Wege Zum Grundeinkommen
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WEGE ZUM GRUNDEINKOMMEN Wege zum Grundeinkommen Herausgegeben von Dirk Jacobi und Wolfgang Strengmann-Kuhn Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung Mit Unterstützung durch: Dieser Sammelband erscheint im Rahmen der Bildungsarbeit des Arbeitskreises Zukunft des Sozialen des Bildungswerkes Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung. Ansprechpartnerin: Tanya Lazova (Koordination) E [email protected] Für die sprachliche Gleichstellung von Männern und Frauen gilt: Die Entscheidung über die gewählten Sprach- formen lag bei den AutorInnen. Die gewählte Sprachform ist jeweils weiblich und männlich zu verstehen. Alle Texte sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsge- setz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Bildungswerks. Das gilt insbesondere für Verviel- fältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Wege zum Grundeinkommen Herausgegeben von Dirk Jacobi und Wolfgang Strengmann-Kuhn Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung 2012 Redaktion und Koordination: Stefan Ziller und Dirk Jacobi Redaktionelle Mitarbeit: Anke Caspers, Mira Schirrmeister und Dorothee Schulte-Basta Gestaltung: Matthias Roth und Stefan Ziller (nach Entwürfen von blotto Design) Druck: agit-druck Titelgrafik: CC BY-SA 2.0. Weg von Martin Abegglen (Flickr) unter CC BY-SA 2.0. Quelle:www.flickr.com/photos/twicepix/5901746967. ISBN 978-3-927995-02-4 Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung, Kottbusser Damm 72, 10967 Berlin T +49 30 6126074 E [email protected] W www.bildungswerk-boell.de INHALT Einleitung Entscheidungen, Hindernisse und Vorbilder auf dem Weg zum Grundeinkommen 7 von Dirk Jacobi Reformpfade Allein machen sie Dich ein oder Gute Gründe für ein Grundeinkommen plus 17 von Stephan Lessenich Basic Income in a Globalized Economy 35 von Philippe Van Parijs und Yannick Vanderborght Können Klimapolitiken ein Grundeinkommen finanzieren? 57 von Sebastian Duwe, Milena Büchs und Nicholas Bardsley Das Grundeinkommen im Jahr 2025 71 von Ulrike Herrmann Mit dem Grundeinkommen zum Citoyen 75 Einwurf von Katja Kipping Reformschritte Schritt für Schritt ins Paradies 81 von Wolfgang Strengmann-Kuhn Übergänge in ein Bedingungsloses Grundeinkommen 95 von Franz Segbers Schrittweise zum Grundeinkommen - mit einem Freibetrag für die Mehrwertsteuer 109 von Götz Werner und André Presse Impuls und Tat 119 Einwurf von Susanne Wiest Modellprojekte und Sozialexperimente Wie Sozialexperimente die Grundeinkommensdebatte bereichern können 121 von Johannes Terwitte Basic Income Pilot Schemes: Seventeen Design and Evaluation Imperatives 133 von Guy Standing 6 Wege zum Grundeinkommen Einleitung DIRK JACOBI Entscheidungen, Hindernisse und Vorbilder auf dem Weg zum Grundeinkommen Einleitung Die Diskussion um das Grundeinkommen wird sowohl international als auch in Deutschland sehr intensiv geführt. Dabei ist auffällig, dass sich die weit überwie- gende Zahl der Beiträge im Kern um zwei Fragen dreht: Zum einen, ob ein Grund- einkommen gerecht ist oder nicht. Zum anderen, welche Folgen die Einführung eines Grundeinkommens vermutlich zeitigt und ob diese wünschenswert sind oder nicht. Spätestens jedoch, wenn man zu der Schlussfolgerung gekommen ist, dass ein Grundeinkommen grundsätzlich wünschenswert ist, stellt sich die Frage, welche Wege zur seiner Umsetzung gegangen werden können und welche davon Erfolg versprechend erscheinen. Im Vergleich zu der normativen Diskussion um das Grundeinkommen, die schon länger sehr ausführlich geführt wird, steht jene um Wege zum Grundein- kommen noch am Anfang. Noch vor nicht allzu langer Zeit gab es nur verein- zelte Beiträge, die die Fragen aufgeworfen haben, auf welchem Reformpfad der Realisierung eines Grundeinkommens näher gekommen werden kann, welche Zwischenschritte notwendig oder sinnvoll sind und welche Hindernisse überwunden werden müssten. Jedoch nimmt diese Debatte gerade in der letzten Zeit deutlich an Fahrt auf.1 Der vorliegende Band soll diese Debatte gerade in Deutschland weiter beleben und weiterführen und fokussiert auf die Frage nach den gangbaren, realistischen und praktikablen Wegen, die zu einem Grundein- kommen führen können. 1 Siehe: Bill Jordan, 2012, The Low Road to Basic Income? Tax-Benefit Integration in the UK, in: Journal of Social Policy / Volume 41 / Issue 01 / January 2012 , pp 1-17. Karl Widerquist und Michael W. Howard (Hg.), 2012, Exporting the Alaska Model - Adapting the Permanent Fund Dividend for Reform Around the World, Palgrave Macmillan. Georg Vobruba, 2010, Zielgenauigkeit versus Akzeptanz. Das Realisationsdilemma der Grundeinkommensidee, in: Manuel Franzmann, Bedingungsloses Grundeinkommen als rundeinkommen G Antwort auf die Krise der Arbeitsgesellschaft, Weilersweist: Velbrück, S. 317-328. Markus Rhomberg, 2012, Sozialstaatsreform in der Mediendemokratie? Rezepte für die Realisierbarkeit eines Grundeinkommens, in: Götz W. Werner, Wolfgang Eichhorn und Wege zum Einleitung Lothar Friedrich (Hg.), 2012, Das Grundeinkommen Würdigung – Wertungen – Wege. 7 Im Vordergrund stehen also weder die normative Diskussion über das Für und Wider eines Grundeinkommens, noch die Fragen, welches Modell Vorteile gegenüber anderen aufweist und welches die Kriterien eines Grundeinkommens sind. Ebenso steht nicht im Vordergrund, ob ein Grundeinkommen grundsätz- lich finanzierbar ist und welche Folgen es, sei es auf dem Arbeitsmarkt oder in anderen Bereichen, vermutlich zeitigt. Diesen Fragen ist ausführlich, wenn auch sicherlich nicht abschließend, an anderer Stelle nachgegangen worden.2 Relevant sind sie in diesem Band nur insoweit als zumindest mit Unsicherheit behaftete Antworten ein Hindernis auf dem Weg zu einem Grundeinkommen darstellen können (siehe dazu insbesondere den Beitrag von Terwitte in diesem Band). Dieser Sammelband soll zugleich die Diskussion über das Grundeinkommen öffnen und über diese hinausweisen. Auch wenn dies nicht explizit in den Beiträgen ausgeführt wird, lassen sich wahrscheinlich auch Schlussfolgerungen für die Einführung anderer gesellschaftlicher Reformprojekte ziehen. Am ehesten möglich sein dürfte dies für diejenigen Reformprojekte, die einen ähnlich umfas- senden und/oder universalistischen Anspruch haben, wie dies beispielsweise bei den Vorschlägen einer Bürgerversicherung in der Krankenversicherung und der Rente, eines gesetzlichen Mindestlohns, einer Überwindung des dreigliedrigen Schulsystems oder eines für alle BürgerInnen verpflichtenden Sozialarbeits- dienstes der Fall ist. Die Diskussion um das Grundeinkommen aus den utopischen Höhen einer zurecht euphorischen und verheißungsvollen Debatte auf die Niederungen der realpolitischen Frage nach dem Weg, den ersten Schritten hinunterzuholen, ist ein sowohl risikoreiches, wie auch mühseliges Unterfangen. Es ist risikoreich, weil die Kontrastierung der Utopie mit den Hindernissen und Schwierigkeiten ihrer Umsetzung ernüchternd ausfallen kann und auch die für eine gesellschafts- politische Bewegung durchaus notwendige Euphorie gedämpft werden könnte. Es ist ein für die DiskussionsteilnehmerInnen durchaus auch mühseliges Unter- fangen, weil diese bisher vor allem durch ihre brillanten Plädoyers für die Werte und Ziele eines Grundeinkommens und dessen Konkretisierung aufgefallen sind und sich nun einer neuen Frage stellen müssen. Aber es ist in jedem Fall ein notwendiges Unterfangen, wenn die Utopie nicht utopisch bleiben, sondern - und dies möglichst in der nahen Zukunft - Realität werden soll. Ein Weg, der zu einem Grundeinkommen führen kann, kann intentional beschritten werden, also das Ergebnis einer politischen Strategie sein. Dabei ist dann entscheidend, wie man eine möglichst breite und mit großen Ressourcen ausgestattete Gefolgschaft erlangen kann, wie die politischen Gegenspieler rundeinkommen G 2 Zusammenfassend dazu: Yannick Vanderborght und Philippe van Parijs, 2005, Ein Grund- einkommen für alle? Geschichte und Zukunft eines radikalen Vorschlags, Frankfurt am Einleitung Main. Wege zum 8 ausgetrickst, ausgebootet, für die eigenen Zwecke instrumentalisiert oder auch eingebunden werden können, wie ein erfolgreiches Bündnis wichtiger Akteure geschmiedet werden kann und auch welche Strategie für Wahlkämpfe Erfolg versprechend erscheint. Mindestens drei aus strategischer Sicht grundlegende Entscheidungen müssen getroffen werden: 1. Soll ein Grundeinkommen in einem Schritt eingeführt werden, also bezogen auf entwickelte Wohlfahrtsstaaten das gesamte über einen langen Zeitraum gewachsene System der sozialen Sicherung auf einen Schlag umgestaltet – wenn nicht sogar, je nach Konzept, komplett aufgelöst – und durch ein Grundein- kommen ersetzt werden?3 Oder soll ein Grundeinkommen mittels einer schritt- oder stufenweisen Reform, einer graduellen, inkrementellen Transformation der Institutionen, angestrebt werden? Gegen eine Big-Bang-Reform und für eine stufenweise Einführung spricht, dass bei letzterer bei jedem Schritt geprüft und diskutiert werden kann, ob unerwartete oder unerwünschte Effekte auftreten. Fehlentwicklungen sind aufgrund des kleineren Reformumfangs leichter zu korrigieren und gegebenenfalls auch leichter zu revidieren. Hingegen ist bei einer abrupten Komplettreform - zumindest wenn der bestehende Sozialstaat in seiner Gänze durch ein Grundeinkommen ersetzt werden soll - der bisherige Sozial- staat, wenn überhaupt, wohl nur sehr schwer und über einen längeren Zeitraum wiederherzustellen. Eine stufenweise Reform steht hingegen vor der Herausfor- derung, jeden Schritt