Carmen Miranda: Ein Bio-Biblio-filmografisches Dossier 2020
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Repositorium für die Medienwissenschaft Hans Jürgen Wulff Carmen Miranda: Ein bio-biblio-filmografisches Dossier 2020 https://doi.org/10.25969/mediarep/13565 Veröffentlichungsversion / published version Buch / book Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Wulff, Hans Jürgen: Carmen Miranda: Ein bio-biblio-filmografisches Dossier. Westerkappeln: DerWulff.de 2020 (Medienwissenschaft: Berichte und Papiere 191). DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/13565. Erstmalig hier erschienen / Initial publication here: http://berichte.derwulff.de/0191_20.pdf Nutzungsbedingungen: Terms of use: Dieser Text wird unter einer Creative Commons - This document is made available under a creative commons - Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0/ Attribution - Non Commercial - No Derivatives 4.0/ License. For Lizenz zur Verfügung gestellt. Nähere Auskünfte zu dieser Lizenz more information see: finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Medienwissenschaft: Berichte und Papiere 191, 2020: Carmen Miranda. Redaktion und Copyright dieser Ausgabe: Hans J. Wulff u. Ludger Kaczmarek. ISSN 2366-6404. URL: http://berichte.derwulff.de/0191_20.pdf. CC BY-NC-ND 4.0. Letzte Änderung: 25.02.2020. Carmen Miranda: Ein bio-biblio-filmographisches Dossier Zusammengestellt v. Hans J. Wulff Inhalt: 1. Die Frau mit dem Tutti-Frutti-Hut. Carmen Miranda – Showstar und Brazilian Icon [1] 2. Bibliographie [6] 3. Filmographie [18] 4. Diversa [26] 1. Die Frau mit dem Tutti-Frutti-Hut. Carmen Miranda – Showstar und Brazilian Icon Carmen Miranda * 9.2.1909 in Várzea da Ovelha e Aliviada, concelho [Kreis] de Marco de Canaveses, Portugal † 5.8.1955 in Beverly Hills, USA eigentlich: Maria do Carmo Miranda da Cunha Carmen Miranda wurde als zweites von sechs Kindern von José Maria Pinto da Cunha und Maria Emilia Miranda (da Cunha) in Portugal geboren, Jedoch zog die Familie nach Brasili- en, noch bevor Carmen ein Jahr alt war, und ließ sich in Rio de Janeiro nieder. Im Alter von fünfzehn Jahren begann sie, in einem Modegeschäft als Hutmacherin zu arbeiten. Bald da- nach machte sie sich als Hut-Stylistin erfolgreich selbständig. Schon mit siebzehn machte sie in kleinen Rollen ihre ersten Erfahrungen als Schauspielerin. Auch als Sängerin gewann sie schnell lokale Aufmerksamkeit und nahm 1929 mit dem Komponisten Josué de Barros ihre erste Schallplatte auf (mit der Samba „Samba Não Vá Sim’bora“ und dem Choro „Se o Samba É Moda“). Mit der Komposition „Taí (Pra Você Gostar de Mim)“ von Joubert de Car- valho (1930) begann ihre erfolgreiche Karriere in Brasilien. Sie sang, begleitet von der Grup- pe Bando da Lua, die bekanntesten Kompositionen ihrer Zeit von Assis Valente und Ari (Ary) Barroso. Schnell wurde die gerade 21-Jährige zum Musikstar, unterzeichnete einen ZweiJahresvertrag mit RCA Victor (1930; später: Odeon Records), wurde gar 1933 erste Kon- Medienwissenschaft: Berichte und Papiere wird herausgegeben von Hans J. Wulff und Ludger Kaczmarek in Verbindung mit Anna Drum (Dresden), Sophie G. Einwächter (Marburg), Dietmar Kammerer (Marburg), Franz Obermeier (Kiel) und Sebastian Stoppe (Leipzig). Carmen Miranda // Medienwissenschaft, 191, 2020 /// 2 traktmusikerin der brasilianischen Radiogeschichte, als sie sich für Rádio Mayrink Veiga verpflichtete, den populärsten brasilianischen Sender (1937 wechselte sie zu Rádio Tupi), und schließlich zur bis dahin höchstbezahlten Radiomusikerin Brasiliens überhaupt. Die Junge Frau hatte bereits in einigen Filmen der frühen 1930er Jahre Nebenrollen als Tänzerin und Sängerin gespielt; 1933 wurde sie zum ersten Mal in einer größeren Rolle als Carneval-Sängerin in dem Musical A Voz do Carnaval von Adhemar Gonzaga und Humber- to Mauro verpflichtet – der Film enthielt eine ganze Reihe komischer Sketche und musikali- scher Einlagen seinerzeit populärer brasilianischer Stars der Populärkultur, zu denen auch Carmen Miranda zählte. Ihre Karriere fußte in den 1930er Jahren hauptsächlich auf einer unübersehbaren Zahl von Konzerten und einer ganzen Reihe von Schallplattenaufnahmen; die Zahl der Filmauftritte ist dagegen übersichtlich, wenngleich sich schon hier Elemente ihrer späteren Hollywood-Erfolge abzeichneten. Von besonderer Bedeutung ist Alô, Alô, Brasil! (1935, João de Barro, Wallace Downey, Al- berto Ribeiro), in dem die Junge Frau nicht nur als Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin arbeitete, sondern auch die (eigenen und einige der fremden) Kostüme gestaltete. Bekannt wurden vor allem die mit Goldfäden durchwirkten („lamé“) Hosenanzüge, die sowohl Car- men wie ihre sechs Jahre jüngere Schwester Aurora (i.e. Aurora Miranda da Cunha Richaid), die gleichfalls in dem Film mitwirkte, trugen. Die Idee für die Anzüge war der Kostümie- rung zeitgenössischer Hollywood-Filme abgelauscht, wurde aber übersteigert und karneva- lisiert. Als die beiden Schwestern in besagter Kleidung das Lied „Cantoras do Rádio“ vortru- gen, zeigte Carmen Miranda bereits artifizielle Übertreibungen in Gestik und Mimik, die sie später in Hollywood perfektionierte – schnell wechselnde Gesichtsausdrücke, schnelle Au- genbewegungen, Spiel mit Unheil androhendem Lächeln, exponierte Handgesten, kurz: eine deutlich übertreibende Theatralität des Spiels, das seine Dynamik aus sich selbst und aus der Dramaturgie der musikalischen Nummer gewann und nicht mit der Rahmenhandlung verbunden war. Die Eindruck der Dynamik der Tanzbewegungen ebenso wie das Schema der Langbeinigkeit wurde durch bis zu 18 cm hohe Absätze extremifiziert. Auch wenn die Extravaganz der Kostüme von Mirandas Bühnenshows bekannt war, wurde Banana da Terra (1939, Ruy Costa) zur ersten Manifestation der Künstlerin als Träge- rin der später oft so genannten „Obst-Hüte“. Zum Thema wurden sie in dem Lied „The Lady in the Tutti Frutti Hat“ aus Busby Berkeleys Film The Band’s All Here (1943). Zum ersten Mal trug Miranda das berühmte baiana costume in Banana da Terra – meist elegante knie- umspielende Abendkleider, bauchfrei, mit Puff-Ärmeln; und vor allem mit auf dem Turban kunstvoll arrangierten Pflanzen-, Blumen- und Frucht-Elementen. Gerade der Turban wur- de zum ikonischen Teil des Miranda-Images. Sie trug zwar nur zwei Titel im Film vor; der eine nahm unmittelbar Bezug zum „Baiana-Kostüm“ („O Que É Que a Baiana Tem?“ [„What Does the Baiana Have?“]), der andere war der damals populäre Song „O Pirulito“ (dt. svw. „der Lolli“, vorgetragen zusammen mit dem Schauspieler und Sänger Almirante [eigentl. Henrique Foréis Domingues]). Es war das Baiana-Kostüm, das ihre spätere Bedeutung als prototypische Vertreterin der afro-brasilianischen Frauen anbahnte: Sie waren als „Frauen von Baiana“ sprichwörtlich, die seit der Kolonialzeit Früchte und andere Lebensmittel in den Straßen von Salvador da Bahia und Rio de Janeiro verkauften; sie galten zugleich als Priesterinnen der synkretistischen Religion des Candomblé, einer afro-brasilianischen Reli- gionsgemeinschaft zwischen Katholizismus und westafrikanischen Volksreligionen (ein Be- zug, der in der nordamerikanischen Wahrnehmung der Sängerin aber keine Rolle spielte). Die Impulse zu dieser so karnevalesk anmutenden Kostümierung entstammten also bra- silianischer Volkskultur. Erst viele Jahre später wurde sie ikonischer Teil politischer Bedeu- tungen, die Miranda zu einem Brazilian Icon machten. Nach ihrem frühen Tod in Kaliforni- Carmen Miranda // Medienwissenschaft, 191, 2020 /// 3 en bestand kein Zweifel daran, dass ihr Leichnam nach Brasilien überführt werden müsse (sie wurde auf dem Friedhof São João Batista in Rio de Janeiro beerdigt). Der komplette Nachlass wurde dem Museu Carmen Miranda in Rio de Janeiro, das 1976 eröffnet wurde, vermacht. Auch die amerikanische Filmindustrie hat Carmen Miranda zunächst früh, auf dem Höhepunkt ihrer Beliebtheit – 1941 war sie der erste lateinamerikanische Star, der Hand- und Fußabdrücke in Grauman’s Chinese Theatre hinterlassen durfte, und der erste südamerikanische Star, der einen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame erhielt –, danach aber erst spät geehrt – 1998 wurde die Kreuzung Hollywood Boulevard und Orange Drive in Carmen-Miranda-Square umbenannt. Und sie zählt heute zu den 50 größten Leinwandle- genden (in der Liste des American Film Institutes). 2011 wurde sogar eine Briefmarke mit ih- rem Porträt ausgegeben. Bis heute ist sie aber eine Künstlerin der brasilianischen Populärkultur, die nicht nur ver- einnahmt, sondern auch polarisiert. Viele glauben, dass sie zu einem verzerrten Blick auf die kulturelle brasilianische Nation beigetragen hätte; andere verweisen darauf, dass sie ganz im Gegenteil das Land nach der nachkolonialen Anonymität einen international er- kennbaren Charakter verliehen habe. Schon nach den ersten US-Auftritten wurde aber in Brasilien und auch in den USA der Vorwurf erhoben, sie gebe sich ganz der Kommerzialität der amerikanischen Unterhaltungsindustrie hin, erzeuge gar ein negatives Erscheinungsbild Brasiliens. Vor allem dem brasilianischen Bürgertum war sie „zu schwarz“, ihre Lieder ge- hörten dem oft unflätigen Korpus der „Schwarzen Sambas“ an; Ja, sie gebe sogar einem Rol- lenbild des Latino bimbo Ausdruck. Schon nach einem Besuch in Brasilien im Jahr 1940 wurde sie massiv mit der Ablehnung vor allem der weißen bürgerlichen Oberschicht kon- frontiert – und distanzierte sich. Sie antwortete musikalisch: Das Lied „Disseram que Voltei Americanizada“ („They Say I’ve Come Back Americanized“) thematisierte die Vorwürfe un- mittelbar. Und sie verließ das Land, das sie erst 14 Jahre später wiedersah. Wie Miranda selbst