Unireport 01-19 Goethe-Universität Frankfurt
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
UniReport 1.19 UniReport | Nr. 1 | 7. Februar 2019 | Jahrgang 52 | Goethe-Universität Frankfurt am Main Studentische Kritik an der VWL Eine Studie von Tim Engartner und Eva Schweitzer-Krah untersucht die Pluralismusdebatte in der Volkswirt- schaftslehre. 2 Die liberalen Kräfte im Islam stärken Der Jurist Rudolf Steinberg über sein Buch „Zwischen Grundgesetz und Scharia. Der lange Weg des Islam nach Deutschland“. 7 Grüne Maden schonen die Umwelt Das studentische Projekt Green Grubs stellt aus Maden der schwarzen Soldatenfliege proteinreiches Tierfutter her. 9 Ein sicherer Hafen für Forscher Der Masterstudiengang aus dem Ausland Das Goethe Welcome Centre erleichtert Interdisciplinary internationalen Wissenschaftlern das Neuroscience im Porträt Ankommen an der Gastuniversität. 19 Die intellektuelle Blütezeit Seite 3 der Universität Der Historiker Notker Hammerstein über seine gerade erschienene Biografie des Kurators Kurt Riezler. 24 Foto: Shutterstock, Vladimir (1116017291) Editorial 100 Jahre Soziologie in Frankfurt Liebe Mitstreiter, 1919 wurde der erste Lehrstuhl für Soziologie mit Franz Oppenheimer Ihnen persönlich alles Gute zum neuen 100 Jahre Soziologie Jahr! Ich hoffe, Sie sind gut gestartet, besetzt. Jubiläumsjahr an der Goethe-Uni mit Vorträgen und Diskussionen an der Goethe-Universität und es geht noch besser für Sie weiter. Für die Goethe-Universität beginnt das neue Jahr mit guten Nachrichten: m 1. April 1919 wurde der erste die Vielfalt und For- Die Wahlprüfsteine der Konferenz Lehrstuhl für Soziologie an einer schungsgegenstände Vorträge im Sommersemester 2019 Hessischer Universitätspräsidien (KHU), deutschen Universität eingerichtet: der aktuellen Frank- deren Vorsitz ich im Oktober 2018 Franz Oppenheimer, Privatdozent furter Soziologie ver- 23. APRIL Prof. Dr. Thomas Scheffer übernommen habe, sind in den neuen Afür Staatswissenschaft an der Universität mitteln. Eine Fest- Existenzielle Probleme und das gesellschaftliche Koalitionsvertrag der Hessischen Berlin, wurde zum ordentlichen Professor veranstaltung zum (Un-)Vermögen der Soziologie. Landesregierung eingeflossen: 5 Prozent für Soziologie und theoretische Nationalöko- Jubiläum wird am jährlichen Budgetaufwuchs hatten wir nomie an der Universität Frankfurt ernannt. 12. November statt- 7. MAI Prof. Dr. Kira Kosnick gefordert, faktisch 4,6 Prozent werden Zusammen mit dem 1923 gegründeten Insti- finden. Jürgen Haber- Studieren in Zeiten neoliberaler Hochschulpolitik. uns versprochen. Hinzu kommen 451 tut für Sozialforschung hat die Frankfurter mas und Saskia Sassen neue Professuren, mehr Geld für den Soziologie die nationale und internationale (Columbia University, Franz Oppenheimer 21. MAI Vertretungsprof. Dr. Saša Bosančić Hochschulbau und ein 1 Mrd. Euro Forschungsagenda in den folgenden Jahr- New York) halten die Foto: Frank Lenart Kinder der Freiheit? Zum Individualisierungszwang schweres Digitalisierungsprogramm, an zehnten maßgeblich bestimmt. Um das Festvorträge; geplant unter kulturindustriellen Bedingungen. dem wir ebenfalls kräftig mitarbeiten 100-jährige Bestehen der Soziologie an der sind darüber hinaus mehrere Podiums- wollen. Die intensive Vorarbeit hat sich Goethe-Universität feierlich zu begehen, fin- diskussionen zu Frankfurter Traditionslinien 28. MAI Prof. Dr. Birgit Blättel-Mink ausgezahlt. Jetzt kommt es darauf an, den 2019 eine Reihe fachlicher und öffentli- und aktuellen soziologischen Debatten. Nachhaltigkeit in der Konsumgesellschaft und daraus für uns das Beste zu machen. cher Veranstaltungen zum Thema statt. Das Institut für Soziologie an der Goethe- die veränderte Rolle von Konsument*innen. Lassen Sie uns dies gemeinsam anpacken. „Wir möchten im Jubiläumsjahr einerseits Universität ist heute einer der größten uni- In diesem Sinne uns allen viel Erfolg! an die beeindruckende Tradition der Frank- versitären Standorte soziologischer Lehre und 4. JUNI Seniorprof. Dr. Tilman Allert furter Soziologie erinnern, andererseits aber Forschung in Deutschland und zählt welt- Soziologie als Formanalyse. Innovationspotenziale Herzliche Grüße auch die Fortschreibung der Forschung in weit zu den bedeutendsten und traditi- und Anschlusslinien im Werk der frühen Frankfurter. Ihre Birgitta Wolff Gegenwart und Zukunft beleuchten. Wir onsreichsten sozialwissenschaftlichen For- Präsidentin freuen uns auf den Diskurs mit der Wissen- schungseinrichtungen. Mehr als 20 Profes- 18. JUNI Prof. Dr. Markus Gangl schaft, mit Studierenden und den interessier- sorinnen und Professoren und über 60 Zunehmende Ungleichheit + Abstiegsangst = ten Bürgerinnen und Bürgern der Stadt“, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mit- politische Frustration? Zur Sozialstruktur der unterstreicht Prof. Thomas Lemke, Geschäfts- arbeiter kooperieren in den Forschungs- politischen Abkehr von der Mitte. führender Direktor des Instituts für Soziolo- schwerpunkten wie Soziologische Theorie, gie. Im Rahmen einer über zwei Semester Geschichte der Soziologie und Wissen- 25. JUNI Prof. Dr. Thomas Lemke reichenden Vorlesungsreihe werden Vertre- schaftstheorie, soziale Ungleichheit und Bil- „Mein langer Lauf zu mir selbst“. Von der Dialektik terinnen und Vertreter des Fachs die vielen dung, Sozialpsychologie und Kultur, Gender, der Aufklärung über Joschka Fischer zu den Science Facetten soziologischer Forschung an der Diversität und Migration. and Technology Studies. Goethe-Universität vorstellen. Diese Vorle- Johann Wolfgang Goethe-Universität | Postfach 11 19 32 sungen sind hochschulöffentlich und wer- 9. JULI Prof. Sigrid Rossteutscher, Ph.D. 60054 Frankfurt am Main | Pressesendung | D30699D Deutsche Post AG | Entgelt bezahlt den allen Interessierten offenstehen. Ferner Sind die „Volksparteien“ am Ende? werden Videosequenzen erstellt, in denen Weitere Informationen Jeweils 16.00 Uhr, Renate von Metzler-Saal, www.unireport.info Professorinnen und Professoren Einblicke in https://hundertjahresoziologie.uni-frankfurt.de IG-Farben-Haus, Campus Westend. 2 Aktuell 7. Februar 2019 | Nr. 1 | UniReport Trotz Kritik am Fach: Studierende beteiligen sich kaum am Erneuerungsprozess der VWL Studie von Tim Engartner und Eva Schweitzer-Krah zur Pluralismusdebatte in der Volkswirtschaftslehre chon seit Jahren findet in unterstreicht Eva Schweitzer-Krah; Mathematik der Volkswirtschaftslehre man kritisiere vor allem die Domi- 100 eine erstaunlich breit ge- nanz mathematisch-formalistischer Pädagogik Politikwissenschaft führte Diskussion über die Modelle, vermisse sozialwissen- 80 SAusrichtung des Faches statt. In schaftliche Zugänge und interdiszi- der sogenannten Pluralismusdebatte plinäre Bezüge zu angrenzenden 60 Naturwissenschaften fordern Kritiker unter anderem Fächern. Die VWL bleibe demnach 40 Geschichte eine größere theoretische Vielfalt, vorwiegend „neoklassischen Knapp- mehr Interdisziplinarität und eine heitsaspekten“ verhaftet; stattdessen 20 Erweiterung des Methodenreper- wünschen sich Studierende stärker toires. Längst hat die Diskussion die „verteilungspolitische Fragen“. Vor 0 Grenzen des fachinternen Diskur- diesem Hintergrund sei es überra- Kommunikations- Psychologie ses übersprungen und die wissen- schend, dass nur 13,7 Prozent der wissenschaft schaftsinteressierte Öffentlichkeit Befragten die Pluralismusdebatte Fehlende erreicht. „Erstaunlich ist aber, dass intensiv verfolgen und gerade ein- Interdisziplinarität die Studierenden, immerhin die mal 6,4 Prozent sich in entspre- in der ökonomischen Hochschullehre größte Statusgruppe an den Hoch- chenden Initiativen beteiligen. Be- Informatik Philosophie/Ethik schulen, bislang nicht dazu befragt sonders gravierend seien die (in %, N= 351, angegeben: wurden“, erklärt Tim Engartner, persönlichen Veränderungen, die explizite Bezüge werden „häufig“ Soziologie Rechtswissenschaft Professor für Didaktik der Sozial- eine Mehrheit der Studierenden oder „sehr oft“ hergestellt) wissenschaften mit dem Schwer- bei sich nach gerade einmal vier punkt politische Bildung an der Semestern festgestellt habe, betont Goethe-Universität. Zusammen mit Engartner: „Die Merkmale des Zoon seiner Mitarbeiterin Eva Schweitzer- politikon werden anscheinend von DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE Krah befragte er an fünf der zehn denen des Homo oeconomicus ver- Die Studie untersucht, wie Studierende der Volkswirtschaftslehre (VWL) größten wirtschaftswissenschaftli- drängt; Idealismus, Gerechtigkeits- an deutschen Hochschulen ihr Fach und die Pluralismusdebatte wahrneh- Die Studie „Wie denken Studierende chen Fakultäten Studierende der sinn und Empathie treten zurück, men. Schriftlich befragt wurden 351 Studierende der VWL im vierten über die Pluralismusdebatte in VWL nach ihrem Blick auf das Fach während Leistungsdruck, Karriere- Semester an den Universitäten Bonn, Frankfurt am Main, Hamburg, der Volkswirtschaftslehre?“ von und die Pluralismusdebatte. ambitionen und Konkurrenzdenken Heidelberg und Mannheim. Die Ergebnisse lassen sich in drei Kernpunkten Tim Engartner und Eva Schweitzer- zugenommen haben.“ zusammenfassen. Krah wurde unterstützt durch das Kritik an Mainstream-Lehre Die Studierenden teilen die Kritik an der ökonomischen Mainstream-Lehre. Die Ergebnisse haben Engartner Desillusionierung und fehlende Die VWL wird von ihnen als praxisfern, mathematisch fokussiert, wenig Themenfeld „Neues ökonomisches und Schweitzer-Krah durchaus Beteiligung interdisziplinär und abgewandt von gesellschaftlichen Grundfragen erlebt. Denken“ des Forschungsinstituts für überrascht: „Dass Studierende ihr Der Gegensatz von anfänglichem Eine flächendeckende Beteiligung an der Pluralismusdebatte