15 Der "Blaue Reiter" A

er "Blaue Reiter" war ursprünglich ein Buch­ Die beiden Redakteure, der Russe Wassily Dtitel, der später auch auf Ausstellungen über• Kandinsky (1866 -1944) und der Münchner Franz tragen wurde. Eine feste Gruppe oder eine Ver­ Mare (1880 -1916) bildeten den Kern des Kreises einigung unter diesem Namen gab es nie. Den­ um den "Blauen Reiter". Sie hatten sich Ende noch bringt man mit ihm einen Kreis von gleich­ 1910 kennengelernt, nachdem sich Mare für die gesinnten Künstlern in Verbindung, die sich um Ausstellung der "Neuen Künstlervereinigung und Franz Mare scharten. Da München" begeistert geäußert hatte und im Ja­ beide jedoch nach größtmöglicher Freiheit streb­ nuar 1911 der Gruppe beigetreten war. Kan­ ten, wollten sie genau das vermeiden, was sie zu­ dinsky, spiritus rector der Münchner Künstler• vor schmerzlich in der "Neuen Künstlervereini• gruppe "Phalanx" und der "Neuen Künstlerverei• gung München" erfahren hatten: sie wollten keine nigung München" brachte erstmals frischen inter­ Satzungen, keine Verbindlichkeiten, also auch nationalen Geist nach München. Sein künstle• keine Gruppe: " ... ein neuer, neuster, allerneuster rischer Weitblick führte wenig später in die Ab­ Verein? Doch nicht! Eine wirklich freie, cliquen­ straktion, einer Kunst, die nicht mehr auf der Re­ lose, internationale (hoho!) Zeitschrift, ... " produktion der Wirklichkeit beruhte, sondern schrieb Kandinsky an Kubin. 1 Mit ihrer Auswahl die das naturunabhängige Bild zum Gegenstand der im Almanach und in den Ausstellungen ge­ des Ausdrucks erhob. Der wesentlich jüngere zeigten Künstler boten sie eine große Vielfalt und Mare war ebenfalls auf der Suche nach der "inne­ hohe Internationalität, was eher zu Heteroge­ ren Wahrheit" der Kunst, die er nicht mehr im nität als zu einer erkennbaren Gemeinsamkeit reinen Abbilden der äußeren Umwelt sah. Ein führte. Nur der "innere Klang", die "innere Not­ wichtiger Schritt für ihn war 1910 die Überwin• wendigkeit" verband sie: "Die größte Verschie­ dung der Darstellungsfarbe und die Entwicklung denheit im Äußeren wird zur größten Gleichheit eines Systems von Komplementärfarben. Er hin­ im Inneren." 2 Durch diesen Grundsatz war es gegen verließ nie die Gegenstandsweit Recht möglich eine derart große stilistische wie thema­ schnell erkannten Kandinsky und Mare, trotz sti­ tische Vielfalt zu vereinen. 3 Die in den Almanach listischer Unterschiede, ihre gedankliche Über• aufgenommenen Bilder sollten die Texte nicht einstimmung und planten seit Juni 1911 unter illustrieren, sondern standen als gleichwertige Ausschluß der Gruppe der "Neuen Künstlerver• künstlerische Äußerungen neben diesen. Außer in einigung München" den Almanach. Kandinskys Artikel "Über die Formfrage" fehlen Während Kandinsky der größere Theoretiker weitgehend direkte Erklärungen zu den Bildern. der beiden war und sich vor allem um die inter­ Unausgesprochen blieb in Hinblick auf die Repro­ nationalen Kontakte nach Frankreich, Rußland duktion vor allem von Gemälden das Problem der und die Schweiz kümmerte, übernahm Mare für Änderung von Format, Medium und Farbe. Durch den Almanach logistische Aufgaben innerhalb die Notwendigkeit der Schwarzweiß-Abbildung Deutschlands. Seine guten Beziehungen ermög• erhalten die Bilder dennoch oft ungewollt Ver­ lichten das Erscheinen im Piper-Verlag, sein Kon­ weischarakter, sie scheinen wie Belege für die in takt zum Generaldirektor der Bayerischen den Texten entwickelten Theorien.4 Das wichtige Staatsgemäldesammlungen, Hugo von Tschudi, Element der Farbe bei den Gemälden mußte voll­ sicherte das Renommee, und der von ihm ange­ kommen ausgeklammert werden. sprochene Berliner Sammler Bernhard Koehler 16

finanzierte das Projekt.5 Seine Freundschaft mit ehe", während er selbst noch nach der "geeigne­ und den Künstlern der "Brücke" ten Form" suche und noch "zu sehr befangen vom ermöglichten wichtige Verbindungen ins Rhein­ Stofflichen sei". 8 Obwohl Kandinsky ihn mehr­ land und nach . mals um Textbeiträge für den Almanach bat, gab Beide Redakteure verfassten bedeutende Ar­ ihm Kubin erst nach langem Zögern nur drei tikel für den Almanach. Doch erstaunlicherweise Zeichnungen zur Reproduktion. Kandinsky mel­ reproduzierten sie relativ wenige, eigene Werke dete Mare am 23. 1. 1912: "Gestern war Kubin in ihrer Künstlerschrift Kandinsky ist mit vier, bei uns [ ... ] Kubin hat wieder so brillante Sachen Mare mit drei Abbildungen repräsentiert, wobei gemacht. Das ist wirklich einer! Ich habe 3 kleine je eine - Kandinskys "Bogenschütze" und Marcs genommen für den B. R., die fein als Klang und "Fabeltier" - nur in der seltenen Luxus- und der Vignette sein werden. Die großen gibt er nicht Museumsausgabe enthalten war, dafür allerdings her: für Mappe bestimmt." 9 farbig und ganzseitig. 6 Das Verhältnis des Rheinländers August Zum engsten Kreis des "Blauen Reiters" zählte Macke (1887-1914) zu den Redakteuren des die gebürtige Berlinerin Gabriele Münter (1877- "Blauen Reiters" schwankte zwischen guter 1962), die gemeinsam mit Kandinsky und Mare Freundschaft und künstlerischer Abgrenzung. 10 Anfang Dezember 1911 aus der "Neuen Künst• Als er im Januar 1912 die erste Ausstellung des lervereinigung München" ausgetreten war. Zu­ "Blauen Reiters" in ihrer Köln er Version sah, über• nächst Schülerin, dann Geliebte Kandinskys war wog seine Ablehnung. Vor allem das Ringen um sie stets an seiner Seite. Ihre Rolle für den Al­ geistige Ausdrucksmittel und theoretische Über• manach ist nicht eindeutig. Sowohl Kandinsky als legungen lag ihm fern. Zunächst war keine Re­ auch Mare sprachen stets von "zu zweit". Münter produktion seiner Arbeiten für den Almanach - zwar dicht am Geschehen - wurde konzeptio­ vorgesehen, für den er lediglich den Text "Die nell offenbar nicht in gleichem Maße eingebunden. Masken" beisteuerte. Erst Ende Januar 1912 mo­ Sie trug jedoch das Projekt zweifelsohne durch nierte er beleidigt das Fehlen seines künstleri• ihren Elan und ihre Beharrlichkeit maßgeblich mit schen Werks und bemerkte bissig: "Eigenliebe, und übernahm vielfach Korrespondenztätigkeit Pantoffelheldentum und Blindheit spielen bei dem und redaktionelle Betreuung.l Zwei Arbeiten von Blauen Reiter eine große Rolle." 11 Schließlich ihr wurden im Almanach reproduziert. wurde er doch noch mit zwei Werken berück• sichtigt. Macke war für die Münchner wichtiger Sympatisant der ersten Stunde, wenn auch Verbindungsmann ins Rheinland, wo er 1912 nicht aktiver Mitarbeiter beim Almanach, war der maßgeblich an der Organisation der bedeuten­ aus Böhmen stammende Zeichner den "Sonderbund"-Ausstellung in Köln beteiligt (1877-1959). Er erklärte sich mit Kandinsky, war. Seine Rolle geht aus dem Brief von Mare an Mare und Münter solidarisch und trat mit ihnen Kandinsky Ende Februar 1912 deutlich hervor: aus der "Neuen Künstlervereinigung München" "Im besonderen bedaure ich, daß August Macke aus. Spätestens seit der von Kandinsky geleiteten nicht [im Subskriptionstext] genannt ist, gerade IX. "Phalanx"-Ausstellung von 1904, auf der er weil er auch einen Artikel drin hat und also doch dreißig Arbeiten gezeigt hatte, unterhielt er en­ entschieden Mitarbeiter ist. Persönlich, d.h. im geren Kontakt zu Kandinsky. Was beide - trotz Herzen, ist es ihm gewiß völlig gleichgültig, nicht sehr unterschiedlicher formaler Ergebnisse - ver­ aber vor dem Sonderbund und den Kreisen, in band, war der Glaube an ein "Geistiges in der denen er unsre Sache vertritt. Leider ein Fehler, Kunst", das Bemühen um eine Sicht hinter die der nicht gut zu machen ist." 12 Dinge und ihre oberflächliche, sinnlich-reale Erscheinung. Kubin erkannte hellsichtig in Kandin­ Der Wiener Komponist Arnold Schönberg skys Werk den "Beginn einer neuen Kunstepo- (1874-1951) war neben Münter und Mare zu je- 17

ner Zeit der am meisten verehrte Künstler• oberbayerische Landschaft sowie in das geistige kollege Kandinskys und wurde von ihm geradezu Umfeld des "Blauen Reiters" markierte den An­ genötigt, sich mit Bildern, Text und Musik am fang einer neuen Stilbildung für den damals Almanach zu beteiligen. Im Medium der Malerei 22jährigen. Er orientierte sich stark an Kandinsky war er Autodidakt, doch bedeutete sie ihm eben­ und Mare und übernahm einige ihrer künstleri• soviel wie seine Musik. 13 Kandinsky hatte im Ja­ schen Prinzipien. nuar 1911 nach einem seiner Konzerte Kontakt mit ihm aufgenommen, woraus sich bald eine Der Schweizer (1879 -1940) spielte Freundschaft und gegenseitige, hohe Wertschät• keine führende Rolle im Kreise des "Blauen Rei­ zung entwickelte. Schönbergs "Harmonielehre" ters". Zwar müssen sich Kandinsky und Klee be­ kam fast zur gleichen Zeit wie Kandinskys Schrift reits 1900 an der Münchner Akademie bei Franz "Das Geistige in der Kunst" heraus. Sie erkannten von Stuck begegnet sein, doch wurden sie dort schnell die geistige Verwandtschaft ihrer Gedan­ nicht aufeinander aufmerksam. Erst Anfang Ok­ ken. Im Almanach ist er mit zwei Gemälden, ei­ tober 1911 lernten sie sich kennen. Am 9. Okto­ nem Text und der Handschrift seiner Komposi­ ber 1911 schrieb Kandinsky anerkennend an tion "Herzgewächse" stark repräsentiert. Mare: "Gestern durch Moilliet den Klee kennen­ gelernt. Da sitzt schon was in der Seele." 16 Klee Der Amerikaner (1882-1961 ), seinerseits trug in sein Tagebuch ein: "Sehr merk­ der sich 1909 in München niederließ, nahm schon würdige Bilder [von Kandinsky] ... Ich habe bei bald mit Kandinsky und Mare Kontakt auf. Ver­ persönlicher Bekanntschaft ein gewisses tieferes mutlich war er durch einen Besuch der zweiten Vertrauen zu ihm gefasst. Er ist wer und hat ei­ Ausstellung der "Neuen Künstlervereinigung nen ausnehmend schönen klaren Kopf." 17 Die sich München" im Frühjahr 1911 auf Kandinskys Werk nun entwickelnde Verbindung war für Klee sehr aufmerksam geworden. Bloch wurde Anfang De­ fruchtbar. Im Almanach war er mit einer Graphik zember 1911 - noch vor Macke - als einer der vertreten, auf der zweiten Ausstellung sogar mit ersten zur Teilnahme am "Blauen Reiter" eingela­ siebzehn Arbeiten. Er hatte sich künstlerisch den. Bei der ersten Ausstellung war er mit einer noch nicht gefunden, wenn auch gedanklich seine beträchtlichen Anzahl von sechs Werken betei­ Ziele weitgehend umrissen waren. Durch Kan­ ligt, im Almanach jedoch nur mit einer Arbeit. dinsky und Mare fühlte sich Klee in seinem Suchen Ohne akademische Ausbildung - geschult am bestätigt, die Oberfläche der Dinge zu durch­ Werk Cezannes, Matisses, Munchs, der Brücke• brechen und die darunter liegenden Kräfte und Künstler aber vor allem Marcs und Kandinskys - Energien sichtbar zu machen. erhielt der Amerikaner sich eine frische, kühne Malweise, die Kandinsky sicherlich als "unverbil­ Der gebürtige Elsässer Hans Arp (1886- det" und "ursprünglich" schätzte. 14 1966), Schriftsteller und bildender Künstler, ge­ langte vermutlich bereits 1909/1910 zur voll­ Der Rheinländer Heinrich Campendank kommenen Abstraktion. Doch da er damals nur (1889-19 57) knüpfte erste Kontakte zur auf Unverständnis stieß, zerstörte er alle Bilder "Neuen Künstlervereinigung München" über sei­ wieder. 1910 gründete er mit anderen jungen nen Mitstudenten Helmuth Macke und dessen Künstlern in der Schweiz den "Modernen Bund", Bruder August. Im Spätsommer 1911 folgte er ei­ mit dessen progressiven Ausstellungsprogramm ner Einladung von Franz Mare nach Sindeisdorf sie ad hoceinen wichtigen Platz im Umfeld der in­ Schon etwa drei Wochen nach seiner Ankunft ternationalen Avantgarde einnahmen. 1912 hin­ meldete Mare am 30. 10. 1911 an Kandinsky: terließ ein erstes Zusammentreffen mit Kan­ "Campendonk macht fabelhaft gute Sachen. Ich dinsky einen bleibenden Eindruck: "1912 be­ [möchte] gerne etwas von ihm im bl. Reiter und suchte ich Kandinsky in München. Er empfing ausstellen im Dezember!" 15 Der Wechsel in die mich mit großer Liebenswürdigkeit. Das war die 18

Zeit, als die abstrakte Kunst sich in konkrete zutreten, obgleich sie prinzipiell ganz auf unserer Kunst umzuformen begann." 18 Darauf folgte nicht Seite waren" sch rieb Münter an Kub in am 2. 12. nu r die Einladung einiger Künstler des "Blauen 1911. 21 Reiters" zu r zweiten Ausstellung des "Modernen Ebenfalls wieder gestrichen wurden Elisabeth Bundes" in die Schweiz, sondern auch die Abbil­ Epstein (1879-1959) und Max Oppenheimer dung einer Zeichnung Arps im Almanach des (1885-19 54), die im "provisor ischen Inhaltsver­ "Blauen Reiters". Es war der Beginn eines weiter­ zeichnis" von Franz Mare noch vorgesehen wa­ führenden Austauschs, über den sich Kandinsky ren. Sie w ichen offensichtlich bedeutenderen glücklich in einem Brief an Mare vom 6. 1. 1912 Künstlern w ie Burljuk, Cezanne, Gauguin, van äußerte: "Jedenfalls haben w ir jetzt die Schwei­ Gogh, Matisse oder Pechstein, die wenige Wo­ zer ! Das w ar so eine unangenehme Lücke. Fühlen chen später in Kand inskys Auflistung neu erschie­ Sie, w ie tatsächlich alle Nationen zueinander my­ nen. stisch gestoßen werden?" 19 B.j.

Den jungen tschechischen Künstler Eugen von Kahler ( 1882-1911) hatte Wassily Kandinsky während ihres gemeinsamen Studiums bei Franz von Stuck an der Münchner Akademie kennen­ gelernt. Er war bereits 1910 an der Ausstellung der "Neuen Künstlervereinigung München" betei­ ligt und erhielt im Oktober 1911 eine Einzelaus­ stellung in der Galeri e Thannhauser. Kandinsky war begeistert, wie einem Brief an Mare vom 9. Siehe Kandinsky an Kubin, 22. 9. 1911. ln: Hahi-Koch: Kandinsky. Stuttgart 10. 1911 zu entnehmen ist "Co IIektion Kahler be i 1993, S. 198 Thannhauser sehr intereßant! Pulsiert! Ich Siehe Kandinsky im Almanach, Lankheit 1997, S. 156 Vgl. Kandinsky im Almanach, Lankheit 1997, S. 137 möchte so gerne, daß Sie es sehen! Es bleibt aber 4 Farbdrucke in Kunstbüchern gab es zu diesem Zeitpunkt bereits. Sie waren aber teuer und meist in der Qualität schlecht, so daß Kandinsky und Mare nur noch diese Woche ausgestellt. Es ist so glück• nur wenige handkolorierte Werke beigaben. lich fein, daß es jetzt so verschiedene Klänge gibt. 5) Vgl. Kleine, Gisela: Gabriele Münter und Wassily Kandinsky. Frankfurt a.M. I Leipzig 1994, S. 387 Und zusammen ist es die Symphonie des XX. 6) Der Almanach erschien mit 1.200 Exemplare in der normalen Ausgabe, mit 50 Exemplaren in der Luxus-Ausgabe mit "zwei von den Künstlern selbst ko­ 2 Jahrhundert." °Kahler starb Ende 191 1, und Kan­ lorierten und handsignierten Holzschnitten" und mit 10 Exemplaren in der Museumsausgabe mit je einer .. Originalarbeit eines der beteiligten Künstler". dinsky würdigte ihn im Almanach mit einem Siehe Kandinsky- Mare. Briefwechsel. Lankheit 1983, S. 142 Nachruf und der Reproduktion zweierseiner Ar­ Vgl. Kleine, Gisela: Gabriele Münter und Wassily Kandinsky. Frankfurt am Main I Leipzig 1994, S. 379- 380 und S. 388 beiten. Zitiert nach Hoberg, Annegret (Hrsg.): Alfred Kubin. 1877- 1959. München 1990, S. 56 9 Siehe Kandinsky- Mare. Briefwechsel. Lankheit 1983, S. 125 10 Macke und Mare hatten sich Anfang 1910 kennengelernt Sie verband eine Im Almanach sind keine Arbeiten von Alexej enge Freundschaft. von Jawlensky (1864-1941) oder Marianne von 11 Siehe Macke an Mare, 22. 1. 1912. ln: Macke- Mare. Briefwechsel. Macke 1964, S. 96 Werefkin (1860-1938) abgebildet. Beide waren 12 Siehe Kandinsky- Mare. Briefwechsel. Lankheit 1983, S. 137 13 Er malte viel und hinterließ über 70 Ölgemälde und etwa 160 Aquarelle und enge Freunde von Münter und Kandinsky und ihr Zeichnungen. Die meisten entstanden zwischen 1908 und 1912, in der ent­ scheidenen Periode, als er seine musikalische Revolution durchsetzte. künstlerischer Austausch war außerordentlich in­ 14 Vgl. Adams, Henry und Annegret Hoberg (Hrsg.): Albert Bloch. Ein amerika­ tensiv. Ihre Namen werden häufig mit dem nischer Blauer Reiter. München 1997, v.a. Henry Adams: Albert Bloch: Der unsichtbare .. Blaue Reiter", S. 17 - 33 und Annegret Hoberg: Albert Bloch in "Blauen Reiter" in Verbindung gebracht, doch wa­ München, S. 57 - 63 15 Siehe Kandinsky- Mare. Briefwechsel. Lankheit 1983, S. 71 ren sie weder im Almanach noch auf den Aus­ 16 Siehe Kandinsky- Mare. Briefwechsel. Lankheit 1983, S. 64 stellungen vertreten. Ursprünglich noch einge­ 17 Siehe Klee, Paul: Tagebuch, Herbst 1911. ln: Paul Klee. Tagebücher. 1898- 1918. Hrsg. von der Paui-Kiee-Stiftung Kunstmuseum Bern . Stuttgart 1988, plant, wurden sie wieder gestrichen, nachdem sie s. 320 18 Siehe Arp, jean: Kandinksy, le Poete (1951) ln: Jours effeuilles. Poemes, Essais, den Austritt aus der "Neuen Künstlervereinigung Souveniers, 1920-1965. Paris 1966, S. 369 19 Siehe Kandinsky- Mare. Briefwechsel. Lankheit 1983, S. 105 München" nicht mitvollzogen: "Jawlensky und 20 Siehe Kandinsky- Mare. Briefwechsel. Lankheit 1983, S. 64 Werefkin brachten es nicht übers Herz, mit aus- 21 Zitiert nach Kleine, Gisela: Gabriele Münter und Wassily Kandinsky. Frankfurt am Main I Leipzig 1994, S. 380 19

Im Almanach abgebildet: 22 Werke

Wassily Kandinsky Bogenschütze, um 1910 Farbholzschnitt auf Papier, 16,5 x 15,4 cm Bez. im Stock Mitte links: "K" München, Städtische Galerie im , lnv. Nr. GMS 623/2 Almanach 1912, o. Nr., vorS. 1, Lankheit 1997, S. 17

Wassily Kandinsky Entwurf zu "Komposition IV" (Schlacht), 1911 Strichätzung der schwarzen Zeich­ nung nach einem Aquarell, handkolo­ riert, 14,0 x 21,0 cm (19,0 x 26,3 cm Blattgröße) Bez. unten links: .. K." München, Städtische Galerie im Lenbachhaus, lnv. Nr. GMS 460 Almanach 1912, Nr. 3, vorS. 65, Lankheit 1997, S. 121

Wassily Kandinsky Lyrisches, 1911 Öl auf Leinwand, 94,0 x 130,0 cm Bez. unten rechts: "Kandinsky 1911" Rotterdam, Museum Boymans-van Beuningen Almanach 1912, Nr. 15, S. 9, Lankheit 1997, S. 35

Das Gemälde .. Lyrisches" von Wassily Kandinsky diente Franz Mare in sei­ nem Artikel "Zwei Bilder" zum Ver­ gleich mit einer Illustration aus dem 19. Jahrhundert. Obwohl Kandinsky am 20. Juli 1911 an Münter schrieb, der Holzschnitt .. Lyrik" sei "besser als das Bild" geworden, wurde im Al­ manach das Gemälde reproduziert. 20

Wassily Kandinsky Komposition V (Das jüngste Gericht), 1911 Öl auf Leinwand, 190,0 x 275,0 cm Bez. unten links: "Kandinsky 1911" Solothurn, Sammlung Müller Almanach 1912, Nr. 125, nach S. 112, Lankheit 1997, S. 203

laß für das Auseinanderbrechen der "Neuen Künstlervereinigung Mün• chen ". Als Kandinsky es auf der dritten Ausstellung Ende 1911 zeigen wollte, stieß es auf Ablehnung: Es sei laut Sat­ zung zu groß. Dies war freilich nur ein Das riesige Gemälde "Komposition V" haltenen Form- und Flächengebilden vordergründiges Argument. ln Wahr­ wurde ganzseitig in Kandinskys Arti­ blitzt ab und zu ein Rot und Gelb her­ heit ging es den meisten Mitgliedern kel "Über Bühnenkomposition" abge­ aus: vermutlich brennende Häuser der "Neuen Künstlervereinigung Mün• bildet. Sein Untertitel "Jüngstes Ge­ und Städte, dazwischen auferstan­ chen" aufgrund seines extrem hohen richt" weist auf ein Grundthema Kan­ dene Heilige. Das auffälligste, bildbe­ Abstraktionsgrades zu weit. Kandin­ dinskys hin: den Zusammenhang von herrschende Element ist die sich von sky, Münter und Mare traten darauf­ Tod und Auferstehung. ln den beiden hinten nach vorne schlängelnde Linie. hin aus. Das Bild wurde damit zum oberen Ecken befinden sich zwei po­ Sie versinnbildlicht den anhaltenden programmatischen Hauptbild des neu sauneblasende Engel, die die Erlösung Posaunenstoß, der die Toten zum Le­ gebildeten Künstlerkreises um den verkünden. Die übrigen Bildelemente ben erweckt. Der "Klang", ein akusti­ "Blauen Reiter". 1 sind kaum zu entschlüsseln. Aus den in sches Signal, wird sichtbar. 1 Vgl. Moeller, Magdalena: . Köl n auffallend kühlen, matten Farben ge- Dieses Gemälde war der äußere An- 1987, S. 80

Franz Mare Franz Mare Pferde, 1911-1912 Fabeltier, 1912 Strichätzung nach einem Aquarell, Holzschnitt auf Japanpapier, hand­ handkoloriert, 14,1 x 20,8 cm koloriert, 14,3 x 21 ,4 cm München, Städtische Galerie im Bez. unten links: "F.Marc" Lenbachhaus Schloßmuseum, Murnau, Almanach 1912, Nr. 2, vorS. 33, lnv. Nr. 3273 Lankheit 1997, S. 71 Almanach 1912, o. Nr., vorS. 1, Lankheit 1997, S.19 21

Franz Mare Der Stier, 1911 Öl auf Leinwand, 101,0 x 135,0 cm Bez. rückseitig: ,,Fz. Mare 11 " New York, The Solomon R. Guggen­ heim Museum (ehemals im Besitz von Bernhard Koehler, Berlin) Almanach 1912, Nr. 97, nach S. 90,

Das große Gemälde ,,Der Stier" von Franz Mare wurde ganzseitig in Kan­ dinskys Artikel "Über die Formfrage" abgebildet. Dieser erklärt dazu: "Das starke abstrakte Klingen der körperli• chen Form verlangt nicht durchaus die Zerstörung des Gegenständlichen. Daß es auch hier keine allgemeine Re­ gel gibt, sehen wir im Bilde von Mare (,Der Stier'). Es kann also der Gegen­ stand den inneren und den äußeren Klang vollkommen behalten, und da­ bei können seine einzelnen Teile zu selbständig klingenden abstrakten Formen sich verwandeln und also ei­ nen gesamten abstrakten Hauptklang verursachen." 1 Anfang 1911 hatte Mare zur reinen Ausdrucksfarbe gefunden. Nun ent­ stand eine Reihe großformatiger Gemälde mit Tiermotiven, in denen die Farbe symbolische Bedeutung er­ Gabriele Münter Gabriele Münter hielt und großflächig eingesetzt Stilleben mit heiligem Georg, 1911 Mann am Tisch (Kandinsky), 1911 wurde. Die dargestellten Tiere neh­ Öl auf Karton, 51,1 x 67,9 cm Öl auf Karton, 51,6 x 68,5 cm men beinahe die ganze Fläche der Bez. unten links: "Münter" Bez. unten rechts: "Münter" Komposition ein. Mare durchbrach da­ München, Städtische Galerie im München, Städtische Galerie im mit die allgemeine Tierbildtradition Lenbachhaus, lnv. Nr. GMS 666 Lenbachhaus, lnv. Nr. GMS 665 und ließ das Tier zu einer Art Ikone Almanach 1912, Nr. 107, S. 98, Almanach 1912, Nr. 119, S. 108, werden. Er steigerte es zu einem Sym­ Lankheit 1997, S. 179 Lankheit 1997, S. 196 bol jenseits von Zeit und Raum. Thema ist die Einheit von Kreatur und Kandinsky ging in seinem Artikel Das Gemälde "Mann am Tisch" zeigt Kosmos. "Über die Formfrage" auch auf das Stil­ in beige-brauen Farbtönen Kandinsky leben von Gabriele Münter ein, das mit verschränkten Armen an einem 1 Siehe Almanach, Lankheit 1997, S. 180 dort ganzseitig abgebildet war. Fast Tisch, auf dem verschiedene Gegen­ wie in einer Verteidigungsschrift er­ stände stehen. Kandinsky schätzte das klärte er: "Das Stilleben von Münter Bild wegen seines starken Ausdrucks zeigt, daß die ungleiche, ungleichgra­ sehr und bildete es - obwohl von dige Übersetzung der Gegenstände Münter selbst ausdrücklich als "Studie" auf einem und demselben Bild nicht bezeichnet- im Almanach ab. nur unschädlich ist, sondern in richti­ ger Anwendung einen starken kompli­ zierten inneren Klang erzielt. Der äußerlich als disharmonisch wirkende Akkord ist in diesem Falle der Urheber der inneren harmonischen Wirkung." 1 1 Siehe Almanach, Lankh eit 1997, S. 180 22

Alfred Kubin Der Kobold, um 1911 Feder auf altem Katasterpapier, 14,1 x 24,9 cm (19,8 x 31,5 cm Blattgröße) Bez. unten rechts: "Kubin" Spiegel bei Bern, Privatbesitz Almanach 1912, Nr. 39, S. 29, Lankheit 1997, S. 62

Alfred Kubin Der Fischer, um 1911 - 12 Feder auf altem Katasterpapier, 22,5 x 14,8 cm (31 ,0 x 18,2 cm Blattgröße) Bez. unten rechts: "Kubin". Bez. unten links: "Der Fischer" Karlsruhe, Privatbesitz Almanach 1912, Nr. 106, nach S. 96, Lankheit 1997, S. 175

Alfred Kubin Der Eremit, um 1911 Feder, Tusche und Aquarell auf altem Katasterpapier, 13,9 x 24,5 cm (19,2 x 31,2 cm Blattgröße) Bez. unten rechts: "Kubin" Linz, Oberösterreichisches Landes­ museum, lnv. Nr. Ha II 3280 Almanach 1912, Nr. 121, S. 110, Lankheit 1997, S. 198 23

August Macke folgten malerischen Weg, auf dem er Sturm, 1911 sich stets an der sichtbaren Wirklich­ Öl auf Leinwand, 84,0 x 113,0 cm keit orientierte. "Der Sturm" wurde Saarbrücken, Saarland-Museum eher aus der Vorstellung, weniger aus Almanach 1912, Nr. 11, S. 5, Lank­ der Anschauung heraus gemalt. Mit heit 1997, S. 28 gegenstandsungebunden eingesetzten Farben und dynamischer Formbildung Das Gemälde "Sturm" nimmt im Oeu­ entstand ein Bild von hoher Abstrak­ Arnold Schönberg vre Mackes nicht nur durch das große tion.1 Die Auswahl durch Mare und Vision, 1910 Format eine Sonderstellung ein. ln sei­ Kandinsky kritisierte Macke später Öl auf Leinwand, 32,0 x 20,0 cm ner symbolisch-abstrakten Art verrät heftig, da er die Abhängigkeit von ei­ Bez. unten rechts: "Arnold Schön• es den starken Einfluß durch Mare und ner ihm im Grunde fremden Kunst­ berg 16/ 111 1910". Unten links Wid­ Kandinsky und steht merkwürdig iso­ auffassung erkannte. Das Gemälde mung an Leopold Stokowski 1944 liert in Mackes Schaffen. Es entstand wurde erstaunlich kleinformatig im Washington D.C., The Library of im Herbst 1911 während eines Be­ Almanach abgebildet. Congress suchs bei Mare in Sindeisdorf Er ver­ 1 Vgl. Moeller, Magdalena: Der Blaue Reiter. Köln Almanach 1912, Nr. 85, S. 80, Lank­ läßt in diesem Bild seinen von ihm ver- 1987, S. 110 heit 1997, S. 144

August Macke Die heute verschollene Ballettskizze Ballettskizze, 1911 fügte Franz Mare relativ spät in den Pinselzeichnung, Maße unbekannt Almanach ein: "Kann man (vielleicht in Arnold Schönberg Bez. Mitte rechts: "Macke 1911" den Hartmannsehen Artikel) die feine Selbstportrait, 1911 Verbleib unbekannt Zeichnung von August (aus dem Öl auf Karton, 48,0 x 45,0 cm Almanach 1912, Nr. 55, S. 44, Lank­ neuen Katalog) noch hineinschieben? Sign. u. dat. rechts unten heit 1997, S. 90 Ich möcht es gern. Er darf schon mit Wien, Arnold Schönberg Center zwei kleinen Sachen vertreten sein." 1 Almanach 1912, Nr. 93, S. 85, Lank­ heit 1997, S. 158 1 Siehe Mare an Kandinsky am 25. 2. 1912. ln: Kan­ dinsky- Mare. Briefwechsel. Lankheit 1983, S. 136 24

Albert Bloch ist, verschm ilzt mit den Häusern, de­ Impression von Sollnhofen, 1912 ren Fenster und Türen an Augen, Springendes Pferd, 1911 Technik und Maße unbekannt Münder und Nasen erinnern. ln der Öl auf Le inwand, 85 ,0 x 65 ,0 cm Vernichtet Berliner Ausstellung w urde das Saarbrücken, Saarland-Museum Almanach 1912, Nr. 57, S. 45, Gemälde von der Kritik spöttisch be­ Almanach 1912, Nr. 16, S. 10, Lankheit 1997, S. 92 urteilt: "augenscheinlich ist die Stadt Lankheit 1997, S. 36 Lil iput dargestellt in dem Augenblick, Kandinsky und Mare bildeten trotz w o Herr Gull iver sein Mittagsschläf• Das Gemälde "Springendes Pferd" von enormer Wertschätzung nur eine Ar­ chen auf ihr beendet hatte. Möglicher­ Heinrich Campendonk (1889- 1957) beit von Bloch im Almanach sehr klein­ weise ist es auch ein Ort, dem infolge entstand vermutlich kurz nach seiner formatig ab. Das Gemälde "Impres­ eines Erdbebens übel geworden ist." 1 Ankunft in Sindeisdorf 1911, worauf sion von Sollnhofen" erhielt in dem das Motiv des Pferdes hinweist. Auch von Bloch geführten Werkverzeichnis 1 Siehe Berliner Zeitung .. Der Tag" vom 26. März der freiere Umgang mit der leuchtend 1912. ln: Adams, Henry und Annegret Hoberg den Vermerk "vernichtet". (Hrsg.): Albert Bloch. Ein amerikanischer Blauer Rei­ eingesetzten Farbe sowie die gegen­ ter. München 1997, S. 62 Seine beiden damals hauptsächlich standsungebundene Verteilung der verfolgten Themen sind Stadtland­ Farbflecken könnten auf den Einfluß schaften und , die in diesem der neuen Freunde Kandinsky und Werk wie in einer Anamorphose ver­ Mare zurückgehen. Ein weiterer Hin­ eint wurden. Man sieht verschiedene weis auf die Entstehung in diesem Um­ Häuser, die sich -als seien sie lebendig feld ist die blaue Kontur des Pferdes, - beugen und schwanken. Sie türmen wohl eine Anspielung auf die Namens­ sich zu einem dekorativen Muster gebung der Redaktion "Der Blaue Rei­ übereinander auf und erfahren keine ter". Das Gemälde, das relativ klein­ Binnenzeichnung oder perspektivi­ formatig im Almanach abgedruckt sche Behandlung. Nur durch dunkle wurde, war auch in der ersten Aus­ Konturen werden sie voneinander ge­ stellung 1911 zu sehen . trennt Die im Verhältnis riesenhafte Figur, die transparent darübergelegt 25

Paul Klee Steinhauer, 1910,74 Feder in Tusche, laviert (Radierung?), Maße unbekannt Bez. unten rechts: "Klee" Verbleib unbekannt Almanach 1912, Nr. 120 S. 109, Lankheit 1997, S. 197

Hans Arp schuf Arp unter Anleitung des schwei­ Büstenentwurf, 1911 - 12 zer Bildhauers Fritz Huf einige Arbei­ Pinselzeichnung, Maße unbekannt ten in Gips, die er ebenfalls vernich­ Verbleib unbekannt tete mit der Begründung, er bliebe in Almanach 1912, Nr.116, S.105, der Tradition verhaftet. Kennzeich­ Lankheit 1997, S. 191 nend für Arps Zeichnungen jener Zeit sind flüchtige, schwungvolle Umrisse Die im Almanach abgebildete Pinsel­ ohne Schattierungen oder Binnen­ zeichnung zerstörte Hans Arp, wie zeichnung. 1 Die vorliegende Zeich­ die meisten seiner Werke, die vor nung kann fast als Umkippbild zwi­ dem ersten Weltkrieg entstanden wa­ schen sitzender Ganzfigur und Büste ren. Der im Inhaltsverzeichnis ver­ gelesen werden. merkte Titel "Büstenentwurf' deutet auf eine vorbereitende Skizze einer 1 Vgl. jane Hancock: Das frühe Werk. ln: Arp. 1886 - 1966. Hrsg. von Jane Hancock und Stefan1e Poley. Plastik hin. Zwischen 1910 und 1911 Stuttgart 1986, S. 38 - 40

Eugen von Kahler Eugen von Kahler Eugen von Kahlers Bild "Liebesgarten" Reiter, um 1910- 11 Liebesgarten, 1910- 1911 illustriert wie die Arbeit "Reiter" den Deckfarben und Tuschfeder auf Deckfarben und Tuschfeder auf Nachruf auf den erst kurz zuvor ver­ Papier, 32,0 x 49,0 cm Papier, 19,0 x 27,1 cm storbenen Künstler durch Wassily Wachtberg, Privatbesitz (ehemals im München, Städtische Galerie im Kandinsky. Das extrem kleinteilig ge­ Besitz von Maria Mare, Ried) Lenbachhaus (ehemals im Besitz von staltete Blatt greift ein sehr altes Almanach 1912, Nr. 63, S. 54, Lank­ Wassily Kandinsky), lnv. Nr. GMS Thema auf, das bereits viele Künstler heit 1997, S. 104 684 inspiriert hatte. Kahler verleiht der Almanach 1912, Nr. 64, S. 55, Szene orientalisches Flair. Kandinsky Lankheit 1997, S.105 selbst erwarb das Blatt des von ihm geschätzten Malers. 26

Kat. Nr. A 1 gendstils verpflichet, die Blätter waren Grün dominiert, gefolgt von Rot, dem W assily Kandinsky oft kleinformatig. Mit dem Farbholz­ Komplementärkontrast. Das Motiv Bogenschütze, um 1910 schnitt "Bogenschütze" näherte sich des Bogenschützens muß man suchen: Farbholzschnitt auf Papier, Kandinsky erstmals der abstrahierten Unten rechts galoppiert er auf einem 16,5 x 15,4 cm Formensprache seiner Gemälde, in­ gelben Pferd heran. Während das Bez. im Stock Mitte links: "K" dem er die motivische Klärung be­ Pferd vorwärts rast - sicherlich der München, Städtische Galerie im wußt erschwerte und auf die orna­ neuen Kunst entgegen - zielt der Rei­ Lenbachhaus, lnv. Nr. GMS 623/2 mentale Schönlinigkeit verzichtete. Er ter zurück und hält sich damit viel­ verwendete vier Druckstöcke: die leicht die Gegner dieser neuen Kunst Kandinsky hatte sich schon früh mit drei Primärfarben und Schwarz. Die vom Leib. Sie streben einem kleinen dem Farbholzschnitt beschäftigt. Bis kleinteilige, unruhige Komposition Schloß entgegen, das sich auf der lin­ 1908 war sein graphisches Werk ganz macht einen sehr bunten Eindruck. ken Bildhälfte befindet. dem eleganten Linienornament des Ju- Das aus Gelb und Blau gemischte B.j. 27

Kat. Nr. A 2 Der Titel "Komposition" kennzeichnet einem Regenbogen überspannten Tal Wassily Kandinsky bei Kandinsky ein Bild höchsten Ran­ abgekürzt dargestellt ist. Zwei schwar­ Entwurf zu "Komposition IV" ges - neben den "Impressionen", die ze Lanzenschäfte, die von drei rot­ (Schlacht), 1911 Eindrücke der "äußeren Natur" fest­ bemützten Männern gehalten wer­ Strichätzung der schwarzen Zeich­ halten, und den "Improvisationen", den, trennen die beiden Bildhälften nung nach einem Aquarell, handkolo­ Eindrücke der "inneren Natur". "Kom­ voneinander. Auf der rechten Hälfte riert, 14,0 x 21,0 cm (19,0 x 26,3 cm positionen" sind gründlich vorberei­ liegt ein inniges Paar. Die linke "krie­ Blattgröße) tete, lang durchdachte Werke, bei de­ gerische" Seite steht der rechten Bez. unten links: "K.". nen eine spontane, aus der Emotion "friedlichen" Seite gegenüber. Privatbesitz, abgebildet im Almanach heraus entstandene Gestaltung ausge­ in seiner 1913 veröffentlichen Selbst­ vor Seite 65. schlossen ist. Insgesamt schuf Kan­ darstellung "Rückblicke" hat Kan­ dinsky zehn Kompositionen, sieben dinsky das Gemälde "Komposition IV" davon zwischen 1910 und 1913. Den einer eingehenden Formanalyse un­ Begriff entlehnte er aus der Musik­ terzogen. Er spricht dort vom Über• welt. Abstrakte Malerei und Musik fließen der Farbe über die Grenzen waren entsprechend seiner Kunstauf­ der Form und vom Überwiegen der fassung wesensverwandt. Beide Farbklänge über den Formklang und brachten den "inneren Klang" der formulierte damit auch eine Gegenpo­ Dinge zum Ausdruck. sition zum Kubismus. Das Gemälde "Komposition IV" steht in seiner Farb­ wurde für den Almanach in einen und Formauflösung an der Schwelle handkolorierten Druck umgesetzt zur abstrakten Kunst. Die durch Farbe und jedem Exemplar farbig beigege­ und Linie vermittelte Ausdruckskraft ben. 1 hat vor dem Gegenständlichen Prio­ B.J. rität. Nur noch einzelne Elemente las­ sen sich erkennen: Es handelt sich um 1 Vgl. Schmalenbach, Werner: Bilder des 20. Jahrhun­ eine Berglandschaft mit einer hoch­ derts. München 1986, S. 14- 18. Das im Februar gelegenen Burg, auf deren linken Seite 1911 ausgeführte Gemälde von 159,5 x 250,5 cm be­ findet sich heute m der Kunstsammlung Nordrhein­ eine Reiterschlacht über einem von Westfalen Düsseldorf. 28

Kat. Nr. A 3 Im Almanach steht die Reproduktion briele Münter. 2 Nicht selten griff Kan­ Wassily Kandinsky des gleichnamigen Gemäldes "Lyri­ dinsky Motive seiner Gemälde in ab­ Lyrisches, 1911 sches" einer Märchenillustration aus gew andelter Form w ieder in der Gra­ Farbholzschnitt auf Japanpapier, der Biedermeierzeit gegenüber. Franz phik auf. 14,9 x 21,8 cm (18,0 x 31,2 cm Mare nimmt diese beiden Bilder zum Das Bild zeigt einen in der Art der .. Im­ Blattgröße) Ausgangspunkt, um in seinem Beitrag pressionen" abstrahierten Jockey in Bez. unten rechts im Stock: "K" "Zwei Bilder" über die vergleichbare .. gestrecktem" Galopp nach links. München, Städtische Galerie im Ausdruckskraft derart verschiedener Pferd und Reiter fliegen buchstäblich Lenbachhaus, lnv. Nr. GMS 303 Werke zu schreiben: "Wir meinen durch die Luft. Die Farben Blau, Rot nun aber, daß jeder, der das Innerliche und Gelb sind illustrierend eingesetzt, und Künstlerische des alten Märchen• das Motiv selbst ist durch die bildes empfindet, vor Kandinskys Bild, schw arzen Linien bestimmt. Wäh• das wir ihm als modernes Beispiel ge­ rend auf dem Ölbild noch einige Far­ genüberstellen, fühlen wird, daß es ben der Umgebung vage die Kontur von ganz gleich tiefer Innerlichkeit des einer Landschaft andeuten, zeigt der künstlerischen Ausdruckes ist". 1 Holzschnitt nur noch zweidimensio­ Das Gemälde hatte Kandinsky bereits nale Farbflächen. Der Titel "Lyrisches" im Januar 1911 gemalt, während er spielt auf das Vokabular der Musik an. den hier ausgestellten Farbholzschnitt B.j. erst ein halbes Jahr später schuf. "Ich mache jetzt den Holzschnitt mit dem 1 Siehe Almanach, Lankheit 1997, S. 37 2 Siehe Roethel, Hans Konrad: Kandinsky. Das gra­ Jockey, Conturplatte schon fertig und phische Werk. Köln 1970, S. 196 sehr gut.", schrieb er am 11. Juli an Ga- 29

Kat. Nr. A 4 Beliebtestes Motiv war für Franz Mare schmalere Stirn machen ihn eher zu ei­ Franz Mare das Tier, das er zum Symbol erhob: nem niedlichen Kalb, als zu einem be­ Liegender Stier, 1911 Seine "Wesenheit" wurde zum alleini­ eindruckenden Stier. Kohle auf Papier, 11,9 x 15,7 cm gen Gegenstand der bildnerischen B.J. Bez. unten rechts: "7" Aussage. Franz Mare schuf neben sei­ München, Staatliche Graphische nen Gemälden zahlreiche Zeichnun­ Sammlung, lnv. Nr. 1960: 53 gen und Aquarelle, die die Themen und Motive seiner Gemälde in poeti­ scher Weise variieren. Die ausgestellte Kohlezeichnung zeigt einen ruhenden Stier in derselben Pose wie auf dem Gemälde, das im Almanach abgebildet wurde. Hier ist er isolierter - ohne den Naturhinter­ grund - dargestellt. Nur rechts sind wenige Büsche angedeutet Während der Stier des Gemäldes trotz seines schlafenden Zustandes etwas Mächti• ges und Imposantes hat, erhält der Stier der Zeichnung einen fast kindli­ chen Charakter. Die Formen sind ab­ gerundet, die weichere Nase und die 30

Kat. Nr. A 5 Der nach einem Aquarell gefertigte, wie in den Gemälden die Einheit von Franz Mare handkolorierte Druck "Pferde" von Geschöpf und Umwelt suchte. Pferde, 1911- 1912 Mare wurde ganzseitig in dem Beitrag Das Blatt zeigt ein schwarzes und ein Strichätzung der schwarzen Zeich­ von Arnold Schönberg "Das Verhält• blaues Pferd inmitten einer angedeu­ nung nach einem Aquarell, hand­ nis zum Text" abgebildet. ln der zwei­ teten Landschaft, die jedoch durch koloriert, 14,1 x 20,8 cm ten Auflage des Almanachs von 1914 keine konkreten Formen mehr er­ Privatbesitz, abgebildet im Almanach tauschte Mare das Blatt durch einen kennbar ist. Es sind lediglich rote, in der 1. Auflage vor Seite 33 anderen Druck mit dem gleichen Mo­ blaue, schwarze, weiße und grüne tiv aus. Farbflächen, die in einer ausgewoge­ Mare hatte 1911 mit der Technik des nen, wohl überlegten Komposition ne­ Holzschnitts begonnen und schuf ins­ beneinander gesetzt wurden. gesamt 25 Blätter. Beeinflußt war er B.J. durch den japanischen Farbholz­ schnitt, den er auf seiner Reise nach Paris 190 3 entdeckt hatte, sowie durch den Münchner Jugendstil und durch seinen Kollegen Wassily Kan­ dinsky. Gerade anhand des graphi­ schen Druckverfahrens konnte Mare seine Ziele weiterverfolgen: klar ge­ zeichnete Umrisse, feste tektonische und rhythmische Ordnungen und die Möglichkeit der flächigen Gestaltungs­ weise kräftiger Farben. Durch einen starken Vereinfachungsprozeß wollte er zur gesuchten Wesensform vor­ stoßen. Die stark stilisierten Drucke stellen meist Tiere dar, wobei Mare 31

Kat. Nr. A 6 Der handkolorierte Holzschnitt .,Fa­ grüne und lilafarbene Akzentsetzun­ Franz Mare beltier" von Franz Mare war nur der gen, der Boden ist leicht ocker, der Fabeltier, 1912 Luxus- und Museumsausgabe des Al­ Hintergrund leicht grün. Der rechte Holzschnitt auf Japanpapier, hand­ manachs beigegeben: .. Ich drucke mei­ Bildrand wird durch eine schwarze, koloriert, 14,3 x 21,4 cm nen Luxus-Holzschnitt selber mit der nicht näher zu definierende Wand ab­ Bez. unten links: .. F.Marc" Hand. Lange Arbeit; aber ich mach's geschlossen. Durch die Handkolorie­ Murnau, Schloßmuseum Murnau, ganz gern. Bin grad dabei." 1 Er wurde rung variieren die Farben der einzel­ lnv. Nr. 3273 ganzseitig vor seinen Artikel .. Geistige nen Exemplare. Güter" eingefügt und in einer Vorfas­ B.j. sung bereits im November 1911 als .. Signum" verwendet: .. der Prospekt 1 Siehe Mare an Kandinsky, 22. 3. 1912. ln: Kandinsky -Mare. Briefwechsel. Lankheit 1983, S. 153 erhielt als Signum mein japanisches Fa­ 2 Siehe Mare an Macke, 9. 11. 1911. ln: Macke­ beltier".2 Mare. Briefwechsel. Macke 1964, S. 77 Das Blatt zeigt ein nicht näher zu be­ stimmendes Tier, das sich behutsam und ruhig von links nach rechts be­ wegt. Der Zusatz .. japanisch" bezieht sich vermutlich nicht auf das Fabeltier selbst, sondern auf die Technik des Holzschnittes. Mare verwendete ein­ fache schwarze Konturen und reine Farbflächen. Das Tier wird in starker Nahsicht gezeigt, der Komposition fehlt jegliche Tiefenwirkung. Klare Far­ ben dienen der ausgewogenen forma­ len Verteilung: das Tier ist gelb, der Heuhaufen (?) dahinter rot. Aufge­ frischt wird die Komposition durch 32

Kat. Nr. A 7 Das Gemälde "Voralpenlandschaft" Kat. Nr. A 8 Franz Mare zeigt eine reine Landschaft, die sicher­ Gabriele Münter Voralpenlandschaft, um 1909 11 j lich in Franz Marcs Zeit in Sindeisdorf Selbstportrait, 1909 Öl auf Leinwand, 62,0 x 76,0 cm entstanden ist. Für diese Zeit ist die Öl auf Karton, 46,5 x 38,0 cm München, Privatbesitz helle Farbe mit wenig Kontrasten, der München, Privatbesitz lyrische Ton und das weithin Wo­ gende der Hügel bezeichnend. ln der Das ausgestellte Selbstbildnis von Ga­ großzügig skizzierend gemalten Hü• briele Münter überrascht durch seine gel-Landschaft von großer Raumweite radikale Reduktion der Figur auf we­ sieht man eine Baumgruppe - eventu­ nige Grundformen. Münter sitzt in ei­ ell Tannen - im Mittelgrund, zwei nem einfachen schwarzen Kleid mit Stroh- oder Schilfhocken zum Vorder­ weißem Kragen oder Schal auf einer grund hin und einen buchtartigen Aus­ Art Terrasse an der spitz zulaufenden läufer eines Moores oder Sees links im Ecke eines Ziegeldachs. Ihr Gesicht ist Vordergrund. Mare hat mehrmals nichts als eine glatte Fläche. Dennoch Schilf- und Heuhocken gemalt und da­ verleihen die Körperhaltung mit auf­ mit ein Thema von van Gogh und Mo­ gestützter Hand, die schmalen Schul­ net aufgegriffen, das auch Kandinsky tern der schlicht umrissenen schwarzen sehr faszinierte. Figur sowie die Kontaktvermeidung B.J. mit der Umwelt dem Bild individuelle Züge. Es ist kein Stuhl angedeutet, auf 33

dem sie sitzt, das Sitzen ist nur an ih­ Kühnheit ist unter Münters Selbstbild­ rer Haltung abzulesen. Der formalen nissen sehr rar. 1 Konzentration entsprechen kräftige ß.J. schwarze Konturen und wenige, 1 Vgl. Hoberg, Annegret und Helmut Fnedel (Hrsg.): deckende Farben vom Ziegelrot des Gabriele Münter. 1877- 1962. Retrospektive. Mün• Bodens, Grün der Mauer, Ocker der chen 1992, S. 264 Ziegelunterlage und des Fensters, Schwarz des Kleides und Weiß der Ziegel. Eine Darstellung von solcher 34

Kat. Nr. A 9 Das "Dunkle Stilleben mit Figürchen " umfangen, sind aber in den Einzelhei­ Gabriele Münter ist vermutlich das früheste dieser Se­ ten und den räumlichen Verhältnissen Dunkles Stilleben mit Figürchen, rie. Erstmals zeigte Münter Gegen­ noch genauer ausgeführt als in allen 1910 stände religiöser Volkskunst - Heili­ folgenden Stilleben der Serie. Öl auf Leinwand, 93,0 x 70,0 cm genfiguren und Hinterglasbilder - zu­ Anstelle der bisher verfolgten, farb­ Murnau, Schloßmuseum Murnau sammen mit Blumen und Blättern vor intensiven Flächenmalerei zeigte Ga­ dunklem Hintergrund. Die drei Hin­ briele Münter in den Stilleben eine Im Herbst 1908 stieß Gabriele Münter terglasbilder, alle aus Münters Besitz, lockere Pinselführung, eine Kleinteilig­ erstmals auf die bayerische Hinterglas­ hängen an der Wand über dem Tisch­ keit der Form und stark betonte malerei, die sie bald sammelte. Schon ehen. Am höchsten Punkt sieht man Schattenpartien, die die Figuren - Sym­ nach kurzer Zeit folgten andere eine Kreuzigungsszene, rechts den bole für Innerlichkeit und Ursprünglich• Stücke der Volkskunst, profane und Heiligen Florian, den Münter auch ko­ keit - geheimnisvoll umhüllen. 1 religiöse Schnitzereien, Keramiken, die pierte, und links angeschnitten ein B.J. wie die Hinterglasbilder vor allem im weiteres Heiligenbild. Die Gruppe der 19 . Jahrhundert weite Verbreitung ge­ Madonnenfiguren und der Blumen­ funden hatten. Diese Sammlung regte strauß auf dem Tisch davor werden 1 Vgl. Hoberg, Annegret und Helmut Friedel (Hrsg.): Gabriele Münter. 1877- 1962. Retrospektive. sie zu einer Serie von Stilleben an . vom Dunkelgrün des Hintergrundes Munchen 1992, S. 265 35

Kat. Nr. A 10 Die Zeichnung "Der Kobold" von Al­ xierung des Betrachters macht er den Alfred Kubin fred Kubin wurde im Almanach im Ar­ Eindruck, als ob er gerade zum Der Kobold, um 1911 tikel "Das Verhältnis zum Text" von Sprung ansetzt. Feder auf altem Katasterpapier, Arnold Schönberg bewußt freigestellt, Die Zeichnung erinnert unter den 14,1 x 24,9 cm also ohne den Blattrand gezeigt. Auf drei für den Almanach ausgewählten (19,8 x 31,5 cm Blattgröße) der Rückseite findet man von Kan­ Werken noch am ehesten an Kubins Bez. unten rechts: "Kubin" dinskys Hand den Hinweis: "BI.Reiter phantastische, visionäre Arbeiten des Spiegel bei Bern, Privatbesitz I 15 cm hoch (Strichmanier!) Nur die Frühwerks, die die starken seelischen Figur, I keinen Rand! I Sehr vorsichtig Erschütterungen und Krisen seiner behandeln!" 1 Obwohl relativ großfor• frühen Lebenszeit widerspiegeln. Die matig abgebildet, erhält die Zeichnung anderen beiden Zeichnungen vermit­ so die Funktion einer Vignette. teln nur verdeckt unheimliche Ele­ Dargestellt ist ein ungelenker Kobold, mente. der - wie ein Frosch auf Seerosen­ B.J. blättern - auf verschiedenen Blatt­

schichten kauert. ln seiner geduckten 1 Siehe Hoberg, Annegret (Hrsg.): Alfred Kubin. Haltung und durch die eindringliche Fi- 1877-1959. München 1990, S. 293 36

Kat. Nr. A 11 Die Zeichnung "Der Eremit" zeigt fetzen", wie sie Kubin selbst bezeich­ Alfred Kubin eine auf den ersten Blick idyllische, nete.1 Der Eremit, um 1911 märchenhafte Situation: ln einem Kandinsky nannte Ku bin mit seinen an­ Feder, Tusche und Aquarell auf altem Waldstück ruhen ein übergroßes Reh schaulichen, überrealistischen Formu­ Katasterpapier, 13,9 x 24,5 cm und ein in sich zusammengekauerter lierungen von Seelenzuständen einen (19,2 x 31,2 cm Blattgröße) Mann mit Kutte und Zipfelmütze an ei­ Darsteller von "Träumen", der, wie Bez. unten rechts: "Kubin" nem kleinen Bachlauf Pilze, Farn, ein auch Schönberg, seine innersten Ge­ Linz, Oberösterreichisches Landes­ Specht und ein kleines Eichhörnchen fühle ausdrückte. Auch Kubin rech­ museum, lnv. Nr. Ha II 3280 vorne rechts geben dem Ganzen ei­ nete er - neben Schönberg, Kahler, nen märchenhaften, kindlichen Cha­ Münter und Rousseau - zu den Ver­ rakter. Das Motiv kam sicherlich Kan­ tretern der .. großen Realistik", die den dinskys und Mare Bestrebungen ent­ Gegenpol zu der .. großen Abstrak­ gegen, neben die sogenannte "hohe" tion" bildeten. Kunst auch kinder- und volksnahe B.J. Kunst zu stellen. Einzelne Elemente der Zeichnung bre­ 1 Vgl. Hoberg, Annegret (Hrsg.): Alfred Kubin. 1877 - 1959. München 1990, S. 281 chen jedoch diese Idylle. Ein riesiger Vogel, der in seiner Gestalt etwas Un­ heilvolles hat, fliegt über den Schlafen­ den. Von oben drängen Nebelschwa­ den in das Bild und bilden eine Wolke, die wie ein unguter Traum über der Szene hängt. Es sind Anklänge an seine "Traumbilder" von 1911 mit den gedehnten Formen der .. Erinnerungs- 37

Kat. Nr. A 12 Alfred Kubin Der Fischer, 1911 - 12 Feder auf altem Katasterpapier, 22,5 x 14,8 cm (31 ,0 x 18,2 cm Blattgröße) Bez. unten rechts: "Kubin". Bez. unten links: "Der Fischer" Karlsruhe, Privatbesitz

Die Federzeichnung "Der Fischer", die schers verrät keine emotionale Bewe­ flächenfüllendes, lockeres Strichge­ in Kandinskys Artikei .. Über die Form­ gung, wie etwa Stolz wegen seines ge­ füge aus unregelmäßigen, kleinteiligen frage" ganzseitig abgebildet ist, hat lungenen Fangs. Er steht auf einer klei­ Formen angelegt. Kandinsky auf der Rückseite mit Blei­ nen Insel in einem Weiher, das -von Durch die Unterschrift "Federzeich­ stift beschriftet: "BI. R. Strichmanier! Büschen, Bäumen und Schilf gesäumt nung" im Almanach betonten Kan­ Sehr vorsichtig behandeln!" Sie zeigt - nicht den Eindruck von großer Tiefe dinsky und Mare die Technik. Seit einen stämmigen Mann mit breit­ vermittelt. Daher erstaunt es, daß er 1907 begann Kubin mit der Feder zu krempigem Hut, der seinen Fang prä• diesen großen Fisch in dem seichten arbeiten. Sie wurde ihm zu einer be­ sentiert: einen riesenhaften Fisch, der Gewässer gefangen hat. Am linken vorzugten Technik und seit 1911 be­ ihm vom Boden weg bis zum Bauch Bildrand, im Mittelgrund, versucht ein stimmend für sein weiteres Werk. reicht und der Linie seines Beines anderer Angler sein Glück. Die dunkle B.j. folgt. Relativ locker hält er ihn - wohl Gestalt des Anglers und die etwas an einem Haken- mit seinem rechten kroteske Situation geben der Zeich­ Arm, als ob er kein besonders schwe­ nung einen leicht unheimlichen Unter­ res Gewicht habe. Das Gesicht des Fi- ton. Die Bildelemente sind durch ein 38

fP·?p-· -

Kat. Nr. A 13 Kandinsky und Mare bildeten von Au­ hochgeworfenem Bein und hoch­ August Macke gust Macke neben dem großen gestrecktem Arm weniger an eine Tänzerin, 1912 Gemälde "Sturm" eine heute verschol­ Ballett-, als vielmehr an eine Variete­ Tuschpinselzeichnung, lene Tuschpinselzeichnung im Al­ Tänzerin denken läßt. Ihre Bewegung 18,8x15,0cm manach ab. Am 5. 2. 1912 meldete ist im dramatischsten Moment festge­ Bez. unten Mitte: "1912" Macke an Mare: "Ich erwarte noch halten. Mit wenigen spitzen, dynami­ Kunsthal le Bremen, Kupferstich­ eine andere Photographie, die ich , so­ schen Pinselstrichen gibt Macke die kabinett, lnv. Nr. 1965/81 bald ich sie habe, schicke. Wartet aber nötigsten Umrisse. Das ornamentale nicht darauf. Es ist mir nicht so furcht­ Zackenband auf der rechten Seite er­ bar wichtig. Druckt nur, damit man innert an einen Bühnenvorhang, den Blauen Reiter bald sieht." 1 Hier während die vier Tänzerinnen der muß es sich wohl um die Vorlage für verlorengegangenen Zeichnung von die Skizze gehandelt haben, die in ab­ einem Hintergrundsprospekt einer strahierender Formgebung vier Bal­ Bühne hinterfangen werden. lett-Tänzerinnen wiedergibt. B.J. Auch die ausgestellte Zeichnung ist in der gleichen Manier gezeichnet. Sie 1 Siehe Macke an Mare, 5. 2. 1912. ln: Macke- Mare. zeigt eine Tänzerin, die mit einem Briefwechsel. Macke 1964, S. 103 39

Kat. Nr. A 14 Das erst nach Erscheinen des Al­ kadien oder unberührte Völker- läßt August Macke manachs entstandende Gemälde "Ba­ an eine Vorbildrolle von Cezanne und Badende Frauen, Entwurf für eine dende Frauen" war als Entwurf für Gauguin denken. Weberei, 1913 eine Weberei gedacht. Flächige, oft­ B.J. Öl auf Leinwand, 59,5 x 73,5 cm mals scharf zackig geformte Farb­ Ludwigshafen a. Rh., Wilhelm-Hack­ flächen liegen ohne trennende Kontur Museum, lnv. Nr. 450/268 nebeneinander. Die Farbe, die offen­ bar hauptsächlich zur Orientierung für die Weberei diente, ist sehr trocken und dünn auf die Leinwand aufgetragen. Der Kontrast Grün - Orange ist dominierend. Im Zentrum sieht man drei weiße Frauen beim Ba­ den, die in ihrer Nacktheit und unge­ zwungenen Haltung Ursprünglichkeit vermitteln. Sie befinden sich an einer Wasserquelle inmitten eines lichten Waldes. Das Motiv- Hinweis auf Ar- 40

Kat. Nr. A 15 allem die Augen herausgearbeitet trät von hinten will ich nichts sagen. Arnold Schönberg sind, w eshalb Schönberg sie auch Aber sind diese paar Bröckchen das Blick, 1910 "Blicke" nannte: "Ich habe niemals Ge­ Geschrei um den ,Maler' Schönberg Öl auf Leinwand, 28,0 x 20,0 cm sichter gesehen, sondern, da ich den wert?" schrieb Macke, und Mare ant­ Sign. und dat. unten rechts Menschen in s Auge gesehen habe, nur w ortete: "Das mit Schönberg kann ich Wien, Arnold Schönberg Center ihre Blicke. [ ... ] Ein Maler aber erfaßt nicht bestreiten (das Selbstporträt mit einem Blick den ganzen Menschen mag ich zw ar sehr) aber: Du kennst Das Gemälde "Blick" gehört Schön­ -ich nur seine Seele." 2 Alles unnötige meine Max ime, meinem Herrn Mitre­ bergs Werkgruppe der "Visionen" an, Beiwerk ist ausgespart, die Darstellung dakteur nicht hereinzureden" 3 die Kandinsky eher fremd war: "Mir ist auf das Wesentliche kon zentriert. B.J. nur der Ursprung der ,Visionen' nicht Daß diese Arbeiten des Autodidakten klar und ich würde mich sehr freuen, nicht bei allen auf Begeisterung bald darüber etwas zu hören. Es ist stießen, zeigt der Briefwech sel zw i­ 1 Siehe Kandinsky an Schönberg, 3. 1. 1912. in: Schönberg - Kandinsky. Briefe, Blätter und Doku­ mir für meinen Artikel im ,BR' sehr schen Macke und Mare Ende Januar mente. Hahl-Koch 1983, S. 57 wichtig!!" 1 Die Arbeiten zeigen ver­ 1912: "Und jetzt noch der Schönberg! 2 Siehe Schönberg im Rückblick. in: Schönberg• Kandinsky: Briefe, Blätter und Dokumente. Hahl-Koch schwommene, geheimnisvolle Gesich­ Der hat mich direkt in Wut versetzt, 1983, s. 207 ter ohne Umrisse, die wie aus einem diese grünäugigen Wasserbrötchen 3 Siehe Macke an Mare, 23. 1. 1912 und Mare an Macke, 25. 1. 1912. in: Macke- Mare. Briefwechsel. Nebel auftauchen und bei denen vor mit Astralblick. Gegen das Selbstpor- Macke 1964, S. 99 41

Kat. Nr. A 16 Hauswand angedeutet, die jedoch je­ und Feinsehrneckereien läßt er ohne Arnold Schönberg der realistischen Perspektive entbeh­ Beachtung und die 'ärmste' Form wird Selbstportrait, 1911 ren. in seinen Händen die reichste (siehe Öl auf Karton, 48,0 x 45,0 cm Beide Gemälde Schönbergs wurden in sein Selbstporträt)." 1 Da Kandinsky Sign. u. dat. unten rechts Kandinskys Artikel "Über die Form­ Schönberg zu den Vertretern der Wien, Arnold Schönberg Center frage" abgebildet. in dem er auf das "großen Realistik" zählte, konnte er "Selbstportrait" einging: "Es ist in die­ offensichtlich mit dem realistischeren Das Gemälde "Selbstportrait" zeigt ser Beziehung ganz besonders inter­ Selbstportrait mehr anfangen, als mit Schönberg in Ganzfigur mit auf dem essant zu sehen, wie der Komponist der ,,Vision", die für ihn schwerer zu Rücken verschränkten Armen von Arnold Schönberg die malerischen kategorisieren war. hinten. Hut und Stock hält er in den Mittel einfach und sicher anwendet. B.j. Händen. Auf der linken Seite ist durch Ihn interessiert in der Regel nur dieser eine Fläche ein Bürgersteig und eine innere Klang. Alle Ausschmückungen 1 Siehe Almanach, Lankheit 1997, S. 171 - 172 42

17 tl l .

Kat. Nr. A 17 Die Stadtszenen des amerikanischen sern mit ihren schwarzen Fenster­ Albert Bloch Autodidakten Albert Bloch aus den löchern Bestätigung findet. Figur zwischen Häusern, 1911 Jahren 1911 und 1912 führen beson­ Die Zeichnung war neben sieben wei­ Tuschfeder, 33,0 x 21,6 cm ders deutlich vor Augen, wie er in die­ teren bei der zweiten Austeilung des Bez. unten links: "1911 ". Bez. oben ser Zeit von einem eher realistischen "Blauen Reiters" ausgestellt und rechts: "AB" zu einem visionären, mystischeren Stil wurde im Katalog abgebildet. Karlsruhe, Privatbesitz überging. Dies läßt sich auch anhand B.J. der ausgestellten Zeichnung "Figur zwischen Häusern" ablesen. Ein Har­ lekin mit einer schwarzen Augen­ maske ist übergroß in die schwanken­ den Gebäude einer bedrohlich wir­ kenden Stadt integriert. Die Häuser kippen, weder Boden noch Horizont geben Halt, es ist keine Perspektive zu erkennen. Der wächst regel­ recht aus den Häusern heraus, deren Konturen sich seinem Körper an­ schmiegen. Die verschränkten Arme und sein introvertierter Blick lassen auf Verschlossenheit und Einsamkeit schließen, was bei den leblosen Häu- 43

Kat. Nr. A 18 Das Gemälde "Abstrakte Formen - flächig gestalteten Bild nicht zu erken­ Heinrich Campendank Gebirgslandschaft" war wie das im nen ist, wirkt wie die eigene Angst Abstrakte Formen - Gebirgsland­ Almanach abgebildete "Springende Campendanks vor seinem Schritt in schaft, um 1911 - 1912 Pferd" eines der ersten Sindelsdorfer die Abstraktion. So wird es auch das Öl auf Leinwand, 60,0 x 7 5,0 cm Bilder, die Campendank folgender­ einzige abstrakte Bild in seinem Solingen, Privatbesitz maßen erläuterte: " ... ich male jetzt Oeuvre bleiben. Wenig später beschäf• ausschließlich alles nach Eindrücken, tigte er sich mit dem Kubismus und den die ich in der Natur ( er)halte, aus dem Stilmitteln Marcs und Delaunays und Kopf." 1 Durch seine Vielteiligkeit, die fand zu seinem eigenen Stil, den ihm geschwungenen Linien und fleckigen Kandinsky bereits im April 1912 als Flächen erhält es einen expressiven, "die reine Nachahmung Picassos" aus­ fast nervösen Charakter. Farblieh ori­ legen sollte. 2 entierte sich Campendank an der "rei­ B.j. nen" Palette, wobei er Komple­ mentärkontraste gegeneinander setz­ 1 Siehe Bnef vom Dezember 1911. Zit1ert nach Fir­ te. Schwarze, unruhige Konturen und men ich, Andrea: Heinrich Campendonk. 1889-1957. Werkkatalog. Reckfinghausen 1989, S. 58 weiße Partien verstärken diese Kon­ 2 Siehe Kandinsky - Mare. Briefwechsel. Lankheit 1983, s. 163 traste. Das Gemälde zeigt vor allem durch seine Ungegenständlichkeit starke Übereinstimmung mit dem Werk Kandinskys. Der Titelzusatz "Gebirgslandschaft", die in dem sehr 44

Kat. Nr. A 19 flüchtiger Strichführung exakt das glei­ suchte, vor allem den Bruch von Oster­ Paul Klee che Motiv nur seitenverkehrt, was mundigen. Die Quader wurden dort in Steinhauer I, 1910,49 vermuten läßt, daß die Reproduktion verschiedenen Etagen aus dem Fels Feder auf Leinen, 8,0 x 23,0 cm des Almanachs eine nach der Zeich­ herausgesägt, was in den Brüchen zu Bez. oben links: "Klee". Bez. unten nung entstandene Druckgraphik zur unregelmäßig treppenförmigen und links: "Steinhauer". Bez. unten rechts: Vorlage hatte. Die feine, wohl durch­ stark kubistisch wirkenden Abstufun­ 1149 1910" dachte Linienführung der Abbildung gen führte. ln nervösem Strich, stark Schweiz, Privatbesitz würde für eine Radierung sprechen. abstrahierend, erfaßt er die wesentli­ Im Inhaltsverzeichnis des Almanachs chen Konturen und Formen seines Das ausgestellte Blatt behandelt das ist allerdings "Tuschzeichnung" ange­ Bildausschnittes, der die Quader­ gleiche Thema "Steinhauer" wie das im geben, so daß keine endgültige blöcke und die Arbeiter zeigt. Vor al­ Almanach abgebildete und heute ver­ Klärung der Technik möglich ist. lem zwischen 1909 und 1911 hatte schollene Werk. Beide sind extrem Klee war fasziniert von den Stein­ Klee viel nach der Natur gezeichnet. breitformatig angelegt. Sie zeigen in brüchen nahe Bern, die er häufig be- B.j.

Kat. Nr. A 20 Klee zeichnete vor allem zwischen Klee die entstandenen Graphismen, Paul Klee 1909 und 1911 viel nach der Natur. die das Seelische zum eigentlichen Ge­ Großs~adt-Peripherie, abends, Seine Arbeiten spiegelten mit feinen genstand hatten. Die ausgestellte 1911, 72 Liniengespinsten und nervösem Strich Zeichnung "Großstadt-Peripherie, Federzeichnung, laviert, 8,2 x 27,3 cm die äußere Struktur der sichtbaren abends" entstand in Klees Münchener Bez. unten links: "Großstadt Wirklichkeit wider. Darüberhinaus be­ Zeit. Peripherie abends". schäftigte er sich jedoch bereits mit B.J. Bez. unten rechts: "1911 72" dem Problem, die Empfindungen zur Karlsruhe, Privatbesitz deutlicheren Darstellung zu bringen. "Psychische Improvisationen" nannte 45

Kat. Nr. A 21 Die Tuschzeichnung .. Frauenkopf' ist beim Schreiben am Schreibtisch auf; Hans Arp eine der wenigen noch existierenden sie sind ganz famos. Manchmal streifen Frauenkopf, 1912 Arbeiten Arps aus der Zeit vor dem sie, meine ich, etwas zu stark die Kari­ Tusche mit Rohrfeder auf dünnem ersten Weltkrieg, in der er sich mit katur, was mich dann im Genuß Papier, auf Karton aufgezogen, Köpfen und dem weiblichen Akt be­ stört." 1 14,5 x 13,7 cm schäftigte. Sie zeigt in großzügigem Trotz seines ersten Vorstoßes in die Bez. unten rechts: "Hans Arp" Strich einen Kopf, der sich nicht als ein Abstraktion drei Jahre zuvor blieb Basel, Öffentliche Kunstsammlung Portrait lesen läßt. Es ist eine verein- Arp in seinen Arbeiten von 1912 Basel, Kupferstichkabinett, Schenkung . fachte Skizze mit schematischem Ge­ zurückhaltender als die avantgardisti­ Marguerite Arp-Hagenbach, sicht auf einem dünnen zylindrischen schen Künstler, die er bewunderte. lnv. Nr. 1968.474 Hals, die damit fast die Spontaneität Seine künstlerische Vision, seine Ab­ der Zeichnungen aus der Zeit des lehnung der Abbildung der äußeren Dada vorwegnimmt. Sie lebt von ihrer Umwelt und der Wille, eine innere kräftigen Hell-Dunkel-Wirkung und Wirklichkeit auszudrücken, verwirk­ der Expressivität des Striches. lichten sich erst einige Jahre später. 2 Auch Kandinsky und Mare kannten B.j. Zeichnungen von "Köpfen" von Arp,

wie aus dem Brief von Mare an Kan­ 1 Siehe Kandinsky - Mare. Briefwechsel. Lankheit dinsky vom 10. 1. 1912 hervorgeht: 1983, S. 109 2 Vgl. jane Hancock und Nadine Lehni: Die Jahre vor "Eben kommt der 2. Brief mit den dem Krieg. ln: Arp. 1886-1966. Hrsg. von jane Han­ 'Köpfen'. Vielen Dank! Ich stelle sie mir cock und Stefanie Poley. Stuttgart 1986, S. 32 - 37 46

Kat. Nr. A 22 Kahler, der bereits zum Kreis der verschiedene Reiter in einem nicht Eugen von Kahler "Neuen Künstlervereinigung Mün• näher zu bestimmenden Raum. Die Reiter, um 1910- 11 chen" gehörte, war auch in der ersten Größenverhältnisse nehmen mit dem Deckfarben und Tuschfeder auf Ausstellung des "Blauen Reiters" mit Blick in die Ferne extrem ab. Zwei Papier, 32,0 x 49,0 cm den beiden im Almanach abgebildeten Schrägen, die das Blatt in drei Seg­ Wachtberg, Privatbesitz (ehemals im Werken vertreten. Fünf Tage vor der mente teilt, deuten auf Zirkusstangen Besitz von Maria Mare, Ried) Eröffnung starb er in Prag an einer hin. Mit dem Thema ist eine enge Affi­ langwierigen Krankheit, so daß Kan­ nität zu der Redaktion des "Blauen dinsky im Almanach einen kurzen Reiters" gegeben, indem es das Motiv Nachruf auf seinen Freund und Kolle­ des Reiters aufgreift. Charakteristisch gen verfaßte. Darin hob er "die zarte, für Kahlers Arbeitsweise ist die zarte, träumerische, heitere Seele Kahlers in Flecken aufgetragene Farbgebung. mit etwas rein hebräischem Beiklang­ Die Arbeit erwarben Franz und Maria der unstillbaren mystischen Trauer" Mare. hervor. 1 B.j. Das Blatt "Reiter", auch "Im Zirkus" genannt, zeigt neben einem Pferd ohne Bändiger im Vordergrund viele 1 Siehe Almanach, Lankheit 1997, S. 104