DAS TÄGERMOOS Ein deutsches Stück Schweiz DAS TÄGERMOOS Ein deutsches Stück Schweiz

— Anton und Genofeva Hörenberg mit Tochter Karoline: Konstanzer GEMÜSE- Tobias Engelsing GÄRTNER im Schweizer Tägermoos, 1903.

„Der Rat ermahnt die Bürger- schaft, sich der Vexierwort und Schimpfreden zu enthalten, so etlich Unbedächtliche gegen die Thurgäuer pflegen zu gebrauchen.“

Der Rat der Stadt an seine Bürger, 1628 Erschienen anlässlich der gleichnamigen Sonderausstellung des Rosgartenmuseums Konstanz 2016 INHALT

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ISBN 978-3-87800-098-3 8 ALTER STREIT UM GRÜNE FELDER Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. 10 Expansionsgelüste einer Reichsstadt Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung 18 Die Nase des Kaisers und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 20 Wird Konstanz eidgenössisch? 24 Ein Kloster verkauft Land 26 Woher kommt der Name? — DIE DRUCKLEGUNG WURDE GEFÖRDERT DURCH 28 Schwedische Belagerung 38 Hinrichtungen auf Schweizer Boden 44 Ein Gefängnis am Rande der Felder Gesellschaft der Freunde des Rosgartenmuseums e.V. 46 Napoleon und das Tägermoos 52 Ein Staatsvertrag schafft Rechtsfrieden 62 Wo verläuft die Grenze im See? 64 Das „Trompeterschlössle“ zahlt keine Steuern 68 Der entwischte Gefangene 70 Tägermoos gegen Raubgold 74 Ehetragödie im Wirtshaus — IMPRESSUM Herausgegeben von Tobias Engelsing für das Rosgartenmuseum Konstanz mit heutigen Aufnahmen von Hella Wolff-Seybold 76 MENSCHEN AUS DEM PARADIES 1. Auflage, Juli 2016 Gestaltung: bbv Siegrun Nuber, Konstanz 78 Von Nonnen und Turmwächtern Katalogredaktion: Annette Güthner (Südverlag), Lektorat: David Bruder, Korrektorat: Pfr. i.R. Hans-Jürgen Stöckl 84 Ein Liberaler greift durch Bildvorbereitung: Rosa-Maria Pittà-Settelmeyer, Ursula Benkoe, Ines Stadie 88 Als Magd begonnen Mitarbeit bei Archivrecherchen: stud. phil. Lukas-Daniel Barwitzki, stud. phil. Daniela Schilhab 90 „Arbeitsam im höchsten Grad“ Exponatfotografie: Annette Weiske, Konstanz 106 Der Erste Weltkrieg: Zugang gesperrt Abbildungen: s. Bildnachweis im Anhang 112 Die Grenze durchs Lokal Scans: Ursula Benkoe 114 Schmuggelware im Paradies Druck und Bindung: MMC, Memminger MedienCentrum, Memmingen 120 Zwei Freunde am Zaun Südverlag GmbH 122 Braune Schatten über dem Tägermoos Schützenstr. 24, 78462 Konstanz 128 Flucht über den Seerhein Tel. 07531-9053-0, Fax: 07531-9053-98 130 Jauchedüngung und Rettichfliege www.suedverlag.de 146 Zwei Künstler als Jäger 148 Die „Belchenschlacht am Untersee“ 154 Ein europäischer Arbeitsplatz 156 Eine Autobahn durch das Gemüseland 164 Treffpunkt „Grüntal“ 166 Der „Pappelstreit“ 174 Die letzten Kühe 176 Siedlungsdruck und alte Rechte

184 ANHANG

184 Anmerkungen 185 Literaturhinweise 186 Bildnachweise 187 Danksagung 188 Der Autor 189 Die Fotografen

— OCHSENGESPANN mit Pflug des Gemüsegärtners Wilhelm Martin, um 1900.

— links: TASCHENUHREN UND LESEZWICKER von Paradieser Gemüsegärtnern, um 1900. ALTER STREIT UM GRÜNE FELDER Das Tägermoos als „Zweiherrenland“

— Richard und Maria Hörenberg mit fünf ihrer elf Kinder, aufgenommen 1902 während einer VESPERPAUSE am Rande eines Feldes. 8 | 9 EXPANSIONSGELÜSTE EINER REICHSSTADT — Konstanz zwischen Reich und Eidgenossenschaft

Das linksrheinisch gelegene histori- einen Beistandspakt, wenige Jahre später, 1459, folgte sche Stadtzentrum von Konstanz ist umgeben von Stein am Rhein. Grenzen und Begrenzungen: im Osten die weite Flä- Während des Konstanzer Konzils (1414– che des Bodensees, nördlich der Seerhein, im Westen 1418) errang der Rat endlich einen großen Erfolg: Kö- und Süden die Staatsgrenze zur Schweiz. Das Gefühl nig Sigismund verlieh der Stadt gegen die stattliche der Begrenztheit empfanden schon die Konstanzer Pfandsumme von 3 100 Goldgulden 1417 das bis da- Ratsherren des Spätmittelalters, denn bislang war es hin in Winterthur beheimatet gewesene Landgericht der Reichsstadt nicht gelungen, jenseits der Stadtmau- (die Rechtsprechungskompetenz) über den ern ein eigenes Territorium zu bilden. Ähnlich war es und die Vogtei über die Stadt Frauenfeld. Der bishe- dem Bischof als einstigem Herrn der Stadt ergangen: rige Inhaber dieser Rechte, der österreichische Her- Zwar herrschte er über ein ausgedehntes geistliches zog Friedrich, hatte sie verloren, weil er während des Territorium, das im Süden bis zum Gotthard und nach Konzils dem mittlerweile abgesetzten Papst Johannes Bern, im Westen bis in die Gegend von Breisach und XXIII. zur Flucht aus der Konzilsstadt verholfen hatte.1 im Norden bis nach Ludwigsburg reichte, doch seine Die neuen Hoheitsrechte dehnten den Einflussbereich weltliche Herrschaft war auf das engere Umfeld seiner der Stadt wesentlich aus: Der Bezirk des Landgerichts Stadt und auf einige weit verstreut liegende ländliche reichte im Westen von Diessenhofen am Hochrhein Vogteien beschränkt geblieben. über Stein am Rhein bis hinauf nach Der Rat der reichsfreien Handels- und am und südlich bis zur höchsten Erhebung Kaufmannsstadt hielt begierig Umschau nach Mög- des Thurgaus, dem oberhalb des Klosters Fischingen lichkeiten, freie Hoheitsrechte, etwa Vogteien, Ge- gelegenen Hörnli. Bis zu 20-mal jährlich tagten die richtsherrschaften oder Zehntrechte für die Stadt zu ausschließlich adlig besetzten Kammern dieses Land- gewinnen, um das Einflussgebiet endlich zu vergrö- gerichts. Sie verhandelten Streitfälle des Zivilrechts ßern. Das natürliche Hinterland, der Thurgau, bot sich und urteilten über Vergehen und schwere Verbrechen, als Expansionsfläche an. Wachsam beobachteten die darunter auch über den Vorwurf der Ketzerei. Konstanzer in dieser Zeit, wie der Bauernbund der Eid- 1460 griffen die Eidgenossen, von Papst genossen seinen territorialen Einfluss von den „alten Pius II. dazu ermutigt, in ihrer Expansionspolitik zu Orten“ in der Zentralschweiz immer weiter in Rich- kriegerischen Mitteln: Eine wilde Kampagne junger tung des Bodensees ausdehnte und herrschaftliche kampfeslustiger Leute aus Unterwalden, Luzern und Strukturen aufbaute. So hatten die sieben Orte Zürich, aus dem Ort Rapperswil am oberen Zürichsee entwi- — EIDGENÖSSISCHE SOLDATEN, erkennbar am Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Glarus und Zug 1411 ckelte sich mit Billigung der eidgenössischen Obrig- Schweizerkreuz auf ihren Hosen, kapern das Appenzell in ihr Burg- und Landrecht aufgenom- keit zum Eroberungszug in den Thurgau. Die Krieger während des Schwaben- oder Schweizerkrieges men und 1412 mit St. Gallen ein Bündnis geschlossen. nahmen nacheinander die letzten habsburgischen im Frühjahr 1499 auf dem Bodensee ein Schaffhausen schloss 1454 mit der Eidgenossenschaft Landvogteien und andere Herrschaftsgebiete des vom Verpflegungsschiff des Schwäbischen Bundes. Diebold-Schilling-Chronik 1513. 10 | 11 Papst gebannten Herzogs Siegmund von Tirol unter neten. Bei solcher Tonlage war keine Verständigung anderem im Thurgau in Besitz. Der Eroberungszug mehr möglich, die Nachbarn entfremdeten sich von- richtete sich auch gegen Konstanz und sein Landge- einander. Zu tief saß im schwäbischen Adel die Angst richt über den Thurgau. Diese Rechte blieben Konstanz vor dieser unbekannten Bauernmacht aus den nahen zwar erhalten, doch die Stadt musste alle Hoffnungen Schweizer Bergen, die den eigenen Herrschaftsverhält- auf den Thurgau als Territorium aufgeben. In den fol- nissen bedrohlich zu werden schien. genden Jahren nahm der Druck auf die Stadt noch zu, Konstanz saß zwischen den Stühlen. denn 1480 beschlossen die Eidgenossen, das Landge- Mehrfach erwog die Stadt einen Beitritt zur Eidgenos- richt notfalls auch mit Gewalt an sich zu bringen. senschaft, doch König Maximilian hatte ein Auge auf Das Expansionsstreben der Eidgenos- die unsicheren Kantonisten geworfen und erhöhte den sen alarmierte die benachbarten Schwaben. Hier Druck auf Konstanz, endlich dem Schwäbischen Bund — DER KONSTANZER STADTSCHREIBER, begleitet von einem Melde- prallten zwei Gesellschaftssysteme aufeinander: auf beizutreten. Das Lavieren endete am 9. Mai 1497. An läufer, liest den Luzernern die Einladung zu einem Schützenfest vor. der einen Seite die sich selbst organisierende Genos- diesem Tag mussten Rat und Bürgerschaft dem König Im Hintergrund machen sich die ersten Luzerner Schützen senschaft freier Bauern und eigenständiger Städte, auf Gehorsam schwören, der zugleich verbot, sich mit den bereits auf den Weg nach Konstanz. Diebold-Schilling-Chronik 1513. der anderen Seite die von adliger Denk- und Lebens- Eidgenossen zu verbünden. Im Jahr darauf trat Kons- art geprägte Feudalgesellschaft des 1488 gegründeten tanz dem Schwäbischen Bund bei.2 Schwäbischen Bundes. Dieser Bund war ein von Kö- Die gegenseitige Hasspropaganda stei- nig Maximilian initiiertes Schutz- und Trutzbündnis, gerte sich zum Krieg: Grenzstreitigkeiten zwischen dem hohe und niedere Adlige, geistliche Herrschaften Tirol und den Eidgenossen in Graubünden und das und 20 schwäbische Reichsstädte angehörten. Die Ver- damit verbundene Interesse des neuen deutschen Kö- schiedenartigkeit der Gegner artikulierte sich auch nigs und späteren Kaisers des Reiches, Maximilian I., rhetorisch: In derben Spottversen und mit regelrech- an den Bündner Passwegen nach Italien lösten im Ja- ter Hasspropaganda diffamierten die Wortführer des nuar 1499 im Bündner Münstertal kriegerische Ereig- Schwäbischen Bundes die Gegenseite. Vor allem eini- nisse aus. Im folgenden halben Jahr breitete sich der ge jüngere Vertreter des ritterschaftlichen Adels im Schwaben- oder Schweizerkrieg in mehreren Schlach- taten sich als Hetzer gegen die Eidgenossen ten westwärts über Konstanz bis nach Dornach bei besonders hervor. Das böse Wort vom „Kuhschweizer“ Basel aus. In Konstanz waren bereits im Januar 1499 entstand. Der sei so hässlich und stinke so sehr, dass eine Kriegsordnung verkündet und Sammelplätze er nur eine Kuh heiraten könne, wurde bei jeder Gele- für die Truppen bestimmt worden. Die Eidgenössi- genheit verbreitet. Die sodomitischen Anklänge dieser sche Tagsatzung in Zürich, das oberste Exekutivorgan Schmähung waren beabsichtigt. Die Eidgenossen re- des Bauernbundes, entwarf zur selben Zeit Pläne zur vanchierten sich, indem sie die Mitglieder des Schwä- Besetzung der Grenze an Bodensee und Rhein. Die — Konstanz aus der Vogelperspektive, MIT DEM TÄGERMOOS am bischen Bundes pauschal als „Sauschwaben“ bezeich- Gegner rechneten mit einer Auseinandersetzung vor oberen Bildrand. Kolorierte Federzeichnung, Nikolaus Kalt, 1600.

12 | 13 „Wir wollen im Schweizerland räuchern und brennen, dass der Herrgott auf dem Regenbogen vor Rauch blinzelt und vor Hitze die Füße an den Bauch zieht!“ den Toren der Stadt Konstanz, die so gerne neutral szenierte König Maximilian auf dem Tägermoos unter Orte zählende Bund sollte sich bis zum Ende der alten Burkhard von Randegg, um 1499 geblieben wäre. Aus dem Hegau tönten derweil wilde den Augen der in den Wäldern verborgenen Eidgenos- Eidgenossenschaft 1798 nicht mehr verändern. 4 Schlachtrufe. Der radikalste Kriegstreiber gegen die sen eine eindrucksvolle Heerschau, zu der er 11 000 Der Friedensvertrag von Basel betraf Eidgenossen, Burkhard von Randegg, rief aus: „Wir Krieger zu Fuß und zu Pferde aufmarschieren ließ. indirekt auch das Tägermoos. Denn trotz des Verlusts wollen im Schweizerland räuchern und brennen, dass Unter den adligen Reitern befand sich auch der junge des Thurgauer Landgerichts behauptete Konstanz sei- der Herrgott auf dem Regenbogen vor Rauch blinzelt Götz von Berlichingen, der im Gefolge des Markgrafen ne Rechte über mehrere kleinere Vogteien im Thurgau und vor Hitze die Füße an den Bauch zieht!“3 Friedrich zu Ansbach nach Konstanz gekommen war. (Eggen, Altnau und Buch). Dazu gehörten auch die Im Februar 1499 unternahm ein Hau- Die Eidgenossen gingen auf die Provokation nicht ein, niederen Gerichtsrechte über das Tägermoos. Was mit fen von 10 000 Eidgenossen aus Schaffhausen, Zürich, sie verließen ihre sicheren Feldlager auf dem Thurgau- dem Friedensvertrag von Basel hätte bereinigt wer- Bern, Freiburg und Solothurn einen ersten Kriegszug er Seerücken nicht. Der darüber verärgerte König Ma- den sollen, blieb auf dem winzigen Landstrich vor den in den Hegau, um einem Vorstoß des Schwäbischen ximilian ließ noch 80 Kanonen abfeuern, dann war Toren der Stadt ungeklärt: Im Tägermoos gewann die Bundes in südlicher Richtung über den Rhein zuvorzu- der Schweizerkrieg am Bodensee beendet. Eidgenossenschaft 1499 nicht die volle Souveränität. kommen. Mehrere Burgen und Orte des Hegauer Adels Nach der für die Eidgenossen siegrei- Gerade die Vogteigerichte spielten im Alltag der Men- fielen dem Kriegszug zum Opfer. Daraufhin überfielen chen späteren Schlacht bei Dornach am 22. Juli 1499 schen aber eine wichtige Rolle. Dort wurden alltags- Anfang April Truppen des Schwäbischen Bundes und war der Krieg endgültig entschieden. Fürsten, Adlige relevante Rechtsstreitigkeiten verhandelt, etwa Reichstruppen das Thurgauer Dorf Ermatingen. Die und Städte des Schwäbischen Bundes waren erschöpft, Grundstücksgeschäfte, Nachbarschaftsstrei- rund 300 eidgenössischen Soldaten, die Ermatingen wollten nicht mehr weiterkämpfen und den Kampf tigkeiten und kleinere Strafrechtsfälle wie schützen sollten, wurden erschlagen, die Bevölkerung nicht weiter finanzieren. Am 22. September 1499 wur- Diebstahl von Feldfrüchten oder Wilderei. auf den Friedhof getrieben und umgebracht, das Dorf de der Friede von Basel geschlossen. Die Eidgenos- Weil die Zuständigkeit für diese Rechtsgebiete geplündert und niedergebrannt. Als die mit Raubgut sen verzichteten auf territorialen Zugewinn, etwa im bei Konstanz verblieb, gab das Tägermoos schwer beladenen Truppen – das Fußvolk entlang des Hegau oder im Klettgau. Aber Konstanz verlor das in den folgenden drei Jahrhunderten im- Seerheins über das Gewann Tägermoos, die Reiterei am Landgericht über den Thurgau. So wurden bisher kon- mer wieder Anlass zu Auseinanderset- Bergrücken – in das sichere Konstanz zurückkehren kurrierende Herrschaftsansprüche entflochten, die zungen zwischen lokalen und territoria- wollten, griffen die Eidgenossen an. Das als „Schlacht Herrschaft des eidgenössischen Bundes reichte nun len Mächten. Im Kern ging es immer um von Schwaderloh“ bekannt gewordene Gemetzel koste- bis an die Wehrgräben von Konstanz. Die Eidgenossen die Frage: Wer hat hier das Sagen? te 2 000 Soldaten des Schwäbischen Bundes das Leben. gehörten auch weiterhin zum Reich, hatten sich aber Darunter befanden sich auch etliche Konstanzer, die gegen den Schwäbischen Bund und die territorialen — mit nach Ermatingen ausgezogen waren. Gefallen wa- Ansprüche der Reichsstadt Konstanz durchgesetzt. ren auch die Kriegstreiber Burkhard von Randegg und König Maximilian hatte den Anschluss der Stadt an sein Cousin Heinrich. Sie liegen im Chor des Konstan- die Eidgenossen vereitelt. In den folgenden Jahren tra- — SILBERNES BOTENSCHILD der Stadt zer Münsters begraben. ten die ganz oder teilweise rechtsrheinisch gelegenen Konstanz von 1650, Ausweis der amtlichen Zu einer weiteren Schlacht kam es am Reichsstädte Basel und Schaffhausen sowie das Ap- Gesandten, die auswärts politische Nachrichten Bodensee und im Hegau nicht mehr. Im Juli 1499 in- penzell der Eidgenossenschaft bei. Der nun dreizehn oder Einladungen zu überbringen hatten.

14 | 15 — DIE BLUTIGE SCHLACHT VON SCHWADERLOH vom April 1499, links Ermatingen, rechts Konstanz. Zeitgenössischer Holzschnitt.

— WAFFEN DES FUSSVOLKS 1499: Panzerstecher und Schweizer- dolch. Bodenfunde des 19. Jh.

16 | 17 DIE NASE DES KAISERS

Als 19-jähriger Knappe begleitete der fränkische Reichsritter Götz von Berlichingen seinen Herrn, Markgraf Friedrich II. von Brandenburg-Ansbach, in den Schweizerkrieg. Inmitten eines großen kaiserlichen und reichsstädtischen Heeres gelangte er im Juli 1499 nach Konstanz. Dort hatten bereits im April bluti- ge Auseinandersetzungen stattgefunden. Der römisch-deutsche König und spätere Kaiser Maximilian I. plante jedoch, von Konstanz aus noch einmal gegen die in den Thurgauer Wäldern verborgenen Eidgenossen loszuschlagen. In seinen Lebens- erinnerungen berichtet Götz von Berlichingen von diesen Tagen: „Der Kaiser stieß in der Nacht auch zu uns. Er trug ein kleines grünes, altes Röcklein und eine Stutz- kappe und einen großen grünen Hut darüber, dass ihn keiner für den Kaiser gehalten hätte, wenn er gefangen ge- nommen worden wäre. Ich aber, als ein Junker, erkannte ihn an der Nase, denn ich hatte ihn auf einigen Reichstagen, während ich bei meinem Vetter war, gesehen. Der Kaiser hatte einen guten Plan im Sinne. Bei der Nacht und in al- ler Stille gelangten wir mit der ganzen Macht zu Ross und zu Fuß nach Kons- tanz; die Haufen wurden des Morgens alle zusammen aufgestellt und die Schlachtreihe der Reiter und Fußtrup- — In Konstanz noch mit beiden Händen: pen, wie sich’s gebührt, geordnet.“ GÖTZ VON BERLICHINGEN. Die Eidgenossen aber missachteten diese martialische Aufforderung zum Kampfe, stattdessen bezogen sie „vorteilhafte Stellungen“, wie Berlichingen schreibt. Daraufhin wurde die geplante große Feldschlacht auf dem Tägermoos und am Seerücken abgeblasen – sehr zum Missfallen des angehenden Ritters Berlichingen. Enttäuscht hielt er später fest. „Aber wo viel Rat und viel Köpfe sind, geht es oft so.“ Fünf Jahre später verlor Götz bei der Belagerung von Landshut durch einen Kanonenschuss seine rechte Hand. Die bewegliche Handprothese, die er danach trug, ein Meisterwerk der damaligen Mechanik, und Johann Wolfgang von — ERKENNBAR AN SEINER NASE: Der römisch- Goethes Schauspiel „Götz von Berlichingen“ machten den Ritter weltberühmt. deutsche König und spätere Kaiser Maximilian I. 18 | 19 WIRD KONSTANZ EIDGENÖSSISCH? — Kurz vor dem Ziel gescheitert

Der Schwaben- oder Schweizerkrieg den.5 Dem potenziellen Zugewinn an Sicherheit stand endete für Konstanz verheerend: Die Niederlage des eine erhebliche Forderung gegenüber: Konstanz wollte Schwäbischen Bundes brachte die Stadt um ihr wich- als Entschädigung für den absehbaren Verlust seiner tiges Hinterland, damit um bedeutende Einnahmen schwäbischen Besitzungen und Rechte das Landgericht und um politischen Einfluss. In den Jahren nach dem über den Thurgau zurückbekommen. Um die Vertre- Friedensschluss von Basel unternahm der Rat der Stadt ter von Luzern, Zug, Uri, Schwyz und Unterwalden für deshalb intensive Versuche, über ein Bündnis mit den diese Forderung gnädig zu stimmen, war Konstanz so- Eidgenossen den vorherigen Einfluss im Thurgau zu- gar bereit, 14 000 Goldgulden zu bezahlen. Doch auch rückzugewinnen. Die Alten Orte der Eidgenossen- dieser Versuch scheiterte kläglich, diesmal an der Gier schaft waren nicht abgeneigt, doch der inzwischen der Konstanzer: Die katholischen Alten Orte und am zum Kaiser erhobene Maximilian I. vereitelte diese di- Ende selbst Zürich waren nicht bereit, die einträgliche plomatischen Bestrebungen in letzter Minute: Im Sep- Landgrafschaft Thurgau an Konstanz abzutreten; ei- tember 1510 erschien er mit einem beachtlichen Trup- ner Beteiligung an den Einkünften aus dem Thurgau penkontingent in Konstanz, erzwang den Abbruch andererseits wollten die Konstanzer nicht zustimmen. der Verhandlungen, verpasste der Stadt eine weniger Wenige Jahre später fiel die gegen den demokratische neue Ratsverfassung und drängte ihr katholischen Kaiser bis zuletzt widerständig gebliebe- einen neuen Schirmvertrag mit dem Haus Österreich ne, seit mehreren Jahren streng reformatorisch regier- auf, der Konstanz weitere außenpolitische Unterneh- te Stadt an Österreich. Sie verlor 1548 ihre Reichsun- mungen nahezu verunmöglichte. mittelbarkeit und wurde zur vorderösterreichischen Erst 1536, die Stadt war inzwischen re- Landstadt herabgestuft. Außenpolitische Ambitionen formatorisch geworden und hatte zum ebenfalls pro- in Richtung Eidgenossenschaft waren damit ausge- testantischen Zürich enge Verbindungen geknüpft, träumt. Ein späterer Versuch, Konstanz während des wagte Konstanz einen neuen Anlauf: Der Rat beantrag- Dreißigjährigen Kriegs unter den Schutz der Eidgenos- te die förmliche Aufnahme als 14. Ort in die Eidgenos- senschaft zu stellen und so aus dem Kriegsgeschehen senschaft. Um vor allem die zögerlichen katholischen zu lösen, scheiterte an der Haltung Österreichs, das Orte der Eidgenossenschaft von diesem Begehren zu diesen strategisch wichtigen Brückenkopf niemals überzeugen, legte der Rat ein Dossier vor, das die be- aufgegeben hätte. sonderen militärischen Vorzüge der „mechtig, wer- Eine letzte Chance schien sich 1799 hafft, mit muren, gräben, geschütz“ und anderen nach der Zerschlagung der alten Eidgenossenschaft Verteidigungseinrichtungen versehenen Reichsstadt durch Napoleon I. zu bieten. Das neue Regierungsdi- — BLICK VON DER RUINE CASTELL oberhalb von Tägerwilen über anpries. Durch seine zentrale Lage am einzigen Brü- rektorium der Helvetischen Republik schlug vor, die das 1958 abgerissene „Pfaffenschlössle“ nach Konstanz. ckenübergang zu Schwaben bilde Konstanz ein „Boll- inzwischen französisch besetzte vorderösterreichi- Nach Emanuel Labhart, Aquatinta von Johannes Hausheer, 1820. werck der Aidgenoßen“ gegen jeden Einfall aus Nor- sche Stadt der Schweiz anzugliedern und Konstanz zur

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