Der Begleitgruppenprozess Zu Den Ausbauprojekten Und Zur Restwasser- Sanierung Im Oberhasli
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Der Begleitgruppenprozess zu den Ausbauprojekten und zur Restwasser- sanierung im Oberhasli Steffen Schweizer, Heiko Zeh Weissmann, Max Ursin tionsprogramms bilden die voneinander ten Jahrzehnts ohne Einigung abgebro- Zusammenfassung unabhängigen Ausbauvorhaben (Bild 1a chen wurden. Im Jahr 2006 gab die KWO In einem für die Schweiz ausserge- und 1b): das Projekt zur Vergrösserung des Grim- wöhnlichen partizipativen Prozess fin- • «Vergrösserung des Grimselsees» (Er- selsees in Form eines Baugesuchs ein. den Vertreter von kantonalen Ämtern, höhung der heutigen Speicherkapazi- Nach Einsprache der Umweltschutzver- Umweltschutzverbänden, der Politik, tät von 95 Mio. m3 auf 170 Mio. m3) bände wurde im Frühling 2009 das Urteil der Region und der KWO (Kraftwerke • «Tandem» (Aufwertung der Kraft- des Verwaltungsgerichts vom Bundes- Projekt KWO plus KWO Projekt Oberhasli AG) unter Moderation des werkskette vom Räterichsbodensee gericht bestätigt: Eine Vergrösserung des AWA (Amt für Wasser und Abfall, Kt. bis Innertkirchen mit einer Erhöhung Grimselsees könne nur in einem Konzes- Bern) eine einvernehmliche Lösung zu der Energieausbeute um insgesamt sionsverfahren abgewickelt werden. Der zwei Ausbauprojekten von KWO plus 70 GWh/a und einer Leistungssteige- weitere Ausbau der Wasserkraft im Ober- und zur Restwassersanierung. rung um 280 MW ohne Nutzung von hasli schien einmal mehr in die Ferne ge- zusätzlichem Wasser) und rückt und die Fronten noch etwas härter • «Grimsel 3» (Unterirdisches Pump- als zuvor. 1. Einleitung und Vorgeschichte speicherwerk zwischen Oberaarsee Sowohl der Kanton als auch die Der Ausbau der Wasserkraft im Oberhasli und Räterichsbodensee mit einer in- KWO sahen aber weiterhin die grosse ge- ist seit vielen Jahren ein Thema. Ein erstes stallierten Leistung von 660 MW). sellschaftliche Bedeutung des Ausbaus von der Kraftwerke Oberhasli AG (KWO) Jedes dieser drei Projekte liefert einen der Wasserkraft im Oberhasli. Deshalb im Jahr 1988 eingereichtes Projekt (Grim- bedeutenden Beitrag für den von der Ge- wurde im Sommer 2009 unter der Leitung sel-West), das eine grosse Staumauer im sellschaft geplanten Wechsel zu regene- des Kantons ein neuer Anlauf genommen, Grimselsee mit einem Stauvolumen von rativen Energiequellen (Tabelle 1). Um in um mit einem sehr breit abgestützten Be- 450 Mio. m3, neue Wasserfassungen und Zukunft den Strombedarf vermehrt aus er- gleitgruppenprozess eine einvernehmliche Kraftwerke umfasst hätte, stiess auf er- neuerbaren Quellen beziehen zu können, Lösung zu finden. heblichen Widerstand und wurde Ende wird neben einer höheren Produktion von der 1990er-Jahre deshalb von der KWO regenerativer Energie auch die Stabilisie- 2. Begleitgruppenprozess wieder zurückgezogen. rung des Stromnetzes sowie eine kurz- KWO plus In der Folge entwickelte die KWO und langfristige Speicherung von zeitweise Insgesamt haben sich über 100 Personen ein neues Investitionsprogramm (KWO überschüssigem Strom benötigt. aus kantonalen Fachstellen, Bundesäm- plus), das stattdessen mehrere kleinere Zu diesen KWO plus Projekten tern, Forschungseinrichtungen, Umwelt- Ausbauvorhaben beinhaltet und mit deut- führten Vertreter der KWO mit verschie- büros, Umweltschutzverbänden sowie aus lich weniger Eingriffen in die Natur verbun- denen Umweltschutzverbänden die sog. Politik und Verwaltung an der Konsensfin- den ist. Hauptgegenstand dieses Investi- «Grimselgespräche», die Mitte des letz- dung beteiligt (Bild 2 und Kap. 5). Für ver- Tabelle 1. Beitrag der KWO plus Projekte für den geplanten Energiewechsel. Anmerk ung: Bei einer Erhöhung der Staumauern am Grimselsee ergeben sich im Mittel ein höherer Seespiegel und damit die Ausnutzung einer grösseren Fallhöhe. Dies würde zur Erzeugung von mehr Energie führen, ohne dabei mehr Wasser als heute zu nutzen. «Wasser Energie Luft» – 104. Jahrgang, 2012, Heft 1, CH-5401 Baden 11 gleichbare Ausbauprojekte ist diese Grös- senordnung der Partizipation einmalig. 2.1 Organisation Es wurde auf drei Ebenen nach sinnvollen Kompromissen und einem gangbaren Weg gesucht (Bild 3): • Die politische Begleitgruppe mit Ver- tretern aller interessierten Umwelt- schutzverbände, der Gemeinden, der politischen Parteien und der KWO hat unter der Moderation der Regierungs- rätin Barbara Egger-Jenzer den Be- gleitgruppenprozess geleitet und kon- krete Aufträge an den Ausschuss und an die Fachgruppe erteilt. • Im Ausschuss der politischen Be- gleitgruppe verhandelten die Vertreter des BKFV (Bernisch Kantonaler Fi- scherei Verband), der Pro Natura, des Grimselvereins, der Gemeinde Innert- kirchen und der KWO unter der Mode- Projekte KWO plus KWO Projekte ration des Amtsvorstehers vom AWA (Amt für Wasser und Abfall) Heinz Ha- begger über Umfang, Auswahl und Zuordnung der gewässerökologischen Massnahmen zu den Ausbauprojek- ten. • In der Fachgruppe haben sich die Vertreter der kantonalen Ämter (Amt für Wasser und Abfall, Fischereiinspekto- rat, Abteilung für Naturförderung, Ge- wässer- und Bodenschutzlabor, Tief- bauamt und Amt für Gemeinden und Raumordnung) und der KWO rund zehn Mal getroffen, um über folgende fach- liche und methodische Fragen zu dis- kutieren: Bild 1a. Das Einzugsgebiet der KWO und die Ausbauvorhaben KWO plus: 1a = Tan- • ökologische Bewertung von Restwas- dem mit Parallelschacht zur Minderung der Reibung, 1b = Tandem mit Aufwertung serabgaben und weiteren Aufwer- Kraftwerk Innertkirchen 1, 1c = Tandem mit Aufwertung Kraftwerk Handeck 2, 2 = tungsmassnahmen, Neubau Pumpspeicherwerk Grimsel 3, 3 = Vergrösserung Grimselsee. Zusätzlich sind • Priorisierung und Optimierung von ge- noch die hydrologischen Einzugsgebiete des Aaretals (Grimsel) in orange und des wässerökologischen Massnahmen, Gadmertals (Susten) in lila eingezeichnet. • juristische Abklärungen. Bild 1b. Die Ausbauvorhaben KWO plus im Querschnitt. 12 «Wasser Energie Luft» – 104. Jahrgang, 2012, Heft 1, CH-5401 Baden Bild 2. Diskussionen der am Begleitgruppenprozess beteiligten Fachleute vor Ort. Projekte KWO plus KWO Projekte Die Moderation der Fachgruppe wurde 2010b). Dies erfolgte gemeinsam durch von der KWO übernommen, das Umwelt- die KWO, die kantonalen Fachstellen, das büro Sigmaplan hat die Arbeiten fachlich Umweltbüro Sigmaplan und die Umwelt- unterstützt und das Sekretariat geführt. schutzverbände. Diese ökologische Be- Beim Erreichen von Meilensteinen wurden wertungsmethode war die Grundlage für sowohl das BAFU (Bundesamt für Umwelt) eine im höchsten Masse transparente Vor- Bild 3. Organisation Projektbegleitung als auch die ENHK (Eidgenössische Natur- gehensweise sowie für einen sehr sachlich KWO plus. und Heimatkommission) informiert. geführten Dialog über Umfang und Art der gewässerökologischen Aufwertungen im ökologische Ziele festgelegt: z.B. ausrei- 2.2 Verhandlungsrahmen Einzugsgebiet der KWO. chende Restwasserführung im Lebens- Bereits zu Beginn des Begleitgruppenpro- Ein weiterer wichtiger Bestandteil raum der Bachforelle oder Wahrnehmbar- zesses wurde festgelegt, dass nur über die im Verhandlungsprozess waren die zahl- keit eines Flussabschnitts als Landschafts- beiden Ausbauvorhaben «Tandem» und reichen und sehr fundierten gewässeröko- element. «Grimsel 3» verhandelt wurde. Die Ver- logischen Untersuchungen im Oberhasli Ob die jeweils festgelegten ökolo- grösserung des Grimselsees wurde bei (Schweizer et al. 2010). Anerkannte Um- gischen Ziele erreicht werden, wird in einem den hier beschriebenen Verhandlungen weltbüros und verschiedene Hochschu- Monitoring fünf und zehn Jahre nach Inbe- ausgeklammert, da dieses Ausbaupro- len führten die Untersuchungen nach ak- triebnahme der Dotiereinrichtungen über- jekt für die Umweltschutzverbände auf- tuellem Wissensstand durch. Dabei zeigte prüft. Das Monitoringprogramm wurde grund der offenen Moorschutzfrage nicht sich, dass aufgrund vieler seitlicher Zu- gemeinsam mit den Fachstellen und den konsensfähig ist. Allerdings wird von allen flüsse bereits heute ein Grossteil der von beteiligten Umweltschutzorganisationen Beteiligten eine möglichst rasche Klärung der KWO genutzten Gewässerabschnitte entwickelt. Bei Nichterreichen eines Ziels dieser Frage durch die Gerichte begrüsst. in einem verhältnismässig guten ökolo- können weitergehende Massnahmen ge- Während des Verhandlungsver- gischen Zustand ist. Erwartungsgemäss fordert werden. laufs wurde auch die anstehende Rest- konnten aber auch die heute bestehenden wassersanierung im Oberhasli (Schweizer Defizite aufgezeigt werden, die vor allem 2.4 Verhandlungsverlauf und & Zeh Weissmann 2011) als Verhandlungs- direkt unterhalb bestimmter Fassungen ökologische Bilanzierung gegenstand mit aufgenommen (Kap. 2.4). oder in Versickerungsstrecken liegen. Die Diskussionen und Verhandlungen Diese Defizitanalyse sowie umfangreiche in den einzelnen Gremien verliefen stets 2.3 Verhandlungsgrundlagen Dotierversuche bildeten die Grundlage für sachlich, transparent und lösungsorien- Das Bundesamt für Umwelt hat eine Me- die Entwicklung von wirkungsvollen Auf- tiert. Nach anfänglichen Grundsatzdiskus- thode zur Bewertung von gewässeröko- wertungsmassnahmen (Sigmaplan 2010b sionen wurde das Verhandlungsklima von logischen Massnahmen entwickelt und und 2010c). Sitzung zu Sitzung zunehmend konstruktiv empfiehlt diese bei Schutz- und Nut- Neben einer transparenten Ökobi- und das gegenseitige Vertrauen konnte mit zungsplanungen (Basler & Partner 2005). lanzierung und fundierten Untersuchungen jedem weiteren Treffen wachsen. Dies ist Da diese Methodik vor allem für kleinere war die Einführung von ökologischen Ziel- vor allem auf die in Kapitel