Der Mythos „Kadlschburcher Blöih“ Und Das Kirschenparadies
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herausgegeben vom Geschichtsverein Fürth e. V. 3/2013 · 63 . Jg. · B5129F · EUR 5,– Der Mythos „Kadlschburcher Blöih“ und das Kirschenparadies 100 Jahre Firma I. S. Dispeker – eine Familiengeschichte Lebensläufe bei St. Michael 3/13 Inhaltsverzeichnis Titelbild: Cadolzburger Postkarte 1897 Hans Werner Kress Der Mythos „Kadlschburcher Blöih“ und das Kirschenparadies 79 Ilse Vogel 100 Jahre Firma I. S. Dispeker – eine Familiengeschichte 102 Korrektur 111 Gerhard Bauer Lebensläufe bei St. Michael 112 Impressum Fürther Geschichtsblätter Herausgeber: Geschichtsverein Fürth e. V., Schlosshof 12, 90768 Fürth Schriftleitung: Barbara Ohm, Falkenstraße 21a, 90766 Fürth Verfasser: Hans Werner Kress, Steingasse 17a, 90556 Cadolzburg Ilse Vogel, Diestelstraße 2, 97532 Üchtelhausen Gerhard Bauer, Zirndorfer Weg 6, 90522 Oberasbach Satz: Satzpoint Eckstein, Kapellenstraße 9, 90762 Fürth Druck: R. Holler – Offsetdruck, Kapellenstraße 9, 90762 Fürth Verantwortlich für den Inhalt sind die Verfasser. Alle Rechte, auch die des Abdrucks im Auszug, vorbehalten. Erscheinungsweise der Hefte vierteljährlich. Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag ent - halten. Einzelhefte gibt es in der Geschäftsstelle. 78 FGB 3/ 2013 Hans Werner Kress Der Mythos „Kadlschburcher Blöih“ und das Kirschenparadies Mit dem „Moggela“ 1 nach Cadolzburg in die seinen Hunger hatte er wohl mehr ertränkt „Blöih“ 2 zu fahren oder auf Schusters Rap - als mit einer Brotzeit gestillt. Am Nachmit - pen dorthin zu wandern, war einst für Aber - tag zum Fünf-Uhr-Zug kam er wieder. Er be - tausende Fürther und Nürnberger eine anspruchte die volle Breite des Fußweges. In Sonntagsverlockung, der sie kaum widerste - den Händen hielt er halbvolle Bierflaschen, hen konnten. Als Bub – wir wohnten damals die er abwechselnd ansetzte. Unsäglich im Bahnhof – habe ich Mitte der 1950er Jah - schien ihn der Durst immer noch zu plagen. re den Ansturm der Besucherscharen selbst Der Wurstring hing dagegen noch völlig un - miterlebt. Zusätzliche Wagen waren an die berührt um den Hals. In der Nachmittags - Züge angehängt worden. Fast doppelt so vie - sonne hatte die fettreiche Wurst unüberseh - le Fahrgäste wie in den werktäglichen „Ar - bare Spuren auf seinem Anzug hinterlassen, beiterzügen“ kamen in Cadolzburg an. Leb - gegen die auch das schärfste Fleckenwasser haft erinnere ich mich noch an einen dieser kaum helfen konnte! Der Unbekannte hatte Naturliebhaber. In vollem Sonntagsstaat, bestimmt ein unvergessliches „Blütenerleb - dunkler Anzug und Krawatte, kam er mit nis“ besonderer Art! dem Halbzehn-Uhr-Zug aus Fürth. Um den Glaubt man alten Berichten, dann war Hals hatte er einen großen Ring weißer der Besucheransturm, den ich in den 1950er Stadtwurst hängen, der wohl als Wegzeh - Jahren erlebte, nur noch ein Bruchteil des rung gedacht war. Doch weit war der Aus - früheren Andrangs. Nie mehr erreichte Re - flügler an diesem Tag kaum gelaufen und kordzahlen wurden für die drei „Blüten - Das „Moggela“ im Bahnhof Cadolzburg FGB 3/ 2013 79 Die Cadolzburg im Blütenschmuck sonntage“ 1912 3 genannt: Allein 28.535 Be - eine mittlere Stadt auf ein harmloses Dörf - sucher brachte das „Moggela“. Die Wande - chen losgelassen worden wäre. Die wenigen rer und Radfahrer waren dabei noch gar Einwohner gehen unter in der mächtigen nicht mitgezählt. Cadolzburg hatte damals Zahl der Gäste, denen das Blühen viel be - etwa 1.800 Einwohner! „Es ist, wie wenn deutet …“, hieß es in einem Zeitungsartikel. Mit Äpfel, Nüssen, Zwetschgen und Weintrauben fing es an 4 Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert wur - 12.558 Mark aus dem Obstbau. Mit 5.000 de der Cadolzburger Obstbau gerühmt. 1788 Mark entfiel der Hauptanteil auf 600 Zent - berichtete Johann Michael Füssel 5, die Ca - ner Kirschen von 8.000 Bäumen. 8 Allerdings dolzburger würden eine Menge Zwetschgen, scheint der einzige belastbare Aspekt seiner Borsdorfer Äpfel 6 von besonderer Größe, un - Tabelle die unterschiedliche Wertschätzung gewöhnlich große welsche Nüsse und viele der Obstsorten zu sein: Für Äpfel und Bir - gute Weintrauben in die benachbarten Städ - nen wurden pro Zentner drei Mark, für te liefern. Um 1820 kamen dann Kirschen Weichsel, Zwetschgen und Pflaumen 1,80 dazu. Der Landgerichtsassessor Carl Ferdi - Mark, für Walnüsse 3,50 Mark und für Kir - nand Starck hatte gegenüber der heutigen schen stattliche 8,33 Mark erlöst. Der Kir - katholischen Pfarrkirche St. Otto den ersten schenpreis wurde nur noch von den Pfirsi - Kirschengarten angelegt 7 und sicherlich ei - chen mit 8,75 Mark übertroffen. Mit 20 nen einträglichen Nebenverdienst erzielt. Zentner Gesamtertrag spielten sie freilich Bereits 1874 errechnete Bezirksarzt Dr. Fer - keine große Rolle. 9 dinand Esenbeck jährliche Einnahmen von 80 FGB 3/ 2013 Cadolzburger Blüten- und Obstwerbung 1897 Johann Leonhard Haffner und sein „Garten“ Die besondere Rolle Cadolzburgs wurde Kredit von 10.000 Gulden. Johann Leonhard durch die Obstbaumschule des Johann Leon - Haffner konnte seine Baumschule trotzdem hard Haffner begründet. Haffner hatte diese nicht halten. Im September 1868 wurde die Anlage 1848 mit rund 60.000 Zuchtbäumen, Anlage verlost. Mit den Loseinnahmen wur - Sämlingen und Stecklingen im „Wildmei - den die Schulden abgetragen und Haffner stersgarten“, dem heutigen Bahnhofsgelän - erhielt einen Teil seines Kapitals zurück. de in Cadolzburg, begonnen. 1851 erweiter - Der Fürther Metzgersohn Konrad Fick war te er seine Baumschule um die „Reitschule“ Hauptgewinner, der sein Los an ein vom und die „Galgenleite“ am Pleikershofer Nürnberger Gärtner Johann Simon Dentler Weg. 10 Dazu hatte er den Pfälzer Pomologen geführtes Konsortium verkaufte. 13 Friedrich Jakob Dochnahl 11 engagiert, der die Dass Johann Leonhard Haffner den Ca - Anlage plante und die Arbeiten leitete. Doch dolzburger Obstbau durch günstige Preise Haffner hatte sich finanziell übernommen. bei seinen Notverkäufen besonders geför - 1852 bat er um staatliche Unterstützung mit dert habe, trifft allerdings nicht zu. Erst Jo - einem jährlichen Zuschuss von 600 Gulden hann Simon Dentler hatte 1869 die Preise oder einem Darlehen von 10 – 12.000 Gul - drastisch herabgesetzt, um den Absatz an - den. Seine Mittel seien erschöpft, er habe be - zukurbeln und eine rasche Amortisation des reits 30.000 Gulden investiert. Zur völligen eingesetzten Kapitals zu erreichen. Bei Kir - Herstellung der Anlage seien noch 40- schen- und Zwetschgen-Hochstämmen redu - 50.000 Gulden notwendig. 12 zierte er die Haffnerschen Preise von 1862 Die Regierung genehmigte schließlich um ein Drittel auf 24, bei Apfelhochstäm - von 1854 bis 1859 einen jährlichen Zu - men um ein Viertel auf 27 und bei Birnen schuss von 500 Gulden und gewährte 1860 um ein Zwölftel auf 33 Kreuzer. 14 zu äußerst günstigen Bedingungen einen FGB 3/ 2013 81 land hinaus anerkannter Ausbildungsbe - trieb. 15 Auch für junge Cadolzburger. 1889 fasste das Bezirksamt für die Regierung zu - sammen: „… jetzt ist die Baumschule völlig verschwunden und der Grund als Ackerland verkauft oder verpachtet. Die Tätigkeit des damaligen Baumgärtners Abel, des jetzigen kgl. Obst- und Gartenbaulehrers in Tries - dorf, hat jedoch gleichwohl für Cadolzburg auch dermalen noch Nutzen und Segen im Gefolge, insofern als seine damaligen Schü - ler … jeder seine eigene Baumschule ange - legt hat und betreibt. Der Verkauf und Ver - sand von veredelten Obstbäumen ist ein be - deutender…“ 16 Dass sie gleichzeitig auch Obstbau betrieben, wurde nicht eigens er - wähnt. Damals berichtete das Bezirksamt auch vom Beerenanbau: „Außer der Baum - kultur ist in Cadolzburg die Beerenzucht (Jo - hannis-, Stachel-, Himbeeren, Erdbeeren 17 ) stark im Betrieb. Der Verschleiß dieser Früchte findet zunächst im Marktverkehr nach Fürth und Nürnberg statt.“ Der Bezirksamtmann und der von ihm geleitete landwirtschaftliche Bezirksverein kümmerten sich intensiv um den Obstan - bau. Entlang den Straßen sollten Obstalleen Edle Frucht von einem Waldbirnbaum im angelegt und geeignete Gemeindegrund - Schlosszwinger stücke mit Obstbäumen bepflanzt werden. Bis zu 1.000 Obstbäume wollte die Marktge - meinde Cadolzburg anpflanzen 18 . Zug um Doch unter Dochnahl, und dann nach des - Zug wurde dieses Vorhaben bis zur Jahr - sen Weggang unter Johann Abel, dem späte - hundertwende verwirklicht. Das Naturge - ren Triesdorfer Obstbaulehrer, war die Haff - schehen im Frühjahr, die Baumblüte, spielte nersche Baumschule ein weit über Deutsch - bei diesem Vorhaben noch keine Rolle! Baurat Theodor Lechner und die Lokalbahn-Aktiengesellschaft München Erst Baurat Theodor Lechner, Gründer und Neben reinen Stadt- und Industriebahnen Direktor der Lokalbahn-Aktiengesellschaft hatte die Gesellschaft bevorzugt touristische München, hatte das Potential erkannt, das Ziele erschlossen und nebenbei den lukrati - Cadolzburg bot. Zur Versorgung der Zirn - ven Frachtverkehr nicht vernachlässigt. Mit dorfer Betriebe mit Rohmaterial und zum dieser Kombination hatte die LAG gute Er - Abtransport der Produkte hatte die LAG, wie fahrungen gemacht. Ihre Isartalbahn führte die Lokalbahn-Aktiengesellschaft kurz ge - von München ins Loisachtal, die schmalspu - nannt wurde, zwischen Fürth und Zirndorf rige Walhalla-Bahn von Regensburg-Stadt - eine Bahnlinie gebaut und 1890 eröffnet. amhof an den Fuß des „Ruhmestempels“ der 82 FGB 3/ 2013 Bahnhof Cadolzburg um 1894 Deutschen, eine andere Strecke von Murnau Besonders aufwendig und ganz auf die zum Passionsspielort Oberammergau oder Bedürfnisse der Ausflügler ausgerichtet, von Marktoberdorf nach Füssen zur Er - war der Bahnhof in Cadolzburg. Dem