100 jahre kfz-gewerbe

Werkstatthalle Kruppstraße, 1939 Mut und Fortüne

Gottfried Schultz und E Dem Sohn eines Duisburger Anwalts und Notars bietet sich 1924 die Gelegenheit, zwei Dutzend amerika- nische Importwagen mit Profit an den Mann zu bringen. Der Beginn einer Erfolgsgeschichte. von Robert Rademacher

Lesen SIe hier... händler 1924 unmittelbar nach der großen ‚Unseriöse‘ Berufswahl ... unter welchen Umständen und mit welchen Inflation, der Schritt zum Markenhändler Damit hatte Gottfried Schultz den Reiz Marken Gottfried Schultz sein Geschäft begann 1932 noch während der Weltwirtschafts- des Automobilgeschäfts für sich entdeckt und wie sich das Unternehmen mit der Marke krise und der Neustart 1946 ein Jahr nach und baute in Folge einen Handel mit Ge- Volkswagen weiterentwickelte. der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs. brauchtwagen auf. Sehr zum Missfallen Beim Einstieg von Gottfried Schultz seines Vaters, der für seinen Sohn einen war ist die Firma Gottfried Schultz ins Automobilgewerbe stand allerdings seriöseren Berufsweg im Sinn gehabt hat- nicht ganz so alt wie der Verband, der Zufall Pate. In der Kanzlei seines Va- te. Auch war der Handel mit Autos kein Z aber mit 85 Jahren auch nicht sehr ters Julius Schultz, eines Anwalts und No- risikoloses Unterfangen, denn die Wirt- viel jünger. Wenn man auf diese 85 Jahre tars in Duisburg, bekam Sohn Gottfried schaft hatte sich 1924 noch nicht von den – derzeit wieder einmal zu einem für das mit, wie sein Vater einen Mandanten be- Folgen des Ersten Weltkriegs und der ver- Kfz-Gewerbe alles andere als einfachen riet, der auf zwei Dutzend amerikanischer heerenden Inflation erholt. Zeitpunkt – zurückblickt, dann bestätigt Importautos der Marke Nash sitzengeblie- Die zweite Hälfte der zwanziger Jahre die Geschichte von Gottfried Schultz die ben war, weil sein Abnehmer nicht bezah- brachte dann einen rasanten wirtschaft- alte chinesische Weisheit, dass Krise zu- len konnte. Der geschäftstüchtige – gerade lichen Aufstieg, der aber abrupt mit dem gleich auch Chance bedeutet. mal einundzwanzig Jahre alte – Filius bot Schwarzen Freitag im Oktober 1929 ende- sich an, die Partie zu übernehmen, fand te. Es folgte – auch damals ausgehend von 1924: Start nach der Inflation im Vater eines Freundes auch einen Geld- den USA – die bisher größte Weltwirt- Denn die drei für die Firmenhistorie wich- geber und schaffte es, diese schicken Mit- schaftskrise mit besonders schweren Aus- tigsten Weichenstellungen sind in Zeiten telklasse-Fahrzeuge mit gutem Profit zu wirkungen in Deutschland. Betroffen wa- großer Krisen erfolgt: der Start als Auto- verkaufen. ren alle Branchen. So auch das Kfz-Ge-

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geschafft, den Stahl- und Zechen-Mana- gern im Ruhrgebiet fast doppelt so viele -Wagen zu verkaufen wie die Kon- kurrenz Mercedes-Benz-Fahrzeuge abzu- setzen vermochte.

Erste Kontakte zu VW Trotz oder vielleicht auch wegen seiner Erfolge knüpfte Gottfried Schultz bereits 1937 erste Kontakte zur neu gegründeten Volkswagenwerk GmbH, die im Novem- ber 1939 zum Abschluss eines so genann- ten Hauptwerkstätten-Vertrags für den „KdF-Wagen“ – wie der Volkswagen in- zwischen umgetauft worden war – führten. Der Verkauf dieses von Ferdinand entwickelten Wagens sollte nicht über Händler, sondern über die Organisation „Kraft durch Freude“ („KdF“) erfolgen, während vorgesehen war, Service und Re- paratur durch private Werkstätten durch- führen zu lassen. Gottfried Schultz wäre Gottfried Schultz im Verkaufsraum Einfahrt zur Werkstatt Christophstraße für die Städte und Mülheim sowie Huyssenallee, 1936 in Essen, 1932 für das Gebiet des Niederrheins zuständig gewesen. werbe, aber noch mehr die Automobilher- erklärt hatte, einen solchen Wagen zu dem Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs steller. Von den damals rund 60 Herstel- politisch vorgegebenen Preis von „unter verzögerte jedoch die Fertigstellung des lern von Personenwagen, Lastwagen und tausend“ Reichsmark anbieten zu können Volkswagenwerks. Als 1941 die ersten Motorrädern überlebten mehr als die – eine eigene Fabrik baute. Diese wurde Fahrzeuge vom Band liefen, handelte es Hälfte die Folgezeit nicht. Die maroden allerdings erst nach Ausbruch des Zweiten sich nicht um Volks- oder KdF-Wagen für sächsischen Automobilhersteller DKW, Weltkrieges fertig und produzierte dann die Zivilbevölkerung, sondern fast aus- , und Horch suchten ihr keine Fahrzeuge mehr für private Kun- schließlich um Kübel- und Schwimmwa- Heil in einer Fusion. Allerdings forderten den. gen für die Deutsche Wehrmacht. Wäh- die die Fusion begleitenden Banken, zuvor rend des Krieges verließen lediglich 630 alle Verlustlöcher zu stopfen. So musste Schultz wird Mehrmarkenhändler „normale“ KdF-Wagen die Fabrikhallen. sich die Nobelmarke „Horch“ von ihren Mit Übernahme der Horch-Niederlassung Sie dienten als Probe- und Vorzeigewagen verlustbringenden Werksniederlassungen Essen war aus dem „freien“ Autohändler oder wurden an Prominente verschenkt. trennen. Als 1931 so auch die Essener Gottfried Schultz ein Markenhändler ge- Eines dieser seltenen Exemplare befindet Horch-Niederlassung zum Verkauf stand, worden, der nun über einen repräsenta- sich im Besitz der Firma Gottfried Schultz: griff Gottfried Schultz zu und verlegte tiven Verkaufsraum in erstklassiger Lage ein KdF-Wagen, den Ferdinand Porsche auch gleich seinen Firmensitz von Duis- und eine Werkstatt – stolz „Reparatur- 1943 dem Flugzeugkonstrukteur Willy burg in die Ruhrmetropole Essen. werk“ genannt – verfügte. Da der Verkauf Messerschmidt geschenkt hatte.Während der Nobelmarke Horch zunächst noch – des Zweiten Weltkrieges stellte Gottfried Der Volkswagen wird erfunden angesichts der fortbestehenden Krise – Wenn man mehrere Kranke in ein Bett schleppend verlief, übernahm Gottfried Kurzfassung legt, kommt normalerweise kein Gesun- Schultz auch noch Vertretungen der Mar- Gottfried Schultz ist schon GW-Händler, als es der heraus. Im Falle der 1932 vollzogenen ken DKW, Audi und Phänomen, einer das Wort noch gar nicht gibt, und vertritt meh- Fusion von DKW, Wanderer, Audi und ebenfalls in Sachsen beheimateten Liefer- rere Fabrikate, lange bevor der Mehrmarken- Horch zur „“ hat es dieses wagenmarke. Mehrmarkenhandel ist also handel erfunden wurde. 13 Jahre nach seinem Wunder allerdings gegeben. Ausschlagge- keine Erfindung der Neuzeit. Marktstart (1924) knüpft er erste Kontakte zu Volkswagen, 1939 erhält er, was man heute bend dafür war die bald nach 1933 einset- Aber bereits Mitte der dreißiger Jahre einen Servicevertrag nennen würde. Als nach zende, von der Politik sehr forcierte Mo- hatten sich die Geschäfte bei Gottfried dem Zweiten Weltkrieg die Engländer den Käfer torisierung breiterer Bevölkerungskreise. Schultz so gut entwickelt, dass ein größe- vom Band rollen lassen und zunächst ihren Das Interesse der Politik an einer Massen- rer Betrieb neu gebaut werden musste, der eigenen Bedarf decken, sichert sich Schultz die motorisierung nach amerikanischem Vor- bis ins Jahr 2009 – bis zur Eröffnung des erste für Deutschland bestimmte Charge. In den bild war so groß, dass man selbst die Kon- neuen Volkswagen Zentrums Essen in der nächsten Jahrzehnten wächst Gottfried Schultz struktion eines „“ in Auftrag Weststadt – der Hauptbetrieb von Gott- zum Großhändler, hilft nebenbei Porsche auf gab und dafür sogar – nachdem sich die fried Schultz in Essen geblieben ist. Gott- die Beine und vertritt heute abermals mehrere Marken. deutsche Automobilindustrie außerstande fried Schultz hatte es damals tatsächlich

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Auslieferungshalle bei Nordrhein in Düsseldorf im Jahr 1958 mit auf die Auslieferung wartenden VW-Käfern und -Bussen

Schultz auch eine so genannte „K-Werk- statt“. Während man bisher nur in Duis- burg und Essen tätigt gewesen war, gab es 1942 für einige Monate einen Gottfried- Schultz-Betrieb am Asow‘schen Meer tief in Russland. Aufgabe dieser Heeresrepa- raturwerkstätten war die Betreuung der bei der kämpfenden Truppe eingesetzten Kraftfahrzeuge. Solange diese Truppe auf dem Vormarsch war, galt es, möglichst nah hinter der Front mit vorzurücken. Als der Rückzug begann, wurde es für die Der erste Käfer Anschub für Porsche etwa 30 Mitarbeiter von Gottfried Schultz Gottfried Schultz versuchte nach Kriegs- Sehr bald lernte Gottfried Schultz auch ziemlich ungemütlich. Mehrere Male war ende zunächst, von den Borgward-Werken Ferry Porsche kennen, den Sohn des man zwischen den Fronten, weil man einen Händlervertrag für Essen zu bekom- Volkswagen-Konstrukteurs Ferdinand nicht früh genug informiert worden war, men. Nachdem er aus Bremen eine Absage Porsche. Als dieser 1950 auf der Basis des den Rückwärtsgang einzulegen. Es kam erhalten hatte, fuhr er mit einem Englisch Käfers einen aufregenden Sportwagen mit einem wahren Wunder gleich, dass alle sprechenden Freund nach , wo damals stolzen 35 PS entwickelt hatte und Gottfried-Schultz-Mitarbeiter aus dem die Engländer die Käfer-Produktion – zur einige große VW-Händler um die Vor­ Krieg zurückgekehrt sind. Deckung des eigenen Bedarfs – wieder in finanzierung der Anlaufserie bat, zählte Gang gebracht hatten. Im Frühjahr 1946 Gottfried Schultz zu denen, die sofort ja Schultz verliert Hersteller schloss er mit der britischen Verwaltung sagten. 1951 übernahm Gottfried Schultz Am Ende des Krieges stand Gottfried der „Wolfsburg Motor Works“ einen Ver- – neben dem Volkswagen-Vertrieb – auch Schultz nicht nur vor den Trümmern trag, der seine Firma zum Servicebetrieb die Vertretung der neuen Marke Porsche. ­seines weitgehend zerbombten Betriebes, für die bei der britischen Besatzung im Ein- er hatte auch seine sächsischen Hersteller, satz befindlichen Käfer machte. Im Som- Schultz wächst mit VW deren Fahrzeuge er bis Kriegsbeginn mer 1946 hatten die Engländer ihren Ei- Bereits 1949 hatte Gottfried Schultz als ­verkauft hatte, verloren. Ihre Fabriken la- genbedarf gedeckt und entschieden, dass Volkswagen-Großhändler eine Niederlas- gen alle im nun sowjetisch besetzten Os- nun auch Fahrzeuge an Deutsche abgege- sung in Düsseldorf und in den fünfziger ten Deutschlands, waren entweder zer- ben werden könnten. So kam es, dass Gott- Jahren Verkaufsbüros in Leverkusen, stört oder wurden demontiert. Von dort fried Schultz im Juli 1946 den allerersten Mettmann, Moers und Neuss gegründet. wieder Autos zu beziehen, war aussichts- VW Käfer überhaupt an einen deutschen Nach und nach entstanden im Großraum los. Privatkunden ausliefern konnte. Rhein-Ruhr über dreißig Autohäuser für Volkswagen, seit 1965 auch wieder für die Marke Audi. So eröffnete Gottfried Schultz 1989 mit dem Audi Zentrum Essen den ersten reinrassigen Audi-Betrieb in Deutschland. Analog der Entwicklung auf der Volkswagen-Konzernebene verbrei- terte sich auch das Markenspektrum bei Gottfried Schultz: 1993 kam Seat hinzu, es folgten 2002 und 2003 Skoda. Auch wenn es in 60 Jahren Volkswagen- Partnerschaft nicht nur Höhen gegeben hat, so haben dieselben die Tiefen bei wei- tem überwogen. Der entscheidende Unter- schied für den Erfolg von Volkswagen, von Gottfried Schultz und von den meisten VW-Partnern war die Tatsache, dass Volks- wagen stets mindestens ein Modell mit besonderem Charakter und Sogwirkung im Programm hatte – zunächst den klas- Eröffnung des Audi Zentrums Essen, 1989 (v. l.): Dr. Carl Hahn, Vorsitzender des Vorstandes senlosen Käfer und dann den ebensolchen Volkswagen AG, Robert Rademacher, Vorsitzender der Geschäftsführung Gottfried Schultz, Golf. Das nennt man Glück oder im Ge- Dr. Werner P. Schmidt, Vertriebsvorstand der Volkswagen AG, Manfred Deimel, Geschäftsführer schäftsleben „Fortüne“, welches bekannt- Gottfried Schultz, und Dr. Ferdinand Piëch, Vorsitzender des Vorstandes der Audi AG lich dem Tüchtigen vorbehalten ist. z

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