie Auffassung dürfte wahrschein- lich das Richtige treffen. In dér morum varietas ist vielleiclit auch eine Umschreibung für Stammesunterschiede, die zwischen Ober- und Niedersachsen groB sind, zu suchen. Die Teilung erfolgte wohl aucli nicht einzig in dem Bestreben, die Kustodien Goldberg und Breslau für Deutscliland zu retten, wie Haseibeck annimmt'). Die wirklichen Ursachen dér Teilung lassen sich nicht auí einen Grund alléin zurückführen; es sind mehrere gewesen. Von ihnen treten klar hervor 1. die GröBe dér Provinz; 2. die Stammesunterschiede zwischen Ober- und Nieder­ sachsen; 3. die seit 1517 heraufbeschworene Stellungnahme zűr Reformation. Die treibende Kraft in dér Teilungsfrage waren zweifellos die Obersachsen. Nur Obersachsen deckten mit ihrer Unterschriít das illegale Schriftstück auf dem Zeitzer Kapitel des Jahres 1521^). Gegen die Benennung „Provincia Thuringiae“ trugen die Obersachsen einen gewissen Widerwillen. Sie sei ihnen von den listigen Böhmen gegeben worden, um die Zuweisung dér Kustodien Goldberg und Breslau an eine fremde und ent- fernte Provinz, die mán hinter diesem Namen verborgen glauben könne, durch denEinspruchderweltlichenMachtzuverhindern^). Die Reíormation brachte die Auflösung dér jungen Provinz. Sie ging noch im ersten Jahrhundert wieder unter^). Fást genau nach hundert Jahren erst erstand eine neue Provinz, die bestimmt vs^ar, den Namen Thuringia in Ébren zu tragen. Sie ist ein Kind dér Gegenreformation und aus dér Provincia Saxoniae S. Grucis hervorgegangen.

1) G. Haseibeck in dieser Festschrift S. 1151.

2 ) D oelle, Observanzbewegung 138. 3) D oelle, Observanzbewegung 184. 184 Anm. 1, 188. <) C om pendium chronologicum Provincia^ Saxoniae S. Crucis Ordinis Fratrum Minorum S. Franeisci Recollectorum, Warendorpii 1873, 31. 1 3 6 GRÜNDUNG UND ENTWICKLUNG DÉR THÜRINGISCHEN PROVINZ

lm September 1627 beauftragte dér Generalminister Bemard von Siena die Kölner Observantenprovinz, ihre Provinz in eine kölnische und sachsische vöm hl. Kreuz zu teilen ^). Das, geschah im Október des gleichen Jahres. Zűr Saxonia S. Crucis sollten gehören: alles Gebiet jenseits von Main und Rhein einsclilieBlich Frankfurt, ganz Westfalen bis auí drei Stunden ab vöm Rheine; im Gebiet von Frankfurt sollte Höclist einbegriffen sein. Dorsten verblieb dér alté Terminbezirk, doch nicht über den Rhein hinüber. Gegen Sachsen und das Baltische Meer blieb dér neuen Provinz unbegrenzte Entwicklungsmöglichkeit ^). Das erste Provinzkapitel dér Saxonia S. Crucis auí dem wundervoll gelegenen Frauenberge bei Fulda am 23. Juli 1628 konstituierte die Provinz, und hier tritt uns eine Custodia Thuringiae S. Elisabeth nach langer Zeit vi^ieder entgegen®). Die Siege dér Kaiserlichen und das Restitutionsedikt Ferdinands II. vem 6. Márz 1629 schienen eine Gewahr für die Dauer dér Neu- schöpfung zubieten, ermutigten auch dazu, die Provincia Saxoniae S. Joannis Baptistae und die Thuringia neu erstehen zu lassen *). Wáhrend die Johannisprovinz sich als nicht lebensíáhig erwies, war dér Thüringischen ein besseres Los beschieden. Das General- kapitel von Toledo 1633 restituierte die Thuringia mit ihren altén Rechten und Privilegien. Sie erhielt den Namen: Provincia Thuringiae S. Elisabeth und die dér Johannisprovinz zuge- dachten Konvente^). Papst Urban VIII. bestátigte am 22. No-

1) A. Bürvenich, Annales Provinciae Thuringiae Fratrum Minorum strictioris Observantiae seu Recollectorum, Confluentiae 1672, Hs fol. 3 der Landes- und Stadtbibliothek Dilsseldori 356. 2) Ebd. 358. ®) Ebd. 364 a: „Conventuum vero Hassiae sub titulo Thuringiae S. Elisa- bethae Custodem P. Paulum Wolffrath .. vgl. C om pendium 45. B ü rv e n ic h 372. 424. Die Gebietszuteilung zwischen Johannis- und Hl.-Kreuz-Provinz vs^ar In folgender Weise gedacht; „ ... isti Provinciae assignentur Conventus tam recuperati quam recuperandi in Thuringia, Hassla, Buchonia, Wederavia, Misnia, Saxonia Superiore qui est in Electo- ratu, et in Episcopatibus ab Electore Sax. invasis. Saxonia autem S. Crucis retinet sibi conventus omnes recuperatos et recuperandos qui sunt in Saxonia inferiori, circulo Westphallae, Marcka Brandenburgensi, Ducatu Megapolitano, Pomeranla et utraque Frisia"; vgl. 629; Acta C apitularia im Provinzarchiv zu Fulda I fol. 1 und 2, fol. 3 (Oberwelsung der der Sax. S. Joan. B. zuge- dachten Grenzen an die Thuringia); C o m p e n d iu m 53—57.

6 ) Q ue lle n zur Geschlchte der sachsischen und thüringischen Ordens- provinz, Handschriit auf der Bibliothek der Franziskanischen Studlen in Bonn, Msi. I fol. 70 r. ’ J ANSEN 137 vember 1637 die Errichtung dér Provinz ‘). Die Bulié sieht für die Thüringische Provinz folgende Gebiete vor; . . . „qui erunt et sunt sequentes: videl. tota Thuringla, tota Hassia cum aliis terris, oppidisque adiacentibus ubique mediate usque ad Rhenum, incipiendo ab oppidis Segen et Attendorn usque ad Francofurtum inclusive cum omnibus quoque terris adjacentibus juxta et supra Moenum usque ad civitatem Herbi- polensem inclusive . .

Stammtaf el. Colonia

Saxonia S. Crucis 1627— 1633 /Saxonia S. Joannis Baptistae\ Saxonia Thuringia V 1629—1633, Titelerrichtung / S. Crucis S. Elisabetli 1633—1802 1633—1762 (Thuringia Superior) Thuringia Inf. Thuringia S. Elisabeth S. Elisabeth seit 1762 1762— 1802 Zwei Konvente nannte die Thuringia S. Elisabeth bei ihrer, Errichtung ihr eigen: Fulda und Limburg^). Am 22. No­ vember 1637 Viharén auf dem Zv^^ischenkapitel zu Limburg^) alie bis dahin gewonnenen Niederlassungen vertreten, namlich die Konvente zu Limburg, Fulda, Erfurt, Hersfeld, Gelnhausen, Hadamar; die Residenzen zu Wetzlar und Krottorf. Terminstreitigkeiten gaben 1640 der Saxonia S. Crucis und der Thuringia S. Elisabeth Anla6, die Grenzen aui einer Zusammenkunft zu Hamm am 21. Juni neu iestzusetzen^). Der Generalkommissar der deutsch-belgischen Nation, Peter Marchant, gab am 5. September von Antvs^erpen aus seine Zustimmung hierzu®). 1642 iand diese Vereinbarung eine wesentliche Er- ganzung®). 1649 ging die Provinz auf Grund der Bestimmungen

1) Wortlaut bei Biirvenich 453. Quellen, Ms. I 6 8 v. 3) Acta C apitularia I iol. 5. Dieser Quelle folgt Biirvenich 448e—452; vgl. Lemmens, Werdezeit 22 (ungenau; bei Biirvenich ist Hadamar nicht Residenz, sondern Konvent, Wetzlar ist noch Residenz). „totius Hassiae et comitatus Waldeckensis tractus, quidquid ultra fluvios, et Dimola toto, et Rura in Klinckhausen, Iserlohn et Utmata exclusive continetur, cedat Provinciae Thuringiae." 5) Biirvenich 463 f. Biirvenich 471. 1 3 8 GRÜNDUNG UND ENTWICKLUNG DÉR THÜRINGISCHEN PROVINZ des Westfalischen Friedens dér Konvente zu Gelnhausen und Wetzlar verlustig’)- 1653 versuchte sie von dér StraBburger Observantenprovinz die Konvente Bischoísheim a. d. Rliön und Dettelbach zu erhalten^). 1655 vi^ünschten die Thüringer ver- geblich von dér Kölner Observantenprovinz, etwas mehr Be- vi^egungsfreiheit als bisher jenseits des Rheines zu erlangen^). 1665 arbeiteten die Váter dér Provinz daran, von den Kölnern die Konvente Biscliofslieim a. d. Tauber, Miltenberg und Mainz, und im Gebiete dér StraBburger Observantenprovinz eine Niederlassung nahe dér Universitat Würzburg zu erlangen^). Dér Mainzer Erzbischof suchte nun aus eigenem Antriebe Dettel­ bach und Mainz an die Thüringer zu bringen. über das Kloster zu Dettelbach konnte dér Erzbischof veríügen®). Die aus den Ansprüchen dér Thüringer erwachsenen Streitigkeiten íanden ein Medliches Ende durch die Konkordanz von Mainz von 1665 zwischen dér Colonia und Thuringia, wonach Bischofsheim a. d. Tauber und Miltenberg an die Thüringer abgetreten wurden, diese ihrerseits den Besitzstand dér Cölonia in dér Pfalz respek- tierten ®). Den Dettelbacher Konvent hatte Papst Alexander VII. durch die Bulié „Ad Pastorale fatigium" vöm 13. Mai 1665 von dér StraBburger Observantenprovinz abgetrennt und dér Thüringer zugeteilt^). lm gleichen Jahre wurde auch die Residenz zu Bischofsheim a. d. Rhön von den Thüringern be- setzt®). Beide Klöster hatten sie bis 1676 inne. Auf dem Provinzkapitel zu Limburg vöm 21. bis 23. Február 1672 fand die Rekollekten-Reform in dér Provinz Eingang®).

1) Acta C apitularia I íol. 38 v; Bürvenich 506 (1651 unriclitig); Haselbeck 13. 2) A c ta C a p itu la r ia I íol. 39: „Pro Conservatione almae Provinciae nostrae putant Patres expedire, ut per R. P. Commissarium generalem et B. A. P. Ministrum Provinciae nostrae rogentur Rdi. Adm. Patres Ministri, Prov. Coloniae et Argentinae, ut dentur nobis loca Miltenburg , Episco­ pium ad Tuberim et Episcopium ad Rhonam." Vgl. Quellen II íol. 70 r und B ü rv e n ic h 513.

8 ) Bürvenich 515. A c ta C a p itu la ria I íol. 80 v. 81 v. 84. 85 v. 107 v; II 1673. 1674; vgl. Bürvenich 561. 5) Vgl. das Reservat des Erzbischois bei Bürvenich 575.

6 ) B ü rv e n ic h 576. 609 (Bestatigung durch Klemens IX. dat. Rom. 22. II. 1669). 7) B ü rv e n ic h 567.

8 ) Ebd. 569; vgl. 570. 575. 591. 600 und Lem m ens, Werdezeit 45-49. 9) A c ta C a p itu la r ia II 1672; B ü rv e n ic h 637. JANSEN 139

Drei Menschenalter ruhiger Entwicklung brachte die Provinz auf einen gewissen Höhepunkt, dér sich auch im Besitzstande auBerte. Dás Provinzkapitel zu Hammelburg ara 10. Mai 1761 bestimmte Obere *) t'ür die Konvente zu Hammelburg, Limburg, Fulda, Wetzlar, Bischofsheim a. d. Tauber, Miltenberg, Hada- mar, Hachenburg, Mosbacli, Montabaur; für die Residenzen zu Friesenhagen, Volkersberg b. Brückenau, Worbis, Marienthal a. d. Sieg, Schillingsfürst, Salmünster, Schwarzenberg, Sinz- heim, Dermbach, Spalt, Attendorn; für die Missionen zu Erlach, Haltenbergstetten, Kupferzell und Marckbreit. Fin Jahr darauf, 1762, teilte sich die Provinz in eine Thuringia Iníerior St. Elisabeth und eine Thuringia Superior St. Elisabetli. Die Entstehungsgeschichte dieser Spaltung ist nicht klar, da anscbeinend von dér treibenden Partéi mit groiSer Vorsicht vorgegangen vi^urde®). Naher auf die Vorgánge ein- zugehen, muB ich mir liier versagen. In Kürze sei angeführt: deii Gedanken einer Teilung hat dér Generalminister selbst als erster ausgesprochen, um auf diese Weise in dér Provinz be- stehende Streitigkeiten zu beseitigen. Seit vielen Jahren habé dér „obere Teil“ über den „unteren Teil“ dér Provinz ein über- gewicht gehabt. Ungelegen kam die Teilung w^ohl keiner Partéi. Haselbeck gibt eine ansprechende Erklarung dieses Vor- ganges®). Die Konvente lagen zumeist an den Grenzen dér Provinz; zwischen Frankfurt a. M. und Kassel bestand keine Verbindung. So habé die Lage schon die Provinz in zví^ei Teile zerlegt. Dann ergánzte sich dér Nachwuchs nur aus dér náchsten Klosterumgebung, és íehlte mithin an dem Austausch, dér dem unbemerkt eindringenden Dualismus Einhalt gebot.

1) Acta C apitularia III 1761 (es fehlt dér Konvent zu Attendorn). 3) Eine Quelle liegt in den Acta Capitularia III, 1761 vor. Ferner wird in dér Einleitung zum Bd. IV dér gleichen Sammlung über die Vorgánge von 1761—1762 gesprochen. Dér ungenannte Verfasser dér Einleitung nimmt Stellung gegen die „Limburger" < = unterthüringisehe) Partéi. Ist er selbst somit aucli interessiert, so ergánzt er doch wesentlich die im Bd. III der Acta Capitularia gebrachten Tatsáchen. Mit der Wiedergabe zweier Schrift- stücke; Promemoria des Agenten des Fuldaer Bischoís und Brief des General- ministers an den Kommissar Leonard Lenders v. 7. XI. 1761 < = A c ta C a p itu la ria IV, Einleitung Nr. 19 n. 20> bietet er direkte Quellen. Vgl. Chronologia Historico-Legalis SerapMci Ordinis Fratrum Minorum Sancti Patris Francisci, tom. IV, 1795, 420. 3) Haselbeck 14i. 1 4 0 GEÜNDUNG UND ENTWICKLUNG DÉR THÜR'NGISCHEN PROVINZ

Nach dér Teilung auftretende Streitigkeiten, besonders um den Besitz des Wetzlarer Konventes, wurden auf dem Generalkapitel zu Mantua am 5. Juni 1762 beigelegt'). 1769 muBten dér Konvent zu Neuburg a. d. Donau (Pfalz-Neuburg) und die Residenz zu Beilngries (gstl. Frsttm. Eichstatt) den Ver- band mit dér bayrischen Ordensprovinz aufgeben, da sie nicht in Kurbayern lagen, auf welches Gebiet alléin die bayrische Ordensprovinz beschrankt wurde. Sie gehörten von 1775—1778 zűr Thüringer Provinz^). Zum zweiten Male seit ihrer Errichtung sah die Provinz sich in dér Sakularisáíion bis auí zwei Konvente auígelöst^). Da über das Geschick des Fuldaer Gebietes auf dem Wiener KongreB noch nicht entschieden war, konnten die dórt liegenden Konvente unter einemProvinzvikar weiterbestehen, u. z.; Hammelburg, Fulda, Volkersberg, Salmünster und Dermbach. Allé übrlgen Niederlassungen hatten den Konnex mit dér Provinz lösen müssen und sahen ihrem Ende entgegen, da ihnen die Aufnahme von Novizen versagt worden war. 1815 wuFde das gstl. Fürstentum Fulda geteilt. Die Kon­ vente zu Hammelburg und Volkersberg kamen unter bayrische Herrschaft, Dermbach an Sachsen - Weimar, Fulda und Sal­ münster an das Herzogtum Hessen (1816). Das Kloster zu Dermbach wurde aufgehoben, jene zu Hammelburg und Volkers­ berg mit dér fránkischen, spátfer bayrischen Ordensprovinz vereinigt. Fulda und Salmünster waren alléin dér Thuringia Sup. S. Elisábeth verblieben. Sie wurden von einem „Páter Director“ geleitet. 1839 war durch Entscheidung des pápstlichen Stuhles vöm 7. Juni dér Fuldaer Bischof zum Visitator Apostolicus dér beiden Konvente bestellt worden^). Am 7. Mai 1853 vereinigte dér Bischof Christoph Florentius von Fulda als Visitator Apostolicus die beiden Klöster mit dér Provincia Saxoniae S. Grucis, welche

C hronologia IV, 44Ö, Sessio XIV; vgl. IV 532—536. 2) A c ta C a p itu la ria IV, 1776; M in g e s 170.

8 ) A c ta C a p itu la ria IV 1802—1812; Fasc. III (Acta Capitularia Ca­ pitulorum Provincialium 1770. 1773. 1779. 1785.1794.1803; et Congregationum Prov. intermed. . . . et Congressuum Definitorial. .. .); H a s e lb e c k 15f. *) Provinzarchiv im Franziskanerkloster zu Fulda (Frauenberg), Fasc. Visitator apostolicus. J a n s é n 14Í

Vereinigung der Provinzial der Saxoniae S. Crucis, Xavér Kautmann, durch Zirkular bekannt gabFür diese Zuweisung war die Absicht leitend gewesen, MiBstande durch den Anschlufi an eine streng iri dér Observanz lebende Provinz zu beheben^). Erst war eine Zuweisung zu dér bayrischen Ordensprovinz geplant worden, dem aber groBe Schwierigkeiten namentlich von dér bessischen Regierung entgegenstanden ®). Doch schon 1855 wurde die Vereinigung mit dér Hl.-Kreuz-Provinz auí- gehoben. 1855 wurden die Klöster zu Fulda und Salmünster zu einer Custodia Tliuringiae S. Elisabetb verbunden^). Ein groBer Teil dér Brüder war gegen die Vereinigung mit dér strengen HI.- Kreuz-Provinz gewesen®). Dennocb liat die Saxonia S. Crucis der neuen Kustodie in den ersten und schwierigen Jahren ihrer Selbstandigkeit die Unterstützung nicht versagt. AIs dér Kulturkampf 1875 die Ordensleute auswies, bestand die Custodia Tliuringiae S. Elisabetb aus den Konventen zu Fulda und Salmünster, den Residenzen zu Ottbergen b. Hildes- beim, Stetten b. Hecbingen und Marientbal a. Rh. Bereits seit 1884 weilten wieder Franziskaner auf dem Frauenberge bei Fulda, und am 4. Október 1887 wurde dieser Konvent auch íormal eröffnef^). 1894 wurde dér wieder er- starkten Kustodie dér Titel einer Provinz als Provincia S. E]i- sabeth verliehen ^). Einige Niederlassungen im Reichsland ElsaB- Lothringen wurden ibr angegliedert, die 1913 dann als eigenes Kommissariat dér Provinz entzogen wurden. Gegenwartig zablt die Provinz Thuringia S. Elisabetb 10 Konvente und 9 Residenzen.

1) Provinzarchiv zu Düsseldorf, Aktén Thuringia I 41 ; I 45. 2) Ebd. I 50 . 3) Ebd. I 52 ; Provinzarchiv im Franziskanerkloster zu Fulda, Fasc. Visitator Apostoiicus . Provinzarchiv zu Düsseldorí, Aktén Thuringia I 42; vgl. I 54, 8 ) Ebd. I 65; dazu I 36.

6 ) B. H a m m e r, Die Franziskaner in den Vereinigten Staaten Nord- amerikas, Köln 1892, 138. Haselbeck 16. *) Dekret des Gen.-Min. Aloysius de Parma vöm 20. A pril 1894 . l42 DIÉ PROVINZ VÖM HL. NAMEN JESU IN NORDAMÉRÍIÍA

Die Provinz vöm hl. Namen Jesu in Nordamerika. Von P. B e ra rd V o g t O. F. M. Die Provinz vöm hl. Namen Jesu in Nordamerika wird nicht mit Unreciit als eine Tochtergründung dér Thüringischen Provinz von dér hl. Elisabeth betrachtet. Sie ist noch mehr; sie ist auch ein Ehrenblatt in dér Geschichte dér Thuringia aus stürmisch bewegter Zeit. Auf den Wunsch dér Schriftleitung dér FS wollen w ir daher versuchen, zűr Festnummer einen historischen Überblick über die Namen-Jesu-Provinz zu geben. Die Errichtung dér Provinz datiert vöm 16. September 1901, an welchem Tagé dér Generalvikar des Ordens, P. Dávid Fleming, ein Dekret veröííentlichte, welches die Háuser des bisherigen amerikanischen Kommissariates dér Thüringischen Provinz von dér hl. Elisabeth, sowie eine Anzahl englischer Klöster dér bisherigen irisch-italienischen Kustodie von dér Unbefleckten Empfangnis zu einer neuen Ordensprovinz vereinigte'). Die Gründung und dér Werdegang des oben erwahnten Komissariates íühren uns in die Tagé des Kulturkampíes zurück, dessen ungerechte Maigesetze allé Klöster durch staatliche Gewalt auflösten und die Ordensleute aus dem Vaterlande auswiesen. Um für die aus ihren Klöstern in PreuBen gewaltsam ausge- wiesenen Mitbrüder in anderen Lándern neue Zufluchts- und Wirkungsstatten zu suchen, sandte dér damalige Kustos dér Thuringia, P. Aloysius Lauer, im Sommer des Jahres 1875 die Patres Ferdinand Müller, Franz Koch, P. Gregor Schlitt nach Nordamerika. Dieselben fuhren Mitte August mit drei Brüdern von Rotterdam ab und traíen am 5. September in New York ein. Hier fanden sie gastfreundliche Aufnahme bei den deutschen Kapuzinern, die ihnen auch wahrend dér náchsten Monate auí dér schwierigen Suche nach einem eigenen Heim mit Rat und Tat beistanden. Einen anderen guten Freund fanden sie in dem damaligen Bischof Corrigan von Newark, New Jersey, dem spateren Erzbischof von New York, dér ihnen anriet, nach dem Westen zu gehen, um dórt eine deutsche Pfarrei zu bekommen; er íügte aber hinzu, daB sie zu ihm zurückkehren möchten, falls ihre Bemühungen ohne Erfolg bleiben würden. Die drei Patres suchten nun mehrere Monate vergeblich nach einem

1) Vgl. Decret. Erect. in A c tá O rd in is M in o ru m XX 6 8 . VOGT 143 geeigneten Platze zur Griindung eines Klosters, indem sie hin und her zogen bis zum iernen Jowa. In der Zwischenzeit hielten sie mit den Franziskanern von Cincinnati, Ohio, Volks- missionen und machten sich durch seelsorgliche Aushilfe ntitzlich sowohl 1?ei Weltpriestern als auch bei den gleichfalls vertriebenen deutschen Franziskanerinnen, die sich in Jowa City niedergelassen hatten. Aber trotz ihrer groBen Bemiihungen konnten sie nirgends eine eigene Pfarrei erhalten, weil sie des Englischen nicht machtig waren. Entmutigt liefi sich nun P. Ferdinand mit den drei Briidern in Neu-Fulda in der Diözese Columbus, Ohio, bei einem aus Fulda gebiirtigen Weltpriester nieder. Die Patres von Cincinnati hingegen rieten ihm, sich ihrer- Kustodie vom hl. Johannes dem Taufer anzuschliefien. Um diese Frage zu beraten, wurde eine Zusammenkunit in Chillicothe, Ohio, ver- einbart, woseibst ein ireundlich gesinnter ehemaliger Franzis- kaner ais Pfarrer tatig war. Hier zerschlug sich der Plan an dem Widerstande der Fuldaer Patres. P. Franz sprach: „Wenn w ir uns hier anschlieBen, wird unsere Provinz aussterben, quia pro­ vincia sine ulla domo. LaBt uns also nach dem Osten zuriick- kehren zu unserem Freunde Bischof Corrigan!" Der Bischof nahm sie ireundlich auf und versprach ihnen, bei der ersten passenden Gelegenheit iur eine Piarrei zu sorgen. Da sich das aber lange hinauszog, wandte sich P. Ferdinand auf Anraten der Kapuziner an Bischof Wadhams in der Diözese Ogdensburg, Nevs^ York. Derselbe bot ihm Croghan an, das im Norden des Staates lag und eine sprachlich gemischte Missions- pfarrei mit zwei Filialen war. Ende Február traf P. Ferdinand dort ein. Dieses erste Heim in der neuen Welt hat eine interessante Vorgeschichte: Wahrend der groBen französischen Revolution bildeten bemittelte Biirger und Adelige in Paris eine Gesell- schaft mit dem Zwecke, in der Urwildnis Amerikas eine gesel- liche Kolonie zu grtinden, wo die Mitglieder der Gesellschaft ein sicheres Asyl vor der Blut- und Schreckensherrschaft der Revolution finden konnten. Sie nannte sich „La Compagnie de New York“ . Am 31. August 1792 erwarb sie sechshundert- tausend Acker Land an den westlichen Abhángen des Adiron- dack-Gebirges im nördlichen Staate New York. Die Nieder- lassung erhielt den Namen „Castorland“ , das Land des Bibers, 144 DIE PROViNZ VÓM HL. NAMEK JESU IN NORDAMERIKA ohne Zweiíel in Anlehnung an den alt-indianischen Namen Couch-sach-ra.ge, welches in dér Droquois-Sprache „Biberjagd- gründe“ bedeutet. Denn noch bis vor kurzem war dieser Indianer- stamm durch diese dichten Urwálder gestreift. Ein romantisclier Plan wurde in bezug auf Urbarmachung dér Wildnis, Anlegung von StraBen, Verteilung dér Parzellen, Gründung und Anlage dér Siediungen bis ins einzelne ausge- arbeitet. Die Haupt-Siedlung, „Castorville“ genannt, befand sich in dér jetzigen Píarrei Croglian, direlít unterhalb dér Falle des Biber-Flusses, unweit des heutigen Ortes. Jedoch nach wenigen Jahren, als die Revolution in Frankreicli abflaute, ver- lieBen die Ankömmlinge nach und nach bis auf den letzten Mann die anscheinend emporstrebende Kolonie. ' Das urbar ge- machte Land und die Wege fielen dér wuchernden Wildnis wieder anheim, die primitíven Gebaulichkeiten faultén und stürzten ein, sodaB die neuen Ansiedler, welche dreiBig Jahre spater zűr dauernden Urbarmachung erschienen, nur wenige Spuren dér früheren vorübergehenden Kulturbestrebungen mehr vorfanden ^). Die Landereien wurden schlieBlich das Eigentum des Gráfén Donatíen Le Ray de Chauraont, eines ursprünglichen Mitgliedes dér Gesellschaft. Sein Sohn Vincent Le Ray de Chaumont siedelte sie in den dreiBiger, vierziger und fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hauptsáchlich mit deutschen und franzö- sischen Farailien aus ElsaB-Lothringen an. Als dórt in den sechziger Jahren wegen derNahe geeigneter Waldungen mehrere Gerbereien errichtet wurden, strömten viele irlandische Familien herbei. Der erste Priester, ein Pfarrer Guth, kam im Jahre 1835 nach Croghan und zelebrierte mehrere Jahre láng in einem BlockhausQ die hl. Messe, bis er 1842 eine kleine Kirche errichtete. Seit dieser Zeit residierten meist Weltpriester in Croghan. Vorübergehend wirkten dórt wegen Priestermangels auswartíge Konventualen und Augustiner. In diese Pfarrei zog P. Ferdinand im Február 1876 ein. Dieser Platz war das erste eigene Heim, das die Patres nach langem vergeblichen Suchen in dér neuen Welt íanden. Bischof Wodhams hatte beim Abschiede zu P. Ferdinand gesagt: „Hier habén Sie MeBwein und Hostien; gehen Sie nach

1) Vgl. N. S y lv e s te r, Historical Sketches oí Northern, New York, Troy 1877, 152—.165. Franzisk. Studien X, 3/4 Taíel I (S. 142;i57)

Franziskanerkloster zu Paterson

Seraphisohes Kolleg zu Callicoon Franzisk. Studien X, 3;i Tafel II (S. 142/157)

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Croghan, um Messe zu lesen und bleiben Sie dort.“ Das Ver- bleiben war anfanglich niclit so leicht, da das Volk nicht mit Unrecht einen Priester erwartete, der die Landessprache be- herrschte. Aber P. Ferdinand war des Englischen noch kaum machtigl Und das Pfarrhaus, das fast ein Jahr leer gestanden hatte, war in ganz verwahrlostem Zustande, sodal3 Wind und Schneestürme lustig durch Wohn- und Schlafzimmer bliesen. Zudem war die Kirche sehr armlich und harrte dringend einer sorgenden Hand. Bald jedoch kam P. Franz mit den Briidern nach. Mit Hilfe eines Lehrers bereitete er kurze englische Anspraclien vor, und predigte allsonntaglich auf englisch, íranzösisch und deutsch. Somit schlug in kurzer Zeit die Volksstimmung völlig zugunsten dér Patres um. lm Juli 1876 traf ein Briel von P. Aloysius Lauer ein, worin er seine Freude ausdrückte, daB sie nun ein dauerndes Heim gefunden hatten. Zűr selben Zeit aber teilte er ihnen mit, daB allé seine Bemühungen, im europáischen Auslande eine Niederlassung zu gründen, fehlgeschlagen seien. Er riet darum, das Haus zu vergröBern und sich nach neuen Plátzen umzusehen, da er im August wieder Patres, Kleriker und Brüder nach Amerika zu senden gedachte. P. Ferdinand reiste daraufhin von neuem nach Newark, New Jersey, zu Bischoí Corrigan. Dieses Mai sollten seine Bemühungen mit gröBerem Eríolge gekrönt werden. Es hatten sich namlich bayrische Karmeliter aus Furcht, daB sie auch aus ihren Klöstern in Bayern vertrieben werden würden, in Paterson, New Jersey, unweit dér Stadt Newark, ein Haus mit einem groBen Garten gekauft und den Bau eines Klosters begonnen. Als aber die Gefahr dér Vertreibung aus dér Heimat sich minderte, stellten sie das Anwesen dem Bischoí kauílich zűr Verfügung, dér es nun P. Ferdinand anbot. Ende August 1876 bezog P. Ferdinand mit den inzwischen aus Deutschland angekommenen beiden Patres Venantius Eder und Mauritius Sander, den drei Klerikern Fr. Camillus Mondorf, Fr. Hieronymus Lagleder und Fr. Albert Stroebele, sowie mit fünf Brüdern das Kloster provisorisch. Dér Kauíkontrakt zwi- schen dem Provinzial dér Karmeliter und dér Thüringischen Kustodie wurde erst im November abgeschlossen und erhielt die Genehmigung des Apostolischen Stuhles am 29. Dezember Franzlsk. Studien. 10. Jahrg. 3./4. Helt. 10 146 niE PROVINZ VÖM HL. NAMEN JESÖ IN NORDAMERIKA

18761). P. Mauritius ging bald darauf nach Croghan, um P. Franz zu helfen, dér die LeitUBg dér dortigen Pfarrei übernommen hatte. Inzwischen trafen im Október P. Leonard Molkmus und einige Brüder aus dér Schweiz ein, die bisher bei den Kapuzinern ein Asyl gefunden liatten. lm folgenden Sommer kara P. Kustos Aloysius Lauer selbst auf einige Monate nach Amerika und führte bei dieser Gelegenheit die papstliche Klausur im Konvent zu Paterson ein. Dieser Konvent blieb in dér Folge das Haupt- kloster dér nordamerikanischen Ansiedlung, in dem das Noviziat und Klerikat untergebracht wurden. Als dritte Niederlassung erhielten die Patres, ebenfalls in dér Diözese Ogdensburg, im Jahre 1878 die Station Mohawk- hill, einen rauben Gebirgsort, vv^o sie die Seelsorge dér dórt wohnenden Deutschen übernahmen. P. Gregor, der bis dahin noch immer als Assistent in Chillicothe geweiit hatt^ iibernahm die Leitung der Pfarrei, wobei er von P. Camillus Mondori unterstiitzt vi^urde. Ein Brúder führte das Hausvv^esen. Da jedoch diese Niederlassung dem Zwecke der sich ausbreitenden Kustodie auf die Dauer wenig entsprach, wurde sie im Jahre 1888, als sich die Notw^endigkeit ergab,- Patres fiir andere Klöster frei- zumachen, vi^ieder aufgegeben. So hatten denn die Patres drei Zufluchts- und Wirkungs- statten gefunden. Als im Jahre 1878 der Kustos P. Aloysius Lauer zum zweiten Male nach Amerika kam und sich in Paterson dauernd niederlieB, war die in Deutschland mit Gewalt aufge- löste und auseinandergesprengte Thüringische Kustodie von der hl. Elisabeth vorerst in Amerika wieder zu neuem organisierten Wesen und Leben erstanden. Nach und nach trafen immer mehr Patres und Brüder ein. Schon im Januar 1880 konnte P. Aloysius Lauer zu Pater­ son das erste Halbkapitel seit Ausbruch des Kulturkampfes abhalten. Nach den Angaben der Kapitelstafel befanden sich damals in den drei amerikanischen Hausern der Kustodie fünf- zehn Patres. Im Juni des folgenden Jahres trafen vs^ieder drei Patres ein, welche sich vergeblich bemüht hatten, in Epinal im ElsaB eine bleibende Statte zu gründen, namlich P. Justin Hiltermann, P. Fidelis Kircher und P. Dionysius Schuler, der spatefe Ordensgeneral und jetzt Erzbischof von Nazianz i. p. i.

J) Vgl.P. M a x im ilia n B ra n d y s , Geschichte der Thuringia, Hs,22.Kap. VOGT 147

In allén drei Pfarreien entfalteten die Patres von An- fang an eine rege Tátigkeit. In Croghan stellte es sich bald heraus, daB sowohl ein neues Kloster ais auch eine Kirche nötig seien. Ferner, daI3 eine gute katholische Erziehung der Jugend die Mithilfe von Schulschwestern erfordere. Des- halb wurde das nötige Grundstück erworben. Im Januar 1878 konnten das neue Kloster und in demselben Sommer das aene Schwesternhaus eingeweiht werden. Im iolgenden Sommer begann man mit dem Bau der neuen Kirche ad St. Stephanum. Es vi'ar dies kein leichtes Unternehmen, da die Pfarrange- hörigen durchschnittiich aus w^enig bemittelten Bauern und Handwerkern bestanden, und bekanntlich in Amerika alie kirch- lichen Auslagen aus freien Gaben der Glaubigen bestritten werden miissen. Dafiir aber war die Bereitwilligkeit um so gröBer. Gar mancher Bauer, dem es an Geld gebrach, ging in seinen Wald, hieb ein paar schöne Baume um, brachte sie zur Miihle und fuhr die gesagten Bretter und Balken auf den Kirchplatz. Andere wieder arbeiteten tagelang unentgeltlich, um aui diese Weise ihr Scherflein beizusteuern. P. Franz be- wirtete diese Leute mit den Lebensmitteln, die er im Dorie und auf dem Lande sammelte. Manche humorvolle Anekdote aus dieser Zeit macht jetzt noch die Runde unter dem Volke. So kam eines Tages P. Franz in die am Ende des Ortes gelegene Molkerei und bat um einen groBen Kase von 50 Pfund fiir seine Arbeiter. Da der Pater eigentlich etwas zu oit kam, erwiderte der Molkereibesitzer schlieBlich mit schelmischem Blick: „Sie können den Kase haben, wenn Sie ihn selbst auf der Schulter heimtragen.“ „Einverstanden“ , sagte P. Franz, hob den Kase auf die Schulter und zog so durch das Dori. — Am 4. Október 1880 konnte die neue Kirche, ein herrlicher geraumiger Bau in gotischem Stil, vom Bischof eingeweiht werden. Nicht minder rege war man in Paterson. Hier galt es bei aller Armut zunachst Haus und Kloster wohnlich einzu- richten ilnd auszubauen, die neue vom Bischof im Február 1877 bewilligte Pfarrei zu organisieren und eine Pfarrkirche zu er- richten. Es waren groBe Schwierigkeiten zu iiberwinden, da der Stadtpfarrer wegen der Abtrennung eines Teiles seines Ge- , bietes wenig erbaut war und die Leute dieses Viertels meistens in groBer Armut lebten. Trotzdem begann der ernannte Pfarrer, P. Ferdinand, mit frischem Gottvertrauen im folgenden Jahre

10 * 148 DIE PROVINZ VOM HL. NAMEN JESU IN NORDAMERIKA den Kirchenbau. Mit Hilfe von deutschen Priestern der nahen Stadt Brooklyn, wo die Patres allsonntaglich aushalien, schritt das Unternehmen riistig vorwarts, so da6 die Kirche, ein prach- tiger Backsteinbau in romanischem Stil, am 4. Juli 1880 von Biscliof Corrigan eingeweiht werden konnte. Das Jahr darauf wurde mit Hilie von Schulschwestern (Franziskanerinnen aus dem Mutterhause zu Peekskill, New York) eine Pfarrscliule im unteren GeschoB der Kirclie eröffnet. Ein Dekret der Kongregation der Bischöfe und Regularen vom 11. April 1881 0 ernannte P. Kustos Aloysius Lauer zum Mitgliede des neuen Generaldeilnitoriums. Vor seiner Abreise hielt er in Paterson im Mai einen KongreB des Diskretoriums der Kustodie ab, auf dem P. Ferdinand voriaufig zum Kom- missar erwahlt vi^urde. Im Juli traf darauf ein Dekret des Generalministers ein^), welcties P. Justin Hiltermann zum Kustos ernannte und ais Diskreten der Kustodie P. Leonard Malkmus, P. Bonaventura Jahn, P. Ferdinand Müller und P. Gregor Schlitt bestimmte. P. Justin leitete die Kustodie bis zum Jahre 1884. Wahrend seiner Amtsdauer traten die ersten amerikanischen Kandidaten in den Orden ein, namlich Fr. Anselm Kenedy, der spatere Provinzial der Namen-Jesu-Provinz, und Fr. Bernardin Bidinger. Sie erhielten am 22. Dezember 1881 das Kleid des hi. Franziskus. Da sich P. Justin fiir das verantwortungsvolle Amt nicht ais geeignet hielt, erklarte er auf dem im Jahre 1884 abge- haltenen Provinzkapltel, eine Wiedervs^ahl nicht annehmen zu können. Die Vokalen erwahlten darauf einstimmig den prasi- dierenden Generalvisitator P. Damasus Riising zum Kustos der Thuringia. Bisher war P. Damasus Mitglied der Herz-Jesu- Provinz von St. Louis, Missouri, und bekleidete dort zuletzt das Amt eines Definitors. Ais Diskreten gingen aus der Wahl her- vor: P. Leonard Malkmus, P. Bonaventura Jahn, P. Venantius Eder, P. Dionysius Schuler. Auf diesem Kapitel wurden auch die alten s/atuten der Kustodie eingehend gepriift und den Ver- haltnissen in den Vereinigten Staaten angepaUt. P. Damasus iibernahm auch noch das Amt des Novizen- meisters. Da aber aus Amerika selbst einstweilen noch nicht mit genügendem NachM^uchs zu rechnen war, wandte er sich

1) Vgl. Acta Ordinis I 6 . 2 3 Vgl. ebd. I 24, VOGT 149

an den Provinzial der Saxonia, die nach Ausbriich des Kultur- kampfes in Holland einige Klöster gegriindet hatte und sich eines guten Nacliwuchses erireute. In edler Brudergesinnung erwies sich die Saxonia hiifsbereit und iiberliefi der Thu- ringia melirere Frati’es und Kleriker-Kandidaten. Im Február 1886 trafen zunaciist der Novize Fr. Maximilian Brandys und der Kandidat Damian Kelir in Paterson ein, kurz darauf kam der ProfeBfrater Saturnin Goer') mit mehreren Kándidaten, dar- unter die spateren Patres Eduard Blecke^), Felix Schulze-Bokum, Gábriel Köhne, Hyacintti Raeberg, Isidor Meyer, Kilián Menz und Leo Heinrichs ^). Indessen wandten sich die Dinge in der alten Heimat zum Bessern, so daB man berechtigte Hoffnung hegen durfte, ins Mutterkloster auf dem Frauenberg zuriickkehren zu können. Schon im Jahre 1879 hatte die Stadt Fulda das Kloster Frauen­ berg dem preuBischen Fiskus abgekauft und die Klosterkirche ihrem urspriinglichen Zwecke zuriickgegeben. Um die Vorbe- reitungen fiir die in Aussicht stehende Wiedereröíínung des Klosters zu iibernehmen, sandte P. Kustos Damasus im Október 1886 auf Wunsch des damaligen Bischofs Kopp von Fulda den Guardian von Paterson, P. Ferdinand Miiller, nach Fulda, der aber bereits im April des iolgenden Jahres starb. Daraufhin reiste P. Damasus selbst nach Fulda, um persönlich die letzten Vorbereitungen der Riickkehr zu trefien, nachdem er zu seinem Kommissar in Amerika P. Dionysius Schuler ernannt hatte. Bald darauf riei P. Damasus die Fratres Maximilian, Bonifaz und Saturnin von Paterson nach dem Frauenberge zuriick, damit sie mit einigen Patres, die bis dahin in der Diözese Fulda und in anderen europaischen Provinzen tatig gewesen w^aren, sowie mit einigen neu hinzugekommenen Kandidaten das Klosterleben auf dem Frauenberge w^ieder aufnehmen sollten. Da inzwischen die dreijahrige Amtsdauer des Kustos ab- gelaufen war und das Abhalten eines Provinzkapitels mit groBen • Schwierigkeiten verbunden vs^ar, ernannte das Generaldefinito-

1) spater Provinzial der Thuringia. 2) erster Provinzial der Namen-Jesu-Provinz. 8) Leo Heinrich erlitt am 23. Február 1908 den Martyrertod von Mörder- hand beim Austeilen der hl. Kommunion in dér St.-Elisabeth-Kirche zu Denver, Colorado; sein Seligsprechungsprozefi ist bereits eingeleitet worden. 1 5 0 d ie p r o v in z v ö m h l . n a m e n je s u in nordamerika rium ani 12. Januar 1888 P. Damasus von neuem zum Kustos. Zu Diskreten dér Kustodie wurden P. Augustin Moeller, P. Gre­ gor Schlitt, P. Didymus Jotern und P. Dionysius Schuler ernannt 0- In demselben Jahre vi^urde das Kloster Marienthal im Rlieingau eröffnet, zu dessen erstem Práses P. Gregor Schlitt bestimmt vi^urde. P. Venantius Eder kehrte 1890 von Amerika zurück und wurde am 16. April desselben Jahres Prases des neuen Klosters Goriieirn in Sigmaringen. Wáhrend so die Tliuringia in dér altén Heimat vi'ieder zu erstehen begann, breitete sie sich auclí in den weiten Gebieten dér Vereinigten Staaten allmahlich immer vv^eiter aus. Zu den beiden Klöstern von Grogban und Paterson gesellte sich nach freiwilliger Aufgabe des Klosters in Mohaví^k Hill (1888) im Jahre 1889 das Kloster ad St. Elisabeth in Denver im Staate Colorado, wo P. Franz schon seit 1887 segensreich gev^'irkt hatte. Im Jahre 1892 kamen noch die beiden Residenzen zu Butler, N. J., und Obernburgh, N. Y., hinzu, und endlich im Jahre 1895 die Residenz in Callicoon, N. Y., wo spater ein eigenes sera- phisches Kolleg für das Kommissariat in Amerika erstand, das im September 1901 eröffnet vs^urde. Nach neunjahriger rastloser Tátigkeit starb P. Damasus Ríising unerwartet am 18. Október 1893 infolge eines Herz- schlages, als er gerade aus Fulda nach dem Frauenberge zu- rückkehren wollte. P. Aloysius Lauer, Generalprokurator des Ordens, leitete das Kapitel, das am 16. November abgehalten wurde, Als Nachfolger von P. Damasus wurde P. Dionysius Schuler, bisher Kommissar für die amerikanischen Klöster, ein- stimmig zum Kustos erwahlt. P. Venantius Eder, P. Bonaven- tura Jahn, P. Gregor Schlitt und P. Lambert Boerger wurden Diskreten dér Kustodie. Die Mitgliederzahl dér Kustodie war inzwischen auí 133 gestiegen. Unter diesen waren 39 Patres, 40 Fratres, 33 Laien- lirüder und 21 Tertiarbrüder. Die Kustodie umíaBte die Kon- vente auf dem Frauenberg, zu Ottbergen und Paterson, die Residenzen zu Marienthal, Croghan, Denver, Bornhofen, Gör­ béim und Butler^). Aüf diesem Kapitel wurde beschlossen, das Generaldefinitorium um Erhebung dér Kustodie zu dem früheren

í) Acta Ordinis VII 26. Vgl. P. M a x im ilia n B ra n d y s , GescMchte dér Thuringia, Hs, 24.Kap. VOGT 151

Rangé einer Provinz zu bitten. Diese Bitté wurde beréitwillig gewahrt. Durch ein Dekret vöm 20. April 1894 erhob dér Generalminister P. Aloysius a Parmo die Kustodie zu einer rechtmaBigen Ordensprovinz und gab ihr den írüheren Rang und allé Rechte dér Provinz wieder zurück. Zum ersten Mini­ ster der Provinz ernannte er P. Dionysius Schuler, zum Kustos P. Bonaventura Jahn, zu Definitoren P. Venantius Eder, P. Gregor Schlitt, P. Lambert Boerger und P. Guido Keller. Nacli Ablauf seiner dreijahrigen Amtszeit wurde P. Dionysius einstimmig v^iedergevv^alilt. Ebenfalls blieb dér früliere Kustos P. Bonaventura Jahn im Amte. Zu Definitoren wurden gewáhlt: P. Venantius Eder, P. Gregor Schlitt, P. Eustachius Kircher und P. Fábián Giellnik. Die Provinz umíaBte jetzt folgende Konvente: Frauenberg, Salmünster, Ottbergen, Paterson, Gro­ gban, Gorheim und die Residenzen zu Marienthal, Denver, Butler, Bornhoíen, Obernburgh, Callicoon und Watersleyde in Holland ')• Um diese Zeit vv^urden dér Provinz die zwei elsaB-loth- ringischen Klöster in Metz und Lutterbach angegliedert. Somit wurde allraáhlich die Frage dér Abtrennung und Selbstandig- keit dér amerikanischen Klöster aufgeworíen; denn auf die Dauer war die Leitung dér Provinz von. Fulda aus zu umstand- lich und schwierig, überdies bot die Zahl und Beschaífenheit dér nordamerikanischen Klöster die begründete Hoffnung auf Selbstandigkeit. Um diese Frage reiflich zu prüfen und die Verhaltnisse aller Klöster des Ordens in den Vereinigten Staaten an Őrt und Stelle zu regein, sandte dér Generalminister P. Aloy­ sius Lauer im Frühjahr 1900 den Provinzial P. Dionysius Schuler als Generalvisitator nach Nordamerika. Auf seiner halbjahri- gen Visitationsreise besuchte er etwa achtzig Klöster und er- stattete hierauf dem P. General und seinem Definitorium per- sönlich Bericht. Im Spatherbst desselben Jahres fand auf dem Frauenberge zu Fulda unter dem Vorsitze von P. Generaldefinitor Johannes Bapt. Englert das Provinzkapitel statt. P. Dionysius wurde von neuem zum Provinzial gewahlt, wahrend P. Eduard Blecke zum Kustos, P. Gregor Schlitt, P. Calixtus Albert, P. Saturnin Goer und P. Maximilian Brandys zu Definitoren erwáhlt wurden.

Vgl. ProvinzarcMv zu Fulda, Acta Capituli Prov. 28. 7. 1897. 152 d ie PROVINZ v ö m h l . NAMEN JESÜ in NORDAMERIKA

Die Abtrennung dér amerikanischen Klöster wurde beraten und von allén Vokalen einstimmig befürwortet. Bevor aber die sodann vöm Generalkapitel bescblossene Abtrennung dér amerikanischen Klöster und deren Erhebung zu elner eigenen Provinz zűr Ausführung gelangen konnte, starb dér Generalminister P. Aloysius Lauer am 21. Aug. 1901. Dér bald darauf zum Vicarius Generalis erwahlte Generaldefi- nitor P. Dávid Fleming veröííentlichte am 16. Sept. das Dekret, w^elches die Errichtung dér Provinz vöm hl. Namen Jesu in Nord- amerika bestlmmte ')• Zu dér neuen Provinz kamen íolgende Klöster: Paterson, Grogban, Butler, Obernburgh, Callicoon; ferner die Klöster Allegany, Bufíalo, Winsted und New York, die bisher zűr Kustodie von dér Unbefleckten Emptangnis gehört hatten; endlich sollte das Klöster Chatham in Kanada von dér Provinz des hl. Johannes des Taufers (Cincinnati, Ohio) zűr neuen Provinz geschlagen werden, wogegen jedoch das Klöster in Denver dér Provinz des hl. Johannes des Taufers zufallen sollte. Dieser Umtausch kam jedoch wegen bischöflicher Opposition nicht zustande, so dali das Haus in Denver bei dér Provinz vöm hl. Namen Jesu verblieb. Als Provinzial dér neuen Provinz wurde P. Eduard Blecke ernannt, zum Kustos P. Joseph Butler, zu Definitoren P. Franz Koch, P. Pius Manz, P. Do­ minicus Scanlan und P. Ludovicus Stanton. Zűr Vervollstándigung unseres Bildes erübrigt sich noch, einen Blick auf die Kustodie von dér Unbefleckten Empfángnis zu werfen, aus dér die vier Klöster zu Allegany, Buffalo, New York und Winsted dér neuen Provinz einverleibt wurden. Bei Gelegenheit dér feierlichen Erhebung dér Unbefleckten Emp­ fángnis zum Dogma weilte lm Jahre 1854 auch Bischof Timon ^ von Buffalo, New York, in Rom. Da seine neu gegründete Diözese sehr an Priestermangel litt, wandte er sich an das irische Kolleg St. Isidor mit dér Bitté, ihm einige Patres zu überlassen. Als er aber abgewiesen wurde, wandte er sich erfolgreich an den General dér Franziskaner selbst. Am 9. April 1855 verlieíJen P. Pamfilo da Magliano, P. Sisto de Gagliario, P. Sámuel de Presso und Br. Salvator de Manorola die Ewige Stadt, um sich auf ihr neues Arbeitsfeld in Amerika zu be-

1) Vgl. Acta Ordinis XX 168. VOGT 153 geben. P. Pamfilo, der bisher Professor der Theologie am irischen Kolleg St. Isidor und ein guter Kenner der Ordensge- schichte war, wurde zutn Oberen ernannt. Bischof Timon iibergab der kleinen Schar die Gemeinde Ellicottville im County Cattaraugus, von wo aus sie den ganzen Bezirli seelsorglich versahen und in mehr ais zwanzig umliegenden Missionsstationen regelmaBig Gottesdienst abhielten. Im folgenden Jahre schenkte ihnen ein edler Gönner, Mr. Nicholas Devereaux, einen groBen Landliomplex von zweihun- dert Hektár, in einem Tale an den Uiern des Alleganyflusses herrlich gelegen, rings umgeben von bevi^aldeten Hügeln. Hier erbauten sie in den Jahren 1851—58 ein geraumiges Kloster und eine schöne Piarrkirche ad St. Bonaventuram. Der Kon- vent zu Allegany wurde nun anstatt Ellicottville, das die Patres im Jahre 1859 vi'ieder verlieBen, Mutterkloster und Zentrum der amerikanischen Niederlassung, wohin auch spater das Noviziat und Klerikat gelegt wurden. Ais die Patres durch neue An- kömmlinge aus Europa verstarkt wurden, eröffnete man daselbst im Jahre 1859 ein öffentliches Kolleg und Priesterseminar. Heute steht dieses Institut in den ersten Reihen katholischer Erziehungsanstalten des Landes. Bereits im Jahre 1858 war ihnen die groBe Gemeinde St. Patrick in der Stadt Buifalo vom Bischof iibergeben worden. Die Möglichkeit einer raschen Ausbreitung ihrer Tátigkeit hing nur noch von der Ankunft neuer Arbeiter im Weinberge ab. Um diese herbeizuziehen, erhob ein papstliches Dekret vom 1. Marz 1861 den Konvent ad St. Bonaventuram und «eine ab- hángigen Griindungen zu einer eigenen Kustodie unter dem Titel der Unbeileckten Empfangnis‘). P- Pamfilo wurde zum ersten Kustos ernannt. Die Zahl der Mitglieder mehrte sich von jetzt an sehr schnell, so daB die Patres in Kiirze eine Anzahl neuer Pfarreien iibernehmen konnten. Die Ankommlinge waren teils italienischer, teils irischer Abstammung; sie widmeten sich der italienischen oder englischen Seelsorge. Im Jahre 1864 iibernahm man die St.-Franziskus-Gemeinde in der Stadt New York; im Jahre 1865 die St.-Josephs-Gemeinde in Winsted, Connecticut; 1866 die St.-

1) Vgl. The CatholicChurch in the United States ol America, I, New Yorlc 1912, 228. 154 d ie PROVINZ v ö m h l . NAMEN JESÜ in NORDAMERIKA

Antonius-Gemeinde (italienisch) in dér Stadt New York; 1873 die St.-Leonards-Gemeinde (italienisch) in Boston, Massachusetts; und in den íolgenden Jaliren ein weiteres lialbes Dutzend ita- lienischer Píarreien in verschiedenen GroBstádten'). Unter den Patres, welclie in diesen Jaliren nacli Amerika kamen, befand sich aucli Fr. Diomedes Falconio, dér spater Apostolisclier Delegat für die Vereinigten Staaten und Kardinai wurde. Er kam im Jahre 1865 im Altér von 23 Jahren nach Allegany. Bischof Timon weihte ihn im íolgenden Jahre zum Priester. Mehrere Jahre war er Professor am Kolleg und Prásident des Seminars. Er starb im Jahre 1913. Die obigen vier englischen Gemeinden und Klöster, Alle­ gany, Buffalo, New York und Winsted waren es, die im Sep­ tember 1901 im Véréin mit den Klöstern des bisherigen ameri- kanischen Kommissariates dér Thuringia zűr neuen Provinz vöm hl. Namen Jesu erhoben wurden. * * In den rund 20 Jahren seit ihrer Gründung hat sich die Provinz in erfreulicher Weise so sehr entwickelt, daB sie jetzt íolgende 13 Hauser záhlt; New York, Allegany, N.Y., Pater- son, N. J., Grogban, N. Y., Butler, N. J., Callicoon, N. Y., Buffalo, N. Y., Denver, Colo., Winsted, Conn., Obernburgh, N. Y., Garíield, N. J., E. Rutherford, N. J., Clason Point, N. Y. City. Die Provinz hat über 100 Patres, annáhernd 100 Kleriker und etwa 60 Brüder. Was die Studien in dér Provinz betriíft, so ist zu unter- scheiden zwischen dem öííentlichen Schulbetrieb in Allegany und dér Ordensschule in Callicoon, Grogban und Allegany. In dem öffentlichen Schulbetrieb zu Allegany unterscheiden w ir eine H igh S chool, ein C ollege und ein Sem inary. Die H igh School entspricht den ersten Klassen dér deutschen Gymnasien und wird in vier Jahren absolviert. In dieser Schule gibt es drei Abteilungen: 1. eine klassische Abteilung (The Árts), 2. eine naturwissenschaftliche Abteilung (The Sciences) und 3. eine kaufmannische Abteilung (High School Commercial Department). Das SchluBexamen entspricht in etwa dem deutschen früheren Einjáhrigen. Z. B. setzt dér Beruf als Lehrer und Lehrerin die High School voraus; in den meisten Staaten wird

1) Vgl. ebd. I 227 ff. VOGT 155 jedoch in diesem Falle noch eine Factivorbereitung bis zu zwei Jahren verlangt. Das Diplom berechtigt zum Eintritt ins College. Das C ollege entspricht den höheren Kiásson dér deutschen Gymnasien und wird ebenfalls in vier Jahren absolviert. lm College gibt es íolgende Abteilungen: 1. eine klassisclie Abteilung (Department of Árts and letters), 2. eine naturwissenschaftliche Abteilung (Department oí Mathematics and Natural Sciences), 3. eine vorbereitende medizinische Abteilung (Pre-Medical Department), 4. eine höhere Handelsschule (Commercial Department), 5. eine Erganzungsabteilung (College Extension Course). In dieser Abteilung wird jenen Schülern, die bereits die High School besucht habén, aber durch ihren Beruí verhindert sind, am reguláren Schulbetrieb des College teilzunehmen, Gelegenheit geboten, die im College vorgeschriebenen Stunden in Abend- klassen nachzuholen, um sich auf diese Weise nach abgelegter Prüfung die Diplome zu erwerben. Es kommen hier haupt- sáchlich Lehrer und Lehrerinnen dér benachbarten Volksschulen und High Schools in Frage. Die Studenten im ersten College- jahre heilSen „Freshmen“, im zweiten „Sophomores“, im dritten „Juniors“ und im vierten „Seniors“ . Das SchluBexamen berech­ tigt wie die deutsche Reiíeprüfung zum Besuche dér Universitát. Die Absolventen des College werden Bakkalaurei genannt. Das Seminary entspricht im allgemeinen dér Ausbildung dér deutschen Theologen in den Konvikten, Priesterseminarien und auf den Universitáten, weshalb wir hier nicht naher auf den Studienbetrieb einzugehen brauchen. Das Pensum der Philosophie wird in zwei und das dér Theologie in vier Jahren absolviert. Die íolgende Tagesordnung im Seminar dürfte die Leser dér Studien interessieren: 5,20 Surgitur; 5,35 Angelus, Preces Matutinae, Meditatio; 6,00 Missa; 6,50 Jentaculus, Recreatio; 7,45 Studium aut Schola; 9,50 Reces­ sus (Erholungspause); 10,00 Studium aut Schola; 11,30 Prandium; 12.00 Angelus, Examen Particulare, Martyrologium; 1,00 Studium aut Schola, nisi vacet; 4,00 Recreatio; 5,00 Lectio Spiritualis ; 5,30 Studium; 6,30 Coena, Angelus, Recreatio; 7,45 Examen conscientiae, Puncta Me­ ditationis, Rosarium, Preces Vespertinae; 8,00 Studium aut Disputatio; 10.00 Dormitur. Von den Ordensschulen besteht in Callicoon ein sera- phisches Kolleg, welches eine Verbindung von High School 156 DIE PROVINZ VÖM HL. NAMEN JESU IN NORDAMERIKA und College ist. Die Ordenskleriker werden nach Absol- vierung dieser Schule in das Noviziat aufgenommen, in dem sich 24 Novizen beíinden. Nach dem Noviziat beginnen die philosophischen Studien, denen die Ordenskleriker drei Jahre obliegen müssen, wohingehen von den Kandidaten dcs Welt- klerus in Allegany nur zwei Jahre verlangt werden. lm ersten Jahre vi^ird die Philosophie in Croghan N. Y., im zweiten und dritten Jahre im Konvente zu Allegany doziert. Dagegen hören die Ordenskleriker Theologie zusammen mit den Kan­ didaten des Sakularklerus in Allegany. Dér Lehrkörper in Calíicoon setzt sich aus 11 Patres, in Croghan aus 3 und in Allegany aus 20 Patres und 12 Laien zusammen. Im letzten Schuljahre viharén in Calíicoon etwa 140 Ordensaspiranten, in Croghan 15 Fratres, in Allegany 52 Fratres der Philosophie und Theologie und 153 Seminaristen aus den verschiedensten Diözesen des Ostens und Mittelw^estens. Die Gesamtzahl dér Studenten in Allegany beláult sich auf 560. Dér Prasident des groBen Studienhauses in Allegany ist dér Studienpráíekt dér Provinz P. Dr. Thomas PlaBmann. Er zahlt zu den ersten katholischen Schulmannern Amerikas. Seine Studien machte er in Washington, Rom und Löwen. Dér Aus- bau dér Studienanstalt von Allegany zu einer Universitat ist sein vorzüglichstes Bestreben. Dieser> sein Ueblingsplan düríte dér Verwirklichung sehr nahe sein, soíern er auch íürderhin von seinen Gönnern tatkraítig unterstützt vi^ird. Einen ebenso groBen Plán erstrebt dér ihm geistesver- wandte Provinzial P. Matthias Faust mit dér Gründung eines Studienhauses in Washington. Dasselbe ist in erster Linie als Zentralstudium dér Provinz gedacht, das aber auch allén Fran- ziskanern, besonders Amerikas, oífen stehen soll, die an dér Universitat Washington ihre Studien. vertiefen oder die Biblio- thek des Studienhauses benutzen vi^ollen. Mit dér Gründung dieser groBangelegten Bibliothek hat dér weitschauende Pro­ vinzial P. Matthias schon seit einigen Jahren begonnen, indem er die günstige Lage auf dem europaischen Büchermarkte für seine Zwecke mit Klugheit und Geschick ausnützte. Diese Bibliothek soll eine Hand- und Nachschlagebibliothek íür allé sein, die sich irgendwie mit demFranziskanerorden beschaítigen. Es sind bereits viele áuBerst seltene und wertvolle Handschriíten, darunter mehrere unica, ferner eine stattliche Reihe Inkunabeln und an- VOGT löf dere Drucke in groBer Zahl erworben worden. Ohne zu über- treiben, düríen w ir wohl behaupten, daB diese Bibliothek schon jetzt eine dér wertvollsten Bibliotheken des Ordens ist, die von den Porschém nicht unbeachtet gelassen werden darf, Hoffentlichgelingt es, diese Bibliothek, die eine Zlerde dér Provinz ist, imhier weiter auszubauen, und ihr bald die schon lángst ge- planten würdigen Raume zu schaífen. Die S e e ls o rg e stellt in gleicher Weise groiJe Aníor- derungen an die Patres. Alién Klöstern sind Pfarreien ange- gliedert, die wiederum Filialen zu versorgen habén. So hat z. B. Callicoon jeden Sonntag wenigstens acht feste Filial- stationen und Allegany durchschnittlich zehn Aushilíen zu leisten. In beiden Fallen werden diese Arbeiten von den Professoren dér betreffenden Kollegien übernommen. Ferner sind bei allén Klöstern Pfarrschulen, die von Schulschwestern geleitet und aus privátén Mitteln unterhalten werden. In mehreren Píarreien sind diese Schulen zu High Schools ausgebaut. Die Sorge für diese Schulen liegt dem Píarrer ob. Eine besondere A rt dér Seelsorge sind die sogenannten Nacht- und Mittagmessen in New York. Jeden Sonntag Morgen um 2,30 findet eine Sing- messe mit Predigt statt, um den Angestellten dér groBen Mor- genzeitungen, die um 2 Uhr ihre Arbeit beenden, Gelegenheit zu geben, ihrer Sonntagspflicht zu genügen. In ahnlicher Weise wird an kirchlich gebotenen Feiertagen, die keine staatlich ge- setzlichen Feiertage sind, um 12,20 mittags eine hl. Messe ge- lesen, um den vielen in den umliegenden Hotels und groBen Geschaftsháusern angestellten Katholiken die Möglichkeit zu bieten, in dér Mittagspause ihre kirchliche Pflieht zu erfüllen. Ebeníalls wird an den Werktagen dér ganzen Fastenzeit um 12,20 eine hl. Messe gelesen, um den genannten Katholiken Gele­ genheit zu bieten, ihre besondere Andacht zu verrichten. Auch beteiligt sich die Provinz in ausgiebiger Weise an den Abhaltungen von Missionen und Exerzitien. Ungeíáhr zwölí Patres sind mit Ausnahme dér drei heiBen Sommermonate standig mit Volksmis- sionen beschaítigt und ebensoviele Patres haltén des Jahres öíters Exerzitien in den Klöstern ab. Die Provinz hat sich bisher fortwahrend in aufwarts be- wegender Linie entwickelt. Möge sie weiter wachsen und gedeihen! 158 DlE ELSASS-LOÍHRINGISCHEN FRANZISKANfiRKLöSTEÜ

Die elsaB-lothringischen Franziskanerklöster und die Thüringische Provinz. Von P. Livarius Ollger O. F. M. Ein Blatt aus dér jüngsten Geschichte dér ehrwürdigen Thuringia ist die vorübergehende Vereinigung dér elsaB-lothrin- gischen Klöster mit ihr (1899—1913), sowie dér schon etwas weiter zurückliegende Versuch dér Provinz, im EIsaB festen FuB zu fassen (1880—81). Es liegt auf dér Hand, daB über diese beiden Episoden noch keine eigentliche Geschichte ge- schrieben werden kann; doch soll im Folgenden ein überblick dér Hauptereignisse, vermischt mit persönlichen Erinnerungen gegeben werden, um so unsere Anteilnahme an dér vierten Jahr- hundertfeier des Bestehens dér Provinz zu bekunden. Seit dér französischen Revolution bis weit in die zweite Hálfte des 19. Jahrhunderts hinein waren allé Franziskaner­ klöster in den drei französischen Departements Ober-Rhein, Nieder-Rhein und Mosel, von 1871 bis 1918 als Reichsland ElsaB- Lothringen zusammengefaBt, verschwunden'). So gründlich hatte die Revolution aufgeraumt, daB es 60 Jahre bedurfte, bis selbst in Inner-Frankreich die ersten Franziskaner-Niederlassungen ge- gründet werden konnten (1850). Die östlichen Provinzen, gegen den Rhein hin, wurden dabei, als an dér Peripherie gelegen, nicht bedacht. So kam es, daB die ersten Versuche in dieser Gegend von deutschen Franziskanern ausgingen und zwar gerade von dér thüringischen Ordensprovinz. Nachdem dér Kulturkampí 1875 die Franziskaner aus ihren altén liebgewonnenen Heimstátten Fulda, Salmünster usw. ver- trieben hatte ^), lenkten (1876) einige ihre Schritte nach Ost- Frankreich und fanden zunachst ein Heim in Epinal (Vosges). P. Kustos Aloysius Lauer (dér spatere Ordensgeneral, 1897—1900) und P. Justin Hiltermann begaben sich zum Bischof von Saint- Dié, dér sie wohlwolleiid aufnahm und sie auf Epinal hinwies. Dórt stand auBerhalb dér Stadt eine alté (11. Jahrh.), einfache,

1) t)ber den vorrevolutioniiren Stand der Franziskanerklöster in ElsaB und Lotliringen vgl. meinen Aufsatz: Les couvents iranciscains d’Alsace et de Lorraine depuis le XVII^ siécle, in: La Francé Franciscaine V (1922) 307—27. 2) Folgendes beruht aul brieíliehen Mitteilungen des hochwiirdigen P. Provinzial P. Maximilian Brandys, Fulda, dem ich auch hier den verbind- lichsten Dank ausspreche. Vgl. auch das im Anhang abgedruckte Schriftstück. OLtGER 159 dem hl. Erzengel Michael geweihte Kapelle mit einer anstoBenden klemen Wohnung. Die Patres erwarben das Anwesen und er- ööneten 1876 am Fest dér Provinzpatronin, dér hl. Elisabeth von Thüringen, daselbst eine kleine Niederlassung. Diese war zwar íranziskanisch arm und namentlich sehr kiéin — mán hat sie das französische Rivotorto genannt —, aber die Patres waren glücklich, dórt eine Zufluchtsstátte gefunden zu habén. Sie wohnten und wirkten dórt bis 1880. P. Justin war dér erste Prases; auBerdem waren dórt P. Theophil Erb, P. Fidelis Kircher, P. Ignatius Klöpper und P. Norbert Röhrscheidt. lm Jahre 1879 kam dorthin auch P. Dionysius Schuler, nachdem er in dér Belgischen Provinz seine theologischen Studien vollendet und in Mecheln die Priesterweihe empíangen hatte. Die Patres ver- vollkommneten sich im Französischen und predigten selbst Volks- missionen, sie eríreuten sich überhaupt groBen Wohlwollens seitens dér Bevölkerung, kurz alles schien gut zu gehen. Die Gründung war eríolgt wáhrend die katholisclie Regierung in Frankreich am Ruder war (1871— 1877). Nachdem diese gestürzt worden, anderte sich die Lage und nur zu bald sollte auch in Frankreich dér Kampí gegen die Klöster entbrennen. Durch Dekret vöm 29. Márz 1880 wurden die nicht genehmigten Mannerklöster aufgehoben, die auslandischen Ordensleute des Landes verwiesen; doch verschob sich die Ausführung bis gegen Ende des Jahres. Als Auslander hatten die Epinaler Patres vor allén andern französischen Franziskanern die Éhre, zuerst die Harte des Gesetzes zu eríahren. Mán hatte zwar gehofít, daB mán dér besonderen Lage dér Patres als Flüchtlinge Rechnung tragen würde; doch erwies sich diese Hoffnung als trügerisch. Am 4. Október 1880 teilte dér Prafekt (Prasident) des Departements den deutschen Franziskanern den Ausweisungs- befehl mit. An einen Widerstand, wie ihn die meisten ihrer französischen Mitbrüder, die nur dér Gewalt wichen, leisteten ^), war nicht zu denken. Deshalb verlieBen sie am 6. Október 1880 die Statte ihrer vierjahrigen Wirksamkeit, umgeben von ihren Freunden. In welch gutem Andenken die Patres in Epinal standén, zeigt deutlich dér Bericht, den ein französischer Augen- zeuge über die Vertreibung schrieb und den w ir im Anhang abdrucken.

1) Vgl. darüber Les Franclscains et l ’exécution des Décrets du 29 Mars 188U, deuxiéme édition augméntée, Paris 1881, 154 S. In 80. 1 6Ó d ie ÉLSÁSS-LOTHRINGISCHÉN ÍRANZISKANERKLöSTER

In zwei Gruppén geteilt ‘), begaben sich die Patres und die zwei Laienbrüder Lorenz Hahner und Godehard auí verschie- denen Wegen nach StraBburg. P. Práses Justin und P. Dio­ nysius Schuler macliten zunaclist dem Biscliof von Saint-Dié den Abscliiedsbesuch. Dér Prálat fand liolie Worte dér Aner- kennung für die Tátigkeit dér Patres in seiner Diözese, insbe- sondere hob er hervor, wie das Volk ilire íranziskanisch ein- faclien Predigten hochschátzte und sagte ihnen zum ScliluB, daB die Patres in seinem Sprengel immer willkommen sein würden. Vielieiclit nocli liebevoller war dér Generalvikar Grosjean gegen die beiden Patres, denen er Herberge gab. Diese íuhren sodann mit dér Post über die Vogesen und kamen über Markircli und Sclilettstadt nacli StraBburg, wo die übrigen Mitbrüder tags zuvor eingetroffen und in einer Gastwirtscliaft abgestiegen waren. Die Patres suchten sicli zunáchst eine vorlaufige Woli- nung. P. Justin und P. Dionys fanden Aufnahme im Priester- seminar, P. Norbert und Br. Lorenz im Allerheiligen-Kloster dér Barmherzigen Schwestern, P. Fidelis und Br. Godehard im Kloster zum Guten Hirten, etwas auBerhalb dér damaligen Stadt. Warme Anteilnalime íanden die Flüchtlinge beim Generalvikar Stumpf, dem spáteren Nachfolger des Bischofs RaeB, und beim Professor Dr. Korúm, dér bald darauí Bischof von Trier wurde. Die nachste, • weit schwierigere Auígabe war, eine klöster- liclie Niederlassung zu gründen. Schon von Epinal aus war P. Justin, in Erwartung baldiger Ausweisung, mit StraBburg in diesem Sinne in Verbindung getreten, wobei ihn die kirchliche Behörde auí Bergholz-Zell im Ober-ElsaB auímerksam machte. Daseibst hatte dér heiligmaBige Pfarrer Doppler und seine íremmé . Schwester Katharina mit Hilíe Münchener Künstler in einem prachtigen Park die Leidensgeheimnisse in Stationen oder ein- zelnen Kapellen dargestellt und in dér Nahe dér ölbergskapelle eine Wohnung gebaut. Diese wollte Frl. Doppler — ihr geist- licher Brúder war unterdessen gestorben — unsern Patres über-

J) Das hier und im Folgenden über Bergholz-Zell Gesagte entnehme ich auBer den schon genannten Mitteílungen des P. Brandys einem ausführ- lichen Bericht, den Seine Erzbischöflichen Gnaden, Mgr. Dionysius Schuler, unter dem 19. Marz 1923 auf meine Bitien einsandten. Dér Bericht ist um so wertvoller, als Mgr. Schuler mit Recht sagen kann: quorum pars magna fui. Er ist übrigens der einzige tJberlebende der an jenen Ereignissen be- teiligten Franziskaner. Es sei ihm hier mein ehrerbietigster Dank ausgesprochen. ÖLlGER 16Í lassen. Es fehlte nur noch die staatliche Genehmigung. Dér leutselige, tiefglaubige Statthalter v. Manteuífel, dem die Patres ihre Bitté unterbreiteten, war dér Saclie gewogen, stellte nur die Bedingung, daB die kirchliclie Beliörde ein entsprechendes Gesuch einreiciie. Biscliof RaeB empfing zwar die Patres immer seiir íreundlicli, unterliefi es aber, die nötigen Scliritte zu tun — aus welchen Gründen ist niciit lílar ersichtlich. So zog sicli die Sache in die Lange. Ende Október bescliiossen die Patres, in ihre respektive Heimat zu gelien und dórt das Ergebnis dér Verliandlungen, mit denen P. Norbert betraut wurde, abzu- warten. Endlich wurde gegen Weiiinacbten 1880 Folgendes zwischen dér bischöílichen Behörde und dér Regierung ver- einbart: Die Gründung dér klösterlichen Niederlassung in Berg- holz-Zeli wird den Franziskanern gestattet; jedoch düríen diese 1. keine Seelsorge ausüben, nicht predigen und nicht Beicbt- hören, 2. kein Hocliamt singen! Trotz dieser niederschmetternden Bedingungen nahmen die Patres die Vereinbarung an, in dér Hoffnung, durch weitere Verhandlungen die odiösen Bescliránkungen beseitigen zu können. Sie bezogen alsó die Wohnung, die ibnen Fri. Doppler zűr Ver- íügung stellte, und richteten sich klösterlich ein. Dies geschah um die Wende des Jahres 1880. P. Dionysius traí erst nach Epiphanie 1881 ein. Sie hielten sich streng an die Vorschriften dér Regierung, sangen kein Amt, predigten nicht und hörten nicht Beicht. Nur Sonhtags sangen sie die Vesper, und in dér Prim wurde táglich das Martyrologium gesungen. Trotzdem erhielten sie bald ein Monitum von StraBburg wegen übertretung dér Regierungsvorschriften! Wahrscheinlich hatte ein prote- stantischer Beamter die gesungene Vesper für ein Hochamt gehalten! Oder hatte gar das Singen des Martyrologium die StraBburger Regierung beunruhigt? Die Patres wiesen beim Kreisdirektor in Gebweiler und £uch direkt bei dér Regierung in StraBburg die Anschuldigung zurück. Doch dauerte es nicht lange, bis ein zweites Monitum aus StraBburg eintraf .mit dem Verbot, öífentlich hl. Messe zu lesen! Zum Verstandnis dieser Plackereien muB beachtet werden, daB mán damals noch mitten im Kulturkampf stand. Das katho- lische elsássische Volk, das Bergholz-Zell gerne besuchte und die Patres hochschatzte, hatte kein Verstandnis für solche Ein- schrankungen des Gottesdienstes, und nicht selten kamen die Franzisk. Studien. 10. Jahrg. 3./4. Heft. 11 1 6 2 d ie ELSASS-LOTHRINGISCHEN FRANZISKANERKLöSTER

Patres, die sich auch in die neue Bestimmung íügten, in eine peinliclie Lage. AuBerdem begehrten viele Piarrer die Abhaltung von Volksmissionen. Ein letzter Versucli zur giitigen Regelung der Sache wurde Ende Február oder Aniang Marz gemacht, indem P. Justin und P. Dionys nochmals den Statthalter v. Manteuifel persönlich besuchten. Dieser empiing sie wie immer sehr freundlich, und man sah es ihm an, wie schwer es ilim wurde, den Patres eine absclilagige Antw ort zu geberi. Er zuckte die Achseln und sagte sichtlich ergriffen: „Solange die Gesetze in Deutschland bestehen, kann ich leider niclits tun. Gott behiite Sie!“ und damit entlieB er die Bittsteller. Alles weitere Zuwarten schien nun zweck- und aussichtsios. Die Patres waren zu völliger Un- tatigkeit verurteilt. Sie bericliteten an ihren Obern, P. Aloysius Lauer, der in Amerika residierte. Dieser schickte allen. die Obedienz fiir Amerika. P. Norbert erhielt spater die Obedienz iiir das Heilige Land, wo er lange segensreich wirkte und 1908 starb. Am Osterdienstag 1881 verlieBen die vier Patres und zwei Briider das Klösterlein in Bergliolz-Zell. Die PP. Justin, Fidelis und Dionys schifften sich am 18. Juni nach Amerika ein. Die beiden Briider gingen zunachst nach Bayern, kamen aber spater ebenialls in die Neue Welt. So hatte der kulturkampferisehe Geist der damaligen preuBi- schen Regierung — denn diese w ar in W irklichkeit in ElsaB- Lothringen maBgebend — die Griindung der Franziskaner im ElsaB hintertrieben. Hatten freilich die Patres geahnt, daB die Maigesetze bald abgebaut würden, so waren sie wohl inBergholz- Zell geblieben und wir standén heute vielleicht vor einer ganz anderen Entfaitung franziskanischen Lebens im Gebiete des damaligen Reichslandes ')•

Was den deutschen Patres nicht gegliickt, gelang merk- wiirdigerweise — in Anbetracht der politischen Verhaltnisse — einer französischen Ordensprovinz, die — 7 Jahre nach dem

1) Ais General des ganzen Ordens (1903—1911) lieC es sich P. Dionysius Schuler nicht nehmen, gelegentlich einer Durchreise Bergholz-Zell zu besuchen. Dort traf er noch die greise Magd des Frl. Doppler, Theresia Maier aus Thann, welqhe mit ihrer Herrin den Patres in Bergholz-Zell s. Z. viel Gutes getan hatte. ÓLIG ER 163 gescheiterten Versuch der Thuringia in Ober-Elsaü — in Metz festen FuB faBte Am 2. Dezember 1887 kam dér Baske P. Chrysostomus Urrutibéhéty, Provinzial dér Provinz S. Louis (Aquitanien) in Frankreich, nacii Metz zűr Verhandlung und besprach sicli namentlicii auch mit dem GroBindustriellen Báron Theod. de Gargan wegen Aufbringung eines Kapitals zwecks Erwerbes einer Wohnung resp. eines Bauplatzes für die Neugründung ^). Schon am 28. Januar 1888 kam nacli Metz P. Kallistus Albert, ein Lothringer, bislier Oberer in S. Brieuc in dér Bretagne, dér ebenso wie sein Freund, dér nachmalige Bischof von Vaga und Apostolischer Vikar von Ost-Schantung, Mgr. Casarius Schang ( t 1911), vor dem E intritt in unseren Orden Pfarrer in dér Diözese Metz gewesen war. In dér Stadt mietete er eine Woli- nung und ricbtete sie hauslich ein. Am 9. Mai darauf kam P. Gregor Stemmelen, ein Elsasser, von England herüber, zu- gieicli mit Br. Albert MiBlen. P. Gregor ward dér erste Obere. lm Jahre 1890 gesellte sich P. Engelbert Michels aus Hermeskeil im Trierisclien zii ihnen. Allé drei PP. geliörten dér franzö- sischen Provinz S. Louis an. P. Engelbert v^^ar allerdings einige Zeit vorher in die bayerische Ordensprovinz übergetreten. Die Provinz S. Louis (Aquitanien) war ibrerseits 1850 von dem heiligmaBigen Spanier P. Jós. Areso ( f 17. Február 1878) gegründet vs^orden^). Als namlich die Ordensleute in den poli- tischen und religiösen Wirren von 1834—35 aus Spanien flüchten muBten ^), kam P. Areso nach Frankreich und wirkte dórt baupt-

1) Über die Griindung des Metzer Klosters vgl. De novo conventu Metensi, in : Acta Minorum XI (1892) 60 íf.; A F V I (Quaracchi 1917) 59. 109 und die dórt angegebene Literatur. AuBerdem: Sendbote des hl. Franziskus, 23. Jahrg., Metz 1913, 213— 16. 237 IL ; Sendboten-Kalender 1913, 24— 29; Petite Correspondance (Metz) 1913, 89— 119.

2) Briefliche Mltteilung des P. Chrysostomus Urrutibéhéty, Rom, Í 6 . Ja­ nuar 1923. 3) Über P. Areso vgl. H. de Surrel de Saint - Julién, Le Pere Joseph Aréso, restaurateur des Franciscains de l’Observanoe, Montreuil-sur-

Mer 1892, V III— 312 SS. in 8 **; Othon de Pavie, L’Aquitaine Séraphique IV (Tournai 1907) 485ö .; D e rs ., Cínquanténaire de la Provinco St. Louis d’Anjou O. F. M. en Aquitaine, Bourges 1910. — P. Areso w ar als W eltpriester in das Ritirokloster Olite, Prov. Cantabrien, eingetreten, vs^elches sehr strenge Statuten hatte. In Spanien lebte er nie in einem anderen Kloster. ^) Vgl. P. Pius Gams, Die Kirchengeschichte von Spanien III 2, Re- gensburg 1879, 444 ff. — lm Jahre 1852 erschien in Spanien dér historische 11* 1 6 4 d ie ELSASS-LÖTHRINü ISCHEN FRANZISKANERKLÖSTER sachlich unter seinen Landsleuten. 1848 begab er sich ins Hl. Land. Dórt erreichte ihn schon 1849 dér Auftrag des General- Ministers Aloysius von Loreto, die Wiederherstellung dér Fran- ziskaner in Frankreich in die Hand zu nehmen. 1850 begann er das Werk, welches sich so rasch entwickelte, dai3 1860 die Provinz St. Ludwig kanonisch errichtet werden konnte. P. Areso war zugleicli Kommissar ,für das Hl. Land in Frankreich und hatte sp eine gute Einíührung. Chateaubriand, Marcellus und Poujoulat hatten in dér ersten Hálfte des 19. Jahrhunderts die Arbeiten und die Leiden dér Franziskaner im Hl. Land in ihren glánzend geschriebenen Werken verherrlicht und so den Boden vorbereitet. Vor mir liegt dér Aufruf zűr Gründung des Novi- ziates in Amiens, 1852, von Poujoulat unterzeichnet 0- Dem AusschuB gehörten erste katholische GröBen an, wie Montalem- bert, zwei Poujoulats, dér Orientalist Lenormant. Dieser Provinz alsó verdankt das álteste dér heute bestehenden Franziskaner- klöster in ElsaB-Lothringen seit dér Revolution seine Gründung. Durch P. Areso vv^ar das Metzer Kloster mit dér vorrevolutio- náren Ordenstradition Spaniens verbunden. Wunderbare Ver- kettungen oder, besser gesagt, Fügungen Gottes! Aus kleinen, sehr bescheidenen Anfangen entwickelte sich die Metzer Niederlassung sehr rasch, dank dem Unternehmungs- geist des ersten Obern, dank auch dér Hochherzigkeit vornehmer Wohltater. Wie das erste Franziskanerkloster in Metz, ge- gründet um 1228^), die vornehme Frau Odile de Belgré zűr Hauptstifterin hatte, so fand sich jetzt wiederum eine adelige Dame, Madame de Gargan ( f 1904), Gemahlin des eben ge- nannten Herrn Theod. de Gargan, welche die Mittel zu dér neuen Gründung zűr Verfügung stellte. Sie schenkte 100 000 Mk.,

Román: Las Ruinas de mi Convento, und im selben Jahre eine deutsche tJber- setzung von Loning: Die Ruinen meioes Klosters, 2 Teile, Münster, Theissing- sche Bucíihandlung, 1852. Dér Veríasse", dér sich als Franziskaner ausgibt, schiidert anschaulich die 1834—35 verübten Greuel, besonders soweit sie Barcelona betreffen. Es ist noch. nicht entschieden, ob dér spanische Schrift- steller Fernando P atxot, unter dessen „Obras" dér Román in Spanien jetzt gewöhniicli erscheint, z. B. Barcelona 1899, oder aber dér ehemalige Pro- vínzial von Katalonien und schriftstellerisch tatige P. Ramon Buldíi 0. F. M. dér wirkliche Verfasser ist. 1) Fondation d’un Noviciat de Franciscains en Francé, Amiens 1852,

15 SS. in 8 ». 2) Vgl. Sendboten-Kalender, Metz 1913, 17 lí. O L IG E R 165 womit ein Háuserkomplex in dér MarchantstraBe hinter dér Kirche St. Segolena erworben wurde *). Ein grofies Gebaude, das bisher als Madchenpensionat gedient hatte, wurde abgebroctien, um den Bauplatz íür die Klosterkirche zu gewinnen. Diese, niclit allzu groB, in einíachem romanischen Stil erbaut, konnte schon am 7. Dezember 1891 durcli Bischoí Fleck (f 1899) eingesegnet werden. Waren noch die ersten Schüler, die sich seit 1889 bereits meldeten, in das seraphische Kolleg geschickt worden, das die Mutterprovinz in England hatte, so nahm P. Gregor seit 1890 solche im Metzer Kloster auí und scliickte sie an die Dom- scliule. Ebeníalls 1890 wurde die Monatszeitschriít Sendbote des 111. Franziskus íür die Mitglieder des Dritten Ordens gegründet^). Obgleicii aníangs stellenweise in sehr holprigem Deutsch geschrieben, warb diese Zeitschrift sehr íür die Franzis- kaner in ElsaB-Lothringen; heute erscheint sie in ihrem 33. Jahr- gang. Keine dér beiden deutschen Ordensprovinzen hatte da- mais etwas Ahnliches! Dazu kam baid ein jáhrlicher Volks- kalender, dér gegenwartig in einer Auílage von 25000 Exem- plaren erscheint. Ohne die opíerfreudige Mitwirkung des guten elsaB-lothringischen Volkes wáre die rasche Entwicklung des neuen Klosters nicht mögiich gewesen, namentiich da es aus politischen Rücksichten 1891 vöm Verband dér Mutterprovinz losgelöst werden muBte und nun ganz auf sich selbst ange- wiesen war. Die ersten Novizen aus den seraphischen Koliegien dér Mutterprovinz in England (Clevedon) und in Frankreich (Bor­ deaux), aus dem Kolleg in Metz, z. T. aus den Knabenseminarien zu Montigny bei Metz und zu Bitsch, sowie aus dér apostoli- schen Schule dér íranzösischen Jesuiten, wurden 1891— 1895

1) Vgl. den Nachruí, den dér Sendbote des hl. Franziskus, 14. Jahrg., 1904, 75— 78, dér edlen Dame und Terziarin des hl. Franziskus widmete. Danach L ’Oriente Serafico, 16, S. M aria degli A ngeli (Assisi) 1904, 139— 44. — Dér zweitnachste groBe Wohltater war Herr Louis Daubrée (f 1910), dér sein an das Kloster stoBendes groBes Haus mit Garten den Patres testamentarisch hinterlieB. Eine dritte groBe Wohltaterin war und ist z. Zt. noch die Vicom­ tesse du Coetlosquet. 2) Seit 1899 erschien auch die „Petite Correspondance" íür die íran- zöslsch sprechenden Terziaren, ging aber bei Ausbruch des Weltkrieges ein, um erst nach demselben in veranderter Form und mit dér „Vie franciscaine“ vereinigt wieder aufzuleben. 166 DIE ELSASS-LOTHRINGISCHEN FRANZISKANERKLÖSTER im Noviziat dér Provinz Saxonia, damals zu Harreveld in dér hollandisclien Provinz Geldern, untergebracht; 1896 wurde in Metz selbst ein Noviziat eröffnet. Auch für die höheren Studien wurde, so gut es ging, ge- sorgt. In dieser Hinsicht hat sich P. Engelbert Michels groBe Verdienste erworben. Mit reichem und vielseitigem Wissen aus- gestattet und von einer staunensvv'erten Belesenheit, dozierte er nicht nur so ziemlich allé Fácher, sondern er verstand es auch, die jungen Kleriker für alles Gute und Edle zu begeistern, ihnen namentlich eine groBe Liebe für die hl. Kirche einzu- flöBen, sovi^ie endlich die wissenschaftlich Strebsameren zum Weiterstudium tatkraftig anzuspornen. lm Sommer 1895, vöm 16. bis 22. Juli, beehrte dér Ordens- general, P. Aloysius Canali von Parma, begleitet von dem nach- maligen Erzbischof von Urbino, P. Joh. M. Santarelli ( f 1908), das Metzer Kloster m it seinem Besuche. Er schien m it dessen Zustand sehr zufrieden zu sein und nahm einige Ernennungen vor. P. Gregor Stemmelen wurde zum Guardian und General- kommissar ernannt, w'as er de facto bisher schon war; P. Kal- listus Albert ward zum Vikar, P. Engelbert Michels zum Lector generalis bestellt. Gegen Ende des Jahrhunderts schienen allé Bedingungen einer gesunden und raschen W eiterentwicklung gegeben zu sein. Die drei Patres hatten in den 10 Jahren ihrer W irksam keit GroBes geleistet: P. Gregor als Verwalter und Organisator, P. Kallistus als Volksmissionar, P. Engelbert als Lektor und Beförderer höherer, wissensehaftlicher Bestrebungen. Die jungen Leute wuchsen hoffnungsvoll heran. Da traten zwei Ereignisse ein, welche für die Metzer Niederlassung von grolSer Tragweite werden sollten: die Union dér verschiedenen Ordenszweige (am 4. Október 1897) und die hartnackige Weigerung dér StraBburger Regierung, den Eranziskanern weitere Niederlassungenzu gestatten. Durch die Union von 1897, im Metzer Kloster mit groBem Jubel aufgenommen, wurden die Schranken zwischen Obser- vanten (Metz) und Rekollekten (Saxonia, Thuringia), Refor- maten und Alkantarinern niedergerissen, sodaB Provinzen bisher verschiedener Ordenszweige zusammengelegt oder abgerundet werden konnten. Dazu kam das Verhalten dér elsaB-lothrin- gischen Regierung. Dem Metzer Kloster waren nur 12 Ordens- leute offiziell zugestanden, die tatsachliche Zahl war aber viel O L IG E R 167 höher, abgesehen von dem seraphischen Kolleg. Das damals raumlich noch sehr beschrankte Kloster koirnte die Leute bei- nahe nicht mehr fassen, und es muBte auch für die Zukunft gesorgt werden. P. Gregor lenkte sein Augenmerk naturgemáB auf das ElsaB. Er erwarb 1898 ein ehemaliges Mádchen- pensionat in Lutterbach bei Mülhausen, welches den Schwestern von Portieux gehörte, baute es dér neuen Bestimmung ent- sprechend um, und wohnte auch zeitweilig dórt. Alléin die Regierung in StraBburg vi'ollte nichts davon wissen und ver- weigerte hartnackig die Genehmigung. Welche EinMsse, auBer dem antikatholischen Instinkt dér damaligen elsaB-lothringischen Regierung, in dér Sache mitspielten, kann hier nicht erörtert werden. Die Sache zog sich hinaus bis Ju li 1906. Dér letzte Prases war P. Wenzeslaus Kinold, Prov. Thuringia, heute Apostolischer Prafekt in Sapporo, Japan. Dér MiBerfolg des Lutterbacher Unternehmens in einem kritischen Zeitpunkt dér Metzer Gründung erzeugte naturgemaB ein gewisses MiBbehagen. Dér bisher so hoíínungsvolle Aus- blick in die Zukunft schien plötzlich verdunkelt. Da griff die oberste Ordensleitung ein. Generalminister P. Aloysius Lauer schickte im Frühjahr 1899 den damaligen Provinzial dér Thu- ripgia, den eben öfters genannten P. Dionysius Schuler, als Visitator nach Metz. Vöm 13. bis 17. Mai weilte P. Schuler im dortigen Kloster. Aus seinen privátén AuBerungen war schon zu vernehmen, daB eine Vereinigung des Metzer Kommissariates mit einer deutschen Provinz geplant war. Am 27. Juli konnte uns P. Magister Kallistus mitteilen, daB er auBeramtlich er- fahren habé, wir seien mit dér Thüriiigischen Provinz zűr hl. Elisabeth vereinigt. Kurz darauf, am 3. August, verlas Schreiber dieses beim Mittagstisch das Dekret des Generals P. Aloysius Lauer, Rom 14. Ju li 1899, wodurch die Kloster Metz und Lutterbach mit dér Thuringia vereinigt wurden. Dér lángén Isolierung müde, freuten sich die meisten über diesen energischen Schritt; doch schienen sich nicht allé über die ganze Tragweite des Dekretes soíort Rechenschaít zu geben. Das Personal des Metzer Kommissariates unifaBte bei dér Vereinigung 5 Priester, 12 Klériker, 10 Klerikernovizen, 4 Laien- brüder, im ganzen 31 Ordensleute 0 nebst einigen Kandidaten

1) Nach einer Aufstellung, welche das Metzer Kloster damals an das Provinzialat einsandte, im Provinzarchiv zu Fulda. 1 6 8 d ie ELSASS-LOTHRINGISCHEN FRANZISKANERKLÖSTER und dem seraphischen Kolleg. Vöm 15. bis 18. August 1899 weilte P. Provinzial Dionysius Schuler in Begleitung des P. Da- masus Fuchs in Metz, um sich über die Verhaltnisse nálier zu orientieren. Endlich am 5. September wurden die Personal- veranderungen, wie sie vöm Provinz-Definitorium getroífen waren, verkündigt: In Metz: P. Kallistus Guardian; P. Engel- bert, Vikar und Lektor; P. Franz Steiner, Magister Clericorum; P. Maternus Rederstorff, Lektor und Bibliothekar; P. Gregor, Prases in Lutterbach. Das seraphlsche Kolleg zu Metz wurde mit jenem der Provinz (zu Watersleyde in Holland) vereinigt, die zehn Klerikernovizen nach Ablegung ihrer Geliibde in Metz (10. Október) auf die ihren Studien entsprechenden Klassen in den Studienhausern der Provinz (Gorheim und Salmünster) verteilt. Nur das Theologiestudium verblieb einstweilen in Metz; der einzige Kleriker, der noch im Philosophiestudium stand, Fr. Bonaventura Trimolé, reiste ais erster am 9. Sep­ tember nach Salmünster, um dortselbst seinen Philosophiekursus zu vollenden. Dorthin w^urde auch der Laienbruder EmilStemmer versetzt ( f 1902). Von der Provinz kamen um dieselbe Zeit zwei Brüder nach Metz. Vöm 13. bis 16. Marz 1900 vs^eilte P. Provinzial vs^ieder in unserer Mitte, sichtlich zufrieden. Vöm 17. Márz bis 3. April desselben Jahres predigten fünf Patres aus dér Provinz in Metz zwei Volksmissionen, namlich PP. Lam- bertus Boerger, Pazifikus Wehner und Raphael Hüfner in St. Vinzenz, PP. Dominikus Weber und Ignatius Schroeder in St. Simon. Mit Bewunderung hörten wir jungen Leute den gut disponierten, logisch durchdachten und fein vorgetragenen Pre­ digten zu. Es w ar oífenbar etwas anderes als die damalige durchschnittliche einheimische deutsche Beredsamkeit. Allmáhlich reiften im Metzer Kloster die Jungen Krafte heran. 1900 Xvurden drei, 1901 vier, 1902 drei K leriker zu Priestern geweiht, und damit vs^ar die Möglichkeit zu Versetzungen und somit zu innigerer Verschmelzung mit dér Provinz gegeben. Demselben Zvi^ecke diente auch die Wahl des P. Kallistus zum Definitor der Provinz 1900; als dieser auf dér Kongregation von 1902 abdankte, wurde P. Engelbert sein Nachfolger, dér das Amt bis zum Kapitel 1903 begleitete. Um ein Bild zu geben von dér gegenseitigen Durchdringung, stelle ich hier nach den Kapitelstafeln, Schematismen und privátén Quellen zwei Listen auf, geordnet nach dér Prazedenz dér betreffenden Patres. ÓLIG ER 109

Patres aus dem Metzer Kommlssariat, die In den Klöstern der heutigen Thuringia wirkten: 1. P. Maternus R ederstorff, Lektor der Pliilosophie in Gor- heim (Sigmarlngen), 24. Mai 1901—9. September 1906. 2. P. LivariusOliger, in Fulda 9. September 1901—14. April 1903 Stationar, 1902 kurze Zeit Lektor der Kircliengeschichte, der Patrologie und des Hebraischen, 1902—03 Bibliothekar. 3. P. LeonardWiszniewski, in Salmtinster 9. September 1901 —Marz 1905 Stationar und Magister Cierio.; in Ottbergen Marz 1905—September 1906 Submagister Nov. und Magister der Laienbriider; in Fulda September 1906—1908 Stationar, 7 Monate in Schlesien zur Vervollkommnung im Polnischen, 1908 einige Monate Vikar. Október 1909—April 1911 Guardian in Fulda. 4. P. Bernardin Bender, im Kolleg zu Watersleyde September 1901—1905 Prafekt. 1906—1908 Ökonom. 5. P. Konrad Gury, in Fulda 4. Juni 1902—9. Januar 1903 Stationar und Privatsekretar des hochw. P. Provinzial. 6. P. Ludwig Marchal, in Marienthal 1905—1908 Stationar und Magister der Laienbriider. 7. P. Pazifikus Bolzinger, in Fulda 1902—03 Stationar und Organist; 1905 in Salmtinster Stationar. 8. P. Felix Lieber, in Bornhofen Február 1908—September 1909 Stationar und Organisator des III. Ordens. Berichte iiber seine Tatig- keit im Sendboten des hl. Franziskus, 18. Jahrg. 1908. 9. P.MichaeiBihl,inFuldaHerbstJ903—Friihjahr 1907Stationar, 1905—07 Provinzchronist, 1906—07 Lektor der Kirchengesehichte. Ver- öffentlichte: Geschichte des Franziskanerklosters Frauenberg zu Fulda, Fulda 1907, SS. X-252 in 8». — Geschichte des Franziskanergymna- siums zu Tauberbischofsheim, in: Seraphisches St.-Josephs-Kolleg zu Watersleyde (Holland). Jahresbericht fiir das Schuljahr 1906—07, Fulda 1907, 1—24. — Das Griindungsjahr der ersten Niederlassung der Franziskaner in Fulda, in: Fuldaer Geschichtsblatter IV (1905) 30ff. — Pfarrer Eduard Henkel, ein Erforscher der Lokalgeschichte Dermbachs und der Umgebung (f 1892), ebd. V (1906) 43 if. und in der folgenden Nummer. — Chronica Conventus Ordinis Fratrum Minorum ad S. Elisa- beth prope Isenacum, ais Anhang B, S. 167—177, zu Jos. Kremer, Beitrage zur Geschichte der klösterlichen Niederlassungen Eisenachs im Mittelalter, Fulda 1905. 10. P. Bonaventura Trimolé, in Gorheim 1905—1911 Lektor der Philosophie, 1908—09 Bibliothekar; in Salmiinster 1911—1913 Lektor derPhilosophie, auBerdem 1909—1912 Magister Cler. in beiden Klöstern. Blieb auch nach der Trennung, 6. Juni 1913 bis zum SchluB des Schul- jahres August 1913, in seiner Lehrtatigkeit. Die Provinzleitung stellte 1 7 0 DIE ELSASS-LOTHRINGISCHEN FRANZISKANERKLÖSTER

ihm, Fulda 25. Juni 1914, ein glanzendes Zeugnís aus über seine Tatig- keit in dér Provinz vöm 5. Október 1905 bis 8. August 1913, unterschrie- ''ben von dem ganzen Provinz-Definitorium. 11. P.Andreas Boeglin, in Fulda 1906—08 Stationar und zweiter Bibliotliekar; in Ottbergen 1908—09 Stationar und Bibiiothekar; in Gorheim 1909—11 Stationar ( f 1912). 12. P. Caesarius Stern, in Fulda 1904—05; in Bornhofen 1905 Stationar. Reiste am 20. August 1905 als Missionar nach China ab, wo er jetzt noch in Ost-Schantung segensreich wirkt. 13. P. Paulus Wolfersperger, in Gorheim 5. Október 1904— 7. April 19Í2; Lektor dér Kirchengeschichte, Patrologie und Geschichte dér Philosophie 1904—08, ebenso Magister Cler. und Bibiiothekar; Volksmissionar und Exerzitienprediger 1908—12; Direktor des Dritten Ordens 1905—09. War Referent bei den beiden Homiletisehen Kursen in Fulda: 1911 über: Die ewigen Wahrheiten in dér Mission, gedruckt. 1912 über: Eröffnung und SchluB dér Mission, gedruckt in: Zw'eiter homiletischer Kurs íür Volksmissionen, Kloster Frauenberg, Fulda, 17. bis 22. Juni 1912 (Fulda 1912) 59-80. - Gedruckt sind ferner: An- sprachen und Reden gelegentlich dér III. Stuttgarter Manner-Wallfahrt ins Weggental bei Rottenburg am 7. Mai 1911, Rottenburg 1911. — Ein Bericht über den Dritten Orden, niedergeschrieben in dér Hauschronik von Gorheim. 14. P. Augustin Uhrland, in Fulda 1906—09; in Ottbergen 1909—11; in Marienthal 1911—13 Stationar. Verblieb auch nach 1913 in dér Thuringia. 15. P. Klemens Bettenburg, in Fulda 1905—06; in Marienthal 1906—1911 Stationar; in Kelkheim 1911—13 Kuratus in Hornau. 16. P. Joseph Erny, in Watersleyde 1905—08 Prafekt. 17. P. Laurentius Meyer, in Ottbergen 1908-Marz 1910 Stationar ( t 1922). 18. P. Didakus Schmitt, in Ottbergen 1905—06 Stationar. 19. Heinrich Diehly, in Fulda 1908—09, in Bornhofen 1909—11, in Ottbergen 1911—13 Stationar; in Bornhofen auch Bibiiothekar. 20. P. B e d a F e i d t , in Fulda 1910—12, in Bornhofen 1912 Stationar. 21. P. Kari Perrin, in Fulda 1911—12, in Ottbergen 1912—13 Stationar.

Patres der heutigen Thuringia, die In den Klöstern des jetzigen elsafi-lothringischen Kommissariates gewirkt habén: 1. P. Franziskus Walsh, in Metz 2. Juni—August 1902 Lektor dér Philosophie. 2. P. Kilián Menz, in Metz 2. Juni—20. September 1902 Ma­ gister Cler. und Bibiiothekar. O L IG E R 171

3. P. Raphael Hüfner, inLubelnl905—OBPrases; inM etz 1906— 09 Vikar, Domprediger, Magister Cler. 4. P. Wenzeslaus Kinold, in Lutterbach 1905—06 Prases. 5. P. Eduard Fuhrmann, in Metz 1905—06 Vikar; in Lubeln 1906—08 Missionar, Direktor dér Demeriten-Priester. 6. P. Innozenz Hartung, in Lubeln 1908—09 Stationar und Bibliothekar; in Metz 1909—11 Stationar und Bibliothekar. 7. P. Augustin Weimar, in Lubeln 1908—09 Missionar. 8. P. Hieronymus Günther, in Lubeln 1909—11 Stationar und Bibliothekar. 9. P. Remigius Schulte,in Lubeln 1909—11 Missionar; in Metz 1911—12 Missionar und Magister Laie. 10. P. Fridolin Schumacher, in Metz 1905—06 Magister Cler. und Domprediger. 11. P. Iv ó Trausclieidt, in Metz 1911—13 Stationar, "Kuratus in Hagendingen.

Wle aus obigen Listen zu ersehen ist, konnte Metz eine bedeutende Anzahl junger Patres der Provinz zűr Verfügung stellen; die meisten derselben hatten allerdings erst wáhrend dér Vereinigung ihre volle Ausbildung und die Priesterweihe er- halten. Andererseits schickte auch die Provinz eine Reihe tüchti- ger Patres nach Metz und Lubeln. Zahlreicher als die Patres waren die Laienbrüder aus dér Thuringia in den elsaB-lothrin- gischen Klöstern tatig, da es an einheimischen Kraften vorerst beinahe ganz fehlte. Diese Brüder viharén durchschnittlich sehr zufrieden, und eine Reihe von ihnen blieb auch nach dér Tren- nung von 1913 leihweise in Elsafi-Lothringen, bis dér Krieg und dér FriedensschluB auch sie in die Mutterprovinz zurückführte. In Obigem ist dér Entvv^ickelung insofern vorausgegriífen, als. dér Neugründungen in ElsaB-Lothringen noch nicht ge- dacht wurde. Durch diese hat sich die Provinzleitung ein bleibendes Verdienst erworben. Lutterbach wurde allerdings, wie schon gemeldet, 1906 deíinitiv aufgegeben. Von 1898 bis 1906 schwankte mán zwischen Hoffen und Bangen, je nachdem die Regierungsmanner in StraS- burg gute oder schlechte Witterung machten. Auf die Dauer war aber eine so unsichere Rechtslage nicht zu ertragen; des- halb gab die Provinzleitung nach allén vergeblichen Schritten die Gründung auí. Das Haus ví^urde an die Schwestern von Baronw^eiler (Bellemagny) Juli 1906 verkauft. Die Scharte 1 7 2 DIE ELSASS-LOTHRINGISCHEN FRANZISKANERKLÖSTER wurde 1921 durch die Gründung von Burtzweiler, noch naher bei Mülhausen, wieder ausgewetzt. In dem Dorfe L u b e ln , bei St. Avold in Lothringen*), be- íand sich bis zűr französischen Revolution eine berühmte Abtei zum hl. Martinus. Vöm Vater des hl. Arnulí, des nachmaligen Bischofs von Metz, dem hl. Bodegisel gegen Ende des 6. Jahrh. (c. 587) an dér altén RömerstraBe Metz-Mainz gegründet, galt diese Abtei als das álteste Mannerkloster dér Diözese Metz. Nach ununterbrochenem 1200jáhrigen Bestande wurde dem Klosterleben daselbst durch die französische Revolution ein Ende bereitet. Nach mehr als hundertjáhriger Unterbrechung, am 28. Márz des Jahres 1905, zogen die Franziskaner an Stelle dér Söhne des hl. Benedikt dórt ein. Am íolgenden 7. Mai w-urde die neu eingerichtete Hauskapelle benediziert. Bald darauí, am 18. August desselben Jahres, beehrte dér ehemalige Provinzial und nunmehrige General des Ordens, P. Dionysius Schuler, die neue Niederlassung mit seinem Besuche auí dér Durchreise zűr Visitation dér Belgischen Provinz. Mit diesem Kloster ist ein Priesterheim verbunden, was die Genehmigung von dér Regierung erleichterte. Nach Gutenbrunnen, einem seit zwei Jahrhunderten viel besuchten, in einer Waldlichtung bei Píalzburg (Lothr.), gelegenen Wallfahrtsort, kamen die Franziskaner am 14. Márz 1908, eingeführt von P. Provinzial M aximilian Brandys. Diese Gründung war am 8. Márz von dér Regierung als Annex des Metzer Klosters genehmigt w^orden. Die dritte und letzte Grün­ dung dér Provinz in ElsaB-Lothringen ist Hohatzenheim, Landkreis StraBburg, wo gleichfalls eine alté Muttergottes- Wallfahrt bestand. Diese Gründung erfolgte im November 1909 und ist die erste Franziskanerniederlassung, die im ElsaB seit dér französischen Revolution gelang. Ein Páter ist zu- gleich Vikar dér Pfarrei Wingersheim, in deren Gebiet dér Wallfahrtsort Hohatzenheim liegt. Die Gründungen in Lubeln und Gutenbrunnen erfolgten unter dem Provinzial P. Maximilian Brandys, Hohatzenheim

1) Vgl. darüber Jahresbericht dér thüringisohen Franziskaner-Provinz 1911, Fulda 1912, 56. Daselbst auch ein Bericht über das Kloster in Metz, 21— 25; über Gutenbrunnen 56— 61; über Hohatzenheim 62— 64. In den ío l­ genden Darlegungen ist manches den brieflichen Mitteilungen des hochw. P. Maximilian Brandys entnommen. O L IG E R 173

unter Provinzial P. Saturnin Goer. Beide hielten auch je ein Provinz - Deíinitorium ab im Kloster zu Metz, ersterer vöm 24. bis 26. A p ril 1906, letzterer vöm 23. bis 25. Október 1911. Endlich sei noch des D u b le tte n -A u s ta u s c h e s zvi'ischen einzelnen Klöstern dér Provinz und dér Bibliothek des Metzer Klosters gedacht')- Letztere war hauptsachlich durch Schen- kungen elsaB-lothringischer Geistlichen entstanden und war 1899 noch nicht bedeutend, wenn auch mit Liebe und Sorg- falt gepflegt. Es fehlten hauptsachlich altere und überhaupt gute deutsche Werke. Diese Lücke wurde einigermafien aus- gefüllt durch eine bedeutende Anzahl von guten Bánden, welche P. Engelbert Michels und P. Maternus Rederstorff bei ihrer ersten Reise nach Fulda (im Sommer 1899) aus den Dubletten- bestanden dér dortigen hervorragenden Klosterbibliothek aus- wahlten. Es kamen so nach Metz 21 Bande Skripturistik, 16 Bande Patristik, 28 Dogmatik, 83 Morál, 22 kan. Recht,. 21 Apologetik, 31 Kirchengeschichte, 8 Homiletik, 6 Aszetik, 5 Liturgie, 3 Philosophie, auBerdem eine Anzahl Bande Belle- . tristik und einzelne Jahrgange von Zeitschriften (Katholik), im ganzen vizeit über 200 Bande. Dafür sandte das Metzer Kloster eine gute Auswahl meist französischer Druckerzeug- nisse nach Fulda, wie M ig n e , Cursus Script. Sac., 28 Bande; Cursus TheoL, 28 Bande; G odescard, Vie des Saints, 13 Bande; und einzelne französische Moralisten, Dogmatiker und Histo- riker. Dem seraphischen Kolleg in Watersleyde überlieB das Metzer Kloster eine groBe Anzahl lateinischer und griechischer Klassikerausgaben. Im Jahre 1900 erhielt die Metzer Kloster­ bibliothek etwa 70 Bande, meistens kleinerer Werke von den Dubletten des Klosters Bornhoíen. Hingegen kamen bei dér Auflösung von Lutterbach (1906) die dórt seit 1898 angesam- melten Bestande in ein Provinzkloster. So ergab sich auch auí dem Gebiete des Bibliothekswesens ein schöner Ausgleich, zum Vorteil beider Teile.

Die gedeihliche Entwickelung dér altén und neugegründeten Kloster in ElsaB-Lothringen, die meist von einheimischen Patres besetzt waren, sowie andrerseits einige praktische Schwierig-

1) Nach dér Chronik dér Metzer Klosterbibliothek, welche Schrelber dieses damals führte. Die Exzerpte daraus von Fr. Andreas Dier, Metz, mitgeteilt. 1 7 4 DIE ELSASS-LOTHRINGISCHEN FRANZISKANERKLÖSTER keiten, die sich neben unverkennbaren Vorzügen aus dér Ver- bindung mit dér Tliuringia ergaben, liel3en allmahlich den Ge- danken einer Verselbstandigung dieser Klöster wieder auf- kommen. Zwei Unzutraglichkeiten, die Spraclien- und die Rekrutierungsfrage, waren ernster Natúr. In Metz und einem bedeutenden Teile Lothringens war auch damals, unter deutscher Herrscliaft, das Französische die einlieimisclie Sprache. Wollten unsere Patres also nicht einen bedeütenden TeiI ilires Wir- kungsfeldes verlieren, so muBten sie das Französische niclit nur irgendwie, sondern vollauf beherrsclien. Das war aber bei dér Ausbildung dér jungen Leute in dér deutschen Provinz nicht allgemein zu erreichen, auch beim besten Willen nicht. Die zweite Schwierigkeit war nicht geringer. Dér Andrang von einheimischen Berufen hatte seit 1899 sehr nachgelassen, besonders nachdem mán das seraphische Kolleg in Metz aufge- geben hatte und die Schüler nach Watersleyde überíührt waren. Zwar erstand das Kolleg in Metz 1904 wieder, aber die einmal vorhandene Lücke war nicht mehr auszulüllen, und auch so war keine Garantie gegeben, daB die zukünítigen Religiosen im eigenen Lande wirken konnten. Diese schweren Bedenken, welche die Entwickelungs- möglichkeiten des Ordens in ElsaB-Lothringen betrafen, wurden von dér Provinzleitung vollauf gewürdigt, und so kam eine friedliche und brüderliche Scheidung zustande. Die Sache wurde auí dem Provinzkapitel zu Fulda, September 1912, verhandelt und das Kapitel befürwortete einstimmig die Tren- nung'). Und da das Kloster Metz am 19. Október 1912 noch eine besondere Eingabe an die General-Kurie in Rom machte, so veríügte P. General Pazifikus Monza die Vereinigung dér elsaB-lothringischen Klöster zu einem selbstandigen Provinzial- Kommissariat. Das Dekret ist datiert vöm 13. Mai 1913®). P. Provinzial Saturnin Goer wurde mit dér Ausführung betraut. Dies geschah zu Metz am 9. Juni 1913. Erster Kom- missar wurde dér wegen seiner Milde und Güte allgemein beliebte und hochgeschatzte P. Franziskus Steiner, 1913—1919. Sein Nachíolger ist dér hervorragende Kanzelredner P. Paulus Wolfersperger.

1) So das gleich zu nennende Dekret des Generalininisters. 2) Vgl. Jahresbericht . . . 1913, Fulda 1914, 5. 3) Veröífentlicht in Acta Ordinis Fratrum Minorum XXXII (1913) 182 f. O L IG E R 175

Die erste Kapitelstaíel weist die Klöster Metz und Lubeln, sowie die Residenzen Gutenbrunnen und Hohatzenheim auf. Nach dem Kriege kamen hinzu: Schlettstadt (Unter-ElsaB) 1920, und Burtzweiler-Mülliausen (Ober-ElsaB) 1921. Ferner versieht das Kommissariat die Kirche Loreto in Lugano (Schweiz) und erliait dieses Jahr eine Niederlassung in Esch a. d. Alzette im Industriegebiet des GroBherzogtums Luxemburg. Was das Personal anbelangt, so ergaben sich bei dér Trennung 1913: 30 Patres, wovon einer in dér Provinz ver- blieb, fünf weitere im Ausland wirkten, so daB das Kommissariat praktisch mit 24 Patres begann. Da es damals selír an ein- heimischen Laienbrüdern fehlte, blieben dem Dekret gemal5, wie oben bereits erwalint, melirere Brüder aus dér Provinz bis zum Ende des Weltkrieges in den elsaB-lotliringischen Klöstern zurück. Im ganzen wurden abgetrennt: 29 Patres, 7 Kleriker, 13 Laienbrüder, in Summa 49 Mann. Wenn mán bedenkt, daB die Metzer Gründung 1899 31 Mitglieder besaB*), so ist dér Fortschritt in dieser Bezieliung nicht gewaltig. Schon jetzt (Aníang 1923) ist die Mitgliederzahl, trotz dér Verluste des Weltkrieges, auf beinahe 100 hinaufgeschnelit, dér beste Be- weis, daB die Trennung im Ordensinteresse lag. Die Entwicke- lung dér poiitischen und internationalen Verhaltnisse nach dem Weltkriege liat zudem gezeigt, daB die Lösung dér Vereinigung mit dér Tliuringia im rechten Augenblick eríolgt war. Sie wáre jedeníalls nach dem Kriege unvermeidlich geworden. Trotz alledem sind die Vorteile, welche dem Kommissariat aus dér 14jahrigen Verbindung mit dér Thuringia erwuchsen, nicht gering anzuschlagen. Die Provinz hali dér Metzer Grün­ dung über einen toten Punkt hinaus. Rasch aufeinander folg- ten drei Neugründungen. Die meisten elsaB-lothringischen Patres, von den Obern und den Mitbrüdern m it groBem Wohl- vi^ollen und zuvorkommender Liebe behandelt, fühlten sich wohl in dér Provinz und erivarben sich dauernde Sympathien. Auígewachsen in dér etw^as engen, um nicht zu sagen rigo- ristischen Tradition, wie sie P. Areso aus seinem spanischen Ritirokloster Olite nach Frankreich gebracht hatte, lernten sie nun, wie bei geringerer auBerer Strenge eine vorzügliche Ordens- disziplin möglich ist. Auch die Einführung in das sorgfaltig

’) Nach einer anderen Angabe AF VI 59 sogar 35. 1 7 6 ÖIE ELSÁSS-LÓTHRÍNGÍSCHEN FRANZISKANERKLÖSTÉR ausgebaute System dér inneren Mission dér Thuringia und díe Schulung dér jüngeren Patres unter álteren tüchtigen Missio- naren erwiesen sich von anhaltendem Nutzen. Nicht unerwáhnt soll bleiben, daB die Provinz drei junge Patres aus Metz im Kolleg S. Antonio zu Rom wissenschaftlich ausbilden lieB. Für all das und so manches andere sind wir dér alma Thuringia wirk- lichen Dank schuldig und werden ihr stets verbunden bleiben.

Anhang. Bericht über die Vertreibung dér thiiringischen Fran- ziskaner aus Epinal am 6. Október 1880, in: Les Franciscains et rexécution des Décrets du 29 mars 1880, 2» éd„ Paris 1881, 138. Epinal, 6 octobre <1880>. — Déjá avant notre couvent de Béziers, d’autres Religieux de notre Ordre avaient eu l’honneur de la persé- cution officielle. Chez les FF. Récollets réíugiés á Epinal depuis leur expulsion d’Allemagne, rexécution des Décrets du 29 mars recommen- 9ait le 6 octobre. Voici une lettre qui nous donne quelques détails sur cette exécution: „C’est le jour méme de la Saint-Franpois, le 4 octobre, aprés le salut solennel donné chez nos Peres, que M. le Fréfet leur a envoyé l’ordre formel de leur expulsion hors du territoire írangais, parce qu’ils étaient de nationalité étrangére. On avait espéré qu’on aurait pitié de leur situation d’exilés; mais les sectaires qui avaient juré leur départ, ont été plus forts que toute considération. Les Peres, laissés libres d’accepter la résolution qui leur parai- trait la meilleure, aimérent mieux partir en silence que de résister au décret d’expulsion. Impossible de déerire les émotions déchirantes que nous eúmes á subir á l’heure de la séparation, le mercredl matin 6 octobre. Au point du jour, nous avons assisté á la derűiére messe, dite pár le P. Norbert, dans le petit sanctuaire de Saínt-Michel. Le doux Sauveur avait résidé Iá, quatre années entiéres, entouré des plus chers amis de la sainte pauvreté, et maintenant il cessait d’y habiter. Són autel n’allait plus étre qu’un tombeau vide, contié á la garde des anges! Tandis que plusieurs amis dévoués conduisaient á la gare les quatre autres Peres ou Fréres qui se dirigérent sur Strasbourg, j’ai accompagné les Peres Justiu et Denys dans la direction de Saint-Dié. Je puis vous assurer que la douleur de cette séparation fut la plus grande de ma vie. Fuissent nos bons Peres revenir bientót, c’est le voeu que font avec moi beaucoup d’habitants d’Epinal, dönt ils ont emporté les sincéres et vifs regrets.“ BÜCKER 177

Der Erfurter Domprediger Dr. Konrad Kiinge und seine Stellung zűr Reformation. Von Dr. Hermann Bücker. Dem Besucher des práchtigen E rfurter Domes falit im süd- lichen Seitenschiffe ein machtiger Grabstein auf, dér elne lebens- groBe Gestalt in weitfaltigem Franziskanergewande mit Doktor- hut und Evangelienbuch darstellt; Konrad Kiinge, dér 26 Jahre hindurch daselbst Domprediger war. Geboren 1483/84 zu Nord- hausen, wurde er 1518 nach Erfurt bernien, wo er 1520 zum Dr. theol. promovierte. Als Guardian des Franziskanerklosters und Kustos von Thüringen nahm er eine hervorragende Stel­ lung im Orden ein. Bis zu seinem Tode (10. Marz 1556) war er dér Führer dér Katholiken *)• — Wer sich in Gedanken in das mittelalterliche Erfurt mit seinen gewaltigen Geisteskampfen zűr Zeit dér lutherischen Reformation zurückversetzt, dér weiB, warum dieser Charakterkopf mit dem kantigen, starkknochigen Kinn, den fest zusammengepreBten Lippen so herbe, bittere Züge tragt. Dieser Mann war die letzte ragén de Saulé in Er- furts katholischer Zeit; dér einzige, dér die Riesenlast dér wan- kenden Kirche auf seinen Schultern trug und vor dem völligen Zusammenbruch bewahrte. Seine dankbaren katholischen Zeit- genossen habén ihn im Döme, seiner Kanzel gegenüber zűr letzten Ruhe bestattet und auf seinem Grabstein die Worte ein- gemeiBelt: „. . . in hac ecclesia praeco verbi divini vigilantis- simus . . .“ In der Tat, wie eine „Mauer aus Erz“ hat er sich der lutherischen Bewegung zu Erfurt in den Weg gestellt, und mit Recht heiBt es in einer alten Handschrift: „Ware er nicht gewesen, so w^are es um die katholische Religion in Erfurt ge- schehen gewesen” ^).

1) Vgl. Uber ihn: N. Paulus, Konrad Klinge, in: KatholiJi IX (Mainz 1894) 164 H. Meine Dissertation; Der Franziskaner Konrad Klinge, ein Er­ furter Domprediger im Zeitaiter der deutschen Reformation, konnte bislang infolge der auBerordentlicIien Kosten nicht gedruckt werden; vier Exemplare in Maschinenschrilt wurden der Theoi. Fakultat der Universitat Miinsler vor- schriftsmaiJig zur Verfiigung gestellt. — Die vorliegende Untersuchung ist ein völlig umgearbeiteter Abschnitt der Dissertation, auf die ioh hinsichtlich der hier nicht angegebenen Belege verweisen mul3. 2) Vgl. die „AnnalesThuringiae“,Hs in derDiisseldorferStadtbibliothek 236.

8) G a llu s S ta s s e n , Documentorum Dipiomatum 1760, 678, Hs im Archiv der St.-Lorenz-Kirche zu Erfurt. Franzisk. Studien. 10. Jahrg. 3./4. Heft. 12 1 7 8 d e e ERFURTER DOMPREDIGER DR. KONRAD KLINGE

Wie konnte nun ein solcher Mann, der ais 72jahriger Fiihrer der Katholiken mit der Feder in der Hand 0 starb, in den Ruf kommen, da6 er sich einst, wenn auch nur fiir die kurze Zeit einer Unterredung, Luther angeschlossen habe? — Aher eine schwankende Zeit liebt es, auch von testen Mánnern ein schwan- kendes Charakterbild zu zeichnen! — Auch die Sage hat, zumal im Mittelalter, stillmachtig und geheimnisvoll einen Schleier um volkstümliche Manner gewoben, so daB es oít schwer ist, das wahre historische Bild ihrer Persönlichkeiten zu erkennen. Wer dachte da nicht an die Sagen, die z. B. von Luther erzahlt worden sind? Wer wüBte nicht, wie die historische Gestalt eines Doktor Faust von einem Gewirr von Sagen umrankt und überwuchert ist? Es ist bezeichnend für Konrad Kiinge, daB mán auch ihn mit diesem Erzzauberer und Schwarzkünstler in Verbindung gebracht hat; dér berühmte Franziskaner soll ihn, freilich vergebens, zu bekehren und vöm Teufel zu befreien ver- sucht habén^). Was hat mán nicht sonst alles von ihm erzahlt! Durch eine List soll er den Erfurter Dóm íür den katholischen Gottesdienst erhalten habén: Wer von den Katholiken oder Lutheranern, so sei einst bestimmt worden, an einem íestgesetzten Tagé zuerst in diese Kirche gelange, dessen Partéi solle dér Mariendom angehören. Da habé dér listige Franziskaner drei Tagé vorher in dér Kirche sich einschlieBen lassen und sei so dér Erste gewesen®). — Nach seinem Tode íerner wurde in gegnerischen Kreisen bald das Geriicht laut, Gott habé ihn zűr Strafe íür alles, was er dem Luthertum angetan, plötzlich auf dér Kanzel tót zusammenfallen lassen ®), was übrigens Justus Menius ihm schon bei seinen Lebzeiten gewünscht '^), und Justus Jonas erwartet hatte Endlich hatte mán bei Klinges schwerer

í) „inter medios calamos", sagt W itzel d. Jüngere, dér Herausgeber von Klinges Werken, in seiner Vorrede zum „Catechismus catholicus" des- selben, geschr. Köln, 15. August 1562. 2) H. G r is a r , Luther II, Freiburg 1911, 235 íf. u. a.

8) Eine Übersicht über die Entwicklung dér Faustsage bietet: G. W it- k o w s k i, Goethes Faust II, Leipzig 1908, 12— 54. Friese, Chronik 515 íf. Naheres über dieselbe welter untén; vgl. auch W lt k o w s k l 23 f. 5) H. Kruspe, Die Sagen dér Stadt Erfurt, Erfurt 1877, 97.

6) N. P a u lu s , Luthers Lebensende, Freiburg 1894, 20. Am Ende seiner zweiten Streitschrift; s. u.

8) G. K a w e ra u , Dér Briefwechsel des Justus Jonas I, 1884, 116. EÜCKEK 179

Krankheit im Jahre 1554 erzahlt, er sei berelts gestorben und habé vor seinem Tode seine ganze katholische Vergangenheit verleugnet, indem er sich zu Luthers Lehre bekannt habé. Nach seiner Genesung Jedoch nahm Kiinge selbst mit scharíen Worten zu diesem Gerüchte Stellung undstrafte so seine GegnerLügen — Alsó schon zu seinen Lebzeiten versuchte mán es, ihm eine lutherische Gesinnung zu unterschieben, kein Wunder, wenn auch spater wieder ein solches Gerücht auítauchte! Aber auch da handelt es sich, wie ich erweisen zu können glaube, ledig- lich um ein Gerücht, dem jede geschichtliche Begründung fehlt. — Untersuchen wir zunáchst einmal, wer von einer luthe- rischen Gesinnung Klinges oder von persönlichen Beziehungen zwischen ihm und dem Wittenberger Reíormator berichtet. — Dér Vollstándigkeit halber sei zunáchst die historisch belanglose Mitteilung des wenig unterrichteten Gaudentius erwahnt, welcher schreibt: „Er (Kiinge) disputierte persönlich wiederholt mit Luther^) und schrieb gegen seine Irrtümer mehrere Bücher und Traktate“ ®). Diese ganz allgemein gehaltene Bemerkung verliert noch mehr an Bedeutung dadurch, daB dér Berichter- statter falschlich das Jahr 1554 statt 1556 als Todesjahr Klinges angibt ^). lm übrigen behauptet auch er keineswegs, daB dieser lutherfreundlich gesinnt gewesen sei, dér Nachsatz dér oben erwáhnten Mitteilung besagt sogar das Gegenteil. — Anders Fr. W. Kampschulte. In dem prachtigen, noch heute íür die Erfurter Reformationsgeschichte grundlegenden Werke *'), das mán neuerdings sehr zu Unrecht einen „bestrickenden Roman“ ®) genannt hat, sagt dér Veríasser, daB in den Jahren 1520—25 auch Kiinge dér allgemeinen Begeisterung für Luther nicht habé widerstehen können Kampschultes Quelle ist, wie er selbst

1) s. weiter u. Klinges Vorrede zu den Loci Communes, Köln 1565. 2) Kiinge selbst erwahnt nirgendwo etwas davon, spricht sich jedoch oft g e g e n die Disputationen überhaupt aus. Loci comm. 239. 246.

8) P. G a u d e n tiu s , Beitrage zűr Kirchengeschichte dós 16. u. 17. Jahr- hunderts I^, Bozen 1882, 15. “i) „(K) starb jedoch noch im namlichen Jahre (seiner Krankheit) 1554“ ; ebd. 16. 5) Die Universitat Erfurt und die Reformation, 2 Ede., Trier 1860.

6) F. Benary, Via antiqua und Via moderna auf den deutschen Hoch- schulen des Mittelaiters, Gotha 1919, 32, hrsg. von A. Overmann (Benary t 1914 im Felde). Kampschulte II 31. 12* 1 8 0 d e e e r f u r t e r domprediger d r . k o n r a d k l in g e angibt, die nur handschriitlich erhaltene Chronik eines gewissen Siegmund Friese, der w ir daher weiter unten unsere besondere Aufmerksamkeit zuwenden wollen. Zugleich weist er auf das Werk des ehemaligen gothaischen Kanzlers Veit Ludwig von SeckendoríO hin, dessenirrtum er auf dieselbe Chronik zuriick- fiihren zu sollen glaubt ^). Mit Friese und v. Seckendorf waren die Zeugen fiir die lutherische Gesinnung Klinges genannt. Hören wir zunachst den letzteren. Er sclireibt **): „De iis, qui Evan- gelicam doctrinam primum publice Erfurti praedicaverunt, ex­ stant annotationes quaedam M(anu) S(criptae). Concionati sunt nempe praeter Langum, qui in aede D. Michaelis coeperat, D. Joh. Culsamerus, qui acerrimum adversarium in Bartholomaeo Usingio habuit, amico olim tum vero hoste Lutheri infensissimo; Aegi- dius Mechlerus et Conradus Klingius Franciscani, . . . Justus Menius ad D. Thomae“ (am Rande: Nomina Condonatorum). Gegen diese Mitteilung hat sich schon J ö c h e r gewandt, m it den Worten: . . daher diejenigen irren, welche ihn mit unter die ersten lutherischen Lehrer in Erfurt gesetzt“ ^). Mit Recht; denn bei dieser Zusammenstellung ist v. Seckendorf ein Irrtum unter- laufen. Er hat übersehen, daB er bei der Aufzahlung der luthe­ rischen Pradikanten den alléin in Erfurt übrig gebliebenen katho- lischen Prediger Klinge in einem Atem mit Justus Menius zu- sammen erwahnt, der nicht sein Glaubensgenosse, sondern ge- rade im Gegenteil sein erbittertster Gegner vs^ar, der gegen ihn — ganz gegen seine sonstige Gewohnheit — zwei maBlos hef- tige Streitschriiten verfaBte ®), zu denen Luther selbst das Vor-

1) Commentarius historicus et apologeticus de Lutlieranismo, Lipsiae 1694. Der Verfasser des umiangreichen Folianten vertritt den evangelisclien und ernestinischen Standpunkt. Er schreibt sein Werli gegen die 1680 er- sohienene „Histoire du Lutliéranlsme" des französischen Jesuiten Louis Maiem- bourg, dessen Text er kapitelweise abdruclst und zu widerlegen versuoht. Die erste Auilage seines Werkes erschien 1688; eine deutsche Bearbeitung gab E. Friok 1714 Ii. heraus. 2) n 31. 3) I 182. Cli. J ö c h e r, Allgemeines Gelehrtenlexikon I, Leipzig 1750, 1965. ■'>) Vgi. G. W o lf, Quellenkunde der deutschen Reformationsgeschichte II, Gotha 1922, 121 1. „Widder den / Hochberumbten Barfus / ser zu Erffurt D. Cunrad /

Klingen, . . . Wittemberg / 1527 /. Am Ende: gedruckt durch Hans Lufft. 8 ». Der Biograph des Justus Menius, G. Schmidt (J. Menius, der Reformator Thilringens, 2 Bde., Gotha 1867) hat diese Schrift „nicht aultreiben können" (I 67 A. 1). Durch eíne Rundfrage meinerseits an ea. 50 Bibliotheken lieBen BÜ CKER 181 wort schrieb. — Wie wenig v. Seckendorf seine Darstellung auf ihre Richtigkeit hin prüft, geht daraus hervor, daB er an anderer Stelle dieses V orw ort Luthers eigens erwahnt, das mit seiner oben genannten Mitteilung im Widerspruch steht: „Prae- íatus etiara est (Luther) in librum Justi Menii, tunc Erfurtensig Ecclesiastae adversus (!) Conradum Klingium Franciscanum“ *). Dieses Vorwort gibt v. Seckendorf zudem teils inhaltlich, teils wörtlich wieder. In diesem klagt Luther bei seinen Eriurter Anhangern dariiber, . daB euch Gott in solchem groISen Licht (= seine Lehre) noch laBt mit dem Prediger der Finsternis zum BarfiiJBern (Klinge) aniechten. Und gibt euren Ratsherrn nicht den Mut, daB sie es angreifen und dazu taten, auf da6 Zwie- tracht der Prediger beigetan wiirde . . Es ist v. Seckendorf entgangen, daB er diesen Gegner Luthers oben irrtümlich unter die lutherischen Pradikanten versetzte. Liegt hier nur ein ein- faches Versehen seinerseits vor, oder ist seine Auffassung etwa durch die Eriesesche Chronik veranlaBt? Das letztere ist, was Kampschulte iibersah, ausgeschlossen, da Eriese (geb. 1673) bei dem ersten Erscheinen des Seckendorfschen Buches (1688) erst 15 Jahre ait war, und seine Chronik erst bei seinem Lebens- ende fertig vorlag. — Wenngleich v. Seckendorf nach seiner eigenen Aussage handschriftliche Quellen benutzte, so möchte ich doch an dieser Stelle annehmen, daB ihm ein einfaches, leicht zu begreifendes Versehen unterlaufen ist, das sich an die Anfiihrung des Namens S.gidius Mechler anknüpft. Dieser w ar vor seiner lutherischen Predigertatigkeit in demselben Orden und demselben Kloster zu Erfurt wie Klinge. Beide Manner haben sich auch sich nur noch zwei Exemplare feststellen, und zwar je eins in der ehemaligen Herzogl. Bibliothelc zu Wolfenbüttel und der Ratsschulbibliothek zu Zwickau. Die zweite Streitschriit des Menius gegen Klinge fiihrt den Titel: „Etlicher Gottlosen / vnd widderchristi / schen Iere von der Papistischen / Messen, so der Bariusser zu Er- / furt D. Conrad Kling gethan, / . . .“ Am Ende: gedruclit zu Wittenberg durch Hans Lufft, / 1527. 4“. — Exemplare dieser Schrift befinden sich in der Ratsschulbibliothek zu Zwickau, der ehe­ maligen GroBherzogl. Hoibibiiothek zu Weimar, der Universitatsbibliothek zu München und der Staatsbibliothek zu . — Klinge soli auf die erste Streitschriit mit einer Schrlfk ,-,Von den abtriinnigen Gliedern der römischen Kirche“ geantwortet haben; doch ist diese verschollen. Auch finden sich nirgendwo Zitate aus derselben. Zu dem ganzen Streit vgl. meine Disser- tation S. 33—75. 1) II Sect. 12 § X X X III 89. 182 DER ERFURTER DOMPREDIGER DR. KONRAD KLINGE spater nie befehdet. Daher ist es leicht möglich, daB v. Secken- dorf bei der Nennung des Namens Agi dius Mechler auch der Name seines Ordensgenossen in die Feder gelaufen ist. Bezeich- nenderweise setzt er auch hinter beide den Plural: Franciscani. Wie dem aber auch sei, es liegt in der Chronik des Sieg- mund Friese ein Bericht vor, der Kiinge zwar lieineswegs unter die evangelischen Prediger versetzt, immerhin aber von einem voriibergehenden Einverstandnis mit Luther erzáhlt. Wenden wir daher diesem Berichte unsere besondere Auimerksamkeit zu; er lautet: „In Erffurth war sonst kein Papstlicher Prediger mehr ais dieser eintzige BarfiiBer Möncb D. Conrad Kiinge, zu dem gieng Doct. M artin Luther in sein Kloster und besprach sich mit demselben wegen der Evangelischen Lehre, daraui sprach D. Kiinge: Lieber Brúder, da hastu meine Hand drauf, daB ichs mit dir und deiner Lehre haltén will, be- theuerte solches auch mit einem Eyde: Alléin, kaum war D. Luther von ihm hinweg, da besuchten ihn die Papisten und trunken zusammen gute Rausche, und blieb wie er vorhin war ein Feind Lutheri, der wider Ihn schrieb und lehrete. M.(anu?) S.(criptum?) S. F. (= Fritz?) p 219. er starb 1556. liegt auim Dohm Begraben; allwo sein Epitaphium gegen der Kanzel Uber nach der Orgel zu noch zusehen ist, da iimb diesem BildnüB diese worte zu lesen sind: Anno Domini 1556 sexto idus Martij obiit Reverendus Pater Ordinis Minorum Conradus Clingius Sacro Sanctae Theol. Doctor eximius et in hujus (auf dem Grabstein steht: hac) Ecclesia praeco verbi divini vigilantissimus, cujus anima in Christo requiescat. Nach seinem Todte gieng das BarfiiBer Kloster vollends gar ein und nahmen die Mönche sowohl ais andere leuthe Alles, was noch vorhanden war, hinweg und lieBen nichts ais die bau- falligen Gebaude librig. Die BaarfiiBer Kirche hatten die Lutheraner schon innen, daher D. Kiinge auf dem Dohm muste begraben werdeni).“ Soweit Friese. — Uns interessiert nun besonders der erste Teii des Berichtes iiber die Unterredung mit Luther. Prüíen w ir ihn darum einmal zunachst auf seine Authentizitat und Glaub- wiirdigkeit hin. — Schon Pick, der freilich nur Klinges Ver- quickung mit der Faustsage beriihrt, ist es auigeiallen, daB die Erzahlung von Klinges Einverstandnis mit Luther nicht recht stimmen will zu dem historischen und psychologischen Bilde, das die Chroniken sonst von diesem zabén, unbeugsamen Manna zeichnen, dér 38 Jahre hindurch ein unentwegter Vorkampfer

1) S ie g m u n d F rie s e , Chronica der Stadt E rfurt II 1501— 1600, 432. BÜCKER ^ 183 der katholischen Sache zu Eríurt war. Er schreibt: „Wieweit dieser Bericht auf Wahrheit beruht, muB dahingestellt bleiben“ Ich möehte diese Erzahlung, die in dér Tat den Stempel dér Unwahrscheinlichkeit schon an dér Stirn tragt, als unhisto- risch bezeichnen und zu den übrigen Sagen und Anekdotán ver- weisen, von denen oben bereits die Rede war. Schauen w ir uns den Bericht einraal etwas genauer an, zunachst hinsichtlich seines áuBeren Quellenwertes sowie dér subjektiven Qualifikation des Zeugen. Über die Echtheit und Integritat des Textes selbst besteht kein Zweifel. Die Clironik befindet sich im Eríurter Stadtarchiv, sie ist Original, nicht Absciiriít oder Auszug. Siegmund Friese hat sie und auch den íraglichen Bericht geschrieben. Eine Inter- polation kommt an dieser Stelle nicht in Betracht. Dér Ver- fasser lebte in den Jahren 1673— 1754. Er war Ratsherr zu Eríurt; zuletzt zweiter RatsmeiSter, Assessor des evangeiischen Ministeriums, Inspektor des evangeiischen Waisenhauses und des Ratsgymnasiums. Bis zum Ende seines Lebens schrieb er und benutzte vor allém Hogels Chronik, dann die Fritzsche Chronik und viele andere, sowie die Ratsprotokolle ^). — Damit ist die Hauptquelle, zu dér seine Schrift ein Seitenstück bildet, genannt. Dér Veríasser derselben, Magister Zacharias Hogel (1611— 1677) war Pastor an dér evangeiischen Augustinerkirche und Direktor des Ratsgymnasiums zu Eríurt. Bezüglich seiner politischen Stellung ist zu betonen, daB er Eríurter Patriot und Gegner von Kurmainz war. Bei dér Abfassung seiner Chronik dienten ihm die Urkunden, Aktén und Rechnungsbücher des Stadtarchivs als Quelle, daneben auch einige altere Chroniken. Wann er seine Schriít verfaJBte, ist nicht íestzustellen. Das Original der­ selben befindet sich in dér Bibliothek des evangeiischen Mini­ steriums zu Erfurt, eine Abschriít davon besitzt das Stadtarchiv daselbst. — Diese Hauptquelle Frieses enthalt von dem Luther- besuche bei Kiinge nichts. Aber anscheinend deutet dér Zu- satz; „M. S. S. F. p. 219“ auf die Fritzsche Chronik hin. Leider w ar m ir diese, die etwa um dieselbe Zeit wie die Hogelsche

1) A. Plck, Faust in Eríurt, in; Jahresbericht des Gymnasiums zu Meseritz, 1901— 1902, 32. Diese Mitteilungen über Friese und Hogel beruhen auf den gef. An- gaben dér Verwaltung des Eríurter Stadtarchivs, lür die auch an dieser Stelle bestens gedankt sei. 184 d e r ERFURTER DOMPREDIGER ü R. KONRAD KLINGE

Schrii't verfaBt wurde, nicht zuganglich. Aber es ist sehr be- merkenswert, daB in allé n Aktén, Urkunden und sonstigen Hand- schriíten des Erfurter Stadtarchivs, des Archivs der BaríüBer- kirche und In allén sonstigen mir zu Gesicht gekommenen Hand- schriften, z. B. des Gallus Stassen im Archív der St.-Lorenz- Kirche, den Annales Thuringiae des Düsseldorí'er Stadtarchivs, sowie in den Handschriften der Berliner Staatsbibliothek 0 nicht die Spur von einem ahnlichen Berichte über Luthers Unterredung mit Kiinge sich íindet! Auch v. Seckendorí, der, wie w ir sahen, den Fi’anziskaner irrtümlich unter die protestantischen Prediger versetzt, berichtet nichts von diesem íraglichen Vorgange, ob- schon er, wie er selbst sagt, eine Reihe alterer Handschriften benutzt hat. Dieses Schweigen der anderen Quellen ist sehr auffallend! Ganz unerklarlich ist zumal, daB H e g e l, dessen Chronik viel eingehender und íast 100 Jahre altér ist als Frieses Schrift, nichts darüber berichtet. Zudem hat Hegel Chroniken benutzt, die weit altér sind als die Fritzsche. Und warum be­ richtet Hogel nichts davon? Er weiB nichts von diesem Besuche Luthers oder spricht deshalb nicht davon, weil er bezweifelt, daB er tatsáchlich stattgefunden hat. Andernfalls würde er sicher dieses Ereignis gebracht habén, das sich bei seiner stark tenden- ziösen Darstellungsweise so glanzend verwerten lieB. Als treuer Anhanger Luthers und ausgesprochener Gegner der „Papisten“ vermerkt er sorgfaltig alles, was auf die Tátigkeit des Refor- mators in Erfurt irgendwie Bezug hat. Ebenso eingehend be- schaftigt er sich aber auch an sechs Stellen seiner Chronik mit Kiinge, obgleich, oder besser gesagt, w eil er in ihm m it Recht den gröBten Gegner Luthers zu E rfurt sah. Auch in den drei anderen erwahnten handschriftlichen Chroniken, die sich als „Acta Borussica“ in der Berliner Staatsbibliothek befinden, ist, wie gesagt, von einem Parallelbericht zu Frieses Erzáhlung nichts zu finden. Diese Handschriften gehen ebenfalls auf sehr alté Quellen zurück. Allé drei sind protestantischen Ursprungs und in akatholischem Sinne geschrieben. Wenigstens zwei von ihnen, Nummer 76 und 1003, sind von einem Erfurter verfaBt, wie das „w ir“ und „uns“ bezeugt, wenn von den Einwohnern dieser

1) „Acta Borussica" N. 76. Erfíurtische Chronicke, / das ist / Zeit- oder Geschiclitsbuch; — N. 590. Chronica oder Beschreibung von Manolierley Wunderbarlichen historien vnd ge- / schichten, So sich In vndt AuBerhalb der Stadt E riu rt . . . zugetragen hat. — N. 1003. Erfordischy Chronica. BÜCKEK 185

Stadt die Rede ist. Es ist selír bemerkenswert, dafi keine dieser Chroniken, deren álteste in dér vorliegenden Gestalt aus weit früherer Zeit stammt als Frieses oder auch Hogels Schrift, von dem Besuche Luthers in Klinges Kloster etwas weifi! — Ein genaueres Dátum für dieses Ereignis gibt Friese nicht an. Dér Bericht steht auí einer Seite íür sich und íallt somit auBerlich und textlich aus dem Rahmen dér historischen Dar- stellungen heraus. Die obere Halíte dér Seite nimmt eine Feder- zeichnung ein, die Kiinge im Mönchshabit und Doktorhut dar- stellt. In dér linken Hand hált er ein Buch (Evangeliar), die Rechte ist dem Beschauer zugewandt; die Finger derselben sind gespreizt wie beim Sprechen. Neben ihm befindet sich sein (,,redendes“ ) Wappen m it dér (klingenden!) Glocke. über dem Bilde stehen die Worte: Doctor Conrad Kiinge. Die Zeichnung, ein Hüítbild, ist ohne künstlerischen Wert, die Strichíührung ist ziemlich grob, die Gesichtszüge habén mit dem Bilde auí Klinges Grabstein nichts géméin. Unter dieser Zeichnung hat dér Chro- nist als erklárenden Text zu dem Dargestellten den Bericht von dem Lutherbesuche mitgeteilt. Dér Text selbst steht, ví^ie ge- sagt, m it dér Schilderung dér Ereignisse des Jahres 1525 in keinem fortlaufenden Zusammenhange. Friese hat ihn an dieser Stelle beigeíügt, weil er aus inneren Gründen dórt alléin hinpaBt. Das i'ragliche Blatt ist nicht paginiert; doch ist das auch bei anderen im Text vorkommenden Bildern, z. B. dér Erzbischöfe von Mainz, dér Landesherren Eríurts, nicht dér Fali. — Friese selbst ist nicht Augenzeuge des Ereignisses gewesen, sondern schrieb zwei Jahrhunderte spáter auf Grund einer anderen Quelle. Wie könnte nun überhaupt dér íragliche Vor- gang in die öííentlichkeit gelangt sein? Durch Kiinge selbst? Oder die erst nach Luthers Fortgang eintreífenden „Papisten“ ? Das ist schwerlich anzunehmen, da sie allén Grund gehabt hátten, darüber zu schweigen. — Und wenn sie etwa in dér Stimmung dér erwáhnten „guten Ráusche“ davon etwas hátten verlauten lassen, warum weiB dann davon keiner dér für solche Dinge so hellhörigen gegnerischen Zeitgenossen Klinges, vi^ie Justus Menius, Johannes Lange, Justus Jorias u. a. etwas? Aber Luther könnte sehr wohl, ja er würde ohne Zweifel nachher im Kreise seiner Erfurter Freunde, denen Kiinge gleich ihm ein Dorn im Auge war, darüber gesprochen habén. Ein solches Ereignis, 1 8 6 d e r e r f u r t e r domprediger d r . k o n r a d k l in g e das wie kein anderes geeignet war, den EinfluB des letzten katholischen Predigers in der Lutherstadt zu erschiittern, ware bestimmt in die weitere öffentlichkeit gedrungen! Zumal hatte Menius unter dem Hinweis aui einen so wichtigen Zeugen wie Luther die Angelegenlieit in seinem erbitterten Streite mit dem Franziskaner verwertet. In seinen zwei Streitschriften, die er 1526 und 1527 gegen ihn verfaBte, spricht er sehr eingeliend von seinem e igen en Versuclie, sich m it ihm über die neue Lehre zu verstandigen. Er gibt seine und Klinges Worte an- laBlicli der Unterredung mit ihm wieder; zitiert lángere Bruch- stiicke aus dessen- Predigt iiber die hl. Messe (13. Marz 1527) und druckt seine Gegenpredigt ab; aber mit kein em Worte er- wahnt er, daI3 Klinge eine Unterredung mit Luther gehabt habe und von dieseni bestimmt worden sei, sich m it seiner Lehre einverstanden zu erklaren. Auch Luther, der die beiden Streit­ schriften des Menius mit einem Vorworte ausstattete, spricht trotz dieser gegebenen Gelegenheit von keiner Unterredung mit seinem E riurter Gegner, obschon es ihm eine Genugtuung sein muBte, zu erklaren, daB dieser ihm unterlegen sei. DaB Luther nicht mehr daran gedacht haben solite, ist (bei seinem bekannt- lich sehr guten Gedachtnisse) nicht ^nzunehmen, da erst ein Jahr seit dem denkwiirdigen Besuche verstrichen vi^ar, und die Lektiire der Streitschriiten ihn Seite fiir Seite an eine etwaige eigene Unterredung mit dem Franziskaner erinnert hatte. Mit welch groBem Interesse er die Schriiten des Menius gelesen hat, ist aus seinem Vorworte dazu ersichtlich. — Desgleichen ist in keinem seiner zahlreichen Briefe an die Erfurter Pradikanten oder in deren Briefen an ihn von dem fraglichen Vorgange die Rede. Dieses Schweigen a lle r z e itg e n ö s s is c h e n Zeugen ist nur dadurch zu erklaren, daB in Wirklichkeit eine solche Unterredung nie stattgefunden hat. Klinge selbst betont in aller öfíentlichkeit am Ende seines Lebens gegenüber einem ahnlichen (!) Geriichte: „Ich (habe) auch nie in mein Gemüt genommen, mich zu begeben aus der allgemeinen christlichen Kirchen Einigkeit.“ — Ich weiB sehr wohl, wie recht Bern- heim, der Altmeister der historischen Methode, hat, wenn er betont, daB das argumentum ex silentio mit groBer Vorsicht

1) Vgl. die Briefe aus dieser Zeit bei E. Enders, Doktor Martin Lutliers Brieiwechsel I, Frankfurt a. M. 1884, ff.; besonders Band VI. BÜCKER 187

anzuwenden sei 0, hier aber scheint es mir seine Berechtigung zu haben’^). Hinsichtlich dér Glaubwürdigkeit anderer Mitteilungen des Chronisten Friese sei noch erwahnt, daB eine kritische Beur- teilung derselben sehr am Platze ist. Dér Verfasser berichtet im Laufe seiner historischen Darstellungen eine Reihe von Dingen,. die mán vernünftigerweise als unhistorisch ablehnen muB. über- aus leichtglaubig verzeiclinet er alles ihm erreichbare Material, das er in tendenziöser Weise verwertet. Wenn er, wie auch Hogel, die bekannten Eríurter Faustsagen bringt, so ist das aus lokalpatriotischen Gründen immerhin zu verstehen. Wenn er aber so fade Dinge auftischt, wie z. B. die Verfolgung eines katholischen Geistlichen durch ein Gespenst ®) u. a. m., so weiB mán, was mán von einem solclien Berichterstatter zu haltén hat. — Ja selbst in dér Nachschrift, die er dér Lutherunter- redung beifügt, zeigt sich, wie vorsichtig mán seinen Ausíüh- rungen gegenüber sein muB. Wenn er námlich angibt, daB nach Klinges Tode das BarfüBerkloster vollends einging, so ist auch das unrichtig^). Dér letzte Minorit, P. Jakobus Schilling, starb im Jahre 1597, alsó vierzig Jahre nach Klinges Tode. Bis dahin

1) E. B e rn h e im , Lehrbuch dér historischen Methode2, Leipzig 1894, 418. Siehe dazu auch A lfr. Feder S. J., Lehrbuch dér historischen Methodik, Regensburg 1921, 132. 143. 242 ff. 2) Bernheim selbst warnt auch vor einer allzu grófién Skepsis bei dér Verwertung desselben mit den bezeichnenden Worten: „Das argumentum ex silentio gewinnt groBe Bedeutung gegenüber vereinzelt dastehenden unzu- verlássigen Zeugnissen (In diesem Falle; Friese,, beziehungsweise sein Ge- wáhrsmann). Ist es doch die machtige Waffe, wodurch wir die Untatsach- lichkeit sagenhafter Berichte erweisen, indem wir schlieBen: die Erzahlung dér Tatsache X wird uns zuerst von einem Autor überlieíert, dér wegen des allzu grófién Zeitabstandes, dér ihn von dem Geschehen dér Tatsache trennt, nicht als zuverlássiger Zeuge für deren Tatsachlichkeit gelten kann; die Zeit- genössen melden von dem Ereignis nlchts: alsó, so schlieBen vs^ir mit Recht, insofern es sich bei Sagen meist um neutrale, aber bedeutende, allgemein interessante Vorgánge handelt — ist dasselbe nicht für tatsachlich zu haltén". B e rn h e im 425. 3) Chronik 455 (1530); s. auch 463 (1533) u. a. m. Ebenso unrichtig berichtet Friese auf S. 521, daB Kiinge noch an selnem Todestage im Döme gepredigt habé. Er starb, wie ich in meiner Dissertation des naheren auseinandergesetzt habé, am Dienstag nach dem Sonntag Oculi (sexto Idus M ártii), den 10. Marz des Jahres 1556. Seine letzte Predigt íand an dem Sonntag (zwei Tagé vorher) statt. 1 8 8 d e r e r f u r t e r domprediger d r . k o n r a d k l in g e iand auch noch in einer Kapelle ‘) im Kloster katholischer Gottes- dienst statt, wie das aus einem Brieie des Abtes von St. Peter zu Erfurt vom 6. September 1586 an den Provinzial der ober- deutschen Minoritenprovinz hervorgeht ^). Von den anderen Klosterinsassen fiihrt das Gedenkbuch des Minoritenklosters auch noch einen Laienbruder auf mit Namen Johannes, der 1565 aus Halle vertrieben war und im Erfurter Kloster noch in dem- selben Jahre infolge eines Ungliicksfalles starb. — Der oben genannte Guardian P. Schilling zahite dem Rate der Stadt nach Klinges Tode 500 Taler aus, die dieser der Stadt vermacht hatte, um das Kloster und seine Insassen unter den Schutz des Rates zu stellen. In der Quittung vom 17. April 1556^) bescheinigt der Rat dem P. Schilling und dem g an zen Kon- v e n t (!) den Empfang des Geldes und verspricht, auch nach Klinges Tode (10. Marz 1556) den Guardian „und a lie die Seinen in beriihrtem BarfüBerkloster hinfiirder in allen billigen Sachen“ zu beschiitzen. P. Schilling (geb. 1502) legte 1570 das Guardianat nieder, er iiberlebte jedoch noch seinen Nachfolger, P. Georgius Gutwasser ( f 28. Juli 1586) und starb 1597®). — Wenn Friese ferner behauptet, daB Klinge deshalb im Dome begraben v^^erden muBte, weil die Lutheraner die Klosterkirche in Besitz genommen hátten, so ist diese letztere an sich richtige Bemerkung nicht die Begriindung fiir das Be- grabnis im Dome. Der oben genannte P. Schilling wurde z. B. noch 1597 im Kreuzgange des Klosters bestattet®). Der Grund, weshalb Klinge im Mariendom auf dem Berge seine letzte Ruhestatte fand, ist darin zu suchen, daB man dem beriihmten

1) Die Klosterkirche war schon, wie Friese richtig bemerlit, bei JKlingés Lebzeiten in eine lutherisclie Pfarricirciie umgewandelt worden. Erster Pfarrer war dórt dér bereitserwalinte eliemalige Ordensgenosse Klinges, Agidius Mechler. 2) Vgl. C. Eubel, Gescliichte dér Kölnischen Minoritenordensprovinz, K öln 1906, 21. s) Vgl. darüber E u b e l 299 £. „Acta Reformationis", Hs im Eríurter Stadtarchiv; letztes Blatt. Eine notarielle Abschrilt davon íindet sich bei den Urkunden im Archiv dér BarfüBerkirche daselbst. 5) Siehe die Urkunden und Aktén dér BarfüBerkirche im Archiv da­ selbst. Vgl. auch J. M öller, Beitrage zűr Geschichte dér BarfüBerkirche zu E rfurt, E rfu rt 1832, 83. — Die erwahnten Urkunden hat Möller, dér damals Pfarrer dér Kirche war, oft ungenau zitiert, teilweise ist es ihm nicht ge- lungen, sie zu entziffern. «) Siehe M öller 83. BÜCKER 189

Domprediger damit eine besondere Ebre erweisen wollte ')■ — Soviel über Frieses ungenaue Berichterstattung. Ohne in historische Skepsis zu veríallen, dürfte mán noch hinzufügen: Wie die ganze geistige Einstellung Frieses den Ein- íluB des religiösen Vorurteils durchblicken laBt, so steht auch die Synthese der historischen Vorgange im Banne dieser Ten- denz. — Jedoch noch ein anderer Umstand kommt hinzu. Prüfen w ir den fraglichen Bericht hinsichtlich seines Quellen- wertes nunmehr auf seinen inneren Gehalt, so gelangen wir zu folgendem Ergebnis. Als Zeitpunkt dieser Unterredung könnte überhaupt nur das Jahr 1525/26 in Frage kommen, wo auch dér Berichterstatter in Hinsicht auf die damaligen religiösen Verhaltnisse Erfurts die Erzahlung einschiebt. — Diese Annahme rechtíertigt sich durch íolgende Begründung. Dér eingeílochtene Bericht hebt mit den Worten an: „In Erf- íurth war sonst kein Pápstlicher Prediger mehr als dieser

1) Dazu paBt auch die Bemerkung des Protestanten Motschmann (Erfordiá literata, Erfurt 1729—1753, 371): „Mán hat mir sagen wollen, daB dér Stein nicht gehoben oder jemand in das Grab gelegt würde eben wegen dér Meriten, die D. Kllng um die katholische Kirche habe.“ Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts hat mán dann den Grabstein, um ihn zu erhalten, aus dem vielbetretenen Mittelgang des Domes herausgenommen und an dér Siidwand in dér Náhe dér Orgel auf einem Sockel auígestellt, wo er noch jetzt steht. — Welch hohe Verehrung dér berühmte Kanzelredner in dér thü- ringischen Hauptstadt genoC, bekunden die Worte des Herausgebers seiner Werke, deren Vollendung ihm selbst nicht mehr vergönnt sein sollte. In dem bereits erwahnten Widmungsschreiben des Georg Witzel des Jüngeren an den Rat zu Erfurt, das er dem „Catechismus Catholicus" Klinges voraus- schickt, heilSt es: die E ríurter könnten Gott nicht genug danken íür die grol3e Gnade . . . „quod ex divina sua electione ac singulari misericordia vos amando talem hominem (Clingium dico) Patriae vestrae, tale decus Reipublicae vestrae, talem operarium vineae vestrae spirituali, talem inquam pastorem Ecclesiae vestrae in Catholica orthodoxorum patrum fide et religione asserenda, deten­ denda, propaganda, adeo divinum, uberem, acutum, facundum, peritum,•invin­ cibilem (man vergleiche damit den fraglichen Bericht von der Lutherunter- redung!) (et ne secus doceret quam viveret) inculpatissimae vitae Doctorem dederit." Und ferner: . . . „ut vos in catholica Patrum vestrorum fide et religione conservare et ab omni labe schismaticae pravitatis tueri posset, iam ultra triginta annos plusquam Herculeo labore in publicis istic concionibus sedulo ac indefesse insudavit." — (Geschrieben; 15. August 1562.) 2) Auf seinem Krankenlager 1554 soli Klinge sich gleichfalls zu Luthers Lehre bekannt haben. S. dariiber weiter unten. Die Lutherunterredung in diesem Jahre ansetzen zu wollen, geht nicht an, weil Luther damals schon acht Jahre tot war; er starb am 18. Február 1546. 19Ö DER ERPURTER DOMPREDIGER DR. KONRAD KLINGE

eintzige BarfiiBer Mönch D. Conrad Klinge . . — Damit ist zugleich der terminus post quem und der terminus ante quem gegeben. Klinge war in der Tat nur in der Zeit 1525— 26 der einzige katholische Prediger. Bis zu diesem Zeitpunlcte war Bartholomaus Usingen das Haupt der Katlioliken gewesen; 1525 verlieB auch er die Stadt weil nunmelir die Protestantisierung derselben restlos durchgeführt wurde. In diesem Jahre ge- langten die lutherischen Pradikanten namlich in den Besitz samtliclier Kirchen der Stadt mit EinschluiS des Domes. Neun- zehn von diesen wurden iiberhaupt gesehlossen, und die Stadt in neun evangelische Piarrbezirke eingeteilt, die sich an die iibrigen Kirchen anschlossen^). Für die Katlioliken, denen man nach der Vertreibung der Geistlichen durch den sog. „Pfaffen- sturm“ nun auch alie Kirchen mit ihren Schatzen genommen hatte, ist dieses das schwerste Jahr gewesen. Klinge, der bereits seit sieben Jahren in Erfurt gepredigt hatte, war nun- mehr der einzige, der unbekiimmert um alie Verbote des Rates in der Kirche des „GroBen Hospitals“ nach wie vor katholischen Gottesdienst abhielt. Das heben auch die anderen Chroniken ausdriicklich hervor^). Die bereits genannten Annales Thurin-

1) N. Paulus, Der Augustiner Bartholomaus Arnoldi von Usingen, Luthers Lehrer und Gegner, in: StraBburger theol, Studien, hrsg. von Albert E h r h a r d und Eugen M ü lle r , I 3. Heít, Freiburg 1893, 104. 2) Vgl. F rie s e 434 und H o g e l 935. 3) Das war dér Anfang des Vorgehens gegen die Geistlichkeit, die in dér Folgezeit, besonders wáhrend dér Bauernaufstande, unsagbar vieles zu leiden hatte. Vgl. K am pschulte II 133; besonders auch die sehr sachlichen Ausführungen des protestantischen Lolialhistorikers Th. E itne r, Erfurt und die Bauernaufstande im 16. Jahrhundert, Halle a. S. 1903. Diese, auí reichem archivalischen Queilenmaterial beruhende Díssertation hat auch G risar I 608; III 178 u. a. zugrunde gelegt; desgl. J a n s s e n ,. Geschichte d. d. Volkes Il^o (1915) 259 f. 634 ff. Die Chroniken berichten eingehend über diese Vorgange z. B. F r ie s e 400 íí„ H o g e l 895 ff. z. B. H o g e l 934; „A cta Borussica" N. 1003 (ohne Seitenzahl). Bei F r ie s e heii3t es S. 431 (1525!): „A llé in dér Guardian Zum BarfüJSern Fater Conrad Klinge, so nach D. Lángén erst in Doctorem Theologiae promoviret hatt, hielt noch öífentliche predigten, und zwar in dér groBen Hospitals Kirchen, da ward noch Messe gehalten, und liefen die noch übrigen Papisten unter denen Rahtsherrn und Volke darzu, daB die Kirche, Kirchhofí und Steinhaus vollstund." Am Rande (von anderer Hand): „Das Steinhaus war ihre Kirche darinnen D. Klinge Messe hielt und wenn dér nicht getan hette, so were das Pabstthum alhier gar zugrunde gegangen." — Seite 435 betont Friese wiederum, daB Klinge ura diese Zeit dér einzige war, dér Messe und BÜCKER 191

giae geben für die Einführung des ProtestantismüS nür ganz allgemein die zwanziger Jahre an. Ihrem Verfasser kam es auch nur auí ein Charakterbild Klinges und seine Verdienste um die Erhaltung dér katholischen Religion an. Er sagt von diesem, daU er in dieser schweren Zeit . solus se murum ahae- neum pro domo Dei constanter opposuit et ibidem 50 circiter (!) annis (genau: 38 Jalire) cum gratia iructuque amicorum ingenti concionatorem egit; et quod uno impetu Ecclesia Dei in Saxonia, Thuringia et Missnia non fuerit obruta, ei in acceptis referendum esse explurimi asserunt" 0- — Genauer sclion gibt eine Hand- sclirift von Gallus St as s en aus dem Jahre 1760 die Zeit an, um die Klinge die Fiihrung der Katholiken iibernahm. Er schreibt: „Circa annum 1526 senatus acatholicus clausit omnia templa excepto hospitali majoré, ubi Dr. Conradus Clingius Franciscanus condonabatur, et si ille non fuisset, actum fuisset de religione catholica in Erphurdia.“ — Dazu stimmen auch die Worte des Menius in einem Schreiben vom 25. Október 1526 an Klinge, zu dem er sagt: „. . . bistu doch nu ytzundt der einige und alléin, der solch Ungliick (= kath. Predigt) treibet und nahret“ ®). — Dasselbe Jahr 1526 brachte eine bedeutende Wendung zugunsten der Katholiken. Vier Kirchen v^^urden ihnen mit Erlaubnis des Rates für ihren Gottesdienst wieder eingeraumt^). — Dieser Umstand hat auch Friese veranlafit, den Bericht von der Lutherunterredung bei der Schilderung der Ereignisse des Jahres 1525 unterzubringen. Nun aber ist ihm entgangen, daB diese Unterredung Klinges mit dem Refor­ mator um diese alléin in Betracht kommende Zeit unmöglich stattgefunden habén kann, weil Luther in dér Zeit von 1522 bis 1529 nicht ein einziges Mai in Erfurt gewesen ist! — Die Chronisten erwahnen sonst jeden auch noch so kurzen Besuch Luthers (wie; Durchreise u. a.), den die Stadt,

Predigt hlelt. — Vgl. auch unter anderen[ O learius, Rerum Thuringiarum Syntagraa, Frankfurt und Lelpzlg 1717, 54; s. auch G r is a r I 621. Dér bekannte Eríurter Humanist Eobanus Hessus schrieb damals: „Alle Mönche slnd ausgetrieben, die Nonnen ausgestoCen, die Kanoniker verjagt, alle Tempel, sogar die Klrchenkassen geplündert...“ Vgl. Janssen II^o 638.

1) S. 236. 2) g_ 0 7 8 (Johann Kucher, Chronicon). 3) Von Menius mitgetelit in dér oben erwahnten ersten Streitschriít. •4) Es waren dieso: St. Nikolaus, St. Lorenz, St. Vltus und die Aller- heiligenkirche; s. F riese 439. Damit stimmen die anderen Chronlken überein. 192 d e r e r f ü r t e r domprediger d r . k o n r a d k l in g e die ihm treu ergeben war, sich begreiilicherweise jedesmal ais eine Ehre anrechnete. Von der W artburg aus hat Luther in der Stille Eriurt öfters besucht, wo er in der „Hohen Lilie“ abstieg'). Ein beabsichtigter langerer Aufenthalt kam nicht zur Ausfiihrung; denn: „die Pest regete slch“ ^). — So kam Luther nur noch im Október 1522 aui wenige Tage nach Eriurt, wo der redegewaltige Mann am 21. und 22. d. M. auf der Kanzel so scharfe Worte gegen Papst und Kirche fand®). ■— Erst 1528 kam er aui einer Visitationsreise iii die Nahe Erfurts (auch das erwahnen die Chronisten!) nach Weimar, kam aber nicht in die Gerastadt selbst^). Das geschah erst 1529, ais er nach der bekannten Zusammenkunft mit Zwingli zu Marburg nach Torgau ging und auf der Durchreise in Erfurt predigte®). Also ergibt sich sowohl aus den Chroniken, wie aus allen sonstigen damit iibereinstimmenden Nachrichten über Luthers Anwesenheit in Erfurt die Folgerung, daB der Reformator in der Zeit vom 23. Október 1522 (terminus post quem) bis Mitte 1529 (terminus ante quem) d. h. zu der Zeit, in der er die fragliche Unter- redung mit Klinge gehabt haben soli, gar nicht in Erfurt ge- wesen ist. — Dieser Umstand im Verein mit dem argumentum ex silentio und der unsicheren Berichterstattung Frieses diirfte meines Erachtens genügen, seine Erzahlung, daB Klinge zu Luther geschworen habe, ais unhistorisch anzusprechen. Es kommt jedoch noch ein anderes Moment hinzu, das auf den eigent- lichen Ursprung derselben hinzuweisen scheint. Der ganze Bericht über die Unterredung Luthers hat namlich eine auf- fallende Ahnlichkeit mit jener historischen Unterredung, die nicht der Reformator selbst, sondern einer seiner Freunde, namlich Justus Menius, zu Erfurt mit Klinge gehabt hat. So legt sich die Vermutung nahe, daB es sich hier um eine Ver- wechselung mit derselben handelt. Stellen wir einmal die historische Meniusunterredung, liber die w ir genau unterrichtet

1) Vgl. Frlese 399 (zweites nicht numeriertes Blatt).

2) s. H o g e l 899. 8) vgl. G r is a r I 613. Í) Luther driickt von dort aus in einem Briefe an Menius selne Ver- wunderung dariiber aus, dafi keiner der Erfurter Freunde zu ihm gekommen sei; vgl. H o g e l 950. s) Vgl. Hogel 953; ferner G risar E I 288. B Ü C K E R 1 9 3 sind'), neben die Friesesche Erzahlung von dér Lutherunter- redung; Menius bei Kiinge. Luther bei Kiinge. Menius: „Bistu docli nu ytzund „In Erffurth war sonst ke in dér einige und alléin, dér solch Papstliclier Prediger mehr Unglück (kath. Predigt) treibet und als dieser eintzige BarfüBer nahret“2). Mönch D. Conrad Kiinge, M. geht zum Kloster und be- zu dem gieng Doct. spricht sich mit Kiinge über die in sein Kloster und besprach sich evangelische Lehre. mit demselben wegen dér Evan- gelischen Lehre. M .: „ Ih r selbst, wie mán sagt, führet unsere Lehre biswei- len“ 8). K.: „Es hatt aber an ihm noch darauf sprach D. Kiinge; Lieber nie gefehlet, sondern er wollts Brúder, da hastu meine Hand drauf, allezeit gern gesehen habén, daB ichs mit dir und deiner daB mán sich dér Sachen in Lehre haltén will, dér Still verglichen hatt . . . Die alté und die neue Lehre hatten manches gemeinsam ... Mán würd dureh den Glauben alléin ge­ re eh t, so doch, daB dér Glaub nicht ohne Werk bliebe ... Das Papst- tum gebe ihm gar nicht zu schaffen, es ware ohne ihn auf- kommen, würd auch ohne ihn wohl betheurete solches auch mit einem vergehn" "i). Eyde: Menius geht fórt mit dér Ver- Alléin, kaum war D. Luther von mutung, Kiinge gehe nun zu den ihm hinweg, da besuchten ihn die anderen Mönchen, weil; „Er hatte Papisten und trunken zusam- vielleicht zu zechen im Patres- mén gute Rausche, stüblin". Menius beklagt seinenMifierfolg: und blieb, wie er vorhin war, „Is t aber, als gegen einen ein Feind Lutheri, verstöcktenMann alles zumal umsonst und unfruchtbar gewesen.“ K. schreibt und predigt ge- dér wider Ihn schrieb und leh- gen Menius, rete.“

!)■ Menius schildert den Hergang in dér ersten dér erwahnten zwei Streitschriften gegen Kiinge; s. dórt auch die fi. Zitate. Schreiben des Menius vöm 25. Október 1526 an Kiinge; in dér ersten Streitschrift. s) Vgl. darüber den SchluB dieser Abhandlung. Sollte Klínge das in dieser í^orm gesagt habén? lm Widersprucli damit stehen Klinges eigene Worte im III. Buche seiner Loci Communes (Köln Franzisk. Studien. 10. Jahrg. 3./4. Heft. 13 1 9 4 d e r e r f u r t e r domprediger d r . k o n r a d k l in g e .

Vergleichen wir einmal die Parallelstellen, so düríte M - gendes aufiallen: 1. Beide Ereignisse spielen sich um dieselbe Zeit 1525— 1526 ab. 2. Beide gehen in derselben Stadt (Eriurt) und an dem- selben Orte (Franziskanerkloster) vor sich. 3. Beide Besuche haben denselben Zweck und deshalb dasselbe Gesprachsthema. 4. In beiden Falién w ird Klinge eine lutherische Gesinnung unterschoben. 5. Nach beiden Unterredungen ist von einer Zecherei die Rede. 6. Beide Besuche haben denselben negativen End- eriolg. 7. Nachher wird der Streit schriftlich und mündlich íortgesetzt. Diese beiden Berichte haben eine solche Ahnlichkeit mit- einander, da6 wir aui Grund des henologischen Prinzips ’) zu der SchluBfolgerung gelangen: Diesen beiden Berichten liegen nicht zwei zufallig koexistierende Ereignisse zugrunde, sondern beide gehen auf eine einzige historische Tatsache, nam- lich die Meniusunterredung zuriick. Die zwei Berichte ver- halten sich zueinander wie Wahrheit und Gerücht, oder wie Bild und Zerrbild. Selbst der Schlufisatz Frieses: „der wider ihn schrieb und lehrete", den 'man sowohl auf Klinge ais auf Luther deuten kann, erscheint doch erst im rechten Licht, wenn man an die Streitschriften denkt, die Menius und Klinge wechselten. Nur in einem Punkte stimmen die beiden genannten Be­ richte nicht iiberein, namlich darin, daB sich Klinge zu Luther

1585) Cap. X II (De capite ecclesiaej 216 b. D ort schreibt er: „Praeterea potestas illa atque dignitas Petri, quam Christus ei dedit, nullis daemonum artibus potest infirmari, iuxta promissionem Christi Matt. 16: Portae inferorum non praevalebunt adversus eam, etsi astutie daemonum praevaluerunt in quasdam personas summorum Pontificum, successio tamen haec, quae a Petro sumpsit initium, omnino perseverat. Nec violentissimis tyrannorum infesta­ tionibus, nec acerrimis haereticorum argutijs, sed nec ulla satanae malignitate valuit unquam impediri. Manet Petrus huius generationis immobile funda­ mentum, nec Papatus potuit deleri: manet haec permanatio et successio a Petro." 1) So nennt F e d e r es S. 107. BÜCKER 195

bekannt habe. Aber das ist gerade das punctum saliens, da weicht eben der Friesesche Bericht von den historischen Tat- sachen, die Menius berichtet, ab. Letzterer spricht wohl von einer lutherischen Gesinnung des Franziskaners, über die untén noch ein W ort zu sagen wáre, erklárt aber ausdrücklich, daB bei dér Unterredung allé seine Bemühungen, ihn zum über- tritt zűr Lehre Luthers zu bew^egen, „. . . als gegen einen ver- stöckten Mann alles zumal umsonst und unfruchtbar gewesen“ ') sind. — Die Entstehung des Frieseschen Berichtes dürfte sich leicht erkláren lassen. Die Unterredung zw'ischen Menius und Kiinge war durch Predigt und Streitschriften den Zeitgenossen in Erfurt bekannt. Mán weifi, wie leicht solche Ereignisse, die von Mund zu Mund gehen, allmahlich einer Umgestaltung ausgesetzt sind. Es lag nahe, daB mán durch Hören und Weiter- erzáhlen im Laufe dér Zeit den Bekehrungsversuch nicht dem Menius, dem Freunde Luthers, sondern diesem letzteren selbst zuschrieb. Und daB es Luther gelungen sei, den Franziskaner zum Einverstandhis mit ihm zu bewegen, ergab sich dann von selbst. Für die gerüchtartige Umwandlung dér Meniusunter- redung spricht auch die Erzahlung von einem Eidbruche und einer Zecherei. Auf letztere spielt dér verargerte Erfurter Pre- diger selbst schon ohne irgend einen Grund an. So durchlief die Erzahlung verschiedene Entwicklungsstadien, in deren Ver- laufe sie anWahrheitsgehalteinbüBte und in derForm anekdoten- haft erweitert und entstellt vv^urde. Als Endergebnis dieses psychologischen Entwicklungsprozesses bildete sich jener Nieder- schlag, den w ir in dem Berichte Frieses bzw. seines Gewáhrs- mannes vor uns habén. Dieser geht auí den Bericht des Menius und dessen Unterredung mit Kiinge zurück. Ein Besuch Luthers bei dem letzteren in dér von Friese mitgeteilten Art hat nie stattgefunden. Jedoch wáre noch ein W ort zu sagen über die luther- freundliche Gesinnung Klinges, von dér Menius oben spricht. Wenn er von „ganzen Sermon D. Martini Lutheri" redet, die dér Erfurter Franziskaner gepredigt habén soll, so ist das zweiíellos eine übertreibung, die cum grano salis zu nehmen ist. Ganz aus dér Luft gegriffen w ar jedoch diese Behauptung nicht, und das mag vielleicht ein Grund sein für jenes Gerede

1) S. oben die erste Schrift des Menius. Ebd. 1 3 ’ 1 9 6 ÖER ERFURTER DOMPREDIGER DR. KONRAD KLNIGE von einem übertritt zu Luthers Lehre, das bei Klinges schwerer Krankheit im Jahre 1554 verlautete. Es íinden sich in Klinges Werken, die fünf Foliobánde umfassenO, verschiedene Stellen, die eine unverkennbare Farbung lutherischer Rechtfertigungs- auffassung tragen^). Viele Abschnitte scheinen umgearbeitete und erweiterte Predigtentwürfe zu sein. Kiinge gehörte, wie sein Freund Witzel dér Altere, die beiden Pigghe (Onkel und Neffe) u. a. zu den Theologen, die mán die Exspektanten ge- nannt hat, w eil sie von einer Vermittlungstheologie, die zum Teil, wie mán weiB, von Erasmus beeinfluBt war, eine Wiedervereinigung mit den Protestanten erhofften. Diese gut gemeinten Bestrebungen, die sehr angreifbare dogmatische An- schauungen zeitigten, sind vortridentinische Strömungen, die dem ungeklarten Charakter dér damaligen Zeitlage entsprechen. Bei Kiinge sind sie überdies zu erkláren aus dem EiníluJB seiner Erfurter Universitátslehrer, die in dér Theologie den nomina- listischen Standpunkt vertraten. In dem Bestreben, „er wollts allezeit gern gesehen habén, daB mán sich dér Sachen in dér Still verglichen hatt“ ^), ist Kiinge in guter Absicht zu weit gegangen und hat dogmatische Gegensatze auf Kosten des Wahr- heitsgehaltes seiner Lehre einander naher bringen ví^ollen. Ihm selbst ist das nie zum BewuBtsein gekommen, und nichts lag ihm ferner, als ein Einverstándnis mit Luthers Lehre. Rastlos und restlos hat er bis zu seinem Tode in Predigt und Buch den katholischen Glauben gegen die Neuerer verteidigt. — Als mán bei Gelegenheit seiner oben erwáhnten Krankheit das Gerücht verbreitete, er sei schon gestorben und habé sich vor seinem Tode noch zu Luther bekannt, da fand dér vielge- schmahte Mann nach seiner Genesung sehr scharfe Worte, um

í) Seine Werke erlebten zahlreiche Auflagen, es sind folgende: Loci Communes... Köln 1559/60/62/65/80 (2 0);

Paris 1563/65/67/74 (8 <»). Catechismus catholicus . . . Köln 1562/70 (2»). Summa doctrinae Christianae catholicae... Köln 1562/70 (2*>). De securitate conscientiae... Köln 1563 (2<>).

Confutationes mendaciorum adversus librum ... Interim. Köln 1563 ( 2 <>). 2) Das ist auch neben Klinges scharfer Kritik iiber den Klérus seiner Zeit, an den er ja seine (lateinisch geschriebenen) Werke richtete, der Grund fiir ihre Indizierung mit dem Zusatze; donec corrigantur. Vgl. Reusch, Index der verbotenen Biicher I, Bonn 1883, 565.

8) Vgl. M enius, erste Schriit. BÜCKER 197

dieses Gerede Lügen zu strafen. Er erzahlt selbst darübér in dem Vorworté zu den Loci Communes; deren Herausgabe er als eine Rechtfértigung seiner treukatholischen Gesinnung und Lehre aufgefaBt wissen will, „. . . damit die lügenhaítigen Sekten ihre ertichte Lügen wieder in Hals fressen und für dér ganzen Welt zu schanden werden. Denn es hat sich alsó zu- getragen, im Jahre 1554, daB ich nach dem W illen Gottes mit schwerer Kranklieit beladen, auch vorsehen hatte meiner Ab- forderung von diesem zeitlichen Leben, welches denn die Sekten g’röBlich erfreuet, daB sie aucii niclit habén erwarten mögen meines Abschiedes, sondern aus mutwilligem geíaCten Neid wider mich íür dér Zeit ein ofíentlich lügenhaítig Gerücht auí- gebracht, wie ich sollte allé meine Predigt und Lehre, so ich bis in das 36 Jahr zu Eríurt gepredigt und gelehret, nach Form und Weis allgemeiner katholischen Kirchen, auch Beíehl dér wahren verordneten Oberkeit, widerrufen habén und von dér katholischen Kirchen abgeíallen und auf ihre verdammte Sekten mich zu begeben. Solches alles dermaBen von ihnen geschehen, auf dafi sie die altén katholischen Ghristen auf ihre Seite möchten bringen oder ja zweifelhaftig machen. Dieweil aber Gott hasset die Lügen Ps. 5: Ich auch nie in mein Gemüt ge- nommen, mich zu begeben aus dér allgemeinen christ- lichen Kirchen Einigkeit^), sondern meine stete B itt ist zu dem Vater dér Barmherzigkeit, um Christi willen, seines lieben Sohnes und meines Herrn und Erlösers mich zu behüten für aller Sekten Lehre und Frevel, hab ich die Sache und solches falschen Gerüchtes (Er-)tichter Gott befohlen. Bezeuge auch ver Gott und aller Welt, daB ich mit Gottes Hilf gedenke bei dér Einigkeit Allgemeiner (= kath.) Kirchen zu bleiben und mich keiner Sekten Lehre und Glaubens, Sakramenten und Zeremonien teilhaítig zu machen, sie biliigen, viel weniger zu ihnen zu treten“ ^). — Zum SchluB kommt er wieder auf den Vorwurf zu sprechen, daB mán seine katholische Gesinnung und Lehre in Zweifel ziehe. Mán vergleiche einmal diese und die oben angeführten Worte mit dér Erzahlung Frieses von

1) In den Pariser Ausgaben dér Loci Communes, die das Vorwort in lateinischer Spraclie enthalten, lauten die Worte; „...neque milii unquam in animo statui, ex unitate catholicae ecclesiae me quoquam transferre.. 2) Ich gebe den Text in der heute gebrauchlichen Rechtschreibung wieder. 198 DER ERFURTER DOMPREDIGER DR. KONRAD KLINGE seinem Treueide gegeniiber Luther und lege sich die Frage vor, ob Klinge nach einem derartigen Ereignis, das sich ja nie hátte verheimlichen lassen, eine solche Sprache in aller öfíent- lichkeit hátte wagen dürfen! — „Dieweil auch mancherlei Urteil über mich gefallen, als sollte ich wider Gottes Wort, die heiligen Schrift, Gebrauch dér Sakrament und Zeremonien, Glaubens und Werk gelehret und sehr unrecht gelehret habén, so hab ich in Summa vor- zeichnet, was ich von den Stücken allén gelehrt habé: die mögen lesen Freund und Feind und urteilen nach ihrem Ge­ fallen. Mir ist genug, dafi ich Christo und Gemeiner Kirchen gedienet habé, welcher ich mich auch demü- tiglich unterwerfe, zu bessern, so etwas mangels zu- viel oder wenig gelehret wáre und geschrieben.“ M Ü L L E R 199

Die literarische Fehde zwischen dem Franziskaner P. Edmund Baumann (1645— 1731) und dem Super- intendenten D. Johann Adolph Frohne zu Mühl- hausen i. Th. (1652— 1713). Von P. Ewald M üller 0. F. M. Die Tatsache, wie sehr die Franziskaner dér nachtriden- tinischen Zeit, besonders die Observanten, sich am Kampfe gegen die neuen Lehren dér Reformation, zumal in thüringi- schen und norddeutschen Landen beteiligten, ist bisher viel zu wenig bekannt geworden. Neben wenigen Monographien aus jener Zeit, die einzelne bedeutende Manner behandeln 0, ist die Mehrzahl dér Manner aus dem Franziskanerorden höchstens dem Namen nach bekannt, ausíührliche Biographien und eine befriedigende Bibliographie íelilen vollstandig. Bisher völlig unbekannt in dér einschlágigen Literatur ist m. W. die in mehr als einer Hinsicht interessante literarische Fehde zwischen dem Franziskaner P. Edmund Baumann, Mitglied des Konventes zu Stadtworbis auf dem Eichsíelde und Kustos dér Thüringischen Provinz, und dem PBStor primarius und Superintendenten dér freien Reichsstadt Mühlhausen i. Th., D. Joh. Adolph Frohne, in den Jahren 1698— 1711. Die íolgende Abhandlung soll einen Überblick über den Verlauf dér Fehde, sowie einen Einblick in den Inhalt dér einzelnen Fehdeschriften beider Manner zu geben versuchen. Eine spatere Studie soll dann die Bedeutung Baumanns als Provinzial dér Thüringischen Provinz sowie als Schriftsteller und Lektor eingehender und im Zusammenhang mit den zeitgenössischen Verhaltnissen würdigen. 1. Dér literarische Kampí dér Verteidiger dér altén Kirche gegen die nachtridentinischen Lutheraner Deutschlands löste sich, wie die Geschichte dér Kontroversliteratur jener Tagé zeigt, in eine Menge von je nach Őrt und Zeit verschiedenen Einzel- kámpfen auí. Die Hauptblütezeit solcher Einzeldisputationen und literarischen Fehden war naturgemafi das 16. und die erste Hálíte des 17. Jahrhunderts ^).

1) Vgl. die hauptsacUichste L ite ratur darüber bei H H 4 6 1-4 88, bes. 468 ff. 2) Vgl. darüber K. W erner, Geschichte dér apologetischen und pole- 200 EDMUND BAUMANN GEUEN JOH. ADOLPH FROHNE

Die Kámpíe trugen fást durchweg den Charakter groBer Erbitterung, ein Erbstück dér Reíormationszeit. In dér zweiten Halfte des 17. Jahrhunderts, in einer vorwiegend irenisch ein- gestellten Zeit, lieB die Heítigkeit dieser Fehden etwas nach, ohne deshalb ganz zu verschwinden. Zu solchen, gelegentlich bald hier, bald dórt wieder aufflackernden literarischen Kampfen gehört auch dér Streit zwischen dem Franziskaner Edmund Baumann und dem Superintendenten D. Frohne in Mühiiiausen i. Th. in den Jatiren 1698— 1711. Die biographischen Notizen über die beiden Manner sind ziemlich spáriich. über P. Edmund Baumann berichtet das Nekrologium dér thüringischen Ordensprovinz unter dem 5. Sep­ tember, daB er im Jahre 1731, 86 Jahre alt, nacli einem an Erfolgen und Tatén reichen Leben im Konvente zu Hammel- burg starb, wo er auch begraben liegt 0- Er muB alsó im Jaiire 1645 geboren sein. Als Geburtsort gibt das Nekrologium den Őrt Lüder(Luderanus) an. Danáhere Angabennichtaufzuíinden waren, láBt sich nicht feststellen, um welchen Őrt es sich handelt^). In sei- nem 17. Lebensjahre trat er in den Franziskanerorden ein, dem er 69 Jahre láng angehörte. lm Jahre 1672 wurde er vöm Provin- zialkapitel für den Konvent Attendorn als Lektor dér Philosophie bestellt®). Bereits im folgenden Jahre 1673 aber wurde er zum Prases dér Resídenz Friesenhagen bestimmt ^). Erst nach seiner Amtsperiode als Prases im Jahre 1674 wurde er vöm Provinz- kapitel wieder zum Lector philosophiae bestellt und gleichzeitig an das Philosophiestudium dér Provinz nach Hammelburg ver- setzt, wo er bis zum Jahre 1677 blieb®). Von da an íinden mischen Lite ratur dér christlichen Theologie IV, Schaífhausen 1865, 602 íf. (§ 753); ferner: H. H úr tér. Nomenclator literarius Theologiae Catholicae IV 2, Oeniponte 1910, c. 685— 780 (Nr. 295— 334). 1) Vgl. darüber, sowie auch über die folgenden biographischen Notizen G. H aselbeck, Necrologium Provinciae S. Elisabeth Thuringiae Ordinis Fra­ trum Minorum, in: AF VI (1912) 170 ff. Dórt íinden sich auch neben dér An- gabe einiger Literatur die schriftstellerischen Werke P. Baumanns aufgezahlt. '^) Es kommenwohl hauptsachlich 2 Orte inBetracht: Die Pfarrei GroJJen- lüder an dér Bahnstrecke Fulda—GieBen, bei dér die Tauíbücher aber nach frdl. Mitteilung des dortigen Pfarrers nur bis 1654 zurückgehen; ferner die Pfarrei Lütter an dér Bahnstrecke Fulda—Gersfeld, deren Pfarrbücher erst 1660 beginnen. 3) Provinzarchiv in Fulda-Frauenberg, Acta capitularia (= A C) II ad annum 1672. <) A C II ad an. 1673. 5) a C II ad an. 1674. M Ü LLE E 201 wir ihu im Konvente zu Stadtworbis auf dem Eichsfelde als Lector der Theologie und Instructor iuvenum, dér die Erziehung dér Jungen Ordenskleriker zu leiten hatte 0- Seinen Bemühungen war es auch zu danken, daB im Jahre 1682 die damalige Land- graíin von Hessen-Rheinfels Alexandrina Juliana auf der Burg zu Wanfried, dem Wolinsitze des Landgrafen, zum katholischen Glanben übertrat^). Das mag wohl auch dér Grund gewesen sein, weslialb dér Landgraí K ari von Hessen im Jahre 1685 an das gerade in Limburg tagende Halbkapitel dér Thüringi- schen Provinz das Ersuchen richtete, ihm zwei Patres, darunter den P. Edmund Baumann als Missionare auí seine Burg in Wanfried zu geben, pro peragendis divinis, pro conversione acatholicorum et instructione domesticorum in arce sua Wan- fridiana, wie das Schreiben an das Kapitel sagt ^). Dem Wunsche des Landgrafen vi^urde stattgegeben und zugleich P. Edmund zum Guardian des Klosters in Stadtworbis ernannt. Er blieb wohl in Worbis bis zum Jahre 1701 und war von dórt aus als Missionar in dér Gegend von Wanfried tatig. Im gleichen Jahre wurde er zum Provinzialminister dér Thuringia auf dem Kapitel vöm 11.—13. August gewáhlt, nachdem er mehrere Male Kustos dér Thuringia gewesen war *). Ein zweites Mai regierte er die Provinz von 1713— 1716. Uns interessiert hier seine Tatigkeit als Kontroversscbriftsteller. Eine im Münchener Fran- ziskanerkloster liegende und nach Forschungen von P. Gallus Haselbeck dem Franziskaner P. Medard W olf (1687— 1745), dér von 1726—43 Chronist dér thüringischen Ordensprovinz war, zuzuschreibende handschriftliche Chronik ‘der Thuringia, die mit dem Jahre 1726 beginnt, alsó gleichzeitig ist, spricht sich über die Tatigkeit P. Baumanns auf dem Gebiete dér Kontrovers- theologie in folgenden Sátzen aus: „Operarius vere evangeli- cus . . . faciens simul et docens, dum iuvandorum proximorum studio impigre desudavit de Christianae ac Catholicae praesertim doctrinae cuivis hominum conditioni et aetati accomodate tra­ dendae indefesse adlaboravit. . .; plures ad fidem orthodoxam convertit haereticos eosque pro viribus promovit et iuvit, alios pertinaces impugnare, con- et refutare non destitit, testimonium desuper perhibentibus libris mediante

') A C II ad an. 1677. 2) Vgl. H a s e lb e c k 171, Anm. 1. 3J A C II ad an. 1685 sess. 2, Nr. 3. A C II ad an. 1701. 2 0 2 EDMUND BAUMANN GEGEN JOH. ADOLPH FROHNE

typo per ipsum successive evulgatis P. Baumanns íruchtbarste Schriftstellertatigkeit als Kontroversschriftsteller falit in die Jahre 1697— 1711. Sein Hauptgegner D. Johann Adolph Frohne, geboren 1652 zu Eigenrieden ^), hatte sich schon mit 21 Jahren, nachdem er im Jahre 1673 den Magistertitel auf dér Akademie in Jena erhalten hatte, eiírig mit Disputieren bescháítigt. Als er 1691 Superintendent und Pastor primarius zu Mühlhausen in Thüringen geworden war, entfaltete er eine reiche wissenschaftliche und gelegentlich auch polemische Schriftstellertatigkeit®). Frohne starb am 12. November 1713 zu Mühlhausen. 2. Dér erste ZusammenstoB unseres P. Baumann, dér damals Guardian von Stadtworbis war, mit den Lutheranern, ist uns von P. Baumann selbst überliefert vv'orden. lm Jahre 1696 traf P. Baumann mit dem protestantischen Pfarrer Hermann Andreas Hoffmann zu Rödgen und Albach im Buseckertal bei Giefien zusammen. Dér AnlaB dér Aussprache beider ist nicht über­ liefert. P. Baumann berichtet darüber in einer seiner Schriften, die ich bisher nirgendw'o als eigene Schrift Baumanns angeführt fand. Die Schrift ist offenbar, wie die meisten seiner Schriften, in Duderstadt gedruckt. Sie ist ohne Titelblatt — dér Titel selbst ist unter die Kopfleiste des ersten Blattes gesetzt —, ferner ohne Jahreszahl, hat aber eigene Seitenzahlung. Dér Titel lautet: Von dem H. Sacrament dess Altars Ausser dem Gebrauch: Oder von dér Sacramentlichen Gegenvi^art Christi / Durch seine allmachtige Segens-Wort Das ist mein Leib / usw. Ver / und ausser dér Geniessung / usw. 2. Antwort P. Baumanns Auff 2. Schrifft H. Hoffmanns /. 32 S.

>) Freundl. Mitteilung von dem derzeitigen Provinzchronisten dér Thu- ringia P. Gallus Haselbeck, Sigmaringen-Gorheim. Vgl. über P. Medard Wolf G. Haselbeck, Necrologium 208 unter diesem Namen. P. Gallus Haselbeck vermutet nach dem ganzen Tenor obigen Berichtes eine Abschrift dér sche­ dula mortuaria, alsó des oífiziellen Totenzettels, des P. Edmund Baumann. 2) Dorf im Mühlhauser Gebiet. 3) Die Mühlhauser Ratsbibliothek besitzt noch heute 12 Werke von D. Frohne, darunter auch die beiden, gleich untén zu behandelnden Gegen- schriíten gegen P. E. Baumann aus den Jahren 1698 und 1700. Die Notizen über D. Frohne verdanke ich dem frdl. Entgegenkommen des Stadtarchivars von Mühlhausen Herrn Dr. Brinkmann, dér auch die Güte hatte, mir eine M ÜLLEK 203

Aus dem Titel ergibt sich, daB es sich bereits um eine zweite Antwort handelt. Von einer ersten Gegenschriít berichtet Baumann auí den ersten Seiten dér zweiten Antwort. Diese erste Gegenschriít ist uns niclit mehr als eigene Schrift Bau- manns erlialtcn, sondern von ihm dér im íolgenden Jahre er- schienenen Broschüre: „Cliristlicli Andencken“ (s. weiter untén) in den Seiten 10— 42 einverleibt worden. Es ist wohl als sicher anzunehmen, daB Baumann die Schriít einfach unver- andert herübernahni, so da6 wir im „Christlich Andencken" S. 10—42 die unverfalschten „Antwortlich Bedencken“ Bau- manns vöm 19. Február 1696 habén, von denen er auí S. 3 d^r Vorrede zu seinem obengenannten Büchlein gegen H. Hoíí- mann spricht. über die zwischen ihm und H. Hoíímann ent- standene Aussprache berichtet nun P. Baumann in genannter Vorrede S. líí. des weiteren; „In dem weitberühmten Buseckerthal kame einsmahl unter anderen Theologis. Discursen vor: Ob das H. / Sacrament dess Altars / oder Christi dess Herrn H. Leib / und H. Blut Sacramentlich gegenwartig seyen durch sein Wort: Das ist mein Leib / usw. vor dér Geniessung? usw. oder / ob zűr Sacrament- lichen Vereinigung dess Brodts / und Leibs Christi auch dess Weins und Bluts Christi genug seye die Einsegnung Brodts und Weins? Wie es Herr H. setzt.“ Hoíímann beantwortet die Frage mit: Nein, und íügt hinzu: So antworten allé Evangeli- sche Lutherische Lehrer 0- Baumann widerspricht ihm mit dér Begründung, daU anderswo von den H. Lutheranern anders geglaubt und geschrieben würde^), worauí mán sich einigte, daB beide Teile ihre Lehre und Meinungen schriítlich nieder- legen sollten. Baumann sollte Hoíímanns Wort dann wider- legen. Als nun „nach langem Verlangen" Baumann die Schriít Hoíímanns erlangte, sandte er ihm über Wetzlar (wohl durch das dortige Franziskanerkloster) seine bereits obenerwáhnte Antwort vöm 19. Február 1696 mit dem Titel: „Antwortlich Bedencken“ nach Rödge, erhielt aber in dér Folge keine Ant­ wort mehr, so daB er sich zűr Veröííentlichung seiner Antwort entschloB. Da kam endlich am 12. A p ril 1697 von H. Hoíímann ein Brief mit dér Fost, datiert: Rödge, den 12. Marz 1697, dér

Abschrift dér biographischen Notizen über F. aus Zedlers Unlversallexikon (1735) Bd. IX 2155 nebst anderen wertvollen Mitteilungen über F. zugehen zu lassan, wolür ich herzlich danke. i) S. 2. S. 2. 204 EDMUND BAUMANN GEGEN J(JH. ADOLPH FROHNE auch eine frühere Antwort Hofímanns mit dem Dátum vöm 10. Juni 1696 enthielt. Beide Antwortschreiben, die bis jetzt noch nicht aufgefunden wurden, sollen nach dem Urteile Bau- manns nichts sonderlich Neues enthalten, jedenfalls keine Gegen- beweise gebracht, sondern lediglich Anschuldigungen gegen Baumann enthalten habén 0- Um dér Widerlegung mehr Kraft zu geben, hatte sich Baumann an den Magister und Professor des Gymnasiums in Schweinfurt, Johann Friederich Heunisch gewandt, und ihm die Frage vorgelegt, wer unrecht habé, worauf dieser unter dem 23. November 1695 ihm antwortete und Hofímanns Anschuldigung, als ob P. Baumann den Frage- punlít verdreht habé, zurückweist ^). Aus diesen Mitteilungen Baumanns ergibt sich nun, da6 diese erste Broschüre im Jahre 1697 erschien. Dieses Jahr düríte deshalb als dér Beginn dér literarischen Tatigkeit Bau­ manns angesehen werden. Von jetzt an folgen sich die einzelnen Broschüren und Abhandlungen in kurzen Zwischenráumen. Zwischen den einzelnen Veröffentlichungen Hegen oft nur wenige Wochen oder Monate, ein Umstand, dér auf die Héítigkeit dér Kontroversen schlieBen láBt, aber auch nicht gerade von Vor- teil sein muISte für eine gediegene und allén wissenschaftlichen Anforderungen entsprechende geistige Durchdringung des in diesen Kontroversschriften verarbeiteten Stoffes. Inhaltlich bietet die Schrift nicht allzuviel Beachtenswertes. Die überschriften dér einzelnen Kapitel zeigen zugleich die Art seines Vorgehens und mögen deshalb hier folgen: I. Capittel. Von dér 1. Glaubens-Frag. Zwischen Herr Hoffmann / und P. Baumann. II. Capittel. Ob / und wie Hr. Hoffmann Antworte / und Probe bestehen? III. Capittel. Für vs^en das H. Abendmahl eingesetzt seye. IV. Capittel. Von Vergleichung deB heiligen Tauffs / und heiligen Abendmahls. V. Capittel. Von dér Lutherischer Lehrer Einigkeit. Dér letzte Punkt, die Einigkeit bzw. Uneinigkeit dér lutheri- schen Lehrer untereinander, ist für P. Baumann in allén seínen

1) s. 3. 2) B. druckt in seiner zweiten Antwort die Worte des Schweinfurter Professors ab; s. S. 10. MÜLLER 205

Kontroversschriften stets dér Hauptbeweispunkt; er nimmt deshalb auch íast stets den breitesten Raum in seinen Aus- íührungen ein. Baumanns A rt ist es, das zeigt sich bereits in diesem ersten Traktat, den Gegner maist in echt volkstümliclier und leichtfaBlicher Weise ad absurdum zu íühren, eine Art, die unserem heutigen Empfinden niclit melír besonders zusagt. Vergleicht mán aber diese Art mit dér damals in solchen volks- tümlichen Kontroversscliriften üblichen Weise, so hat dér Tón Baumanns nichts Auffalliges oder Besonderes *)• Baumann mu6 überhaupt ein sehr schlagfertiger und temperamentvoller Prediger und Volksredner gewesen sein, dér oft leidenscliaftlich, ja derb werden konnte, jedenfalls stets eine sehr scliarfe Sprache fülirte. Freilich haften seinen Arbeiten auch die Schattenseiten solcher aus dér Leidenschaft geborenen polemischen Schriften an: es íehlt ihnen gar oft dér streng logische Auíbau und die Klarheit, er bieibt an jedem Worte des Gegners haften und sucht es durch scharfe Gegenkritik in seiner Wirkung zu vernichten oder wenigstens zu schwáchen, es fehlt ihm die maBvolle Ruhe und das kritisch sichere und objektive Beurteiien des ganzen Zusammenhanges bei einzelnen, aus den gegnerischen Schriften geschöpften Zitaten. Dal5 beide Gegner sich vorwerfen, „mán solle in dér Zitierung dér Lehrer (Luther u. a.) aufrichtig gehen“ und den Vorwurf stets auf den anderen Teil abwaizen, wie Baumann dies gegen Ende dieser kurzen Schrift tut^), w ird uns im folgenden noch öíters begegnen. Baumann schlieBt mit den kampfesfrohen Worten, die wie eine Einléitung zu dér nun folgenden literarischen Tátigkeit kiingen; „Wann gewisse weitere Proben dér Catholischen Warheiten verlangt werden: Sollen sie / mit GOttes H ülff / de Saeculo ad Saeculum folgen“ ^). lm gleichen Jahre 1697 gab P. Baumann, dér damals^) an Stelle des verstorbenen Kustos dér Provinz, P. Thomas

’) Aus dér zeitgenössischen Kontroversliteratur sei u. a. nur auf fol- gende ganz ahnliche Schriíten hlngewiesen: „Die Wag Danielis oder Wag dér Wahrheit" des Jesuiten P. Marcus Schönman, Erfíurth 1680; ferner „Catholisch Zeug-HauB Mit allerhand Wehr und Wafíen“ von dem gleichen Verfasser, Erffurdt (sic) 1677 und die bekannte Kainpfschrift des Joli. Nikolaus Meislinger: „FriB Vogel / oder stirb!“ aus dem Jahre 1717, die allé den gleichen tempera- mentvollen Volkston habén. 2 ) g. 3 1 . s) g. 32. Auf dem DeíinitorialkongreB vöm 1. Febr. 1697, dér in Salmünster statttand. 2 0 6 EDMUND BAUMANN GEGEN JOH. ADOLPH FROHNE

Hartigen, zum Kustos dér Thuringia erwahlt worden war*), noch zwei gröBere Broschüren gegen das Luthertum heraus: 1. Anweisung zu leichter Hebung deB Lutheri- schen AnstoB-Steines wegen 2. Gestalten im H. Abend- mahl. Von F. E. B. M. B. (Fr. Edmund Baumann, Minderbruder), ki. 8°. 128 S. mit einer kurzen Vorrede und dér Dedicatio an den Fuldaer Kapitularen und Propst vöm Petersberge bei Fulda, Philipp von Spiegel zum Diesenberg, Duderstadt 1697^). 2. Christlich Andencken / Ob / und wie in Lutheris. Religion die Evangelische Wahrheit / seye; Ohne Glau- bens-Einigkeit lm H. Abendmahl. Von F. E. B. F. M. (Frater Minor), ki. 8“. 120 S., Duderstadt 1698, m it dér Dedicatio an den Fuldaer Kapitularen und Propst vöm Johannesberge b. Fulda, Bonifaz von BuBeck, íerner einer VOrrede an den Leser und dér Approbation durch den Provinzial dér Thuringia, P. Simon Moraeus, vöm 3. Február 1697 sowie durch den erzbischöflichen Zensor von Mainz, Johann Martin Engelhard, unter dem 4. Október 1697^). Aus den beiden Schriften des Jahres 1697^) laBt sich kein Anhaltspunkt gewinnen, daB Baumann die Traktate gegen be- stimmte Personen gerichtet habé. Die Schriften selbst machen

í) A C II ad an. 1697. 2) Dér genaue und vollstandige Tltel: Anweisung zu leichter Hebung deB Lutherischen AnstoB-Steines / Wegen 2. Gestalten im H. Abendmahl / Durch Evangelische Glaubens-Frage /. Und Antwort auB D. Luthern / etc. DaB kein Noth / noch Gebott alle haltén zu 2. Gestalten / drumb nicht abhalten von nöthiger Elnigkeit in einem H. Kath. Glauben. AuB Ghristlicher Liebe gegeben von F. E. B. M. B. Mit ErlaubnüB dér Oberen. Gedruckt zu Duder­ stadt / Bey Johan Jobst Hunoldt / 1697. Vollstandiger Titel: Christlich Andencken / Ob / und wie in Lutheris. Religion die Evangelische Warheit / seye; Ohne Glaubens-Einigkeit lm H. Abendmahl / Durch Evangelische Glaubens-Frage / mit Antwort auB D. Luthern und Hrn. Lutheranern zum Nach- und Besser-Dencken. AuB Christ- licher Lieb gegeben Von F. E. B. F. M. Mit ErlaubnüB dér Oberen. Gedruckt zu Duderstadt. Bey Johann Jobst Hunoldt / 1697. — Die Schrift hatte P. Bau­ mann, wie eine diesbezügliche Notiz im Approbationsschreiben des Provinzials lautet, diesem bei Gelegenheit des Halbkapitels im Február 1697 im Konvente zu Salmünster dargeboten. Bei derselben Gelegenheit muB B. auch die erste Schrift „Anweisung" vorgelegt habén, da sie ebenfalls 1697 und zwar ver obiger Schrift im Druck erschien. Eine 2. Auflage beider Schriften erschien 1698, die bereits den Hin- weis trágt auf den Kampf Baumanns mit D. Frohne von Mühlhausen. Siehe weiter untén. MüLLEft 207

den Eindruck, daB Baumann lediglich praktischen Bedürfnissen, dér Widerlegung jenes lutherischen „AnstoB-Steines“ von den zwei Gestalten in dér hl. Kommunion beim katholischen Volke dienen wollte. Es mag wohl sein, daB gerade die Bewohner des katholischen Eichsfeldes, die ringsum von Protestanten um- geben waren und durch geschattliche Verbindungen ot't mit den gröBeren Stadten Thüringens in Verkehr kamen, in dieser Hin- sicht besonders gefahrdet waren. Náheres über den direkten AnlaB dér schriítstellerischen Tatigkeit Baumanns láBt sich bis heute nicht nachweisen. Die Frage dér Kommunion unter beiden Gestalten spielt übrigens fást in jeder Kontroversschriít dér damaligen Zeit erklarlicherweise eine groBe Rolle (vgl. die oben S. 205 A. 1 genannten Schriften). Um seinZiel zu erreichen, wahlt dér Verfasser hierzu aus Luthers Schriften allé ihm passend dünkenden Stellen, in denen Luthers Autoritat gegen die zvi^ei Gestalten gebraucht werden kann, aus, um den Lutheranern, die heute beide Gestalten als wesensnotwendig zum Kommunion- empfang bezeichnen, Uneinigkeit und zwiespáltige Lehre vor- zuwerfen. Die Sprache ist volkstümlich, leicht verstandlich, die Form packend, ja zuweilen leidenschaftlich und ins Derbe hinübergehend. Ohne besonderen logischen Auíbau schichtet dér Verfasser das ganze Material seiner Schrift in etwa 18 Fragen auf, die er nach Form dér Katechismugfragen íür seinen Zweck kurz und bündig formuliert, dagegen oft recht ausíührlich beantwortet. Nr. 1-^7 dieser Antworten weisen nach, daB sich aus Luthers eignen Schriften Stellen genug finden lassen, die gegen eine Verpflichtung zum Gebrauch beider Gestalten sprechen, vielmehr die Freiheit betonen, vs^ie auch Christus kein solches Gebot für allé Glaubigen gegeben habé. Schon nach dem lutherischen Glaubensgrunde: Mán solle nichts suchen, als was in dér Schrift ausdrücklich beschrieben sei, dürfe mán alsó nicht von einer solchen Verpflichtung reden Die Beweislast obliege übrigens den Lutheranern, die den Streit angefangen hatten, nicht dér katholischen Kirche, die den Beistand des Hl. Geistes besitze und in ihrem Rechte bleibe, zumal die an- geführten Beweise dér Lutheraner nicht vollgültig seien. So stehen denn tatsachlich „die heutigen Herren Lutheraner" gegen

1) S. 19. 208 ÜDMÜND BAÜMANN GEGEN j o h . a d u l p h f r o h n e die Person ihres Lehrers D. Luther, sind alsó m it ihm uneins in ihrer Lehre (Nr. 8). Frage 9 behandelt ausführlich die wichtigsten Gründe, die die Lutheraner für ihre Lehre anführen, so das vermeintliche Gebot Christi, demgegenüber aber Luthers Forderung von dér evangelischen Freiheit um so schárfer betont werden müsse, ferner dér stets wieder angeführte Beweis aus den Einsetzungsworten: das ist mein Leib, das ist mein Blut, aus denen aber — ohne die erklarende Tradition — nichts geschlossen werden dürfe, weil mán sonst auch aus demselben Beweisgrund zu einem Gebot dér FuBwaschung komme, schlieI3- lich, dér Kelch und dessen Trinken sei dér Kirche von Christus beim letzten Abendmahle zum Testament vermacht worden, íerner, wer nur unter einer Gestalt kommuniziere, empfange gar kein Sakrament, da zum Sakrament beide Gestalten ge- hörten, worauf Baumann antwortet, das Blut Christi sei so gut in dér hl. Hostie wie im Weine, dér Leib Christi sei nicht mehr trennbar nach Christi Auferstehung 0- Frage 10 behandelt dann eine damals offenbar oft auch in katholischen Kreisen bespro- chene Meinung, ob die Kirche nicht besser daran tue, das Verbot beider Gestalten für die Laien aufzuheben, was Bau­ mann mit „unpartheyisch Bedencken“ abzuweisen sucht ^). Die letzten Nummern 13—18 beantworten die Frage, was vöm lutherischen Priestertume zu haltén sei, das in Wirklichkeit kein Priestertum sei, wie dies auch aus Luthers Schriíten be- wiesen werde^). Folglich hatten auch die Lutheraner kein wahres Sakrament und kein „Nachtmahl des Herrn“. Baumann schlieBt mit den Worten: „Glauben die Hrn. Lutheraner ihren Píarrherrn / daB sie wahrePriester seyen; warhafftig von Sünden absolvieren / und das H. Sacrament handlen / und geben ; so be- dencken sie / ob nicht D. Luther sie habé belogen. Glauben sie aber D. Luther; so bedencken sie / ob sie von ihren Luth. Pfarrherrn / als keinen Priestern werden betrogen. Was Raths? mán bedencks: Und verdencks den nicht / dér auB Liebe Gottes / und deB Nechsten / die Lutherische Glaubens Lehr / auB D. Luther schreibet. Gott gebe allén seinen heiligen Geist / ihm zu ge- falle n : / das bőse zu hassen / die Irrthum e verlassen: ein Hertz / ein Seel / daB niemand fehle gegen die rechte Glaubens-Regel“ ^). In dem 2. Büchlein „Christlich Andencken“ íührt B. im

1) S. 33— 48. 2) s. 5 2 u. 54. s) g_ 117— 128 Frage 18. S. 128. MÜLLER 209 wesentlichen dieselben Gedanken weiter aus. Hauptzweck seiner Polemik ist stets wieder zu zeigen: „was unter denen Hm. Augsp. Confession Verwandten íür Uneinigkeiten / und Contrarieteten seyen“ ’)• Dér klaren Lehre des lutherischen Kate- chismus und verschiedener bedeutender lutherischer Theologen sowie dér Augsburger Confession, die von dér realen Gegen- wart Christi im hl. Altarssakramente reden, stellt er die Lehre neuerer Theologen entgegen, die nur im Augenblieke des Ge- nusses die sakramentale Gegenwart Christi gelten lassen wollen. Ein weiterér Abschnitt behandelt die Verschiedenheit dér lutheri­ schen Ansichten über die Frage, wann und durch welche Worte die Gegenwart Christi im Sakramente eríolge oder bewirkt werde^). AnschlieBend folgen nun die bereits eben berührten „Einige Bedencken P. B. auff die Luth. Evangelische Schriíft Hrn. Hoífmans (sic) Vöm H. Sacrament deB Altars“. Sie behandelt ausführlich die Wesensverwandlung von Brot und Wein in Christi Leib und Blut und sucht wiederum die Uneinig- keit protestantischer Lehrauffassung sowie die Unzulánglichkeit dér Hoffmannschen Beweise darzutun. In den beiden letzten Fragen — im ganzen sind es sieben — behandelt Baumann die íortdauernde Gegenwart Christi im hl. Sakramente sowie die Transsubstantiation nach katholischer und lutherischer Auf- fassung. Bei letzterer zeigt sich das gleiche Bild dér Uneinig- keit wie vorher. AnschlieBend folgen mehrere kleine Abhand- lungen, die, in sich abgeschlossen, eigene Materien behandeln, aber in die Seitenzahl dér vorliegenden Schriít aufgenommen wurden. Deren erste trágt den Titel; „Mehrere Evangelische Glaubens-Frage / Von dér nöthigén Prüffung und Vorbereitung zűr Würdigen Geniessung de6 H. Sacraments deB Altars“ und behandelt auf den Seiten 81— 102 in sieben Fragen die klare katholische und zwiespáltige lutherische Aufíassung betreffs dér Erfordernisse dér Vorbereitung. Die zweite tragt die überschriít: D. Luthers Schrifítliche Beicht / Wie er offentlich beichtet / und bekennet Tóm. 6 Jen. germ. f. 83 et seq. Anno 1533, die auf 17 Seiten (S. 103—120) in weiteren drei Fragen aus den Schriften Luthers ®) die bekannte Disputation Luthers mit dem Teufel über

1) Vorrede 1. Seite. 2) s. 3 ff. 3) B. gebraucht in seinen Zitaten aus Luthers Werken stets die Jenaer Ausgabe von 1555— 1558. Franzisk. Studien. 10. Jahrg. 3./4. Heft. 14 2 1 0 EDMUND BAUMANN GEGEN JOH. ADOLPH FROHNE

die Winkelmesse gegen Luther und den Protestantismus aus- beutet’). Sie hat seit den altesten Polemikern wider Luther in katholischen Kreisen eine Rolle bei den Angrifíen auf Luther gespielt. Auch Baumann benutzt sie in dér gleichen Weise und spricht den gleichen Gedanken aus, Luther gestehe, vöm Teufel über die Verkehrtheit dér katholischen MeBlehre unterrichtet worden zu sein; wenn es aber vöm Teufel, dem Vater dér Lüge, komme, wer könne da „m it gutem Gewissen Lutherisch“ bleiben. „Von wem hat D. Luther gelernt? von ví^em kommt’s her?“ ^) Diese letzten kleinen Broschürcn scheinen ursprünglich als Flugschriften íür das katholische Volk herausgegeben worden zu sein. Wenigstens laBt ihr ganzer Charakter und ihre Auí- machung diesen SchluB zu. Erst spáter mag Baumann sie in dem vorliegenden Bándchen „Ghristlich Anden"ken“ gesammelt und mit íortlaufender Seitenzahl versehen habén.

3. Baumanns Schriíten müssen in den Eichsíeldischen^und angrenzenden Landen viel Aufsehen gemacht habén. Ihr írischer, lebendiger und überzeugender Tón mag auch in den^reisen dér Lutheraner, zumal im einfachen Volk, gewirkt habén. Besonders in protestantischen Kreisen Mühlhausens, wo dér dortige Superintendent D. Frohne groBes Ansehen hatte®), spürte mán die Propaganda dér Katholiken durch des Mönches Schrift. Deshalb gab sich dér Pastor primarius von Mühlhausen, D. Frohne, schlieBlich daran, in einer sehr ausführlichen und weitschweifigen Schrift „Neu vertheidigter D. Luther" den Eichsfelder „Mönch“ zu vi^iderlegen ^). In dér Vorrede gibt Frohne die Gründe an, die ihn veranlaBten, gegen P. Baumann

1) Die Begegnung mit dem Teufel wird heute nicht mehr als Tatsache hingenommen, sondern, da Luther selbst nicht an sie geglaubt, die Papisten nur mit einem Libeli von neuer Gattung bestürmen „wollte". Vgl. G risar, Luther III 628. 2) Ghristlich Andencken 119; vgl. auch G risar 627.

8) Wie aus dér Vorrede zu D. Frohnes Neuvertheidigtem Luther zu er- sehen ist, trat ein Mühlhauser Bürger, dem P. Baumann im Kloster zu Stadt- worbis, wo dér Bürger Geschafte halber weilte, das Buch gegeben hatte, an Pastor Frohne heran mit dér Hitte, das Buch zu beantworten; s. Vorrede Nr. 4. Dér volle Titel lautet: D. Joh. Adolphi Frohnii. Pást. Prim. und Su- perint. zu Mühlhausen in Thüringen N eu-vertheidigter D. Luther / das ist Gründlicher BeweiB dér übelpraktizierten Kunst die heutigen Lutheraner aus MOLLER 211 auízutreten: 1. Die Liebe zur göttlichen Wahrheit; er habé „die vöm Mönche angeíeindete Lehrpunkte gründlich erwiesen und ausgeführet“. 2. Die Rettung dér Lutherischen Einigkeit, da es des Mönches Hauptzweck bei allén 18 Fragen gewesen, „zu zeigen und dér Welt einzubilden / als wáren die heutigen Lutheraner mit D. Lutliern in dér Lehre vöm heiligen Abend- mahl und aaderen Lehr-Punckten... uneinig“. Frohne will dem- gegenüber zeigen, daB diese Uneinigkeit niclit bestelie, sondern dér Mönch solclie „durcli mutilierte und verstiramelte Aníülirung und Verdrehungen dér Schriften D. Luthers erdiciitet und er- sonnen habe“. 3. reizte ilin zűr Gegenarbeit „dieser Möncbs- Schrift Gefahrlichkeit“ und 4. des Superintendenten „Amtspfiicht und Scliuldigkeit“. Frohne gibt zu, daB von dem Franziskaner „das Gift dér Papistischen Irrthümer mit gar freundlichen und süssen Worten vorgetragen wird“, so daB einíaltige Herzen leicht Schaden nehmen könnten. Er muB die Propaganda, die die Patres und Geistlichen auf dem Eichsfelde mit P. Baumanns Schriíten trieben, in dem nur zwei Meilen entíernten Mühlhausen ziemlich gespiirt habén. Da habé „dér getreue Wachter® seiner Gemeinde, D. Frohne, nicht stilie schweigen können, sondern müsse „seine Gemeinen für dem Wolfíe warnen / und ihm das Mául wischen“ ^). 5. griíf Frohne zur Feder, um den ange- griffenen D. Luther gegen allé „angedichtete Unwahrheit“ und „Verdrehungen dér Schrift-Stellen“ in Schutz zu nehmen. Endlich 6. sei es nötig, „des Papistischen Trutzes Nichtigkeit" wieder einmal aller Welt aufzuzeigen. Denn „die Geistlichen Herrn Patres und Fratres in den Eichsfeldischen Klöstern“ hatten „viel Rühmens und Gloriierens über diesem Buch gemacht, als ware es unwiderleglich“ , und auch manchen Mühlhauser Bürger, dér geschaftehalber in die dortigen Klöster kam, triumphierend auf dieses Buch aufmerksam gemacht, als ware D. Luther nun besiegt. Einem dieser Bürger hatten die Patres — oífenbar aus dem Franziskanerkloster Stadtworbis — besonders stark zugesetzt und ihm das Buch gezeigt mit dem Begehren: Nun möchten die Herrn Lutheraner antworten. Worauf jener ent-

D. Luthern zu widerlegen / so R. P. Edmundus Baumann / eln Franziskaner Mönch in sefnem Buch genandt Anweisung . . . erwiesen hat. Verlegt zu Jena / von Joh. Jacob Ehrdten. Gedrückt zu Mühlhausen, von Tóbiás Dávid

Brücknern. Anno 1698. KI. 8 ®, 586 S. mit einer langeren Vorrede. 1) Vorrede Nr. 4. 14* 2 1 2 EDMUND BAUMANN GEGEN JOH. ADOLPH FROHNE gegnete: „Ihr Herren verschonet meiner / ich bin ein einfáltig Mann / ich gláube, was ich aus meinem Catechismo gelernet habé / wolt ihr disputieren, so disputieret mit unseren Geist- lichen / die werden euch schon Red und Antwort nach Ver- gnügen geben . . . Sollte unser D. Frohne das Buch sehen und lesen / er würde schon aus Gottes Wort etwas dawiderzusagen finden . . So hatten sie ihm das Buch gegeben, daB er es Frohne bringen sollte, „welches er auch gethan . . . mit ange- hangter Klage / daB mán ihm noch niemals in den Clöstern / darinne er doch seines Handwercks wegen sonst vormals oít und viele gewesen / so heítig zugesetzet hátte als vor ietzo / mit hinzugesetzter Bitte“, Frohne möchte doch solches Buch beantworten 0- Frohne hatte bereits vor dieser Aufíorderung den Plán zu seiner Gegenschrift geíaBt, wie er an gleicher Stelle zugibt, will aber jetzt um so mehr als ein Dávid, dér seine „GeistlicheHirten-Tasche mit den glatten Schleuder-Steinen aus dem Bach des reinen Strohms des GöttlicheiF Worts“ an- íüllt, dem „Papistischen Goliath“ entgegengehen ^). Von dér zweiten Schrift Baumanns „Christlich Andencken" bekam Frohne, nach dem P. S. in dér Vorrede, erst Kenntnis nach Vollendung seiner Gegenschriít. Er gedenkt sie vielleicht ein ander Mai zu widerlegen, was aber nicht geschah. In dér nun folgenden Widerlegung dér Baumannschen Schriít geht Frohne dergestalt vor, dafi er Frage um Frage aus dér „Anweisung“ herausgreiít und die einzelnen Argumente Baumanns zu zerpflücken oder zurückzuweisen sucht. Dabei entíaltet Frohne eine groBe Belesenheit in dér theologischen Literatur und — neben einer allerdings sehr breiten Sprache — einen ruhigen und nüchtern denkenden Geist, dér offenbar die Schulung des einstigen Magisters und wissenschaítlichen Theo- logen verrat. Der Enge des uns zűr Veríügung stehenden

1) Vorrede Nr. 6 . Über diesen Mühlhauser Bürger war nichts Naheres zu erfahren. Ob es derselbe ist, den P. Baumann im Eingange seiner spateren Schrift Emmanuel (1706) erwahnt, wo er von einem vornehmen Mühl­ hauser Herrn berichtet, dér Ihn ersucht habé, „mit Schreiben gewisser Ur- sachen halben einzuhalten", möchte ich bezweiíeln, da an obiger Stelle von einem Handwerker, hier aber von einem vornehmen Herrn die Rede ist. Auch im Archiv und auf dér Ratsbibliothek dér Stadt Mühlhausen war über diesen Bürger nichts Naheres zu íinden, wie dér dortige Stadtarchivar Dr. Brinkmann mir mitzuteilen die Güte hatte. 2) Vorrede a. a. 0. MOLLER 213

Raumes wegen ist es unmöglich, die inhaltliche Seite dér Wider- legung ausführlicher zu behandeln. Nur auí eine Reihe wich- tiger Punkte sei aufmerksam gemacht, die auch íür die Beur- teilung dér ganzen Fehde und dér beiden Gegner von Bedeutung sind. Frohne wirít Baumann vor, dal3 er in den aus Lutliers Werken angeíührten Texten nicht auí den Kontext dér Worte geachtet habé — es handelt sich um die Texte Luthers, in denen L. die Kommunion unter einer Gestalt zugelassen, oder auí beide Gestalten zeitweilig verzichtet bat —. Indem Frohne diese Stellen in ihrem eigentlichen Zusammenhang bringt, ver- mag er manches Beweismoment Baumanns zu entkraften. Aber es geiang eben Baumann in seinen íolgenden Schriften stets wieder, neues Material aus Luthers Schriften herauszuholen, das nicht stets widerlegt werden konnte. Baumann kam es, wie dies aus dem ganzen Tenor seines I. und II. Gontrapunktes, dér Widerlegung dér Frohneschen Gegenschriít, hervorgeht, weniger darauf an, die sichere Lehre Luthers über die Kom­ munion unter zwei Gestalten íestzustellen, als vielmehr die Tatsache herauszuheben, daB Luther mehrfach — wenBr auch aus bestimmten Gründen, besonders solchen dér pastoralen Klugheit und Rücksichtnahme auí das einíache Volk und die Schwache dér Menschen — die Kommunion unter einer Gestalt als zulassig hinstellte. Von diesem Standpunkt aus griíf Ban- mann in seiner im Jahre 1699 íolgenden Verteidigungsschriít I. Contrapunkt') die gleiche Sache von neuem auí und íührte an die 20 Stellen aus Luthers Werken an, in denen dieser die Kommunion unter einer Gestalt direkt oder indirekt zulasse. Die írüheren, bereits in dér ersten Schriít zitierten Stellen behauptet Baumann dabei von neuem, so daB beide Teile sich förmlich ineinander íestbeiBen ^). Um ein einigermaBen gerechtes Urteil zu íállen, glauben wir betonen zu sollen, daB mán an vielen Stellen dér Widerlegung Frohnes doch das Fehlen jener tieíeren Begrifíe über katholische Geheimnisse spürt, die íür eine eríolgreiche Disputation in diesen Materien absolut not- wendig sind^). Umgekehrt mu6 mán aber ebenso betonen, daB P. Baumann, um die einzelnen Stellen aus Luthers Werken

1) Siehe w eiter untén S. 207, A 1. 2 ) g. 48— 60 des I. Contrapunctes. 3) So z. B. in dér 5. Frage: Ob mán das Sacrament soll anbeten? Neu- vertheidigter Luther S. 32 ft. bes. S. 35. „Hieraus ist klar / daB D. Luther die Anbetung des ganzen Sacramentes zugelassen hat. Er gebraucht zwar . . . 2 1 4 EDMDND BAUMANN GEGEN JOH. AÜOLPH FKOHNE wirklich in ihrem ganzen Kontext und ihrer waliren Bedeutung erfassen zu können, Luthers W orte vielmehr aus dem ganzen Gedankenkreise und dér theologischen Denkweise Luthers heraus beurteilen müBte, wahrend er sie oít nur aus dér reinen katho- lischen Atmospháre heraus, in dér B. lebt und denkt, versteht. Deshalb hat es nicht ausbleiben können, dafi Bauraann den Zusammenhang mit dér ganzen Denkweise Luthers so oft vergaB oder gar nicht recht erfaBte, so dafi Frohne ihn hier stets von neuem fassen konnte. Nach dér ganzen, uns durch seine Tátig- keit in den höchsten Ordensamtern und auch in dér sonstigen Verteidigung dér katholischen Lehre bekannten Persönlichkeit Baumanns ist aber bewuBte Fáischung oder íaische Deutung dér Worte Luthers, wie Frohne dies ihm mehríach vorwirft’), ausgeschlossen. Beiden Gegnern nluB mán alsó einen Rangéi an psychologischem Einíühlen in die Welt des Gegners vor- werfen, wie dies in erregten Polemiken meist dér Fali ist. Bei dér Behandlung dér nun folgenden Fragen über die zwei Gestalten íührt Frohne eine groBe Zahl von Schriftstellen íür seine Zwecke an, erklart sie aber ohne jede Tradition und lehramtliche Autoritat, so daB allé seine Folgerungen nie den Gegner, dér Katholik ist, voll überzeugen konnten, selbst wo Frohne mit breitester Ausführlichkeit, wie bei dér 8. Frage; Ob jeder Christ schuldig sey / zu glauben / als Gottes Wort / daB ein Geboth und noth sey / wodurch allé Christen verbunden sind beyde Gestalt zu empíangen? allé einschlágigen Vater- stellen heranzieht ^). Ahnlich liegt die Sache bei den Fragen über das wahre Priestertum ^). In einem Anhange gibt Frohne noch eine Antwort auí Baumanns Vorrede zu seiner Anweisung und zeiht ihn dér bewuBten Lüge ^), so daB von dér Liebe Gottes, um derentwillen dér Franziskaner das Buch geschrieben habén wolle, keine Rede sein könne. Unser U rteil über diesen Vor- wurí habén wir bereits oben ausgesprochen. die Redens-Art / das Sacrament anbeten / verstehet aber nichts anders / als Christum im Sacrament / als das Haupt-gut desselben / anbeten / wie dér Context zeigtl. S., 35. Dasselbe drückt auch P. Baumann aus S. 13 seiner „Anweisung". Von einer Anbetung dér Gestalten von Brot und Wein, wie Frohne S. 33 meint, hat B. nicht geredet und redet auch'wohl kein kath. Theologe. Vgl. auch S. 41 untén und S. 42 oben des „Neuvertheidigten Luther'*. 1) Vgl. Neuverth. Luther 47—49. S. 52—125. 3) S. 341— 558. 4) S. 585 ff. MÜLLER 2 1 5

Ein ausführliches, alphabetisches Register soll dem Buche zugleich den Wert eines Nachschlagewerkes geben. lm all- gemeinen kann mán Frohnes Arbeit als eine nicht ungeschickte und dabei auch — bis auf wenige Stellen — in ihrem Tone vornehme Abwehr dér Baumannschen Schrift nennen, die in den Kreisen dér Protestanten sicher von EinfluB gewesen ist. Éhe aber noch die Gegenschrift Frohnes P. Baumann zu Gesichte gekommen, hatte dieser bereits ein drittes Bándchen seiner Volksschriften erscheinen lassen unter dem Titel: A lté r Bestand Catholischer Warheiten ^). Noch einmal legt Baumann den status questionis in seiner Lieblingsfrage dér Kom- munion unter einer Gestalt klar, um was es sich eigentlich in dem Streite zwischen Katholiken und Lutheranern landle, und betont, daB die Lösung nicht einzig aus dér Hl. Schriít genommen werden könne, sondern auch aus dér Traditon. Und da zeige eö sich denn, daB in dér ganzen ersten Christenheit, Jesus nicht ausgenommen^), die zwei Gestalten nicht als notwendig betrachtet worden seien zűr Kommunion; dér gleiche SchluB lasse sich aus dér apostolischen Zeit ziehen, in dér so oft nur von dér Gemeinschaft des Brotbrechens und fást nie von dér des Kelch- trinkens die Rede sei. Selbst in dér Augsburger Confession habé mán eingestehen müssen, daB dér Gebrauch einer Gestalt so alt sei, daB weder sie (die Fürsten, die jene Konfession unter- schrieben) noch sonst jemand wissen könne, vs^ann dér Gebrauch e in e r Gestalt in dér Geschichte begonnen habé®). Nun geht Baumann die einzelnen Jahrhunderte des ersten christlichen Zeit- alters bis auf die Zeiten des hl. Bonifatius durch und bringt eine sehr ausführliche Darstellung aller in Betracht kommenden Vaterstellen über die Kommunion unter einer Gestalt auf fást 200 Seiten. Mit besonderer Breite behandelt er die Lehren des hl. Chrysostomus und Augustinus. Die Zusammenstellung ver-

’) Dér vollstandige Titel lautet: Altér Bestand Catholischer Warheiten von dem Heiligen Sacrament deB Altars Vor / In / Nach dér Communion Und H. Abendmahl / Auch in 1. Gestalt durch die erste Christliche 600. und mehr

Jahr / b i6 auff die gebenedeyte Zeiten S. Bonifacii so offt / und klahr be- zeugt / daB Gegen-Part überzeugt scheinet. Colligirt und praesentiri von F. Edm. Baumann Franciscaner. Mit Verwilligung dér Oberen. Gedruckt zu Duderstadt / Bey Johann Jobst Hunoldt. 1698. Das Büchlein erschien in ki. Oktáv und hatte 328 Seiten. 2) Er íührt Christi Beispiel bel den zwei Jüngern in Emmaus an S. 9 ff. 3) S. 35. 216 EDMUND BAUNANN GEGEM JOH. ADOLPH FROHNE fehlt in ihrer Gesamtheit keineswegs ihre Wirkung. So kann Baumann am Ende dér Schrift den SchluB wagen, „daB dér heutige Catholisehe Glaub / und Gebrauch defi H. Abendmahls in 1. Gestalt / nichts neues / sondern von Christi / und dér Apostein Zeiten her seye / und / wie vor Alters / noch be- stándig bleibe“ i). 4. Wie schon erwáhnt, lieB P. Baumanns=Antwort auf diese Schrift von D. Frohne nicht lange auf sich warten. Rasch íolgte eine Veröííentlichung nach dér anderen: Zuerst gab Baumann seine beiden ersten Schriften „Anweisung“ und Christlich An- denken in 2. Auflage heraus. Sie erscheinen beide im Jahre 1698. Offenbar war die alté Auflage vergriífen. Beide sind ein vollstandiger Abdruck dér 1. Auflage, enthaltcn nur auf dem Titelblatt einen Vermerk auf den „Neuvertheidigten Luther". Dér „Anweisung" ist, wie auch schon das Titelblatt ankündigt, eine Erinnerung von 5 Seiten (ohne Seitenzahlung) beigegeben, in dér Baumann in aller Kürze und mit groBer Scharfe D. Frohnes Gegenschrift ablehnt und bald „2—3 Traktatlein im Truck“ ver- spricht, die zeigen sollen, vi^ie D. Frohne „vöm Ziel und Mittel weit gefehlt habe“ . lm gleichen Jahre 1698 erscheinen- dann dér bereits oben erwáhnte I. Contra-Punct und 1699 dér Il.Contra- Punct zum ersten Male als Einzelausgaben. Zugleich scheint auch P. Baumann eine Gesamtausgabe dér beiden Contra-Puncte geplant zu habén. Für diese Gesamtausgabe erteilte ihm be­ reits am 25. Marz 1699 dér damalige Provinzial dér Thuringia von Limburg aus die Druckerlaubnis, wahrend die des Erz- bischöflich-Mainzischen Commissars auf dem Eichsíelde Herwig Boning am 6. April erfolgte. Noch im gleichen Jahre erschien das ziemlich umfangreiche Buch unter dem Titel; Bewehrter Augenschein dér Lutherischen Uneinigkeit und Fehlbarkeit / Welche P. B. allegiret in seiner Anweisung zu leichter Hebung de6 Luth. AnstoB-Steines / etc. D. Frohn aber verneinet in seinem Neu-verthadigten D. Luther / etc'. Doch im I. und II. Contra-Punct 1. Von 1. u. 2. Gestalten / etc. 2. Von D. Luthers Lehr in Genere, 3. Von dem Lutherischen Glaubensgrund in Specie, Remonstriret F. Edmundus Baumann, Franciscaner / Thür. Provintz Priester. Cum Licentia Superiorum. Gedruckt

1) S. 328, MÜLLEK 2 1 7 zu Duderstadt / bey Johann Jobst Hunoldt. Anno 1699 0- Dér „Bewehrte Augenschein“ ist dem Bischof Johann Philipp von Würzburg gewidmet. Baumann, betont noch einmal in dér De­ dicatio das Ziel seiner Schriften, den schlimmsten Anstoi5-Stein, die Kommunion beider Gestalten, hinwegzuraumen. Deshalb habé er allén Gutgesinnten zeigen wollen, dai5 Luther selbst dér katholischen Auffassung gar nicht so íemdlich gegenüberstehe. Da nunD. Frohne ihm mit solch „Achitophelischen Scheine“ ent- gegengetreten sei, daB „mancher meyne: Ja seye Nein, oder Falscbheit seyé Wahrheit", wolle er aus Liebe zűr Wahrheit antworten und die „aufrichtigen Teutschen^ hinweisen zum „Be- wehrten Augenschein dér Lutherischen Uneinigkeit... in 2 Contra- Puncten: 1. Von 2 Gestalten, 2. Von D. Luthers Lebr in genere, und dem Lutherischen Glaubens-Grund in specie“ . Die Antworten Baumanns auí D. Frohnes Einwande sind dieses Mai ziemlich leidenschaftlich gehalten, óit kurz und scharf, zuweilen auch persönlich. Baumann holt aus Luthers Werken jede nur verfügbare Stelle herbei, die er dann in dér ganzen

1) Die vollen Titel dér beiden Contra-Puncte, die ihre Titelblatter in dér Gesamtausgabe behalten habén, lauten: I. Contra-Punct oder Gegen-Ziel D. Joh. Adolphi Frohnii, Pást. Prim. et Superint. zu Mühlhausen Neuverthadigten D. Luthers Gegen die An- weisung F. E. B. zu leichter Hebung deB Luth. Anstofi-Steins Wegen 2. Ge­ stalten im H. Abendmahl; . . . dem auffrichtigen Leser / als unpartheyischen Richter / auC D. Luther. Praesentirt Von P. F. Edmund Baumann Franciscaner, Thur. Provintz Priester. Mit ErlaubnuB dér Oberen / Duderstadt / gedruckt bey Joh. Jobst Hunoldt. / Anno 1698. ki. 8 . 144 Seiten. II. Contra-Punct Wegen Lutherischer Von D. Frohn verneinter / Von P. Baumann allegirter U neinigkeit über ^ genere, \ den Luth. Glaubens-Grund in specie. Mit einigen Bedencken / Unsicher die Uncatholische / Sicher die Catholische / lm Glauben seyen: Prasentirt von F. Edmundo Baumann / Franciscaner / Thuringis. Provintz Priester. Cum Licentia Superiorum. Gedruckt zu Duderstadt / bey Johann

Jobst Hunoldt / Anno 1699. ki. 8 . 208 Sejten. Diesem 2. Teli ist beigefügt obengenannte „Kurtze Anweisung deű Catholischen Glaubens Sicherheit zu erkennen. Aufi St. Bernardino. Wieder eine jener kleinen Broschüren, die den Charakter von Flugschriíten an sich tragen, vielleicht von Baumann írüher einmal getrennt veröífentlicht und nun in den II. Contra-Punct mit einge- gliedert wurde. 218 EDMUND BAUMANN GEGEN JOH. ADOLPH FROHNE

Scharíe seines Wortes gegen Frohne wendet. In dér Frage beider Gestalten (Kap. 1 u. 2) sind es alléin 25 Stellen. Am SchluBe jeden Kapitels íordert er dann den „christlieben Teut- schen“ oder Leser auf, zu bedenken, ob alsó nicht des Schrei- bers Meinung die rechte sei. Mit groBer Entschiédenheit wehrt er sich gegen den Vorwurf de.s MiBbrauches von Stellen, die Luther spáter selbst widerrufen habé und zitiert eine Stelle aus dem Jahre 1522, wo Luther sagt, er habé in diesen Stücken immer dasselbe gelehrt und sich nie widersprochen *)• Die fol- genden Kapitel (3—9) gehen .auí die kirchliche Praxis bei Aus- spendung dér hl. Kommunion und Feier dér hl. Messe naher ein und suchen aus Schriftstellen und Vernunítgründen, sowie Aussprüchen Luthers die katholische Ansicht als die richtige fest- zulegen, wobei Baumann immer wieder an die starke Uneinig- keit im lutherischen Láger aufmerksam macht. lm 2. Contra- Punkt legt er dann den katholischen Glaubensgrund in seiner ganzen Sicherheit dar, um die lutherische Uneinigkeit noch augen- scheinlicher zu machen, zumal die Stellung dér Lutheraner zu Luther eine durchaus verschiedene sei bei den einzelnen Luthe- ranern,wáhrend dér Katholik in seiner Kirche den festen Glaubens­ grund sehe. Die Lutheraner möchten sich in ihrer Lehre wohl auí Gottes Wort berufen, aber das hatten bis jetzt allé falschen Propheten getan, nachdem sie sich von dér einen, heiligen, katholischen und allgemeinen Kirche und ihrer uníehlbaren Auto- ritát getrennt hatten^), so daB sie — wie die Lutheraner jetzt Luther — einem Menschen mehr Glauben schenkten als allén Konzilien, den vielen Hunderten von hl. Vatern und Kirchen- lehrern und dér ganzen Kirche ®). In breiten Ausíührungen kenn- zeichnet er dann aus Luthers Schriften, wer ein Ketzer sei, um in einem ebenso lángén wie ausführlichen Abschnitt von dér katholischen Sicherheit im Glaubensgrunde und unkatholischer Unsicherheit zu sprechen^). Ein alphabetisches Nachschlag- register hat dieses Mai auch Baumann seinen beiden Teilen dér Gegenschrift angeíügt. Kaum vt^ar dér bewehrte Augenschein im April 1699 in die Presse gegeben worden, da folgte im Juni des gleichen Jahres schon wieder eine neue umfangreiche, dreiteilige Abwehrschriít des schlagfertigen Franziskaners gegen D. Frohne. Sie trágt

1) S. 59. 2) s. 31. 3) S. 32. ■‘) S. 148 fl. M Ü L L E R 2 1 9 den Titel: Achitophels Vernichteter Rath / Oder BeweiB, daB im Neuverthádigten D. Luther D. Joh. Adolphi Frohnii Su- perint. Mühlhusani nur Wort-Schein / nicht aber kraftige Proben / oder Davids-Steine sich íinden / 1. Die Catholische Köpfe zerschmettern / 2. Die Lutheris. Einigkeit retten / 3. Den D. Luther zu verthadi gén / 4. Mit den Seinigen vereinigen / 5. Ein Gebott 2. Gestalten probiren, etc. Wie nicht weniger in deme / was D. Frohn entgegen setzet dér G atholischen U n schuld im Brauch 1. Gestalt / und dér A n w e is u n g z u leichterHebung deB Lutherischen AnstoB-Steins / wegen 2. Gestalten / etc. Wie praesentirt, und remonstriret F. Edm. Baumann, Franciscaner, Thuring. Provintz Priester. Cum Licentia Superiorum. Duderstadt / bey Joh. Jobst Hunold / 1699. Die Schrift ist auBerordentlich umíangreich. Dér erste Teil behandelt auí 244 Seiten die Beweismomente D. Frohnes im „Neuvertheid. Luther" als achitophelische Scheinbeweise 0- lm . zweiten Teil: „Catholische Unschuld im Brauch deB hl. Abendmahls in einer Gestalt" weist Baumann auí 347 Seiten nach, wie dér. Brauch einer Gestalt in dér katholischen Kirche bis heute trotz aller Widersacher und auch D. Frohnes Neuverth. Luther noch immer zu rechte bestehe. Dér dritte Teil: „Gontinuation, oder zweite Theil Gatholischer Unschuld" (369 S.) íührt denselben Gedanken weiter aus, indem u. a. auch die Zeugnisse des Mittelalters und dér groBen katholischen Theologen mit herangezogen werden. Auch in dieser groBen Abwehrschriít fehlt wie in den übrigen Werken Baumanns die straífe logisché Gliederung, darum wirken sie ermüdend, zumal die Ausíührung sehr breit ist. Inhaltlich bieten sie den früheren Schriíten gegenüber nichts Neues. In dér Vorrede dieser letzten Schrift kündigt Baumann noch eine eigene Schrift über das katholische Priestertum an, um den am Schlusse des „Neuvertheidigten D. Luthers" aufgestellten Sátzen Frohnes über das allgemeine Priestertum entgegenzutreten. Die Schrift erschien bereits zu Beginn des Jahres 1700^) in

1) Achitophelische Ratschlage und Beweise gelten als absolut slchere Beweise. Vgl. Kirchenlex. v. Wetzer u. Welte I, S. 165. Achitopheles, dér Ratgeber Davlds: 2 Sam. 15, 12 u. ö. ‘^) Vgl. das Im prim atur des Ordensprovinzials vöm 20. Febr. 1700, das des eichsfeldischen Kommissars v«

Quartformat, wáhrend allé bisherigen Abhandlungen nur in Klein Oktáv erschienen waren. Ihr Titel lautete: A p o s to lis c h e r Be- ru íf dér Römisch-Cath. Priester Oder Richtigkeit deB wahren / eigentlichen / Catholischen Priesterthums. Welches D. I. A. Frohn Superint. zu Mühlhausen w il n ic h tig / das Lutherische aber ric h tig machen / doch vergeblich. Wie demonstrirt, und prae- sentirt F. Edmundus Baumann / Franciscaner, dér Thuringischen Provintz Priester. Mit Consens des Oberen. Duderstadt. Ge- druckt bey Johann Jobst Hunoldt / 1700. Wiederum zerfallt die Schrift in drei Teile. In ermüdender Breite weist dér erste Teil noch einmal die lutherische Auffassung vöm allgemeinen Priestertum aller Glaubigen, wie Frohne sie gelehrt hatte, zurück und behandelt dabei all die verschiedenen Ansichten dér aus dem Luthertum bzw. dér Reformation ent- standenen Sekten über dieses Thema. lm §15 des 9..Kapitels hat Baumann ein ganzes alphabetisches Verzeichnis dieserKetzer auígestellt, somit ein ganzes Ketzerlexikon geschaffen, das für den Historiker immerhin interessant ist. — Dér zweite Teil bringt eine Menge historischer Notizen von dér Hochschátzung des Priestertums bei den Heidenvölkern und von dér Ehrfurcht vor dem Priester, die Gott im Altén Bunde von den Israeliten ver- langte, sowie von dér Vortrefflichkeit des Priestertums nach den Worten des Neuen Bundes. Sie bilden in ihrer Gesamtheit eine ganze Apologie des Priestertums. Dér Abschnitt von den Ur- sachen dér Hochschátzung des kath. Priestertums ‘) ist den Werken des hl. Bernardin von Siena entnommen, vi^áhrend in dem nach- sten Abschnitt: Von dem apostolischen Beruf dér Priester, den Baumann in dér Berufung des Priesterkandidaten durch den Bischoí sieht ^), die Paragraphen 7 und 8 des 6. Kapitels über das hl. Sakrament des Ordo aus den Werken des hl. Bonaven- tura geschöpft sind^). In den. w^eiteren Kapiteln spricht Bau­ mann Luther und den Lutherischen Predigern jede mittelbare und unmittelbare Beruíung zum Priesterstande ab. Eine Beruíung durch vi^eltlicheFürsten müsse völlig ausgeschlossen sein. Imletzten Kapitel dieses zví^eiten Teiles kommt nochmals die hl. Messe und besonders die Transsubstantiation zűr Sprache. — In einem kurzen

1) S. 24 ff. 2 ) s. 71 ff. 8) s. 85 If. Élne genaue Nachprüfung dér einzelnen zahlreichen Zitate muB ich mir dér Kürze dér Zeit und dér Enge des Raumes halber für spater vorbehalten. M ü L L E R 2 2 1 dritten Teil führt Baumann noch eine Reihe Váterzeugnisse bis zum 9. Jahrhundert über das Priestertum und den Ordo an. Nach einem Katalog dér verschiedenen deutschen Bistümer, deren Bischofsreihen Baumann mehr oder minder vollstandig anführt, um ihre apostolische Sukzession zu beweisen, faBt dér Verfasser noch einmal die Ergebnisse aller seiner bisherigen Arbeiten und Schriíten zusammen.

5. Noch im gleichen Jahre 1700 antwortet Frohne in einer zweiten umíangreichen Gegenschrift von 552 Seiten mit dem Titel: Klarer und wahrer Augenschein / dér Richtigkeit des Neuverthadigten D. Luthers / wider Herrn P. Edmundi Baumanns / Franciscaner / genannten B e w eh rten, aber in dér That Blinden Augenschein und Luftstreichende Contra- puncte. zu finden in Mühlhausen/bey Conrad Ludwig. druckts / Tóbiás Dávid Bruckner / Anno 1700. In dér Vorrede wird Frohne recht persönlich und bittér. Er nennt die Schreibart Baumanns koníus, ruhmredig, sehr bittér und zornig, gar an- züglich und nicht recht gewissenhaít. Das sind schwere Vor- würfe, die Frohne auch im einzelnen zu begründen sucht. Konfus nennt er die Schrift Baumanns, weil dieser nicht die scholastische Form in confirmando und refutando eingehalten habé, sondern bald Fragen ohne Antvi^ort, bald Bedenken usw. vorlege. Frohne vergiBt aber, dal3 es sich um eine ausge- sprochen volkstümliche A rt handelt, die Baumanns Schriften zeigen. Am meisten halt er sich auf bei dem Vorwurf dér Bitterkeit dér Sprache. Dabei betont er, er wolle nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, desv^^egen habé er auch kein einziges Scheltwort Baumanns mit einem Scheltwort beantwortet, vv^as freilich nicht ganz w^ahr ist. Nicht recht gevv^issenhaít nennt er Baumanns Art, da er ihm Meinungen unterschoben habé, die er nicht geauBert habé. Auch dieser Vorwurf findet in den von Frohne angeführten Falién fást stets seine Eriedigung, ví^enn mán bedenkt, daB in dem hitzigen Kampfe beide Teile sich gar oft nicht recht verstanden und gegenseitig faische An- sichten unterschoben habén. Überhaupt ist dér Charakter dieser zweiten Entgegnung Frohnes zwar noch immer im allgemeinen vornehm trotz einer recht ermüdenden Breite, aber von Zeit zu Zeit wird doch dér Tón recht unangenehm, ja sogar É 2 2 e d Münd b a u m a n n g eg en j o h . a d o l p h fr o h n e bissig *)• Psychologisch sehr íein und scharf, benutzt dér ehema- lige Magister Froline allé menschlichen Schwáchen seines Geg- ners^). Inhaltlich bietet die Gegenschriít aber kaum etwas Neues. Besonderen Nachdruck legt Frohne dieses Mai auí die Texte Luthers übér die eine Gestalt und weist nach, dafi Luther diese Texte spater doch revoziert hat, wie sich aus anderen Stellen ganz einwandírei ergibt. Dér erste Teil dér Schrift gilt dér völligen übereinstimmung zwischen D. Luther und den heutigen Lutheranern; im zweiten Teil wird besonders aus- führlich von dér Hl. Schrift als dem Fundament dér lutherischen Lehre gesprochen. Mehríaeh wehrt sich Frohne wieder gegen den Vorwurf absichtlicher Fálschung, den ihm Baumann machte, schleudert ihn vielmehr auf Baumann zurück. Schon in den ersten Monaten des Jahres 1701^), gab Bau­ mann seine Antwort auf Frohnes zweite Gegenschrift heraus unter dem Titel: Demonstration oder deutliche Darthuung/ dafi Mein bewehrter Augenschein / dér Luth. Uneinigkeit / und Fehlbarkeit von beyden Gestalten . . . und D. Luthers Lehr / etc. R ic h tig / aber D. J. A. Frohns Superint. ... Bestreitung n ic h tig seye . . . Gedruckt zu Duderstadt. Bey Joh. Jobst Hunoldt. Anno 1701. . Dér Tón wird immer ungemütlicher. Baumann weist Frohnes Anklagen zurück. Ja, Seite 11 ff. zahlt er sogar ein Verzeichnis aller Schimpfwörter Frohnes über Baumann auf und meint zum Schlusse: „Gott Lob! ich weii3 von keiner Zorn-voller Bitterkeit / welche meine gantze Schriíft gegen D. Frohn ver- giíftet hátte . . . ^). Inhaltlich bringt dér erste Teil dér Schrift nichts Neues, wáhrend dér zweite Teil eine Zusammenfassung dér hauptsachlichsten Unterschiede beider |Konfessionen sowie eine Erklárung dér katholischen Lehre von den guten Werken und deren Verdienstlichkeit bietet. — Noch zweimal hat Bau­ mann seine Feder gegen Frohne ergriffen in den Jahren 1706 und 1711. Vorerst ruhte dér Streit allerdings eine Zeitlang. Dann aber begann Baumann wieder. Er selbst erzahlt darüber in dér Vorrede zu seiner 1706 erschienenen Schrift: Emmanuel, daB er, trotz des von Frohne noch veröffentlichten Communi-

1) Vgl. z.B. die Seiten 18— 21; S. 103 ff.; S. 164 untén; S. 197 u. ff. 2) Z. B. S. 29 vöm Schelten.

8) Die Approbation erfolgte am 1. und 8 . Marz 1701. *) S. 13. MOLLÉR 2 2 3 kanté 0, vorlaufig aufgehört habé, weiter zu antworten, zumal er von einem vornehmen Mühlhauser Herrn^) ersucht worden sei, mit dem Schreiben gewisser Ursachen halben — über dia bis jetzt nichts Naheres zu eríahren war — einzuhalten, bis er aber auf Rat dér Katholiken wieder zűr Feder griíf. Die beiden Schriíten: Em m anuel (1706) und Im m e rw a h r Catho- lls c h U n fe h lb a r: (1711) sind übrigens weniger Gegenschriften gegen den Superintendenten von Mühlhausen, sondern mehr katholische Erbauungsschriften mit starkem, polemischem Ein- schlag; nur in dér letztgenannten Schrift schlagt Baumann noch- mals scharfere Töne gegen Frohne an. Sie bringt überhaupt eine A rt Zusammeníassung aller Behauptungen Frohnes, um sie nochmals zu widerlegen. Das erste Kapitel enthalt übrigens auch einen ganz interessanten Katalog katholischer Schrift- steller, die gegen die zwei Gestalten geschrieben habén Auch Suarez und Valentin werden in eigenen Paragraphen zűr Wider- legung herangezogen, ebenso andere gleichzeitige und írühere Theologen. Aus allém ergibt sich nur dér eine SchluBsatz, daB die katholische Lehre unangefochten bleibt. lm Jahre 1713 starb Frohne, dér, wie es scheint, in den letzten Jahren seines Lebens nicht mehr aktiv in den Streit eingriff. P. Baumann, dér erst 1731 starb, schrieb dagegen noch einige aszetische Werke, die aber für unsere Fehde nicht mehr in Betracht kommen. Über Baumann als Persönlichkeit und seine Bedeutung íür die Thuringia und die damalige Zeit mag dann eine zweite Studie in diesen Bláttern AufschluB geben.

1) Die ich bis jetzt noch nicht geíunden habé. 2) s. S. 212 Anm. 1. s) g. 4 lí. 2 2 4 DAS BIBELSTUDIUM IN DER THURINaiA

Das Bibelstudium in der Thuringia von 1764—1786. Zwei Orientalisten des Frauenberges. Ein vorlaufiger Beltrag zur Geschichte der wlssenschaitlichen Studien der Franziskaner In Deutsehland. Von fP. Theophil W itzel O. F. M. Durch das ganze Mittelalter hindurch, bis tief herab in die Neuzeit, fand das Studium der HI. Schriit innerhalb des theologischen Gesamtstudiums keine seiner Bedeutung ent- sprechende Sonderberiicksichtigung. Auch ais man unter dem Drucice der immer mehr zunehmenden Angriffe auf das inspi- rierte Gotteswort von seiten der rationalistischen KritiJser eine eingehendere und systematische Behandlung der biblischen Probleme für notwendig erachtete, zog man, wohl aus Mangel an geschulten Kraften, auch wohl in einem Geíühle der Un- sicherheit über den einzuschlagenden Weg, vielfach Dogmatiker oder andere Theologieprofessoren heran, die neben ihren Diszi- plinen auch HI. Schriit lehren muBten oder doch unmittelbar vorher andere philosophisch-theologische Facher gelehrt hatten, so daB sie eine besondere Fachvorbildung nicht besaBen. Für die Notwendigkeit einer solchen hatte man damals noch nicht geniigendes Verstandnis. So lesen w ir denn auch im Nekrologium der Thiiringi- schen Ordensprovinz — bei andern Provinzen und Orden war es kaum verschieden — Namen von Lektoren, die nicht bloB in einer Disziplin unterrichteten, sondern vielfach nachein- ander, mehrfach nebeneinander, die verschiedensten philoso- phischen und theologischen Facher lehrten. DaB es sich dabei nicht um Fachgelehrte im heutigen Wortsinne gehandelt hat, dürfte sicher sein, nach dem bekannten Spruche; Pluribus in­ tentus minor est ad singula sensus; jene Mánner, gewifi tiichtig und selbst hervorragend in ihrer Art, hatten eine gute philo­ sophisch-theologische Gesamtbildung, auf Grundlage einer mehr formai gründlichen ais stofflich umfangreichen humanistischen Vorbildung; daher ihre Fáhigkeit, sich verhaltnismaBig schnell in ein bestimmtes Gebiet einzuarbeiten; aber für Spezialforschun- gen auf einem bestimmten Gebiete fehlte ihnen, wenige glück- licher gelagerte Falle ausgenommen, Zeit und Gelegenheit, auch wohl Verstandnis und Erkenntnis der Notwendigkeit. Diesen w IT z E L 225

Verhaltnissen entspricht für Jene Zeit die Zahl dér Lektoren: gemessen an den Forderungen dér Neuzeit war sie gering; mán sah eben, selbst bei genügender Leutezahl, noch nicht die Notwendigkeit dér Spezialisierung ein und war daher noch weit entfernt von dér Forderung: für jedes Fach wenigstens ein Lektor, dér keine andern Facher zu unterrichten hat! In dér thüringischen Ordensprovinz ist mán in dér zweiten Hálíte des 18. Jahrhunderts von dem Beginne eigener Bibel- studien verháltnismafiig schnell zűr Anstellung zweier eigener Fachlektoren íür Bibelwissenschaft und orientalische Sprachen gekommen, weii günstige Verhaltnisse die Ausbildung und Tátigkeit derselben ermöghchten; es ist ein bleibendes Ver- dienst dér damaligen Provinzleitung, mit richtigem Blick jene Manner an die Stelle gebracht zu habén, an dér sie so GroBes geleistet habén. Dem Provinzial P. Valentin Rösser und seinem Defini- torium gebührt das Verdienst, für die Notwendigkeiten dér neuen Zeit bezüglich des philosophisch-theologischen Studiums überhaupt und des Bibelstudiums insbesondere ein oífenes Auge gehabt zu habén. In dér ersten Sitzung des Provinzkapitels 1764, unter n. 9, machte dér genannte Provinzial den Vor- schlag, ein eigenes Bibelstudium in dér Provinz einzurichten, weil das Konzil von Trient das so eingehend einscharfe und fordere; dér Vorschlag fand Billigung, und es wurde ein dahin- gehender BeschluB gefaBt und zugleich den Magistern dér Auf- trag erteilt, Griechisch zu lehren, um sich und ihre Schüler in dieser Sprache immer mehr zu vervollkommnen und so ein fruchtreicheres Bibelstudium zü ermöglichen *)• Wohl mit Rück-

1) Vgl. Provlnzarchiv in Fulda-Frauenberg, Acta Capitularia. Das Kapitel 1764 wurde unter dem Vorsitze des P. Honorius Cordier aus dér Kölnischen Provinz, Generalkommissar des Ordens in den nordischen Landern, am 17. Okt. 1764 in Hammelburg begonnen. In dér 1. Sitzung des altén Definitoriums machte dér Provinzial den erwalmten Vorschlag. Sessio I, n. 11: „Proposuit A. R. P. Min. Provinciális, an studium Sacrae Scripturae a Sacrosancto Concilio Tridentino ita fortiter inculcatum et demandatum non debeat introduci in hanc Provinciam, et resolvit Deiinitorium affirmative. Methodus autem qua tractanda venit S. Scriptura relinquitur r^i» Provinciae Patribus: et Rí»™ Defl- nitorium concedit Lectoribus S. Scripturae eadem privilegia, quae habent Lectores Scholastici. Et ut studium S. Scripturae habeat meliorem successum et provectum, R>i““ Deiinitorium mandat Patribus Magistris, ut linguam grae- cam doceant, et se et discipulos suos in hac lingua qualificent."

Franzisk. Studien, 10, Jahrg. 3./4, Hett. ^ 1 5 2 2 6 d a s bibelstüdium in d e r t h ü r in g ia sicht auf die mit Einführung eines eigenen Bibelstudiums not- wendige Erweiterung des Lehrstoffes wurde auf dem gleichen Kapitél, in dér námlichen Sitzung unter Punkt 11, dér BeschluB geíaBt, das theologische Studium der Provinz auí viereinhalb Jahre auszudehnen damit die Kleriker immer mehr an Wissen und Tugend zunahmen oder, wie dér Text des Kapitelsberichtes lautet, sie immer mehr „fett würden an Wissenschaft und Tu­ gend". Entsprechend diesen Kapitelsbeschlüssen wurden auf dem gleichen Kapitel 1764 eine ganze Reihe von Lektoren dér Hl. Schriít für verschiedene Klöster aufgestellt: für Ham m el- b u rg : P. Jodocus GroBmann, Lector emeritus S. Theologiae; für Fulda: P. Auraeus Raab; für Tauberbischofsheim; P. Theodoricus Gerlach, Lector Ss. Theol. qui et Lector S. Scripturae . . .; für M iitenberg: P. Valerius Deitzel; für Mos- bach (Philosophiestudium): P. Gilbert Korbling; für Stadt- w o rb is ; P. Crescentius Holder; für S c h illin g s fü rs t (Philo- sophie): P. Venantius Gerlich, dér auch Lector Philosophiae war; für S ch w arzenb erg : P. Bernardin Gentzer, Lect. emer. s. Theol., alsó nicht weniger als acht Lektoren für die Hl. Schrift im Haupt- oder Nebenamt. Die wahrscheinlich nicht sehr er- mutigenden Erfahrungen, die mán mit einem solchen aus dem Boden gestampften Massenbetriebe im Schriftstudium machte, mögen wohl dér AnlaB gewesen sein, daB unter dem Nach- folger des P. Valentin Rösser, dem Provinzial P. Wilhelm Wil- helm, beim Halbkapitel 1766, dér Vorschlag gemacht und zűr einstweiligen Bestimmung erhoben wurde, daB das Schriftstudium mehr in den Klöstern des Studiums dér scholastischen Theo- logie und des Kanonischen Rechtes gepflegt werde So wurden auf diesem Halbkapitel bloB mehr folgende Patres als Lektores S. Script. ernannt: für F ulda; P. Auraeus Raab; für T a u b e r­ b isch o fsh e im : P. Theodoricus Gerlach (Lector Ss. Theol.,

1) A. R. P. Min. Provinciális exposuit an non fratres studiosi Theologi debeant liabere tres Cursus scholasticos per annos quatuor cum dimidio, ut ita magis pinguescant scientia et virtute, et Reverendum Definitorium respondit affirmative, ita tamen, ut norma tractatuum in quolibet cursu exponendorum regulanda sit a Reverendis Provinciae Patribus. Etiam omnis dispositio circa fratres Philosophos et Theologos relinquitur prudentiae Reverendorum Pro­ vinciae Patrum; ebd. ad n. 12.

2) Proposltum fuit, an non studia S. Scripturae sint continuanda et magis urgenda in locis, ubi traditur Theologia Scholastica et Jus canonicum, reductis aliis Scripturae studiis ? quod est ad deliberandum assumptum. Sessio II, n. 5. w IT z E L 227 * qui et Lect. S. Scripturae); für M iltenberg: P. Valerius Deitzel; für Schillingsfürst: P. Venantius Gerlich; für Scliwarzen- berg: P. Bernardin Genzer (sic!), lauter bereits beim Kapitel 1764 ernannte Lektorán; für den Haupt- und Kapitelskonvent Hammelburg wurde diesmal kein Schrift-Lektor ernannt. Das folgende Kapitel 1767 bestimmte für das Schriítstudium fol- gende Lektoron: für Hammelburg P. Crescens Glück; für F ulda: „Lector S. Scripturae et ss. Canonum A. V. P. Fr. Ferdinandus Klotten et A. V. P. Fr. Wolfgangus Schmidt“ ; für Tauberbischofsheim als Theologielektoren P. Venantius Gerlich und P. Valerius üeizel (sic!), „qui et Lect. S. Scriptu­ rae"; für Miltenberg: P. Auraeus Raab; für Stadtworbis P. Ottó Röhrich (obschon in Worbis P h ilo s o p h ie - studium bestand). Beim Halbkapitel 1768 wurden für Ham ­ melburg und Stadtworbis die gleichen Lektoren bestellt, für Tauberbischofsheim P. Venantius Gerlich, wahrend sein Kollege P. Valerius Deizel als Lektor dér Hl. Schrift nach Miltenberg versetztwurde; in Fulda kam P. Seraphln H ippler, über den hernach gehandelt wird, auf den biblischen Lehr- stuhl. Diese Besetzung von 1768 wiederholte sich beim Kapitel 1770 mit dér einzigen Ausnahme, da6 für M ilte n b e rg an Stelle des P. Valerius Deizel dér P. Ildephons Meininger zum Lektor bestellt wurde. Das Halbkapitel 1771 brachte in dieser Besetzung (von 1770) nur den einen Wechsel: in Hammelburg wurde P. Crescens Glück durch den Lect. emeritus und Páter Prov. P. Winimarus Arnold ersetzt, eine Bestimmung, die aber bereits beim Provinzkapitel 1773 wieder rückgangig gemacht wurde, indem mán áls Schriftiektoren für H am m elburg P. Crescens Glück, für Fulda P. Seraphin Hippler, für Tauber­ bischofsheim wieder P. Valerius Deizel, für Miltenberg P. Ildephons Meininger und für S ta d tw o rb is P. Ottó Röhrig bestellte. Dér öftere Wechsel in einzelnen Besetzungen lafit darauf schlieBen, daB mán mit dem „Probieren“ nicht immer Glück hatte. überhaupt müssen damals über die Arbeiten eines Schriftlektors noch sehr unvollkommene und verwirrte An- schauungen geherrscht habén, sonst hatte wohl das Halbkapitel 1771 in dér Sess. II unter n. 5 nicht eine authentische Erklá- rung einer Verordnung des Kapitels 1764 zu geben brauchen, ob die damals (sess. I n. 11) gewahrten Privilegien dér übrigen Lektoren dér Theologie allén „Lectores S. Scripturae, qui tan- 15* 228 DAS BIBELSTUDIUM IN DER THURINGlA • tum ad mensam legunt", oder bloB denen zukommen, die öffentlich unterrichten, und ob die Scliriitlektoren aucli Lectores Emeriti oder Jubilati werden können oder nur bezl. der Chor- verpflichtung und der Prazedenz den xibrigen Lektoron gleich- stelien; das Kapitel entschied selbstverstandlicli, „daB nur jene Lektoren der HI. Schrift, die nacli Verordnung der Statuten öffentlich unterrichten, alie Vorrechte der scholastischen Lek­ toren genieBen können“ . Einen bedeutsamen Fortschritt machten unter dem Pro- vinzialate des P. Wilhelm Wilhelm die Studien der Provinz auf dem Halbkapitel 1774; in der Sessio I unter n. 5 wurde eine N e u v e rte ilu n g der S tudien vorgenommen, die eine Vereinfachung und Vertiefung ermöglichten; die Klöster Ham- melburg, Neuburg (a. d. Donau), Tauberbischofsheim und S ta d tw o rb is wurden ais Sitze der dogmatisch-schola- stischen Theologie bestimmt, fiir Jus. can. und HI. S c h rift Fu Ida, fiir Philosophie Miltenberg und Salmünster; und ais Lektor des so geeinten Studiums der HI. Schrift blieb P. Sera- phin Hippler im Amte. So blieb es auch beim Provinzkapitel 1776 und beim Halbkapitel 1777; es wurde aber auf letzteren ein weiterer bedeutender Fortschritt erzielt: unter dem Vor- sitze des Provinzials P. Winimarus Arnold erhielt der Lektor S. Scripturae, P. Seraphin Hippler, einen Socius in der Person des P. A rs e n iu s Rehm, der ais Professor Linguae Arabicae aufgefiihrt wird; und auBerdem bezeichnen die Akten noch ais Assistens studii script. den P. H y a c in th Haum ann, der aber in gleicher Eigenschaft bei den spateren Kapiteln nicht mehr erscheint, wahrend P. Seraphin Hippler und P. Arsenius Rehm auch fernerhin ihr Amt bekleiden. Auf dem H a lb ­ k a p ite l 1780 erscheint P. Seraphin Hipler (sic!) ais Rektor S. Script. „et Professor publicus linguae Hebraicae in univer­ sitate Adolphiana“ und P. Arsenius Rhem (sic!) ais „Professor publicus linguae Arabicae in universitate." Das Kapitel 1782 nennt P. Seraphin „Lector S. Scripturae . . . qui et Professor Pubi, in Universitate Adolphiana", und den P. Arsenius „Pro­ fessor publicus linguae Arabicae et Hebraicae in Universitate Adolphiana“ 0- In der 1. Sitzung (17. Mai) dieses Kapitels-

>) Aui dem gleichen Kapitel heiUt es in Sess. Ia, n. 12: „P. Arsenio Rhem (sic!) conceditur praecedentia post Lectores Script. Theologiae et Juris can. cum titulo A. V. Patris, sed sine spe Emeriturae et Jubilationis cum adnexo onere, ut linguam Gallicam tradat Patribus Junioribus." WITZEL 229

1782 lesen w ir unter n. 5, daB P. Seraphin Hippler eine schrift- liche Bitté eingereicht hatte, als Lector Jubilatus erklárt zu werden, nachdem er bereits 14 Jahre und 4 Monate Hl. Schriít gelehrt habé; und das Deünitorium beschlieBt, daB seine Er- nennung zum Lect. Jubil. beim náchsten Halbkapitel vor sich gehen könne, wenn er bis dahin das von den Generalstatuten Vorgeschriebene beigebracht habé. DemgemaB bildete eine neue Bittschriít des P. Seraphin unter Beifügung dér authen- tischen Zeugnisse usw. einen Gegenstand dér 1. Sitzung (n. 4) des Halbkapitels vöm 19. September 1783; doch erkennt das Halbkapitel, daB die Ernennung eines Lect. Jub. seine Befug- nisse überschreitet, und es vertröstet P. Seraphin auf das fol- gende Kapitel, „ad quod citabitur, defensionem scripturisticam servaturus". So kam denn schlieBlich das Bittgesuch Hipplers zum dritten Male zur Verhandlung unter n. 5 der 1. Sitzung des Prov.-Kapitels 1785, vom 13. Mai: mittlerweile hatte er ohne Unterbrechung sechzehneinhalb Jahre HI. Schriit unterrichtet, und diesmal hatte sein Gesuch den gewiinschten Erfolg, wie aus den Akten der gleichen Sitzung unter n. 6 und 7 hervorgeht. Damit hatte die Lehrtátigkeit Hipplers ein Ende: er wurde aui dem gleichen Kapitel zum Guardian des Klosters Miltenberg erwahlt; als Nachfolger im Lektorate der HI. Schrift erhielt er den P. Eucharius Hoifmann. P. Arsenius Rehm vs^ar und blieb noch weiter „Lector Linguae Hebraicae et Arabicae", aber nicht mehr mit dem Titel Prof. pubi, in Univ. Adolphiana. Was dazu gefiihrt hat, daB der Frauenberg die Professuren an der Universitat verior, ist nicht bekannt; es wird lediglich in der Ephemeris Conventus Fratrum Minorum Reg. Obs. in monte Virginis Virginum ad Fuldam (vgl. Bihl, a. a. 0. 3, Anm. 3 u. S. 139, Anm. 2) kurz zum Jahre 1784 gesagt: „Eodem insuper tempore amisit conventus Fuldensis tres professuras in Univer­ sitate Adolphiana." Auf dem Halbkapitel 1786 wurde P. Arsenius Rehm zum Vikar auf dem Frauenberge ernannt, uhd damit hatte auch seine Lehrtátigkeit ihr Ende erreicht. Eine Darstellung der weiteren Entwicklung des Schrift- studiums in der Provinz liegt h ie r auBerhalb des uns gestellten Rahmens. W ir miissen aber die Tátigkeit der beiden Lektoron P. S eraphin H ip p le r und P. A rse n iu s Rehm uns etwas naher ansehen. 2 3 0 ÜAS BIBELSTUDIUM IN DÉR THURINGIA

Soweit hatte P. Kustos Theophilus Witzel den Artikel fertiggestellt. Noch am Morgen des 27. Mai hatte er daran gearbeitet und schon am Nachmittage gegen einhalb 3 Uhr ri6 ihm dér Tód die Feder aus dér Hand. Er starb plötzlich am Herz- schlag, als er sich auí dem Wege in ein benachbartes Dorí befand. In Trauer und Wehmut gedenkt die Thuringia in ilirem Jubilaumsjalire eines ihrer besten Söhne, dér nur Liebe kannte und stets andere mit Liebe beglücken wollte. Er war ein durch und durch vornehmer Mensch; für alles hatte er ein offenes Auge; sowohl für die Wissenschaft als auch für die Frömmig- keit zeigte er in gleicher Weise Verstandnis. Wohl wie kein zweiter in dér Provinz hatte er sich auf dieses Jubilaum dér altehrwürdigen Mutter Thuringia gefreut; und gerade seit dem letzten Provinzkapitel, das ihm die schwere Bürde des Pro- vinzialates abgenommen hatte, beschaftigten ihn so manche Pláne, wie er seine reichen Talente und Krafte in den Dienst seiner lieben Provinz und des hl. Ordens stellen wollte. Die Trauer um diesen in jeder Hinsicht vorbildlichen Mann war in allén deutschen Provinzen nicht minder grófi. Besonders trauern um ihn seine -Mitbrüder in dér Sachsischen Provinz, denen er als Jüngling und gereifter Mann stets ein treuer Freund und lieber Mitbrüder bis zu seinem Tode geblieben ist. Stark wie dér Tód ist die Liebe! Möge er dórt droben unser Jubilaum mit uns feiern! Möge sein Geist, seine Liebe zűr Mutter Thuringia, zum hl. Orden, seine Liebe zu allém Guten und Schönen, das Gott zu Ehren geschieht, uns, seine zurückgebliebenen Brüder im Jubilaums- jahre erfüllen und zu edlem Handeln anspornen! Have pia anima! P. Theophilus Witzel war geboren am 20. November 1879 zu Soisdorf, Kr. Hünfeld (Hessen-Nassau). Mit 16 Jahren nahm er das Kleid des hl. Franziskus. Am 16. August 1903 zum Priester geweiht, studierte er in Rom und Freiburg i. Br. alttestamentliche Exegese und Orientalia. 1905 war er Lektor dér alttest. Exegese in Rom und spater von 1907 an auf dem Frauenberg. 1915 wahlten ihn seine Mitbrüder zum Provinzialminister dér Thuringia in den schweren Kriegsnöten, da er — als Divisionsptarrer — gerade im Urlaub in dér Heimat weilte. Sieben Jahre hat er die schwere Bürde getragen und dér Provinz fást die doppelte Anzahl neuer Klöster verschafft. Seit 1922 war er Kustos dér Provinz. WITZEX, 231

Er hat in seinem Provinzialate den Studien und dér wissen- schattlichen Betatigung dér Patres allé nur mögliche Förderuug an- gedeihen lassen, hat bei jeder Gelegenheit seine eigne reiche Veran- lagung dér Wissenschaft zűr Verfügung gestellt und eine betrachtliche Zahl wissenschaftiicher Arbeiten, zumeist biblischen Inhaltes, ver- öífentlicht. Eine Reihe Abhandlungen betreffen die Bibelfrage in folgenden Zeitschriften: Pastor bonus, T rie r 1905/06, 145—152. 193—206. 241—256; Etudes Franciscaines, 1906 Sept. und Dezemberheft; 1907,41—50. Ferner zűr biblischen Kritik, in: Pastor bonus 1906/7, 9—21. über Urkunden- funde in Oberagypten (aus dem 5. Jahrhundert vor Christus) und die Papyri von Assuan-Elefantine, in: Páter bonus 1908/9, 371—379. 437— 442. 481—487; in: Rivista storico critica delle scienze teologiche, Rom 1909. Über die Ausgrabungen und Entdeckungen im Zweiströme- land, in: Kathol. Seelsorger, Paderborn 1909, 11—58. 104. 259. 305. 350. 393. 489. 531 und in : Etudes franciscaines (Les fouilles et decouvertes en Mésopotamie) XX 1908, 388-408; XXI 163-179. Ferner: Verschie- dene Auífassungen des Hohenliedes, in : Literar. Handweiser, Münster 1910, 449. 541. De Fr. Rogero Bacon ejusque sententia de rebus biblicis, in : A F H III (1910) 3-22. 185—213. Ebenso den Artikel „Roger Bacon“ , in: The Catholic Encyclopaedia X III (New-York) 111—116 (10 Spalten); „Bibelkommission und Bibelinstitut“, in: Dér A ar, 3. Jahrg., I. Bd., 345—360.463—481; „Zűr neuerenPalastinaforschung", in : Pastor bonus 1901/11, 15—23. 86-95. An selbstandigen Werken veröffentlichte P. Witzel: Ausgrabungen und Entdeckungen im Zweiströmeland, in: Bibi. Zeitfragen, 4. Folge Heft 3/4, 1911, 3. Aufl. Dann hatte er in Arbeit eine Schrift über Moses und Homanu- rapi, über das Hohelied, und eine exegetisch-homiletische Studie über den Patriarchen Jákob in den Alttest. Predigten, hrsg. v. Dr. P. Tharsitius Paffrath 0. F. M. In den letzten Wochen hatte er zumal in München zahlreiche Notizen zu einer Monographie über P. Arsenius Rehm und P. Seraphin Hippler gesammelt. Obiger Aufsatz im Jubilaumsheft, dessen II. TeiI unvollendet geblieben ist, sollte eine vorlaufige Studie zu dicsem Hauptwerke sein. P. Ewald Müller 0. F. M. 2 3 2 d ie FRANZISKANERKIRCHE AUF d e m FRAUENBERG b e i FÜLDA

Die Franziskanerkirche auf dem Frauenberg bei Fulda ais Kunstwerk.

Von P. Rem igius Boving 0. F. M. Im Weichbilde der Stadt Fulda ist nicht die festliche Pracht des íürstbischöflichen Schlosses, noch die mit Kuppel und Türmen bekrönte Majestat des Domes, sondern der Frauenberg mit der monumentalen und einfachen Gröfie des Franziskanerklosters aui seiner Spitze der herrschende Bildpunkt. Es lassen sich auch in der Geschiclite dieses Berges Zeitraume abgrenzen, in denen dieser geographische Vorrang ais sinnbildliches Zeichen gelten kann fiir die hervorragende Stellung, die aui Gebieten des Geisteslebens das Frauenberger Franziskanerkloster, sei es innerhalb der thiiringischen Ordensprovinz, sei es in der Stadt Ful'da und ibrer Umgebung, einnimmt. So begegnen wir z. B. in der Zeit von etwa 1680—1780 auf dem Frauenberge einer langen Reihe von Mánnern, die entweder ais Meister des geistlichen Lebens und Seelenftihrer, oder ais Professoren der Theologie, Philosophie und Spracbwissenschaft, ais Schriitsteller, ais Kanzelredner mit schöpferischem Talent, ais Dicbter und Künstler das Kloster zu einem Kulturmittelpunkt, einer nicht versiegenden Quelle jeder Art geistigen Lebens machten. Lange Zeit besuchten im 17. J a h rh u r^ rt die studierenden Kleriker des Benediktinerstiftes in Fulda die theologischen Vorlesungen auf dem Frauenberge, obwohl auch die Jesuiten in der Stadt ein Kloster und Kollégium hatten, und ais 1733 die Fuldaer Universitat gegriindet worden war, dozierten an derselben auch Patres vom Frauenberge. In den Dienst der religiösen Kunst stellten ihre Talente der berühmte Organist P. Adam Oehninger, der Architekt Br. Cornelius Schmitt, Erbauer von Kloster und Kirche auf dem Frauenberg, Bildbauer Br. Melchior, der die kiinstlerisch sehr wertvolle Kreuzigungsgruppe auf dem nahen Kalvarienberg schuf. Von dem Architekten Br. Antonius Peyer im Frauenberger Kloster stammen das groBe und schöne Dechanei- gebaude in Fulda, die Umbauten der Franziskanerkirchen in Hammelburg und Mosbach, und aller Wahrscheinlichkeit nach ist auch er jener „Franziskaner-Baumeister“ gewesen, der von Fiirstabt Adalbert von Schleifras mit der Nachprüfung der Franzisk. Studien X, 3/4 Tafel III (S. 232/215)

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Kloster Frauenberg bei Fulda

Blick aui die Orgelbühne dér Frauenbergkirche Franzisk. Studien X, 3/4 Taíe! IV (S. 232/245) BO VING 233 ersten Bauplane von Dientzenhofer íür den Dóm in Fulda be- auftragt wurde ')• Inwieweit finden w ir nun von dieser regen licht- und leben- spendenden Geistigkeit auí dem Frauenberg in dem genannten Zeitraum einen Widerschein in dér Kunst dér dortigen Kloster- kirche, die von 1757—60 erbaut, fást in allén Teilen eine Schöpfung von Mitgliedern des anstoBenden Konventes ist? Die Frage hat deshalb eine besondere Bedeutung, weil unter den vielen künstlerisch wertvollen Franziskanerkirchen Deutschlands nur sehr wenige im wesentlichen von Franziskanern selbst ge- schaffen vi^urden und darum von dér Geistigkeit dér deutschen Franziskaner unmittelbar Zeugnis geben. Nachdem P.Michael Bihl in seiner, auf gründlichen Quellen- studien aufgebauten Geschichte des Franziskanerklosters Frauen- ,berg bereits eine ausführliche Baugeschichte und gegenstand- liche Beschreibung dér Kirche dargeboten hat, dürfen die íol- genden Ausíührungen sich im wesentlichen darauf beschranken, eine kunstvirissenschaítliche Deutung dér künstlerischen Gestal- tung des Bauwerkes in ihren Ursachen und Formen unter Voraussetzung von Bihls Forschungsergebnissen zu versuchen^). Als Br. Cornelius Schmitt nach dem Brande dér altén Kloster- kirche auf dem Frauenberge im J. 1757 den Auftrag zum Neu- bau derselben erhielt, herrschte auch in Deutschland als dritte Phase in dér Stilentwicklung dér neueren Baukunst das Rokoko. Ist die Schöpfung des Meisters ein rückhaltloses Bekenntnis zu dér in dér Geistigkeit seiner Zeit vi^urzelnden Stilrichtung ? Inwieweit tragt sie das Merjsmal eines persönlichen bzw. fran- ziskanischen Kunstwillens? ' Br. Cornelius, gebürtig aus Waldstetten bei Wessobrunn in Oberbayern trat 1737 in seinem 25. Lebensjahre in den

1) Vgl. zu diesem ganzen Abschnitt M. B ih l, Geschichte des Franzis- kanerldosters Frauenberg zu Fulda, Fulda 1907; Ursula Rled, Die Wirt- schaítspolitlk Helnrichs VIII. von Bibra, Marburg 1916, 3. 2) AuBer dieser Arbeit Bihls und dér von ihm angeführten Literatur ist mir keine Abhandlung über die Klosterkirche von wissenschaftlicher Be­ deutung bekannt. Auch in dér Sammlung „Dia Bau- und Kunstdenkmaler des Regierungsbezirkes Kassel“ ist dér die Stadt Fulda behandelnde Bánd noch nicht erschienen. Mit Rücksicht auf den Leserkreis dér F S schien es geboten, hier auch solche Fragen zu behandeln, die Kunsthistorikern gelautig sind. Bel dem beschrankten, mir zűr Verlügung stehenden Raum ist es des­ halb nicht möglich, bei Einzelheiten zu verweilen. 234 DIF FKANZISKANERKIRCHE AUF DEM FRAUENBERG BEI FULDA

Orden ein. Seine Heimat stand damals zu dér Kunst in einém ungewöhnlich nahen V^erhaltnis. Die Umgegend von dem in dér Literatur- und Kunstgeschichte bekannten Kloster Wesso- brunn war seit ungefahr dér Mitte des 17. Jahrhunderts eine blühende Pflanzstatte von zahlreichen Künstlern, die sich in dér Stukkatur, dér Marmorierkunst und dér Architektur beta- tigtén und darin teiiweise europaischen Ruf erlangten. So wurden Wessobrunner Stukkatoren zűr Ausschmückung von Kirclien und ScWössern nicht nur fást nach allén Gauen Deutsch- lands, sondern auch ins Ausland, nach Österreich, Frankreich, Holland, Polen und RuBland berufen. Wenn auch von Italien und spáter Frankreich her, namentlich durch die Formenwelt „Les Pautres“ nicht wenig beeinfluBt, hatte die Wessobrunner Stukkatur- und Marmorierkunst doch eine durchaus eigenartige, erstrangige Note. Die Wessobrunner Dominikus Zimmermann und Joseph Schmutzer gehörten zu den tüchtigsten Architekten Deutschlands in dér ersten Halíte des 18. Jahrhunderts. In einer solchen, vöm Genius dér Kunst beherrschten Welt — im 18. Jahrhundert vi^ar fást die ganze mannliche Einwohner- schaft dér Wessobrunner Gegend in dér Kunst tatig — muBte die zweifellos vorhandene künstlerische Begabung des jungen Schmitt die verschiedenste Anregung und Formung erhalten. Manches in dér Kunst des Br. Cornelius zeigt Spuren Wesso­ brunner Einflüsse, die namentlich von Joseph Schmutzer, dér in dér Zeit von 1730—37, als Schmitt in seinen Lehrjahren war, als dér bedeutendste in Wessobrunn ansássige Architekt die herrlichen Kirchen in Garmisch, Diessen . am Ammersee und auf dem Mühlberg in Tölz erbaute, in erster Linie aus- gegangen sein dürften. Jedenfalls zeigt die Kirche auf dem Frauenberg mehrere Vergleichungspunkte mit dér auf dem Mühlberg in Tölz'). DaB das Werk des Br. Cornelius nicht in allén Teilen eine selbsterfundene Schöpfung ist, zeigt noch deutlicher eine Vergleichung desselben mit dér Franziskaner- und Pfarrkirche in Dermbach sowie mit den Kirchen in Zella bei Dermbach und Eremen bei Geisa, allé drei in jenem Teile Thüringens gelegen, dér jetzt zu Sachsen-Weimar, im 18. Jhrh. aber zum Fürstbistum Fulda gehörte. Diese drei Kirchen, von

1) Über Wessobrunner Kunst vgl. G eorg Hager, Die Bautatigkeit und Kunstpflege im Kloster Wessobrunn, München 1894; Eberhiard v. Fugger, Kloster Wessobrunn, München 1885. B O VING 23 5

Fürstabt Adolf v. Dalberg um 1730 erbaut^, sind unter sich so áhnlich, da6 sie wahrscheinlich von demselben Meister stammen, dér aber unbekannt ist. Von diesem Bautypus sind verschiedene Motive im Fassadenaufbau und in dér Arcliitektur dér Innenausstattung des Frauenberger Kirclienbaues mit einiger Umwandiung übernommen. Br. Cornelius mufi sich im Kloster Dermbach, das zu seiner Zeit dér thüringischen Ordensprovinz angehörte, auígelialten habén. Ob er in seiner Jugendzeit in Wessobrunn im eigentlichen Sinne Schüler oder vielleicht Ge- hilfe Schmutzers war, laBt sich, da die Quellen lehlen, nicht ermitteln. Zweiíellos war Br. Cornelius kein reiner Autodidakt. Das zeigt schon die sichere Lösung des nicht leichten archi- tektonischen Problems einer Gewölbespannung über den Raum von 16 m Breite in dér Frauenberger Kirche. Jedes Bauwerk ist zunáchst Raumschöpíung. An dér nackten Raumschöpíung des Br. Cornelius ist vor allén Dingen bemerkenswert, daB sie im Grund- und AufriB von dér um die Mitte des 18. Jahrhunderts üblichen Stilart erheblich ab- vi'eicht. W ir sehen hier noch keine gegenseitige Durchdrin- gung dér Raumteile, wie z. B. in dér von Dientzenhofer er- bauten Margarethenkirche in Bfewnow bei Prag (1715), keine konvexen Raume wie in Banz (1710) und Vierzehnheiligen (1748), keine infinitesimale Raumbegrenzung, die nur mittels dér Infinitesimalrechnung genau abgemessen werden kann, wie in dér Michaelskirche in Hamburg (1751—62). Anderseits ging dér Architekt nicht sehlechtweg bis auf die Raumprinzipien dér Renaissance zurück. Sein Bau ist nicht ein um einen Mittelpunkt gruppiertes Gefüge von gleichwertigen, selbstherr- lich für sich bestehenden Raumteilen, kurz, w ir habén hier keine Raumaddition wie in dér Renaissance, sondern Raum- division, d. h. die Kirche ist ein Raum, in dem Chor (Sanctua­ rium), Schiff und Orgelbühnenteil nachtraglich abgegrenzte, dem Ganzén vollkommen untergeordnete Bruchteile sind. Die Raumteile sind nicht aus dem Geiste des Individualismus ent- standene, königlich stolz und unabhangig dastehende Einheiten, sondern im Sinne christlichen Gemeinschaftsgeistes zunáchst zum Dienste des Ganzén bestimmte, wenn auch organisch un- versehrte Glieder.

1) L a hríeldt und VoB, Bau- und Kunstdenkmaler Thüringens, Jena 1911, 146. 2 3 6 DIE FRANZISKANERKIRCHE AUF DEM FRAUENBERG BEI FULDA

Der Gesamtraum hat sodann ebenialls aus der iorm- bestimmenden Abneigung gegen die Raumaddition heraus da- durch einen saalartigen Charakter erhalten, daB sie im Grund- und AuMB verhaltnismaBig wenig Fesselndes iiir das Auge hat. Je mehr das in einem Bau der Fall ist, je weniger seine UmriBkontur den Blick iesthalt, desto mehr erscheint er ais ein im unbegrenzten Weltraum gleichsam schwimmendes und zu diesem in ein Abhangigkeitsverhaltnis gesetztes Raumteilchen. Solchen architektonischen Formelementen liegt jene Gesin- nung der Gebundenheit an höhere Gewalten und der Unter- ordnung unter die Erforderungen des Ganzén zugrunde, die durch die geistige Erneuerung der Gegenreformation und das Aufbltihen der religiösen Orden im 16. und 17. Jhrh. wesent- lich gefördert wurde und die noch mehr ais für den Geist des Christentums für den Ordensgeist ein vitales Prinzip ist. Die in der damaligen Zeit ungewöhnliche Einfachheit der Baukon- struktion in der Fuldaer Franziskanerkirche aber gehört im besondern íranziskanischer Gesinnung an. lm Vergleich mit andern Ordenskirchen dér Zeit, z. B. denen in Beyreuth, Banz, Steingaden, Ottobeuren, Vierzehnheiligen, geht die Einfachheit des Grund- und Aufrisses in dieser Franziskanerkirche bis an die Grenzen, die dér Stil zulieB. Dér GrundriB zeigt, wie meistens in den Franziskanerkirchen friiherer und damaliger Zeit, ein gestrecktes einschiffiges Rechteck ohne Querschiff und Kuppel bis auf den ChorabschluB, dér aus drei Seiten eines Sechsecks gebildet ist. Ein dreiseitiger ChorabschluB findet sich, obwohl er keineswegs zűr Regei gehört, in Barockkirchen nicht selten, hatte aber hier deshalb einen besonderen Sinn, weil er zűr Aufnahme eines Hochaltars mit einer groBen Drei- faltigkeitsdarstellung bestimmt war. Durch einen solchen Grund­ riB, dér mit dem in dér Franziskanerkirche zu Worbis groBe Ahnlichkeit, aber keine vollkommene Gleichheit aufweist, er- hielt die Kirche den Charakter eines Tief- und Gehraumes, in dem dér freie Tiefblick ausschlieBlich von dem das ganze Seh- feld füllenden Hochaltar íestgehalten wird. Dieselbe Einfach­ heit sehen w ir im AufriB des Baues. Die zweigescliossige Fassade, durch eine einfache und klare konstruktive Gliede- rung zum Teil nach den Verhaltnissen des goldenen Schnittes und durch drei Nischen mit Steinskulpturen, den Bildern des hl. Bonifatius, Sturmi und dér Immaculata, belebt, vermittelt B 0 viNG 237

gut zwischen dem Kern des Bauwerkes und den ihn umge- benden Freiraum. Die Innenwánde sind im Rhythmus der Reihung, nicht dér Gruppierung durch kahle toskanische Pi- laster, das Tonnengewölbe nur durch schlichte Gurten und Stichkappen konstruktív gegliedert. Über die Formen dér me­ deren Geometrie gehen nur die in Voluten auslauíenden Dienste zwischen Pilaster und Gurten und am Gewölbe das maBig ge- schweiíte Rahmenwerk in Stuck, sogenannte gezogene Qua- draturarbeit in Wessobrunner Art hinaus und mildern etwas die mathematische Starrheit in dér Gesamtkonstruktion dér inneren Baubekleidung. Diese Einfachheit im Grund- und AuBriB dér Kirche, die an den áuBeren Seitenmauern sogar bis zu einer ausschlieB- lichen Gliederung durch Fensteröífnungen geht, entspricht nicht nur dem Geiste dér Franziskanerordensregel, sondern auch den damals für die thüringische Ordensprovinz noch geltenden aus- drücklichen Bestimmungen dér Statuta Barchinonensia. Zu- gleich war aber auch bei dieser Einfachheit jene Klarheit und Übersichtlichkeit in dér Anordnung dér Konstruktion, jene lo- gische GesetzmaBigkeit bestimmter MaBe eher erreichbar, deren Wert gerade von den in den klassischen Sprachen und dér scholastischen Philosophie und Theologie streng geschulten, in ihrer gesamten geistigen Tátigkeit an Gedankenklarheit, Gesetz- mafiigkeit und Ordnung gewöhnten Patres des Konventes be- sonders geschátzt werden mufite. Es ist- sogar nicht unwahr- scheinlich, daB mit dieser Atmosphare theologischer Klarheit und MaBhaltung, die zu dér priesterlichen Geistigkeit dér Patres gehörte, dér erwahnte Stilcharakter ihrer Kirche in wenigstens mittelbar u rsa ch iich e m Zusammenhange steht, schon deshalb, vi^eil durch Unterricht und geselligen Verkehr auch die Laien- brüder, namentlich die, wie dér Architekt dér Kirche, mit Kopf- arbeit beschaftigten, an dieser Geistigkeit in etwa teilnahmen. Wie die Eigenart dér Raumgestaltung, so beruht auch die individuelle Tektonik eines Baues,' die A rt dér AuMchtung dér Masse, dér Anordnung des Baukörpergefüges im tieísten Grunde auí dér eigenartigen Gesinnung, aus dér heraus dér Bau ent- standen ist. lm Verháltnis zu dem kraíterfüllten und kraít- ausstrahlenden Skelett in einem Renaissancebau sind in diesem Bau die aktiven Krafteleiter so entwertet, daB sie die tekto- nischen Krafte mehr durchzulassen als auszustrahlen scheinen. 2 3 8 DIE FRANZISKANERKÍRCHE AUF DEM FRAÜENBÉRG BEI FULDA

Die Stützen sind mit dér Mauer verwachsen, und ihr verhaltnis- máBig unauífalliges Hervortreten wird durch die sclirág ge- stellten Altare und Bildwerke íast überall verdeclst. Das ge- samte Baugeíüge wird zu einer verhaltnismaBig stark nivellierten, passiven, wenn auch keineswegs toten Masse, in dér kein kraft- strotzender Teil eigenwillig und selbstándig auítritt. Das Ganzé ist Trager dér tektonisclien Kráfte. Alsó aucli hier eine Be- tonung des Ganzén auí Kosten dér Teile, zentrifugale, statt zentripetaler Gesinnung, dér Geist dér Unterordnung! Gehen die Grund- und AufriBformen dér Kirche im wesent- lichen auf die barocke Stilart des 17. Jahrh. zurück, so herrscht in dér Innenwelt des Kirchenraumes das frohbewegte, schwel- lende und blühende Leben dér Rokokoformen. Dér Doppel- strom dér Bewegung, dér durch die Gesamtheit von Skulpturen, Kanzel und Seitenaltáren den Wanden entlang in die Tiefe dér Apsis^geht, wird von dem breiten, raumverwandelten Hochaltar entgegengenommen und über die inmitten eines üppigen Ge- woges hochgreifender Voluten ruhende, mit wuchtigen Strahlen umkránzte, von Engeln umjubelte Dreieinigkeitsgruppe nach oben geleitet. Rechts und links ist an dem Altar ein hohes, von tief eingebogenem Gesims überkröntes Sáulenpaar vorge- schoben, um, wie durch ein weit geöífnetes Tor, den Bewe- gungsstrom zu beiden Seiten aufzufangen. Freilich hat das auffallende Herausschreiten dér Saulenpaare aus dem Gruppen- umriB zunachst noch wichtigere Zwecke. Einmal muBte für die schwere, rauschende Fülle dér oberen Bildgruppe eine breite Basis geschafíen werden, und dann auch wurde auf diese Weise über die untere Partié ein dunkler Schatten gelegt, so — daB die Virgo gaudiosa (das Gnadenbild dér zum Himmel auí- fahrenden Madonna) aus dem irdischen Dunkel zu dem Lichte aufsteigen kann, das durch das Symbol des Hl. Geistes herein- fallend, die Dreieinigkeitsgruppe erfülltO- Mán hat in neuerer Zeit einige Engelskulpturen entfernt und das Rokokotabernakel durch ein solches in Frühbarockformen ersetzt. Beides beruht auí Verkennung eines Grundgedankens im Kunstwollen dér Rokokozeit. Im Rokoko sollte alles Schwere in stark bew'egtes írohes Leben auígelöst werden. Mán brauchte dafür Formen, die jene Vorstellung des Schwellens und Schwebens, welche

1) Zűr Geschichte dieser Statue vgl. B ih l 80 und 109. Bo VIN 6 ^39

sich mit einem hochgesteigerten Geíuhiserlebnis zu verbinden pflegt, möglichst deutlich zu erzeugen vermögen. Daher die wogenden UmriBlinien sclion an dér Altarmensa, die Schwel- lungen an dér Basis dér Saulén und vollends die heitere, fást tanzende Bewegtheit in dem Formenreichtum des Oberbaues, wo all diese Motive, ja die gesamte Bewegung in dér Innen- welt des Kirchenraumes, in jubelnden Akkordén zusammen- geíaBt, in die Unendlichkeit ausklingen sollen. Dafür war eine Scbar überirdischer Wesen, in seliger Bewegung auí den Bekrönungsflachen hingestellt, ein höchst wirkungsvoller Faktor. Die Rokokokunst hat sie deshalb auch in ihren Deckengemalden bekanntlieh nicht entbehren können. Solche Erscheinungen aus einer von höchsten Afíekten erfüllten Welt entfernen heiBt den Vollklang eines Rokokobildwerkes zerstören. Und was das Frühbarocktabernakel angeht, so habén seine strengen Linien nicht die ílieBende und schwellende Bewegung, die dér Rokokokünstler als Ausdruck seiner drangenden Gefühlsfülle benötigt ^). An den groBen Seitenaltáren, dem Franziskus-, Antonius-, Joseph- und Annaaltar, sowie an den kleinen Altaren im Orgelbühnenraum, ist dér tektonische Aufbau für den Zeitstil einíach, aber leicht und in schönen MaBverhaltnissen konstru- iert. Die Lebendigkeit des Rokoko wird erreicht durch Schwel- lungen an Altarmensa und Sáulensockeln, durch die Bewegt­ heit in den Altarbildern mit infinitesimaler Umrahmung, den Skulpturen, besonders den Engelíiguren in sehr pathetischer Haltung und den feurigen Voluten, durch das reiche Lichter- spiel, das infolge dér Saulén- und Halbsaulenstellung, den viélen Verkröpíungen dér Gesimse, den Spiegelungen am buntfarbigen, wie Seide schimmernden stucco lustro entsteht. ^ n den Vo­ luten dér Innenarchitektur ist eins besonders bemerkenswert, was mir sonst nirgendwo begegnet ist: StöBt ein Volute unbe- lastet und frei in den Raum, so scheint sie zu zünden. Ein

1) P. Polykarp Schm itt 0. F. M. sieht in dem Hochaltar eine Ver- letzung des Horazisohen ,Denique sit quodvis simplex dumtaxat et unum* und sagi: „Weniger geschmiickt wiirde er scliöner und majestatischer seyn“ (S c h n e id e r, Buclionia I 2. 75). Indes man muB beachten, daB P. Schmitt, zu Anfang des 19. Jlirh. lebend, vom Geschmaclc des zeitgenössigen Klassi- zismus beeinfiuBt war, der bekanntlieh im Barock und Rokoko eine Verirrung erblickte. 2 4 0 DIE FRANZISKANERKIRCHE AUI'' DEM FRAÜENBERG BEI FULDA feurig bewegtes Ornamentstiick flammt am Auslauf der* Volute auf. Neben dem Tabernakel des Franziskus- und Antonius- altars nimmt dies Oraament sogar die Form von züngeinden Flammen an. Die Voluten scheinen mit Elektrizitat geladen zu sein. Der LinieniluB der reich verkröpften und geschwun- genen Bekrönung aui der Nische der Franziskusstatue und au! einigen Altaren war dem Künstler zu ruhig: deshalb stellt er zu beiden Seiten des luitigen Wappens Vasen, an denen keine ruhige Linie sichtbar ist, mit blühenden Blumen auí die Be­ krönung. Alles Ruhende und Schwere wird vöm Strome dér Bewegung durchtrankt und mitgenommen. Das Rahmenwerk an den kleinen Seitenaltáren neben dem Hochaltar, dem Tekla- und Elisabethenaltar, in dér Nische des Franziskusstandbildes, die Formen dér Kanzel und Konsolen dér Statuen an den Seitenv^^anden sind sozusagen restlos in fliei3ende und vs^ogende Gebilde bzw. Linien aufgelöst. Korb und Scballdeckel an dér Kanzel sind zu einem machtig rau- schenden Gewoge von Linien, Voluten, Draperien und Fi- guren geworden. Dér unteren Kontúr des Schalldeckels nimmt ein reiches Flamboyantornament jede mathematische Linien- strengheit. Die ganze durch die Formen dér kanzel gehende Bewe­ gung wird zusammengefaBt in dér für Rokokoempíindung typi- schen Bewegtheit des Posaunenengels auf dem Schalldeckel. Allé, im Barock nocb íortlebenden Erinnerungek an klassische Gemessenheit und Ruhe sind abgestreift. Das Rokoko herrscht ungehemmt. Ahnliches ware zu sagen von den Formen dér Beichtstühle und des Kirchengestühls, sowie von dem schönen Orgelprospekt. Die weichen Bogungen und die kleinen Flam- boyantkartuschen an dem Stützwerk dér Orgelbühne zeugen von bestem Geschmack und Rokokogeíühl. Ein MiBton ist aber in den unteren Orgelbühnenraum hineingetragen worden, indem mán i. J. 1895 alldort eine Lourdesgrotte auístellte, deren Struktur schon nur in einen Freiraum paBt. Die Lebensíülle in dér Innenwelt dieser Kirche wird nicht wenig erhöht durch ihren Reichtum an Skulpturen. Die Heiligen, deren Statue hier zűr Verehrung dér Gláubigen aufgestellt ist, sind folgende: Hochaltar; Bonifatius und Benediktus; Franziskus- altar: Johannes von Kapistrano und Bernhardin; Antoniusaltar: Petrus von Alkantara und Petrus Regalata; Josephsaltar: Franzisk. Studien X, 3/4 Tafeí V (S. 232/245) Franzisk. Studien X, 3/4 Tafel V I (S. 232'245)

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cí»r BOVING 2 4 1

Sebastian und Nikolaus; Annaaltar; Rochus und Wendelin. lm Sanktuarium (Chor); Bonaventura und Ludwig von Toulouse. An den Seitenwanden; Franziskus und die Franziskaner-Blut- zeugen Berard, Petrus Baptista, Johannes von Prado und Mar- tinus ab Ascensione. Dazu kommen noch auI3er dér Dreiíaltig- keits-Darstellung und dér Virgo gaudiosa auf dem Hochalíar, sovi^ie den modernen künstleriscli wertlosen Herz-Jesu- und Herz-Marienstatuen im Chor die groBe Zahl von Engelfiguren auí den Altáren und mehrere moderne Statuen unter dér Orgelbühne. Die Skulpturen weisen, abgesehen natürlicli von den unbedeutenden wenigen aus neuester Zeit, den allgemeinen Stilctiarakter des 18. Jahrhunderts auf: sie sind plastisch-raum- liche Synthese, d. h. sie gehen eine derartige Verschmelzung mit dem sie umgebenden Raum ein, daB Teile des plastischen Körpers über die durch sein inneres Leben motivierten Grenzen hinaus in den Raum vorspringen und anderseits Raumteile in den plastischen Körper, in weitem MaBe seine Fiachen ver- nichtend, hineintreiben. Das gesteigerte innere Leben dér Skulptur auBert sich durch gesteigerte Bewegtheit in den Aus- drucksformen. Die Plastik tritt in den Dienst dér malerischen und dekorativen Auígaben dér Rokokoarchitektur. Durchweg sehen wir an den Skulpturen dér Frauenbergkirche das weit Ausladende, dramatisch Bewegte dér Rokokoskulpturformen eher géműdért als gesteigert, was namentlich an den Heiiigen- íiguren auf dem Franziskusaltar deutlich wird. Für die feinen Diíferenzierungen seelischer Regungen, für das HalbbewuBte, übersensitive Berninischer Gestalten hatten die schlichten Biidner dieser Heiligeníiguren weder das hinreichend ausgebildete see~ iische Organ noch die Ausdrucksfahigkeit. Auf anatomische Korrektheit iegten sie nicht den gröBten Wert; aber, was dér Geschmack dér Gegenwart an ihren Werken zumeist tadelt^ erscheint dann nicht mehr als ihr gröBter Fehler, wenn mán sie im Zusammenhange mit dér künstlerischen Gesamtabsicht des Zeitstiles und des Bauwerkes betrachtet. Sie zeugen Jeden- falls von ehrlicher, erlebter Religiösitat und durchweg von mehr als handwerklicher Auífassung 'und Technik. Mehrere erhebliche formale Verschiedenheiten unter dér Gesamtheit dér Skulpturen deuten darauf hin, daB an ihnen verschiedene Hánde gearbeitet habén, was auch durch geschichtliche Zeugnisse be- statigt wird, nach denen Laienbrüder des Klostérs unter Bei- Franzisk. Studien. 10. Jahrg. 3,/4. Heft. 16 2 4 2 DIK PRANZISKANERKIRCHE AUP DEM FRAUENBERG BEI PULDA hilie eines „Servicial Bildhauers" die Statuen der Rokokozeit yerfertigten 0- Für das Kircheninnere hat der Baumeister weder Decken- noch Wandgemalde noch irgendwelche ornamentale Bemalung vorgesehen, und es ist auch bis jetzt ohne solche geblieben. Das ist ein nicht geringer Vorteil íür seine kiinstlerische Ge- samtwirkung. Der ruhige Eltenbeinton an Decke und Wanden laBt die vom Baumeister beabsichtigte, schlichte Kláriiéit und Schönheit der konstruktiven Bauteile recht deutlich hervor- treten und gibt dem bunten Formenreichtum dér ganzen Innen- ausstattung einen neutralen Untergrund. Wie sind dagegen die Franziskanerkirchen in Worbis und Dermbach durch sinn- und geschmacklose Bemalung in neuester Zeit entstellt worden! Mit Tafelmalerei aber ist die Frauenbergkircbe durch die Kunst des Fuldaer Hofmalers Johann Andreas Herrlein quantitativ und qualitativ hinreichend gut ausgestattet. Von Herrlein stam- men samtliche Altarbilder dér Kirche, das Bild dér hl. Marga- retha v. Cortona über dér Sakristeitür, die Bilder in den Fenster- blendnischen dér Epistelseite, das Bild vom guten Rat an dér Evangelienseite und die kleinen plakettartigen Gemalde über den sechs Beichtstühlen. Was sonst noch an Taíel- und Glas- malereien in dér Kirche vorhanden ist, kann hier, weil künst- lerisch zu unbedeutend oder nicht allgemein zuganglich, füglich übergangen werden. Johann Andreas Herrlein ist kein Meister ersten Ranges, gehört aber doch zu den bedeutenderen Rokoko- malern Deutschlands, was schon daraus geschlossen werden darf, da6 groBe Museen, z. B. in Frankfurt a. M., Kassel, Darm- stadt, Nürnberg und Prag Bilder von ihm erworben habén. Als Spröfiling dér altén Maleríamilie Herlen 1720 in Würzburg geboren, lernte Herrlein zunáchst in Würzburg und dann als Gehilfe des Hofmalers Wohlhaupter in Fulda. Er malte haupt- sachlich Landschaften, Portraits, Tierbilder, Jagdszenen, Bauern- gesellschaften und Tanzbelustigungen, in denen er in weitem MaBe durch hollandische Vorbilder sich beeinflussen lieB. Vor-

1) Zu den Statuen dér heiligen Franziskaner bemerkt P. Polykarp Schmitt: „Die goldenen Einfassungen dér Gewander und die goldenen Gűrtel stelien ihnen nicht zum besten zu Gesicht. Doch wollten die guten Künstler viel- leicht damit andeuten, daB die íreiwillige Armut, wodurch jene Mönche zűr Vollkommenheit gelangten, etwas Vortreífliches sei. Und nennt mán nicht oft das Vortreífiiche — golden? Und dann — pictoribus atque poetis! —“ BOVING 2 4 3 wiegend italienische, wohl zunachst durch seinen Fuldaer Meister, dér die Plafondgemálde im Orangeriegebaude zu Fulda und in dem Schlosse Adolíseck (Fasanerie) in dér Art des Venetianers Tiepolo schuf, übermittelte Einflüsse erkennt mán dagegen in Herrleins religiösen Bildern. Die Vorzüge seiner Kunst be- ruhen vor allém auf einer guten Behandlung von Licht und Farbe, besonders des „Síumato", mit dem er geschickt nach Rokokoart lyrisch weichen Stimmungen Ausdruck zu geben verstand. In dér Anatomie und Linienperspektive ist er nicht fest, weshalb seine Landschaften besser sind als seine Figuren- malereiO- Von den Fehlern und Vorzügen seiner Kunst mag das Portiunkulabild auf dem Franziskusaltar (s. Tafel V) eine Vorstellung geben. Auf diesem Bilde ist die Figur des hl. Franziskus zu láng, das Portiunkulakirchlein zu kiéin. Dazu ist die Stellung des Heiligen in dem Bilde nicht günstig. Franziskus kniet im Vordergrund; die himmlische Vision liegt weiter zurück. In dieser Halbprofilstellung könnte alsó Franziskus unmöglich dér Erscheinung, wie es doch natürlich wáre, trotz dér empor- gerichteten Augen vollkommen ansichtig werden. Das ware möglich, wenn dér Künstler dem Heiligen wenigstens eine Ganzprofilstellung mit seitwárts gewendetem Haupte gegeben hatte. Dagegen geben das duftige Kolorit, dér gewundene Gang des Lichtes und die diagonale Richtung dér Kompositions- achse echtem Rokokoempfinden guten Ausdruck, ohne die re­ ligiose Weihe des Bildes zu stören. Auch fügén die Herrlein- schen Bilder mit ihren durchweg lebhaft bewegten Szénén sich gut ein in den Gesamtcharakter dér sogenannten Vielbildig- keit, den ihre Umgebung durch den reichen Wechsel von Licht- und Schattenpartien, durch Schragstellung dér Altare, durch die buntschimmernde Farbigkeit des Stuckmarmors und andere Mittel mehr erhalten hat^). Unsere bisherigen Betrachtungen habén zwei durchaus verschiedene Grundzüge in dér Erscheinungsform dieses Gottes- hauses ergeben. Wahrend die ásthetischen Werte seiner Raum-

1) Über Herrlein vgl. Zwenger, Buchonia (1881) 9; Georg Bler- mann, Deutsches Barock und Rokoko, Leipzig 1914, 2 XXI; D. G. K. N agler, Die Monogrammisten, München o. J., 1; Fr. M üller und K lü nzinge r, Künstler aller Zeiten und Völker, Stuttgart 1860. 2) Das Gegenstandliche dér Herrleinschen Bilder s. bei B ili] 113 f.

16 * 2 4 4 DIE FRANZISKANERKIRCHE AUF DEM FRAUENBERG BEl FULDA bekleidung im wesentlichen auf der Wohlgefalligkeit einfacher konstruktiver Gliederung, einfacher mathematischer Verhalt- nisse und Linienrichtungen beruhen, zeigt seine Innenwelt eine reiche, vielgestaltige, iiber die Beschaulichkeit geométrischer Werte hinausgehende Dynamik. Alles ist hier voll Drang, innerer StoBkraft, Leben, dramatischer Bewegtheit; aber alie Lebendigkeit und Bewegung, die durch die verschiedensten Gestalten und Formen dieser irdischen Welt gehen, klingen schlieBlich aus in Erscheinungen, die entweder einer höheren Welt angehören, oder in Blick und Miene zu ihr aufstreben. Ohne den Linienvertikalismus der Gotik vernehmen w ir deut- lich das „Sursum Gorda“ . W ir haben hier eine durch die Renaissance geliiuterte Gotik. Geht aber auch durch diese Formenwelt nicht ein Hauch franziskanischen Geistes? Ist dieses Betonen des Irrationalen dynamischer Werte vor dem Rationalen mathematischer Berechnung in der Innenausstattung dieser Franziskanerkirche nicht ein wenigstens leiser Nachklang von dem Geistesleben jener Franziskaner, welche die vis affec- tiva im Menschen schon der logischen Ordnung der Werte nach höherstellten ais die noetischen Krafte? Weist diese Bejahung und sogar Steigerung natiirlicher Werte, die doch schlieBlich zu einer höheren Welt hinauffiihren, im Gegensatz zu der Entmaterialisierung und formalen Vergeistigung der natürlichen Formen, wie w ir sie z. B. in der byzantinischen und Beuroner Kunst beobachten, nicht auf jene franziskanische Naturauffassung hin, welche die Naturwerte nicht verneinen, sondern ihren tiefsten Sinn und innersten Lebensgehalt er- fassend und liebend durch sie zur übernatur aufsteigen w ill? GewiB, diese Formenwelt in der Franziskanerkirche des Frauen- berges gehört zum gröBten Teii der gesamten Kunst der Zeit an; aber auch diese trug eben noch etwas franziskanischem Geiste Verwandtes in sich, sei es, weil ihr Verhaltnis zur Natur in letzter Linie immer noch auf das neue Sehen und Lieben der Natur beim hl. Franziskus zurückging, sei es, weil ihre Vorliebe für gesteigertes inneres Leben durch jene religiose Erneuerung des 16. und 17. Jahrhunderts beeinfluBt war, die mit dem Aufblühen des religiösen Lebens im 13. Jahrhundert manches gemeinsam hatte. Aber sind diese zwei verschiedenen Grundzüge in dem Bauwerk seiner notwendigen Einheit nicht zum Verhangnis BOVIN G 2 4 5 geworden? Zweifellos laBt sich die Formenwelt dér Baubeklei- dung und des Bauinnern nicht restlos auí einen Nenner bringen. Wer das Ideál dér Baukunst darin sieht, daB wie in Vierzehn- heiligen, im Kaisersaal des Würzburger Schlosses und in einem gewissen Grade schon in dér Capella Medici allé drei Künste, Architektur, Skulptur und Mai erei in innigster Verschmelzung ,eine groBe vollkommenste Einheit bilden, wird hier nicht ganz befriedigt sein. Aber die Einheit eines Kunstwerkes ist ein relativer Wert in dem Sinne, daB sie Grade und Modalitaten zulaBt. Die zűr Einheit verbindenden Faden können in einem Ganzén in höheren oder tieferen Schichten liegen. In einem Bauwerk kann das Liniennetz dér Umfassungsmauern seine eigene Gangrichtung habén, in leicht íaBbarer, ruhiger Gliede- rung sich ausspannen, um die gröBere Anziehungskraít íür Augen, die auf Lebendigkeit sehen, den Dingen zu überlassen, die unter ihm üppig emporwachsen, ohne Jede Einheit des Ge- samtbildes unmöghch zu machen. So gehen hier die Gesin- nung dér Unterordnung dér Teile unter das Ganzé, die Bezie- hung auf das Unendliche und auch gewisse Motive dekorativer und statischer Ordnung durch beide Formgruppen des Bau- werkes, abgesehen davon, daB diese schon raumlich besonders innig miteinander verwachsen erscheinen. Dér unleugbare Duahsmus in dér künstlerischen Gestaltung dér Frauenberg- kirche wird so schlieBlich doch zu einer höheren Einheit. Die Kirche ist nicht dér Niederschlag kühner Raumphanta- sien, wie sie dér Genius eines Pozzo, Guarini oder Neumann erzeugte, sie zeigt nicht die berückende, rauschende Pracht so vieler Barock- und Rokokokirchen Süddeutschlands, noch impo- niert sie durch GröBe ihrer Masse; aber als formgewordener Gehalt und gehaltvolle Form, als Verkörperung christlich-demo- kratischer Gemeinschaftsgesinnung, als ein mit transzendentalen Strebungen durchsetzter Kirchenbau, als ein Kunstwerk, das EbenmaB und Lebensfülle, Gedankenklarheit und Geíühlsdrang in sich vereinigt, ist sie eine würdige Wohnung des Aller- höchsten, und w ir düríen ihr den schönen Platz auf dem Frauen- berg gönnen, wie w ir auch dem EdelweiB und Alpenveilchen gern ihren hohen Berggrund lassen. 246 das franziskanekkloster in saalfeld a. s.

Das Franziskanerkloster in Saalfeld a. S. Von Dr. H. Schwesinger.

Das Kloster dér Franziskaner in Saalfeld ist, wie allé Quellen übereinstimmend bezeugen, in dér Mitte des 13. Jahr- hunderts gegründet worden Die am oberen (westlichen) Ende dér Brudergasse gelegene Ansiedelung dér Minoriten war dem heiligen Andreas geweiht. lm Süden dér Baugruppe lag die Klosterkirche, die im Jahre 1250 von den Gráfén von Schwarz- burg und Orlamünde erbaut wurde^). Etwas ausführlicher bericlitet Sagittar^), daB es nicht genau bekannt sei, wann mán mit dem Klosterbau begonnen habé, wohl aber wisse mán, daB die Gráfén von Schwarzburg und Orlamünde die Stifter gewesen seien. Auch habé mán nicht lange Zeit vor seiner 1668 er- folgten Ankunft in Saalfeld am Giebel dér Kirche noch die Wid- mung gelesen: „Schwartzburg die ersten Stifter und die Orla- münda“. Darunter seien die Wappen derer von Schwarzburg und Orlamünde in farbiger Ausführung zu sehen gewesen. Er selbst habé von den sehr unleserlichen Worten nur die letzten entziffern können: „Und die von Orlemunde“ ^). Nach Liebe®) lautete die Inschrift: „Schwarzburgk die Jrsten Stifter, und die von Orlamunda". Durch die alteste auf uns gekommene Urkunde aus dem Jahre 1276 befreiten die Gráfén Günther VIII. und Heinrich X. von Schwarzburg den Schaffnerhof dér Franziskaner von allén Abgaben. Als Schaffner oder Klosterverwalter saBen damals

1) C. S agittarius, Saalfeldisohe Historien 1690, hrsg. von Dr. Devrient, Saalíeld 1904, 184; W agner, Chronik dér Stadt Saalíeld, íortges. von G robe, Saalíeld 1867, 233; J. A. v. S chultes, Sachsen-Coburg-Saalfeldisclie Landes- geschichte, Abt. 1 und 2, Coburg 1818 und 1820. R. Herm ann, Verzeichnis dér in Thüringen vorhanden gewes^nen Stifter, Klöster und Ordenshauser, in: Zeitschriít des Vereins íür thiiringische

Gesciiichte und Altertumskunde, Bd. 8 (Jena 1871); Schultes 39.

8) S agittarius, Saalfeldische Historien 184. S agittarius, Ausfülirliclier Bericht von den Saalfeldisehen Schul- gebauden ... 1670, hrsg. von 0. Fischer, in: Schriften des Vereins für Sachsen- Meiningische Gesehichte und Landeskunde, Heft 78, Hildburghausen 1919, 61, WC es heifit: „Und die von Orlamünde." 5) S. Liebe, Salfeldographia 1625 (Hs im Stadtarchiv zu Saalfeld und in dér Landesbibliothek zu Coburg), Bd. 2, Kap. 11. SCHWESINGER 2 4 7

Heinrich von Schütz und seine Gemahlin Gisela auí dem in unmittelbarer Nahe des Klosters gelegenen Gutshof*)- Eine neue Schenkung brachte das Jahr 1313, in dem die Gráfén Heinrich XII. und Günther XV. von Schwarzburg den Minoritán auí Bitten ihres Bruders, des Predigermönclies Günther, am 13. November einen weiteren Hoí überlieSen und auch diesen von allén Abgaben befreiten ^), soíern dér Besitzer keinen Handel treiben würde^). Dér Saalfelder Benediktinerabt Heinrich lie6 1340 eine Abschrift dieses Stiftungsbrieíes, dessen Original nicht mehr erhalten ist, anfertigen, die auf dér AuBenseite die Auf- schriít tragt: „Abbt Heinrichs vidimirte Copey eines Gravl. Briefes uber d. predig. húz in d. tepíer gas“ . Eine Bestátigung dieser Schenkung geschah am 11. November 1341 seitens des Rates ÍZŰ Saalfeld^). Die bei Wagner-Grobe®) ebeníalls 1341 mitgete\lte neue Zuweisung eines Hofes durch die Graíen von Schwarzburg an die BaríüBer deckt sich vi^ohl mit dér aus dem Jahre 1313, zumal auch hier besonders vermerkt vi^ird „durch got und Ihres liben Brúder Beth (Bitté), Herrn Günther prediger ordens“ . Da vs^ir eine Beglaubigungsurkunde dér Stiítung des Jahres 1313 von seiten des stadtischen Rats erst 1341 vorge- funden habén, so ist ein Zusammenhang des von Wagner-Grobe aus dem Jahre 1341 gemeldeten Aktenstückes und desjenigen von 1313 sehr wahrscheinlich. Weil indessfen die Urschrift dér grafiichenVerschreibung voml3. Novemberl313 durch den groBen Brand von 1314 vernichtet worden war, hat Gráf Günther XV. dieselbe 1351 nochmals erneuern und siegeln lassen®). Als Zeüge in einem in deutscher und lateinischer Sprache abgefaBten Notariatsinstrument vöm 22. Február 1326'^), kraít dessen Günther XV. dem Altar im Hospital zu Saalfeld einen Jahreszins zuwies, kommt Brúder Friedrich von Salza de ordiné Minorum oder dér barvuze vor. Bedeutungsvoll íür die Geschichte des Landes und dér Stadt Saalíeid waí das Jahr 1389, in dem Günther XXVIII. von Schwarz-

1) Schultes, Abt. 2, Urkundenbuoh Nr. 14; vgl. auch G. Struve, HiStorlsch-polltisches Archív, Bd. 2, Jeria 1718/19, 76 f. 2) Stadtarchiv Saalíeid (= StAS) A. 11, Urk. vöm 13. November; S tr u v e 62. 3) StAS, A. 11; vgl. Struve 60.

<) S ag ittariu s, Saalíeldlsche Historien 55. 6) g. 268. S a g itta r iu s a. a. O. 55. '') S tA S , A. 4 und 5. 2 4 8 DAS FRANZISKANERKLOSTER IN SAALFELD A. S. ' burg die Herrschaft Saalfeld an die Markgrafen von MeiBen, Friedrich III., den Streitbaren, Wilhelm II. und Georg, verkaufte. Da Friedrich 1423 das Herzogtum Sachsen und die Kurwürde eriangte, so blieben nach dein Ableben seiner beiden Brüder 1402 und 1425 die ganzen Lande bis zu seinem 1428 erfolgten Tód in seiner Hand'J. Unter dér Herrschaft dér Markgrafen von MeiBen wurde Saalfeld Sitz eines Amtes, dessen Vorsitzender Amtmann, Amtshauptmann oder Vogt genannt vs^urde, zu dessen Wohnung und Gerichtslokal dér bisherige Schaífnerhof des Bar- füBerklosters 1401 eingerichtet wurde ^). Auch die Markgrafen von Meifien wandten ihre Gunst bald dér Minoritenniederlassung zu, denn 1409 eigneten sie den Mönchen einen nördlich an die Klosterbesitzung stofienden Garten zu, vs^orüber sie ein ausführliches Schreiben abfassen lieI3en. Zűr Gegenleistung wurden die Franziskaner zűr jahrlich viermaligen Abhaltung eines Gedáchtnisses mit Vigilien und Seelen- messen für die Markgrafen von MeiBen und deren Eltern verpflichtet ^). 1413 erhielten die Minderbrüder einen Waldanteii und einige Acker im Windischen Gositz, einem Flurteil bei GoBwitz^) süd- westlich von Ranis ®), von den Herren von Holbach auf Fürbitten des Zinsmannes Heinrich Kernebrot zu Lehen®). Ein Streit zví^ischen dem Guardian, dem Klostervorsteher, und dér Stadt Saalfeld Zinsen halber, die diese dem Konvent schuldete, vs^urde 1414 von dem Markgrafen Wilhelm II. ge- schlichtet. Die Stadtváter wurden angewiesen, ihren Ver- pflichtungen naehzukommen, wohingegen die Brüder die ver- einbarten Seelenmessen zu lesen hatten^). 1423®) entschied Markgraf Wilhelm abermals einen Zwist zwischen den BarfüBern einerseits und den Bauern Hans und Nikolaus Kirnbrot und Hans Sorén andrerseits wegen des in

Schultes 58. 2) Wagner-Grobe 269 und P. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmaler

Thiiringens, Heít 6 : Am tsgerichtsbezirk Saalfeld, Jena 1889, 49. 112.

8) S agittarius, Saalíeldische Historien 82 f. und Schultes 39. Windischen Gositz. Vgl. E. K och, DasLehenbuch des Abtes Georgius Thun zu Saalíeld, Jena 1913, 138.

8 ) Ranis liegt südwestlich von PöBneck.

6 ) S tA S , A. 47, U rk. vem 30. Mai.

’ ) S tA S , A. 48, Urk. vöm 8 . Juli.

8) S tA S , A. 51, U rk. vem 14. Október. yCHWESINGER 2 4 9

der Urkunde von 1413 erwahnten Holzes im Windischen Gositz. Den Landleuten wurde jedes Anrecht auf die Waldung abge- sprochen. Ferner wurde betont, da6 die Bauern angewiesen seien, über die Angelegenheit zu schweigen und die Nutzung des Waldstückes durcli die Brüder in keiner Weise zu liindern. In ein Rechtsgeschaft zwischen den Herren von Könitz und dem Konvent íühren uns zwei Urkunden aus dem Jahre 1426 ein'). Frau Margarethe vöm Hoíe^) und ihre Tochter, Margaretha von Schaumberg, hatten den Franziskanern 70 Gulden als Scbenkung überwiesen, woíür diese ein Seelgerat íür die Genannten abzuhalten hatten. Für das beim Rat dér Stadt hinter- legte Geld kauften die Minderbrüder die Zinsen des Dorfes Weilenborn®), die die Ritter von Könitz von dem Kurfürsten Friedrich zu Lehen hatten. Seit Michaelis 1427 nahmen alsó die Franziskaner jahrlich die Abgaben von Wellenborn ein. Den Herren von Könitz aber w'ar zűr Bedingung gemacht, vs^eiterhin die verkauften Rechtsansprüche auf die ihnen vöm Kuríürsten als Lehen übertragenen Zinsen „zu verdinen und vorytern", das heiBt, Ritterdienste daíür zu leisten. Das No- tariatsinstrument derer von Könitz^) bekraítigte den Verkauf dér Zinsen zu Wellenborn für 70 rheinische Gulden, die dér Rat dér Stadt, als Verwalter des Geldes, zu zahlen hatte. Die Ab­ gaben, die das Dorf Wellenborn zu entrichten hatte, werden ausführlich aufgezáhlt. Die Könitze gelobten, die Ritterdienste, die dér Kurfürst als Lehensherr von diesen Gütern íordern konnte, zu übernehmen. Rechtlich interessant ist, daB die von Könitz sich den Wiederkauf dér Abgaben mit vierteljáhrlichei* Kündigung vorbehielten. Es handelte sich alsó hier um einen Renten- oder Gültenkauf, dér in einem Verkauf mit dér Möglich- keit des Wiederkaufes bestand. In dér zu Altenburg gegebenen Urkunde®) bekraftigte dér Herzog und Kurfürst Friedrich die Rechtsgültigkeit des Kaufvertrages. Das Rückkaufsrecht derer von Könitz vs^urde hier auf drei Jahre beschránkt. Das Doku- ment gestattet vor allém einen guten Einblick in das mittel- alterliche Güterlehenswesen.

1) StAS, A. 58a und b, Urk. vöm 31. Dezember. 2) Eine Saalfelder Familie. Vgl. E. Koch, Saalfelder Familiennamen und Familien aus dem 16. und 17. Jahrhundert, Saalfeld 1877. 3) Unter- und Ober-Wellenborn an dér Strecke Saalíeld-PöBneck. StAS, A. 58a. 5) StAS, A. 58b. 2 5 0 DAS FRANZISKANERKLOSTER IN SAALFELD A. S.

Der 7. Januar 1429 0 bringt uns die Nachricht, daB dér Rat dér Stadt einen Streit, dér wegen des Glockenláutens und wegen dér Abhaltung von Messen und Predigten zwischen dem Guar­ dian unseres Klosters und dem Pfarrer dér Stadtkirclie zu St. Johannis entbrannt war, gütlich beilegte. Eine wertvolle Urkunde stellte Baltliasar von Könitz unter dem 12. Juli 1438 aus^). Er lieli vöm BarfüBerkloster 10 Schock altér meiBnischer Groschen, wofür er eine jahrliche Abgabe von 51 Groschen und fünf Hühnern bezahlte. lm Falle dér Rückzahlung dér Schuldsumme hörte die Zinszahlung auf. In diesem Aktenstück besitzen wir einen untrüglichen Beweis dafür, da6 die Franziskaner, indem sie Kapitalien gegen maBige Zinsen ausliehen, gewissermaűen die Vorlauíer dér heutigen Darlehns- kassen waren. Holzapfel weist besonders auf die soziale Wohltat hin, die dem geldbedüritigen Mittelstand damit erwiesen wurde, dér schwer unter den Wuclierern litt. Eine neue Schenkung brachte dér 8. Február 1449^) den Bettelmönchen, indem Margaréta von Ebersberg 170 Schock meiBnischer Groschen stiftete. Hiervon erhielt die Stadt 100 Schock, wofür sie denKlosterinsassen jáhrlicheineTonneHeringe von dér besten Sorté zu liefern hatte. Den Rest des Geldes sollte dér Guardian zűr Aufbesserung dér Klosterkost in Wein, Fleisch und Fisch anlegen. Als Gegenleistung übernahmen die Minderbrüder die Abhaltung von Vigilien und Seelenmessen für das Geschlecht von Ebersberg. Die Urkunde ist von dem Guar­ dian und Konvent ausgefertigt. Das zweite Notariatsinstrument vöm 8. Február 1449®) ist vöm Rat dér Stadt ausgestellt. Es beíaBt sich ebenfalls mit dér letztwilligen Verfügung dér Mar­ garéta von Ebersberg und betont die Verpflichtung dér Stadt den Brüdern gegenüber. Hinzugefügt wurde, daB die adelige Dame dér Stadt noch 12 Schock MeiBner Groschen zuwies, wofür dér Rat über die Ausführung ihres Testaments zu wachen hatte. Die Urkunde enthalt auBerdem einen Anhaltspunkt íür die Wáhrung dér MeiBner Groschen, deren einer drei Píennige hielt und 60 auf ein Schock gingen. Auf Veranlassung Herzog Wilhelms von Sachsen nahm das Kloster Saalfeld die regulare Observanz unter einem Vikar an.

1) S ag ittariu s, Saalfeldische Historien 91. 2) stAS, A. 6 6 a. 3) H H 233. ‘ ) S tT u v e 72— 75. B ) s t A S , A. 78. SCHWESINGER 2 5 1

Aus dem Grunde entauBerte sich das Kloster am 22. Október 1461 seiner Erbzinsen auf ein Haus. Dér Guardian Konrad Stamm hatte bei Durchführung dér Observanz mit groBen Schwierig- keiten zu kamplen, wie aus seinem Briefe vöm 12. November 1460 an den Herzog hervorgeht. Unter dem Nachfolger des Guardians Konrad Stamm wurde versuclit, das Saalíelder Kloster um 1464 wieder dem Minister zu unterstellen, aber dér Herzog bestand darauí, daB das Kloster unter dem Vikar dér Obser- vanten blieb. Wie lange das Kloster unter dem Vikar dér Observanten stand, láBt sich mit Bestimmtheit nicht ermitteln. Auf dér Kapitelstafel dér Observanten in Gelle 1472 wird Saalfeld nicht aufgezahlt 0- Da aber Herzog Wilhelm so entschieden auí Be- obachtung dér Observanz sah, liegt es nahe, daB sie wenigstens áuBerlich bis zu seinem Tode im Jahre 1482 beobachtet wurde. Aus dem Jahre 1484 habén w ir einen Beleg, daB Saalfeld wieder unter dem Kustos stand. lm Jahre 1489 wurden die Saalíelder Brüder beschuldigt, daB sie übel lebten. Daher setzte dér apostolische Nuntius Raymund Peraudi eine Kommission ein, das Kloster zu visitieren und zu reformieren. Diese Kommission scheint nichts erreicht zu habén, da Raymund Peraudi im Jahre 1493 dem Abte des Georgenklosters zu Naumburg denselben Auftrag erteilte. Saalfeld blieb in dér Folgezeit unter dem Minister von Sachsen^). Das Jahr 1485 brachte die bis in unsere Tagé wirksame Landesteilung in ein ernestinisches und albertinisches Gebiet, da Ernst und Albrecht, die Söhne Friedrichs II., des Kuríürsten von Sachsen, nach dem Tode Wilhelms III. von Coburg-Saalfeld im Jahre 1482 das Érbe ihres Vaters und ihres Oheims an- traten. Kurfürst Ernst erhielt im wesentlichen das Thüringer Land, zu dem Saalfeld und Umgebung gehörte. Ernsts Érben waren seine aus dér Reformationszeit hinreichend bekannten Söhne, die Kuríürsten Friedrich dér Weise (f 1525) und Johann dér Bestandige (f 1532). In ihre Regierungszeit íiel die Ein-

1) L. Lemmens, Eine Kapiteltafel unserer Provinz aus dem Jahre 1472, in: Jahrbucli dér sachsisohen Franziskanerprovinz vöm Hl. Kreuze, Düsseldorf 1907, 1 f. *) F. D o elle, Die Martlnianische Reloryibewegung in dér sachsischen Franziskanerprovinz (Mittel- und Nordostdeutschland) lm 15. u. 16. Jahrhundert, in : Frauziskanische Studien, Beiheft 7, Münster i. W. 1921, 73 f. 2 5 2 DAS FRANZISKANERKLOSTER IN SAALKELD A. S.

führung und Ausbreitung dér lutherischen Lehre, die vielen klösterlichen Siedelungen den Untergang bereitete. Éhe w ir jedoch über den Siegeslauf dér neuen reformatorischen 'Idee und den Todeskampf dér Franziskaner in Saalíeld reden, müssen w ir unseren Blick noch einmal auf die letzten Jahre des 15. Jahr- hunderts wenden. Dér erwahnte Landgraf Willielm III. von Coburg-Saalfeld hatte in zweiter Elie Katharina von Brandenstein zűr Gemalilin, die nach dem Tode ihres Gatten den oberen Amthof, den altén Schaífnerliof dér Brüder, als Witwensitz Ende Október 1482 zugeví^iesen erhielt 1). Nach Wagner-Grobe wurde das Haus auf Grund einer im Ratsarchiv zu Saalfeld befindlichen Urkunde erst 1484 von den BarfüBern an Katharina von Brandenstein in aller Form Rechtens übergeben. Dieses Dokument, das ich im stadtischen Archív zu Saalfeld vergebens suchte, ist jetzt Eigentum dér Staatsbibliothek zu Gotha ^). AuBer dér Abtretung des „huBes in dem obren hoffe geleghin bye unBin Closter, daz etliche czit dye amptlute zcu dem selbigen hoffe inne gehabt haben“ , versprachen die BarfüBer, für Katharina und ihre ver- storbenen Verwandten einen Jahresgedenktag zu feiern, da die Witwe des Herzogs ihnen 100 rheinische Gulden zum Ausbau oder Umbau dér Schlafráume dér Brüder geschenkt hatte. Dem- zufolge vs'erden vs^ir Ende des 15. Jahrhunderts eine bauliche Veránderung dér Wohngebaude anzusetzen habén. Auch für die Kenntnis dér Ordenssiegel ist dieses Aktenstück von Wert, ist es doch das einzige, welches neben dem kleinen Konvents- siegel dasjenige des Guardians aufweist. 1486 gab die Mildtátigkeit dér fürstlichen Witwe dem Klostervorsteher und dér Brudergemeinde Veranlassung, dér Fürstin zum Dank für geschenkte Ornate Vigilien und Messen zu haltén®). DaB Katharina den Minderbrüdern eine seltene Wohltaterin war, ist ferner daraus zu entnehmen, daB dér Kon- vent ihr 1487 noch ein Anwesen in dér nachsten Umgebung des Klosters überlieB, das nach ihrem Ableben an die Eigen-

1) S. 269. 2) W. Reiii, Mitteilung zweier Urkunden aus den Jahren 1486 und 1487, in: Zeitschrift lür thüringlsche GescMchte und Altertumskunde, Bd. 5 (Jena 1863) 412. ,3) Herzogl. Haus-und Staatsarchiv zu Gotha, Originalurkunde QQ I ([50. SCHWESINGMR 2 5 3 tümer zurückfallen sollte'). W. Rein ist dér Ansicht, daB Katharina dieses Haus für ihre Dienerschaft oder zu ökonomi- schen Zwecken benötigte. Die hohe Frau lebte noch zehn Jahre in Saalíeld und wurde 1492 an dér Seite ihres Gemahls in Weimar beigesetzt. DaB sie im BarfüJ3erkloster zu Saalíeld ihre letzte Ruhestatte erhielt, wie anderwarts behauptet wird ^), ist durch nichts sicher zu belegen. Mit dem Jahre 1491 setzen die im stadtischen Archiv zu Saalíeld allerdings nicht lückenlos erhaltenen Stadtrechnungen ein, die uns über das Verhaltnis zwischen Stadt und Franzis- kanerkloster hinreichende Auskunft geben®). Aus all diesen Belegen ist zu ersehen, daB die Váter dér Stadt Saalíeld mit den Söhnen des heiligen Franziskus in engster Fühlung standén und diesen alljahrlich bestimmte Abgaben ent- richteten und gewisse Geschenke machten. So war die Stadt auí Grund dér erhaltenen Nachweisungen Jedes Jahr zűr Lieferung einer Tonne Heringe verpflichtet, eine Bestimmung, die sicherlich auf das Testament dér Margarete von Ebersberg aus dem Jahre 1449^) zurückging. Ferner erhielten die Minderbrüder regel- máBig an ihrem AblaBtag, dér auf den Sonnabend nach Quasi- modo geniti íiel, ein Geschenk seitens des Rates dér Stadt, dér daíür von Zeit zu Zeit an eben diesem Tag bei den BaríüBern zu Gaste geladen war. Auch aus AnlaB dér immer v^^ieder- kehrenden Prozessionen nach Köditz und nach dem Dorí Aue am Berg ®), die die Stadt veranstalten liefi, wurde den beteiligten Priestern und Minderbrüdern eine Ehrengabe gereicht. AuBer- dem gab dér Rat auí Kosten dér Stadt den BaríüBern im Advent

1) R e in 413, Urkunde vöm 26. A p ril und Herzogl. Haus- und Staats- archiv zu Gotha, Originalurkunde Q Q I 19. ") R e in 412. 3) Dér Pergamentband C H a 1 enthált auí Papier in Folio die Rats- rechnungen von 1491 bis 1501, dem sich dér Pergamentband C II a 2 m it Papier in Folio ansohlieBt, dér die Jahre 1501 bis 1510 umfaBt, von denen jedocli die Nachweisungen von Michaelis 1503 bis 1504 und von MichaeJis 1507 bis 1508 fehlen. C II a 3, ein Schweinsiederband mit Papier in Folio, brin g t Einnahmen und Ausgaben von 1512 bis 1520. Nach einer groBen Lücke finden sich in C II a 4 auf Papier in Folio ohne Einband die Stadt- abrechnungen von Michaelis 1527 bis Michaelis 1528. *) S tr u v e 72— 75. 5) Dorí südöstlich von Saalíeld auí dem rechten Saaleuíer.

6 ) D orí vs^estnordvirestlich von Saalíeld. 2 5 4 d a s FRANZIStíANERKLOSTER IN SAALPELD A. S. und in den Osterfasten, bisweilen auch noch an anderenTerminen, gröBere Essen, an denen die Stadtoberhaupter oder dér ganze Rat teilnahmen. In unbestimmten Abstánden kehren Spenden für die immer nur auf kurze Dauer bei den Minderbrüdern weilenden Provinzialminister und Kustoden wieder, die sich dann meist auf Inspektionsreisen befanden. Auch Ehrungen, die die Stadt den jungen Baríüi3ern zuteil werden lieB, die ihre erste Messe lasen, sind nicht selten. Die Ausgaben für die Franziskaner aus ganz besonderem AnlaB, welche dér Stadt- schreiber in den einzelnen Abrechnungen pflichtgemáB zu Papier brachte, werden w ir am besten bei den entsprechenden Jahren behandeln. So erbielt im Rechnungsjabr 1491/92^) dér geist- liche Herr Johann Röder in Erfurt zu seinem Doktorát von dér Stadf ein besonderes Gescbenk. Dr. Röder wurde in den lau- fenden Jahren noch mehrfach mit Ehrengaben bedacht, woraus zu schlieBen ist, daB er in sehr enger Beziehung zu den Saal- felder Ratsherren stand. Möglicherweise war er ein aus dem Saalfelder Kloster hervorgegangener Geistlicher oder gar ein Saalfelder Kind, das innerhalb des Franziskanerordens dér Kustodie Thüringen bald eine bevorzugte Stellung einnahm. Schon im Október 1492 wird des Dr. Röder wieder Erwahnung getan, als dieser die zwei Bürgermeister dér Stadt Saalfeld auf des Klosters Kosten zu einem Essen einlud ^). DaB es zwischen den Brüdern des heiligen Franziskus und den Bürgern auch Unstimmigkeiten irgendwelcher A rt geben konnte, geht aus einer Aufzeichnung im September 1493 hervor, aus dér w ir erfahren, daB dér Provinzialminister auf Grund einer Beschwerde dér Vormünder des Klosters nach Saalfeld gekommen war®). Naheres ist uns nicht mitgeteilt. Ende desselben Jahres war Dr. Röder im Auftrag des Siegelbewahrers (Sigillers) wiederum in Saalfeld, um ein Gutachten darüber abzugeben, ob dér Kirch- hof dér Brüder durch ein uns nicht mitgeteiltes Vorkommnis entweiht sei oder nicht‘‘). Kaum nach Jahresfrist war Dr. Röder mit dem Sonderbeíehl erschienen, eine Anfrage oder Beschwerde dér Herren vöm Rat des altén Guardians wegen aus dér Welt zu schaífen^). In dér Stadtrechnung von 1496/97®) finden

1) StAS, Stadtrechnungen, C II a 1. Ebd. 1492/93.

8) Ebd. 1492/93. -t) Ebd. 1493/94. 6 j E bd. 1494/95. Ebd. 1496/97. — E. Koch, Die írüheren Rathauser zu Saalíeld, Saalfeld 1919. SCHWESINGER 2 5 5

wir die Eintragung, daB dér geistliche Herr Friedrich für das Einsetzen dér Fenster in dér neuen Ratsstube eine Vergütung erhielt. Da uns nichts davon bekannt ist, daB die Benediktiner derlei Arbeit auBerhalb ihrer Besitzung verrichteten, so werden w ir nicht lehlgehen, in „Ern íriderich“ einen handfertigen Fran- ziskaner zu seben. lm selben Kalenderjahr erhielt auBerdem Johann Keltz ein Gescbenk anlaBlich seiner ersten Messe, den w ir als BarfüBer ansprecben können, da w ir einen Minder- bruder Jobannes Kelz aus dem Jahre 1515 kennen, dér 1534 als Guardian bei Auílösung des Klosters Hab und Gut dér Fran- ziskaner verkaufte. Eine wicbtige Mitteilung bucbte dér Stadtscbreiber im Januar 1507 0, wo dér Rat dér Stadt zusammen mit den Minder- brüdern speiste, bei denen auBer dem Kustos noch eine Reihe fremder Franziskaner „zu irer Conuocacion“ zu Gaste waren; einer derselben, namens Breitschutl, wird reitender Boté des Kurfürsten von Sacbsen genannt, woraus bervorgebt, daB er als Vertrauter des Kuríürsten báufiger mit besonderen Auf- trágen unterwegs war. Auch er war „dér Conuocacion wegen“ in Saalfeld. Allém Anscbein nacb fand alsó 1507 in Saalfeld eine Zusammenkunft von Bevollmacbtigten und Abgeordneten dér Klöster dér Kustodie Tbüringen statt^). Von auBergewöbnlicber Bedeutung war das Jabr 1513, da die Herren von Könitz in demselben die Allerbeiligenkapelle an dér Franziskanerkircbe erbauten, mit dér Bestimmung, daB in ibr Seelenmessen für die Verstorbenen des Gescblecbtes von Könitz gelesen werden sollten^). Vöm AbscbluB groBer bau- licher Veranderungen an dér Kircbe dér Minoriten bringen zwei Pergamentinscbriften Kunde, die Sagittar noch wahrend seiner Amtstatigkeit in Saalfeld (1668—1670) an einem altén Sakristei- schrank vorfand. Das erste Aktenstück^) zeigt die am 12. Marz 1515 durch Dr. Paulus, Titularbiscbof von Askalon, erfolgte

1) StAS, C II a 2. 2) DaB ein Franziskaner als reitender Boté des Kurfürsten von Sachsen auf dér Versammiung zugegen war, deutet vielleioht auf die Unionsbewegung in dér Sáchsiselien Provinz Mn; vgl. F. D oelle, Die Observanzbewegung in dér Sachsischen Franziskanerprovinz bis zum Generalkapitel von Parma 1529, in : R S T , Heít 30 und 31, Münster i. W. 1918, 99 ff. 3) S ag ittariu s, Saalfeldisohe Historien 178. S agittarius, Ausführlicher Bericht 7, Urkunde vöm 12. Marz 1515. 256 d a s p r a HZiskanerkloster in s a a l f e l d a . g.

Neueinweihung der Bruderkirche, des inneren Kirchhofs, der Allerheiligenkapelle und zweier Teile des Kreuzganges an. Am selben Tag wurde auch die neue Kapelle derer von Thüna miteingeweiht, wie dies die zweite Inschriit meldet *). Die Stadt- rechnungen bestatigen den Aufenthalt des Weihbischofs in Saal- ield, für den der Rat am 10. Marz 1515 die Zehrung in der Stadt bezahlte ^). Da nun aber die Kirche schon um 1250 erbaut wurde und das Wort „reconciliata" in der ersten Urliunde, wie schon Sagittar bemerkt hat, auf eine nochmalige Einweihung hinweist, so wird um die Wende des 15. und 16. Jahrhunderts ein gröBerer Umbau des Klosters stattgefunden haben. Auch Sagittar spricht von einer unlangst wieder neuerbauten Kirche und davon, daB „solches Kloster im Anfang des 16. Jahrhunderts wieder repariret und gleichsam wieder aufgeíühret worden, wie solches die Jahreszahlen klarlich beweisen“ ^), die er hie und da gefunden habe. Demzufolge geht meine Meinung dahin, daB w ir um die Wende des 15. und 16. Jahrhunderts jene um- fassende Erweiterung der Kirche anzusetzen haben. Wie schon erwahnt, wurde auch die Kapelle derer von Thüna am 12. Marz 1515 mitgeweiht, von der w ir wissen, daB sie um 1515 von den Herren Heinrich und Friedrich von Thüna errichtet wurde. Wie der Stiitungsbriei des Guardians besagt, solite in ihr taglich eine Messe für die Verstorbenen der Ge- schlechter von Thüna, Holbach, Eberstein, Kochberg, OBmann- stedt, Einsiedel und Feilitzsch und vor allém íür die Gemah- linnen dér Stifter, Katharina von Brandenstein und Anna von WeiBenbach®), gelesen werden. Desgleichen sollten die Minder-

1) S a g itta riu s, Saalfeldische Historien 181 undAusführliclierBericht 8 í. 2) StAS, C II a 3. 3) S agittarius, Saalfeldische Historien 181. ■‘) S agittarius, Ausführlicher Bericht 7.

6) L eh féld 8 8 hat faischlioh: Heinrichs Gemahlin Katharina, géb. von OBmannstedt, und Friedriehs Gemahlin Anna, géb. von Brandenstein und

Weifienburg; dagegen Liebe, Kap. 8 ; (in dér Stiftungsurkunde) Catharina und Anna gebohrne v. Brandenstein und WeiBenbach; an anderer Stelle in

Kap. 8 : Catharina atque Anna prognata a Brandenstein, et WeiBenbach. M. C. S chlegel, Schediasma de nummis antiquis Salíeldensibus, Arnstadiensibus et Jenensibus, Dresdae 1697; (anlaBlich dér Stiftungsurkunde) Catharina ae Anna natis de Brandenstein ac WeiBenbach. J. V. Schm ldt, Kurze Mittei- lungen über das Franziskanerkloster in Saalfeld um 1685 (StAS, C III 36, Bl. 198 f.) Blatt 200: Catharina v. Brandenstein und Anna v. WeiBenbach. schwesinger 2 5 7

brüder jahriich 12 Gedenkfeiern mit Vigilien und Seelmessen für die genannten Geschlechter und insonderheit für die Stifter abhalten. Fernerhin sollten die Brüder an dem Dreikönigstag (6. Januar), als dem Stiftungstag dér Kapelle, eine Messe singen. Als Gegenleistung kauften die Herren von Thüna den Bar- íüfiern beim Rat dér Stadt Saalfeld eine jahrlicli von dér Stadt zu zahlende Rente von 20 Gulden. Am ScMuB des Scliriít- stückes wurden die Herren Heinrich und Friedricli von Thüna und ilire Érben dér Verpíliclitungen íür entlioben erklart, w^enn das Kloster die bestimmten Messen aus irgendeinem Grunde aussetzte *). lm engsten Zusammenhang damit stelit ein Schriítstück des Rates dér Stadt Saalfeld vöm 10. Február 1516^), in dem dieser anerkannte, den Franziskanern auf Grund einer Zahlung von 400 rlieinischen Gulden seitens dér Herren von Thüna all- Jahrlich eine Rente von 20 Gulden in Form von Naturalien zahlen zu müssen. Dér überschuB sollte den Brüdern bar gegeben werden. Eine solche überweisung scheint die in den Stadtrechnungen 1517 bis 1520 unter dem Abschnitt „Ausgaben an Erbzinsen“ eingetragene Jahresrente von 21 Schock an die BarfüBer zu sein®). Auch aus dem Jahre 1516 stammt das Testament, das dér Kurfürst Johann dér Bestandigé am 11. Dezember in Weimar ausfertigte, in dem er unter anderen Klöstern seines Landes auch dem dér Franziskaner zu Saalfeld 20 Gulden vermachte. Die Minderbrüder hatten daíür nach des Kurfürsten Tode vier Wochen láng Andachten zu haltén und ihn in ihre Totenbücher einzutragen ^). Auch Friedrich dér Weise bedachte in seinem am 4. Ok­ tóber 1517 zu Torgau®) gegebenen ersten Testament die Fran­ ziskaner in Saalfeld mit dér gleichen Summe wie sein Brúder Johann dér Bestandige. Am 11. Mai 1525 hat Jedoch Friedrich dér Weise, dér Schirmherr dér Reformation, seine letztwillige

1) StAS, C. III 36f BI. 200—204; vgl. auch Liebe, Kap. VIII. 2) Ebd. A 112; vgl. Sagittarius 184. 3) StAS, C II a 3. *) G. A. A rndt, Neues ArcMv zűr Sachsischen Geschichte, Leipzig 1804, 60—74. 5) Schöttgen - K reysig, Diplomatische NacMese dér História von Obersachsen, Dresden und Leipzig 1731, Bd. 3, XI. Teil, 50— 76. ^ Franzisk. Studien. 10. Jahrg. 3./4. Heít. 1 7 258 d a s franziskanerkloster in s a a l p k l d a . s.

Veriiigung von 1517 durch eine zweite umgestoBen, in der sich kein Passus melir iiber Klosterschenkungen findet'). 1517 war ein Ungliicksjahr iiir Saalield, denn am 18. Juni bracli an neun Stellen zugleich Feuer aus, dem iast die ganze Stadt zum Opier fiei. Die Brúder- und Blankenburgergasse und der Ostteil des Marktes blieben von der Wut des Feuers verscliont, so dal3 aucli unser Kloster und seine umliegenden Höíe niciit in Mitleidenschaft gezogen wurden^). Wahrend der Zeit von 1515 bis 1521 wurden noch bau- liche Arbeiten am Kloster und der Klosterkirche vorgenommen, wie denn auch die einst iiber dem nach Osten liegenden Mittel- fenster der Kirclie beiindliche Jahreszahl 1521, die heute nicht mehr zu selien ist, einen AbschluB der Bautatigkeit an der Kirche zu bezeichnen sclieint. Sagittar sielit fiir die auBer- ordentlich lange Bauzeit eine Erklarung darin, da6 der 1517 in Saalield wiitende Brand den Biirgern dringlichere bauliche Arbeiten und den BarfiiBern kargliclie Almosén brachte^). In den folgenden Jahren Melt Luther s Lehre die Gemiiter in Aufruhr. Die Wittenberger Reiormbewegung verbreitete sich vor allem in den thiiringischen Landen ungeahnt schnell. Das Anschwellen der neuen Idee brachte fiir die katholische Kirche einen Kampf auf Leben und Tod mit sich. Wenn auch die Mönchsorden in Thiiringen den Siegeslauf des reformatorischen Gedankens nicht aufzuhalten vermochten, so haben doch die Franziskaner, auf die es uns hier besonders ankommt, in Thii­ ringen ehrenvoli gekampft, wie dies die Beitráge zur Geschichte der Franziskaner aus jenen Tagén allenthalben beweisen. Auch in Saalfeld haben die Briider ais wackere Streiter ihrer Lehre auf ihrem Posten ausgeharrt, obwohl der Abfall vom Papsttum allgemein zu werden begann. Wenn die Saal- felder Benediktiner im Verlauf des Bauernkrieges der Gewalt weichen muBten und ihre Besitzung vom Pöbel geplündert wurde, so darf es uns nicht wundernehmen, wenn die Fran­ ziskaner noch nach Vertreibung der Benediktiner geduldet wurden, da sie infolge ihrer tatkráftigen sozialen Fiirsorge die Gunst des Volkes von allén Mönchsorden in höchstem MaBe besaBen.

1) Ebd. 2) S a g ittariu s, Saalfeldische Historien 187. ®) Ebd. 184 und Ausführiicher Berioht 12. SCHWES INGER 2 5 9

Über die Schicksale dér Franziskanerniederlassung in den Tagén dér Reformation konnte Sagittar nicht ausführlich be- Pichten, da mán ihm das „Chronicon Salfeldense, oder wie es nach dem autore Sylvestro Lieben genennet worden, die Sal- feldographiam unbilliger Weise“ vorenthalten habé. Doch sei mán Luthers Rat gefolgt und habé aus dem Kloster eine Schule gemacht. Ob schon in vorreformatorischen Zeiten im Kloster ein Seminar gewesen sei, in dem die Saalfelder Jugend unter- richtet wurde, habé er nicht in Erfahrung bringen können. lm übrigen habé mán Luthers Weisung beaclitet, indem mán die Brüder nicht vertrieben, sondern die, die es gewünscht, habé ziehen lassen. Die aber, die geblieben seien, habé mán bis an ihr Lebensende versorgt. Sagittar fügte hinzu, da6 einige Leute den Namen des letzten Mönchs noch wissen wollten 0- Schultes verlegt die Aufhebung des Klosters urkundlichen Nachrichten zufolge in das Jahr 1525 und laBt sie auí Befehl des Kuríürsten Johann geschehen. Dem Stadtrat soilen die Kirchenornate und Kleinodien zum Verkauf übergeben worden sein^). Die Angaben íinden w ir bei Brückner^) und Wagner- Grobe^) wieder. Letzterer stellt noch fest, daB dieselben Fürsten die Auflösung verfügten, die den Bettelorden dér Franziskaner einst im Testament bedacht hatten. Dér wichtige Brieí des Rates von Saalíeld, in dem die Einziehung des BaríüBerklosters seitens des Rates dem Kuríürsten Friedrich dem Weisen an- gezeigt wurde, ist vöm 5. April 1525 datiert®). Nach dem am 5. Mai 1525 erfolgten Tód Friedrichs des Weisen scheint mán zunachst die Sákularisationsabsichten be- züglich des Saalfelder Franziskanerklosters wieder fallen ge- lassen zu habén, denn in dem „Statbuch unnd verczaichnus Aller Sachenn unnd Hendell. Angefanngenn Michahele 1525“ ®) findet sich unter dem Jahre 1525 folgende eingestreute Auf- zeichnung: „Auí heut Donnerstag Sanct Thomastag (21. XII.) habenn die Münchenn im closter ire klaynoter widerumb ge- holet und dem Rat derhalbenn quittirt; die quittanz habenn

1) S agittarius, Ausíülirliclier Beriolit 13. 2) Scliultes 39. 3) G. B rückner, Landeskunde des Herzogtums Meiningen, Meiningen 1851/53, 638. i) W a g n e r-G ro b e 382.

8 ) S tru v e 58. «) s t A S, C III 4, Bl. G. 17* 2 6 0 d a s FRANZiSKANERKLOSTER IN SAALFELD A. S. die kemerer eingenohmenn.“ Zweifellos bezieht sich diese Notiz auf die Franziskaner; denn die Benediktiner sind nach dér Vertreibung aus ihrem Kloster in dér ersten Halfte deS Jahres 1525 nicht mehr dorthin zurückgekehrt')• Woher Hermann^) die Nachricht hat, daB 1526 nur noch íünf Franziskanermönche zu verpflegen waren, ist nicht mit- geteilt, so daB wir sie nicht kontrollieren können. lm selben Jahr soll auf Befehl des Kurfürsten die erste evangelische Kirchenvisitation in Sachsen, MeiBen und Thüringen stattge- iunden habén, wobei die Visitatoren wohl auch Saalfeld be- sucht uud nahere Bestimmungen über die Minoritenniederlassung getroífen habén werden®). Aber schon aus dem Jahre 1528 habén w ir sichere Kunde, daB die BarfüBer denn doch auf eine lángerwáhrende oder gar endgültige Einziehung des Klosterbesitzes in absehbarer Zeit gefaBt waren und ihrerseits diesbezügliche Vorbereitungen trafen. Ende Dezember gaben sie mit Erlaubnis des Kurfürsten Johann des Bestandigen einen Teil ihrer Klosterbibliothek, meist Werke theologischen und juristischen Inhalts, aber auch lateinische Klassiker, dem Rat zu Saalfeld zűr Aufbewahrung in dér Pfarr- kirche zu S. Johannis, worüber ihnen die Oberhaupter dér Stadt eine Bescheinigung ausstellen lieBen. Die Stadt erklárte sich béréit, den Franziskanern auf Aufforderung diese Bücher nach eingeholter Genehmigung des Kurfürsten wieder zurück- zugeben ^). Die letzte Mitteilung über eine den BarfüBern durch die Stadt gereichte Gabe bringt dér stádtische Rechnungsbericht von 1527/28, wo die Brüder in den Osterfasttagen 1528 acht Schock Heringe zum Geschenk erhielten®). In demselben Jahr w lrd dér Minderbrüder nochmals Erwáhnung getan, da Nickel von Schwarza init ihnen eines Hauses wegen in einen Rechts- streit geraten war®), den dér Kurfürst Johann nach Empfang dér Rechtfertigungsschreiben beider Partéién schlichten wollte. Eine zweite Kirchenvisitation erfolgte 1529, von dér w ir ausführliche Nachricht besitzen^). Als Visitatoren werden ge-

1) S agittarius, Saalfeldische Historien 192. 2) Hermann 50. s) Sagittarius, Ausiülirliclier Bericht 13 f. Urlí. vöm 30. Dezember 1528; S t A S, C III 4. s) Ebd. C II a 4. ®) S a g itta r iu s , Saalfeldische Historien 208. E bd. 209. SCHWESINGER 261 nannt: Ewald von Brandenstein zu Ranis, Christoph von dér Planitz daselbst, Georgius Spalatinus, Pfarrherr zu Altenbiirg, und Antonius Musa, Píarrherr zu Jena. Aber auch diese Herren konnten mit den Saalfelder Franziskanern nichts ausrichten, da letztere ihre Angelegenlieiten auí dem nachsten Reichstag geregelt wissen wollteni Das Jahr 1532 brachte im Kurfürstentum Sachsen einen Regierungswechsel. Johann dér Bestandige war gestorben und sein Nacliíolger wurde sein Sohn Joliann Friedrich dér GroB- mütige, dér die Einkünfte des BarfüBerklosters in Saalfeld zum Unterha]t dér Stadtgeistlichen und Lehrer bestimmte. AIs aber die Franziskaner noch keine Anstalten traíen, ihre Besitzung zu verlassen, so erscliien 1533 eine neue Kirclienvisitation, welche die Brüder zwang, das Kloster zu ráumen und die Stadt zu verlassen. Nur íünf Brüder blieben zurück und erhielten lebenslánglichen Unterlialt *). Dér Staat ergrifí sogleich Besitz von dem freigewordenen Kircliengut und im selben Jahre wurde die Knabenschule in das ehemalige Klostergebaude verlegt. Zűr Feier dieses Tages veranstalteten die Bürger einen groBen Umzug, bei dem die Stadtfahne mitgeführt vs^urde. An dér Spitze marschierten die Schulknaben mit iliren Lelirern, gefolgt vöm Ministerium, dem sich dér ganze Rat und die Bürgerschaft anschlossen ^). Nachdem die Schule in das Kloster verlegt war. sollen sich die íün! Mönche immer noch in einer „Hinterstube“ auí- gehalten habén, wo sie „Kost und Freiheit genaBen“ . Mit dem Kollégium dér Schule und den Bürgern sollen sie gut ausge- kommen sein. Spater verlegten sie ihren Wohnsitz in die Stadt®).

1) StAS, B XX 1. c. Das Aktenstück wurde 1917 einem Saalfelder Geistlichen zűr Vorarbeit für elne Reformationsgedenkfeier ausgeliehen. Be- dauerlicherweise konnte dér betreffende Herr, dér Ende 1920 dieses Akten­ stück noch nlcht wieder abgeliefert hatte, dasselbe erst vor wenigen Monaten wiederíinden. Vgl. auch W agner-Grobe 382. ‘‘‘) W agner-G robe 393.— Sagittarius, Saalfeldische Historien 215. 3) Liebe, Kap. 11, weiB von den Schicksalen dér letzten Mönche íol- gendes zu berichten: „Franciscani monachl iirmiter in suo hoc perstiterunt coenobio ad annum usque 1534. Ista autem dum a senatu oppidano iiebat occupatio sive reformatio, quinque adhuc monachi in nominato monasterio supererant, qui in posteriori commorantes hypocausto, non solum modo pristino convictu gaudebant ac immunitate verum etiam novae scholae praeceptoribus uti et caeteris civibus nulla non exhibebant honoris ac promptissima bene­ 2 6 2 ÜAS FKANZISKANERKLOSTER IN SAALFELD A. S.

Das Jahr 1534 bereitete alsó dem Franziskanerorden zu Saalield tatsachlich ein Ende. Wesentlich ist Sagittars Auf- zeichnung vöm 18. Márz 1534, worin uns die Auflösung des Ordens veranschaulicht wird. Damals verkauften Joharni Kelz, der Guardian des Klosters, und die letzten Konventsbrüder die fahrende Habé und zogen mit wenigem von dannen. Der Rat erwarb bei dem Verkauf zehn Bienenstöcke und das hölzerne Braugeschirr um 40 fi. 0- Der Kirchenornat und das über- ílüssige Klein od wurde vöm Rat der Stadt inventarisiert und unter VerschluB genommen, um spater mit Wissen der Bürger- meister in Nürnberg zum Besten der Saalfelder Armen ver- kauít zu werden. Von den Klosterschatzen hat auch ein Herr Friedrich von Thüna einiges erworben, der auBerdem vöm Rat die den Mönchen zugedachten Jahreszinsen von 20 Gulden auf einige Jahre erhielt, wie dies eine Quittung Friedrichs von Thüna zum Lauenstein und zűr WeiBenburg dartut^). Wagner- Grobe gibt den Erlös des Verkaufes der Kleinodien auf 678 Gulden und 11 Groschen an, die gemáB der Veríügung der Visitatoren von 1536 für die Schule verwendet wurden^). Nicht überall verfuhr mán mit den Franziskanern so scho- nend wie in Saalfeld. Ein anschauliches Bild all des Kummers und Elends, all der Verfolgung und Nachstellungen, die sie andernorts zu erleiden hatten, gibt der MeiBener Kustos Jákob Schwederich in seinem gegen Ende 1540 abgefaBten Brief ®). Der Kustos bat hierin einen uns unbekannten Fürsten dringend, dem Kaiser die Nőt der Bettelmönche anzuzeigen und dessen Schutz und Schirm zu erflehen. Für uns ist dieses Schriítstück volentiae ofíicia. Séd parum constans ac diuturna ista fűit mansio; natn pauxillo temporis intervallo omnes in civitatem sese contulerunt, quorum nonnulli proprias emere aedes alii exaedificavere, alii denique conduxere, in quibus etiam vita ipsorum fuit finita." Dasselbe teilt uns Schlegel mit, der ganz in Anlehnung an Liebe schrieb. 1) Í1. = Florin = Gulden. 2) SchloB Lauenstein (Mantelburg im Volksmund genannt) liegt an der Eisenbahnlinie Probstzella-Ludwigstadt. 3) SchloB WeiCenburg bei WeiBen an der Strecke Rudolstadt-Oriamiinde. ■‘) S t A S , B. XX 1, Urk. vom 18. Marz 1534. — S a g itta r iu s , Aus- führlicher Bericht 215. 5) W a g n e r-G ro b e 382. Vgl. F. D oelle, Aus den letzten Tagen der Franziskaner zu MeiiSen, in FS I 68-76. SCHWESINGER 2 6 3 aus dem Grunde von wesentlicher Bedeutung, weil auch dér zu Saalíeld gelegenen Franziskanerniederlassung ein gleiches Geschick widerfahren sein sollte wie dér zu Meifien. Wie w ir gesehen habén, stimmt dies mit dér W irklichkeit nicht ohne weiteres überein. Zwar war auch das Los dér Franziskaner in Saalfeld ein recht bedauernswertes, aber es war doch weit ertraglicher als anderwarts. Ohne Harten wird es allerdings auch in Saalfeld nicht abgegangen sein, und insofern sind die Ausfiihrungen Schwederichs beachtenswert. Nirgends stieB ich auí eine Mitteilung oder auch nur auf einen Anhaltspunkt für die durchschnittliche Belegstarke dér Siedelung, so daB diese Frage oífen bleiben muB. Die Höchst- zahl dér uns namentlich bekannten Brüder ist 1486 nachge- wiesen, wo auBer dem Guardian sechs Brüder in einem Schrift- stück genannt sind'). Aus dem uns erhaltenen gesamten Ur- kundenmaterial kennen w ir seit Bestehen des Klosters nur 30 Brüder. Unter diesen Brüdern habén die Vertreter des Bürgerturas den unbestrittenen Vorrang. Ihre Namen sind in den stadtischen Rechnungsbüchern und Katastern mehríach verbürgt. Aus ade- ligem Geschlecht dürfte wohl Friedrich von Salza gestammt habén. Wie es dér Würde des geistlichen Ordens entsprach, lieíen die Jahre im Kloster zu Saalfeld ruhig und friedlich dahin. Dér Geist dér Einfachheit, dér Wahrheit, des OpfermUtes und dér tátigen Náchstenliebe gewann den Mönchen die Herzen aller. Ihre wesentlichste Aufgabe und ihr höchstes Ziel sahen sie darin, dem Volk das reine Evangélium vorzuleben. Mit Sorgfalt wachte deshalb dér Guardian über die gewissenhaften Ausübung dér gelobten Ordensregeln. Nur sehr wenige Zeug- nisse sprechen dafür, daí5 das gedeihliche Zusammenarbeiten dér Welt- und Klostergeistlichkeit durch irgendwelche unlieb- same Vorkommnisse gestört wurde. Weit haufiger waren die Fálle, bei denen die Minder- brtider die Rolle geschatzter Schiedsleute und gesuchter Rat- geber und Vermittler bei Zwistigkeiten oder Abschlüssen von Vertrágen und Bündnissen spielten. In viel höherem Mafie jedoch gewannen die Klosterbrüder das Vertrauen dér Menge, indem sie ihre soziale Tatigkeit in dér nach Erwerb strebenden

1) Rein 413. 2 6 4 DAS FBANZISKANEBKLOSTEK IN SAALFELD A. S.

Bevölkerung selbst entfalteten und dem werktatigen Teii der Stadter und Bauern hilfreich zur Seite standén, wie denn die Stadtrechnung des Jahres 1496/97 den Beweis erbringt, daB der Konventuale Friedrich iachmiinnische Kenntnisse und Fertig- keiten im Tischler- und Glaserhandwerk besaB')- Auch mit den Vertretern der Biirgerschaft, mit den Rats- herren, standén die Jiinger des lieiiigen Franziskus in gutem Einvernehmen, so daB der Rat liaufig bei den auf stadtisciie Kosten gegebenen Essen in der Fastenzeit und im Advent zugegen war und gemeinsam mit den Briidern einen Abend verbrachte. Für die zahlreichen Schenkungen, die die Stadt- vater den Minoriten auBerdem im Laufe eines Kalenderjalires zukommen lieBen, sind ja die Stadtrechnungen der beste Beweis. Aus ietzteren geht tiberdies hervor, daB die Franziskaner ihren eigenen AblaBtag hatten, der auf den Sonnabend nacli Quasi- modo geniti fiel. Es sclieint mir auBer ZweiieI, daB die in den Ratsrechnungen aufgefülirte Kirmes der Briider mit ihrem AblaB­ tag identisch ist; denn in den Jahren 1497—1501 tritt an Stelle der leblenden Eintragung der Ehrengabe der Stadt am Saal- felder FranziskanerablaB die Spende am Kirmesfest, deren sonst nirgends Erwahnung geschieht. Aus nachreformatorischer Zeit sollen die Schicksale der Franziskanerniederlassung nur in groBen Umrissen skizziert werden. Durch die Sakularisation des Klosters hatte man ge- eignete Raume íür eine Schule gewonnen, in der die Saal- ielder Jugend in die Anfangsgriinde des Wissens eingeiiihrt wurde. Im einzelnen auf den Schulbetrieb einzugehen, würde die Grenzen unserer Arbeit iiberschreiten. Mitteilenswert ist immerhin die Nachricht, daB in der ehemaligen Klosterkirche wochentlich von Lehrern und Schülern Andachten und Gottes- dienste abgehalten wurden^). Eine bauliche Veranderung seltener Art brachte das Jahr 1538, da kurz vor Pfingsten das Klostertürmlein mit dér Seiger^ glocke entfernt und auf dem neuen Rathaus angebracht wurde So blieb nur noch ein Türmléin auf dér Kirche, das aber 1609 auch heruntergenommen wurde, da man befürchtete, es könnte

1) St A S, C II a 1. Vgl. E. Koch, Die früheren Rathauser zu Saal- íeld, Saalíeld 1919, 17. 2) S agittarius, Ausführlicher Bericht 14. S agittarius, Saalfeldlsche Historien 220. SCHW ES INGEK 2 6 5 infolge allzu groBer Bauialligkeit durch. einen Sturmwind her- untergeworfen werden ^). Ais im Jahre 1578 die Pest in Jena viele Opfer forderte, wurde die Universitat nach Saalfeld verlegt, wo man die Kon- ventssale und das Refektor, Coenaculum der Franziskaner, der Universitat ais Hörsale vom 1. August 1578 bis Anfang Marz 1579 zur Veríügung stellte^). Bald nachdem Proiessoren und Stu- denten die Stadt wieder verlassen hatten, wurde die 1551 in die Hintergebaude des Klosters verlegte íürstliclie Münze®) so erweitert, daB die Halfte der gesamten Bauliclikeiten in An- spruch genommen wurde. Der Gottesdienst in der Kirche wurde nach und nach aufgegeben, und da man keine bessere Ver- wendung íür das Kirchenschifi hatte, legten die Saalfeider eine Dreschtenne hinein. An Ernteiesten wurde darinnen sogar ge- sotten und gebraten, was den sicheren Untergang der Kloster- kirche herbeifiihrte ^). Schweren Zeiten ging die Stadt Saalfeld und mit ihr das alte Kloster im DreiBigjáhrigen Kriege entgegen. Infolge hau- figer Durchziige von Heeresvölkern und vielfacher Einquartie- rung gerieten die Schulgebáude in tiefen Verfall, zumal dér kaiserliche General Lamboy 1633, nachdem Saalfeld mit stür- mender Hand genommen war, die Plünderung anordnete, wobei Kirchen und Schulen nicht verschont blieben®). 1722 endlich wurde das Kloster mit Ausnahme dér Kirche bis auf das ErdgeschoB abgebrochen, um cinem Schulneubau Platz zu machen®). Etwa gleichzeitig wurde auch an dér Klosterkirche ge- baut, deren Wiederherstellung Herzog Johann Ernst von Saal­ feld, ein Sohn Ernsts des Frommen, ins Auge gefaBt hatte. Ein Marmoraltar, dér 1776 in die Pfarrkirche nach Graba'^) kam, und eine neue Barockdecke waren bereits fertiggestellt, als die Arbeiten mit dem Tode des Herzogs im Jahre 1729 ein

1) Ebd. 306 und Auslühriicher Bericht 20. 2) L ie b e l 10—18; W agner-Grobe 425; S agittarius, Saalíeldische Historien 281. 283. 285; S c h u lte s 101. 3) S agittarius, Saalfeldisclie Historien 250. S agittarius, Auslühriicher Bericht 20. 6) Sagittarius, Saalíeldische Historien 356. — Sagittarius, Aus- führlicher Bericht 21. L e h fe ld t 87. — W a g n e r-G ro b e 233 und 547. ’) Graba stöBt nördlich an Saalfeld. 2 6 6 d a s franziskanerkloster in s a a l f e l d a . s. unerwartetes Ende fanden. Die Kirche geriet nunmehr allmah- lich in Verfall. Sie diente zunachst als stádtisches Vorratshaus und Aufbewahrungsort von Baumaterialien; von 1817 an wurde sie als Malzliaus und Malzdarre verwendet, um spáter mit dem südlichen Anbau íür den Stadtbrauer eingerichtet zu werden‘). Zu Anfang des 20. Jahrhunderts erhielt die Kirche mit dér Sakristei und dem östlichen Kreuzgang eine ihrer írüheren Würde entsprechende Bestimmung, indem die Schatze des stadti- schen Museums Aufstellung darin fanden. Weit mehr als durch die Schule wurde das alté BarfüI5er- kloster und dessen Kirche durch die Münze, die mán 1551 in diese Baulichkeiten verlegte^), in ihrem írüheren Aussehen ge- schadigt und verdorben. Die feueríesten Gewölbe des Klosters und die Kreuzgánge schienen für eine Münzstatte wie geschaífen. Auch innerhalb dér Klostermauern erfuhr die Münze noch eine Verlegung und Erweiterung, „denn sie ist zuerst nicht an dem Őrt des Klosters gewesen, wo sie nachmals hinkommen, sondern in einem Teil, welcher auí die Brudergasse hinausgangen“ ®). Auf diese Tatsachen bezieht sich Sagittar oífenbar, wenn er an andrer Stelle davon spricht, daB um die Wende des 16. und 17. Jahrhunderts die Halfte des Klosters samt dér Halfte dér Kirche^) zűr Münze gemacht worden seien. Hierbei habé mán nicht nur einen Teil des Kreuzganges verbaut und einen Schmelzofen hineingesetzt, sondern ebeníalls andere herrliche Ráume in die Münze einbezogen. Selbst die Sakristei erhielt einen Schmelzofen, dessen Esse durch die darübergelegene Bibliothek geleitet wurde®). Mit Recht trug daher früher und tragt. deshalb heute noch die BaríüBerkirche im Volksmund den Namen Münzkirche. Lehfeldts Urteil hingegen, dafi dér Name Münzkirche nicht zutreffend sei, ist demnach völlig irrig ®).

1) Lehíeldt 87. — W agner-Grobe 233Í. 2) S a g itta r iu s , Saalfeldische Historien 250. — W a g n e r-G ro b e 417. 3) S a g itta r iu s 250. Die Handschrift in dér Coburger Landesbibliothek liat: „samt dér Helíten dér Klosterkirchen“ ; Dr. Fischers Ausgabe hat faischlioli: „sonst die Halfte.“ Sagittarius, Ausíülirliclier Berioht 18í. ») Leliíeldt 87. SCHEITHAUER 2 6 7

Das Franziskanerkloster zu Mühlhausen i. Th. Von Richard Scheithauer.

I. AuBere Entwicklung von dér Gründung bis zűr Aufhebung. Die Franziskaner kamen im Jahre 1225 zum ersten Male nach Mühlhausen*)- Gráf Ernst von Gleichen schenkte ihnen ein noch ungedecktes Haus und einen Garten; beides sollten sie sich erst selbst herrichten und inzwischen mit einem Keller als Herberge vorlieb nehmen. Hier geíiel es ihnen so gut, da6 sie gar nicht an Bauen und Graben dachten und somit die Gunst des Gráfén verloren. Da sie von allén Mitteln entblöBt waren, verlieBen sie 1226 die Stadt. lm Jahre 1231 kamen wieder andere Brüder, unter denen sich auch Kleriker befanden, deren Ankunft eine írüher um- strittene Inschrift am Turme dér heutigen Kornmarktskirche beglaubigt: „anno Domini 1231 fratres hic recepti sunt a rege Henrico . . Dér Gegenkönig Friedrichs II., Heinrich Raspe, gewahrte ihnen im Hospital St. Antonii an dér Nordseite dér Stadt, in dér Nahe eines kleinen Baches, wo es noch heute liegt, freundliche Aufnahme^). Hier blieben sie nicht lange, da es dem Leiter des Hospi- tals gelang, die ungebetenen Gaste wieder zu entfernen. Ein miles dér Stadt schenkte ihnen mitten in Mühlhausen einen Bauplatz, dér ebenfalls an einem Bache, dér heutigen Schwemm- notte, lag. Es war dér Wunsch dér Brüder, daB ihre Klöster in dér Nahe des Wassers gebaut würden. Als mán den Brú­ der Jordán von Giano vor dem Bau des Erfurter Klosters fragte, ob ihre Wohnung in Form eines Klosters gebaut w^erden solle, da antwortete er: „Ich vs^eiB nicht, was ein Kloster ist; baut uns ein Haus in dér Nahe des Wassers, damit w ir uns die FüBe waschen können“ Dér Name des Spenders wird nicht ausdrücklich genannt; aber neuere Forschungen nach

1) Vgl. M. B ihl, Beitrag zűr PredigtgeschicMe dér Dominikaner und BaríüBer in Mühlhausen 1. Th. wahrend des 14. Jahrhunderts, in: Mühlhauser Geschichtsblátter < = M G> X 37. 2) Vgl. R. Jordán, Die Niederlassung dér Minoriten (Franziskaner) in Mühlhausen i. Th., in: MG VI 14. 3) H. Boehm er, Chronica fratris Jordani, in: Coilection d’études et de documents sur l’histoire religieuse et littéraire du Moyen Age VI (Paris 1908) 38 í. 2 6 8 das franziskanerklosteb z u mohlhausen i. th.

Angaben des 1. m. weisen auf die Familie „de Goting" (Götig, Gödieké, Jödicke) hin, welclie Besitzungen aui dem Grund und Boden des spateren Baríüfierklosters hatte. In dem neuen Heim richteten sich die Fratres Minores ein. Ilir erstes öífentliches Auftreten ist durch eine Urkunde von 1246 beglaubigt, in der ein „frater Werinlierus mino­ rum fratrum“ ais Zeuge bei einem Vergleicb vorkommt*)- über die Zeit des Kirclien- und Klosterbaues ist nichts be- kannt. Der westliche Teii der heutigen BarfiiBerkirche tragt iriihgotischen Charakter^), so daB er 1262 wohl vollendet sein konnte, wo in einem Vergleiche mit dem Deutschorden von Predigen und Beichthören der Franziskaner in ihrem Hause die Rede ist®). Um 1300 düríte eine regere Bautatigkeit ein- gesetzt haben, da um diese Zeit die Mittel reichlicher flossen. Nach dem Syllabus indulgentiarum im Liber mortuorum^) stellten Papste und viele Biscböfe, unter denen sich auch der Bischof Christian von Samland (1276—1296), ein geborener Miihlhauser, beiand, dem Kloster AblaBbrieie aus. Bischof Christian er- teilte unter anderen einen Brief „pro structura domus et pro benefactoribus". 1301 schenkte Adelheid, Witwe des Hermann Rufus, dem Kloster ihren daneben gelegenen' Hof unter der Be- dingung lebenslanglicher NutznieBung®). Im Jahre 1307 gingen durch einen Vertrag mit dem Rat unter gewissen Kautelen fiir die Stadt und das Kloster einige Hauser in die Benutzung der Briider iiber. Unter diesen Hausern befanden sich jene des fr. Wolferus und der Margarete Schezzelinne. An dieser Stelle werden zum ersten Male das Cimiterium und die Curia des Klosters erwahnt ®). Von ungefahr 1310 an meldet fast jede Seite des 1. m. von Spenden aller Art. Neu- und Erweiterungsbauten konnten daher riistig voranschreiten. Die Kirche wird nach Osten be-

1) Vgl. K. Herquet, Urkundenbuch der ehemals freien Reichsstadt MüMhausen i. Th., Halle 1874, Nr. 104. 2) Vgl. G. Sommer, Besohreibende Darstellung der áltesten Bau- und Kunstdenkmaler des Krelses Miihlhausen, Halle 1887 und R. J o rd á n , Zur Geschichte der Kornmarktsklrche, in; MG XI 61. 3) H e rq u e t Nr. 164. Der Liber mortuorum befindet sich handschriitlich im Stadtarchiv zu Miihlhausen und wird demnachst vom Verfasser herausgegeben < = 1. m.>. H e r q u e t Nr. 522. ®) Ebd. Nr. 578. SCHEITHAUER 2 6 9 deutend verlángert und zwar im gotischen Stíl des 14. Jahr- hunderts mit Strebepíeilern und Glockenturm *)• Dér 1. m. nennt uns einige Altare und zwar um 1330 als ersten den des hl. Stiíters Franziskus. Dér Chor wird 1419 erwahnt^), das Re- fektorium um 1324/25 bei Gelegenheit einer Verhandlung, die dórt stattíand^). 1359 beratschlagte mán „in lectorio religio­ sorum fratrum ordinis minorum domus opidi Mulliusensis“ ^). Nach dem 1. m. (17. Nov.) gaben um 1460 Mitglieder der Fa- milie Kerchoif 180 Schock Grosehen „pro edificando lib ra rie " . Gegen 1400 diirften wohl die Klostergebaude im wesentlichen vollendet gewesen sein. Am Turme befindet sich noch eine zweite Inschrift, welche lautet: „anno Domini 1392 hec capella est inchoata, a fratre Reynhardo laico procurata" ®). Der Sinn dieser Inschrift ist nicht klar ersichtlich. „Hec capella" kann nicht der Turm sein, auch nicht der Chor, wie Jordán meint, bei dessen Bau die Inschrift verfertigt und beim spáteren Turmbau vöm Chore entfernt und in den Turm eingelassen sei. Eine weitere Un- klarheit besteht in den Worten „a fratre Reynhardo laico pro­ curata". In den Inscriptiones Molhusinae ®) wird das procurata mit verwaltet übersetzt. Da aber dér Brúder Reynhard ein Laie war, dem kelne Verwaltung zukam, so könnte mán das procurata besser mit „besorgt" übersetzen. Brúder Reynhard wáre demnach dér Baumeister gewesen'^). Dér 1. m. nennt uns zum 21. Mai noch einen Franzis- kaner, dér sich als Baumeister in Mühlhausen verdient gemacht hat. Dér Eintrag lautet: „1369 obiit frater Hermannus de Spyra, qui múlta hic aedificavit commoda." Ob auch dér Priester Paulus Margarete, den das Totenbuch zum 28. September er- wáhnt, einen Anteil an dér Baugeschichte des Elosters hat, ist

1) Vgl. Jordán, Zűr Geschichte dér Kornmarktsldrche 62. 2) Es heiBt im 1. m. zum Jahre 1419: „obilt dominus Henricus Jans plebanus In Dorla inferiori, hic sepultus in clioro.“ 3) H e rq u e t Nr. 796. Vgl. W. W in tru íí, Die Reichsstadt Mülilhausen i. Tli. im Kampfe mit dem Deutsclien Orden, in: MG XIV 97. 5) Vgl. Jordán, Zűr Geschichte dér Kornmarktskirche. 6) Jordán, Inscriptiones Mulhusinae, Mühlhausen 1903. ’ ) Um 1400 nennt dér 1. m. einen Reynhardus de Guttere zum 3. Fe­ bruár, dér vielleicht in Frage kommt. 2 7 0 DAS p r a n ^ iskanerkloster z u m ü h lh a u s e n i. t h . nicht iestzustellen'). Somit diirften die Baumeister des Ordens, die uns gerade aus der regsten Bauperiode bekannt sind, einen groBen EinfluB auf die weiteren Kirchenbauten Miihlhausens ausgeiibt haben^). Zum Jahre 1422 berichtet die Chronik von einem groBen Brande, der auch das Franziskanerkloster eingeaschert haben soli; aber zum iolgenden Jahre erzahlt sie, daB in demselben Kloster ein Vergleich zwischen streitenden Partéién geschlichtet worden sei. Daher miissen w ir schlieBen, daB def Brand nicht bedeutend gewesen ist. Wahrend in den nachsten 100 Jahren die Quellen von allerlei Nöten wie Seuchen, Hunger und Kriegen berichten, schweigen sie vom Franziskanerkloster vollstandig. Daher bleibt uns nur noch übrig, die Reformation und die letzten Schicksale des Klosters zu behandeln, die mit der reformato- rischen Bewegung in der Stadt, mit den Wirren des Bauern- krieges und den religiösen, politischen und sozialen Bestre- bungen Münzer-Píeiífers zusammenfallen Mit 1523 beginnen die Ungliicksjahre, die fiir Mühlhausen so verhangnisvoll werden sollten: fiir die Stadt, ihre Bewohner und die Kloster. Ein entwichener Mönch aus dem Kloster Reifenstein bei Mühlhausen, Heinrich Píeiffer, auch Schwerdt- feger genannt, selbst ein Mühlhauser Kind, predigte am 8. Fe­ bruár 1523 öfíentlich vor dér Marienkirche in dér Oberstadt gegen Klérus und Mönche. Bald schlossen sich andere Pre- diger an. Zwei BarfüBer werden namhaít gemacht: Joh. Koler und Joh. Rothmeler, die aber eine stille Wirksamkeit in den Hausern entwickelten durch Auslegen dér Schrift und Gesang goistlicher Lieder. Bis jetzt bewegte sich die Unruhe in den Köpíen einzelner; das wurde anders, als am 3. Juli 1523 eine Volksmenge vor das Rathaus zog, das in allernachster Nahe des Klosters lag, und geví^isse Forderungen stellte, darunter die nach evangelischen Predigern und nach SchlieBung dér Klöster. Dér Rat wies die aufgeregte Masse an, nach dem

1) Es heifit im 1. m.: „Hic agltur anniversarius domini Pauli Margarete sacerdotis, magni amici fratrum, qui multa commoda editicavit. 2) Scheerer, Kirchen und Klöster der Franziskaner und Dominikaner in Thiiringen, Jena 1910, in: Jordán, Zur Geschichte der Kornmarktskirche 63. 3) Vgl. H. N ebelsiek, Reformationsgeschichte der Stadt Mühlhausen i. Th., Magdeburg 1905. SCHEITHAUER 2 7 1

BarfüBerkloster zu ziehen und sich indessen an den dortigen Vorráten zu laben. Aus dieser merkwürdigen öffentlichen Speisung wurde ein wüstes Tőben und Zerstören, was den Rat veranlaBte, allé Forderungen zu bewilligen; evangelische Prediger sollten berufen, die Klöster geschlossen, den Insassen schadloser Abzug gestattet und dér Rat sollte aus allén Standén dér Bevölkerung zusammengesetzt werden. Ein kurz daraüí erscheinendes kaiserliches Mandat, dem sich der Herzog von Sachsen und dér Erzbischof von Mainz anschlossen, verbot die evangelische Predigt. Das gab dem Rat den Műt, die Prediger im August auszuvsreisen; aber nach einigen Monaten kehrten sie zurück. Zu Weihnachten 1523 kam es zu einem neuen Sturm, diesmal auf das Haus des ’Predigers Weber an dér Untermarktskirche, dér dem Koler in dér Kilián skirche, einer Filiale, das Predigen nicht erlauben wollte. Die Sache führte zu einem Vergleich, infolgedessen bis zum September 1524 Ruhe herrschte. lm August war aber dér Unglücksapostel Thomas Münzer in die Stadt gekommen, dem sich Píeiííer nun anschloB. So- íort begann ein revolutionares Treiben. Am 19. September 1524 wurde in dér Kirche dér Dominikaner, die seit 1289 in dér Stadt waren, das wundertatige Salvatorbildnis herabge- worfen und danach bei Gelegenheit eines neuen Sturmes auf das Rathaus Kirchen und Klöster geplündert. Aber noch ein- mal gelang es dem Rat, die Ausweisung Münzers und Pfeiífers durchzusetzen. Doch im Dezember siegten die Radikalen und erzvi^angen vöm Rat die Wiederaufnahme Pfeiííers. Die Folge dieses Sieges war eine tolle Bilderstürmerei. In allén Kirchen und Klöstern wurde alles, was zu *errafíen war, vernichtet, zerschlagen, gestohlen; alles EBbare wurde an Őrt und Stelle verzehrt. Dér Rat konnte aus den Wirren wenigstens die Kleinodien retten und auf das Rathaus bringen. Dem Kloster- leben und dér Herrschaft dér altén Kirche wurde ein Ende gemacht. Das geschah in den Weihnachtstagen 1524 und am 6. Januar 1525. Über die Verwüstungen sandten dér Dominikanerprovinzial Dr. Hermann Rabé in Leipzig, dér Konvent des Brückenklosters in Mühihausen und auch dér dortige Franziskanergardian, Theodor Robitzsch, eine Klageschriít an das Kaiserliche Reichsregiment in Efilingen. Im Február kehrte auch Münzer zurück. Jetzt 2 7 2 DAS FRANZISKANERKLOSTER ZU MÜHLHAUSEN I. TH.

eriolgte der Verkauf der Kostbarkeiten, deren Erlös zum Unter- halt der nicht ausgetretenen Klosterinsassen, deren Verpfle- gung die Stadt iibernommen hatte, verwandt werden solite. Der Verkauf, richtiger die Versteigerung, erfolgte im BarfiiBer- kloster, wo auch eine Kanone aus Glocken gegossen wurde, die auf dem Eichsielde geraubt waren. Denn der dort aus- gebrochene Bauernaufstand hatte sich schnell durch Münzers Treiben mit den Reformbewegungen in der Stadt verquickt und fiihrte bald zu dem unglticklichen Zug nach Frankenhausen gegen die verbiindeten Fiirsten: Kurfiirst Johann von Sachsen, Landgraf Philipp von Hessen und Herzog Georg von Sachsen. Die Bauern wurden geschlagen, die Führer Pfeiffer und Münzer gefangen und hingerichtet, die Stadt íurchtbar gestraft; sie verlor ihre politische Selbstandigkeit, die drei genannten Fürsten íührten abwechselnd je ein Jahr die Herrschaít in dem eigentlich reichsfreien Gebiet von Mühlhausen, die Stadt muBte hohe Summen Strafgelder zahlen (1525). Dér Regent des ersten Jahres, dér streng katholische Herzog Georg von Sachsen, gebot, die verwüsteten Kirchen und Klöster wiederherzustellen und den katholischen Gottes- dienst wiedereinzurichten. Nach diesem Befehl sollten die abtrünnigen Priester, Mönche und Nonnen die Stadt verlassen, die Klöster sofort wieder eingeraumt werden. Mit den Klöstern aber sah es traurig aus, es fehlte an Subsistenzmitteln, und neuer Zuzug hielt sich fern aus Furcht vor den erlebten Greueln, wohl auch aus geringem Vertrauen auí eine Besserung in dér Zukunft. Éhe dér Herzog Georg von Sachsen sein Verwal- tungsjahr beendet hatte, bat er in einem Schreiben den Kaiser um ein Verbot, wonach die beiden andern evangelischen Schutz- íürsten die evangelische Lehre in Mühlhausen nicht einíuhren dürften, was zu befürchten vv^ar. Dér Kaiser erlieB tatsachlich ein solches Mandat (1. April 1526) zwar nicht an die Fürsten, wohl aber an die Stadt, und in dér Tat hat bis 1542 dér Rat auf Grund dieses Mandats allé Reformationsversuche abge- wiesen. In diesem Jahre erreichte dér Rat auí dem Reichstag zu Regensburg wegen seiner kaiserlichen Politik, daB dér Ver­ trag von 1525 aufgehoben und die Stadt wieder in den GenuB aller ihrer altén Privilegien eingesetzt wurde. Seit 1539, nach dem Tode des katholischen Herzogs Georg von Sachsen und mit dem Beginn dér Herrschaít seines evan- SCHEITHAUER 2 7 3 gelischen Nachfolgers Herzogs Moritz drangen die Fiirsten auf die Einführung dér Reformation und setzten auch in den Dör- fern eine Visitation mit Erfolg durch. SchlieBlich muBte im September 1542 der Rat auch in dér Stadt in die Einsetzung einer Visitationskommission einwilligen, welche die Klöster be- züglich dér Zahl dér Insassen, ihres Herkommens, dér Ein- küníte und Verwaltung untersuchen sollte. Den Mönchen wurde erklárt, entweder den katholischen Gottesdienst bei Strafe zu unterlassen oder auszuwandern. Wenn sie in dér Stadt bleiben wollten, hátten sie sich wie die andern Bürger zu verhalten. Brieíe, Urkunden usw. seien auf dem Rathause abzugeben. Die Klöster willigten ein. Am 15. September bestimmte die Kommission über die Zukunft dér Ordensleute. Dér Konvent dér BarfüBer bestand bis auf einen Brúder, Theodoricus (Robitzsch), aus zugereisten Mönchen. Sie sollten in dér Stadt bleiben, wenn sie den evangelischen Glauben annehmen würden; ihren Lebensunterhalt sollten sie sich selbst verdienen. Rupitzsch solle als „filius conventus", der in Mühlhausen in den Orden eingetreten war, lebenslangliche Verpflegung im Brückenkloster finden, „wenn er sich dér neuen Religion gleichíörmig verhalten wolle‘\ Die andern sollten nach vier Wochen die Stadt verlassen. Ferner bestimmte die Kommission in einer Kirchenordnung, da6 die Einkünfte dér Klöster zűr Besoldung dér „Kirchen- und Schuldiener" verwandt werden sollten. Damit war die Stadt evangelisch geworden; die katho- lische Sache war mit dér SchlieBung dér Klöster verloren; die dér altén Kirche noch angehörten, muBten den neuen Glauben annehmen. So schlieBt die Reformation mit einem Gewaltakt. Nach dér Niederlage des Schmalkaldischen Bundes bei Mühlberg (25. April 1547) lachelte den Katholiken Mühlhausens noch einmal die Gunst; die protestantische Kirche und die im BarfüBerkloster gegründete Schule gingen ein; denn dér kaiser- treue, katholische Rat versagte dem neuen Glauben seinen Schutz; er schrieb sehr bald an den Provinzial des BarfüBer- ordens in Halberstadt, zwei Brüder als Prediger nach Mühl­ hausen zu senden; vergeblich, es fehlte dórt an geistlichen Kráften. Wiederholt bemühte mán sich, den Franziskaner Schmidt (Faber) in Eger, dér früher in Mühlhausen gepredigt hatte, und andere Ordensbrüder als Prádikanten in die Stadt zu ziehen, denen das BarfüBerkloster eingeraumt und Lebens- Franzisk. Studien. 10. Jahrg. 3./4. Heft. 18 2 7 4 DAS PEANZISKANERKLOSTER ZV MŰHLHAUSEN i.th . unterhalt bewilligt werden solite: ohne Erfolg — der Gardian der Franziskaner in Eger erklarte, toei seinem schwachen Kon- vent kein Mitglied entbehren zu können. Im Jahre 1548 ver- kiindete der Kaiser in Augsburg die Neuordnung der kirch- lichen Verhaltnisse im sog. Interim, das auch in Miihlhausen angenommen wurde. Der Tod Moritzens von Sachsen 1553, des Retters des Protestantismus, und die NacMolge seines Bruders August hatten auf Miihlhausen keinen EinfluB. Aber mit dem Religionsfrieden 1555 schwand das Ansehen des katholisch ge- sinnten Rates, 1557 erreichte Kursachsen auf wiederholtes ver- gebliches Drangen die überlassung einer Kirche an die Prote- stanten. Ais 1558 Tilesius sein Amt ais Superintendent an- trat, war der Sieg der evangelischen Sache endgiiltig entschieden. Die Kirchen wurden alie evangelisch. Der kleinen katholischen Gemeinde wurde die BaríüBerkirche ais Gotteshaus angewiesen. Aber es gelang nicht, neue katholische Geistliche herbeizurufen, so schlug z. B. auch die Kölner Universitat diese Bitte ab. Die katholischen Stiitzen der Gemeinde im Rat starben, 1565 ging das Nonnenkloster mit dem Ableben der letzten Insassen ein: das sinkende Schiff war nicht mehr zu retten — am'^Abend des Dreikönigstages 1566 überreichten die katholischen Kirchen- altesten dem Biirgermeister die Schliissel der BaríüBerkirche, weil sie keinen Priester mehr hatten. Im August wurde auch diese Kirche den Protestanten eröífnet. In die Klostergebaude wurde zunachst 0 die von Tilesius neu gegriindete Schule verlegt; aber bald erwies es sich not- wendig, die Gebaude abzubrechen, nur die BarfüBerkirche blieb ais ein Erinnerungsmal bis auf den heutigen Tag bestehen. Auf dem gewonnenen Grund und Boden wurden eine neue StraBe und Schule angelegt. 1689 beim groBen Stadtbrand wurde die Kirche fast zur Halfte verdorben, bis 1696 wurde sie oberflachlich und von 1722 bis 29 gründlich wiederher- gestellt. Aus dem Gotteshaus machten die Franzosen 1761/62 ein Mehlmagazin. Dann wurde das Gebaude noch lange zu Wochenbetstunden benutzt, und ais diese eingingen, wurde es ganzlich geschlossen und vernachlassigt. Nach der Besitz- ergreifung der Stadt durch die PreuBen 1802 wurde die Kirche zum Packhof und zu Wohnungen eingerichtet; in dem Zustand ist sie noch heute.

1) Jordán, Zur Geschichte der Kornmarktskirche 63. SCHEITHAUER 2 7 5

II. Das Verhaltnis des BarfüBerklosters zűr Stadt. Wegen dér engen Berührung gerade dér Bettelmönche mit allén Kreisen dér stadtischen Bevölkerung und wegen dér materiellen Abhangigkeit von ihnen war es eine Forderung dér Klugheit für die Brüder, sich mit diesen Kreisen und vor allém mit dem Rat gut zu stellen und möglichst allé Reibungen zu vermeiden. W irklich ist nirgends davon die Rede, besonders nicbt im ersten Jahrhundert dér SOOjahrigen Tatigkeit dér Minoriten in Mühlhausen. Hingegen hatte dér Rat mit den Deutschherren lange erbitterte Kampíe um mate- rielle und geistige Güter geführt — nicht zum Nutzen beider Partéién. Auch die Dominikaner haderten mit den Deutsch- herren um geistliche Zustandigkeiten bis zum blutigen Austrag, wobei sogar ein Dominikaner ums Leben kam. Dieser Kampí wurde vöm Erzbischof von Mainz zuungunsten dér Dominikaner entschieden *). lm Gegenteil bekundet dér Rat den Minoriten sein Vertrauen, indem er sie wiederholt als Zeugen und Be- rater heranzieht. Das geschieht erstmalig in einer Urkunde von 1257^), in welcher ví^egen dér Zerstörung dér Kapelle auf dér kaiserlichen Burg bei Gelegenheit des Bürgeraufstandes gegen die kaiserlichen Ministerialen 1256 die Sühne für diesen Frevel zw^ischen den Delegierten des Erzbischofs von Mainz und dér Bürgerschaft von Mühlhausen festgestellt wird. Es heiBt dórt: „debent capellam aliam construere et dotare secundum consilium gardiani in Mulhusin.“ Die Urkunde vom 3. April 1307^) gibt als einzige einen sicheren Einblick in das Verhaltnis zwischen Rat und Kloster mit den Worten: „frater Johannes custos fratrum minorum custodie Thuringie, frater Ludevs^icus gardianus totusque conventus fra­ trum eorundem in Mulhusin . . . recognoscimus quod pro eo, ut domus . . . Wolfheri usibus nostris deserviat de b e n iv o lo fa ­ vore dominorum consulum ac civium dicte civitatis lib e re ." Diese freundliche Wendung falit bei der sqnst sach- lichen Trockenheit besonders gerichtlicher Urkunden auf; um- so mehr w irft sie ein gutes Licht auf beide Kontrahenten, so dafi dieser „benevolus favor“ nicht unverdient erscheint. Viel-

1) Herquet Nr. 751. 2) H e r q u e t Nr. 145 und 578. 18« 2 7 6 DAS FRANZISKANERKLOSTER ZU MÜHLHAUSEN I.TH. leicht ist es auch Absicht, wenn der Rat 1314 0 neben andern Geistlichen „den ersamen man Brúder Rudoli di gardian der bariuzen“ ais Zeugen bei einem Vergleicli in einem ProzeB grade mit den Deutschherren heranzieht und 1324/25 0 im Re- fektorium des Minoritenklosters selbst ein Schiedsspruch wieder zwischen Rat und Deutschherren im Beisein des Gardianus Bertoldus und einiger Briider gefallt wird. Wenn hingegen der Rat spater den Verkauf von Giitern an die Kirche, ja selbst den Verkehr mit „Religiosen“, die Annahme der Stellung ais Prokurator, die Aufnahme der Augustinerin die Stadt verbietet^), so scheint das am wenigsten von „benevolus favor“ zu zeugen, aber es ist zu bedenken, daB diese Bestimmung nur gegen die reichen Deutschherren und Klöster der Umgegend, nicht gegen die Bettelorden gerichtet sein kann; und so redet denn auch der 1. m. von procuratores, amici, hospites fratrum noch bis zur letzten Eintragung 1465. Ja, es möchte sogar diinken, daB ein leiser Unterton des „benevolus favor“ noch in der nicht in- humanen Behandlung der fratres sogar bei der Auílösung des Klosters 1524 und 1542 mitklingt, da die Wertsachen des Klosters auf dem Rathaus verwahrt vs^erden sollten, da der letzte Guardian ruhig auf Lebenszeit in Miihlhausen bleiben durfte und auch den Auswandernden eine Frist von vier Wochen gewahrt wurde. Die eben genannte Urkunde von 1307 beruft sich auf den „benevolus favor dominorum consulum et civium", über sie kann nur die eine Quelle AufschluB geben, die alléin Beweise von dem Verhaltnis zwischen Biirgern und Kloster geben kann: der liber mortuorum. Alie Namen der stadtischen Geschlechter finden sich hier beisammen: die Gotingen, Cruciborg und Cul- stede, von denen Je einer um 1300 procurator des Klosters war, die Dankelsdorf, Guttern, Heilingen, Indagine (Hagen), Langelo, Northusen, Slatheim, Topilstein und vor allen die Margarete, die alléin 50 mai genannt werden. — Sie allé sind Gönner, Freunde oder Wohltater; übergroB ist die Zahl dér einfachen Bürger, dér Manner, Frauen und Kinder und ihrer Wohltaten gegen das Kloster. Aus allen Angaben folgt mit unwiderleglicher GewiBheit, daB ein freundliches, ja herz- liches Verhaltnis zwischen den Patres und Bürgern bestanden

1) H e rq u e t Nr. 659. 796. 2) Vgl. F. Stephan, Verfassungsgeschichte dér Reichsstadt Miihlhausen in Thüringen, I. Teil, Sondershausen 1886, 109. SCHEITHAUER 2 7 7 und bis fást zűr Auflösung des Klosters angehalten habén muB. Denn noch am 12. Marz 1515 nahm dér Provinzial von Sachsen, Dr. Ludwig Henningk, die Mühlhauser Büchsenschützen in die Bruderschaft Unserer Lieben Frau von den sieben Schmerzen auf *)• Die Eintragung dér Namen in das Totenbuch bedeutet ebeníalls die Aufnahme in die Gebetsverbrüderung dér Minoriten. Für die seelsorgliche Tátigkeit dér Franziskaner war ihr Verhaltnis zu den andern geistlichen Faktorén dér Stadt von gröfiter Bedeutung. Deren gab es drei: die S ta d tp fa rre r an den Kircben, deren Patronat alléin den Deutscbherren zustand — mit einziger Ausnabme dér Antoniuskapelle im Hospital, deren Patron dér Rat war; dann die D o m in ik a n e r und endlich die Nonnen des Brückenklosters, zu vs^elchem freundliclie Be- ziehungen bestanden babén müssen, denn die Namen dér Nonnen sind sebr haufig im 1. m. verzeichnet. Sie gebörten meist den Patrizierfamilien an, mit denen sich die Minoriten sebr gut standén; sie wurden auf dem Friedbof des Franziskanerklosters begraben, und mehrfacb erinnert dér 1. m. die fratres, daB sie im Brückenkloster, dér einige Jahre álteren Gründung, Messe lesen müssen, wofür sie eine Entscbádigung erhalten. Zwiscben den Deutscbherren und Minoriten entstehen bereits um 1260 einige MiBhelligkeiten bei dér Ausübung geistlicher Funktionen, die 1262 zu einem Vergleicb etwa folgenden Inhalts íührten^): Die Beichtkinder sollen zunachst bei den zustandigen Píarrern beichten, danacb bei den Brüdern, die verpflichtet sind, die Leute besonders zűr Fasten- und Adventszeit darauf binzu- weisen. Nur bei Kranken und besonderen Freunden des Klosters können Ausnahmen zugunsten dér Brüder eintreten. An den hohen Festtagen steht das Predigeri nur den P fa rre rn zu, die Minoriten dürfen an jedem zweiten Sonntag predigen, an welchem dann die Pfarrer ihre eigene Predigt früh genug be- ginnen müssen. Diese Bestimmungen áhneln stark einem Aufsichtsrécht dér Pfarrer des Deutschen Ordens. Die Franziskaner fügten sich, wohl aus Klugheit — bei dér starken Stellung dér Deutsch- herren in Stadt und Land — und um des lieben Friedens halber,

') E. K eltn er, Die Kleinode dér Mühlhauser Schützengesellschaft, in: M G V 74. 2) H e rq u e t Nr. 164 und B ihl M G X 38. 278 d as FRANZrSKANERKLOSTER ZU MÜHLHAUSEN I. TH. V der dem jungen Orden nur Vorteil bringen konnte, woMngegen langer Hader dem Schwacheren nachteilig sein muBte. Frei- lich mehr ais ein korrektes Verhaltnis konnte so zwischen den beiden Orden nicht entstehen. Noch 1466 muBten Differenzen zwischen ihnen liber die Predigtstunde bei den Exekutoren der Mainzer Provinzialstatuten ausgeglichen werden'). Schwieriger gestaltete sich die Predigtordnung nach der Ankunft der Dominikaner (1289). Sie scheinen sich mit den Minoriten wöchentlich abgewechselt zu haben. Das erhellt einigermaBen aus dem Einigungsbriei zwischen den beiden Bettelorden vom 22. August 1368^), der die endgiiltige Rege- lung der Feier der Festtage und Predigten enthalt. Die genaue Feststellung hier zu erörtern, geht Uber den Zweck dieser Arbeit hinaus; es geniigt die Tatsache, daB sie eriolgte und somit ein ungestörtes Arbeiten beider Orden ermöglichte. Ob 1461 ein Streitfall zwischen Franziskanern und Dominikanern vorlag, laBt die kurze Erwahnung der ungedruckten Quelle nicht erkennen. Mit Sicherheit muB zum Lobe der Minoriten gesagt werden, daB sie zersetzende, demoralisierende Streitigkeiten mit den weltlichen und geistlichen Faktorén der Stadt vermieden und sich so in der Gunst des Rates und der Bürgerschaít erhielten.

1) W intruli 54. 2) Bihl 44 und 43 Anm. Í. D O E L L E 279

Das Wittenberger Franziskanerkloster und die Reformation. Von P. F e rd ln a n d D o e lle O. F. M. Auf dér Jungen Universitat Wittenberg lagen die Franzis- kaner eifrig den theologischen Studien ob. Die Matriltel nennt in den Jahren 1503 bis 1523 alléin 16 Franziskaner'), obwohl nicht allé hörenden Ordensleute auí den mittelalterlichen Uni- versitáten inskribiert wurden^). Die nach Luthers Auftreten im Jahre 1517 in Wittenberg graduierten sáchsischen Franzis- kaner neigten sámtlich dér Reformation zu. Diese Tatsache ist unstreitig auf die freundschaftlichen Beziehungen des Klosters zűr Universitat zurückzufüliren. Schon 1514 soll Karlstadt taglich eine Stunde im Franziskanerkloster über Skotus ge-

1) 1503 wurden immatrikuliert: Fráter Paulus Steyde (vgl. über ihn F. D o e lle , Reform tátigkelt des Provinzials Ludw ig Henning in dér sáchsischen Franziskanerprovinz, in: FSB III 1915, 45 Anm. 2); Caspar C u rrlíicis de Erítordia, lector Ordinis Minorum; Frater Gregorius Brandeburg de Zcer- west Ordinis Minorum; Frater Jacobus Swegerich de Torgaw Ordinis Mi­ norum; Frater Thomas Rewsz de Konigessehe Ordinis Minorum; Frater Alexander Swenichen de Gedano Ordinis Minorum (vgl. über ihn F. D oelle, Die Observanzbewegung in der sáchsischen Franziskanerprovinz bis zum Generalkapitel von Parma 1529, in ; R S T , H eit 30 und 31, Münster i. W. 1918, 105 Anm. 3); Frater Andreas Sonanberg de Berlin Ordinis Minorum (vgl. ebd. Anm. 4); Frater Petrus M olitoris de Zcane Ordinis Minorum; Frater Thomas D yler de Berlin Ordinis Minorum; Frater Joannes Leporis de Torn Ordinis Minorum. 1510 wurde Petrus Burnis sacrarum litterarum lector Ordinis Minorum amore Dei immatrikuliert (vgl. über ihn unten S. 280 ff.). 1518 wurde Frater Jacobus Fuhrer Cigaeus dioc. Numburgen. minoritanus, theo- logie baccalaureus immatrikuliert (vgl. über ihn unten S. 282 £{.). Von 1521 bis 1523 iinden vs^ir iolgende Namen in der Matrikel: Frater Joannes Vun- schaldt (vgl. über ihn unten S. 285ff.); Frater Joannes Swan Martburgen. minorita Baslens. dioc. Magun.; Frater Adrianus L u d o w ici de Monte S. Ger- trudis dio. Leodin. Franciscanus; Frater Joannes Spiren. civit. Franciscanus. Vgl. C. E. Foerstem ann, Album Academiae Vitebergensis ab a. Chr. 1502 usque ad a. 1560, Lipsiae 1841, 9. 11. 32. 75. 109. 113 f. 2) Vgl. G. E rle r, Die Matrikel der Universitat Leipzig, Bd. 3; Register, in: Codex diplomaticus Saxoniae Regiae, Bd. XVIII, Leipzig 1902, S. XI. In Wittenberg wurden Ludwig Henning und vielleicht auch Johannes Briesmann nicht immatrikuliert. VgL C. E. Foerstem ann, Liber Decanorum Facultatis Theologicae Academiae Vitebergensis, Lipsiae 1838, 2ff. und tmten S. 284. Auch soll sich der Franziskaner Joachim Schnabel, ein Anhanger der Refor­ mation, studienhalber in Wittenberg aufgehalten haben. Vgl. J. Soffner, Geschichte der Reformation in Schlesien, Breslau 1887, 5. 280 DAS WITTENBERGER FRANZISKANERKLOSTER UND DIE REFORMATION lesen habén ')• Auch in den folgenden Jahren blieb dieses freundschaftliche Verháltnis bestehen, wie aus dem Dekanats- buche zu ersehen ist®). Von den hier in Frage kommenden Franziskanern ist an erster Stelle P etrus de B o rn is oder F on tinus zu nennen, dér in Wittenberg als Lektor dér Theologie 1510 immatriku- liert wurde®). Am 16. August desselben Jahres promovierte er zum baccalarius biblicus^) unter dem Prasidium des Fran- ziskaners Alexander Swenictien und am 29. November zum baccalarius sententiarius ®). Nach Beendigung seiner Lesung über die beiden ersten Sentenzenbücher wurde er am 17. Ok­ tóber 1511 einstimmig zum baccalarius formatus zugelassen ®). Ihm stand es jetzt zu, über die beiden letzten Bücher dér Sentenzen zu lesen. Als Guardian von Wittenberg bat er am 26. November 1512 um Zulassung zum Examen pro licentia 0

1) Joachim Joh. Mader, Scriptorum insignium... Centuria, Helmae- stadi 1660, Nr. LXXXV. Vgl. auch H. Barge, Andreas Bodenstein von Karl- stadt, Leipzig 1905, 46. 2) Foerstem ann, Liber Decanorum 21 fi. 3) Foerstemann, Album 32. Dér baccalarius biblicus, dér auch Cursor genannt wurde, durfte „cursorie" über die Bücher dér Hl. Schritt lesen. Dér Eintrag lautet: „Quarta Nonas Augusti facultatis nostre magistris convocatis in auditorio collegii dispu­ tatione circulari finita religiosus pater frater Petrus Bornis minoritanus, sa­ crarum llterarum lector, omnium unaaimi consensu ad examen pro biblia ad­ missus est ac egregio magistro nostro patre Alexandro Swenichen minoritano sibi presidente respondit sexta feria post Assumptionis virginis superbene- dicte. Nec non feria secunda post eiusdem in eadem solenne fecit principium mane hora octava in auditorio publico collegii deditque danda.“ Vgl. F o e rste ­ mann, Liber Decanorum 7. 5) Es heiJJt im Liber Decanorum: „In vigilia sancti Andree religiosus frater Petrus de Pornis Ordinis Minorum sacre theologie baccalaureus biblicus in auditorio posterioris collegii presidente sibi eximio magistro nostro Wolff- gango de Monaco Ordinis Eremitarum sancti Augustini tunc decano pro ad­ missione ad sententias publice respondit. Statimque finita responsione ex consensu magistrorum ad sententias missus est. et sequenti quarta feria, que fuit festum sancte Barbare, solenne fecit principium et dedit danda.“ Ebd. 9f. 6) Der Eintrag lautet: „In profesto Luce respondit pro formatura reli­ giosus pater frater Petrus de Bornis Ordinis Minorum et concorditer admissus est.“ Ebd. 10. Der Liber Decanorum hat folgende Notiz: „Item 6 ‘“ feria post Katha- rine, quae erat 26. Novembris, venerabilis et religiosus pater frater Petrus Bornis, minoritani cenobii guardianus, sacre theologie baccalaureus formatus, ad examen pro licentia admitti petiit. Annuerunt patres conscripti." Ebd. 14. DOELLE 281 und am 10. Dezember desselben Jahres hielt er eine öffent- liche Disputation'), worau! ihm am folgenden Tagé unter dem Dekanate des Wenzeslaus Linck die Lizenz erteilt wurde^). lm Jahre 1515 war er noch Guardian von Wittenbergi). Am 30. August 1516 wird er „vicarius des ministers barfuBerordens“ genannt^). Erst am 12. Januar 1518 promovierte er íeierlich zum Doktor dér Tlieologie unter dér Beteiligung des Petrus Lupinus, Andreas Karlstadt, Martin Luther und Johannes Aestu- campianus. Darauf eríolgte seine Auínahme in den Senat und Rat dér theologischen Fakultat®). Da er den Rat von Torgau zu seiner Doktorpromotion eingeladen hatte, die mit groBer Feierlichkeit begangen würde, sandte ihm dieser am 5. Januar 1518 ein FaB Torgauer Bier, was uns in den Ratsprotokollen von 1518 mit íolgenden Worten überlieíert worden ist: „Item dem licentiathen Petro Bornis baríuBer ordens sál dér rath auíf sein doctorat gén Wittenbergk eyn vas bier schencken, dieweil er den rath zu seinen ehren geladen“ ®). Am 22. Mai 1519 wurde er zum Dekán dér theologischen Fakultat gewahlt'^). In diesem Jahre genoB er keineswegs die Sympathie Luthers; denn dieser schreibt am 3. Október 1519 an Staupitz: „Cras

1) Es heiBt namlich: „Idem 6 “* íeria post festum Conceptionis virginis gloriose publice respondit praeside magistro nostro Martlno Polllchio ex Mellerstat, postquam pro licentia petens a patribus admissus est.“ Ebd. 14. 2) Hieriiber lesen wlr: „Idem in privato licentiam nactus est Sabato post Conceptionis. In publico et solenniter ipso die s. Lucie decano ora­ tionem faciente." Ebd. 14. 8) Vgl. J. Heyne, Dokumentlerte Geschichte des Bistums und Hoch- stiftes Breslau, Bd. 1, Breslau 1860, 996. Hauptstaatsarchlv Dresden, Kopialbuch 125, iol. 94 v. 8) Der Liber Decanorum berlchtet hieriiber: „Undecima die Januarii anni 18. vesperiatus est religiosus pater Petrus Fontanus minoritanus per egregium Petrum Lupinum etc. Die vero sequenti per eundem solenniter doctorallbus insignitus est. Emancipator fuit eximius d. Andreas Carolo- statinus. Galli reverendus pater Martinas Luder et egregius doctor Johannes Estucampianus ad hoc admissus . Relatus quoque ac susceptus est ad senatum atque concilium theologice nostre facultatis quinta die Marcii." VgL Foerstem ann, Liber Decanorum 21. ®) VgL D oelle, Observanzbewegung 131 Anm. 2. Der Eintrag lautet: „Anno restitutae salutis undevigesimo supra millequlngentos decimo Kalend. Julii . Hoc est dominica Cantate. Post statutorum universitatis lectionem In nova collegii domo toclus senatus theo­ logici consensu decanus theologice facultatis electus est ex divi Francisci familia venerabilis et religiosus pater Petrus Fontanus, sacrarum literarum professor mlnimus.“ Vgl. Foerstem ann, Liber Decanorum 22. 282 d a s WITTENBERGER FRANZISKANEEKLOSTER UND DIE REFORMATION

Petrus Fontinus disputabit, qui me et omnes nos doctolos et sciolos pungens, posuit hallucinandum esse cum patribus prio­ ribus. Videbimus miracula magna Minorum istorum operario­ rum. Ita concitant homines isti ignari tragoedias sine causa" 0- Wie aus dem spaterenVerhalten Fontinus’ hervorzugehen scheint, traten sich beide Mánner um ungefahr diese Zeit in ihren An- schauungen naher. Konrad Pellikan stellte ihm am 15. Marz 1520 in einem Briefe an Luther ein lobendes Zeugnis aus, ob- wohl er iiber seine Stellung zu Luther noch nicht recht im klaren war. Er schreibt von Basel aus: „Ex Minoribus Witten- bergensibus novi Doctorem Petrum, qui Capitulum Lugdunense generale pergens, per me Rubeacum hospes mihi fuit secundo, visus mihi vir bonus; scire cuperem, si dissentiat nec ne. Vere­ tur forte (ut nostrum multi) superiores nostri ordinis, generalem ministrum acutissimum Scotistam" ^). Nach der Teilung der Sachsischen Provinz vom hl. Johannes dem Taufer in die nieder- und obersachsische im Jahre 1521 zu Neubrandenburg wurde Fontinus zum Provinzial der obersachsischen Ordensprovinz gevi^ahlt. Das Generalkapitel von Burgos im Jahre 1523 er- kannte ihn nicht an, weil die Teilung ohne die nötigen Voll- machten geschehen sei. Der General ernannte ihn sodann zu seinem Kommissar, bis in der obersachsischen Provinz ein Kapitel einberufen und eine rechtmafiige Wahl des Ministers getátigt vs^orden sei. In dieser Zeit gab sich Fontinus anschei- nend groBe Mühe, den katholischen Glauben zu erhalten. Doch war das nur eine Komödie. Im August 1524 nahm er noch an dem Provinzkapitel zu Dresden teil, auf dem aber Benedikt von Löwenberg zum Minister gewahlt vs^urde. Bald nach dem Dresdener Kapitel trat Fontinus offen zu Luther iiber. Er wurde Prediger in der Neustadt zu Breslau und Verwalter des Hospi- tals zum Hl. Geiste. Er heiratete 1526 und erhielt um 1530 die Pfarrstelle von Wohlau. Sein Todesjahr ist 1534 oder 1535®). Ein anderer Franziskaner, der zu Luthers Zeiten theolo- gische Grade in Wittenberg erlangte, ist Jakob F uh rer. Im Jahre 1513 war er Lesemeister zu Wittenbergi). Er promo-

1) Vgl. B. L. Enders, Dr. Martin Luthers Brieiwechsel, Bd. 2, Calw und Stuttgart 1887, 185. 2) Ebd. 256 f. Gemeint ist Franziskus Llchetto von Brescia. 3) D oelle, Observanzbewegung 131 Anm. 2.

Ratsarchiv Wittenberg, Urbárium III Bb 6 , fol. 306 r. DOELLE 283 vierte daselbst am 20. August 1518 zum baccalarius biblicus') und lieB sich erst am 2. Október desselben Jahres daselbst immatrikulieren. Er genoB in hohem MaBe Luthers Gunst, dér über ibn am 3. Október 1519 an Staupitz berichtet: „Bacca­ laureus eorum Jacobus, qui hodie pro circulo respondit, quia modestus fuit et positiones recte posuit, praecellit illos utrosque magistros nostros^). E Zwickavia hic est, Wittembergae edu­ catus, bonus et ingeniosus pariter. Sic Christus superbos hu­ miliat et humiles exaltat." Unter Luthers Dekanate 1521 pro- movierte er zum baccalarius sententiarius und am 22. No­ vember 1521 unter dem Dekanate des Johannes Dölsch zum baccalarius formatus^). Zu seiner weiteren wissenschaitlichen Ausbildung sollen ihn seine Oberen in das Jakobskloster nach Breslau geschickt haben. Es scheint jedoch, daB sie ihn durch diese Versetzung dem Einilusse der Wittenberger entziehen wollten. Der Aufenthalt in Breslau, wo die Ideen Luthers groBen Anklang geiunden hatten, und wo er Zeuge so mancher argerlicher Auftrltte unter seinen Briidern war, machte auf den jungen Ordensmann einen tiefen Eindruck. Ais die Ordens- oberen von dem Treiben im Jakobskloster Kenntnis erhielten, sandten sie ihn nach Löwenberg. Jetzt ging die Saat aui, die in Wittenberg und Breslau ausgestreut worden war. In der Klosterkirche zu Löwenberg trug er Luthers Lehre mit solchem Eriolge vor, daB sich viele Ordensleute und Bürger der Neue- rung zuwandten. Ais ihn seine Oberen unter Androhung strenger Strafen zum Widerrufe zwingen wollten, entfloh er aus dem Kloster. Spater stellte ihn der Rat mit einigen Gehilien bei der

1) Der Eintrag lautet: „Religiosus pater frater Jacobus Fuererius Zcuickauien. mlnoritanus die Veneris 20. Augusti pro admissione ad bibliám respondens admissus est et assecutus, quod conabatur." Vgl. Foerstem ann, Liber Decanorum 22. 2) Luther meint, Jakob Schwederich und Petrus Pontinus, die bei Ge- legenheit des Provinzkapitels zu Wittenberg disputierten. Vgl. F. Doelle, Drei ausgetretene Franziskaner von Preiberg i. S. an den MeiBener Kustos Jakob Schwederich, in: RST, Heit 21 und 22, Miinster i. W. 1912, 40 und oben S. 282 Anm. 1. 3) Es heiBt im Dekanatsbuche: „Respondit Jacobus Furer minoritanus sub Petro Lupino thesaurario fidelissimo pro sentenciis fecitque facienda." Vgl. Foerstem ann, Liber Decanorum 24. *) Die Notiz lautet: „22. Novembris Jacobus Furer minorita respondit pro formatura praeside Johanne Dölicio Veltkirchio anno etc. 21 et formatura dignus est judicatus." E bd. 26 f. 284 d a s wittenberger franziskanerkloster u n d d ie reformation von den Franziskanern gröBtenteils verlassenen Klosterkirche zu Löwenberg als Prediger an, wo er bis zum Jahre 1545 verblieb ^). Zu Luthers Zeiten erlangte auch Johannes B riesm ann theologische Grade zu Wittenberg. Er wurde 1488 zu Kottbus geboren, bezog 1507 die Universitát Wittenberg, wurde 1510 zum Priester geweiht und begab sich dann nach Frankfurt a. 0., von wo er 1513 wieder nach Wittenberg zurückkehrte ^). Wann er in den Franziskanerorden eingetreten ist, láBt sich nicht mit Bestimmtheit angeben. Vielleicht dürfte er um 1510 Franzis- kaner geworden sein, wie aus den Worten hervorzugehen scheint, die er 1523 an den Kustos Jákob Schwederich niederschrieb: „Die AuBiegung aber des Euangelions, dér er sich gerümet hatte tzu leren, habé ich mit meynen schaden láng zuuor ge- wust. Denn ich wol tzwelff iar ynn dem schulgetzenke ge- west, vnd íast sehr dem Euangelion widderstrebet hab“ ®). 1518 wurde er bei dér Universitát Frankfurt a. 0. immatrikuliert als „Frater Johannes Frisemann Kotbusianus pauper“ ®). In Frankfurt dürfte er wohl die ersten theologischen Grade er- langt habén, da uns das sonst zuverlassige Dekanatsbuch von Wittenberg hierüber im Stiche laBt. Nach dér Leipziger Dis- putation, bei- dér er zugegen war, ging er wieder nach Witten­ berg zurück^. Am 31. Október 1521 wurde er unter dem

D oelle, Observanzbewegung 131 Anm. 1. 2) P. T schackert, Urkundenbuch zűr Reformationsgesehlchte des Her- zogtums Preuűen, Bd. 1 , in; Publikationen aus den Kgl. PreuBischen Staats- archiven, Bd. 43, Leipzig 1890, 41 íf. 3) Vgl. oben S. 283 Anm. 2. <) Mit dem „Scliulgezank“ wird Briesmann wolil die beiden Richtungen des Tliomismus und Skotismus an dér Universitát Wittenberg gemeint liaben. Vgl. auch Barge, Andreas Bodenstein, Teti 1. 5) Vgl. Unterricht und ermanung Dock. Johannis Briesmans Barfusser Ordens an die Christlicli gemeyn zu Cottbus Anno MDXXIII S. 8 . E. Friedlaender, Altere Universitatsmatrikein, Bd. 1: Universitát Frankfurt a. O., in: Publikationen aus den Kgl. PreuBischen Staatsarchiven, Bd. 32, Leipzig 1887, 50. ■^) Die Wittenberger Matrikel nennt zum 3. Januar 1520 einen „Joannes Bussman Cotbusius". V gl.Foerstem ann, Album 87. Hieraus schlieBtTschackert a. a. 0. 42, es stünde urkundlich fest, daű mit diésem Eintrag unser Bries­ mann gemeint sei. Dem widerspricht aber die Gewohnheit dér Universitát Wittenberg, die Ordensieute mit dem Zusatz „Pater“, „Fráter" oder mit dem Namen ihres Ordens oder mit beiden Zusatzen zugleich naher zu bezeichnen. Vgl. ebd. 9. 11. 32. 75. 109. 113 f.; vgl. auch F o e rs te m a n n , Liber Deca­ norum 26 t., wo Briesmann diese Zusatze taktisch erhalt. DOELLE 285

Prasidium Karlstadts zum Lizentiaten dér Theologie promo- viertO und am 21. Januar 1522 unter Justus Jonas zum Ma­ gister der Theologie^). Am 2. Február wurde er in den Lehr- körper dér Falíultát aufgenommen ®). Da sich. laut Ratsbestim- mung vöm 25. Januar 1522 líein Franziskaner nach dem 30. Márz in Wittenberg aufhalten duríte, es sei denn, daB er ein Hand- werk erlernte oder im Dienste dér Kranken und Spitaler ver- wandt wurde, verlieB Briesmann Wittenberg und begab sich in seine Vaterstadt Kottbus, wo sich ebenfalls ein Franziskaner- kloster befand. Seinen Aufenthalt in Kottbus benutzte er zűr Ausbreitung dér neuen Lehre, weshalb er sich viele Verfol- gungen von jenen unter seinen Mitbrüdern zuzog, die ausge- sprochene Gegner Luthers waren und bereits am 15. Dezember 1520 Luthers Schriíten verbrannt hatten^). Luther schrieb ihm am 24. April 1522, er solle ausbrechen wie dér Vogel aus dem Kafige und nach Wittenberg kommen®), wo er im Franziskanerkloster ebensogut Unterhalt íinden könne wie írüher, wenn auch dér Kurfürst nichts beisteuere ®). Gegen Ende 1522 kehrte er nach Wittenberg zurück. 1523 wurde er nach PreuBen beruíen. Seine erste Predigt hielt er am 27. September 1523 im Döme zu Königsberg. Dér Protestantismus darf ihn seinen Apostel in PreuBen nennen, wo er als Verweser des Bistums Samland sein bewegtes Leben im Jahre 1549 schloB'^). Dér letzte Franziskaner, dér nach Luthers Auftreten in Wittenberg promoviert hat, ist Johannes Wunschalt. Er

1) Hierüber berichtet das Dekanatsbuch: „Anno Domlni 21 sub deca- natu Johannis Doelicii Veltkirchii hiberno respondit et promotus est in tlieo- logiae licentiatum reverendus pater Johannes Briesmannus, minoritanus, theo­ logiae baccalaureus íormatus, preside Andrea Bodenstein, theologiae doctore, et inox in licentiatum promotus est die Octobris ultima eiusdem anni XXI.“ Vgl. Foerstem ann, Liber Decanorum 26. 2) Der Eintrag lautet: „Frater Johannes Brlesman mlnor promotus est in theologiae magistrum eximium ab eximio Jodoco Jonae, ecclesiae Witten- bergensis praeposito dignissimo 21. Januarii etc.“ Ebd. 27. 3) Im Dekanatsbuche helBt es: „Idem receptus est ipso die Purificationis Mariae eiusdem anni a D. Veltkirchio tunc decano etc.“ Ebd. 27; vgl. auch T s c h a c k e r t 44. ■‘) Vgl. T s c h a c k e r t 44 f. 5) Es helBt: „Interim tu patere, sicut poteris, aut si potes, erumpe et advola. “ E. L. Enders, Dr. Martin Luthers Briefwechsel, Bd. 3, Calw und Stuttgart 1889, 344. Über Briesmanns Leben vgl. Tschackert 41 ff. 2 8 6 d a s wittenberger franziskanerkloster u n d d ie reformation wurde Ostern 1,521 bei dér Universitat Eríurt und im Winter- semester 1521/22 bei dér Universitat Wittenberg immatriku- liert. Am 29. November 1521 promovierte er zum baccalarius biblicus *), worauí er bald Kustos von Breslau wurde. Als solcher appellierte er im Auftrage seines Ministers Petrus Pon­ tinus am 2. September 1523 gegen die Sentenz von Burgos an den Papst. Die Kommissare Anselm von Wien und Michael Fries verví^arfen die Appellation und zitierten am 15. September den Minister der Thüringer Provinz, die Kustoden und Guar- diane dér Kustodien Breslau und Görlitz nach Neifie. Hierauf appellierte Wunschalt im Auftrage seines Ministers an das nachste Generalkapitel. Die Kommissare richteten nun in váter- licher Weise ein Monitorium an die Sachsen. Am 24. Sep­ tember erlieBen sie ein zweites und zwar öffentliches. Hierin erwahnen sie, dal5 dér Kustos Jobannes Wunschalt, dér Guardian Michael Hillebrant von NeiBe und die anderen Brüdér dér beiden genannten Kustodien die Zitation verachteten. Am 25. Sep­ tember wurden sie nochmals von den Kommissaren aufgefordert, in NeiBe zu erscheinen und sich dér Sentenz von Burgos zu fügén; anderenfalls würden die in dér Sentenz enthaltenen Strafen über sie verhangt vs^erden. Da die Sachsen auch jetzt nicht erschienen, sprachen die Kommissare allé Klöster dér beiden Kustodien den Böhmen zu und erklarten, daB dér Mi­ nister von Sachsen mit seinem Anhange den Zensuren verfallen sei, welche die Sentenz von Burgos enthalte; sie bevollmachtigten sodann den Minister von Böhmen, die Exkommunikation über die widerspenstigen Brüder zu verkündigen. Dér Minister von Böhmen gab ihnen noch eine Bedenkzeit bis zum 12. Október. Da sich die Sachsen aber auch jetzt nicht íügten, wurde über Johannes Wunschalt und Michael Hillebrant samt ihrem An­ hange die Exkommunikation ausgesprochen. Wahrend Michael Hillebrant dér katholischen Kirche und seinem Orden treu blieb.

Dér Eintrag lautet: „29. Nouembris fráter Johannes Vunschalt Ordinis Minorum pro biblia respondit D. Carlstadio praeside et mox admissus est íactis faciendis." Vgl. Foerstem ann, Liber Decanorum 27. V. G reiderer nennt ilin nach dem Kapitel von Burgos 1523 „quon­ dam custos“ . Vgl. Germania Franciscana, Bd. 1, Oeniponte 1777, 594. Das Protokoll dér Disputation vöm 20. bis 24. April 1524 in dér Dorotheenkirche zu Breslau hingegen nennt ihn noch Kustos dér Kustodie Breslau. Vgl. Ch. Re is eh, Geschichte des Klosters und dér Kirche St. Dorothea in Breslau, Breslau 1908, 385. ÖOELLE 287 treííen w ir Wunschalt als Respondenten bei dér Disputation, die dér erste lutherische Prediger Breslaus, Dr. Johannes Hess, vöm 20. bis zum 24. April 1524 in dér Dorotheenkirche zu Breslau hielt. Wunschalt wurde noch im Jahre 1524 Diakon an dér Marienkirche in Liegnitz und verheiratete sieli 1526 mit einer früheren Nonne'). DaB sicli samtlictie Franziskaner, die zu Luthers Zeiten in Wittenberg theologisclie Grade erlangten, dér Reíormation zuwandten, wirít grelle Sclilaglichter auf die inneren Verliait- nisse dér Wittenberger Klostergemeinde. Es liegt auf dér Hand, daB ein solclier Konvent nicht die Kraít besaB, den lierein- brechenden Stürmen Widerstand zu leisten. Noch im Jahre 1520 scheinen die Franziskaner die Sympathien des Rates ge- nossen zu habén, dér ihnen 40 Groschen zu zwei Habiten (Capfíen) schenkte, weil sie „groBen vleifi in brande Eberhardts vorgewandt“ hatten^). Doch bereits im Jahre 1521 zeigte das Vorgehen dér Wittenberger Studenten gegen das Franziskaner- kloster, welcher Same inzwischen durch die Schriften und Pre- digten dér Reformátorén aufgegangen war. Die Studenten hef- teten am 4. Dezember 1521 einen Schmahzettel an die Tűre dér Klosterkirche und kamen hernach gegen 14 Mann stark zum Kloster, wo sie „die aímen veter vnd brúder vil spottes angelehet vnd mit schymplichen worthen angegangen“ . Die Brüder durften an diesem Tagé nur eine hl. Messe im Chore lesen; mán warnte sie auch, daB die Studenten das Kloster in dér folgenden Nacht zu stürmen gedáchten. Darum baten sie den Rat um Schutz. Dieser besetzte nun das Kloster mit einer starken Wache. Dér Sturm unterblieb zwar, aber die Brüder muBten in steter Sorge leben, von den aufrührerischen Studenten überfallen zu werden ®). í) D oelle, Observanzbewegung 176—190; bes. 179 Anm. 7. 2) Ratsarchiv Wiltenberg, Acta das Franziskanerkloster betr. lol. 63 v. 8) Am 7. Dezember verlangte dér Kurfürst vöm Rate zu Wittenberg die Bestrafung dér aufrührerischen Studenten. Vgl. N. M ü lle r, Die Witten- berger Bewegung 1521 und 1522, Leipzig 1911, 77 ff. Die „Zeitung aus Wittenberg" vöm Aníange des Jahres 1522 berichtet über die Studenten- ausschreitungen: „lm Barffisser Cioester maohten sich die Studenten aber einst an die munch, hetten ein altar, von Hoitzwerck gemacht, vast gar ein- gerissen, briffe an die kirchtürr geschlagen. Sy hart betrauht, das sich die Münch bpsorgten, auch sich mit wechtern sterckten." Ebd. 152 f. tJber die Zuchtiosigkeit dér Wittenberger Studenten vgl. auch F. Gess, Aktén u. Briele zűr Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen, Bd. 1, Leipzig 1905, 207 ff. 288 DAS WITTENBERGER PRANZISKANERKLOSTER UND DIE REPORMATION

Aus dem Brieíe Ottó Beckmanns an Justus Jonas, Johann Dölsch usw. vöm 7. Dezember 1521 geht hervor, daB im Bar- füBerkloster schon manches iü dér Gottesdienstordnung ge- andert sein muBte 0- Diese Veranderung bestand darin, daB vöm Tagé dér Studentenausschreitung an taglich nicht mehr als eine Messe im BarfüBerkloster gelesen werden duríte. Selbst einige Franziskaner gingen um diese Zeit so scharf gegen das Messelesen vor, wie es bisher nocb niemand getan hatte ^). Sie zogen sich damit selbst den Boden unter den FüBen weg; denn am 25. Januar 1522 erklarte dér Rat von Wittenberg, daB er keine Bettelmöncbe mehr dulden werde. Die jüngeren Ordensleute sollten sich bis zum 30. Marz entschlieBen, ein Handwerk zu lemen und die alteren, sich dér Krankenpflege zu widmen^). Die entschiedene Sprache des Rates hatte zűr Folge, daB sich die Klöster bis auf einige alté, gebrechliche Leute entvölkerten, vi^ie ein gleichzeitiger Bericht sagt: „mynch vnd píaífen lassen blattén (Tonsur) verwassen vnd nemmen ewiber“ ^). Die BarfüBer und Augustiner sollten noch vor dem 30. Marz 1522 die Klöster ráumen. Daher begab sich dér Rat schon vor dem 14. Február in genannte Klöster, um das Inventar zu be- sichtigen und die Kleinodien zu verzeichnen ^). Bei dér dro- henden Haltung des Rates gegen die Ordensleute wurde es für die Franziskaner verhangnisvoll, daB gerade jetzt innerhalb eines Jahres die Patres Jákob Voit®) und Vitus Schertzer'^)

1) Es heiJSt: „Auch daB dye leyen nicht midt dér tadt vnde gewalt vor erkantnisfi dér warheit Bo vnschlcklich dye kyrchen ampte verhinderdenn, dye noch heutigen tages jn dér pfar kirchenn, auch itlicher maB jm BaríusBer Closter, aussgeschlossenn dye Hoemesse, allé nachbleibenn.“ Vgl. N. M ü lle r 95. Vgl. N. M üller 153. Vielleicht war Johannes Luckow unter ihnen, dér sich vor 1522 als Lektor in Wittenberg aufhielt. Vgl. H. Becker, Re- formationsgeschichte dér Stadt Zerbst, Dessau 1910, 278 ít. 2) Vgl. J. B. M énekén, Scriptores rerum Germanicarum, Bd. 2, Lip- siae 1728, Annales Georgii Spalatini 611. >) Vgl. N. M ü lle r 211. In dem gleichen Beriehte heiBt es von zwei Franziskanern: „Ein barfusser műuch ist ein schustre worden vad eins burgers dochter génemén. Ein ander barfusser |ist beck worden vnd ein fraw gnomen.“ Ebd. 209. Schon in einem Brieíe vöm 4. November 1521 an den Kuríürsten wird berichtet: „Es sál auch ein paruuBer monnich aus- getreten sein vnd offentlich in voranderten kleideren auíf dér gasse gehen.“ Ebd. 59. 5) E bd. 204 und 210 und untén S. 292. ®) Vgl. L. Lem m ens, Aus ungedruckten Franziskanerbrieíen des XVI. Jahrh., in : RST, Heft 20, Münster i.W . 1911, 2 5 -2 8 . ■?) E bd. 25. 28— 34. D o e l l E 28Ö starben, die ais Beichtvater des Kurfürsten und des Herzogs Johann groBen EiníluB besaBen und bei ihrer streng kirchlichen Gesinnung gewiB manchem Schlage vorgebeugt oder ihn we- nigstens géműdért habén würden. Jákob Voit starb am 15. April 1522 im Kloster zu Torgau') und Vitus Schertzer im Januar 1523 im Kloster zu Weimar^). Iníolge des Ausweisungsdekretes finden w ir im Jahre 1523 nur noch einige alté Brüder, die sich hilfesuchend an Kurfürst Friedrich wahdten. Seine Ráte befürworteten die Supplikation, die ilinen zűr Begutachtung übersandt wurde, weil die armen Brüder „alt und verlebt, auch in kleiner Antzalh und . . . eins gutten Lebens“ sein sollten. Sie machten in ihrem Berichte vöm 2. Juli 1523 dem Kurfürsten den Vorschlag, den Brüdern zu ihrem Unterhalte um Gottes willen wöchentlich zwei oder wenigstens einen Gulden von den Zinsen zu geben, die aus jenen Stiítungen herflössen, die vs^egen Prlestermangels nicht mehr besetzt werden könnten. Das sei ein gutes Almosén und wáre Gott angenehm; schimpflich hingegen wáre es, wenn mán ihnen gestatten wollte, die Kleinodien anzugreifen ®). Die Nőt dér Brüder stieg von Tag zu Tag. Dér Provinzial Petrus Pon­ tinus sandte deshalb eine Bittschriít an den Kurfürsten. Dieser gab ihm zűr Antwort, daB er ihm bei ferneren Nöten und An- liegen ein gnadiger Herr sein wolle. lm Vertrauen auf diese Antwort vi^andten sich dér Minister, die Doktorén; Kustoden und Diskreten dér Provinz, welche auf dem Provinzkapitel zu Dresden versammelt waren, ara 24. August 1524 an den Kur­ fürsten. Sie setzen ihn davon in Kenntnis, daB dér Guardian

1) Dér Kurfürst Friedrich berichtet am 18. April an seinen Brúder Johann; „meyn beichtvater ist am vergangen dinstag in kloster zcu torgaw gestorben . . . dér almeehtig geruche In allén vnd vnB armen Bundern genedíg zou Beyn.“ Vgl. C. E. Foerstem ann, Neues Urkundenbuch zűr Geschichte dér evangelischen Kirchen-Reformation, Bd. 1, Hamburg 1842, 22. 2) Spalatin bemerkt zu dem Tode dér Beichtvater: ,',Ita uterque princeps divi fratres suos poenitentiarios intra annum et citius amiserunt D. Fride- ricus dux Sax. Elector Fr. Jacobum Voytum, D. Johannes Vitum Schertzerum utrumque Minoritanum, utrumque grandem natu etc.“ Vgl. J. B. M encken, Scriptores rerum Germanicarum 619. Original im Staatsarchiv zu Weimar (= WA) Reg. Kk 1422. In der Karvsroche 1524 bekamen die Brüder von der groBen Spende vie r Groschen. Am 31. Marz 1523 erhielten sie funf Groschen und ein Schock. Ebd. Reg. 0 218. Franzisk. Studien. 10. Jahrg. 3 /4. He!f. ig 290 d a s WITTENBERGER FRANZISKANERKLOSTER u n d DIE REFORMATlON von Wittenberg das Kloster verlassen habé 0 und nur noch etwa drei Brüder daselbst anwesend seien. Sie wüBten nicht, wo Siegel, Kleinodien, Bücher und alíes Geráte blieben, da ihnen dér Guardian nach Dresden geschrieben habé, dér Rat wolle nicht erlauben, daB wiederum ein Guardian oder Brúder íür Wittenberg bestimmt würde. Auch in anderen Stadten habé mán den Brüdern die Kleinodien aus den Klöstern genommen und verboten, Almosén zu sammeln und zu geben; mán habé lutherische Prediger mit Gewalt in die Klosterkirchen eingeíührt und den Brüdern untersagt. Messe zu lesen und in anderen Dingen nach altem christlichen Brauche zu leben. An manchen Orten seien sie ihres Lebens nicht mehr sicher. Daher bitten die Kapitelsváter den Kurfürsten instandig um seinen Schutz, damit sie bis auí weitere Entscheidung ungehindert wie írüher leben könnten^). Am 11. September 1524 schickte dér Kuríürst von Lochau aus an den Rat von Wittenberg eine Kopie dér Beschwerde des Ministers, dér Doktorén, Kustoden und Diskreten dér Pro- vinz Thüringen^) zűr AuBerung, damit er den Brüdern eine entsprechende Antwort geben könne"*). Dér Rat sandte aber dem Kurfürsten keinen beíriedigenden Bericht. Daher schrieb dieser am 19. September 1524 wieder an den Rat, daB die Artikel dér BarfüBer nicht allé beantwortet seien, besonders jener nicht, daB dér Rat den München nicht gestatten wolle, wiederum einen Guardian nach Wittenberg zu verordnen. Darum sende er den Bericht zűr Beantwortung zurück, ob namlich die BaríüBer willens seien, einen Guardian íür Wittenberg zu bestimmen, was dér Rat zu dulden habé, und ob sie das bisher verhindert hatten oder nicht'’).

1) Gemeint ist Vitus Jerige. Vgl. über ihn Doelle, Observanzbewe- gung 117 Anm. 2. 2) Vgl. Anhang Nr. 1. •’<) Die Saohsen wollten von dem Nainen „Provinz von Thiiringen" nichts wissen. Vgl. D oelle, ObServanzbewegung 184 und 188. <) Vgl. Original im Ratsarchiv Wittenberg, Acta das Franziskanerkloster betreffend tol. 26r und Konzept im WA Reg. Kk 1417 íol. 4r. An dem- selben Tagé schrieb auch dér Kuríürst an die genannten Vater, daB er sioh erkundigen wolle, wie es um die Sache stehe, um Ihnen die gewünsohte Antwort geben zu können. Vgl. Konzept im W A Reg. Kk 1417 föl. 3r. “) Vgl. Original im Ratsarchiv Wittenberg, Acta das Franziskanerkloster betreífend föl. 28r und Konzept im W A Reg. Kk 1417 föl. 5r. bÓELLE 291

Am 22. September 1524 verteidigt sich dér Wittenberger Rat auf die Anschuldigungen dér in Dresden versammelten BarfüBer. Er schreibt dem Kurfürsten, daB er den Brüdern nicht verboten hatte, um Almosén zu bitten, noch ihnen welche zu geben, viel weniger aber Messe zu lesen und andere Werke nach christlichem Brauche zu verrichten. Die Sacbe verhalte sich so: Die Augustiner hátten einmütig im Kapitel beschlossen, die Messe sei kein Opfer und die Orden hatten keine Existenz- berechtigung. Darum hatten sie die Messe abgeschaí'ft und ihren Mitgliedern anheimgestellt, frei das Kloster zu verlassen. Das hátten sich die BarfüBer auch zu Herzen genommen, und ein Teil dér vornehmsten Brüder 0 habé daher den Orden ver­ lassen, den Habit abgelegt und weltliche Kleider angezogen; ein Teil dér Brüder sei freiwillig von Wittenberg weggegangen und nicht vöm Rate vertrieben worden, nur einige Brüder seien im Kloster geblieben. Weil ihnen aber niemand mehr Almosén gebe, hátten sie aus sich selbst auígehört, Almosén zu betteln und Messe zu lesen. Die Gemeinde habé ferner beschlossen, keine Bettler, die gesund und kráftig seien, sowie keine Bettel- orden mehr zuzulassen, da sie genügend mit Predigern und Lektoren versehen sei, die ihr das heilige Evangélium und Gottes Wort predigten. Da die Bettelorden auch in den um- liegenden Lándern und Stadten nicht geachtet, sondern von dórt vertrieben würden, so könnten die guten Váter vs^ohl er- messen, was ihnen in Wittenberg blühen würde, wohin mán ohne Aufruhr und Lebensgefahr, was dér Rat nicht verhindern könnte, keinen Brúder, geschweige denn einen Guardian ent- senden düríe. Die Gemeinde habé beschlossen, die noch im Kloster anwesenden Brüder, soíern sie in Wittenberg einge- treten seien, unter denen sich alté, gebrechliche Leute be- fánden, zu dulden und in gebührender Weise mit Kleidung und Nahrung zu versehen, bis sie anderweitig versorgt würden. Weder dér Rat noch sonst Jemand habé einen Prediger mit Gewalt in ihr Kloster gesetzt, noch ihnen die Kleinodien ent- wandt. Was die Kleinödien betreffe, so seien die Augustiner beim Rat gewesen und hátten ihn gebeten, ihre Kleinodien und anderen Güter, die ihnen um Gottes willen geschenkt wor­ den seien, zu inventarisieren, weil diese Sachen nicht ihnen.

1) Vgl. oben S. 279— 287. 19’ 292 d a s WITTENBERGER KRANZISKANERKLOSTER u n d DIE REPORMATÍON sondern den armen Leuten gehörten. Von den Kleinodien und ihrer anderen Habé sei jedoch nichts entwendet worden. Das- selbe habé dér Rat auch bei den BaríüBern, die es für biliig erachtet hatten, tun wollen 0- Spater liabe dér Kuríürst selbst in nicht unbilliger Weise so gehandelt, weil das Kloster von den Almosén seiner Vorfahren gegründet worden sei. Was aber nun ihren Orden und den altén Brauch betreffe, so hatten hochgelehrte Mitglieder ihres vermeintlichen Ordens selbst sowie auch andere durch Disputieren, Schreiben und Predigen dem gewöhnlichen Volke und besonders den Gelehrten dér Witten- berger Hochschule nach Ausweis dér Hl. Schrift dargetan, daB hiervon nichts in dér Schriít zu finden sei. Dér Rat, dér zu- meist aus Laien bestehe, könne sie in diesem Punkte nicht anders lehren, noch sei er imstande, jene Gelehrten und Frem- den, die sich des Evangeliums wegen in Wittenberg aufhielten, zurechtzuweisen, da sie als Gaste seinem „Gerichtszwange" nicht unterstánden; vielleicht könnten und wollten sie es selbst nicht einmal, doch sei gewiB, daB sie Gottes Wort nicht um- zustofien, noch zu unterdrücken vermögen^). Bis zum 17. Október 1524 hatten die Brüder noch immer kelne Antwort auf ihr Bittschreiben. Daher wandte sich dér neuerwahlte Minister Benedikt von Löwenberg mit seinen Brüdern von Dresden aus an den Kurfürsten, weil sie ratlos waren, wie sie sich dem Wittenberger Konvente gegenüber verhalten sollten. Durch die Veránderung namlich, die infolge weltlicher Handel im Kloster stattgefunden hatten, und wegen dér Verhinderung des Gottesdienstes könnten sie ohne Be- lastung ihrer Gewissen den Verpflichtungen, wie das Haltén dér Tagzeiten, Vigilien, Messen usw. ^), nicht mehr nachkommén. Sie bitten daher den Kuríürsten, er wolle allén FleiB anwenden, das Kloster im hergebrachten Stande zu erhalten, und dem Minister und den Kustoden Schutzbriefe ausstellen, damit sie ihre Kloster ungehindert visitieren könnten Die freundliche Gesinnung, die dér Kurfürst írüher stets

1) Die Kleinodien dér Augiistiner und BaríiiCer wurden vöm Witten­ berger Rate noch vor dem 14. Február 1522 inventarisiert. Vgl. N. M üller 204 und 210 und oben S. 288. 2) Vgl. Original im W A Reg. Kk 1417 föl. fir-—8 r. Vgl. D oelle, Reformtatiglceit 58 Anm. 7. *) Vgl. oben S. 287 f. “) Vgl. Anhang Nr. 2. D O E L L E 293 den Brüdern gegeaüber gehegt hatte, schien sich plötzlich ge- ándert zu habén; denn am 24. Október 1524 übersandte er ihnen die Antwort des Wittenberger Rates, oline auch nur mit einem einzigen Worte auf ihre Bitten vöm 17. Október ein- zugehen 0- Am 25. November 1524 antworteten dér Provinzial und die Kustoden dem Kurfürsten auf den Bericht des Wittenberger Rates. Sie heben hervor, daB sich die Antwort und die Ent- schuldigungen des Rates nicht alléin auí den Wittenberger Konvent bezögen, sondern auch auí andere Stadte, wo ihre Briider wohnten, die mit Recht allzeit nach dem Willen und dem Befehl des Kuríürsten lebten^). Sie bitten ihn um seine persönliche Ansicht besonders wegen des Wittenberger Kon- ventes, dér von seinen Vorfahren gestiftet worden sei, damit ihre Gewissen nicht beschwert würden, vi^enn sie ihren Ver- pflichtungen betreífs dér Stiftungen zu Wittenberg, wie sie in ihrem letzten Briefe ausgeführt hátten, nicht nachkommen könnten. Er möge auch die Brüder nach Möglichkeit schützen, ihnen erlauben, Almosén zu sammeln, und sie beim altén christ- lichen Brauch belassen. Endlich möge er in diesen schweren Zeiten, wie es auch andere Fürsten getan hatten, dem Minister und den Kustoden Geleits- und Gunstbrieíe ausstellen, damit sie ihre Klöster ungehindert visitieren könnten^). Am 24. D.ezember 1524 schrieb nun dér Kuríürst an den Minister, die Doktorén, Kustoden und Diskreten dér Thürin- gischen Provinz, sie möchten sich auf Sonntag, den 15. Januar 1525, in Torgau einíinden, wo er ihnen durch seine Rate eine Antwort auf ihre Beschwerde erteilen wolle ^). Die Brüder erschienen am festgesetzten Tagé vor den Raten in Torgau, ohne jedoch etwas zu erreichen. Sie be- richten hierüber am 20. Januar 1525 an den Kurfürsten, daB sie den Raten ihre Anliegen und Beschwerden bezüglich dér Brüder und Klöster vorgetragen hatten, wie er aus dér bei- liegenden Aufzeichnung ersehen könne; aber sie hatten weder Rat noch Hilfe erlangt, da sich die Rate in diesen Sachen nicht für zustandig erachtet hátten. Darum bitten sie jetzt den

1) Vgl. Konzept im W A Reg. K k 1417 föl. l l r . 2) Gemeint sind die Klöster zu Altenburg, Torgau, Weida und Zwickau, Vgl. untén S. 294— 297. Vgl. Anhang Nr. 3. Kopie im Staatsarcliiv Dresden, Loc- 8982 íol. 9v. 294 d a s WITTENBERGER FRANZISKANERKLOSTER UND DIE REFORMATION

Kurfiirsten „umb Gotis willenn gantz demüticlich“ , er wolle sie in seinem Lande durch einen schriitlichen Befehl vor Gewalt, Frevel und Unrecht bescliiitzen, bis die heilige chnstliche Kirche, zu der sie sich ais Briider Christi und des hl. Franzislius be- iíánnten und auí die sie sich beriefen, eine allgemeine Ent- scheidung gefallt habe ')• W ir gehen wohl nicht fehl, wenn w ir in einem Schreiben von Kanzlerhand, das sich am Schlusse der Antwort der Rate an die Briider vom 17. Januar 1525 befindet, den Niederschlag der Torgauer Verhandiungen erbliclien ^). Nach diesen Aui- zeichnungen hatten die Briider folgendes vorgebracht: Sie hatten den Kurfiirsten gebeten, er möge sie wissen lassen, wie sie es mit dem Wittenberger Kloster haltén sollten, damit daselbst eine klösterliche Ordnung durchgefiihrt wiirde ®). Ferner sei der Guardian ausgetreten und habe das Klostersiegel und vier mit Geráten beladene Wagen mit sich genommen. Sie fragen an, wie sie es hiermit haltén sollten. Dann hatten sie ein Verzeichnis einiger Bedrangnisse auigestellt, die ihre Briider in Zwickau, Torgau, Weida und Altenburg erlitten hatten, und sie befiirchteten, daI3 man sie dort weiter belastigen wiirde. End- lich hatten ihnen der Kurfiirst von Brandenburg, Herzog Georg und Herzog Heinrich Schutz- und Geleitsbriefe ausgestellt. Daher baten sie den Kurfiirsten von Sachsen, ihnen dieselben Briefe auszustellen. Eine Kopie des Briefes von Herzog Georg sei ihnen dann von den Brüdern vorgelegt worden. Hierauf antworteten die Rate: Es sei nicht Sache eines weltlichen Fürsten, den Brüdern eine Klosterordnung vorzu- schreiben und von ihnen zu verlangen, was sie tun und nicht tun sollten; sie hátten Gottes Wort, das hl. Evangélium, die Lehre dér Apostel und Propheten. Daraus würden sie schon ersehen, was sie zűr Éhre Gottes, zűr Förderung des heiligen

1) Vgl. Anhang Nr. 4. 2) Eine Schwierigkeit bletet dér Aiiíang des Schreibens: „Vber diese gegebene annttwurt habén die monich bericht.“ Wenn wir aber annehmen, daB diese schriítliche Antwort ihnen bereits am 15. Januar mündlich mitge- teilt wurde, so falit diese Schwierigkeit weg. Dleses Schreiben enthalt ferner eine ganze Reihe neuer Momeate, die in den Briefen nicht vorkommen, so- daB wir zu dér Annahme, hierin den Gang dér Torgauer Verhandiungen zu erblicken, allén Grund habén. Es helBt: „auff das alsó darauft ein ordinacion geniacht wurd.“ 1) lm Texte steht: „einige form den veteren íurzuschreiben." 'n i

D OELL E 295

Glaubens und der Nachstenliebe zu tun oder zu lassen hátten. Der Kurfiirst könne niemandem eine Norm geben, auch habe er es bisher nicht tun wollen. Wenn sie vom Kurfiirsten die Antwort des Wittenberger Rates wegen der angeblichen Be- lastigungen des Wittenberger Klosters bekommen hatten, wiirden sie finden, ob ilire Angaben damit iibereinstimmten. Bezüglich der Bedrangnisse der Briider in Zwickau, Torgau, Weida und Altenburg glaubten die Rate, da6 der Kurfiirst genau so vorgegangen ware wie in Wittenberg, wenn er dieselbe Information erhalten hatte. DaB ferner der Guardian ausgetreten sei und die Gerate mit sich genommen habe, hatten die Briider in ihrer Suppli- kation nicht berichtet. übrigens würden sie schon selbst wissen, was sie mit ihm oder seinesgieichen zu tun hatten. Was endlich den offenen Brief Herzog Georgs betreffe, so könnten sie darin keinen Geleitsbrief herauslesen; wohl stehe darin ein Befehl und Gebot, wie man die ausgetretenen Briider festnehmen, ins Gefangnis werfen und durch andere Strafen zum Gehorsam zwingen solle. Man gebe ihnen nun zu be- denken, ob man dem Kurfiirten raten diirfe, solche Briefe aus- zustellen, oder ob es der Lehre Christi gemáB sei, jemanden in dieser Weise zu zwingen, da doch Gott freiwillige Herzen wolle, die durch sein göttliches Wort in Sanftmut gefiihrt wiirden. Und wie den Briidern bereits mitgeteilt worden sei, wtirde es niemandem miBfallen, wenn sie aus sich selbst eine „cristliche ordinacion“ , die dem Evangélium entspreche, haltén wiirden, um dadurch Gottes Ehi?e zu suchen. Die Rate berichten nun, daB die Briider nach dieser Ant­ wort abermals den alten Brauch oder den Ordensstand hervor- geholt hatten, der von vielen Vatern, die Ehre, Leib und Leben darangesetzt hatten, geliebt und bisher beObachtet worden sei. Sie selbst hatten die feste Absicht, ebenso zu handeln. Die Vater in der Provinz wiiBten aus der Schrift, daB derselbe nicht gegen das Evangélium verstoBe. Sie seien der Zuversicht, daB sie der Kurfiirst dabei schiitzen werde, damit die Stiftungen gehalten wiirden; denn sie dachten nicht daran, dieselben preis- zugeben. Darauf wurde den Brüdern von den Raten folgendes ge- antwortet: Sie lieBen es dabei bewenden, ob ihr Brauch, den sie bisher beobachtet hatten, christlich und gut, dem hl. Evan- 296 d a s WITTENBERGER FRANZISKANERKLOSTER UND DIE REFORMATION gelium, der Lehre der Apostel und Propheten sowie anderen bewahrten Schriften gemaB sei; sie wollten dariiber nicht urteilen, noch sich mit den Brüdern in einen Streit einlassen, aber ohne Zweifel wiirden sie aus der bewalirten Sclirift wohl finden, was christlich und gut sei. Daher sei es nicht nötig, ihnen eine Norm vorzuzeichnen, zumal sie ja nach ihren eigenen Worten von dem alten Braucli nicht ablassen wollten. Obgleich sie behaupteten, daB sie auch Leib, Ehre und Leben fiir das Evangélium lassen würden, so könnten es die Brüder dennoch nur schvi^er ertragen, wie aus ihren iiberreichten Artikeln her- vorgehe, daB man ihuen unter anderem die Fensterscheiben eingeworfen und einen toten Hund an den Ort gelegt habe, wo man ihnen das Almosén reiche. Dieses sei doch bloB von leichtfertigen Leuten geschehen, weshalb es weit geringer zu achten sei ais Leib und Leben. Aber trotzdem hátten sie es nicht ohne Klagen hinnehmen können. Da die Brüder nach dieser Antwort gemerkt hatten, daB sie wohl schwerlich den alten Brauch beibehalten könnten, hatten sie ihre Verpfhchtung wegen der Stiftungen betont und gesagt, daB sie dieselben nicht iallen lassen diirften. Sie wollten aber keine Verantwortung übernehmen, wenn sie an der Eriiillung ihrer Verpilichtungen gehindert wiirden. Ais Antwort hatten sie um einen schrift- lichen RezeB ‘) gebeten, der ihnen iibergeben worden sei. Hierin habe aber nicht mehr gestanden ais in der zuerst gegebenen Antwort. Ais ihnen dann die Artikel von den Raten wieder zugestellt worden seien, hatten sie gebeten, es ihnen nicht zu verübeln, wenn sie sich mit denselben an den Kurfiirsten selbst wendeten. Darauf sei ihnen geantwortet worden, bereits friiher hatten sie gehört, daB der Kuriiirst in dieser Angelegenheit genau so entschieden haben wiirde wie in Sachen des Witten- berger Ratés, wenn sie sich damals an den Kurfiirsten gewandt hatten; auch wiirde ihnen der Kuriiirst den Bericht hieriiber zugeschickt haben ^). Am 15. Januar 1525, am gleichen Tage der Verhandlungen zu Torgau, hatte der Kuriiirst seinen Raten geschrieben, daB

1) Es heil3t: „receC oder vertzeichnus." Ein RezeB ist der AbschluB von Verhandlungen. 2) Aufzeichnungen von Kanzlerhand im W A Reg. Kk 1417 fol. 27r—29 v. Es handeit sich hier um die Klöster zu Zwickau, Torgau, Altenburg und W eida; vgl. auch oben S, 293 Anm, 2. DOELLE 297 er ihren Brief bekommen habé, worin sie bei ihm anfragten, welche Antwort sie den Mönchen geben sollten. Er erteilt den Ráten zunachst einen Verweis, weil sie mit dér Antwort bis auf den letzten Tag gewartet hatten. Übrigens ware es nicht so schwer gewesen, alléin eine Antwort zu íinden. Da sie aber bei ihm anfragten, wolle er ihnen seine Ansicht mitteilen; Jedoch verlange er nicht, ihr unbedingt zu folgen, sondern es genüge, den Mönchen irgendeine Antwort zu geben Hierauf berichten sie dem Kurfürsten am folgenden Tagé, daB sie den Brüdern nach dér bei ihm eingeholten Information eine Antwort erteilt hatten. Die Brüder hatten den Raten zu verstehen gegeben, daB sie sich wegen dér Klöster zu Zwickau, Torgau, Alten- burg und Weida bei ihm beklagen wollten^). Die Rate heben hervor, daB dér Kurfürst nur deshalb um Rat angegangen worden sei, weil sie die Angelegenheit für so überaus wichtig erachtet hatten; wegen dér Verzögerung ihrer Antwort bitten sie ihn um Entschuldigung. Zugleich senden sie ihm den Ent- wurf ihrer schriftlichen Antwort zűr Begutachtung zu mit dem Bemerken, daB nach ihrer Ansicht Geleitsbriefe nicht nötig seien ®). Am gleichen Tagé stellte dér Kurfürst seinen Ráten aber- mals anheim, den Mönchen eine beliebige Antwort zu geben ^). Diese schriftiiche Antwort ging ihnen am 17. Januar zu. Die Rate teilten ihnen mit, daB dér Kurfürst nicht zweifle, die Brüder würden aus dem Schreiben des Wittenberger Rates hinrelchend ersehen habén, daB ihnen zu Wittenberg keine Gewalt zugefügt worden sei, was dér Kurfürst auch nicht gern gesehen hátte. DaB aber Brüder aus dem Kloster gegangen seien, überlasse dér Kurfürst ihrer eigenen Verántwortung. Eine gründliche Klosterordnung zu Wittenberg und in anderen Stadten, wozu sich die Brüder in ihrem Schreiben erboten hatten, ware ihm sehr erwünscht, und niemand würde sie in Wittenberg daran hindern oder auch nur sein MiBfallen be-

1) O riginal im W A Reg. K k 1417 lol. 23. 2) Tatsachlich erschienen zwei Brüder vor dem Kurfürsten in Lochau und überreiohten ihm einige Artilcel, worin sie sich über den Rat von Zwickau und Weida beklagten. Dér Kurfürst sandte diese Artikel am 21. Januar an seine Rate, um die Angelegenheit von ihnen untersuchen zu lassen, damit „sich nymants vnbiilicher besctiwerung zu beclagen vrsach" habé. Konzept ebd. fel. 41 r. 3) Ebd. íol. 33. 36 r. 37 r. i) Ebd. tol. 23 v. 24 v. “) Es heiűt: „ein rechte cristliche ordinacion." 298 d a s WITTENBERGER FRANZISKANERKLOSTER UND DIE REFORMATION kunden. Die Geleitsbriefe iiir eine erfolgreiche Visitation der Klöster erachteten sie iiir unnötig, wenn die Oberen in ilire Klöster kámen, um eine „reclite cristliche ordinacion“ durch- zufiihren und dem Worte Gottes und dem Evangélium gemaB Gottes Ehre, Vermehrung des Glaubens und die Licbe des Nachsten zu suchen *). Diese klare Antwort lieiS keinen Zweifel mehr iibrig, wie die „rechte cristliclie ordinacion“ gemeint war. Der Bestand des Wittenberger Konventes war nur noch eine Frage der Zeit. Schon bald wurde sein Schicksal besiegelt, ais Friedrich der Weise am 5. Mai 1525 die Augen schloB und sein neuerungs- freundlicher Brúder Johann die Regierung antrat. In einem Schreiben der kurflirstlichen Rate vom Juni 1525 aus Torgau an den Magistrat von Wittenberg ist von den Briidern und der christlichen Ordnung iiberhaupt nicht mehr die Rede, sondern nur noch von der Einraumung des Klosters, von den Kirchen- geraten und den Klein odienobvi^ohl das Kloster damals noch von Briidern bewohnt wurde. Nach dem Berichte des Geleits- mannes Gregor Burger an den Kurfiirsten Johann vom 12. Ja- nuar 1526 waren noch lunf Brüder im Kloster vorhanden, die man zuerst abgefunden hatte. Biirger sagt von ihnen, daB sie nichts anderes taten, ais daB sie „in zcangk obr eim haufien“ lagen^). In demselben Faszikel befindet sich ein undatierter Bericht Burgers an den Kurfiirsten aus etwas spaterer Zeit®,

1) Orig. im Hauptstaatsarchiv Dresden Loc. 8980, Visitatlons-Acta 1525; Kopie ebd. Loc. 8982 fol. 11 und im WA Reg. Kk 1417 lol. 2 5 r— 26v. 2) Das Datum lautet: „Tprgaw, freytags sanet Johans des Tewffers tag anno Domini etc. XXV.“ Johannes der Tauler wurde 1525 nicht an einem Freitag, sondern an einem Samstag gefeiert. Vielleiclit ist zu iesen: Freitags nach usw., was den 30. Juni ergabe. 8) Vgl. Original im Wittenberger Ratsarchiv iol. 2r. Ais der Kurfiirst mit seinem Kriegsvollie am 13. Juli 1525 nach Wittenberg kam, legte er gegen 40 Personen, die er aus dem Kurfiirstentume dorthin beschieden hatte, in das BarfiiBerlsloster, damit sie im Retelitorium und im Sommerhause einige Tage verpllegt wiirden. Vgl.ebd. Acta dasFranzisiianerkloster betreffend Iol.52. *) Vgl. Original im W A Reg. Kk 1423 fol. 2r. Hieraus geht hervor, daB die Kapitelsvater nicht genau unterrichtet waren, die in ihrer Beschwerde vom 24. August 1524 sagten, daB „ethwan noch drey brúder in dem closter“ vorhanden seien. Vgl. Anhang Nr. 1. 5) Dieser Bericht muB aus spaterer Zeit stammen, da Burger nur noch von drei Personen spricht, wohingegen er am 12. Januar 1526 sagt, daC noch fiinf Ordenspersonen im Kloster vorhanden seien. n o E L L E 2 9 9 worin er ihm mitteilt, er habé von den drei Personen, die noch im BarfüCerkloster seien, erfahren, dafi die „gewantkaseln“ daseibst zum Teil verdürben. Sie hátten ihn gebeien, dieses dem Kuriursten mitzuteilen; und weil sie von niemandem mehr ein Almosén empfingen, möchte dér Kuríürst gestatten, daB sie aus den Kaséin Kleider machten. Dér Geleitsmann beíüwortete ihre Bitté mit dér Begründung, daíJ sie Nőt litten‘)- Am 21. August 1527 stand das Kloster bereits leer^). Mehrere von den früheren Ordenspersonen wandten sich an den Kurfürsten, um aus den Kiostergütern unterstützt zu werden. Eine solche Bitté stellten die ehemaligen Mitglieder des Wittenberger Konventes Adam Heintz und Bonifatius Berga. Dér Kuríürst beauftragte Gregor Burger, ihnen „etzlich bet- gewandt“ und sonst noch etwas nach seinem Belieben zu geben. Er berichtet dem Kurfürsten am 12. Januar 1526, daB er dem Beíehle am 9. Januar nachgekommen sei^). In dem- selben Berichte erwáhnt er, daB noch ein Ordensmann, dér auch zu Wittenberg in den Orden eingetreten sei und jetzt als Píarrer zu „PulteBdorfí" in Armut lebe, um Unterstützung gebeten habé. AuBerdem sollten noch sechs oder sieben Per­ sonen vorhanden sein, die allé zu Wittenberg in den Orden getreten seien. Diese gedachten auch noch etvi^as zu íordern. Burger íügt hinzu: „Whas ohn Got geben vi^irt, ist mir vorborgen“ ®). Die Befürchtungen Burgers gingen bald in Er-

1) Vgl. Original im W A Reg. Kk 1423 iol. 3r. 2) Vgl. den Brlef des Kurfürsten an den Rat von Wittenberg vöm 21. August 1527 im Ratsarchiv zu Wittenberg, Urbárium III Bb 6 , fel. 328. A. H iip e rt, Die Sequestration dér gelstlichen Güter in den Isursachsischen Landlíreisen MeiBen, Vogtiand und Saclisen 1531 bis 1543, Plauen 1911, 62, laet die Brüder erst 1529 das Kloster verlassen. Bettzeug. Vgl. Original im W A Reg. Kk 1423 íoi. 2r. In demselben Faszikel (foI. Gr) belindet sich dér Bericht des Geleitsmannes an den Kurfürsten über die Ausfiihrung seines Befehles. Er sagt: „Genedigister herr! Ich habé micli fleissig erkundet, ob die zwu personen ehrstlich alhie in orden kommen, sich auch so lange hie enthalden, dasselbige nicht andrs, dán wie sy bericht, be- fonden. Ohn dise nachfolgende stock tolgen lassenn; Eyn brawn eyn grun bas seiden mefigewandt, zwin ghel bas seiden leuittenrocke, eyn weis leinen leuittenrogk, vier weis leinen albn mit ir zugehorung, vir bette, zwine pfol, zwey kossen, zwey spanbette , eyn casten, eyn schrencklein." 5) Ein Őrt dieses Namens lieB sich nicht ermitteln. «) Original im W A Reg. K k 1423 íol. 2r. 3 0 0 DAS WITTENBERGER FRANZISKANERKLOSTER UND DIE REFORMATION füllung, als sich am 22. A pril 1527 yier ehemalige Mitglieder des Wittenberger Franziskanerklosters 0 an den Kurfürsten um Unterstützung wandten. Sie íühren an, daB sie allé Kleinodien und andere Sachen des Klosters dem Kurfürsten übergeben hátten, weshalb sie sich bereits früher mehrnials hilíesuchend an ihn gewandt hátten. Trotzdem seien sie nur karglich be- dacht worden. Da sie aber „arm, áld vnnd brechenhaít“ seien und ihren Lebensunterhalt mit dér Hand nicht verdienen könnten, und daher in Zukunft Tíot leiden müJSten, baten sie demütig den Kurfürsten um Gottes willen, er wolle sich ihrer erbarmen und ihnen aus dér Nőt helfen, damit sie ihn in Zukunft nicht mehr mit ihren Bitten zu belástigen brauchten^). Um ungefáhr dieselbe Zeit reichte auch dér frühere BarfüBer Jákob Tyle sein Gesuch um Unterstützung ein. Er gibt an, dafi sich Doktor Martin Luther schon öíters für ihn beim Kurfürsten verwandt habé, dér sein Altér, Elend und seine Armut deshalb beherzigen möge, weil er dér alteste Priester im Wittenberger Kloster ge- wesen sei und mehr ais diejenigen, die jetzt besser versorgt seien, mit ins Kloster gebracht habé, wo noch ein Brúder Zellen und Wohnung besitze. Schon vor ungefáhr zwei Jahren habé er sich an den Kurfürsten gewandt, worauf ihm eine versiegelte. Antwort übergeben worden sei. Diese habé er dem Geleits- manne Gregor Burger verschlossen überreicht, aber bis jetzt sei ihm von dem Inhalt dieses Briefes noch nichts eröffnet worden, obwohl ihm dér überbringer des Briefes zu verstehen gegeben habé, dal3 er vöm Kurfürsten gnadig bedacht worden sei. Tyle bittet nun den Kurfürsten instandig um Wohnung und Unterstützung, weil er „eyn armer, altér mán, wol vff LXXX jaren betagt“ sei, „dér auch sein lebzucht gar nit ver­ dienen, noch gewinnen" könne, sondern sich mit „eynem armen pfertlein umbschleppen“ müsse, was er bei seinem hohen Altér nicht mehr lánger zu tun vermöchte ®). Gregor Burger muJ3te sich auf Tyles Schreiben áuBern. Er sagt, daB es dér Wahr- heit entsprechen könne, wenn Tyle behaupte, er sei dér álteste Ordensmann im Wittenberger Franziskanerkloster gewesen. DaB sich aber noch ein Brúder im Kloster aufhalte, habé folgenden

1) Sie nennen sich: „Petrus Hems, Senior, Philippus, Blasius vnd Pan- thaleon, etwo brúder dér heiligen Francisci im cioster zu Wittenberg." 2) Original im W A Reg. K k 1420. 3) Original ebd. Reg. Kk 1418 íol. 2. DO ÉL LÉ 3Ö1

Grund: Als er noch mit dér Verwaltung des BaríüBerklosters betraut gewesen sei, habé er einem Brúder befohlen, im Kloster genau nachzusehen 0- Das habé er sehr lassig besorgt und seit dieser Zeit sei er im Kloster wohnen geblieben. Auí die Be- schwerde Tyles, er babé nichts erhalten, entgegnet Burger, daB Tyle bei dér Verteilung ebensoviel „an kuchengerethe, Zcinen- kannen, schosseln, betten vnd anderem hauJ3radt“ bekommen habé wie die anderen Brüder. Er habé diese Gegenstande auí Haufen legen und darum das Los weríen lassen; er könne sich nicht erinnern, dafi Tyle hierbei zu kurz gekommen sei^). Auf das Sehreiben, das dér Wittenberger Rat kurz nach dem Tode Friedrichs des Weisen wegen Besitznahme des Barfül3er- klosters an die kuríürstlichen Rate sandte, erhielt er zűr Ant- wort, es stehe nicht in ihrer Macht, etwas zu bewilligen oder anzuordnen. Dér Rat möge sich mit dér Antwort bis zűr An- kunft des Kurfürsten gedulden. Betreffs dér Kirchengerate und dér Kleinodien solle er in etwa acht Tagén bei den Ver- ordneten in Wittenberg anfragen, die ihm naheren Bescheid geben würden®). über diesen Bescheid sind w ir nicht naher unterrichtet, doch erfahren w ir aus einem Sehreiben Gregor Burgers nach dem 12. Januar 1526^), daB er mit Doktor „Jheronimus“ ®) auí kuríürstlichen Beíehl allén Vorrat des BaríüBerklosters und dér Kirche inventarisiert habé. Erst spater scheint dér Kuríürst dieser Frage naher getreten zu sein, als er den Geleitsmann Gregor Burger auííorderte, allé goldenen und silbernen Kleinodien des Klosters zu verzeichnen und ihm das Ver- zeichnis zuzusenden. Hierauf antwortete dér Geleitsmann am 23. November 1526, daB er beiliegend verzeichnete Kleinodien in die Stiítskirche zu Wittenberg zu dem anderen Heiligtum und den Kleinodien überíührt habé, die von dem Kapitel oder dem Dechant Dr. Torgau verzeichnet worden seien. Er hiitte zwar die besten Ornate oder Kaséin ebendahin senden sollen, jedoch wegen Raummangels habé er sie im Kloster gelassen Am

1) Dér Text lautet; „das ich ohn, dieweyl ich das closter In vorwal- tung etc. gehabt, dorvmb gebethen vnd befholen, dorinnen wol zuzcusehen." 2) Vgl. Original im W A Reg. Kk 1418 foL 3. 3) Original im Ratsarchiv zu Wittenberg íol. 2r. O riginal lm W A Reg. K k 1423 íol. 8 r und oben S. 298 Anm. 5. 5) Es wird Hieronymus Schurft gemeint sein. Das Verzeiciinis ist noch vorhanden. 7) O riginal im W A Reg. K k 1419 íol. 2r. SÓÉ d a s WlWENBERGfiR ÍRANZlSSCANfiRKLOStER ÜNÜ Difi REÍORMATi ON

28. Januar und am 30. Juli 1529, am 3. April 1530, am 21. Február und am 10. Mai 1531 wurden die Ornate des BarfüBer- klosters, die zumeist aus Kaséin und Alben bestanden, ver- kauft *). Betreífs dér Klosterbibliothek schrieb dér Kuríürst Johann Friedricli am 17. Dezember 1532 an den Hauptmann zu Wittenberg, er habé erfahren, daB im BaríüBerkloster eine stattliche Bibliothek mit vielen Büchern gewesen sei, die durch Wohltáter testamentarisch und auch sonst dorthin gekommen seien. Diese Bücher solle er zusammenhalten und nebst anderen Büchern dér Universitát zugute kommen lassen. Er habé aber erfahren, daB bereits Bücher abhanden gekommen seien. Daher verlangt dér Kurfürát, allé noch vorhandenen Bücher zu inven- tarisieren und ihm ein Verzeichnis davon zu übersenden. Und da dér Geieitsmann die Verwahrung und die Schlüssel des Klosters bis zu jener Zeit gehabt habé, als die armen Leute hineingekommen seien, solle er sich bei dem Geleitsmanne, dér Universitát und dem Rate íleiBIg erkundigen, wer diese Bücher weggenommen habé und jetzt im Besitze derselben sei, auch solle er daíür sorgen, daB dieselben mit Hilfe des Rates und des Bürgermeisters ungemindert zum Kloster zurückgebracht würden^). Am 27. August 1534 schrieb Johann Friedrich an den Rektor und die Universitát, es sei ihm mitgeteilt worden, daB mán mit den Büchern im BaríüBerkloster nicht gut umginge. Daher sollten sie sich hierüber erkundigen und Sorge tragen, daB die Bücher beisammen blieben und ein ordentliches Inventar aufgestellt würde, wovon ihm eine Abschrift zugesandt werden solle **). Wegen Einraumung des Barfüfierklosters vertrösteten die kurfürstlichen Rate den Magistrat von Wittenberg im Juni 1525 auf die Ankunít des Kurfürsten. Dieser muB ihm vi^ohl bei seiner Anwesenheit am 13. Juli 1525^) keine befriedigende Antwort gegeben habén, weil sie sich in dér Folge abermals in dieser Angelegenheit an ihn wandten. Am 21. August 1527

1) Unter den am 30. Juli 1529 verkauften Gegenstanden betand sich auch ein Kelch mit einer vergoideten Patene. Vgl. Ratsarchiv zu Witten­ berg, Acta das Franzisltanerliloster betreffend föl. 33r. 3Gr. 38v. 41v. 43r. „Innahm von vorkauftten ornaten, kaséin vnd andrem auB dem barfusser- closter laut des inuentarii entpfangen." Vgl. auch H ilp e rt 02 f., wonach dér Erlös aus den verkauften Ornaten und Silbergeriiten 250 fi. 5 Gr. 1 S betrug. -) Konzept im W A Reg. O 478 föl. 2 r. 8) Konzept ebd. föl. 5r. ‘‘) Vgl. oben S. 298 Anm. 3. DÓ6LLE 3 0 3 schreibt er dem Magistrat, er habe ihre Bitte gelesen, daB man das BaríüBerkloster den armen Leuten einraumen möchte, worin ihnen jede Bequemlichkeit geboten wiirde. Er sei damit ein- verstanden, daB die armen Leute mit Ausnahme derer, welche von ansteckenden Krankheiten beiallen waren, bis auf Widerruf Wohnung und Unterhalt im Kloster fanden, da die Universitat wegen der „sterblichen leufften des orts zu Wittenberg" verlegt worden sei und das Kloster zur Zeit leer stehe ^). Am 16. Sep­ tember 1527 verwandte sich auch Luther beim Kuríürsten um Einrichtung des BariüBerklosters zur Armenherberge ^). Am 11. Október 1527 teilte der Kuriiirst dem Wittenberger Rate mit, Doktor Martin Luther habe ihm geschrieben, daB der Geleits- mann Gregor Burger zu Wittenberg auf Veranlassung Luthers, des Piarrers und des Rates aui Brunnen, Rohrkasten, Bade- stube und Brauhaus, womit er írüher auf seine Bitten beschenkt worden sei, zugunsten der armen Leute verzichtet habe. Daher wlinscht der Kurfürst, daB alles den armen Leuten zu ihrer Bequemlichkeit im guten Zustande iibergeben wiirde®). 1535 wurde das BaríüBerkloster nebst allem Vorrate dem gemeinen Kasten zu Wittenberg iibergebenNur noch ein kleiner Mauer- rest gibt in unseren Tagen Kunde von dem ehemaligen statt- lichen Konvente. Den Provinzoberen und Kapitelsvatern gereicht es zu hoher Ehre, daB sie unter den schwierigsten Verhaltnissen fiir die Erhaltung des alten Glaubens unter Einsatz aller Krafte ge- kampft haben. Trotzdem muBte der Kampf zu ihren Ungunsten ausfallen; denn sie stritten gegen machtige Fiirsten und allge- waltige Stadte, von denen sie bisher beschützt, geliebt und er- náhrt worden waren, sie stritten gegen neue Ideen, die wie ein Orkan alles mit sich fortrissen, die Briider isolierten, ihre Reihen lichteten und schlieBlich ihr Schicksal besiegelten.

1) Ratsarchiv zu Wittenberg, Urbárium III Bb 6 fol. 328. Ais die morde- rische Seuche im Hochsommer 1527 ausbrach, siedelten die Universitatsange- hörigen naeh Jena über, wo ein Teii der Dozenten den Winter zubrachte, wahrend die Mehrzahl der Studenten Jana wieder verlieB und sich nach dem W ittenberg naher gelegenen Schlieben begab. Am 13. A p ril 1528 Isonnte der volle Studienbetrieb in Wittenberg wieder aufgenommenwerden. Vgl. W. Friedens- b u rg , Geschichte. der U niversitat W ittenberg, Halle a. S. 1917, 177 f. 2) Vgl. E n d e rs a. a. O. Bd. 6 , Calw und Stuttgart 1895, 89. 3) Original im Ratsarchiv zu Wittenberg, Kloster und Hospitaler E (loses Blatt). ■*) W A Reg. Oo 792. 815. 3 0 4 d a s WITTENBÉRGER FRANZISKANERKLOSTER u n d DIÉ REFORMATlON

A n h a n g. Dresden. 1. 24. August 1524. Dér Minister, die Doktorén, Kustoden und Dlskreten dér Fran- ziskaner aus derTliüringisclien Provinz anKuríürst Friedrich. Őrig. im W A Reg. K k 1417 íol. 2. Die Framiskaner beklagen sieh beim Kurfürsten wegen dér Bedrűckun- gen dér Wittenberger BarfüBer dureh den Rat daselbst und bitien den Kur­ fürsten um Schutz und Ounstbriefe. Heilwertigen gruB, gnad und frid in Got dem vater und Christo Jesu unsem lieiland sampt steter vorbit nach christlicher worpfliclit zcu Got. Durclilauehter, liochgeborner furst, gnediger g. herre! W ir habén auB dér anthworth E. Kfl. G., auff seyn supplicacion unserm provincialminister zcugeschriben, trostlich worstanden, szó wir furder in sunderheit wurden untregelich beswerung E. Kfl. G. wermelden, unB eyn gnediger herr zcu erscheynen. Nw wissen wir E. Kfl. G. nicht zcu bergen, das dér gardian zcu Wittenbergk hyn- wegk ist und ethwan noch drey brúder in dem closter. Wissen nith, wu sigell, clenodien, bucher und alles geredt bleibt. Den unB dér gardian ken Dresen gesebrieben, dér radt wil nicht gestaten, das wir dahyn wider werordent eynen gardian ader brúder dareynzcuseczen. Auch das in andern mher steten unsern brudern dy clenodien auB den clostern werden entczagen und darneben die almufien zcu bitten und zcu geben worbotten, auch prediger in etzlichen nach irem ge- fall mit gewalt in unser kirchen eyngedrungen. Auch wollen sie dy brúder mith haltung dér meB und andern dingen won bán altes christ- liches gebrauchs weyBen und dringen. Auch an etzlichen orthen wider leybes noch lebens sicher seyn. Ist derhalben unser gantz demutig bith, E. Kfl. G. wollen unB gnediger meynung zcu erkennen geben, wie E. Kfl. G. wollen mith W ittenbergk, das w ir unB haltén sollen, und auB milder und angeborner thugent sulch beswerung beherczygenn, unB umb Gottes wil in diBen swinden auffrurischen zceitten mit schutz und gunstschreyben und briffen gnedigklich worsehen, das wir an predigen, meBhalden, bitten die almuB, clenodien zcu behalden, le- sungen, ubungen im altén gebrauch dér kirchen blB auff weytter er- kenthneB ungehindert mochten bleyben, bitten zcum andern und dritten, E. Kfl. G. wolten unB armen brudern gnedig trostes und diser bethe unworsagt geleysten, wollen wir widerumb zcu tagé und nacht in stetem gebet wor E. Kfl. G. láng leben, selig fridfiam regiment zcu bitten nit sparen. Geben zcu DreBen in unser provincialconvocacion am tagé Bartholomei im XXIIII iar wnderm sigill dér custodien won Meyssen. g undertenige capellan minister, doctores, custodes, discreten dér provincien won Sachssen barfusser ordens. D O E L L E 3 0 5

Dresden. 2. 17. Október 1524. Dér Franziskanerprovinzial Benedictus von Löwenberg und die Brüder dér Thüringischen Provinz an Kurlürst Friedrich. Őrig. im W A Reg. K k 1417 föl. 10. Da die Brüder auf ihr Schrelben vöm 24. August 1524 noch keine sachliche Antwort erhalten hatlen, wenden sie sich nochmals hilfesuchend an den Kurfürsten. Gnad und Md in Gott dem vater und Cliristo Jesu unserm hei- land sampt stether vorbitt zu Gott. Durchlaucliter, hochgeborner í'urst, gnediger herr! Ufí iungst an E. Kfl. G. supplication habén vvir dise gnedige antwort entpfangen, wie E. Kfl. G. in sachen und besehwe- rung, so uns und unser cloester in disen schwinden und uffrurischenn czeiten belangen, wolde erltundung habén alsdann zu unserm ersuchen gnedig antwort zu geben. Ist derhalb unser demuetige bethe, E. Kfl. G. wolde uns solch gemuet gnediger meynung unvormelt nicht lossen, vornemlich was mit dem cloester zu Wittenberg sey zu thuen, dann solch vorandrung, so itezundt durch weltlichen handel drynn geschitt, auch hindernis an gőttlichen dinst noch christlichem, bys hieher, ge- brauch und ordinationgehalden, als gőtlich geczeiten, vigilien, messen etc. noch aussatczung des gestiffts können wir lenger an unser gewissen beschwerung kegen Got und dér welt nicht tragen. Erbitten uns auch d&rbey noch vormögen und E. Kfl. G. wolgefallen, allén fleis anzu- stellen, das genant cloester in recbter christlicher ordination gehalden mag werden. Entlich bitben wir E. Kfl. G. wolde auch unserm vater ministro und custodibus schuecz und gunstbriffe gnediglich vorsehen, das sye in irer visitation von idermenglich ungehindert dye cloester visitiren moegen, wollen wir widerumb zu tag und nacht in stethem gebeth vor E. Kfl. G. langleben und saelig fridsam regiment Got un- sern hern zu bitben nicht sparen. Geben zu Dresden anno etc. XXIIII am abent Luce Evangeliste untter provincien sigill. E. Kfl. G. demuetige caplann brúder Benedictus von Lemberg etc. minister und vaeter dér provincien Sachssen und Slesien minerordenn.

Breslau. 3. 25. November 1524. Brúder Benedictus, Minister, und die Kustoden dér Pro­ vinz Tiiüringen an Kuriürst Friedrich von Saciisen. Őrig. im W A Reg. K k 1417 foI. 12. Dér Minister und die Kustoden bitien um VerhaltímgsmaBregeln be- treffs dér Stiftimgen zu Wittenberg, damit ihre Gewissen nicht beschwert würden, falls sie ihren Verpftichtungen daselbst nicht mehr nachkommen Franzisk. Studien. 10. Jahrg. 3./4. Heft. 20 306 DAS WITTENBERGER FRANZISKANERKLOSTER UND DIE REFORMATION könnten. Ferner bitten sie den Kurfürsten, alles wie bisher zu lassen nach altem christlichen Brauche und um Gunst- und Geleitsbriefe, damit sie die Klöster ungehindert visilieren könnten. Gnad und frid in Got und unserm herren Jesu Christo sampt stether vorbitt. Durchleuchtigster, hochgeborner furst, gnediger her! Wir liaben antwort und bericht auff unser gethan supplication an E. Kfl. G. des ersamen raths von Wittenburg gemueth, meynung und entschuldigung vorstanden, welche dach nit alleyn auff Wittenburg, sonder auch andere stethe, wo unser brueder wonen, gedeut ist, dye sicli alleczeit, wie nit unbillich, noch E. Kfl. G. wilien und commission halden. Ist derhalbe, wie offte, noch unser demuetig bitt umb Gotis wilien, E. Kfl. G. wolde uns entlich eygnes gemuets decret mit gne- diglicher unterrichtung wideríaren lossen, vornemlich des cloesters zu Wittenberg ordination betreffen, das, wie vorgemelt, unser gewissen, so dem gestifft und fundation durch almuBen und milde hantreychung E. Kfl. G. loblicher gedechtnis vorfarn und E. Kfl. G. erbauet und fun- dirt, wurde wes abgebrachen, nit beschwert werden. Auch das E. Kfl. G. wollen aus angeborner milden guetigkeit unser brueder dy almuBen zu bitben leibens und lebens nit gefar zu tragen und allenthalben bys auff weiter erbeuttung in dem alden gebrauch dér kirchen zu bleiben, als vil inén moeglich, gnediglich schuczen und hanthaben. Entlich ist unser demuetig bitt, E. Kfl. G. wollen, wye ander fursten gethan, in disen auffrurischen, schwinden zceiten unserm vater ministrum und custodes mit eynem geleits- und gunstbriffe gnediglich vorsehen, do- mitt sye in irer visitation von menniglich ungehindert dye cloester besuchen moegen, so wollen wir zu tag und nacht vor E. Kftl. G. láng leben, sichren standt und sáligs fridsams regiment Got zu bitten nicht untteriassen. Dátum zu Breslaw am tag Catherine anno Dó- mini etc. XXIIII untter amachts sigill. E. Kfl. G. demuetige und unttertenige capplann brúder Benedictus etc. minister und custodes der provincien von Sachssen etc. parfusser ordens.

Torgau. 4. 20. Januar 1525. Dle zu Torgau versammelten Franziskaner an Kuriürst Friedrich. Őrig. lm W A Reg. K k 1417 íol. 38. Die Franziskaner, welche sieh auf Befehl Kfst. Friedrichs vöm 24. De- zember 1524 nach Torgau begeben hatlen, um dó rt die A n tw o rt von den Ralen zu empfangen, berichten an den Kurfürsten, dad sie nichts ausge- richfet hatlen, weil die Rcíte nicht kornpetent gewesen seien, in diesen Sachen mit ihnen zu verhandeln. Darum wenden sie sieh selbst an den Kfst., da­ mit er sie schütze, bis die ganze Kirche gesprochen und entschieden habé. D ÓELLÉ ŐÖ?

Genode und fride vonn Goth dem vater unnd unfierem behalter Jhesu Christo. Durchlauchtigister, hochgeborner churfurste, genediger und allergenedigister her! E. Kfl. G. gebenn wir undertheniclichenn zu erkennenn, das w ir vonn dér provincien wegen zu Sachssen und Schle- sienn auff E. Kfl. G. schreiben auff bestimpte tagezeit zu Torgaw uns vor E. Kfl. G. rethe habén eyngestalt, genedige antworth unnd underícht vonn in entpfangenn, welche w yr so schrifftlich voríast denn veternn ge- dachter provincien auff das allerschirest wollenn zu erkennenn gebenn. Dorneben E. Kfl. G. erbaren rethen ander aniigende sache unnd be- schwerung, zo wyr leidenn an personen und clöstern vorgetragen, wy E. Kfl. G. in eyngelegner zedel vorfast wol zehenn wirdt. Habenn wyr auff dysmoll keynn hulff nach radt erlanget, dyweil iezgedachte E. Kfl. G. erbar rethe jn difién sachenn zu handeln von E. Kfl. G. keynen befehel gehabt habén, seyndt wyr vorursacht, sulchs bey E. Kfl. G. als bey unfierem allergenedigisten hernn unnd churfursten zu zuchenn bittende umb Gotis willenn gantz demüticlich E. Kfl. G. wolde vor sulchem ge- waldt, frevel unnd unrecht christlicher ordenung unnd libe nach uns armenn brúder in E. Kfl. G. landt und sthet durch schrifftlichen be- íehell genediclichenn suczenn unnd handthabenn bys zu gemeynem beschlis dér ganczen heiligen, christlichen kirchen, czu welcher wyr uns als brúder Christi und Francisei sampt andern christgleubigen underthe­ niclichenn bekennen unnd beruffenn. Sulcher genediger unnd furstlicher thadt nach wirth E. Kfl. G. bey dem hóchsten beloner Goth unfierem herenn eynenn unermessen lohenn ungetzweiffell mith andernnlibhabern götlicher gerechtikeyth befindenn, bittenn hymithe von E. Kfl. G. eyn genedige und schrifftliche antworth. Aufi Thorgaw im funffundczwen- czigistenn am tagé Fabiani und Sebastiani under beiden sigillenn dér custodunn Leipczick und Meissenn. E. Kfl. G. willige cappellann vorsaramelt vonn wegenn dér provincien von Sachssen unnd Schlesien zu Thorgaw.

20^ 3 0 8 DAS FRANZISKANERKLOSTER ZU WORBIS AUF DEM EICHSFELDE

Das Franziskanerkloster zu Worbis auf dem Eichsfelde.

Von Dr. Paul Keseling.

I. Die eichsfeldischen Klöster im allgemeinen und die Nieder- lassung der Franziskaner im Eichsfelde im besonderen. Das kurmainzische Eiclisfeld war mit klösterlichen Nieder- lassungen verhaltnismafiig reich gesegnet; aber bis ins 16. Jahr- liundert hinein waren es — von der Komturei der Ritter des hl. Lazarus zu Breitenbich abgesehen, die ihrerseits auch wieder ein Zisterzienserinnenliloster 1253 ablöste’) — alléin Söhne und Töchter St. Benedikts und St. Bernhards, die hier auf religiösem wie allgemein kulturellem Gebiete eine verdienstvolle Wirksam- keit entfalteten. Den beiden Mönchsabteien Gerode (Benedik- tiner, gegr. um 1100)^) und Reifenstein (Zisterzienser, gegr. 1162)®) standén nicht weniger als fünf Nonnenkonvente gegen- über: Zella (Benedjktinerinnen, vor 1215 gegr.)^); Beuren (gegr. um 1200)®), Telstungenburg (um 1250)®), Anrode (1268)^) und Worbis (Anfang des 14. Jahrhunderts) *), die vier letzteren von Zisterzienserinnen bewohnt. Sie allé, mit alleiniger Ausnabme von Worbis, das, im Bauernkriege 1525 zerstört, vöm Kardinai Albrecht von Mainz 1540 als nicht mehr lebensíahig aufgehoben wurde ®), habén die Stürme dér Jahrhunderte, die Reíormation

1) Vgl. Joh. W olt, Eichsfeldische Kirchengeschichte, Göttingen 1816, 76 ff. und W. K lin g e b ie l, in: Unser Eichsfeld III (1908) 31 ff. s) W olf 71 ff. und Ph. Knieb, in; UE VIII (1913) 44 ff. 3) W olf 75 und Ph. Knieb, in; U E IX (1914) 8 ff. í) W olf 74 und Pli. Knieb, in: U E IV (1909) 13 ff. 6) W o lf 75 f. ®) W olf 79f.; J. Jaeger, Urkundenbuch des Klosters Teistungenburg im Eichsfeld = Programm dér Kgl. Höheren Bürgerschule zu Duderstadt 1879, Duderstadt 1879; G. K ro p a ts c h e lc , Aus Aliten des Klosters Teistungen­ burg, 1. Teii, in: Mühlhauser Geschichtsblatter VI (1905) 117 ff, und „Aus dér Heimat“ 1905/06, Nr. 83—92. ’ ) W o lf 80 f. und L. G o ld m a n n , in : U E V II (1912) 214 ff. ®) W olf 81 f; Ebd. Historische Nachrichten von dem ehemaligen Kloster Worbes auf dem Eichsfelde, in: Hercynisches Archiv, Halle 1805, 569 ff, í')W o lí, Commentatio de archidiaconatu Heiligenstadiensi, Gottingae 1809, 3G; Ph. K nieb, Die Geschichte dér Reformation und Gegenreformation auf dem Eichsfelde 2, Heiligonstadt 1909, 40. K É S ELING 3 0 9 und den Bauernkrieg, den DreiBigjahrigen und Siebenjahrigen Krieg, überdauert und fanden erst infolge dér allgemeinen Klosteraufhebung zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein unrühm- liches Ende. In dér Neuzeit kamen drei weitere Gründungen tátiger Orden hinzu, von denen zwei in erster Linie dem darnieder liegenden Unterrichtswesen des Landes dienten: das Jesuiten- kolleg in Heiligenstadt seit 1575, das nach zwei Saklen segens- reichen Bestandes i. J. 1773 das allgemeine Schicksal dér Gesell- schaft Jesu teilte ’), und das Ursulinenkloster zu Duderstadt, von 1700 bis heute ein gefeierter Mittelpunkt weiblicher Jugend- bildung und Erziehung ^). Zwischen diesen beiden steht dem Altér nach die Franziskanerniederlassung zu Worbis bzw. Stadt- worbis, wie ehedem die durchgangige Bezeichnung lautete, 1667 gegründet ^). Erst sehr spat alsó liielten die Söhne des serapbischen Heiligen ihren Einzug auf eicbsíeldiscbem Beden, und es vi^ar ein dringendes Bedürfnis, ebensowohl die seelsorgerische Not- lage wie die religiose Hochspannung dér Zeit nach dem verheeren- den Schwedenkriege ^), das sie in unsere Gaue rief. Bereits 1636, d. h. unmittelbar nach dem Prager Érieden vöm 30. Mai 1635, dér das Eichsí'eld, wenn au eh zunachst nur vorübergehend, wieder unter den Mainzer Krummstab zurück- brachte ^), und 3 Jahre nach dér Restauration dér thüringischen Ordensprovinz, waren Bestrebungen im Gangé, den braunen Mönchen in Duderstadt eine Heimstatte zu verschaffen. Alléin dér Kuríürst Anselm Casimir selbst glaubte in Anbetracht dér schwierigen Verhaltnisse gerade in dieser Stadt dem Projekte

1) W o H , Kirchengeschichte 185 f. und Geschichte des Gymnasiuras zu Heiligenstadt von 1575— 1774, Göttlngen 1813. 2) W olf, Kirchengeschichte 222 und Geschichte und Beschreibung dér Stadt Duderstadt, Göttingen 1803, 204. — K. W ü s te fe ld , Das Kloster dér Ursulinerinnen in Duderstadt, Duderstadt 1911. Vgl. Hartung, Die Eichs- feldlschen Klöster in dér letzten Zeit ihres Bestehens und ihr Ende, in: UE IX (1914) 45. 3) W o lf, Kirchengeschichte 215. Über den religiösen Aufschwung nach dem westl'állschen Frloden vgl. H. Brücií, Geschichte dér katholischen Kirche im 19. Jahrhundert I (Mainz 1902) 5 f. 5) Wolf, Kirchengeschichte 205 1 und Wolf-Löffler, Politlsche Ge­ schichte des Elchsfeldes, Duderstadt 1921, 302. 3 1 0 UAS FRANZISKANKKKLOSTER ZU WORBIS AUP DEM EICHSFELDE seine landesherrliche und oberhirtliche Zustimmung nicht geben ZU sollen ')• Spruchreií wurde die Sache erst im Jahre 1666. Schon auí dem Pronvinzkapitel zu Limburg (6. Mai) verhandelte mán de receptione Residentiarum in Eisfeldia et Schwartzenberg, wie die Kapitelsakten lakoniscli berichten^), und am 29. August richteten dér Decliant des Martinsstiftes zu Heiligenstadt G. Koch sowie die Abte Johannes von Gerode und Joachim von Reifenstein, alsó hohe geistliche Würdentráger des Lan des, und mit ihnen ein Vertreter des eiclisfeldischen Adels Wilheim von Knorr ein Bittgesuch an den Kurfürsten Johann Philipp (1647—1673) um die Erlaubnis íür eine Franziskanerniederlassung auf dem Eichsfelde **). Die Bedeutung dieses Scliriftstückes düríte eine etvi^as einlaBlichere Inhaltsangabe rechtfertigen. Nachdem die Bittsteller zunachst iliren Dank für die den Fuldaer Franzis- kanern auf ihr Ansuchen gewáhrte Terminbewilligung ausge- sprochen und die fleiBige Aushiltstátigkeit dér Patres in dér Seelsorge gelegentlich des Termins rühmend hervorgehoben habén, regen sie an, „ihnen in hiesiger Landschaít einen be- stándigen Őrt zűr Residenz oder Kloster . . . zu assignieren" und bringen dafür „die Kapell S. Jacobi für Heiligenstadt oder die in dér Vorstadt Duderstadt zwischen Wall und Mauern be- iegene Kapell S. Mariae ^) gehorsamst in Vorschlag“ . Als durch- schlagender Grund wird geltend gemacht „die Wohlfahrt dér Seelen hiesiger Landsuntertanen“ und „die Gefahr dér bereits hin und wieder in dér Nachbarschaft eingerissener Contagion

1) Bericht des Oberamtmanns Heinrich Christoph von Griefiheim an den Kuríürsten Anselm Casimir, Heiligenstadt 1. Mai 1636, und Antwort des letzteren, Cöln 16.Mail636 (Konzept): MainzerRegierungs-Akten(=MRA) Stitt 2711 K.738. 2) Provinzarchiv zu Fulda-Frauenberg: Acta Capitularia (= A C) ad a. 1666. 3) Knieb, in : UE VII (1912) 62 aul Grund einer Akté im Prov.-Arcliiv zu Magdeburg 37 a II 6 . — Es Iiandelt sich um Johannes Fisclier, Abt von Gerode 1655—1676 (vgl. Knieb, in : UE V III <1913> 218 ff.) und Joachim Nohr von Reifenstein 1639—1670/1 (vgl. Knieb a. a. O. IX <1914> 230ff.) Wilheim v. Knorr ist vieileicht dér in dér Erklarung des Kurfürsten Damian Hartard vöm 3. September 1675 an die eichsfeldischen Stande auf ihre Be- schwerden genannte Steuer-Assessor von Knorr; vgl. Wolf-Löffler 213. Über Georg Koch vgl. Kirchliche Reformbestrebungen, S. 74 f. ■*) Es ist die aus dem 15. Jahrhundert stammende Liebfrauenkapelle vor dem Neutor in Duderstadt, bei dér spiiter (1700) die Ursulinen sich niederliefien. KESELING 3 1 1 und anderer grassierender Krankheiten, bei welchen sonst viele hundert Menschen ohne geistlichen Trost und Hülí hinfallen würden“ . Es ist alsó dér als unheilvolle Folge des DreiBig- jahrigen Krieges noch immer unbehobene Mangel an Seelsorgs- geistlichen *) und in Verbindung damit das grol3e Sterben in dér zweiten Hálfte des drangsalschweren 17. Jahrhunderts, auch eine dér Nachwehen des furchtbaren Völkermordens, was die dauernde Niederlassung eines in dér Cura animarum tátigen Ordens so erwünscM, ja bittér notwendig erscheinen lieB. Dér Kurfürst konnte sich dér Berechtigung dér vorge- brachten Gründe niclit verschlieBen; zudem lag das Gesuch in dér Linie seiner eigenen Absichten und Pláne®). So lieB die Genehmigung nicht auí sich warten; noch das Jahr 1666 sah die Söhne des hl. Franz auf eichsíeldischem Boden, allerdings nicht in den beiden Hauptstadten Heiligenstadt und Duderstadt ®), vielraehr zuerst vorübergehend in Dingelstádt und seit dem Folge- jahre sodann dauernd in Worbis für mehr denn anderthalb Jahr- hundert. Auch hier bewahrheitet sich aufs neue dér alté Satz: Bernardus valles, Benedictus montes amabat; Oppida Franciscus celebresque Ignatius urbes. In der weiteren Darstellung soli nun die Chronik des Klo- sters bis zum Ausgange des Mainzer Kurstaates geftihrt werden ^).

1) Wolí,Kirchengeschichte213íí. und Wolf-Löfíler 303. V o n l6 5 0 b is 1675 war auí dem Eichslelde der Jesult P. Johann Miiller aus Kefferhausen als Landmissionar unermüdlich tatig. Vgl. über ihn Wolf, Eichsfeldia docta, Pars I {Heiligenstadt 1797) 161 ff. 2) Anderen Orts berief Johann Philipp Kapuziner und Karmeliter zűr Aushilte in dér Seelsorge; vgl. Knieb, Worbis 93 und G. Menz, Johann Philipp von Schönborn II (Jena 1899) 223 f. So wurde z. B. das Kapuziner- kloster zu Lohr a. M. 1648 zu demselben Zwecke genehmigt; F. Stein, schichte dér Stadt Lohr a. M., Lohr 1898, 102 f. Vgl. noch A. L. Veit, Kiroh- liohe Reformbestrebungen lm ehemaligen Hochstift Mainz unter ESrzJjischof Johann Philipp von Schwaben 1647— 1673, íd : Studien und Darstelíuiigen aus dem Gebiete dér Geschichte, hrsg. von H. Grauert, V II (Frb. 1910) 31. 49f. 3) Dér Duderstadter Rat war In Mainz dagegen vorstellig geworden. *) Wegen Raummangels konnte nur dieser erste TeiI dér Darstellung gebracht werden. t)ber die Wirksamkeit dér Franziskaner wird uns eine spatere Abhandlung unterrichten. Die Schriítleitung. Für das bei dér Benutzung dér angegebenSn Arehivalien bewiesene hillreiche Entgegenkommen sei hiermit den Vorstanden aller genannten Archive und Bibliotheken dér geziemende Dank ausgesprochen, insbesonderc den Herren BischöíL Kommissarius Pralat Osburg in Heiligenstadt, Geistl. Rat und Stadt- 312 das FRANZISKANERKLOSIER ZU WORBIS AUF DEM EICHSFELDE

II. Geschichte des Klosters bis 1802. Am 11. Dezember 1666 erlieB der Kuriiirst Johann Philipp folgendes Schreiben an seinen Oberamtmann im Eichsfelde^: Johann Philipp von Gottes Gnaden Ertz-Bischoff und Churfiirst ZU Mayntz, Bischoif zu Wiirtzburg und Worinbs, und Herzog zu Francken. Vester auch Ehrsambr-liebr getreur; Nachdeme W ir den P P. Franciscanis strictioris observantiae Thiiringischer Provintz mit gewiBen Conditionen gnadigst erlaubt haben, das sie in zwölf Persohnen starck zu mehrer Beíörderung der Ehr Gottes, und umb den Layhen mit ihren geistlichen Diensten ahn Handt zu gehen, in Unserm Landt des Eichsfeldts, und zwar zu Dingel- statt wohnen, darin das Allmosen zu ihrer Leibs Nothdurit samblen, und ihren Gottesdienst daselbsten in Unser lieben Frauen Kirchen haltén mögen, dergestalt, dai3 gleichwohl ermltr Kirchen, pfarrer Ph. Hartmann in Worbis, Pfarrer und Assessor Wolpers in Bernshausen, Pfarrer Klapprott in Breltenberg, P. Maximilian Brandys O. F. M., Provin- zial dér Thüringisclien Provinz, t P- Theophilus Witzel O. F. M., Custos, Dr. P. Ewald M üller O. F. M., Fr. Ubald Scheclie O. F. M. in Fulda (Frauenberg), Dr. P. Ferdinand Doelle O. F. M. in Bonn (Kreuzberg), Archivdirektor Dr. August Sperl und Staatsarchivar Dr. Max Kautmann in Würzburg. Hinweise au! die einschlagigen Stellen dcs Protokollbuches des Heiligenstadter Kom- missariats verdanke icli den Notizen des t Gelstlichen Rates Ph. Knieb. Für gütige Hilfe bei dér Ausschöpfung dér Literatur bin ich Herrn Studienassessor R. Begau in Duderstadt und íiir Unterstützung bei dér Korrektur Fr. Joseph Herzog, Rektor in Lohr a. M., zimi Danke verpfliclitet. 1) Abschrift beglaubigt von B. Wendeliorst, Notar. Caesar. Stadtworbis den 7. April 1774: Pfarrarcliiv zii Worbis: Acta betreffend das Franziskaner- kloster (235 paginierte Blatter) im Pfarrarchiv zu Worbis (= W A), fői. 83 = Anlage Nr. I zu dér „Documentierten Darstellung in Betretl des Klosters zu Stadt-Worbis vöm 26. Február 1822“. — Es ist dér Oberamtmann Pliilipp Caspar von Bicken, dér 1655— 1687 das Eichsíeld verwaltete {Wolf-Löffler 196). Dér Tód dleses besonderen Gönners und W ohltáters des Klosters fa lit auf den 11. Október 1687: Píarrarchiv zu Worbis: Liber Recomendationis et Catalogus pie in Domino defunctorum Benefactorum Benetactricum et hujatls Conventus Confratrum. Initium sumens a 13 Junii 1668 ipsa S. Antoni(i Pa- duani Festivitate, qua scilicet die primus lapis hujus conventus ponebatur. (In schwarzes Leder gebundener Foliant. Die Eintragungen beginnen mit dem 13. Juni 1668, die letzte verm erkt den Tod des P. Gereon Heinemann am 2. Januar 1812.) Vgl. G. Haselbeck, Necrologium Provinciae S. Elisabeth Thuringiae 0. F. M., in: AF VI, Ad Claras Aquas 1912, 46, wo versehent- lich 1678 statt 1668 angegeben ist ( = B W ) B W ad IJ . Oct, K É S ELING 3 1 3 und deren beneficiorum intraden und Gefallen denen jenigen, so solche anjetzo geniefien, verbleiben, auch andern írembden geistlichen hiníühro hingegen in Unserm Landt des Eiclisfeldts das Allmosen zu samblen Verbotten seyn solle; Alfi habén W ir es eucli auch hiemit zu euerer Verhaltungs Nachricht gna- diglich ohnverhalten wollen, seyndt euch dabey zu Gnaden wohl gewogen. dátum auf Unserm SchloB Marienberg ob Würtzburg den 11. Decembris anno 1666. Oberambt im Eichsfeld. Johan Philip. Dér Inhalt dieses Schriftstüclies, das mán füglich als Grün- dungsurliunde ansprechen könnte, bedarí wohl keiner weiteren Erláuterung. Vöm 20. Dez. 1666 bis 16. Aprii 1667 wohnten dann t'at- sachlich die Franziskaner in Dingelstádt. Alléin es muB sich bald herausgestellt habén, daB dér Őrt i'ür eine dauernde Nieder- lassung aus irgendwelchen, nicht mehr greifbaren Gründen weniger geeignet war 0, und so fand sich dér Kurfürst, den ein Ordenschronist als clementissimus Provinciae nostrae Thuringiae patronus et promotor imo restaurator M ert ^), bewogen, durch ein ernsutes Reskript an den Oberamtmann Philipp Caspar von Bicken, den fratribus addictissimus patronus ac praesentis conventus zelosissimus promotor, und seine Kanzleibeamten vom 16. Febr. 1667, den Ordensleuten einen zusagenderen Platz in der Nahe von Stadtworbis an der Stelle des altenNonnenklosters anzuweisen^), nach Angabe des Worbiser Memorienbuches auf Vorschlag des Oberamtmanns, des quasi fundator, selbst^). Vom 16. April 1667 ab wohnten sie in einem Hause des Stadtchens zur Miete und erbauten auf dem Boden des zerstörten Nonnenklosters eine niedrige, dem hl. Antonius von Padua geweihte Kapelle aus Holz, kaum 10 FuB lang, in der sie taglich das MeBopfer

1) Blbliothek der Franzisk. Studlen in Bonn-Kreuzberg: Quellen zur Geschichte der sachsischen und thiiringischen Ordensprovinz (= Quellen) Ms. I io l. 88 V und 89 r; quia tamen hic locus commodae iratrum habitationi minus conveniebat, placuit... fratribus assignare alium locum magis congruum. 2) Quellen Ms. I fol. 8 8 v. Ahnlich BW ad 1. Jan.: „vere clementissimi nostrae Provinciae Patroni." 3) Quellen Ms. I fol. 89 r. '*) B W ad 2. Januar: praeterquam quod Conventum hunc Patribus 1667 procuraverit... ad 11. Oct.: specialis Patronus et quasi fundator. 3 1 4 DAS FRANZISKANERKLOSTER ZU WORBIS AUF DEM EICHSFELDÉ feierten 0- Seitdem blieb St. Antonius dér Schutzheilige dér Wor- biser Niederlassung ^). Bald ward die Erlaubnis zum Bau eines Klosters nebst Kirche gegeben^), und am 2. Mai 1668 beauftragte Johann Philipp den Oberamtmann und den Abt von Reiíenstein, in seinem Namen den Grundstein zum Bau zu legen bzw. zu benedizieren ^). Wirklich fand am Antoniusíeste (13. Juni) ds. Js. die feierliche Weihe durch den Abt Joachim und die Grundsteinlegung selbst durch den Oberamtmann unter groBer Beteiligung des Volkes statt ®). Bei solcli reger Anteilnahme dér geistlichen und weltlichen Spitzen ebensowohl wie dér gesamten Bevölkerung nahm die gute Sache einen sclinellen Fortgang. Besonders stand Philipp Caspar von Bicken dem Prases P. Matthias Rütten stets hilf- reicli zűr Seite und betrieb den Bau mit so groBem Eifer, da6 in wenigen Jaliren Kirche und Kloster íertiggesteilt wurden®). Doch eilen w ir den Tatsachen nicht voraus! über die Fortschritte des Baues unterrichtet ein Kontrakt, den am 11. Marz 1669 Nikolaus Rogge'^), dér erste geistliche Vater und apostolische Syndikus in Worbis, mit dem Bau- und Zimmermeister Johann Seehenber aus Erfurt abschloB. Um 60 Rthlr., freie Kost und sonstige Beihilfe verpílichtet er sich, „die

1) Quellen Ms. I föl. 89 r. Gleichlautend bei Wolf, Comment. de archid. Heilig. 36. Statt humili ist liier liumile zu verhessem. Wolí beruft sich auf Severus, Moguntia Ecclesiastica 103. 2) W . Kőibe, Kloster Worbis, in: Heimatland 1 (1904/5) 59 melnt, mán habé nach dér Antoniuskapelle den Sitz ví^ohl scherzweise „Antonius- residenz“ getauft. s) Quellen Ms. I föl. 89r: „anno 1668 sub A. B. P. Friederico Stümelio Vicario Provinciali obtenta aedificandi licentia ... “ i) Johann Philipp usw. Maintz den 2. Mai 1668 an Oberambtm. und Pral. v. Reitfenstein im EichBfelt, in : W A fol. 84 = Docum. Darst. Ani. Nr. II. 5) Quellen Ms. I fol. 89ru.v. Der Abt Joachim heiBt piarum causarum patronus zelosissimus. Der Grundstein wurde gelegt juxta modernam eccle­ siam vel potius in fundamento ecclesiae muri lateralis ad sinistram intro­ euntium in Conventum seu iuxta portam Conventus. Vgl. noch die Titelauf- schrift von BW : . .. a 13. Juni 1668 ipsa S. Antonii Paduani Festivitate, qua scilicet die primus lapis huius conventus ponebatur. *) Quellen Ms. I iol. 89 v. 7) Über ihn vgl. B W ad 13. Nov.; 1693 ob. Nicolaus Rogge ^;onsul Stadtworbianus, primus Pater spiritualis et Syndicus apostolicus. . . . structu­ ram huius Conventus promovit. Er’ vi^ar der Vater des am 26. September 1696 verstorbenen P. Casimirus Rogge. Vgl. Haselbeck 178 adn. 8 . KESELING 315 zwey noch unbebaute flügell . . . mit allén Zubehörigen gebáuden mit holtzwerck zu vorfertigen . . ')• Einen intimen Einblick aber in die Verhaltnisse dér Residenz gewahrt dér Statusbericht, den, vöm 5. Mai des gleichen Jahres datiert, P. Matthias Rütten als Práses, P. Antonius Ernst als Vikar und Nikolaus Rogge als geistlicher Vater dem Prov.-Kap. zu Limburg einsenden^). Das Kloster hat, um nur die Hauptsachen herauszugreiíen, 73 Malter Kom, 10 Mltr. Weizeu, 28 Mltr. Gerste, 31 Mltr. Graupen, 4 Mltr. Hafer zűr Veríügung, ist mit Butter, Rauchfleisch und Tuch zűr Genüge versehen und hat 44 Rthlr. 3 ggr. 6 § bei dem Syndikus béréit liegen. Das Verzeichnis dér noch zu erwar- tenden milden Gaben umfaBt 21 Nummern. Hervorhebung ver- dient die Angabe, da6 dér Oberamtmann von den Landstánden die Bewilligung von 53 Ruthen Mauer (Perticae murariae), in Geld 212 Rthlr., erwirkt hat ^). Unter den Wohltatern erscheinen neben eichsfeldischen Píarrern, an deren Spitze dér erzbischöf- liche Kommissarius in spiritualibus Herwig Boning in Duder- stadt^) steht, und sonstigen Gönnern — dér Vizedom von Erfurt Frh. von dér Layen sei genannt®) — auch ein Duder- stádter Lutheraner und sogar ein Jade. Aus diesem ersten vs^ie den íolgenden Statusberichten und ebenso aus den Daten des Memorienbuches erhellt klar und unzweideutig, daB das ganze Eichsfeld die Worbiser Klostergründung als seine ureigenste Angelegenheit betrachtete und sich nach Kraften daran aktív beteiligte. Mit Recht konnte daher über anderthalb Jahrhundert spater, als die Auíhebung vor dér Tűre stand, die Worbiser Bürgerschaít geltend machen, daB die Eichsíelder sich dieses „Kloster selbst aufgerichtet hatten und ihre fromme Wohltátig- keit sich diesen Religionsort erhielt“ Von besonderem In-

1) W A föl. 87 = Docum. Darst. Anl. Nr. IV. 2) W A föl. 88 u. 89 = Docum. Darst. Anl. Nr. V. “) Nach B W ad 4. Januar habén die Stande auf Betreíben ihres Primas, des Reifensteiner Abtes, 1669 für die Fabrik 70 Rthlr. gestiftet. Über diesen hervorragenden Mann vgi. Wolí, Eichst. d. 234 ff. und Historische Abhandlung von den geistlichen Kommissarien im Erzslifte Mainz, besonders von denen im Eiohsfelde, Göttingen 1797, 125 ff. Über sein Verhaltnis zum Worbiser Kloster B W ad 3. Januar: ... praeter multas eleemo­ synas ... Hier steht er als Mitstifter eine.r neuen Monstranz, zu der u. a. auch die Gemeinde Gieboidehausen beisteuert. 5) Er hat eine Gioclie versprochen. «) Docum. Darst. in betr. des Klosters zu Stadt Worbis vom 16. Február 1822, in : W A fol. 77. 316 das franziskanerkloster z u w o r b is a ü f d e m e ic h sf eld e

téréssé sind auch hier die Mitteilungen über den Bau. Es heiBt, daB dér erste Flügel völlig errichtet ist, nur wegen Krankheit des Baumeisters nicht vermessen werden konnte. Dér Baumeister aber ist kein anderer als Antonius Pedrini, dér Erbauer auch dér Pfarrkirche von Breitenworbis, wie Knieb das riclitig ver­ mutét hat 0- Für ihre Arbeit erhielten die Maurer pro 1668 im ganzen 425 Rthlr. Am zweiten und dritten Flügel wird noch gebaut. So konnten denn auf dem Prov.-Kap. zu Limburg (16. Mai 1669)^) mit Genugtuung bei dér neuen Niederlassung parca debita et exspectantiae multae bonusque status hervorgehoben werden ^). Kein Wunder, daB die versammelten Váter dem brief- lichen Ansuchen dér beiden hohen Gönner dér Neugründung, des Abtes von Reiíenstein und des Oberamtmannes von Bicken, den bisherigen Prases im Amte zu belassen, nicht nur gern mit lauten Dankesbezeugungen ob dér erwiesenen Wohltaten ent- sprachen, sondern darüber hinaus die Residenz zum Guardianat erhoben mit P. Matthias Rütten als erstem Guardian^). Im Herbst ds. Js. (18. Okt.) erlaubte die Stadt auí Bitten des letz- teren dem Konvent die Anlage einer Wasserleitung von dem am Untertor belegenen Brunnen. Bei den dieserhalb gepflogenen Verhandlungen vernehmen wir, daB „sie nuhmehr ein Ziembli- cheB ahn Ihrem Closterbau Vollenbracht, Undt darinnen Zu- wohnen Vorhaben, Ihnen aber zu Nothturft deB HauBwesens Ein Brunnen bénöthigt“ usw. ®). Bemerkenswerte Nachrichten

1) P li. Knieb, Das Franziskanerkloster zu W orbis,in: B GS F I I I 1910, 93 erschlieBt es aus dér Erwahnung eines italienischen Maurers Antonius im Worbiser Kirohenbucli 1670. In dem Statusbericht ist dér Name ausdrüoklich genannt. 2) Joh. W olí, Denkwürdiglieiten dér Stadt Worbis und iiirer Umgegend, Göttingen 1818, 145. W. Kőibe 59 und A. Kegel, Kloster Worbis, in: Thüringen und dér Harz mit ihren Merkwürdigkeiten, Volkssagen'und Legenden, Bd. I (Sondershausen 1839) 128 geben unrichtig ein Generalkapitel vöm 19. Mai zu Limburg an. Das Dátum auch bei Knieb, Worbis 93. 3) A C ad 1669. i) Ebd. und Quellen Ms. II föl. 84v. Nach W olf, W orbis 147 und Knieb, W orbis 93 ware P. Matthias Rütten erst am 16. November 1670 zum Guardian bestellt. 5) W A föl. 1 = föl. 85 und 86 d. i. Dokum. Darst. Anlage Nr. III. Wenn an letzterer Stellé die Gesuchsteller aus dem Dokument herauslesen wóllen, daB die Stadt vifahrscheinlich auch den Platz zűr Kirche, zu den Klostergebauden und zum Garten hergegeben habé, so ist das oífenbar eine unberechtigte Folgerung. Vgl. übrigens noch Wolí, W orbis 148 í. und Joh. M üller in : UL 3 (1916) 60. KESELING 3 1 7 gibt wieder íür das Folgejahr dér am 1. Nov. 1670 erstattete Statusbericht ^). Dér Konvent hat von Johann Friedrich, Herzog von Braunschweig-Lüneburg, Anvt'eisung auí 200 Banme auf dem Harz für den Kirchenbau erhalten, die im Laufe des Win- ters geschlagen und abgeíahren werden müssen. Das Kloster- gebaude mit seinen vier Flügeln ist íertiggestellt — mit einem StoBseufzer dér Erleichterung: laudes sint Deo wird diese Fest- stellung gemacht — ; die Kirchenmauern auf dér Konventsseite stehen in gleicher Höhe wie die Klostermauer da, auí dér ent- gegengesetzten sind sie 8 FuB über die Fundamente hinaus ge- diehen. Dafür liat dér Baumeister Pedrini 918 Thlr. erhalten. Vöm Abte von Reifenstein hat das Kloster 60 Thlr., aus dem Amte Harburg nebst dér jáhrlichen Steuer 80 Thlr. leihw^eise empíangen. Andrerseits hat es von verschiedenen Wohltatern 270 Thlr. zu erwarten. Eine stattliche Reihe von eichsíeldischen Notabeln: Dr. Hirstell^), Dr. med. Píitzenreuter ^), ein Herr Knorr sen. *), J ohann von Hanstein, Johann Gottfried von Hanstein ®), Herr von Harstall zu Berentroda, dér Dechant des Martinsstiítes zu Heiligenstadt Georg Koch usw. ®) habén je eine Mauer-Ruthe = 4 Thlr. 8 ggr. versprochen, in summa 47 Thlr. 16 ggr. Dér magister equitum Petrus Martini in Worbis hat einen Acker für die Kirchenfabrik in Aussicht gestellt usw. Aus dem 1672 bei demLimburgerProv.-Kap. (19.Febr.) eingereichten Statusbericht’’') seien noch folgende Finzelheiten hervorgehoben: Dér Duder- stadter StadtschultheiB Jóst Adrián von Horn®), zugleich Syn- dikus des Klosters, hat auf Lebenszeit jahrlich 3 FaB Bier dem Konvent versprochen, je eines auf Antonius, Portiuncula und Franziskus, dér Lizentiat b. R. Barckefeldt aus Duderstadt 1 FaB ®).

>) W A föl. 90 a und b ='Dokum. Darst. Anlage Nr. V.- 2) BW ad 6. August 1695: D. .Toan. Christ. Hirstell J. U. Dr. et Patriae Syndicus. Ais Syndikus des Steueramtswird er 1675 genannt. Wolí-Löf fler 213. 3) Vgl. Wolf, Eichsf. d. 239 ff. *) Ebd. •’>) Vgl. Wolf-Löffler 218: Assessoren am Steueramt. Vgl. Wolf, Kommissarien 84 und Wolf-Löffler 214. ’) W A föl. 91 f. = Dokum. Darst. Anlage Nr. Vili. Das Schriftstück ist ohne Dátum; es kann aber nur 1672 in Betracht kommen. 8) t 3. August 1648; vgl. B W ad 13. Juni und 3. August: Benefactor ac Syndicus noster eximius nec unquam , satis laudandus, qui P. P. et F. F. summa semper charitate tamquam angelos Dei suscipiens quaeque necessaria quibusvis adventantibus supeditavit. s) Vgl. Wolf, Eichsf, d. 185 ff. und J. Jaeger, Die Barckefeldtsche Chronik, Duderstadt 1920. 3 1 8 das FRANZISkANERKLOStER ZU WORBIS AUF DEÍVI EICHSFELDE

Das Kloster ist im Besitze aller Kirchensachen. Eine lange Reihe von Stiitern aus allen Teilen des Eichsfeldes, darunter auch ein Jude Levi aus Wanfried und ein Lutlierarier aus Eisenach be- scliliefit den Bericht; genannt seien nocli der Amtmann Gudenus *), Dr. Hirstell, der Commissarius, ein Dr. Suber in. Rom durcli letztwillige Veríügung, der Stattlialter von Erfurt Frh. von Leyen, Frau von Wabersclinall geb. Greiffenklau bei Hildesheim, die ein Bild des hl. Antonius íür den Hoclialtar versprochen hat. An Geld liegen 9 Tiilr. 14 ggr. 6 S bereit. Bei dem Prov.-Kap. ZU Fulda 1674 (2. Sept.) lag vs^iederum ein dringendes Gesucli des eichsfeldischen Oberamtmanns vor, den P. Matthias Riitten zur Vollendung des Baues nacli Stadtworbis zu schicken; es iand Gehör, wenn auch P. Balthasar Breun zum Guardian be- stellt wurde^), Auis neue zeigt sich hier das ungewöhnliche Interesse des obersten weltlichen Beamten im Eichsielde an der Kiostersache einerseits und das besondere Verdienst des ersten Guardians um den Bau andrerseits. Aber auch das Haupt der eichsieidischen Geistlichkeit leistete tatkraitigen Beistand. Am 26. April 1675 richtete der Commissarius Herwig Boning von Duderstadt aus an alie Piarrherren, Kirchenvorsteher oder Alta- risten des Eichsields ein Rundschreiben, in dem er auf Bitten des eben genannten Guardians, P. Balthasar Breun, dieselben anweist, von den „Kirchenernten" nach Vermögen „ein Beliebig subsidium oder beystewer" ihm oder dessen Abgeordneten zu reichen. Die Sache drangt offenbar, denn der Konvent ist ge- nötigt, „die daselbsten newerbauete Kirche Under Fach zu bringen Undt fiir iernerem schaden zu bewahren“ , weiB sich „darzu aber ganz keine Mittel itzo zu verschaffen“ . Der Commissarius geht auf den Wunsch des Guardians um so lieber ein, ais ihm „die itzige nothurfft des Closters zu geniigen bewuBt ist“ . Das gott- seligeWerk soli nachKraften befördert werden, auch um gröBere Unkosten zu verhiiten ^). Ob der Eifer fiir den Kirchenbau die Worbiser Franzis- kaner bei ihren Sammlungen vielleicht hin und wieder zu v^^eit gefiihrt hat ? Jedenfalls beschwerte sich der Provinzial der west-

') t 15. Február 1680; vgl. BW ; D. Mauritius Gudenus, singularis amicus, fautor et benefactor Ordinis, qui fratres undequaque venientes summa caritate et admiranda benignitate hospitio suscepit. Vgl. Wolf, Elchsf, d. lB 8ff. 2) A C ad 1674. 3) W A fol. 93 = Dokum. Darst., Anlage Nr. VI. II K E S E L IN G 819 falischen Provinz beim Prov.-Kap. zu Hammelburg (29. Aug. 1677), daB die Konvente von Stadtworbis und Marienthal die Grenzen seiner Provinz überschritten hátten, und dér Provinzial erhált den Auftrag, mit ersterem darüber zu verhandeln *). Bis 1677 soll, wie Wólf zu melden vt’eiB, die Stárke dér Konventsmitglieder auf ISgestiegen sein; vi^egen haufig begehrter Aushilfe, besonders an hohen Pesten, habé aber auch diese Zahl noch vermehrt w’erden müssen ^). Endlich im Jahre 1678 ist dér Kirchenbau so weit vollendet, daB dér Eríurter Weihbischof Adolph GottfriedVolusius Episcopus Diocletionopol. i. p. i. im Auítrage des Erzbisclioís Damian Har- tard Fhr. von Leyen am 4. August die Kirclie nebst dem Hoch- altar zu Ehren des lil. Antonius, und am folgenden Tagé zwei Nebenaltare, reclits zu Eliren dér Unbeíleckten Empfángnis und dér hl. Elisabeth, links zu Ehren dei: hl. Franziskus und Ber- nardus íeierlich konsekrieren kann'*). Dér Statusbericht von 1680 (vöm 17. Juni datiert)^) ent- hált dann die Endabrechnung mit dem Baumeister. Nachdem weitere 100 Thlr. bereits bezahlt sind und auf 150 Thlr. Meister Antonio zugunsten des Konvents verzichtet hat, verbleibt ein Rest von 400 Thlr. Davon werden 150 bereitgestellt, 250 muB alsó dér Konvent noch auí'bringen. Sind die gezahlt, so ist er von allén Schulden frei. Denn alle sonstigen Verbindlichkeiten sind beglichen, zumal dér Kurfürst Anselm Franz die alsDarlehenl670 aus dem Amte Harburg nebst dem NachlaB dér Jahressteuer emp-

>) A C ad 1677. 2) W oIf, Worbisl47. — Auch ein Duderstadter Bürgerineister erscheint in diesem Jahre als Wohltater des Klosters, Johann Heinrich Thonhose, t 25. September 1679; vgl. B W ad 8. Juni. 3) Quellen Ms. I föl. 89v und 90r ; vgl. auch W o lf, Worbis 145f. und Knieb, Worbis 93. Von Interesse ist die Angabe in BW ad 21. Marz: 1678 summo cum periculo ac labore maximo infrascripti honesti v iri ac Ordinis boni fautores Georgius Fulirath, Georgius Franckenstein ambo ex Braitenholtz, Joannes Pfiitzenraiter Praetor, Henricus Hesenmeyer, Joaunes Henckel, Mar- tinus Cunckel, Joannes Adamus Kirchner, Henningius Cunckel omnes ex Breitenbach advexerunt nobis ad tres horas lapides istos praegrandes, mensas scilicet altarium. — Der Hochaltar ist ein Geschenk des damaligen Eríurter Statthalters, spateren Kurfiirsten Anselm Franz von Ingelheim; vgl. B W ad 1. Jan.: curavit fieri summam aram solvendo artem et laborem sculptorum. Vgl. Knieb, Worbis 93. <) W A iol. 94 f. = Dokum. Darst. Anlage Nr. IX. 3 2 0 d a s franziskanerkloster z u w o r b is a u f d em e ic h s f e l d e

fangenen 80 Thlr. und der neue Abt von Reifenstein Benedikt 0 die 1669 vom Abt Joachim entliehenen 60 Thlr. erlassen haben. An Activa liat das Kloster, abgesehen von mehreren rückstan- digen Legaten, beim Worbiser Syndikus 52 Thlr., beim Geist- lichen Vater in Heiligenstadt 14 Thlr. in deposito. Die Ver- sorgung mit Lebensmitteln ist bis zum Termin gesichert, ebenso die Bekleidung der Konventualen in Ordnung. Zur Tilgung der angegebenen Schulden verfügte nun das Fuldaer Prov.-Kap. (23. Juni 1680) die Überweisung von 100 Rthlr. aus den Über- schüssen des Limburger Konvents an das Kloster Worbis mit der Verpiliphtung zur Riickzahlung ^). Diese wurde dann von dem folgenden Zwischenkapitel (15. Nov. 1681 Limburg) dahin gere- gelt, daB das Kloster die 100 Thlr. dem Konvent in Montabaur auszahlen solite ®). In den beiden nachsten Jahren 1682 und 1683 wiitete die Pest im Eichsielde, die angeblich ein Duderstadter Handelsmann durch infiziertes Leder von der Leipziger Messe mitgebracht haben soli, und raifte in Duderstadt 700, in Stadtworbis 453, im ganzen Eichsielde 1743 Menschen dahin ^). Auch der Wor­ biser Konvent hatte den Verlust zweier Mitglieder zu beklagen^ die im Dienste der Sterbenden anscheinend sich den Keim zur Ansteckung geholt ®), und selbst aus den trockenen Daten des Totenbuches ergibt sich ein erschiitterndes Bild von dem ver- heerenden Umfange, den die iurchtbare Seuche angenommen hatte. So erklart es sich, daB bei dem Prov.-Kap. zu Limburg am 1. Juli 1683 der derzeitige Worbiser Guardian P. Matthias Ververs sein Nichterscheinen ob negatum transitum ex locis infectis entschuldigen muBte ®). Im Jahre 1687 hatte der Konvent laut Statusbericht vom

J) Es ist Benedictus Henrici (1671—1690); vgl. K n le b , in; U E IX (1914) 233 f. 2) A C ad 1680. s) A C ad 1681. 4) W olf-Loffler 261 f. 5) B W ad 24. Oct.: 1682 hic in oppido tempore saevissimae pestis sub cura animarum obiit religiosus P. F. Otto Scluichart; vgl. H aselbeclc 193; ebd. ad 25. Nov.: 1682 peste obiit in Wilbich religiosus et in Cliristo dilectus F. Petrus TheiBen clericus Diaconus; vgl. H a s e lb e c k 105; Fr. Petrus Thyssens . . . qui martyr charitatis eitectus est, cum peste superveniente P. Mathiam Jeckermans in cura infirmorum adiuvaret. Vgl. W olf, Worbis 126 f. 6) AC ad 1683. K É S ELING

23. Okt. ’) eine Schuldenlast von 123 Rthlr. lm ganzen sind íür dié Fertigstellung der Klostemaiier, die Errichtung zweier Altare und sonstige Reparaturen und Bedürfnisse mehr als 1400 Rthlr. ausgeworfen. Für die Beschaffung einer neuen Orgel hat mán 104 Rthlr. aus Almosengeldern bereits nach Frankfurt geschickt, 50 Thlr. hat ein Heiligenstadter Bürger Stephanus Matthiae^) vorgeschossen, 100 Thlr. sind aus der Hinterlassen- schaít des Oheramtmanns von Bicken zu erwarten. Sonst ist kein Geld in paratis vorhanden. Ást Dominus providebit! Besser steht es mit der Lebensmittelversorgung; alimenta necessaria ita multiplicavit bonus largitor bonorum omnium, ut . . . usque ad futurum terminum sit bona provisio. Die notwendigen Kirchen- paramente sind beschafft. Am 22. August 1690 legte der damalige Guardian P. Edmund Baumann den Grundstein zu der neuen Antoniuskapelle, die nördlich an die Fassade der Kirche sich anschlieBt ^). Aus dem Jahre 1697 ist ein Kontrakt bemerkenswert, den der Guardian P. Ernestus Pott am 21. Juni in Duderstadt vor dem Commis- sarius und StadtschultheiBen mit dem Bildhauer Andres Georg Kersten abschlieBt. Es handelt sich darura, auf Weisung des Kurfürsten in der Klosterkirche das Wappen des Griinders, des Kurflirsten JohannPhilipp, anzubringen; Kersten verpflichtet sich, bis Michaelis die Arbeit zu vollenden und aufzurichten; als Entgelt sollen ihm im Namen des Kurfürsten 30 Thlr. in Geld und 1 Mltr. Korn Duderstadter MaBes verabreicht werden^). Für das Jahrzehnt von 1689—1700 ergibtsich auíGrund derKapitels- akten, was die Vermögenslage des Klosters angeht, folgendes

1) W A fol. 112 und 113 = Docum. Darst. Anlage Nr. X. 2) Ira Jahre 1675 Steuer-Rezeptor; vgl. W o lf-L ö ffle r 213. 3) Quellen Ms. I fol. 90 r. Die erste 1667 errichtete Antoniuskapelle aus Holz wurde in den Garten iibertragen; 1724 stand sie noch, und es wurde in ihr an den hóhérén Ordensfesten nach feierlicher Prozession mit dem Sanctissimum durch den Garten das Responsorium Antonianum gesungen und dera Volke der Segen gegeben (ebd.). Vgl. auch W o li, Archid. Heilig. 36 und M üller, Die Franziskanerkirche zu Worbis, in: FS Vll 32. Der Kommissarlus ist der oit genannte Herwig Boning und der Stadtschultheiii sein jiingerer Brúder Dr. iur. Johann Christoph Böning. Über ihn vgl. BW ad 3. Januar: „...Pater Spiritualis noster Duderstadii cum... Matre spirituali Apollonia nata ab Horn cum tota familia propter quotidiana beneiicia" und W oli, EichsS. d. 226i. W A fol. 2. Franzisk. Studien. 10. Jahrg. 3,/4. Heff. 21 3 2 2 d as franziskanerkloster z u w o r b is a u f d em fjc h sfeld e

Bild: 1689 136 Rthlr. in Bereitschaft, 1690 353 fl., 1692 320 Rthir. in residuo, 1693 50 Thlr., 1695 268 Thlr. in parata, 173 Thlr. in exspectantia, onus missarum 968 Tlilr., 1697 70 Tlilr., 1698 86 Thlr., 1700 25 Tlilr. i). Fiir die erste Halfte des 18. Jahrh. ilieBen die Quellen sparlicher, w ir sind fast alléin auf die Kapitelsakten ange- wiesen. 1704, 1705 und 1707 wird ais Aktivposten des Worbiser Konvents der Erlös aus gesammelter Wolle auigefiihrt: 200, 80 und 40 Thlr.^). Von 1711 bis 1720 spielt aui den Kapiteln die Frage nach der Annahme des Legatum Helmianum eine Rolle. Ein gewisser am 4. April 1707 verstorbener Johann Philipp Helm hatte namlich dem Konvent zu Worbis 674 il. vermacht, mit der Verpflichtung, dafiir Jahriich 2 Amter de requiem zu haltén ®). Das Zwischenkapitel zu Salmiinster (16. Okt. 1711) erklarte sich grundsatzlich íür die Annahme, nur mit dem Vorbehalte modo licito juxta regulam et statuta^). 1717 in Hammelburg kommt die Angelegenheit wieder zur Sprache. Auch hier wird die Bereit­ schaft zur Annahme ausgesprochen, falis der Syndikus die Ver- waltung des Legates iibernimmt und jahriich davon dem Kon­ vent ein angemessenes Almosén gibt. SchlieBlich verfallt man auf den Ausweg, das Legat dem Pannificium ohne Belastung des Worbiser Konvents zuzuweisen®). 1720 endlich h.eiBt es wieder, man wolle das Legat nur modo et medio licito iibernehmen. Im iibrigen sei die bevorstehende Entscheidung des Mainzer Geist- lichen Gerichts abzuwarten, bei dem die Sache schon anhangig gemacht ist®). Dasselbe gilt auch von dem Vermachtnis einer Marie Sophie Fiegerin, Freifrau zu Hirschberg, geb. Freiin von Cratz, die am 4. April 1719 testamentarisch dem Kloster 1500 Gulden Rheinisch ausgesetzt hat mit der MaBgabe, daB alljiihr- lich ein hohes Amt und 5 Seelenmessen bis an das Ende der Welt gefeiert werden sollen '^). 1728 wird das Legat zugunsten

1) AC ad 1692. 1693. 1695. 1697. 1698. 1700. 2) A C ad 1704. 1705 und 1707. •’) AC ad 1720; Quellen Ms. II iol. 122v. <) AC ad 1711; Quellen Ms. II fol. 111 v. AC ad 1717; Quellen Ms. II fol. 119v. 120r. 6) AC ad 1720. 7) A C ad 1720; Quellen Ms. II fol. 123r. Eine Abschrift des Testa- mentsauszuges in; W A fol. 97 = Docum. Darst. Anlage Nr. XIII. KfiSELlNG 328 des Klosters in Hachenburg angenommen') und 1740 auch dér dortigen Kirchenfabrik díe Abhaltung dér Messen auferlegt^). Für 1734 liegt wieder ein Statusbericht vor, vöm 28. Mai datiert, dér oífenbar dem Prov.-Kap. zu Limburg (13. Juni) ein- gesandt wurde ®). Schulden sind nicht zu verzeichnen, Aktivá rund 90 Thlr. In dér Kirche ist ein neuer Altar errichtet, ein zweiter ist im Bau, für den 30 Tlilr. hinterlegt sind. Verschie- dene Paramente sind erworben. Ein notwendiger Bau, dér 256 Thlr. kostet und, vöm Material abgesehen, ganz durch A l­ mosén bestritten ist, steht fertig da^). In den 30er Jahren kam es zu unliebsamen Streitigkeiten zwischen dem Kloster und dér Stadt. 1733 hatte ersteres den Weg an dér Klosterringmauer zum Teil pílastern lassen und zwar mitErlaubnis des Rates, ohne sich jedoch damit zűr dauern- den Instandhaltung verpflichten zu wollen ®). Anscheinend hangi die Sache mit dem Bau des Pferdestalles zusammen, den dér Guardian P. Vitalis Pingel damals errichten lie ll Um ein trag- fahiges Fundament zu schafíen, wurde das Pflaster an die Garten- mauer, auf dér dér Pferdestall zum Teil ruhte, angesetzt und mit aufgesetzten Steinen uníahrbar gemacht. Dagegen erhob dér Rat Einspruch und machte anscheinend dem Kloster Schwierig- keiten wegen dér Wasserleitung aus dem Heyenbrunnen ®). Jeden- falls ersucht am 15. Sept. 1736 dér Advokat Joh. Adam Strecker im Namen des Syndikus den Stadtrat, das Kloster mit dén an- gedrohten MaBnahmen zu verschonen, und protestiert im voraus gegen allé attentata^). Die MiBhelligkeiten scheinen sich jahr- zehntelang weitergeschleppt zu habén. Nachdem noch 1765 dér damalige Statthalter Gráf von Elz 300 Thlr. für neue Röhren ge- 1) Quellen Ms. II föl. 132 v. Quellen Ms. II föl. 142v. Es ist wolil die Witwe des Geueralwacht- meisters Freiherrn Johann Sigismund Fieger von Hirschberg; vgl. A. RaB, Die Convertiten seit dér Reformation IX (Freiburg 1869) 290 fi. 3) W A föl. 114 = Docum. Darst. Anlage Nr. IX. ’') Es handelt sich anscheinend um den Pferdestall. «) 15. Juli 1733; vgl. W A föl. 3. Erklárung des P. Guardian Chry.sologus Werner vem 5. Sept. 1738; vgl. W A foI. 5. Derselbe bemerkt, daö das_ Discretorium, weil nicht gefragt, seine Zustimmung zu dem Zurückweichen des P. Vitalis Pingel vor dem Rate nicht habé geben können und beruft sich dafür noch auf einen Brief des damaligen Lektors P. Gundeharus Bormann vöm 19. Januar 1737; vgl. W A foI. 12. Vgl. auch Joh. M ü lle r, in: U E V III (1913) 60. 7) W A föl. 6—9. 2 1 * 3 2 4 ÜAS FRANZISKANERKLOSTER ZU WORBIS AUF DEM ElCHSFELDE stiftet hatte *), wird auf den 12. Juni 1766 Termin angesetzt in einem Rechtsstreit, den dér Advokat Ivó Würschmidt als Klager gegen den Rat führt^), und am 13. Sept. ergeht vöm Heiligen- stádter Gericht ein Erkenntnis dahin, daB dér beklagte Stadtrat gehalten ist, bei Vermeidung von 50 Rthlr. Strafe das Kloster ruhig im Besitze dér Wasserleitung zu belásson®). Bereits 1717 liatte manauí dem Zwischenkapitel inHammel- burg die Annahme eines Platzes in Duderstadt ins Auge gefáfit, um einer fremden Ordensniederlassung dórt zuvorzukommen ^). Es handelt slch wahrsclieinlicli um den Versuch dér Minoriten, in Duderstadt vor dem Steintore sicli anzusiedeln, ein Projekt, das dér Commissarius Herwig Boning im Interesse dér Worbiser Franziskaner vereitelt liaben soll ®). 1741 erklarte das Zwischen­ kapitel inMiltenberg (10.Sept.), derHülfensberg sei zu übernehmen, falls er angeboten werde®). Alléin erst nach über 100 Jahren sollte dieser schöne Plán seine Verwirklichung íinden O- 1753 wird vöm Deíinitorium des Zwischenkapitels zuMilten- berg (16. Sept.) die Verlegung dér Orgel in die Mitte dér Kloster- kirche sowie die überwölbung derselben, die dér Landgraf Cliristian von Hessen-Rheinfels zu Eschwege beíürwortet, dem Ermessen des Provinzials und dér Architekten anheimgestellt®). Das Interesse des eichsfeldischen Adels an dér Worbiser Niederlassung habén w ir aus den Wohltaterverzeichnissen dér Statusberichte und des Memorienbuches schon genugsam kennen- gelernt. Ein weiterer Beleg dafür ist die Bestimmung des Hans Siegmund von Wintzingerode vöm 1. Januar 1755, daB alljahr- lich zeit seines Lebens 3 Mltr. Scheitholz aus den herrschaft- lichen Waldungen dem Kloster verabíolgt werden sollen'*).

1) B W ad 11. Oct.; Pro integra fontis ad hunc Conventura ex civitate salientis reparatione donavit 300 Imp.; vgl. W olf, Worbis 148. 2)W Afol. lOv. 3) WA fol. 13 und 14. Vgl. Knieb, Worbis 94. i) A C ad 1717; Quellen Ms. II fol. 118v. s) Bericht des Stadtpfarrers Gödecke, Duderstadt 11. A pril J798 an das Commissariat. Commissariatsarchiv Heiligenstadt, Vol. II, Rep. Fach 216 Nr. 7 ( = H 7), Acta betr. das Franziskanerkloster in Worbis. •■') Quellen Ms. II fol. 144 r. ■) 1860. Vgl. C. Z e h rt, Eichsfeldische Kirchengeschichte, Heiligenstadt 1893, 166. *) Quellen Ms. II fol. 152 v. ») W A fol. 98 = Docum. Darst. Anlage Nr. XIV. KESELING 3 2 5

Am Ende des Siebenjáhrigen Krieges, dér nicht zuletzt das Eichsfeld schwer in Mitleidenschat't gezogen liatte, veríügt dér Konvent über 1207 fi. 31 kr. in parata pecunia; bezeichnender- weise wird aber hinzugefügt: de quibus tamen non nisi trecenti floreni probatae monetae 0- Für das Folgejalir 1764 hat sich wieder ein Statusbericht erhaiten (vöm 6. Olit.)^): An das Panni- ficium waren i. g. 372 Rthlr. 10 gr. 4 ^ als Bekleidungsquote und íür Bettdecken zu zahlen. Die Summe wird aber auf An- ordnung des Provinzials für die Reparatur der Kirche verwandt. Sonstige bauliche Veránderungen und Ausbesserungen habén 503 Rthlr. verschlungen. Für die Wiederinstandsetzung des Kirchendaches, einen neuen Turm, das Kirchengewölbe aus Tuff- stein, Quadersteine íür einen neuen FuBboden in dér Kirche sind im ganzen 2462 Rthlr. 20 ggr. 2 5, erforderlich gewesen, wovon noch 104 Rthlr. 23 ggr. 2 ^ zu bezahlen bleiben. Dér Konvent zu Salmünster hat íür diesen Zweck 176 Rthlr. 2 ggr. übersandt. Iníolge dér Münzverschlechterung ist dem Konvent ein Schaden von 640 Rthlr. 18 ggr. 1 erw'achsen. Daher be- tragt die Schuldenlast 78 Rthlr. 23 ggr. 6 4 Als Activum steht dem gegenüber das Fiegersche Legat mit 1000 Thlr. Auí dem Prov.-Kap. zu Hammelburg (21. Okt. 1764) legte dér Guardian P. Beda Gerlach dann weiter klar, dafi in dér Kirche noch verschiedene Veránderungen notwendig seien, die jetzt wegen dér vorhandenen Materialien mit geringeren Un- kosten ausgeíührt werden könnten. Seinem Ansuchen um die Erlaubnis dazu vs^urde vöm Definitorium mit dér MaBgabe ent- sprochen, daB er dem neuen Provinzial einen Plán unterbreiten muB ^). Auf dem folgenden Zwischenkapitel (20. April 1766 Hammel­ burg) verhandelt mán eingehend über das erwáhnte Fiegersche Vermáchtnis, das die Provinz 1728 für ihre Bedürfnisse vöm Konvent in Worbis gevi^issermaBen entliehen hatte, und das nun- mehr als zurückgezahlt gelten soll. Das Kloster hat 600 Rthlr. Activa, auBerdem beim F. Tertiarius 100 Rthlr. in Bereitschaft ^).

1) A C ad 1763 (Zwischenkapitel in Hammelburg 22. April). tíber die Münzverschlechterung vgl. W o lí-L ö fíle r 269. 2) W A föl. 96 —- Docum. Darst. Anlage Nr. XII. Als Syndicus aposto- licus hat hier Joachim Manrott unterschrieben. 6) A C ad 1764. í) A C ad 1766. Dér Tertiarius als Auíbewahrer von Geld begegnet zuerst im Statusbericht von 1764. 3 2 6 das FRANZlSKANIiRKLOSTER ZU WORBIS AUF DEM EICHSFELDE

In diese Zeit falit, wie sich aus den mitgeteilten Daten ergibt, eine völlige Erneueriing dér Klosterkirclie, durch die sie ihre endgültige, noch heute vorhandene Gestalt erhielt. Statt dér früheren hölzernen Decke brachte dér Laienbruder Hyacinth Wiegand 1765 nach den Plánén des Bruders Cornelius Schmitt, des Architekten dér Kirche auí dem Frauenberg in Fulda, ein steinernes Gewölbe ohne Píeiler an, und erbaute 1775—1779 den neuen Hochaltar nebst 4 Seitenaltáren. Auch eine neue Orgel wurde angeschafft ^). Für die Einzelheiten dér Bauge- schichte sei auí die fachmánnische Monographie von L. Müller vervviesen^). Hier mögen nur einige Einzelangaben noch Platz finden. Bereits 1757 hatte dér Propst von Teistungenburg Bal- thasar Arnold testamentarisch zum neuen Kirchenbau in Stadt- worbis 10 Rthlr. ausgesetzt ^). Eine ansehnliche Menge von Báumen als Bauholz wurde 1764 vöm Kurfürsten Emmerich Joseph, den Abten Anselm von Gerode *) und Adrián von Reifen- stein®), einem Herrn v. Wintzingerode, v. Hagen, zwei Brüdern V . Knorr aus ihren Waldungen zűr Veríügung gestellt ®). Altar- bilder stifteten 1769 dér Abt des Erfurter Benediktinerklosters S. Apóst. Petri et Pauli Günther Jann, dér Eríurter Vikar an St. Severus Georg Fr. Asmus und dér eichsíeldische Commis- sarius Franz Huth Was die Kopfzahl des Konvents in dér zweiten Halfte des 18. Jahrh. angeht, so habén wir dafür von 1762— 1777 die genauen Angaben des Rechnungsbuches des Pannificium, die hier wiedergegeben seien^):

1) Vgl. Wolf, Worbls 149 u. Knleb, Worbis 93. Müller 33 ff. 3) CoDimissariatsakten Hoilígenstadt Fach 120 Nr. 2. — Balthasar Arnold war auch Assessor beim Commissariat. Vgl. W oH , Kommissarien 88. i) Anselm Ottó 1759—1787 Abt von Gerode; vgl. Knleb, In; UE Vili (1913) 224 ff. 5) Adrián Löffler, Abt von Reifenstein (1756— 1769); vgl. K n ie b , in: U E IX (1914) 240. «) BW ad 11. Oct. ■^) B W ad 25. Aug.: Dér Erstgenannte stittete ein Bild von dér Himmel- fahrt Maria, dér zweite das Dreifaltigkeitsblld, dér letztere ein Bild vöm hl. Johannes v. Nepomuk auf dem Kreuzaltar. — Übcr G. F. Asmus vgl. M ü lle r 36 f. — Johann Franziskus Huth war Commissarius 1751—1781; vgl. W o lf, Kommissarien 136 ff. 8) Provinzarchiv zu Fuida-Frauenberg, Nomina Patrum et Fratrum Provinciae nostrae Thuringiae S. Elisabethae ab anno 1762, quo nostra Provincia fuit divisa (Rechnungsbucb des Pannificium) zu den angegebenen Jahren, KESELING 3 2 7

1762: 17 Patres, 9 Fratres Clerici, 6 Briider, insges. 32 Personen. 1764" 18 „ 8 „ „ 9 „ „ 35 1765: 22 „ 6 „ „ 9 „ „ 37 1767: 27 „ - - „ 9 „ „ 36 1770: 22 „ 6 „ „ 10 „ „ 38 1771: 19 „ 7 „ „ 7 „ „ 33 1773: 20 „ 8 „ „ 7 „ „ 35 1774:21 „ 6 „ „ 6 „ „ 33 1777: 21 „ 7 „ „ 6 „ „ 34 Es wiirde sich also in diesen anderthalb Jahren ein Durch- schnitt von 35 Insassen des Worbiser Konvents ergeben. Im Jahre 1782 waren an Klosterpersonal 21 Patres, 8 Fratres theologi und 8 Fratres laici vorhanden'). W ir sind damit bereits in das vorletzte Stadium der Ge- schichte unseres Klosters eingetreten, einen Zeitabschnitt, der sein Geprage empiangt durch argwöhnische, kleinliche Bevor- mundung und unaufhörliche Eingriffe seitens der vom auige- klarten genius saeculi ergrifienen Mainzer geistlichen und welt- lich^n Behörden. Zwar gilt das von allén Klöstern ohne Aus- nahme, aber die Bettelmönche, die ais ausgesprocliene Feinde der vielgepriesenen Aufklarung betrachtet wurden^), waren in besonderem MaBe Gegenstand der oberhirtlichen und landes- herrlichen Aufmerksamkeit. Von jeher hatte der erzbischöfliche Commissarius des Eichsfelds die unmittelbare Aufsicbt und Juris- diktion iiber den gesamten Klérus, Ordens- wie Weltgeistliche, gehabt ^), aber Jetzt regnete es von Mainz aus Verordnungen iiber Verordnungen, die aufs tieiste in die auBere Existenz wie in das innere Leben der Klöster einschnitten und, mochten sie zum Teii auch an sich berechtigt und heilsam sein, doch den Charakter ofiener Klosterfeindschaft mehr oder minder an der Stirn trugen^). Bereits 1762 gab der Kurfiirst Johann Friedrich Karl von

1} Bericht des Guardians vom 24. Dezember 1782. Ebenso H7. K n ie b , Worbis 95 gibt ungenau an: 21 Patres und 16 Briider. 2) Hartung 41. 3) W olf, Kommissarien 86. *) Zum iolgenden vgl. die Zusammenstellungen der Erlasse bel K n ie b , Worbis 94 f. und H a rtu n g 32 fi. Bei letzterem sind die aktenmaBigen Belege verzeiclinet. Vgl. auch H. B riic k , Die ratlonallstischen Bestrebungen im katho- llschen Deutschland, Mainz 1865, 109 fl'., und für die altere Zeit V e it, Kirch- llche Reformbestrebungen 35. 37. 41. 49. 72 !. — Die auí die Seelsorge, die Studlen und den Termin bezügllchen Verordnungen sind hier vorlaufig auCer Betracht gebliebeu. 3 2 8 d a s franziskanerklostek z u w o k b is a u f d e m EICHSFELDE

Ostein dem Pfarrer von Worbis scharfste Weisung, keinen Lim- burger Visitator im Worbiser Kloster zu dulden *). Am 6. April 1769 wurde die Auinalime von Novizen von der Erlaubnis des Kurfiirsten abliangig gemaclit und angeordnet, daB alljahrlicli ein Verzeiclinis der Konventsmitglieder vorgelegt werde^). Am 16. Mai 1770 wurde den Obern die Verhangung der Klosterhaft untersagt und die Kiosterkerker fiir unstatthaft erkiart. Nur Zimmerarrest von einigen Tagen darf der Ordens- obere aussprechen, eine vom Generalvikariat diktierte Getangnis- straie muB in staatlictien Anstalten verbiiBt werden ^). Am 30. Juli 1771 ergingen wieder einsclineidende Bestimmungen über die Auinahme von Novizen: Sie diirfen keineriei Mitgift in das Kloster einbringen, eine drakonische MaBregel, die spater 1779 dahin gemildert wurde, daB die Mitgift 300 Thlr. nicht iibersteigen solite und an die Genehmigung der weltlichen Behörde gebunden war. Nur Landeskinder diirfen angenommen werden; niemandem ist vor dem 23. Jahre der Eintritt in ein Kloster gestattet, und die Geliibde sind nicht vor dem 24. Lebensjahre abzulegen ^). Im Jahre 1773 untersagte eine erzbischöfliche Verordnung die Auszahlung letztwilliger Vermachtnisse fiir Sterbemessen an die Kloster und gebot, daB das Geld zunachst.den Pfarrern anzu- bieten sei^). Ein ErlaB vom 10. Sept. 1778 bestimmte, daB die Visitation der Ordensobern und die Abhaltung der Prov.-Kapitel der Erlaubnis des Erzbischofs bediirften. Desgleichen sei eine erzbischöfliche Bestatigung der neugewahlten Provinziale und Guardiane erforderlich. Versetzungen aus fremden in main- zische Kloster wurden fiir unstatthaft erkiart. Bei Aufnahme- gesuchen fiir Ordensaspiranten sind FleiB- und Sittenzeugnisse

1) Knieb Worbis 94. Knieb, Worbis 94; Hartung 34. 3) Knieb, Worbis 94 L; Hartung 33 L H a rtu n g 34 f. und 41 f. 5) Eingabe des Piarrers Conradi und Kaplans Feldmann an das erz- bischöíliclie Commissariat oline Datum: H 7. Auf dicse Verordnung stiitzen sich z. B. der Bericiit des Notars Dr. Listemann (H 6 fol. 25 u. 26), der ein den Fran- ziskanern ausgesetztes Legat lieber den íranzösisciien Emigranten iiberwiesen sehen mochte, und die Anzeige des Piarrers Germershausen zu Breitenberg von einem Vermaclitnis Heinrich Deppes; vgl. Arcliiv des Bischöfl. Geistl. Conimissariats zu Heiligenstadt, Protokollbiiclier des Erzb. Geistl. Commissa- riats (=HProt.) 1790 § 436 und 609, Vgl. Hartung 42. KESELING 3 2 9 einzusenden 0- Am 20. Mai 1779 vertügte mán, die Rlosteralmosen sollten nicht mehr direkt an die Armen, sondeni an die Armen- kassen abgegeben werden. Nur eine heimliche Speisung dér Notleidenden soll als erlaubt gelten^). Von 1780 ab íinden w ir in den Aktén vielfach Belege daíür, dai5 dér neugewáhlte Guar­ dian sich vöm Worbiser Stadtpfarrer, dér dazu vöm Commis- sariat bzw^. Generalvikariat bevollmáchtigt v^^urde, seinem Kon- vente muBte vorstellen lassen ^). Dieserhalb hatte er sogleich nach eríolgter Bestátigung seiner Wahl beim Commissariat sich zu melden^). Am 8. Febr. 1781 wird die Abführung von Geld- betrágen an auswartige Klöster unterbunden ®). Am Ende eines jeden Monats muB von 1782 an dér Guardian einen genauen Bericht einsenden, wer in dem abgelauíenen Monate sieti zűr Aushilíe oder zum Zwecke des Termins auBerhaib des Klosters aufgehalten liat, wo er gewesen ist und vi^ie lange ®). Am Ende des Jahres ist zuíolge kurfürstlichen Befehls vöm 10. Dez. 1781 ein Verzeiclinis aller zu dem Kloster gehörigen oder in dessen Diensten stehenden Personen einzureichen ^). Ein mainzisches Reskript vöm 9. Aug. 1784 regeit die Verhaltnisse dér Laien- brüder. Nur Einheimische sind auízunelimen, die Gelübde dürfen nur auí 2 Jahre gemacht werden, die Auígenommenen können ohne Erlaubnis des Ordinariats nicht entlassen werden. Die Brüder sollen nicht den Ordenshabit, sondern anstandige welt- liche Kleidung tragen^). Am 7. Marz 1785 wird dekretiert, daB zum Guardian nur ein Doktor dér Theologie oder des kanoni- schen Rechtes gewáhlt werden soll ®). lm selben Jahre erfolgt

1) Knieb, Worbis 95; Hartung 32 1. 44. Knieb, Worbis 95. 8) Gesuch des Guardians P. Peregrinus Jansen vöm 6. Dezember 1780 an das General-Vikariat. Verfg. des Gen.-Vik. an das Comm. in Duderstadt vöm 11. Dezember. Auftrag an den Pfarrer Bock und Benachrichtigung des P. Guardian vöm 18. Dezember. (H P ro t. 1780 § 193). — Ahnliche Verfü- gungen bzw. Berichte aus den Jahren 1782. 1785. 1788. 1791. 1797 (H 6 foI. 15. 17. 20. 24. 27; H P ro t. 1782 § 343). Nach K n ie b 95 ware die Vor- stellung durch den Ortspfarrer erst von 1782 an erfolgt. *) Veríügung des Gen.-Vikariats an den Provinzial vöm 20. Juni 1791; vgl. H 7. 5) Hartung 32. ö) Die Berichte von Juni, September bis Dezember 1782 und Januar und Február 1783 liegen vor in H 6 tol. 14 und H7 passim. ’ ) Bericht des Guardians vöm 24. Dezember 1782; vgl. W A föl. 103 und 104 = Docum. Darst. Nr. XVIII und H 7. ®) H a rtu n g 35. ») K n ie b 95; H a rtu n g 44. 3 3 0 DAS FRANZISKANERKLOSTER ZU WORBIS AUF DEM EICHSFELDE

am 23. Mai die Aufliebung des Dritten Ordens und das Verbot der Ausstellung von Affiliationen ')• 1787 und 1788 hiilt man es tur notwendig anzuordnen, daB die Patres bei der hl. Messe Strlimpfe tragen, sich gewöhnlicher MeBlcannchen bedionen und daB die Metten von Mitternacht auf 4 U lir im Sommer und 5 Uhr im Winter verlegt werden^). Am 23. Nov. 1789 wird die frii- here Verordnung betr. die Annalime von Ordensaspiranten dahin erweitert, daB ein jeder Kandidat vor der Geneliraigung sich vor dem erzbisciioflichen Kommissariat einer Priifung über seine Studien, Kenntnis der Verpflichtungen des Klosterberufes und seine Beweggriinde zum Eintritt auszuweisen hat ^), und ein weiterer Generalvikariatsentscheid vom 6. Sept. 1790 in der- selben Sache zahlt die einzusendenden Papiere auf: 1. Tauf- schein, 2. Sittenzeugnis, 3. Angabe liber das Barvermögen des Aspiranten nebst einem Verzeichnis der Kleider, Möbei usw., die er mitbringt, 4. bei mannlichen Kandidaten ein testimonium studiorum^). Also St. Biirokratius in optima iorma! Wie die Sache praktisch gehandhabt wurde, laBt sich an einem konkreten Einzelfali ersehen. Am 25. Juli 1792 bittet der Provinziai P. Peregrinus Jansen das Gen.-Vik. um die Erlaubnis zur Auf- nahme zweier Aspiranten, Heinrich Hersemeyer aus Breitenbach und Joseph Schneider aus Bodenrode. Für beide sind die ver- langten Zeugnisse dem Gesuche beigeíügt. Das Gen.-Vik. iiber- sendet nun unter dem 24. Sept. dasselbe dem Commissariat mit dem Auitrage, „die aspiranten wegen denen erforderlichen Stu­ dien nach Vorschrift zu priifen und hiernachst dariiber sein Gut- achten zu erstatten“ . AmS.Nov.berichtet dann der Commissariats- Assessor Digmann, daB Heinrich Hersenieyer am gleichenTage vor- geladen und gepriift worden sei. Er^habe in seinen angegebenen Bevi^eggriinden sich standhaft bezeigt, und auch sonst seien keine Hindernisse zutage getreten. Es könne also dem Gesuche statt- gegeben M^erden®). Unter dem 4. Marz 1790 gibt das Kommis­ sariat eine Verordnung des Gen.-Vik. vom 8. Febr. an das Kloster zu Stadtv^^orbis w^eiter, derzufolge die Obern der mannlichen Mendikantenklöster keinem ihrer untergebenen Religiosen er- lauben düríen, sich ihre Wasche durch besondere Weibspersonen vi^aschen und flicken zu lassen, sondei4 es soli das auf Kosten

1) K n ie b 95; H a rtu n g 42. 2) Knieb 95. 8) Hartung 34. <) H P rot. 1790 § 599 (23. September). ») In H 7. K E SE LING . 331 des Klosters in communi besorgt werden 0- Jedeníalls sind Konventualen gemeint, die auf Stationen und Exposituren für langere oder kürzere Zeit auBerhalb des Klosters weilten. Bald darauf (am 16. Mai) wird eine Vikariatsverfügung vöm 6. April dem Guardian und samtlichen Landdechanten mitgeteilt, in dér ersterer angehalten wird, allé Erpressung von MeJSstipendien und jeglichen Handel mit solchen bei Gelegenheit des Termins streng- stens zu verbieten und etwaige Schuldige zu bestrafen; andern- íalls soll dér Termin íür immer verboten werden^). In einer Commissariatssitzung vöm 23. Sept. macht dér Assessor Digmann die Anzeige, dafi unlangst dér eine oder andere Guardian bei Ablegung dér Hauslialtsrechnung den überschuB an MeBstipen- dien und Früchten unter dem Murren dér alteren Patres auBer Landes transportiert habé, — soll wohl heiBen anderen bedürf- tigen Konventen überwiesen hat. Mán beschlieBt auí Vorschlag des Berichterstatters, daB dér Worbiser Stadtpí'arrer Bock die alteren Patres heimlich beíragen soll, 1. welcher Guardian in den letzten Jahren dieses getan habé; 2. wie hoch sich dér Geldbetrag belaufe und 3. wohin er gekommen sei^). Das Er- gebnis dér Untersuchung ist nicht bekannt. über die materiellen Verhaltnisse des Klosters um die Jahr- hundertvv^ende gewáhrt eine Eingabe authentischen AufschluB, die am 12. Nov. 1800 Guardian und Konvent an das Commis- sariat richten *). Eine Frau Hauptmann Rhin in Duderstadt hat testamentarisch dem Kloster 400 Rthlr. hinterlassen. Davon sind auí Beí'ehl des Gommissariats aber einstweilen nur 50 Thlr. aus- gehándigt. Dér Konvent bittet nun darum, die Verabíolgung dér ganzen Summe nicht zu hindern, und macht dafür folgendes geltend: 1. Es seien viele Reparaturen nötig an Kirche, Kloster und Nebengebáuden, die dér Vorgánger aus Mangel an Mitteln habé unterlassen müssen. Nach dem Orkán vöm 9. insbesondere sei die Ausbesserung unauíschiebbar. Die Kirche habé kelne Dotation, das Kloster kelne testen Einktini'te. lm íolgenden Jahre músse überdies dér ganze Konvent neu gekleidet w^erden. 2. Dér Grund des Amortisationsgesetzes ®) entíalle hier, w^eil nichts „ad

1) H P ro t. 1790 §136. 2) H P ro t. 1790 § 278. a) h P ro t. 1790 § 610. *) H 6 íol. 28. Die Bescheinigung des P. Guardian Bonifacius Mann vöm 11, November 1800 über die erhaltenen 50 Rthlr. in H 7. s) Die Amortisationsgesetze untersagten den Erwerb von Grundbesitz clui’ch die tote Hand und andere Einnabmequellen; vgl. H a rtu n g 34, 3 3 2 das franziskanerkloster z u w o r b is a u f d e m e ic h sf eld e manus mortuas devolviert werde“ . Was man mit der einen Hand einnehme, gehe mit der anderen wieder ins Publikum zurück in Gestalt von Arbeitslöhnen, líandwerkerforderungen usw. „W ir sammeln ja keinen Vorratli, sondern sind recht wolil zufrieden, wenn w ir von Jalír zu Jahr ehrlich auskommen, welches bei diesen Zeiten ohnehin scliwer falit." 3. Die Konventualen seien meistenteils Landeskinder und arbeiteten samtlich unter Auí- opí'erung ihrer selbst für das Publikum. Alsó wáre eine etvi^aige Dispensation vöm Amortisationsgesetz nur biliig. „Andernt'alls wei6 jch nicht, wie sicli ihre Existenz langer erhalten solI.“ In seiner am 12. April 1802 beim Commissariat vorgelegten Rechtfertigung wegen dér Behandlung des P. Norbert Müller erwáhnt dér Guardian P. Róbert Rimbach einen „nachtlichen und diebischen Einbruch heute nacht in unser Kloster“ ')• Die damalige Konventsstarke gibt uns ein Schema Religio­ sorum Ordinis S. Francisci ad Conventum Stadtworbianum per­ tinentium an die Hand, das, ohne Datum, vom eben genannten P. Róbert Rimbach ais Guardian unterzeichnet ist und auBer den Konventualen noch 2 im Kloster lebenye Priester auffiihrt, einen í'ranzösischen Emigranten und den Franziskaner P. Norbert Müller. Die Erwahnung des letzteren ist ein Indizium für das Jahr 1802^). Das Kloster birgt noch 17 Patres und 8 Laien- briider; von Klerikern ist keine Rede mehr®). Die Wirkung der Klosterpolitik der Mainzer kurfiirstlichen Regierung, beson- ders der fortgesetzten Terminbeschrankungen ist unverkennbar, wenn man die oben mitgeteilten Nachweise vergleicht. Anderer- seits ist es noch immer ein stattlicher Konvent, der den groBen im Geiolge des Lüneviller Friedens hereinbrechenden Umwal- zungen entgegengeht. Bereits das Jahr 1802 brachte ja dem EichsMde das Ende des Mainzer Kurstaates und die Besitzer- greiiung durch die preuBische Krone.

1) H 8. 2) H 6 fol. 10. P. Róbert Rimbach ware nach H aselbeck 83 von 1803—4 iu Worbis Guardian gewesen. Nach obigem Boricht (12. A pril 1802) hat er aber bereits 1802 diese Stelie innegehabt, ist also wahrscheinlich auf dem Zwischenliapitel vom 27. September 1801 zu Hammelburg gewahlt, dessen Akten lehlen. 8) K n ie b 95 gibt 14 Patres an; L ö ítle r , in : U E I (1906) 25: 24 Klostergeistliche. FU CHS 33á

Schicksale des BarfüBerklosters Gelnhausen im Dreifiigjáhrigen Kriege. Von P. Damasus Fuchs 0. F. M.

Die ehemalige freie Reichsstadt Gelnhausen ist an einem Auslaufer des hessischen Vogelsberges malerisch auígebaut. Südlich dér Stadt erstreckt sich das Kinzigtal mit einer Haupt- straBe von Frankfurt nach Leipzig und westlich öffnet ein anderer breiter Talgrund den Zugang zu dér fruchtbarenWetterau. In seiner mittelalterlichen Blütezeit soll Gelnhausen mindestens 10000 Einwohner gezahlt habén, die sich vöm Weinbau und Handel ernáhrten. Seinen gröBten Glanz aber erhielt es durch den Staufenkaiser Friedrich Barbarossa, dér sich drunten am KinzigílüBchen eine herrliche Burg errichten lieB, wo er und seine Nachfolger bis auf Kaiser Sigismund gerne weilten. Auch die Minderbrüder des hl. Franz v. Assisi hatten sich schon frühzeitig, vor dem Jahre 1248, in dér Kaiserstadt niedergelassen. Ihr Kloster, gemeiniglich das BarfüBerkloster genannt, befand sich in dér Oberstadt, einer höher gelegenen Bergstufe, und stieB mit U. L. Frauen Neuen Kirche, die den Südflügel dér viereckigen Gebaudeanlage bildete, an die nörd- liche Seite des Obermarktes. Nach dreihundertjahrigem Be- stehen ging das Kloster wieder ein, indem sein letztes Mitglied Georg Grauel durch einen notariellen Vertrag vöm 5. Marz 1542 das ganze Anwesen dér zűr Lehre Luthers übergetretenen Stadt veraufierte. Vergebens versuchte dér Provinzial dér ober- rheinischen (StraBburger) Minoritenprovinz, Heinrich Stolleisen, einige Jahre spáter den Konvent íür die Provinz wiederzu- gewinnen. Ein neuer interessanter Abschnitt in dér Geschichte des BarfüBerklosters falit in die sturmbewegte Zeit des DreiBig- jahrigen Krieges. Weil das ansehnliche Quellenmaterial *) hier-

1) Aktén im Franziskaner-Provinzialarchiv zu München, Origó et status Provinciae Thuringiae S. Elisabeth 1629—1698; P. Adam B ü rv e n ic li O. F. M., Annales Prov. Thuringiae FF. Min. von 1672 auí dér Stadtbibl. Düsseldorf; Verzeichnis dér Aktén des Klosters Gelnhausen, in; La Palestina I, Rom 1890, 238ff.; J. L. K re u te r, in : „Gelnhusana", Aus dér Geschichte dér StadI G., Beilage zum Kreisblatt 1905, Nr. 5—7. 3 3 4 SCHICKSALE DES BARFÜSSERKLOSTERS GELNHAÜSErí

über nur in Regestenform bisher veröffentlicht ist, so düríte eine zusammenhángende Darstellung Jener Epoche nicht un- berechtigt erscheinen. 1. Schon zwei Jahre nach Kriegsbeginn, anfangs Januar 1621, bekam die Reichsstadt Gelnhausen, die zűr evangelischen Union hielt, eine kaiserliche Besatzung. Es waren katholische Spanier, die ein Hauptmann, J u liu s von Burggraf, be- fehligte. Die Seelsorge dér Soldaten versah ein Franziskaner aus dér kölnischen Observantenprovinz, namens Johannes Sylvius. Weil dér Stadtverordnung v. J. 1599 gemaB „nur Bekenner dér Augsburgischen Koníession, alsó weder Sektierer noch Katholiken als Mitbürger geduldet wurden“ *), so mag die Garnison den katholischen Truppén und zumal dem Ordens- manne auf die Dauer nicht gerade angenehm gewesen sein. Dazu kam noch, daB ihnen in dér Stadt kelne Kirche zűr Ver- fügung stand, so daB dér Feldpater genötigt war, auBerhalb dér Stadtmauern lm kaiserlichen Burgviertel, wo einzelne Katho­ liken wohnten, den Gottesdienst zu haltén. Nun stand aber die BarfüBerkirche am Markte auBer Gebrauch und ebenso das Kloster mit Ausnahme des Westflügels, in welchera eine Lateinschule errichtet war. Als dem P. Provinzial mitgeteilt worden, auf welche unrechtmaBige Weise die Stadtbehörde in den Besitz des Klosters und dér Kirche gelangt war, ersuchte er den kaiserlichen Statthalter Verdugoz in Kreuznach, dem die Unterpfalz und die besetzten Stadte unterstellt waren, dér Ordensprovinz beim Erwerb des altén Klosters behilflich zu sein. Indes ging dieses nicht so leicht vonstatten, wie mán es sich mochte gedacht habén. Hauptmann v. Burggraf trug die Bitté seines Vorgesetzten dem stadtischen Magistrate vor und wies zűr Begründung darauf hin, daB dér Bürgerschaft die Peters- kirche und Marienbasilika doch vollstándig genügten, darin ihre Andacht zu verrichten. Hingegen hatten seine Soldaten bisher keine Kirche und „waren alsó akkommodiert, daB sie ihren tág- lichen Gottesdienst nicht nach dér Gebühr abwarten könnten". Ferner müBten die Patres, die in dér Garnison lagen, „sonsten Orten und Losament notdürftig haben“, wáhrend sie in dem

í) J u n g h a n s , Versuoh einer Geschichte dér freien Reichsstadt G., in : Zeitschriít des Vereins für hessische Geschichte, Bd. 22, 1886, 249. F U C H S 3 3 5 leerstehenden Kloster gut wohnen könnten und dann für ihre Verpflegung selber Sorge tragen würden. Alléin dér Stadtrat lehnte die Bitté ganz entschieden ab, selbst „wenn ihm ander- wartige höhere Beíehle und Mandata zukommen würden". Darauf erklárte dér Stadtkommandant v. Burggraf, er werde das Barfüfierkloster einfach in Beschlag nehmen. Es war am 15. Juni 1627 nachmittags, als er mit seinem Leutnant in den westlichen Flügel trat, dér an dér Gasse „Hinter den BarfüBern", heute „an dér Stadtschreiberei", einen besonderen Eingang zűr Lateinschule hatte. Burggraf ersuchte den anwesenden Bürger- meister, ihnen die Tűre am Kreuzgang zu öffnen, die in das Innere des Konventes führte. „Für meine Person“ , erwiderte dieser, „bin ich wohl dazu béréit, aber es ist besser, daB solches Kloster von Euch selbsten eingenommen, als von uns restituiert wird, da w ir solches alsdann nicht verantworten könnten.“ Da inzwischen auch die beiden Franziskaner, dér P. Guardian vöm Frauenberg-Fulda, Heinrich Wuesten, als Bevollmach- tigter des Provinzials, sowie P. Johannes Sylvius sich ein- gefunden hatten, wurde die Tűr auígemacht. Die Anwesenden gingen zunachst ins Kloster hinein und nachher durch eine zweite Tűr im südlichen Kreuzgang in die Kirche. Alsbald er- schienen auch die Ratsherren und noch siebzehn Bürger, die „solemniter und öffentlich in dér Kirche kontradizierten und protestierten“ . Sie íorderten die Mönche auf, sich wieder hin- aus zu verfügen, was diese aber ablehnten. Dann fragten die Ratsherren den Hauptmann, ob auch die Schule aufgehobei^ werden sollte, worauf derselbe erwiderte: „Damit Ihr erkennet, daB das Kloster nicht mit Gewalt genommen worden ist, könnet Ihr die Schule ruhig darin behalten und auch Euere sonstigen Sachen stehen lassen.“ Soweit war die Sache erledigt. Als jedoch am Abend dér Leutnant beim Bürgermeister um „ein paar Büschel Stroh“ bat íür ein Nachtlager dér beiden Ordens- manner, erhielt er zűr Antwort: „W ir sind den Patres nichts schuldig, geben ihnen darum auch nichts.“ Nachwenigen Tagén schon schickte dér stadtische Magistrat scharíe Beschwerdeschriíten über den „gewalttatigen Actus und die violenta invasio" sowohl an den Comhiissarius P. Wuesten als auch an den Kuríürsten Johann Georg, Herzog zu Sachsen, und Georg, Landgraí von Hessen. In dem Schreiben an die zwei evangelischen Fürsten war eigens bemerkt; „Solch S 3 6 s c h ic k s a le des BARFÜSSERKLOSTERS g e ln h a u s e M petitum und Zumutung sonsten in groBem MiBtrauen sich befindenden Stande dadurch noch schwieriger gemacht und das lichterloh brennende Feuer . . . dergestalt nicht wird gedámpít werden.“ Unter dem namlichen Dátum sandte er ein Interzessionsschreiben an den Kaiser Ferdinand II.; des- gleichen am 12. April und 3. September des folgenden Jahres. Viel ruhiger faBte dér Landgraf das Geschehnis auf, indem er dem Erzbischof „seinem nachbarlichen Freund“ empfahl, zwi- schen den beiden Partéién eine Vermittlung herbeizuíühren (Nidda, 16. Juli 1627). Dieser aber hatte sich bereits in seiner Residenz Johannesburg zu Aschaífenburg vöm Hauptmann Burg- graf über den ganzen Hergang mündlich berichten lassen und ersuchte u. d. 26. Juli den General Verdugoz um weitere In­ formation, „damit er dem Kuríürsten von Sachsen, dér sich dieses Werkes fást eifrig annimmt, desto sicherer und gründ- licher antworten könne“. Unterdessen waren die Franziskaner in ihrem altén Ordens- konvent geblieben. Am 2. Juli, auí Mariá Heimsuchung, hatte dér Superior P. Heinrich mit Bevollmachtigung des pápstlichen Nuntius Aloysius Carafa, dér damals in Fulda M'eilte, die Kloster- kirche mit dér vöm Nuntius selbst geweihten aqua Gregoriana rekonziliiert. Von jetzt an hielten die Patres „Jeden Sonn- und Feiertag das Amt dér hl. Messe samt dér Predigt mit allém FleiB und Eifer“ . AuBer den Soldaten werden auch auswárts vvrohnende Katholiken den Gottesdienst in dér groBen, altehr- würdigen Kirche besucht und bei dieser Gelegenheit die armen Söhne des hl. Franziskus durch Almosén und Lebensmittel unterstüzt habén. Die protestantische Bevölkerung dagegen zeigte sich den braunen Mönchen keineswegs gewogen. Viel- mehr „griff mán sie mit Schimpf-, Schmach- und Lasterreden an, drang eines Nachts in die Sakristei und nahra ihre gottes- dienstlichen Gewander weg, ja dér Stadtrat verbot sogar den PUCHS 337

Werkleuten, für sie zu arbeiten“ . Wegen solcher Behandlung sahen sich die Patres veranlaBt, beim Generalkommissar dér belgisch- deutschen Franziskanerprovinzen P. Joseph Ber- gaigne zu Brüssel, dér als Gesandter des Königs von Spanien hohes Ansehen genofi, bittere Klage zu íuhren. Vöm General­ kommissar über die bedauernswerten Verhaltnisse unterrichtet, sandte Kaiser Ferdinand II. am 4. August 1628 von Wien eine Schutzschrift für die Minderbrüder, die dér Kustos dér Kölni- schen Provinz, P. Guardian Paulus Wolffarth von Limburg, dem Stadtmagistrat persönlich ausliándigte. Abgesehen von dér kleinen Besatzung, die hinwiederuni dér Stadt bei den Truppenzügen durch das Kinzigtal zum Schutze diente, hatte Gelnhausen die Beschwerden undHarten desKrieges noch nicht erfahren. Das wurde anders, als dér Schweden- könig Gustav Adolf mit den verbündeten evangelischen Fürsten das kaiserliche Heer am 17. September 1631 bei Breitenteld entscheidend geschlagen und den Kriegsschauplatz nach dem mittleren und südlichen Deutschland verlegte. Gustav Adolf^ von seinen Glaubensgenossen begeistert aufgenommen und von den Katholiken gefürchtet, zog durch Tbüringen nach Frankén, nahm mit Leichtigkeit Würzburg, Aschaffenburg, die Feste Hanau, wohin er eine schwedische Besatzung legte, hielt Einzug in Frankfurt a. M. und eroberte bald auch Mainz. Alsbald unternahmen die Schweden von Hanau aus einen Ausfall gegen die spanische Abteilung in Gelnhausen. Da diese sich zu schwach sah, gab sie ihre seitherige Stellung auf. Daniit war aber auch das Schicksal dér Franziskaner entschieden. Dér Superior P. Andreas Kircher, die PP. Ernestus Valen­ tini und Bonaventura Fabri nebst dem Br. Lorenz und einem Servitial (Klosterkandidaten) aus Ilbenstadt muBten die Flucht ergreifen. Vorher^ wahrend dér Nacht, wurden die vorhandenen Lebensmittel (Weck, Stockíisch, Dörrfleisch, Korn und Gerste), die Getranke (Wein von Gelnhausen und Merholz, Bier), die Küchengerate sowie eine groBe Truhe, gedrückt voll Bücher, in die Wohnungen ihres geistlichen Vaters des (Rats-) Herrn Kilián Kümmel und des Hektor Emmel geschafft. Vieles davon ging entweder durch Diebstahl verloren oder ward den schwedischen Soldaten ausgeliefert').

1) Zeugenaussage des Jákob Neusester in Sachen dér PP. Franziskr. und dér im Jahre 1631 entwendeten Sachen (Klosterarchiv Salmünster), Franzisk. Studien. 10. Jahrg. 3./4. Heít. 22 3 3 8 SCHICKSALE DES BARFÜSSERKLOSTERS GELNHAUSEN

2. Nicht sobald konnten die Minderbrüder in ihr verlassenes Kloster zurückkehren. Hauptursache davon war die groBe Unsiclierheit infolge dér Kriegswirren, unter denen die Ort- scliaíten an dér HeerstraBe des Kinzigtales arg zu leiden hatten'). Einquartierungen, zuweilen den ganzen Winter hindurch, Liefe- rungen an Geld, Getreide, Vieh sowie Plünderungen und Er- pressungen von einer verwilderten Soldateska, die nur vöm Kriege lebte, dies alles führte eine gánzliche Verarmung und Verelendung herbei. Gelnhausen selbst wurde besonders hart mitgenommen ira Herbst 1634, als des Kardinals Iníanten Armee nach dér Sclilacht bei Nördlingen ihren Rückzug nach den spaniselien Niederlanden durch die Main- und Kinziggegend nahra. Ferner im Mai des íolgenden Jalires, da die Schvi^eden die von Kaiserliclien wiederum besetzte Stadt eroberten und brandschatzten. Bei dér Gelegenbeit soll auch dér Kaiserpalast in Flammen aufgegangen sein. Noch ein anderer Umstand verzögerte die Wiederbesetzung des BarfüBerklosters. lm Jahre 1633 war auí dem General- kapitel des Franziskanerordens zu Toledo die Thüringische Provinz von dér hl. Elisabeth neu errichtet worden. Ihre Grenzen umfafiten auch das seither zűr Kölner Provinz gehö- rende Hessen nebst dér Wetterau. Weil die neue Provinz aber nur über eine geringe Zahl Mitglieder verfügte, so konnte dér Kommissar P. Lambert van den Weyer erst im Jahre 1635 das Gelnhausener Kloster besetzen und zwar mit nur zwei Religiosen. Es waren P. Jodocus Conradi, dér bereits vor fünf Jahren dem Hause vorgestanden hatte, und dér Laien- bruder Petrus Becker. Beide zogen am 6. November ein. Auch dieses Mai protestierte die stádtische Behörde, aber weil die Brüder unter Berufung auí dts kaiserliche Restitutions- edikt vöm 9. Marz 1629 es nicht weiter beachteten, so wurden dieselben Mittel angewandt, welche mán das erste Mai versucht hatte. Wiederum richtete dér Kaiser Ferdinand III. am 22. Juli 1638 zu ihren Gunsten einen Schutzbrief an den Rat. „W ir bekommen in glaubwürdige Erfahrung, wesmaBen Ihr diejenigen, welche sich aus christlicher Liebe pro Patribus spiritualibus

') .Tunghans 316 ff. — M. S c h a fe r, Heimatbuch des Kreises Geln­ hausen 1921, 203 fi. PüCHs 3SÖ und weltlichen Ministris des Klosters FF. Minorum Ordinis S. Francisci regularis observantiae bei Euch gebrauchen lassen, aus unzeitig passioniertem Gemüte ohne allé gegebene Ur- sache anfeindet, verfolget und dergestalt mit allerhand Kriegs- und anderen Beschwernissen beleget, daB sich entweder nie- mand mehr zu dergleichen christlichen subsidiis gebrauchen lassen w ill, oder aber diejenigen, so sich solcher Verwaltung unterfangen, darüber in Verderb und wohl gar in Gefahr Leib und Lebens garatén . . War das Kloster Gelnhausen bisheran nur eine sogen. Residenz gewesen mit einem Superior als Leiter, so erhob dér erste DefinitorialkongreB dér neuen Ordensprovinz am 10. Mai 1637 zu Limburg a. d. L. dasselbe wiederum zu einem Kon- vente mit einem Guardian als Oberen, wie ehedem vor dér Reformation. Jedoch weihte mán den Konvent nicht wie da- mals U. L. Frau, weil das Kloster Frauenberg b. Fulda schon diesen Titel führte, sondern dem hl. Joseph, dessen Verehrung in jener Zeit durch Erhebung des 19. Marz zu einem gebotenen Feiertage seitens des Papstes Gregor XV. (i. J. 1621) allgemein auíblühte. Zum ersten Guardian wáhlten die Deí'initoren den P. Jodocus und zu seinem Stellvertreter den P. Adam Cas- heim^. AuBer diesen zahlte dér Konvent noch 2 bis 3 Patres und 1 bis 2 Laienbrüder. Das klösteíliche Le ben jener Ordensmanner war ein recht strenges. Sie gehörten ja einer neuen Provinz an und in solchen neugegründeten Ordensinstituten herrscht stets, wie die Geschichte lehrt, ernste Zucht und ein frischer Geist. Das beweisen u. a. die zűr treuen Beobachtung dér Ordensregel eingeíührten Provinzstatuten. Aus ihnen sei nur angeíührt, dafi die Brüder hinsichtlich dér franziskanischen Armut keine Vorrate an Lebensmitteln habén, vielmehr ein groBes Vertrauen auf die Vorsehung Gottes bewahren sollen, dér die Vögel er- nahrt, obgleich sie nicht in Scheunen sammeln. Auch per- sönlich müssen sie arra sein; nur ein Unter- und Obergewand (Habit) gebrauchen, im Kloster und Wohnort einfache Holz-

1) Die Oberen wurden allé drei Jahre auí dem Hauptkapitel oder nach anderthalb Jahren auf dem Zwischenkapitel neugewahlt. Manche Namen dér Guardiane und Vikare von Gelnhausen weisen darauf hin, daB diese aus dér Provincia Germaniae Iníeriorls und dér Provincia Coloniensis in die Thuringia übergetreten waren (wie De Lamotte, Petit, de St. Trend.-Ervens, Féltén). 22* 3 4 0 SCHICKSALE DES BARFÜSSERKLOSTERS GELNHAUSEN sohlen tragen und bloB bei weiteren Ausgangen Sandalen. Das ganze Jahr hindurch soll unbedingt um Mitternacht das Chor- gebet und nach demselben sowie nachmittags nach dér Kom­ plet je eine Stunde Betrachtnng gehalten werden. Die Priester habqn sich allé sechs Monate von ihrer auBeren Tatigkeit zuriickzuziehen, ura íür sich mindestens acht Tagé geistlichen übungen obzuliegen. Wie ernst es die „Brüder dér strengeren Observanz“ mit den neuen Verordnungen nahmen, ergibt sich daraus, daB die Hausoberen ein eigenes Bittgesuch an das Definitorium richteten, um deren Bestatigung vöm General- minister und vöm Hl. Vater zu erwirken. Was ferner die Wirksamkeit dér Gelnhausener Patres nach auBen betrifít, so erstreckte sie sich auf die gottesdienst- lichen und seelsorglichen Verrichtungen sowohl in dér Kloster- kirche als auch in aiiswártigen Pfarreien. Aus den Legaten von Píarrern und vor allém aus dem Kollekturbezirk des Kon- ventes ersieht mán, in welchen Gemeinden die Patres als Ent- gelt für die gespendeten Lebensmittel seelsorgliche Aushilfe leisteten. Es waren die Pfarreien des Freigerichtes, íerner im Maingebiet von Steinheim bis Lohr, im kurmainzischen Ober- amt Orb und Wirtheim, sodann in dér Fuldischen Enklave Sal- münster mit Ulmbach. Ohne Zweifel vi^eisen die Kirchenbücher dieser Pfarrgemeinden noch die Namen solcher Pátres auf, die dórt tatig gewesen sind, wie z. B. das Salmünsterer Taufbuch einen P. Petrus Velten (6. Juli 1646) und P. Franziskus Ewaldt (27. Januar 1647). Die Ordensbrüder von Gelnhausen müBten nicht vöm Geiste ihres liebevollen Stifters und Vaters beseelt gewesen sein, hatten sie nicht auch christliche Nachstenliebe geübt. An Gelegen- heit, mit den Armen und Dürftigen ihre gesammelten Gaben zu teilen, fehlte es in den damaligen traurigen Zeiten wahrlich nicht. DaB sie aber bei dér Betatigung ihrer Christenliebe keinen Unterschied beziiglich des religiösen Bekenntnisses machten, geht aus einem Schrelben des P. Laurentius Kopp vöm 15. Juli 1653 an den Stadtmagistrat hervor: „. . . Darneben habén w ir unser Almosén, so von milder Hand dér katholischen HH. Kriegsoffizieren uns zukommen, gern und unverdrüBlich unter die notleidende Bürgerschaft aus christlicher Kompassion und Mitleiden wiederumb ausgeteilet“ *)■ Ein besonderes Gebiet

>) AbschrU't im Salmünsterer Klosterarchiv. F U C H S 3 4 1 der christlichftii Caritas ist die Sorge íür die Kranken und der priesterliche Beistand bei den Sterbenden. Wie furchtbar groB aber deren Zahl z. Zt. des Dreifiigjahrigen Krieges in jenen Gegenden gewesen ist, liest man mit Schaudern in den Toten- büchern und Chroniken der Pfarreien*). Herrschte doch in manchen Jahren die schreckliche Beulenpest, „das groBe Sterben" genannt. Das schlimmste Pestjahr in Gelnhausen und Um- gegend war das Jahr 1635. Auch in den folgenden Jahren des Krieges, 1636—1638 und spater, trat die Pest immer wieder auL Die Stadt zahite i. J. 1640 nur noch 540 Einwohner Die Franziskaner waren gewiB nicht die letzten, die ihren schwergeprüíten Mitbürgern durch Rat und Tat Hilfe leisteten. Um hierzu befaliigt zu sein, wird der eine oder andere aus ihnen sich die erforderlichen arztlichen Kenntnisse angeeignet haben. Dies laBt sich daraus schlieBen, daB die Klosterbibliothek auffallenderweise gegen zwanzig medizinische Werke enthielt, die nicht etwa aus dem Vermachtnisse eines Arztes herriihrten, sondern zum Teii in den Jahren 1636 und 1637 pro iniirmaria Gelhusana eigens angeschafft worden waren. Noch aui eine andere Weise haben sich die Minderbriider um die Stadt verdient gemacht. „über die zwanzig Jahre in dem alten Kloster wohnend, haben w ir bei wahrender Kriegs- zeit der Stadt im geringsten keine Ungelegenheit zugeiuget, sondern vielmehr dieselbe beschützt und durch unsere Mühe und Arbeit, Bitten zu Tag und Nacht bei hohen und niedrigen Kriegsoííizieren érhalten, so daB das Übrige, welches annoch stehet, nicht ganz zumalen, wie zum öíteren gedráuet, zu einem Steinhaufen worden ist“ ®). Einen solchen Fali erwahnt das stadtische Ratsprotokoll vöm Jahre 1640, daB namlich dér Magistrat bei dér Nachricht vöm Anzug dér kaiserlichen Truppén eine Deputation unter Anführung des P. Vicarius des BaríüBer- klosters (Dominikus Feldhausen) nach Orb geschickt habé, um den General T il de Hasi um Schonung dér Stadt zu bitten^). Bei ihrer seelsorglichen, caritativen und sozialen Tátigkeit

1) Rullmann, Einwirkungen des 30jáhrigen Krieges auf die Stadt Schlüchtern und Umgegend, aus Kirchenbüchern zusammengestellt, in ; Zeitschr. des Vereins f. hess. GescMchte, Bd. 6, 1877. Hauschronik des Johannes L u tz von Salmünster, in: Fuldaer Geschichtsblatter 1904. 2) M. S c h a fe r 210. 3) Aus dem Schreiben von P. Kopp. “í) J u n g h a n s 318. 3 4 2 SCHICKSALE DES BARFÜSSERKLOSTERS GELNHAUSEN ward aber auch das Gebiet dér Wissenschaít nicht vernach- lassigt. Einen Beweis hierfür dürfte die Klosterbibliothek liefern, welche trotz dér Ungunst dér Zeiten von Jahr zu Jahr anwuchs. Dér Bücherbestand, zum gröBten Teil noch im Kloster Salmünster vorhanden, weist rund 500 Werke auf, darunter mehrere Hand- schriften und eine Anzahl Inkunab’eln. Selbstverstandlich sind vor allém die theologischen Disziplinen vertreten und dabei besonders die Hl. Schriít nebst Exegese sowie die Apologetik bzw., dér Zeit entsprechend, die Polemik. Aber auch die welt- lichen Wissenschaí'ten zahlen eine nicht geringe Zahl von teil- weise sehr v^^ertvollen Werken; so die Philosophie, Philologie, das Jus civile, die Geschichte, Mathematik (Astronomie, Kriegs- kunst) und Naturwissenschaít (Alchemie). Da die Mehrzahl dieser Bücher dem Exlibris gemaB Geschenke und testamen- tarische Vermáchtnisse von katholischen Pfarrern aus dér Um- gegend sind, so bezeugen sie zugleich das wissenschaftliche Interesse und die Allgemeinbildung dér katholischen Geistlichkeit ira siebzehnten Jahrhundert. Mán wundert sich nicht darüber, daB die schlichten, ein- fachen Mönche durch ihre vielseitige und gemeinnützige W irk- samkeit sich in dem protestantischen Gelnhausen immer mehr die verdiente Hochachtung erwarben. „Viele aus dér Bürger- schaít und verschiedene Ratsmitglieder unterhielten jederzeit mit den Patres friedsame und vertrauliche Konversation." Trotz- dem gevi^annen schlieBlich ihre Gegner die Oberhand. Bei dem ersehnten FriedensschluB im Jahre 1648 zu Münster und Osna- brück hatten die protestantischen Fürsten in Betreíí dér Religions- übung sowie dér geistlichen Güter und Klöster die Bestimmung durchgesetzt, daB alles wieder auf den Stand vor dem 1. Januar 1624 zurückkehren sollte. Damit war auch das BarfüBerkloster zu Gelnhausen zűr Aufhebung verurteilt. Freilich hátte mán bei wohlwollender Gesinnung die Franziskaner in ihrem altén Kloster wohnen lassen können, aber weit entfernt davon, „wurden sie genötigt, sogar vor dér Zeit dér Kündigung und übereilet auszuziehen“ . Am 9. April 1649 beschlagnahmte die stadtische Behörde das Kloster und lieB zűr Krankung dér Ordensmánner drei Personen bis zu ihrem Abzuge darin zurück. Zuvor lieB jedoch dér P. Guardian Franz von Saint Trond mit Genehmigung des Bürgermeisters und Rates durch den Ysenburg-Büdingischen Gerichtsschultheis Martin Mayer von FucHs 343 allén Klosterráumen und deren baulichem Zustand eine nota- rielle Urkunde 0 aufnehmen. Nur zum Öffnen dér Kirche, „die früher sehr schadhaít gewesen und von dér Provinz unter groBen Kosten wiederhergerichtet worden“ , wurde die Erlaubnis ver- weigert, „wiewohlen die Herrn Patres zum zweitenmal darumb ersucht“ . Für die erste Zeit fanden die ausgewiesenen Franziskaner eine Zufluchtsstatte bei dér beíreundeten Familie des katholi- schen Freiherrn von Forstmeister zu Gelnhausen, die drauISen lm Burgviertel wohnte. In dér dortigen Kapelle Melten sie „ohne Widerspruch öffentliches Exercitium religionis" und setzten von da aus ihre gewohnten Aushilfen fórt, bis sie schlieBlich einen Platz zu einer neuen Niederlassung gefunden hatten. Es war das schon genannte fuldaische Stadtchen Salmünster, zweieinhalb Wegstunden aufwarts an dér Kinzig gelegen. Dér den Franziskanern sehr gewogene Fürstabt Joachim von Gra- venegg hatte ihnen dortselbst die ehemalige Stiítsdechanei als Wohnung gnadigst übertragen unter dér Bedingung, daB sie den ausgedehnten Píarrbezirk bis auf weiteres versehen möchten. Ara 2. September 1650 zogen die vier Ordensmánner, von einer Abordnung dér Bürgerschaít mit dem Schullehrer Johannes Weisbecker an dér Spitze abgeholt und von den guten Leuten freudig begrüBt, in ihr neues Heim.

3. Mochten die katliolischen Bewohner des schön gelegenen íuldischen Landstádtchens es noch so gut mit den Patres meinen und mochte ihnen die alté Stiftskirche ad Ss. Apostolos Petrum et Paulum noch so sehr gefallen, der neue Wohnsitz entsprach doch nicht recht ihren Wiinschen. Er lag ganz an der Peri­ pherie ihres seitherigen Arbeitsfeldes und die Wege nach dem Freigerichte und nach dem Maingau waren sehr w^eit. Darum ist es wohl zu verstehen, daB die Provinzleitung Jahre lang den Versuch machte, das verlassene BaríüBerkloster zu Geln­ hausen wieder zu erlangen. So wurden Bittgesuche an den Magistrat gerichtet in den Jahren 1653, 1675 und 1676. Die Antwort lautete zwar stets sehr höflich („Wiewohl wir denen Herrn Franciscanis sonst mit behaglicher Nachbarschaft zugetan

1) Abgedruckt in ,Gelnhusana‘ 1905, Nr. 6 und 7. 344 SCHICKSALE DES BARFÜSSERKLOSTERS GELNHAUSEN und Freundschaft zu erweisen geneigt sind“ ), aber „wegen anderer hohen Mitinteressenten (1675)“ abschlágig. Einige Jahre spater (1680) hofíte mán das ehemalige Zisterzienserinnenkloster Himmelau, östlich dér Stadt, odér den Arnsburger Hof, inner- halb dér Mauern und einst den Zisterziensern gehörig, zu er- werben odér eine Baustelle im kaiserlichen Burgviertel (1681), aber jedesmal erfolgte eine íreundliche Abweisung. lm folgen- den Jahr begab sich dér P. Petrus Hofí sogar züm Kaiser Leopold nach Wien, um diesem das Anliegen dér Provinz per- sönlich vorzutragen. Obwolil dér Kaiser „aus bestándig guter Aí'fektion gegen den hl. serapliischen Orden dessen Anbringen gnadigst zu willfahren“ zusagte und seinen Gesandten Gráf V . Rosenberg in Frankfurt a. M. mit dér Vermittlnng bei dér Stadtbehörde beauítragte, so lialí aucb dieses nichts. Noch ein letztes Mai i. J. 1686 machte dér Provinzial P. Simon Moraeus auf Veranlassung des Kuríürsten Philipp Wilhelm von dér Pfalz, des Schutz-, Pfand- und Schirmherrn von Gelnhausen, eine Eingabe an Se. Majestát. Bereitwillig liefi dér Kaiser ein Pro- motionsschreiben ergehen, in welchem „Unserer und des Reiches lieben, getreuen Bürgermeister und Rat“ auígetragen wurde, „den PP. Franciscanis in Ansehung ilirer allgémeinen Beliebt- heit das ehemalige Kloster gleichsam aus einer Kompassion und Gutherzigkeit einzuraumen". Dér Kurfürst, dér das Schriít- stück übermitteln sollte, fügte noch eine sehr innige Empfehlung bei. Nach Empfang dér hohen Schreiben erbaten sich die Rats- herrn eine sechswöchige Frist und traten dann am 14., 15. und 16. November zűr Beratung dér Angelegenheit zusammen. Bürger­ meister und Ratsherren, áuBer einem gewissen Ebért, viharén sich schlieBlich einig, die Franziskaner zuzulassen. Schon vi^urde die Frage erörtert, ob das Kloster innerhalb oder auBerhalb dér Stadt genehihigt vi^erden solle, da erhob plötzlich dér stadtische Rechtsbeistand Syndikus Dr. Klock aus Frankfurt, ein tödlicher Gegner dér Ordensleute, denEinwand; „Ih r Herrn Ratsmitglieder, seid ihr untereinander wirklich einig oder traut einer dem andern nicht?“ Diese erwiderten: „Sie wüBten nicht anders.“ Dér Syndikus: „Ich fürchte, dafi, wie Christus unter den Jüngern einen Verrater hatte, so au eh dér eine oder andere unter euch... Befürchtet die Ungnade des Kaisers und auch des Pfalzgraíen nicht; ich w'erde schon ein amikabeles Antwortschreiben ver- íassen, darin aber den westfálischeu FriedensschluS zűr Gél- FU CHS 345 tung bringen ; . 0- t)er schlaue und gewandte Jurist hatte durch seine überredungskunst gesiegt. Die von ihm veriaBte Absage voller Höílichkeitsíormeln, aber auch voller Verdre- hung der Wahrheit, wurde am 27. November vom Biirgermeister und Rat unterzeichnet^). DaB der Pialzgraf „diese sehr un- ireundliche Abspeisung mit inniglichem Disgusten“ entgegenge- nommen hat^), ist sehr wohl zu verstehen. — Nach 36 Jahren findet sich das Gelnhausener Kloster in den Kapitelsakten der Ordensprovinz noclimais erwalint. Dem Definitorium wird pro- poniert, es möge dem Geriiclite nachgeforscht werden, ob dié Bürger von Gelnhausen unsere Patres wünschten und einen Gemeindeplatz bei dér Stadt uns anbieten wollten. Fürwahr, die Thüringische Provinz hat das BaríüBerkloster in dér Barbarossastadt, das sie v^^áhrend des DreiBigjahrigen Krieges unter zahllosen Mühen und Bedrangnissen in Besitz gehabt, nur schwer vergessen können!

') Den Verlaut dér Verhandlungen hat dér Biirgermeister dem befreun- deten Pastor P. Matthias Rütten von Salniünster raitgeteilt in Gegenwart des Oberlörs'ters von Tullian (Briel des P. R. im Pfarrarchiv). 2) Abgedruclít, in: Gelnhusana 1905, Nr. 7. 3) Mitteilung des P. Baltliasar Brem zu Heidelberg v. 18. Dez. 1686 an v. Tullian. 3 4 6 DIE FRANZISKANERBIBLIOTHEKEN IN FULDA UNU SALMÜNSTER

Zur Geschichte der Franziskanerbibliotheken in Fulda und Salmünster. Von Dr. W ilhelm Dersch. Kl. Löífler hat 1918 unter den Schriíten der Görresgesell- schaft (Köln, Kommissionsverlag und Druck von J. P. Bachem, 72 S.) ein Heftchen „Deutsche Klosterbibliotheken“ herausgegeben, das bereits voriges Jahr in zweiter, stark vermehrter und ver- besserter Auflage als Bánd 27 dér „Bücherei dér Kultur und Geschichte" (Bonn und Leipzig, Kurt Schroeder 1922, 310 S.) neu gedruckt werden konnte — ein Beweis, daB dér Gegenstand auBer den Zünftigen dér Wissenschaft auch weitére Kreise an- regt, aber auch erweiterungsfahig ist, sind doch die Kloster- bibliotheken einer dér Pfeiler, auí denen unsere wissenschaft- liche Kultur .ruht. Die ersten drei Kapitel des Buches bringen einen allge- meinen überblick über die Entstehung und Einrichtung dér mittelalterlichen Klosterbibliotheken, über die Entdeckung und Ausbeutung dér in ihnön vergrabenen literarischen Schatze seit den Tagén des Humanismus, über ihre Schadigung durch Kriegs- geíahr und ihre Auflösung durch die Sakularisationen des 19. Jahr- hunderts. Diesem allgemeinen Teli íolgt eine Darstellung dér wichtigsten Büchersammlungen und dér heute noch bestehenden und neu entstandenen Klosterbibliotheken. Darunter fesselt uns besonders Fulda (S. 117íf.), die „erste Pílanzschule wissen- schaítlicher und künstlerischer Tatigkeit" in Deutschland, über die dér Verfasser auch in dér Zeitschrii't íür Bücherfreunde, n. F. 10 (1918/19), 194—202 gehandelt hat. AuBerdem finden wir wertvolle Angaben über die Bibliotheken auf dem Frauen- berg bei Fulda (S. 257. 260ff.) und in Salmünster (S. 262f.), auí welche hier besonders hingewiesen sei. Einige Erganzungen mögen die Mitteilungen vervollstandigen *)• Ob aus dem altén, am Buttermarkt gelegenen Franzis- kanerkloster, das von 1237 bis zűr Mitte des 16. Jahrhunderts bestanden hat, Bücher in das 1623 neu gegründete Kloster

1) W1 D e rs c h , Hessisches Klosterbuch, Marburg 1915, 28f. 48. 105 t.; J u liu s B a tte s , Die Franziskaner in Hessen, den Reichsabteien Hersleld und Fulda, dem malnzischen Stift Fritzlar und dem Fürstentum Waldeck bis zur Reformation. Phil. Dissertation (Marburg 1922) X II 148 und 103 BI. (Anmer- kungen) in Maschinenschrift. Über das wissenschaftliohe Studium In den Konventen Bl. 118 It. DERSCH 347

auf dem Frauenberg vor dem Paulustor gekommen sind, laBt sich aus den noch vorhandenen Biicherverzeichnissen kaum ieststellen, ist aber unwahrscheinlich. Der Humanist Johannes Sichardus (1499—1552), der auf seinen Bibliotheksreisen 1527 Fulda und Hersield besuchte, weiB von der Franziskanerbiblio- thek nichts zu berichten. Ebensowenig die Gelehrten der spa- teren Zeit, die in den Handschriftenschatzen der Stiftsbibliothek reiche Ausbeute ianden 0- — Abt Johann Friedrich von Schwal- bach stiftete iiir die Biicherei des jungen Konvents die zehn- bandige Ausgabe des Suarez (Mainz 1612 ii.), Pliilipp Ferdinand v. Schwalbacli schenkte sieben Bande der Lövi^ener Augustinus- Ausgabe, Johann Kaspar Hoepif die Werke Gregors von Va­ lencia^). Diese Werke iinden sich bereits in dem altesten Ka- talog der Bibliothek, der in der „Ephemeris conventus fratrum Minorum reg. obs. in monte virg. virginum ad Fuldam“ Hein- rich Wuestens eingetragen ist^). Es werden 276 Werke darin aufgezahlt. Unter dem Guardianat des Eucharius Trithemius (1624—1626) iiberwies Abt Bernhard einige bemerkenswerte Biicher, deren Titel nicht genannt werden, und zwei Biicher- schranke (scrinia). Dazu kamen 1628 nochmals zwei armaria voll Biicher ^). Mehrfere Privatpersonen vermachten durch letzt- willige Verfügung ihre Bibliotheken dem Kloster, z. B. Dr. med. Werner Landau (1647), der Herbsteiner Pfarrer Michael Jacobi (1681) und der Dechant von Geisa Konrad Wicelin (f 1682). Der bekannte Fuldaer Geschichtschreiber Joh. Fr. Schannat widmete seine „Vindemiae literariae" (2 Bande 1723 und 1725); P. Arsenius Rehm aus Heidingsfeld, der 6 Jahre lang in Kairo ais Missionar gewirkt hatte, gab mehrere arabische Handschriften und Biicher. Sie werden z. T. noch in der Landesbibliothek zu Fulda und in der Miinchener Stiftsbibliothek St. Bonifaz verwahrt®). Im Jahre 1715 stellte der Lektor Fr. Paulus Wolff®) einen Katalog der Bibliothek auf^), in dem die Biicher

1) p. L e h m a n n , Johannes Sichardus und die von ihm benutzten Biblio­ theken und Handsohriiten, in: Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters IV 1, München 1911, 70. 93 ff. 2) M. B ih l, Geschichte des Franziskanerlslosters Frauenberg zu Fulda 1623—1887, in: Quellen u. Abhandl. zur Geschichte der Abtei und der Diozese Fulda 3, Fulda 1907, 13 fi. s) staatsarchiv Marburg. Hs H 140, S. 319—324. <) Ephemeris 218. Bihl 22. ») Bihl 135 If. Löffler 261. ®) Quellen u. AbhandlungenS, 170 A. 2 (vice concionator der Franziskus- Erzbruderschaft). '^) St A Marburg H 132, 54 S. S. 37/38 herausgerissen. 3 4 8 DIE FRANZISKANERBIBLrOTHEKErí IN FUIJ)A UND SALMÜNSTER nach folgenden Abteilungen angeordnet sind: 1. Theologi polemici sive controversistae. 2. Juris consulti. 3. Juristae. 4. Philo­ sophi. 5. Medici. 6. Sancti patres. 7. Expositores s. scriptu­ rae. 8. Concionatores. 9. Catechistae. 10. Annalistae sacri et profani. 11. Theologi. Es sind im ganzen etwa 1600 Werke'), unter denen naturgemaB die theologische und die Predigtliteratur, aber auch die Geschichtsdarstellungen am zahl- reichsten vertreten sind. Ein Abdruck des Katalogs und die Identiiizierung der Schriftsteller muB hier unterbleiben, der reiche Bestand gibt aber ein klares Bild von dem wissenschaft- lichen Geist, der in dem Kloster herrschte, soweit iiberhaupt Bibliothekskataloge einen MaBstab in dieser Richtung abzu- geben vermögen. Ais eines der wenigen erhaltenen Biicher- verzeichnisse aus hessischen Klöstern ist der Katalog von Wert, wenn er auch wesentlich Jiinger ist ais die in dieser Zeitschrift veröífentlichten von Grünberg und Corbach^). Die Bücher werden nach ihrem Format bezeichnet und sind nach den bei- geíugten bis ins dritte Hundert steigenden Zahlen, die vs^ohl die Nummern dér Gefacher oder Bretter in den Schránken oder Pultén angeben, zu íinden'^). Aui S. 44 des Katalogs von 1715 sind nachfolgende „Regulae pro bibliotheca“ eingetragen: 1. Dum ahquis liber bibliothecae incorporatur, statim ad certum locum deputetur cathalogoque inseratur. 2. Nullus ex bibliotheca liber extrahatur sine bibliothe- carii scitu et iussu. 3. Dum liber alicui conceditur transferendus ad cellam, notetur in cathalogo librorum; pro cellis et loco, ex quo liber desumptus, affigatur schedula cum inscriptione libri et cellae. 4. Dum liber de superioris licentia mutuo extraditur do­ mino extraneo, petatur desuper syngrapha in cathalogo biblio­ thecae custodienda, quae serviet, ut liber sciatur et a biblio- thecario vel eius successore tempore opportuno repetatur. 5. Dum liber aliquis ad bibliothecam refertur, reponatur in suo loco iuxta numerum libro inscriptum. Trotz dieser VorsichtsmaBregeln scheinen öfter dieBestande

1) L ö líle r 260 nennt einen Katalog von 1718 mit 1462 und einen von 1780 mit 7660 Werken. 2) W. D e rsch in den FS I (1914) 438—478. 3) Eine Abbiidung in Seb. M ü n s te rs Cosmographey (Basel 1598) 994 gibt eine Vorstellung von dér inneren Einrichtung dér Stiltsbibliothek in Fulda. Die Bücher stehen auf den Wandbrettern mit dem Rücken nach dér Wand zu. Vgl. L ö ffle r 24. DERSCH 349 der Bibliotheken sich gelichtet zu habén, denn 1789 verbot das Mainzer Generalvikariat Drucke und Handschriften aus den Biblio- thfeken dér Stifter und Klöster auszuleihen oder zu vertauschen'). Dér Kulturkampf des 19. Jahrhunderts, dér 1875 die Pforten des Klosters schloB, schadigte auch die reiche Büchersammlung empíindlich. Viele Bücher wurden von den abziehenden Patres mitgenommen oder aus wirtschaítlicher Nőt verauBert. Manche Drucke und Bilder wanderten nach Amerika zűr Ausstattung neugegründeter Klöster. 138 wertvolle Wiegendrucke konnten in Fulda in Sicherheit gebracht werden.und dienten als Grund- stock dér Bibliothek des 1887 neu erstandenen Klosters. Zu den iin Jahre 1875 verauBerten Banden gehören die ins Staatsarchiv Marburg geretteten Handschriften H 140 (Ephemeris), H 141a, H 132 (dér Katalog von 1715) und H 132a: ein die Jahre 1798 bis 1814 unifassendes Handbuch mit wöchentlichen Eintragen übér die Verteilung des Wochendienstes unter den Konvents- herren. Die Bibliothek des neuen Klosters ist dank groBer Stiftungen rasch auf 30 000 Bande angewachsen und erhielt 1900 einen eigenen feuersicheren Raum. In den Jahren 1828 bis 1853, vor dem AnschluB an die Provincia Saxoniae S. Crucis, stand dér Frauenberg zusammen mit dem Konvent in Salmünster in einem engeren Verband unter einem besonderen Commissarius oder Direktor^). Wáh- rend über die Bücher des altén Fuldaer Franziskanerklosters nichts bekannt ist, sind w ir über die Bibliothek des Vorlauíers des Salmünsterer Klosters, dér Gelnhauser Niederlassung, besser unterrichtet. In dem Nordflügel des Franziskanerklosters in Gelnhausen waren das Refectorium und die Bibliothek ein- gerichtet®). Nachdem 1542 das verlassene Klöster als stadtische Lateinschule eingerichtet worden war, zogen die Observanten wahrend des DreiBigjahrigen Krieges wiederholt in das Klöster ein, bis sie 1649 endgültig weichen muBten und in Salmünster ein neues Heim fanden in dér altén Stiftsdechanei ^). Die Hoíf-

') S tA Darmstadt Abtig. V 7, Konv. 54 (Bodmann-Habelsche Samm- lung 1409). 2) L ö ífle r 261 f. S tA Marburg, Aktén dér Reglerung zu Fulda, Acc. 1882/35, Nr. 752. ■*) P. Dam asus Fuchs, Geschichte des Kollegiatstifts und dér Pfarrei zu den hl Aposteln Petrus und Paulus in Salmünster, in : Quellen und Ab- handlungen (Fulda) 8, 1912, 73 íf.; P. Leonh. Lemmens, Aus dér Werde- zeit dér thüringischen Franziskaner-Provinz, Frauenberg 1899, 35 íf. 3 5 0 DIE FRANZISKANERBIBLIOTHEICEN IN FULDA ÜND SALMŰNSTER nung aui eine Riickkehr nach Gelnhausen bestand noch lange. Nachdem die letzten Bemiihungen bei Kaiser Leopold 1682 er- gebnislos verlauien waren, begann 1691 der Neubau der „Resi- denz“ , die 1697 zum Konvent erhoben wurde. Mit der inneren Ausstattung der 1745 geweihten Kirche und der Eröffnung der Lateinschule (1777—1805) wuclis der Bedarf an Biichern. Ob- wohl das Inventar des Klosters 1542 in den Besitz der Stadt Gelnhausen iibergegangen w a r'), scheinen die Biiclier in das neue Kloster nach Salmiinster gerettet worden zu sein, denn 260 Werke dieser Bibliothek zeigen den Eintrag: „Bibliothecae Gelnhusanae FFr. Min. strictioris observantiae". Sie gehören zum gröBten Teii dem 16. Jahrhundert an und sind teilweise Stiftungen von Pfarrern in Orb, Lohr u. a. 0. 7 Handschriften und 52 Wiegendrucke sind alter. Pars III der Opera S. Am­ brosii von Mag. Joannes von Amorbach (Basel 1492) war im Besitz des ^fiarrers zu Salmiinster Johannes Haal, des Ver- fassers eines inhaltreichen Pfarrbuches. Haal hatte das Buch 1597 in Brückenau gekauft. Dieses kam dann über Herbstein, Wirtheim und Orb 1654 in die Franziskanerbibliothek nach Salmiinster^). In dem Sturmjahr 1875 blieb die Bibliothek unversehrt in einem Nachbarhaus und wanderte dann in das am Elisabethtag 1894 wieder eröífnete Kloster. Sie umfaBt jetzt etv^^a 6000 Bande®). Von anderen Franziskanerbibliotheken nennt Löfíler auBer Gorheim in dér Thüringischen Provinz noch Dorsten, Paderborn, Düsseldorf, Warendorf, Wiedenbrück, Werl, Münster, Rietberg und Bonn-Kreuzberg dér Sáchsischen, Karlowitz dér Schlesi- schen und St. Anna dér Bayrischen Provinz, ferner die Bibliothek dér Franziskanerkonventualen in Würzburg^).

1) Zunachst bei dem Gastwirt Johann Lutz, dessen Haiischronik (1631— 1679) in den Fuldaer Geschichtsblattern 3 (1914) 17 ff. 161 ff. veröffentlicht worden ist. 2) L. B ic k e ll, Die Bau- und Kunstdenkmaler im Rbzk. Cassel. 1 Kr. Gelnhausen, Marburg 1901, 90 f.; K. E u b e l, Gesehichte dér oberdeutschen (StraBburger) Minoriten-Provinz, Würzburg 1886, 93. 294 f. Über die 47 Werke umíassende Ratsblbliothek in Gelnhausen aus dem 16. Jahrhundert vgl. A lb. D u n c k e r in dér Zeitschr. des Vereins íür hessische Gesehichte und Landes- kunde 19, Kassel 1882, 387. 3) Dam. Fuchs In den QuelIen und Abhandlungen (Fulda) 4 (1907) 511. L ö ffle r 258 ff. 263. Besprechungen.

V erfasser von Zeitschriftenaufsátzen, die deren Berück- sichtigung an dieser Stelle wünschen, werden höf- lichst um Zusendung eines Sonder-Abzuges gebeten Die Schriftieitung.

Breviloquium bibllcum ad mentem Seraphicl Doctoris S. Bo- naventurae. Von F. Dominicus Faccin 0. F. M. Ed. 2., Vicenza, S. Lucia, 1921. (192, 8“). Lire 5. Dér Exprovinzial dér Venezianischen Franziskanerprovinz und frühere Dogmatiklektor am Kolleg St. Antonio in Rom, ein begeisterter Kenner und Verehrer des Seraphischen Lehrers, bietet in dieser Fest- gabe zum VII. Zentenar dér Geburtsfeier des Heiligen eine Darsteliung über die Lelire Bonaventuras von dér Hl. Sclirift. Dér Verfasser will die Übereinstimmung des Heiligen mit dér Lehre Leos XIII in dér Enzyklika „Providentissimus“ und Benedikts XV im Rundschreiben: Spiritus Faraclytus nacliweisen und behandelt dementsprechend syste- matisch die Inspirationsiehre, die Vorzüge und das Studium der Hl. Schrift. P. Faccin neigt einer Erklarung dér bonaventuranischen Inspirationslehre im Sinne eines Kardinals Franzelin zu und zeigt, dafi die Inspiration ihrem Wesen nach durch die Formel: Deus auctor S. Scripturae, die bekanntlich von P. Zanecchia O. Pr. hartnackig bé- kampft wurde, ausgedrückt werde. Wenngleich es vorzuzielien gewesen ware, Bonaventura mit dér Lehre dér groBen Scholastiker zu ver- gleichen und B. Eigenart noch mehr hervorzuheben, so müssen wir doch dem Verfasser auch für diese Zusammenstellung dankbar sein. GewiB hat S. Bonaventura im Zusammenhang und ex professo die Inspirationsfrage nicht behandelt, doch finden sich im Breviloquium sowie in den Collationes zum Hexaemeron wie in den Einleitungs- fragen zu den Sentenzenbüchern und in gelegentlichen AuBerungen in seinen Schriftkommentaren zahlreiche Belege für die Existenz und die Ausdehnung dér Inspiration. Die in neuerer Zeit auítauchenden Fragen über das tiefere Wesen dér Inspiration waren Bonaventura unbekannt. Was die Schrittlehre des Heiligen besonders charakterisiert und in dér Monographie F. zu vi^enig hervorgehoben scheint, ist; 1. die grofizügige pragmatische Autfassung dér heiligen Geschichte, wie sie 3 5 2 BESPRECHUNGEN besonders in der Collatio 16 des Hexaemeron enthalten ist, und 2. in dér praktischen Schatzung und Wertung der Hl. Schrift. Die homi- letische Exegese wird durch das B.-Studium machtige Förderung er- fahren können. — Möge die Festgabe weite Verbreitung finden. Schwaz, Tirol. P. Amandus Sulzböck O.F.M.

Facciamo conoscere S. Bonaventura. P. Domenico Faccin O. F. M. Bognorea, Scuola Tipografica, 1921 (96. 12”). Lire 2. St. Bonaventura bekannt zu machen ist der Zweck der Kon- ferenz des P. Faccin, die zu Bognorea, in der Heimat fles Heiligen bei der Zentenarfeier im Jahre 1921 gehalten wurde. Der Verfasser klagt, daB S. Bonaventura zu wenig gekannt sei und zij sehr vernachlassigt werde, was oft eine falsche Darstellung seiner Lehre veranlasse. Das wird praktisch gezeigt an der Ehgellehre, der Lehre vöm Wissen Christi, vöm Schicksal der ungetauíten Kinder, Verhaltnis von Gnade und Liebe und der Wirksamkeit der Sakramente. GröBten- teils waren diese Lehrpunkte bereits in einer früheren dissertatio de studio bonaventuriano, Quaracchi 1902 enthalten. P. Faccin fordert das Studium des hl. Bonaventura nicht nur im Interesse des Ordens, sondern der Theologie, Aszese und Mystik und ganz besonders der praktischen Seelsorge und Predlgt, da der seraphische Lelirer nicht nur den Verstand erleuchtet, sondern auch das Herz entflammt und mit sich relBt. Auch diese kleine, aber interessante Arbeit sei warmstens emp- fohlen. Schwaz, Tirol. P. Amaíjdus Sulzböck O.F.M.

Grundrifi der Liturgik. (Lehrbücher zum Gebrauch beim theo- logischen Studium.) Von Dr. Richard Stapper, Professor der Pastoraltheologie an der Universitat Münster. Dritte und vierte verbesserte Auflage. Münster i. W., Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung, 1922 (VIII, 262, 8"). Liturgik und Franziskanertum scheinen manchem zwei kaum vereinbare Begriffe zu sein. Sie gehören indes so eng zusammen, daB sie nicht getrenixt werdeu können. Darum darf auch eine wissen- schaftliche Zeitschrift, die sich die Erforschung des Franziskanismus zűr Aufgabe gestellt hat, einen GrundriB der Liturgik nicht unbeachtet lassan, vor allém nicht einen GrundriB wie den Stappers. Schon in ganz kurzer Erist hat er eine neue Doppelauílage erhalten. Vortreff- lich ersetzt er Thalhof er-Eisenhofers zweibandiges Handbuch der katholischen Liturgik, das bei der gegenwartigen Teuerung eine Neu- auflage kaum erhalten wird. Auch besitzt er wissenschaítlichen Eigen- BESPEECHUNGEN 3 5 3 wert, was sich bei einem liturgischen Leitfaden Stappers, dér uns m it so mancher vorzüglichen Sonderarbeit auf dem Gebiete dér Liturgilc beschenkt hat, ganz selbstverstandlich sein muB. In seiner ganzen Anlage hat sich die Neuauflage nicht verandert. Auch bringt sle nichts Neues, was von Bedeutung wáre, um den Ein- íluB des hl. Franz von Assisi und seiner Stiftungen auf die Entwicke- lung dér Liturgie erkennen zu lassen. Sie erwahnt wie die frühere, daB Franz und sein Orden den Festkalendér bereichert habén (81). Das Ave Maria habén sie mit zu seinem jetzigen Umfang geführt (98). 127 nennt St. Bonaventura als Hymnendichter. 130 erwahnt Thom^as v o n Celano und Jakopone da Todi als Veríasser von Sequenzen und den Franziskaner Julián von Speier als Dichter und Komponist von Reimoffizien. Das sogenannte Breviarium S. Crucis, das Kar­ dinál Quinofiez, dér frühere Franziskanergeneral, im Auftrag Papst Klemens’ VII. 1535 herausgab, findet 139 seine rechte Würdigung. Durch die Franziskaner hat sich das abendliche Ave Maria mit Glocken- zeichen in dér Kirche rasch verbreitet (149). Ihrem Einflufi verdanken wir die Kreuzwegandacht (154). Beachtenswert ist auch dér Hinweis S. 131, daB das franziskanische Stabat mater um 1370 durch den Mönch Hermann von Salzburg ins Deutsche übertragen worden ist. Nur schade, dafi selbst St. ahnlich wie die sonstigen Verfasser von Hand- und Lehrbüchern die Tatsache nicht hervorgehöben hat, daB mit dér Gründung des Franziskanerordens ein ganz neuer Abschnitt in dér Geschichte dér Liturgie beginnt. Es ist auch nicht genannt dér Fran­ ziskaner Haymo von Faversham, dér die Rubrikán prüfen und neu herausgeben muBte. Nach ihnen wurden auch Missale und Brevier auf Beíehl des Papstes verbessert. Sie fanden solchen Beifall, daB im 14. Jahrhundert fást alle nach franziskanischer Art beteten und opferten. Das gibt in betreff des Breviers selbst ein Gegner des neurömischen Ritus zu, wenn auch in einer wenig passenden und dér Wahrheit nicht entsprechenden Form: „So . . . waren im 14. Jahrhundert nicht nur das Brevier, sondern auch seine offiziellen Beter in doppelter Hinsicht ihres sittlichen Wertes und ihrer Zahl durch gröBere oder geringere persönliche Verschuldung ,minder‘ geworden" (P. Cunibert Mohi- berg, O. S. B., Radulph dé Rivo, Brüssel 1911, 135f.). Ausgelassen bei den Hymnendichtern und Verfassern von Reimoffizien ist dér berühmte Erzbischof von Canterbury, dér Franziskaner Johannes Peckham (f 1292). DaB ein Franziskaner des 13. Jahrhunderts es war, dér nach des Benediktinerpaters Kienle Wort „mit fester Hand die im Auflösungs- prozeB zerflieBenden Formen des Chorals . . . zusammengerafft“ und nach des Choralforschers P. Wagners Zeugnis so Vollkommenes ge- schaffen, „daB eine Weiterentwickelung überhaupt nicht möglich ist“. DaB auch lm 16./17. Jahrhundert die Franziskaner sich besondere Ver- Franzisk. Studien. 10. Jalirg. 3./4. Heít. 23 3 5 4 BESPRECHUNGEN

dienste um den Choral erworben habén, zeigt der Benediktinerabt Raphael Molitor, Die Nachtridentinische Choralreform zu Rom I (Leipzig 1901) 207. 210. Franziskus selber hat auch die liturgische Hal- tung durch Wort und Beispiel vertieft. S. 51 sollte genannt werden P. Beda Kleinschmidt O. F. M., Das Rationale in der abendlandischen Kirche, in : Archív für christl. Kunst 1904, 1—10, eine Arbeit, durch die nach Prof. Sauers zustandigem Urteil „Eisenhofers Monographie nicht bloB was Vollstandigkeit, sondern groBenteils auch was Gründ- lichkeit anlangt, überholt wird“ (Theolog. Revue 4 (1905) 116). S. 61 darf nicht unerwahnt bleiben P. Remigius Boving O. F. M., Kirche und moderne Kunst, Bonn 1922. Arbeitet St. diese Hinweise in seinen empfehlenswerten GrundriB hinein, so wird er noch empféhlenswerter und brauchbarer. Paderborn. P. Hugó Dausend, O.F.M.

Der Volkersberg und sein Kloster. Eine geschichtliche Studie von P. Ambrosius Götzelmann 0. F. M'. Brückenau-Stadt, Druck u. Verlag; Buchdruckerei Kari Nikolaus, 1923. (51 S., mit Abbildungen.) Der zeitige Superior des Klosters hat mit FleiB und Geschick die Vergangenheit seines Konventes aufzuhellen sich bemüht und auBer den gedruckten auch archivalische Quellen zu Rate gezogen. 1858 lieBen sich Franziskaner der thüringischen Ordensprovinz an der Kreuzkapelle nieder, die schonimMittelalter einbesuchterWallfahrtsort war. 1828 wurde Volkersberg zűr neugeschaffenen Provinz Frankén geschlagen, 1836 zűr Provinz Bayern; politisch gehörte es bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zu Fulda (Amt Brückenau). Daher sind aus dem lm Staatsarchiv Marburg verwahrten íuldaischen Archív noch mancherlei Erganzungen heranzuziehen; z. B. der Personalbestand des Klosters in der Beilage zum Bericht des Exprovinzials Adolphus Storch in Fulda (1803) an die Oranien-Nassauische Geh. Konferenzikommisson ü|)er die Klöster Frauenberg, Hammelburg, Volkersberg, Dermbach und Salmünster (Fuldaer Kammerarchiv, Nr. 967). Zwei Konventualen des aufgelösten Kapuzinerklosters Fulda kamen nach Volkersberg (ebenda Nr. 954 u. 955). Die urkundlichen Anlagen über einige Nach- barorte sind mangels Quellenangaben von zweifelhaftem Wert; auch die aus den mittelalterlichen Urkunden des Klosterarchivs mitgeteilten Nachrichten bedürfen der Nachprüfung. W ir wünschen dem schmucken Heft mit dem stimmungsvollen Bildchen auf dem Titelblatt weite Ver- breitung und aufmerksame Leser, Marburg. Dersch. BESPRECHUNGEN 3 5 5

Klosterleben im deutschen Mittelalter nach zeitgenössischen Aufzeichnungen. Memoiren und Chroniken. Herausgegeben von Johannes Bühler. Mit 16 Bildtafeln. Leipzig, Insel-Verlag, 1921 (VIII, 528). Mk. 37,40. Ein stattlicher Bánd in dér vornehmen Ausstattung, die immer die Veröffentlichungen des Inselverlags auszeichnet, vereinigt hier eine Auswahl zeitgenössischer Aufzeichnungen von Mönchen und Nonnen dér in Deutschland am meisten verbreiteten Orden dér Be- nediktiner, Zisterzienser, regulierten Augustinerchorherren, Pramon- stratenser, Franziskaner und Dominikaner. Kartauser, Karmeliten, Augustinereremiten, Serviten und die Ritterorden bieiben unberück- siclitigt. S. 349—416 sind dem Franziskanerorden eingeraumt, dessen Regei fást vollstandig mitgeteilt wird. Darauf folgen Auszüge dér Chronik des Jordán von Giano und dér Abschnitt über Berthold von Regensburg aus Salimbenes Chronik, dann Stücke aus dér Lebens- beschreibung dér sel. Liutgar, dér Stifterin des Klarissenklosters Wittichen im Schwarzwald und dér Chronik des Bickenklosters in Viliingen. Die aus Nikolaus GlaBbergers Chronik abgedruckten Teile beziehen sich auf die Einführung dér Observanz in dér StraBburger Provinz, die Beschlüsse des Provinzialkapitels in Heilbronn 1448, den hl. Johannes von Capistran und das Kapitel von Mecheln 1464. Zum SchluB finden wir die von Doelle in den FS (1914) 356 ff. erstmalig veröffentlichten Statuten dér Klarissen zu WeiBenfels aus dem Jahre 1513, als deren Urheber dér Provinzialminister Ludwig Henning sich nennt. Diese Anweisungen sind besonders für das innere Leben eines Konvents beachtenswert. Das Freskobild des hl. Franz aus Subiaco ist dem Abschnitt beigegeben. Die Anmerkungen sind knapp, aber zweckentsprechend. Marburg. Dersch.

O Thaumaturgo. Santo Antonio na história, na lenda e na arte por Frei Pedro Sinzig O. F. M. Com mais de 150 gra- vuras. Editado em homenagem ao Centenario de Indepen- denera do Brasil pelo Centro da Boa Imprensa. Petropolis 1922. (162, ki. 4°.) Nach so manchen Werken über den hl. Franziskus in dér Kunst darf eine ahniiche Darstellung über den groBen Wundertater des Franziskanerordens ebenfalls auf freundliche Aufnahme rechnen. Wáhrend bei uns Deutschen die italienische Ausdrucksweise „Dér hl. Antonius von Padua“ sich eingebürgert hat, haltén die Portugiesen und die Brasilianer fest an ihrem „hl. Antonius von Lissabon", was ihnen niemand verargen wird. Dér Verfasser, dér hauptsachlich für 23* 3 5 6 BfíSPRECHUNGEN

Brasilien schrieb, umging die Klippé durch den Haupttitél „Dér Wunder- tater“, mit dem Zusatz: „Dér hl. Antonius in Geschichte, Legende und Kunst“. Das Werk ist zűr Jahrhundertfeier dér brasilianischen Unab- hángigkeit (7. IX. 1822—1922) im Verlag dér katholischen PreBzentrale Centro da Boa Imprensa, Petropolis, erschienen und wurde von B. Kühlen, M.-Gladbach, musterhaft ausgestattet. In dér Literaturangabe interessiert uns die Aufzahlung — neben deutschen, italienischen und französischen Werken — wenig be- kannter portugiesischer Quellen, die dem Verfasser erlaubten, auf einzelne umstrittene Punkte neues Licht zu werfen. So halt er z. B. daran fest, daB Antonius die Priesterweihe schon als Augustinermönch empfangen hatte, ehe er sich dem Franziskanerorden anschloB. In den Antoniusdarstellungen in dér Kunst hat P. S. viel neues Material zusammengetragen, das ernste Berücksichtigung beansprucht. Selbst von deutschen, italienischen und andern europaischen Künstlern ist manches wenig oder gar nicht bekannte Werk in guter Abbildung wiedergegeben; das Hauptinteresse beanspruchen aber wohl die zahl- reichen, bisher nie veröffentlichten Werke portugiesischer und be- sonders brasilianischer Kunst. Letztere hat dér Verfasser teilweise im Innern des Landes an Őrt und Stelle photographieren lassen. Am überraschendsten ist die Fülle dér ikonographisch wertvollen Antonius­ darstellungen des diesem Heiligen geweihten Franziskanerklosters In Rio de Janeiro, die zum Teli von dem brasilianischen Franziskaner- provinzial Frei Solano herstammen dürften. Besondere Erwahnung verdienen auch die Wiedergaben dér Antoniusbilder auf den Fliesen des Franziskanerklosters in Recife (Pernambuco). Zahlreiche FuBnoten weisen auf die Quellen, die dér Verfasser benutzt hat, um seiner volkstümlichen Darstellung den wissenschaft- lichen Untergrund zu geben. Die Darstellung selbst schlieBt sich eng an die Erzahlungsweise dér Freiin von Krane an und ist mit südlan- dischem Feuer gemischt, das die einzelnen Szénén greifbar wirklich gestaltet. Dér erste Teil des Buches begleitet den Wundertater chrono- logisch durch sein Leben und Sterben; dér zweite behandelt den Hei­ ligen als Patron bei dér Standeswahl, lm Ehestand, als Beschützer dér Studierenden, dér Krieger (viele Antonius-Statuen habén in Portugál und Brasilien Offiziersrang und bezogen noch vor wenigen Jahren Gehalt), sovt^ie die Antoniusverehrung in Italien, Portugál, Spanien, Frankreich, Deutschland, Brasilien usw. Für einzelne Kapitel hat die hervorragende brasilianische Dich- terin Amelia Rodrigues formvollendete Beitrage in gebundener Sprache geschrieben. Mögedies schöne Werkchen weiteste Verbreitung finden! Bonn-Kreuzberg. P. Ferdinand Doelle 0. F. M. Personen- und Ortsverzeichnis.

Abraham 44 Uaumann, Edm., O. F, M. 122. Adrián v. Reifenstein, Abt 326 199—223. 321 Aegidius, O. F. M. 11. 13 Bautzen 116 Aestucampianus, Petr. 281 Beaufreton, Maurice 108 Ailly, Petr. v. 24 Beauvais, Vinz v. 102 Alanus, mag. 11. 13 ff. Becker; Petr., O. F. M. 338 Albert, Calixtus, O. F. M. 151. 163. Beilngries 121. 140 166 f. Belgré, Ödilie de 164 Albertus Magnus 27. 33 Benkowich, Benedikt v., O. F. M, Albrecht v. Mainz, Kard. 308 116 Alexander IV., Papst 53 f. 57 Benedikt XI., Papst 10. 57 Alexander V., Papst 56 f. Berchmanns, Joh., hl. 62 Alexander VII., Papst 138 Berga, Bonif. 299 Allegany 152 ÍT. 156 f. Bergaigne, Jós., O. F. M. 337 Alnewyk, W il. de 10. 27. 29 f. Bergholz-Zell 160 ff. Altenburg 116. 294 f. 297 Beuren 308 Amiens 164 Beyreuth 236 Amsterdam 61. 68 Bicken 313 f. 316 Andreae, Ant. 100 Bidinger, Bernardin, O. F. M. 148 Anrode 308 Bierbaum, Dr. Max 107 Anselm, Abt v. Gerode 326 Bihl, Mich., O. F. M. 233 Anseim Gasimir v. Ingelheim, Kur- Bischofsheim a; d. R. 138 fürst 309 Bischofsheim a. d. T. 138 f. Anselm F'ranz v. Ingelheim, Kur- Bitsch 165 fürst 319 Blecke, Eduard, 0. F. M. 149. 151 f. Antonius, hl. 53 f. 355 f. Blume, Heinr. Jul., Hist. 66 Antwerpen 58 Bodenrode 330 Aquila, Pétr. v. 99 Bock, Pfr. 329 Aquin, Thomas v. 1. 17. 33 ff. 41 tT. Boerger, Lamb., O. F. M. 150 f. 47—52 Bologna 3. 12 Areso, Jós., 0. F. M. 163 ÍT. 175 Bonagratia, Gnl. 53 Arnold, Balth. 326 Bonaventura, hl. 5. 7. 24. 33. 96 f. Ainold, Winimarus, O. F. M. 228 103— 107. 220. 351 f. Arnstadt 128 Bondorff, Konr. v., M inorit 20 AschaíTenburg 337 Bonifaz VIII., Papst 13. 57 Asmus, Georg Fr., Vikar 326 Bonifaz IX., Papst 55 Assisi 57. 134 Boning, Herwig, erzb. Kommiss. Attendorn 120. 122. 139. 200 216. 315. 318. 321. 324 Aue am Berg 253 Boning, Joh., Dr. iur. 321 Augsburg 274 Bonn-Kreuzberg -350 Augustinus, hl. 33. 43. 215 Bordeaux 115. 165 Aureoli, Petr., O. F. M. 3. 17. 30. 99 Borna 114 Bornis (Burnis), Petr., O. F. M. Bacon, Joh. 99 279 ff. Balboa, Gonsalv. de 99 Bornhofen 124. 150 f. 173 Banz 236 Boston 154 Barbarossa, Deutscher Kaiser 333 Bouters, W ilh., S. J. 62 Barckefeldt, R., Lizentiat 317 Boving, Rémig., O. F. M. 232—245 Barcelona, Bonaventura v. 92 íT. Braitenholtz 319 Basly, Maria de 99 Brandeburg, Georg, O. F. M. 279 Franzisk. Studien. 10. Jahrg. 3./4. Heít 24 358 PERSONEN- UND ORTSVERZEICHNIS

Brandenburg 114. 133 Corrigan, Bischof 142. 145. 148 Brandenburg, Kurfürst v. 294 Cortin, Rob. 32 Brandenstein, Ewald v. 261 Conring, Herm. 66 Brandenstein, Kath. v. 252 f. 256 Croghan 143— 147. 150— 152. 154. Brandys, Max, O. F. M. 124. 149. 156 151. 172 Curriflcis, Caspar, O. F. M. 279 Braunsberg 116 Breitenbach 319. 330 Dalberg, Adolf v., Fürstabt, 235 Breitenbich 308 Daniels, A. 3 Breitenfeld 337 Danzig 116 Breitenworbis 316 Dausend, Hugó, O. F. M. 354 Breitschutl, O. F. M. 255 Denver 150. 152. 164 Brem, Balth., O. F. M. 345 Dermbach 120. 123. 139 f. 234 f. 242 Breinen 114. 133 Dersch, Dr. Wilh., 346—350. 354 f. Brémán b. Geisa 234 Dettelbach 138 Breslau 55. 114— 117. 129— 135. Devereaux, Nic. 153 282 f. 286 f. 306 Dientzenhofer, Architekt 235 Bretz, Christ., O. F. M. 121 Diessen 234 Breun, Balth., O. F. M. 318 Dingelstádt 311 ff. Brieg 117 Dionysius, Cisterc. 24 Briesmann, Joh., O. F. M. 279. 284 f. Dionysius, Karth. 99 Brinkmann, Dr., Stadtarchivar 202 Doelle, Férd., O. F. M. 279—307. 356 Brooklyn 148 Döring, Matth., O. F. M. 131 Brückner, Tob. Dav., Drucker 211. Dorsten 136. 350 221 Dreiling, Raym., O. F. M. 3 Brüssel 90 Dresden 116 ff. 282. 289—292. 294. Bücker, Dr. Herni. 177—198 305 Buffalo 152 ff. Drontheim, Erzb. v. 55 Bühler, Joh. 355 Duderstadt 202 f. 215. 217. 219 f. Burger, Gregor 298—301. 303 222. 309 f. 315. 317—320. 324. 329. Burggraf, Jul. v., Hptm. 334 ff. 331 Burgh, A lb„ O. F. M. 61—94 Duhem, P. 99 Burgh, Konr. 61. 91 Durst, Abt, Bernh., O. S. B. 33—52 Burgos 114. 116 f. 133 f. 282. 286 Düsseldorf 350 Burtzweiler 172. 175 Dyler, Thom., O. F. M. 279 BuBeck, Bonifaz v., Propst 206 Butler 150— 152. 154 Ebersberg, Margaréta v. 250. 253 Butler, Jós., O. F. M. 152 Eder, Venant., O. .F M., 145. 148. 150 f. Callebaut, A „ O. F. M. 1 Eger 273 f. Callicoon 150 ff. 154 f. 157 Egldius 15 Canali, Aloys, 0. F. M. 166 Ehrle, Kardinai 1. 3. 15 Candia, Petr. v. 15. 24 Eisenach 128. 318 Carafa, Aloys, Nuntius 336 Ellicottville 153 Caris, Rémig, v., O. F. M. 94 Elz, Gráf v. 323 Casheim, Adam, O. F. M. '339 Emmel, Hektor 337 Castorville 144 Emmerich, Joseph, Kurfürst 326 Cella 251 Enden, Franz v. d., S. J. 62 f. Chatham 152 Engelhard, Joh. Mart. 203 Chaumont, Gráf Donatin 144 Engelhardt, Zeph., O. F. M. 111 Chaumont, Gráf Vincent 144 Englert, Joh. Bapt., O. F. M. 151 Chillicothe 143. 146 Epinal 124. 146. 158 ff. Christus 208 f. 215 Erasmus v. Rotterdam, Humanist Chrysostomus, hl. 215 196 Cincinnati 143 Er^, Theoph., O. F. M. 159 Clason Point 154 E rfurt 100. 116 f. 119. 127 f. 137. Clevedon 165 198. 254. 267. 286. 314. 318. 326 Coan, Alph., O. F. M. 111 Erlach 139 Conradi, Jodoc., O. F. M. 338 Ernst, Anton, O. F. M. 315 Corbach 348 Esch 175 Cordier, Hon., O. F. M. 225 EBlingen 27i PERSONEN- UND ORTSVERZEICHNIS 359

Ewaldt, Franz, O. F. M. 340 Giano, Jordán v., M inorit 267 Ewig, Augustinerstift 122 Giellnik, Fábián, O. F. M. 151 Eymericus, Nic., Inquisitor 55 Gleichen, Gráf Ernst v. 267 Gödecke, Stadtpfr. 324 Fabri, Bonav., O. F. M. 337 Godinus, Guil. Petr., Dominikaner 16 Faccin, Domenico, 0. F. M. 351 f. Goer, Saturnin, O. F. M. 149. 151. Falconio, Diomedes, 0. F. M. 154 173 f. Fanna, Fidelis a 99 Goffredus 11. 13 Faust, Dr. 178 Goldberg 114 f. 117. 129 íT. 133 ff. Faust, Matth., O. F. M. 156 Gorheim 124. 150 f. 168. 350 Feldhausen, Dominik., Minorit 341 Görlitz 55 f. 116. 286 Ferdinand II., Deutscher Kaiser 136 Gositz 248 f. 336 f. Gotha 252 Ferdinand III., Deutsch. Kaiser, 338 Gottfried, Cancell. 32 Fitzralph, Rich., Erzb. v. Armagh 15 Götzelmann, Ambrosius, O. F. M. 354 Fleming, Dávid, 0. F. M. 142. 152 Goyau, Georges 109 Florentius, Kött., Bischof v. Fulda Grabmann, Professor 29 123. 140 Grauel, Georg, O. F. M. 333 Florenz 58. 60. 69 f. 79 Gravenegg, Joachim v., Fürstabt 343 Florenz, Marianus v. 97 Gregor IX., Papst 53 f. 56 f. Fontaines, Gottfr. v. 14. 17 Gregor X., Papst 57 Fontinus {= Bornis, Petr. de) 280. Gregor XV., Papst 339 282 f. 286. 289 Gregor d. Gr., Papst 41. 45 Forstmeister, Frhr. v. 343 Grosjean, Generalvikar 160 Frankfurt a. M. 337 Grünberg 348 Frankfurt a. O. 284 Gudenus, Amtmann 318 Frankenhausen 272 Günther, Gráf v. Schwarzburg, Pre- Franziskus, hl. 53 f. digermönch 247 Fraiienberg 124. 149. 151. 230 Gustav Adolf 337 Freiberg 116. 125 Guth, Pfarrer 144 Freiburg i. Br. 230 Gutenbrunnen 172. 175 Friedrich, Kurfürst v. Sachsen 289— Gutwasser, Georg, O. F. M. 188 293. 294—297. 300 f. 304—306 Friedrich d. Weise v. Sachsen 133. Hachenburg 120. 139. 323 135. 251. 255. 257. 259. 298. 301 Hadamar 120. 122. 125. 137. 139 Friedrich II., Kaiser 267 Hagen, v. 326 Fries, Mich., O. F. M. 286 Halberstadt 114. 133. 273 Friese, Sigra. 180— 183. 185. 187 ff. Hales, Alex. v. 33 ff. 39. 42. 47—51 191 f. 194 f. 197 Halle 188 Friesenhagen 120. 139. 200 Haltenbergstetten 122. 139 Frohne, Joh. Ad., Superint. 199—223 Hamburg 132 Fuchs, Damasus, O. F. M. 333—345 Hamm 137 Fuhrer, Jac., O. F. M. 279. 282 ÍT. Hammelburg 120. 122 f. 139 f. 200. Fulda 120—123. 125. 136 f. 139 ff. 225 ff. 228. 232. 319. 322. 324 f. 150. 173 f. 226 ff. 231—245. 318. 332 320. 326. 346—350 Hanau 337 Fűnek, Gerard, O. F. M. 132 Hanstein, Joh. v. 317 Hanstein, Joh. Gottfr. v. 317 Harney, Mart. Dominik. 68 f. 90 Gagliano, Sisto de, O. F. M. 152 Harreveld 166 Garfield 154 Harstall, Hr. v. 317 Gargan, Báron Theod. v. 163 f. Hartiger, Thom., O. F. M. 206 Gargan, Madame de 164 Haselbeck, Gallus, O. F. M. 113—126. Garmisch 234 201 Gaudentius 179 Haumann, Hyac., O. F. M. 228 Gelnhausen 137 f. 333—345 Heiligenstadt 309 f. 317. 320 Genua 57 Heinrich, Benedikt. Abt 247 Gerlach, Beda, O. F. M. 325 Heinrich, Herzog v. Sachsen 294 Gerode 308. 310. 326 Heinrichs, Leó, O. F. M. 149 Georg, Landgraf v. Hessen 335 f. Heintz, Adam, O. F. M. 299 Georg, Herzog v. Sachsen 272, 294 f. Helm, Phil. 322 360 PERSONEN- UND ÓRTSVERZEICHNI'S

Hems, Petr., O. F. M. 300 Johann, Kustos, O. F. M. 275 Henningk, Ludwig Dr., O. F. M. 131. Johann, Kurfürst v. Sachsen 298 f. 277. 279 302 f. Henrici, Benedikt. Abt 320 Johann d. Bestándige v. Sachsen Hermán, Kap. KI. 111 251. 257. 259 ff. 272 Hermeskeil 125 Johann Friedr. d. GroBmütige 261 Herrieden 121 Johann Friedrich, Herzog v. Braún- Herrlein, Andr., Hofmaler 242 f. schweig-Lüneburg 317 Hersfeld 137 Johann Georg, Herzog zu Sachsen, Hervaeus 17 Kurfürst 335 f. HeB, Dr. Joh. 287 Johann Philipp, Kurfürst 310. 312 ff. Hessen, Kari v., Landgraf 201 321 Hessen-Rheinfels, Landgraf v. 201 Jonas, Justus 178. 185 Hessen-Rheinfels, Christ., Land­ Joseph, hl. 339 graf V . 324 Jotern, Didym., O. F. M. 150 Hessus, Eobanus, Humanist 190 Judas 44 Heunisch, Joh. Friedr., Prof. 204 Hillebrant, Mich., O. F. M. 119. 286 Hiltermann, Justin, O. F. M. 146, Kaiser, J. B. 61—94 148. 158 ff. 162 Kampschulte, Fr. W. 179 Himmelau, Zisterzienserinnenkloster Kapistran, hl. 129 ,344 Karlstadt, Andr. 279. 281. 285 Hippler, Seraph., O. F. M., 227 ff. Kaüfmann, Xav., O. F. M. 141 231 Kehr, Damian 149 Hirstell, Dr. 317f. Kelkheim i. T. 125 Höchst 136 Keller, Guido, O. F. M. 151 Hoepff, Joh. Kasp. 347 Keltz, Joh., M inorit 255. 262 Hof 116 Kenedy, Anselm., O. F. M. 148 Hofe, Marg. v. 249 Kernebrot, Heinr. 248 Hoff, Petr., O. F. M. 344 Kersteri, Andr. Georg, Bildhauer 321 Hoffmann, Andr., Pfr. 202 ff. 209 Keseling, Dr. Paul 308—332 Hogel, Zách., mag. 183 f. Kinold, Wenz., O. F. M. 167 Hohatzenheim 172. 175 Kircher, Andr., O. F. M. 337 Holbach, Hr. v. 248 Kircher, Eustach., O. F. M. 151 Hooft, Arnold 90 Kircher, Fidelis, O. F. M. 146. 159 Hooft, Christ. 61 Kirnbrot, Nicol. 248 Hooft, Petr. Corn. 61 Kiara, hl. 53 f. 57 Horn, Jóst. Adrián v. 317 Klemens IV., Papst 53 f. 57 Hülfensberg 324 Kleméns VII., Papst 59 Hunoldt, Joh. Jobst, Drucker 215. Kiing, Dr. Konr., O. F. M. 119. 133. 217. 219 f. 222 177— 198 Huyghens, Christ. 61 Klock, Dr. 344 Klöpper, Ign., O. F. M. 159 Jacobi, Mich., Pfarrer 347 Knorr, W ilh. v. 310. 317. 326 Jahn, Bonav., O. F. M. 148. 150 f. Koburg 116. 128 Jann, Giinther, Abt 326 Kóch, Franz, O. F. M., 142,145.147.152 Jansen, Dr. Franz 127— 141 Koch, Georg 317 Jansen, Peregr., O. F. M. .329 f. Köditz 253 Jeckermans, Math. 320 Köhne, Gábriel, O. F. M. 149 Jena 202. 265. 303 Koler, Joh., O. F. M. 270 f. Jerige, Vitus, O. F. M. 290. 294 f. Köln, Stadt 11 Jeremiás, Prophet 44 Kohl, Universitát 274 Jesso 126 Königsberg 285 Ingben, Marsil. v. 24 Könitz, Balth. 250 Innozenz IV., Papst 53 f. Könitz, Hr. v. 249. 255 Innozenz VI., Papst 57 Kopp, Bischof V . Fulda 149 Innozenz XI., Papst 92 Kopp, Laur., O. F. M. 340 Joachim, Abt 314. 320 Korúm, Prof. Dr., Bischof v. Trier Joachim, Abt v. Reifenstein 310 160 Johann, Abt v. Gerode 310 Kött, Bischof V . Fulda 123. 140 Johann XXII., Papst, 54 f. 57 Kottbus 116. 284 f. PERSONEN- UND ORTSVERZEICHNIS 361

Kranen, Theod. 64. 66 f. Malabranca, Húg. v. 12 Krossen 116 Mandonnet-Destrez 109 Krottorf 137 Manorola, Salv., O. F. M. 152 Kulm 116 Manteuffel, Statth. v. ElsaB-Lothr. Kümmel, Kilián, Ralshcrr 337 161 f. Kupferzell 139 Mantua 140 Manz, Pius, O. F. M. 152 Lagleder, Hieronymus, O. F. M. 145 Marburg 192. 349 Landau, Werner, Dr. med. 347 Marchant, Petr., O. F. M. 137 Lange, Joh. 185 Maré, W ilh. v., O. F. M. 5 f. 95 ff. Langhe, Georg, O. F. M. 133 Margarete, Paul, Priester 269 Lauban 116 Marienthal a. d. Sieg 120. 124. 139. Lauer, Aloys, O. F. M. 125. 142. 319 145 f. 148. 150 fT. 158. 162. 167 Marienthal a. Rh. 141. 150 f. Layen, Frhr. v. d. 315 Marktbreit 122. 139 Legnaco, Egid. 13 Martin IV., Papst 57 Leibniz 85—89 Martin V., Papst 56. 129 Leiden 61. 64 Martini, Petr. 317 Leipzig 58. 114. 133. 284 Mayronis, Franc. 32 Leó X., Papst 59 Mechler, Ágid. 181 f. Lee X III., Papst 125 Meiningen, 116. 128 Leopold, Kaiser 344. 350 MeiBen 114. 116. 118. 133 Leporis, Joan., O. F. M. 279 MeiBen, Markgraf v. 248. 251 Levi, Jude 318 Melchior, Brúder, O. F. M. 232 Leyen, Frhr. v. 318 f. Menius, Justus 178. 180. 185 f. 191 — Liebler, Kaspar, O. F. M. 122 195 Liegnitz 116. 131. 287 Menz, Kilián, O. F. M. 149 Limburg 120. 122. 137 ff. 201. 216. Metz 125'. 151. 163 f. 166 ff. 171. 310. 315 ff. .820. 323. 339 173 ff. Linck, VVenzesl., Dekán 281 Metz, Alb. V . 7 f . Löbau 116 Meyer, Isidor, O. F. M. 149 Lochau 297 ^ Michels, Engelb., O. F. M. 163. 166. Longniaco, Egid. de 14 f. 168. 173 Longpré, Ephrem, O. F. M. 95 Middleton, Rich. v. 9. 27. 33—52 Longpré, R. 5 f. Miltenberg 120. 122. 138 f. 226 ff. 324 Lorenz, Brúder, O. F. M. 337 Mirandola, Picus de la 99 Lorefo 164 Missale, W ilh. v. 22. 30 Löwen 62 Moeller, Aug., O. F. M. 150 Löwenberg 116 f. 282 ff. 305 Mohawkhill 146. 150 Löwenberg, Benedikl v., O. F. M. Molkmus, León., O. F. M. 146. 148 117 f. 133. 292 f. 306 Molitoris, Petr., 0. F. M. 279 Lübeck 55. 114. 133 Mondorf, Camillus, O. F. M. 145 f. Lubeln 172. 175 Montabaur 120. 122. 139. 320 Luckow, Joh. 288 Montigny 165 Ludewicus, Guardian 275 Monza, Pazif., O. F. M. 174 Ludowici, Adrián., O. F. M. 279 Moraeus, Simon, O. F. M. 203. 344 Lugaho 175 Moritz, Hrzg. v. Sachsen 273 f. Lüneville 332 Mosbach 120. 122. 139. 226. 232 Lupinus, Pelr. 281 Mühlberg 273 Luther 131. 178 f. 181— 186. 189. Mühihausen 116. 118. 128. 199—223. 191--196. 198. 207—211. 213 f. 216. 267—278 218. 221 f. 258. 279. 281 ff. 285. 303 Müller, Ewald, O. F. M. 199—223. Lutterbach 151. 167. 171. 173 231 Lychetto, Frz., Ordensgnl. 115 Müller, Férd., O. F. M. 142. 144 f. Lyon 115. 132 148 f. Lyra, Nic. v. 27 Müller, L. 326 Müller, Norbert, O. F. M. 332 Magdeburg 114. 133 München 347 Magliano, Pamfilio da, O. F. M. 152f. Münster 342. 350 Mailand 57 f. Münsterberg 117 Mainz 138. 337 Münzer, Thom. 271 f. 362 PERSONEN- UND ORTSVERZEICHNIS

Namslau 117 Pingel, Vitalis, O F. M. 323 Naumburg 251 Pisa, Barth. v., O. F. M., 2 ff. 6. 97 NeiBe 117. 131. 286 Planitz, Christ. v. d. 261 Neubrandenburg 114. 132. 282 PlaBmann, Dr. Thom., O. F. M. 111. Neuburg a. D. 121. 140. 228 156 Neuenburg 116 Pertu, Maurit. a 19. 27 Neu-Fulda 143 Pott, Ernestus, O. F. M. 321 Neumarkt 117 Prag 116 Newark 142. 145 Presso, Sámuel de, O. F. M. 152 New York 142. 152 ff. 157 PreuBen 114. 133 Nicolaus, Bisch. v. Albenga 53 f. 57 Puigcerda, Arn. v., M inorit 55 Niels 70 Nikolaus III., Papst 53 f. 57 Quifione.s Ordensgnl. 59 Nikolaus IV., Papst 53. 57 Nymwegen 64 Rabé, Dr. Herm., Dominik.-Provz. Nordhausen 116. 118. 128. 177 271 Nördlingen 338 RaeB, Bischof, 160 f. Nürnberg 262 Rederstorff, Maternus, O. F. M. 173 NuBbach 125 Regensburg 272 Rehm, Arsen., O. F. M. 122. 228 f. O’Brien, Alb., O. F. M. 111 231. 347 Obernburgh 150 ff. 154 Reifenstein 271. 308. 310. 314. 316 f. Ockam 15. 30 320. 326 Odonis, Gerarld 30 Rewsz, Thom., O. F. M. 279 Oehninger, Adam, O. F. M. 232 Reynhardus, Minorit 269 Ogdensburg 146 Rhin, Frau Hptm. 331 Oliger, Livarius, O. F. M. 112. 158— Rietberg 350 176 Rimbach, Róbert, O. F. M. 332 Olivi, Petr. Joh. 95 Robitzsch, Theod. 271. 273 Onias, Hohepriester 44 Röder, Joh. 254 Orb 341 Rogerii, Petr. 32 Oschatz 116. 118 Rogge, Nik. 314 f. Osnabrück 342 Röhrscheidt, Norb., O. F. M- 159 Ostein 328 Rollaw, Joh., O. F. M. 118 Ottobeuren 236 Rom 58. 68. 92 ff. 116. 125. 152. 176. Oxford 15. 27. 33. 98 230. 318 Rosenberg, Gráf v. 344 Paderborn 350 Rösser, Val., O. F. M. 225 Padua 68 Rothmeler, Joh., O. F. M. 270 Palude, Petr. de 17 Rottweil 125 Paris 8— 12. 14— 18. 20 ff. 26. 32 ff. Rudolf, Guardian, O. F. M. 276 51. 143; FranziskanerkL 7; Guar­ Rueberg, Hyacinth, O. F. M. 149 dian 13; Provinz 8; Univ. 24. 107 Rufus, Herm. 268 Parma 117. 134 Rüsing, Dam., 0. F. M. 125. 148. 150 Píirmo, Aloys a, O. F. M. 151 Rutherford 154 Paterson 145— 152 Rütten, Math., Pfr. 345 Paulus, Dr., Bisch. v. Askalon 255 Rütten, Math., O. F. M. 314 ff. 318 Paulus, Dr. N. 53—60 Peckham, Joh., O. F. M. 1 Saalfeld 116. 128. 246—266 Pedrini, Anton, Architekt 316 f. Saarbrücken 125 Peekskill 148 Sagan 116 Pellikan, Konr. 282 Salmünster 120. 122 ff. 139 ff. 151. Peraudi, Raym., Nuntius 251 168. 228. 322. 325. 340. 342 f. 345 Peyer, Ant., O. F. M. 232 —350 Pfeiffer, Heinr., Mönch 270 ff. Salza, Friedr. v., M inorit 247 Pfitzenreuter, Dr. ined. 317 Salza, Jac. v., Bisch. v. Breslau 117 Philipp, Landgraf v. Hessen 272 Samland, Christ. v., Bisch. 268 Philipp Wilhelm v. d. Pfalz, Krfst. Sander, Maur., O. F. M. 145 f. 344 Santarelli, Joh., O. F. M. 166 Pick, A. 182 f. Sapporo 126, 167 Pigghe 196 Saulgau 125 PERSONEN- UND ORTSVERZEICHNIS 363

Scanlan, Dominik., O. F. M. 152 Steno (Stensen), Niels, 64 f. 68'f. 90 Schang, Caes. Mgr. 163 Steyde, Paulus, O. F. M.-279 Schannat, Fr. 347 Stettin 114 Schaumberg, Marg. v. 249 Stetten 124. 133. 141 Scheithauer, Rich. 267—278 Stolleisen, Heinr., M inorit 333 Schertzer, Vitus, 0. F. M. 288 f. StraBburg 160 Schezzelinne, Marg. 268 Strecker, Joh. Adam, Advokat 323 Schilling, Jac., M inorit 187 f. Strehlen 117 Schiüingsfürst 120. 122. 139. 236 f. Stroebele, Alb., O. F. M. 146 Schleifras, Adalb. v., Fürstabt 232 Stumelius, Friedr., O. F. M. 122 Sthlettstadt 175 Stumpf, Generalvikar 160 Schlieben 203 St. Brieue 163 Schlitt, Gregor, O. F. M. 142. 146. St. Jobst 116 148. 150 f. St. Louis 148 Schmidl, 0. F. M. in Eger 273 St. Trend 342 Schmitt, Cornel., O. F. M. 232—235 Suber, Dr. 318 326 Sulzböck, Amandus O. F. M. 352 Schmitt, Polyk., O. F. M. 239 Swan, Joan., O. F. M. 279 Schmitt, Wolfg., O. F. M. 122 Svvenichen, Alex., O. F. M. 119. 133. Schmutzer, Joh. 234 f. 279 f. Schnabel, Joach., O. F. M. 279 Sylvius, Joh., O. F. M. 69. 334 f. Schuchart, Ottó, O. F. M. 320 Schuler, Dionys., O. F. M. 125. 146. Tarantasia, Petr. v. 24 148— 151. 159 f. 162. 167 f. 172 Tauberbischofsheim 120. 122. 226 ti'. Schurff, Hieronym. 301 ■ Teistungenburg 308. 326 Schütz, Heinr. v. 247 Theifien, Petr., 0. F. M. 320 Schwalbach, Joh. Friedr. v., Abt 347 Thomas v. Aquin, hl. 24 Schwalbach, Phil. Férd. 347 Thüna, Friedr. v. 256 f. 262 Schvvarzburg, Gráf v. 246—248 Thüringen, Kustodie 114. 133 Schwarzenberg 120. 122. 139. 226 T il de Hasi, Gnl. 341 Schwederich, Jac., O. F. M. 118f. Tilesius, Superintend. 274 262 f. 279. 283 f. Timon, Bischof v. Buffalo 152 ff. Schweidnitz 117 Toledo 119. 136. 338 Schwesinger, Dr. H., 24fi—266 Toledo, Alph. v. 99 Seckendorí, Veit Ludw., Kanzler 180ft. Tölz 234 Seehenber, Joh. 314 Torgau 116. 192. 281. 289. 293 ff. Seufilitz 116. 118 297. 306 f. Sichardus, Joh., Humanist 347 Tournai, Guib. v. 100 ff. Sinzheim 120. 122. 139 Trabibus, Petr. de 95 f. Sinzig, Petrus, O. F. M. 355 Treviso, Márkus v., M inorit 56—60 Sixtus IV., Papst 59 Trithemius, Eucharius, O. F. M. 347 Skotus 1—32. 96. 98 f. 279 Troyes 58 Soisdorf 230 ...... Tullian, .V ., Oberförster 345 Sonanberg, Andr., O. F. M. 279 Tyle, Jac., M inorit 300 f. Sorau 116 Spalatinus, Georg, Pfarrer 261 Uhimann, Dr. Jós. 107 Spalt 120. 139 Ulm-Söflingen 125 Spettmann, Hieron., O. F. M. 103 Urban IV., Papst 53. 57 Spiegel, Phil. v., Propst 203 Urban V., Papst 57 Spinola, Bischof 121 Urban VIII., Papst 136 Spinoza, Philosoph 61. 63 f. 67. 69. Urrutibéhéty, Chrys., O. F. M. 163 70—91 Usingen, Barth. 190 Spyra, Herm., O. F. M. 269 Stamm, Konr., O. F. M. 251 Valentini, Ernestus, O. F. M. 337 Stanton, Ludwig, O. F. M. 152 Vallebona, Gundis. da 7 Stapper, Richard 352 ff. Velten, Petr., O. F. M. 340 Stassen, Gallus 184. 191 Vargas, Alph. de, Aug.-Eremit 24 Staupitz, Augustiner 283 Venedig 58 f. 66 Steiner, Frz., O. F. M. 174 Verdugoz, K., Statthalter 334. 336 Steingaden 236 Ververs, Matth., O. F. M. 320 Stemmelen, Gregor, O.F.M. 163.166í. Vierzehnheiligen 236. 245 3 6 4 PERSONEN- UND ORTSVERZEICHNIS

Viliingen, Konvent zu 20 Wiegand, Hyae., O. F. M. 326 Vogt, Berard, O. F. M. 142—157 Wien 140 Voit, Jac., O. F. M. 288 f. . Wien, Anselm v., O. F. M. 286 Volkersberg 120. 123. 139 f. Wiesbaden 125 Volusius, Ad. Gottfried, Weihbischof Wilhelm, W ilh., O. F. M. 226. 228 V . Erfurt 319 Wingersheim 172 Vorillon, Wilh. v. 24 f. 27. 99 Winsted 152 ff. Wintzingerode, H. Siegm. v. 324. 326 Waberschnall, Frau v. 318 Wittenberg 114. 117. 133. 135. 279— Wadhams, Bischof 143 f. 307 Waes, Joh. v. 24 Witzel, Georg 189. 196 Waldstetten 233 Witzel, Theoph., O. F. M. 224—231 Wanfried 201. 318 Woestyne, Zách. v. d., O. F. M. 102 Wangen 125 Wohlhaupter, Hofmaler 242 Ware, W ilh. v. 2—5. 15. 95. 98 Wohlau 282 ' Warendorf 350 W olf, Med., O. F. M. 201 f. Wartburg 192 Wolfersperger, Paulus, O. F. M. 174. Wartenburg 116 Wolferus, Minorit 268 Washington 156 W olff, Paul, O. F. M. 347 Watersleyde 125. 151 W olffahrt, Paul, O. F. M. 337 Weggenthal 125 Woodford, Wilh. 15 Weida 116. 294 f. 297 Worbis 120. 139. 199. 201 f. 211. Weimar 192. 253. 289 226 íl'. 236. 242. 308—332 Weisbecker, Jós., Lehrer 343 Wuesten, Heinr., 0. F. M. 335 f. 347 WeiBenbach 256 Wunschalt, Joh., O. F. M. 285 ff Weifienfels 116 Würschmidt, Ivo, Advokat 324 Wellenborn 249 Würzburg 138. 245. 337. 350 Werinherus, Minorit 268 W erl 350 Werner, Chrys., O. F. M. 323 Zeitz 114. 116. 132. 135 Wessobrunn 234 f. Zella 234. 308 Wetzlar 120 f. 137 —140. 203 Zimmermann, Dóm., Architekt 234 Weyer, Lamb. v. d., O. F. M. 338 •Zittau 116 Wicelin, Konr., Dechant 347 Zwickau 116. 295. 297 Wiedenbrück 350 Zwingli 192 K a r t e / .

Die Saxonia Sa.nctUoaTmisjBaptista.e^ vorderTeilunff imJaáre /5Zf V Ortsname- J?ieMatio Superior imJaAre /62i schraffiert ^Eustodie TJiUrinffeTi' (/ / /\ Xeipzi^ U/M M e is s e n I ,J GoJdier^ H ZZ B r e s la u - \/// A « Praasserv \/// Á UerUnderimffen inden Kustoctien Breslau imd GoTdHe/y a). Tia<£(iemMesc/ihiB des ffen eraljíáp ttels zuJSujyos 'rmiL 6.Ju rti ISZ3-Mhmerv zu^eAsiit ' Ortsnam e- bj. nach derSentenz oonAtrgos abyesproAav:

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Die JhurinffzaJnferior Sí^£lisahetfL im Jahre /762 • Ortsname DieJHu7-ingia Superior St£lisabet/v im Ja/ire /7&Z; • Ortsname B ieJhitringia S^Slisabeth, im JaÁre /SS3; • Ortsname

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Efítw. u.^ez. ^ ürFrz.Jansen. FM NZISKANISCHE STUDIEN

Quartalschrift

Zehnter Jahrgang

1923

Münster in Westf. Verlag dér Aschendorífschen Verlagsbuchhandlung Herausgegeben von Mitgliedern des Franzlskanerordens. Schriftieiter: P. Dr. Ferdinand Doelle O. P. M. in Bonn (Kreuzberg). Druck dér Aschendorffschen Buchdruokerei, Münster 1. W. Inhaltsverzeichnis.

I. Abhandlungen und kleinere Beitrágé. Selte 1. Handschriftliches zu Skolus m it neuen Aagaben über sein Leben. Von P. Dr. F ra n z P e ls te r S. J. in R o m ...... 1 2. Die Frage dér Armenseelenanrufung bei Richard von Middietown. Von Abt B e rn h a rd D u rs t O. S. B. In N e re s h e im ...... 33 3. Die Ablasse des Frailziskanerordens im Mittelalter. Von Dr. Nilsolaus P a u lu s in M ünchen...... 53 4. Albert Burgh 0. F. M. Ein Konvertit aus dem XVII. Jahrhundert. Von Professor J. B. Kaiser in Montigny...... 61 5. Neuere Forschungen zűrFranziskanerschule. Von P. Dr. H ie ro n y m u s Spettmann 0. F. M. in Dorsten ...... 95 6. Die spekulative Würdigung des Primates durcii Bonaventura. Von Dr. Jo se p h U h im a n n in W i e n ...... 103 7. Zum Jubelíest derThüringischen Ordensprovinz. VonP.Gallus Hasel- beck O. F. M. in G o íh e im ...... 113 8. Gründung und Entwicklung dér Thüringischen Provinz. Von Dr. F ra n z Jansen in B o n n ...... 127 9. Die Provinz vöm lil. Namen Jesu in Nordamerika. Von P. Dr. Berard V o g t 0. F. M. in A lle g a n y ...... 142 10. Die elsafi-lothringischen Franziskanerklöster und die Thüringische Pro­ vinz. Von P. Livarius Oliger O. F. M. in Rom ...... 158 11. Dér Erfurter Dompredlger Dr. Konrad Kiinge und seine Stellung zűr Relormation. Von Studienrat Dr. Hermann Bücker in Cleve . . 177 12. Die literarische Fehde zwischen dem Franziskaner P. Edmund Bau- mann (1645—1731) und dem SuperintendentenD. Johann Adolph Frohne zu Mühlhausen 1. Th. (1652— 1713). Von P. Dr. E w a ld M ü lle rO .F .M . in F u ld a ...... 199 13. Das Bibelstudium in dér Thuringia von 1764—1786. Zwei Orientalisten des Frauenberges. Von f P. Lie. T h e o p h il W itz e l O. F. M. in Fulda. Nachruf und SchriSten Witzels von P. Dr. Ewald Müller O. F. M. in F u ld a ...... 224 14. Die Franziskanerklrche auí dem Frauenberge bei Fulda als Kunstwerk. Von P. R e m ig iu s B o v in g O. F. M. in B o n n ...... 232 15. Das Franziskanerklöster in Saalfeld a. S. Von Dr. H. Schwesinger in PöBneck i. Th...... 246 16. Das Franziskanerklöster zu Mühlhausen i. Th. Von Studienrat R ic h a rd Scheithauer in Mühlhausen ...... 267 Í V ÍNHALTSVERZEICHNIS Seite 17. Das Wittenberger Franziskanerkloster und die Reformation. Von P. Dr. F e rd in a n d D o e lle O. F. M. in Bonn...... 279 18. Das Franziskanerkloster zu Worbis auf dem Eichslelde. Von Studien- assessor D r. P a u l K e s e lin g in Lohr a. M...... 308 19. Schicksale des BarfüBerklosters Gelnhausen im DreiUigjalirigen Kriege. Von P. D am asus F u c lis O. F. M. in F u ld a ...... 333 20. Zűr Gescilichte dér Franziskanerbibliotheken zu Fulda und Salmünster. Von Staatsarcliivar Dr. W ilhelm Derscii in M arburg ...... 346

II. Abbildungen. 1. t P. Theophil Witzel, Kustos dér Thuringía. P. Maximilian Brandys, Provinzial dér Thuringia. P. Matthias Faust, Provinzial dér Namen-Jesu-Provinz . . Titelb. zu Heít3/4 2. Franziskanerkloster zu Paterson...... 142—157 3. Serapliisches Kolleg zu C a llic o o n ...... 142—157 4. St. Bonaventure’s Seminary and College...... 142—157 5. Éloster Frauenberg bei F u l d a ...... 232^245 6. Blick auf die Orgelbühne dér Frauenbergkirche...... 232—245 7. Inneres dér F ra u e n b e rg k irc h e ...... 232—245 8. Franziskusaltar dér Frauenbergkirche...... 232—245 9. Hochaltar dér Frauenbergkirche...... 232—245 10. Kanzel dér Frauenbergkirche...... 232—245 11. Statue des hl. Franziskus mit N ise h e ...... 232—245

III. Besprechungen. 1. Bierbaum , Dr. Max, Bettelorden und Weltgeistliohkeit an dér Uni- versltat Paris (J. B. K .) ...... 107 2. B eauíreton, Maurice, Anthologie franciscaine du Moyen-áge(J. B. K.) 108 3. G oyau, Georges, Figurines franciscaines (J. B. K . ) ...... 109 4. M a n d o n n e t-D e s tre z , Bibliographie Thomiste (P. H. Sp.) .... 109 5. The Franciscan Educational Gonference (P. H. Sp.). . . . 111 6. O lig e r, P. Livarius O. F. M., Das Streitgedicht Mundus et Religio in einer Prosabearbeitung des 15. Jahrhunderts (P. H. Sp.) .... 112 7. F a c c in , P. Dominicus 0. F. M., Breviloquium biblicum ad mentem Sera- phici S. Bonaventurae tP- Amandus Sulzböck O. F. M .) ...... 351 8. F a c c in , P. Domenico O. F. M., Facciamo conoscere S. Bonaventura (P. Amandus Sulzböck 0. F. M .) ...... , ...... 352 9. S ta p p e r, Richard, GrundriB dér IJturgik (P. Hugó Dausend 0. F. M.) 352 10. G ö tz e lm a n n , P. Ambrosius O. F. M., Dér Volkersberg und sein Kloster (Dersch)...... 354 11. B ü h le r, Johannes, Klosterleben im deutschen Mittelalter nach zeit- genössischen Aufzeichnungen ( D e r s c h )...... 355 12. S inzig, P. Petrus O. F.M., OThaumaturgo(P. Ferdinand DoelleO.F.M.) 355

IV. Personen- und Ortsverzeichnis . . . . 357 Í«»Mi

Besprecímngen . . * ...... ^ . . . 351 1. P. D o m in ik u í Faccin Ö .F .M ., Breyiloquium biblicuna ad mentem SerajphidDoctoris3.Bon«ventur«e(P. Amandus Sülzböck O . F. M .). 2. P., Donaenico Faccin O .F .M ., Fácciamo corioscere S. Bona- venttira (P. Amandus Suízböck O i F. M .) .; 3. Prof, Dr. Richard Stappér, Grundrifi dér Lifurgik (P. Hugp Dautehd O. F.1VI.). ; . 4. P. Ambrosias Götzelmann O. F, M., Dér Volkersberg und seln Klotter (Dérsch). f v 5. Johannes B ü h le r, Klósterleben im deutschén Mittelaltítf (Dertch). 6. Petrus Sihzig Ó . F. M ., O Thauniaturgo (P. Ferdinand Doelle

Pás Programra dér ZeitscHrift M die feforschung de* EÍaflussei, den das Franziskanértum auf da* g«amte Geistesleben dér Vergangen- heit ausgeübt hat, und dér a u fi^ n und inneren Geschichté dér Stií- tungen des hl. Franjáskus mit besonderer Berücksichtigung des germa' lütdieá Spradigébiete*.

ÁUe -die Schriftltítung dér Zeits<áirift betreffenden: wblie ; , mán riditen an: ; ' ' Schrihleitung dér Franziskáraschén Studien. Bonn, Kreüzbei^. Schriftleiter : P, D r. Ferdinand; D p e lle O .F . M .

D*« folgfende Heft eríclieint im Jsnuar 1^ 34. I 3' i . i 3

S Abonaem éat: Jedes Heft (Gr.) —,75; E in ze llie fit (Gr.) 1,—. i A^azeigent Die dreig^spaltene mm-Zeile (37 mm) (Gr.) —,05; SelilüBsel- i zaW des görsénvereins. • : ' . “ AscheittloFffsche Verlagsbuohhaniitung, llllűtister in Westf. jFRJVNZISKAiNISeHE ST íTér4píg0gebeii vöii Pv Dr/Ferdtóaii,Ü Doelle Q. F. M,, . ^ ’ Bónn-Ki*euz:bergv ’ . . - > Beiíiefté; i er&chienen bisher:, ' • I. Rlqster un(l Gymnásium Autonlaiiúm dér Franasiskaner , ; Zu Geseke. 1915., Von P. Di^akus Falke 0. F. M. XIV uv • 191-S;. ■ • ; 'i'' ''f V il. Betteloxden und Weltgeistíiclikeit an dér, ünlversitat Paris. Texto und Untersuclaungen zrnn literarisehen Arnjuís- xmd. ExeültioBsstféit des 13. Jahrtonderts (1255-^1272). Iffit zwei/HéxiásicJttiítentaíeln. Í92Ö.; V Bier- liaam. :?^I: u. 4Ö6 S; í0,75|g*/‘13,50:..V ; : III. Keloraátáilgkelt dés ProTÍnziaís Liúö^g Henxdoag In dér Sáchs^^eu F^áüzlskanerjprbvliiz {15fl7--15lS), iöjá 5. Von " P. Br. Pérdinaptí liöllle O.F.M. XVI iipíj SV 's,—. IV; Di© i^aBzlskaner^^^^l^ Land% 1. Teíl: Die Franzis- kaiier a^tdem Siöii(1336--^í551);/Í9i6. VŐb P. Dr; tó M.". ;XVlví«. :82|:S.í'- ÍJZ . ' vergrfffen. V, Dle Spatmittél^lers. Fesíschrift züm sfebénlJundértjaMrígett Juöilanm dér Franziskaner- V missiojienfl2Í9—1919).: Mit 2Ííarí^. iMS, Von P.D r.L eo ii* ii-eminens 0.;F.,M. ; 5íir m géb. 5,—. . VI.^ W ilh é te ¥on Rubíwk. 'Em. W Fran^ ziskaagriopá^ und^Sjeíne ;$enöqng iá dás dér Ta;taren; 192Í. Vón Pi Dr. ÁcbatiusBatton 0. F .p . X ll u. 80 S; 2,3Ó. VJL Die MjgurtiWmiiíscI^^^^ Kelormbewegung Sachsischen Franziskanérgrovinz (Mittél- ynd Nordostűeutschlaijd) im 15. Und 16. jalíriündert. / Í9S1;' P Dr. Ferdinand ^D 6 eíle^Ó.F.M: Xn lu 169 SvV ■ r " ' Vni. Dle Aniaagé des íratizlskanischeii IJritten Ordens. Vor- geséMcbté,; E^twickiung deí^ Von P. Tr. Fidentiu s V. d. Borne-O.íF (Untéi dér Pres&e.) IX, Dér SeBt^iizéafeöjnmentar P’eters von Candia, des Pi- saaer Pjap#es Álexandérs ' Ein^ Beitrag zűr Scheidung ^ : Vder Schüfórf des 14. íahrhunderts und zűr « OescMeMe deis. Wégfe^réitejiV Vón Kardinai F rtin z E h r ie S. Ji :;;(Uníer'detf Préséé.)-■