Ein Deutsches Stück Schweiz DAS TÄGERMOOS Ein Deutsches Stück Schweiz

Ein Deutsches Stück Schweiz DAS TÄGERMOOS Ein Deutsches Stück Schweiz

DAS TÄGERMOOS Ein deutsches Stück Schweiz DAS TÄGERMOOS Ein deutsches Stück Schweiz — Anton und Genofeva Hörenberg mit Tochter Karoline: Konstanzer GEMÜSE- Tobias Engelsing GÄRTNER im Schweizer Tägermoos, 1903. „Der Rat ermahnt die Bürger- schaft, sich der Vexierwort und Schimpfreden zu enthalten, so etlich Unbedächtliche gegen die Thurgäuer pflegen zu gebrauchen.“ Der Rat der Stadt Konstanz an seine Bürger, 1628 Erschienen anlässlich der gleichnamigen Sonderausstellung des Rosgartenmuseums Konstanz 2016 INHALT Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-87800-098-3 8 ALTER STREIT UM GRÜNE FELDER Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. 10 Expansionsgelüste einer Reichsstadt Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung 18 Die Nase des Kaisers und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 20 Wird Konstanz eidgenössisch? 24 Ein Kloster verkauft Land 26 Woher kommt der Name? — DIE DRUCKLEGUNG WURDE GEFÖRDERT DURCH 28 Schwedische Belagerung 38 Hinrichtungen auf Schweizer Boden 44 Ein Gefängnis am Rande der Felder GESELLSCHAFT DER FREUNDE DES ROSGARTENMUSEUMS E.V. 46 Napoleon und das Tägermoos 52 Ein Staatsvertrag schafft Rechtsfrieden 62 Wo verläuft die Grenze im See? 64 Das „Trompeterschlössle“ zahlt keine Steuern 68 Der entwischte Gefangene 70 Tägermoos gegen Raubgold 74 Ehetragödie im Wirtshaus — IMPRESSUM Herausgegeben von Tobias Engelsing für das Rosgartenmuseum Konstanz mit heutigen Aufnahmen von Hella Wolff-Seybold 76 MENSCHEN AUS DEM PARADIES 1. Auflage, Juli 2016 Gestaltung: bbv Siegrun Nuber, Konstanz 78 Von Nonnen und Turmwächtern Katalogredaktion: Annette Güthner (Südverlag), Lektorat: David Bruder, Korrektorat: Pfr. i.R. Hans-Jürgen Stöckl 84 Ein Liberaler greift durch Bildvorbereitung: Rosa-Maria Pittà-Settelmeyer, Ursula Benkoe, Ines Stadie 88 Als Magd begonnen Mitarbeit bei Archivrecherchen: stud. phil. Lukas-Daniel Barwitzki, stud. phil. Daniela Schilhab 90 „Arbeitsam im höchsten Grad“ Exponatfotografie: Annette Weiske, Konstanz 106 Der Erste Weltkrieg: Zugang gesperrt Abbildungen: s. Bildnachweis im Anhang 112 Die Grenze durchs Lokal Scans: Ursula Benkoe 114 Schmuggelware im Paradies Druck und Bindung: MMC, Memminger MedienCentrum, Memmingen 120 Zwei Freunde am Zaun Südverlag GmbH 122 Braune Schatten über dem Tägermoos Schützenstr. 24, 78462 Konstanz 128 Flucht über den Seerhein Tel. 07531-9053-0, Fax: 07531-9053-98 130 Jauchedüngung und Rettichfliege www.suedverlag.de 146 Zwei Künstler als Jäger 148 Die „Belchenschlacht am Untersee“ 154 Ein europäischer Arbeitsplatz 156 Eine Autobahn durch das Gemüseland 164 Treffpunkt „Grüntal“ 166 Der „Pappelstreit“ 174 Die letzten Kühe 176 Siedlungsdruck und alte Rechte 184 ANHANG 184 Anmerkungen 185 Literaturhinweise 186 Bildnachweise 187 Danksagung 188 Der Autor 189 Die Fotografen — OCHSENGESPANN mit Pflug des Gemüsegärtners Wilhelm Martin, um 1900. — links: TASCHENUHREN UND LESEZWICKER von Paradieser Gemüsegärtnern, um 1900. ALTER STREIT UM GRÜNE FELDER Das Tägermoos als „Zweiherrenland“ — Richard und Maria Hörenberg mit fünf ihrer elf Kinder, aufgenommen 1902 während einer VESPERPAUSE am Rande eines Feldes. 8 | 9 EXPANSIONSGELÜSTE EINER REICHSSTADT — Konstanz zwischen Reich und Eidgenossenschaft Das linksrheinisch gelegene histori- einen Beistandspakt, wenige Jahre später, 1459, folgte sche Stadtzentrum von Konstanz ist umgeben von Stein am Rhein. Grenzen und Begrenzungen: im Osten die weite Flä- Während des Konstanzer Konzils (1414– che des Bodensees, nördlich der Seerhein, im Westen 1418) errang der Rat endlich einen großen Erfolg: Kö- und Süden die Staatsgrenze zur Schweiz. Das Gefühl nig Sigismund verlieh der Stadt gegen die stattliche der Begrenztheit empfanden schon die Konstanzer Pfandsumme von 3 100 Goldgulden 1417 das bis da- Ratsherren des Spätmittelalters, denn bislang war es hin in Winterthur beheimatet gewesene Landgericht der Reichsstadt nicht gelungen, jenseits der Stadtmau- (die Rechtsprechungskompetenz) über den Thurgau ern ein eigenes Territorium zu bilden. Ähnlich war es und die Vogtei über die Stadt Frauenfeld. Der bishe- dem Bischof als einstigem Herrn der Stadt ergangen: rige Inhaber dieser Rechte, der österreichische Her- Zwar herrschte er über ein ausgedehntes geistliches zog Friedrich, hatte sie verloren, weil er während des Territorium, das im Süden bis zum Gotthard und nach Konzils dem mittlerweile abgesetzten Papst Johannes Bern, im Westen bis in die Gegend von Breisach und XXIII. zur Flucht aus der Konzilsstadt verholfen hatte.1 im Norden bis nach Ludwigsburg reichte, doch seine Die neuen Hoheitsrechte dehnten den Einflussbereich weltliche Herrschaft war auf das engere Umfeld seiner der Stadt wesentlich aus: Der Bezirk des Landgerichts Stadt und auf einige weit verstreut liegende ländliche reichte im Westen von Diessenhofen am Hochrhein Vogteien beschränkt geblieben. über Stein am Rhein bis hinauf nach Romanshorn Der Rat der reichsfreien Handels- und am Obersee und südlich bis zur höchsten Erhebung Kaufmannsstadt hielt begierig Umschau nach Mög- des Thurgaus, dem oberhalb des Klosters Fischingen lichkeiten, freie Hoheitsrechte, etwa Vogteien, Ge- gelegenen Hörnli. Bis zu 20-mal jährlich tagten die richtsherrschaften oder Zehntrechte für die Stadt zu ausschließlich adlig besetzten Kammern dieses Land- gewinnen, um das Einflussgebiet endlich zu vergrö- gerichts. Sie verhandelten Streitfälle des Zivilrechts ßern. Das natürliche Hinterland, der Thurgau, bot sich und urteilten über Vergehen und schwere Verbrechen, als Expansionsfläche an. Wachsam beobachteten die darunter auch über den Vorwurf der Ketzerei. Konstanzer in dieser Zeit, wie der Bauernbund der Eid- 1460 griffen die Eidgenossen, von Papst genossen seinen territorialen Einfluss von den „alten Pius II. dazu ermutigt, in ihrer Expansionspolitik zu Orten“ in der Zentralschweiz immer weiter in Rich- kriegerischen Mitteln: Eine wilde Kampagne junger tung des Bodensees ausdehnte und herrschaftliche kampfeslustiger Leute aus Unterwalden, Luzern und Strukturen aufbaute. So hatten die sieben Orte Zürich, aus dem Ort Rapperswil am oberen Zürichsee entwi- — EIDGENÖSSISCHE SOLDATEN, erkennbar am Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Glarus und Zug 1411 ckelte sich mit Billigung der eidgenössischen Obrig- Schweizerkreuz auf ihren Hosen, kapern das Appenzell in ihr Burg- und Landrecht aufgenom- keit zum Eroberungszug in den Thurgau. Die Krieger während des Schwaben- oder Schweizerkrieges men und 1412 mit St. Gallen ein Bündnis geschlossen. nahmen nacheinander die letzten habsburgischen im Frühjahr 1499 auf dem Bodensee ein Schaffhausen schloss 1454 mit der Eidgenossenschaft Landvogteien und andere Herrschaftsgebiete des vom Verpflegungsschiff des Schwäbischen Bundes. Diebold-Schilling-Chronik 1513. 10 | 11 Papst gebannten Herzogs Siegmund von Tirol unter neten. Bei solcher Tonlage war keine Verständigung anderem im Thurgau in Besitz. Der Eroberungszug mehr möglich, die Nachbarn entfremdeten sich von- richtete sich auch gegen Konstanz und sein Landge- einander. Zu tief saß im schwäbischen Adel die Angst richt über den Thurgau. Diese Rechte blieben Konstanz vor dieser unbekannten Bauernmacht aus den nahen zwar erhalten, doch die Stadt musste alle Hoffnungen Schweizer Bergen, die den eigenen Herrschaftsverhält- auf den Thurgau als Territorium aufgeben. In den fol- nissen bedrohlich zu werden schien. genden Jahren nahm der Druck auf die Stadt noch zu, Konstanz saß zwischen den Stühlen. denn 1480 beschlossen die Eidgenossen, das Landge- Mehrfach erwog die Stadt einen Beitritt zur Eidgenos- richt notfalls auch mit Gewalt an sich zu bringen. senschaft, doch König Maximilian hatte ein Auge auf Das Expansionsstreben der Eidgenos- die unsicheren Kantonisten geworfen und erhöhte den sen alarmierte die benachbarten Schwaben. Hier Druck auf Konstanz, endlich dem Schwäbischen Bund — DER KONSTANZER STADTSCHREIBER, begleitet von einem Melde- prallten zwei Gesellschaftssysteme aufeinander: auf beizutreten. Das Lavieren endete am 9. Mai 1497. An läufer, liest den Luzernern die Einladung zu einem Schützenfest vor. der einen Seite die sich selbst organisierende Genos- diesem Tag mussten Rat und Bürgerschaft dem König Im Hintergrund machen sich die ersten Luzerner Schützen senschaft freier Bauern und eigenständiger Städte, auf Gehorsam schwören, der zugleich verbot, sich mit den bereits auf den Weg nach Konstanz. Diebold-Schilling-Chronik 1513. der anderen Seite die von adliger Denk- und Lebens- Eidgenossen zu verbünden. Im Jahr darauf trat Kons- art geprägte Feudalgesellschaft des 1488 gegründeten tanz dem Schwäbischen Bund bei.2 Schwäbischen Bundes. Dieser Bund war ein von Kö- Die gegenseitige Hasspropaganda stei- nig Maximilian initiiertes Schutz- und Trutzbündnis, gerte sich zum Krieg: Grenzstreitigkeiten zwischen dem hohe und niedere Adlige, geistliche Herrschaften Tirol und den Eidgenossen in Graubünden und das und 20 schwäbische Reichsstädte angehörten. Die Ver- damit verbundene Interesse des neuen deutschen Kö- schiedenartigkeit der Gegner artikulierte sich auch nigs und späteren Kaisers des Reiches, Maximilian I., rhetorisch: In derben Spottversen und mit regelrech- an den Bündner Passwegen nach Italien

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