Euro 6,- Euro DAS MAGAZIN DES DEUTSCHEN OLYMPISCHEN SPORTBUNDES [SPORT] FAKTOR 4 I 2010

DIE SPORTWISSENSCHAFT SUCHT IHREN WEG TÜFTELN AM SELBSTBILD WAS WOLLEN DIE NUR? [ Eventbesucher und ihre Motive ] REAL MODISCH [ Michael Michalsky und die Sneakers-Karriere ] DISPUT IN EIGENER SACHE [ Carl Diem und der Sport ] Versicherungen Vorsorge Risikomanagement

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ZUR_Olympia_Stab_Faktor_Sport_210x297_39L.indd 1 26.05.2010 11:56:57 Uhr Faktor Sport [ Editorial ] 3 „Wir suchen den öffentlichen Diskurs, um unsere Stellung in der Gesellschaft Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen aufrechtzuerhalten“ Sportbundes

LIEBE FREUNDINNEN UND FREUNDE DES SPORTS,

die erste Amtsperiode des Deutschen Olympischen Sportbundes ist vorüber, und wir können sagen: Der DOSB repräsentiert die Einheit in der Vielfalt des deutschen Sports, er spricht mit einer Stimme.

Der DOSB als größte zivilgesellschaftliche Organisation in Deutschland ist geschätzter Gesprächspartner in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die schwierigen sportpolitischen Debatten der letzten Monate wären ohne den einen – und vor allem einigen – Dachverband nicht so effizient und erfolgreich zu bestehen gewesen.

Der Sport stellt sich den wichtigen gesellschaftspolitischen Herausforderungen und spricht ein gewichtiges Wort mit. Das Thema Integration steht sicherlich an erster Stelle, weil Sport Zwei Themen mit hoher Bedeutung der beste Eisbrecher ist. Mit dem gleichen Engagement gehen wir die anderen großen The- für den Sport: einerseits die Bildung, men an, etwa die Bildung im und durch den Sport. Auch das Anliegen, mehr Frauen den Weg wie hier an der Sporthochschule Köln, andererseits die Münchener in Führungspositionen zu bereiten, bleibt nach dem Jahr der Frauen im Sport, das der DOSB Olympiabewerbung 2018, die nicht für 2009 ausgerufen hatte, ganz oben auf der Agenda. zuletzt mit Unterstützung von Katarina Witt erfolgreich gestaltet werden soll Die Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2018, unser großes Ziel für das Jahr 2011, hätte ohne die Geschlossenheit des Sports nicht diesen Schwung entwickelt, mit dem wir nun selbstbewusst der Entscheidung im kommenden Juli entgegenblicken.

Wir suchen den öffentlichen Diskurs, um diese Stellung in der Gesellschaft aufrechtzuerhalten, die konstruktiv-kritische Begleitung braucht.

Das zeigen wir auch in der vierten Ausgabe unseres Magazins „Faktor Sport“, in der das Thema Bildung eine Hauptrolle spielt und in der wir der historischen Debatte Raum geben, auch mit dem kritischen Blick von außen.

Das gehört dazu. Sport ist Vielfalt. Und wir freuen uns, seine Zukunft gestalten zu können.

Herzlichst Ihr 04 [ Inhaltsübersicht ] Faktor Sport INHALT

Augenblick, verweile [06][26] Tribüne Profile [32] [36] Spiegelbild

06 Einmal groß sein 26 Kennen wir uns? 32 Kurzhaar aus 40 In Bewegung verharrt Fecht-WM in Paris und Der Sport und seine Fans. Kreuzberg Die Sport-Misere an ein Hauch von Champions- Die bemerkenswerten Dunja Hayali: Wie man weiterführenden Schulen League Erkenntnisse der Publi- dem Publikum gefällt, ohne kumsforscher ihm zu verfallen 36 Niemals langweilig Antje von Dewitz, Marie- Luise Probst-Hindermann, Nicole Leder oder die Akrobatik des Alltags Faktor Sport [ Inhaltsübersicht ] 05 Euro 6,- Euro DAS MAGAZIN DES DEUTSCHEN OLYMPISCHEN SPORTBUNDES [SPORT] 10 Flutlicht 4 I 2010 FAKTOR Sport ist eine Wissenschaft für sich: stimmt. Sport ist keine Wissenschaft für sich: stimmt auch. Seit ihrer Entstehung ist der Studien- und Forschungsdisziplin eine gewisse Unentschiedenheit eigen. Liegt darin ihre Schwäche oder ihr Potenzial? Die Frage stellt sich mehr denn je. DIE SPORTWISSENSCHAFT SUCHT IHREN WEG TÜFTELN AM SELBSTBILD 20 – 21 Interview mit Ilse Hartmann-Tews, Geschlechterforscherin

WAS WOLLEN DIE NUR? [ Eventbesucher und ihre Motive ] REAL MODISCH [ Michael Michalsky und die Sneakers-Karriere ] Carl Diem und der Sport im Sport | Die Spoho Köln im Porträt []DISPUT IN EIGENER SACHE [ ] 22 –23 []08I 24 I 44I 58I 66 Bewegungsmelder

Puls 180 [46] [50][Vermittlungskunst Wechselspiel [54] 60] Zeitgeist

46 Gedehnte Debatte 50 Begrenzte Sicht 54 Projekt auf Achse 60 Ein Picker und Stilist Carl Diem und die unver- Das Programmsponsoring Öko-Logik und Sportlo- Designer Michael gängliche Vergangenheit soll in Teilen verboten gistik. Noch ist nicht Michalsky über die Kultur werden. Der Sport ist nicht zusammengewachsen, was bequemer Klamotten gemeint, aber besonders zueinander passt betroffen. Eine Meinungs- 64 Der gespaltene bildung unter Beteiligten Aufbruch Fredy Stober und die Gründerjahre des DSB 6 [ Augenblick, verweile ] Faktor Sport ] ber Jahre war dieser Gegner nicht zu packen. Aufmerksamkeit es um die öffentliche Wenn meist ins Leere. Sie ging, stießen Fechter änderten Regeln, fochten in bunten Farben EIN FEST FÜR FECHTER oder durchsichtigen Masken – doch selbst bei den Auch Duellen der Elite war man meist unter sich. zu. Und dann Weitem schaute nur von das Fernsehen diesem einzig- Palais, Grand dem Pariser Vor dies. 1900 errichteten Weltausstellung artigen, für die Abend Belle-Époque-Gebäude, bildeten sich Abend Schlangen. Der Schwarzmarkt blühte, weil für Weltmeister- die 5000 Sitzplätze vor der Bühne schaften 2010 ausverkauft waren. Über die Ränge wenn die Gastgeber schwappte La Ola, und nicht nur, schwärmte Florettweltmeister siegten. „Gigantisch“, Joppich. Und Nicolas Limbach, Zweiter mit Peter dem Säbel, fühlte sich in die „Champions League“ damit endlich das stilvolle versetzt. Haben die Fechter das sie doch stets für angemessen Schaufenster, Luxus war von der hielten? Eher nicht. Der Pariser vergeblichen Bewerbung um Olympia 2012 übrig Vergnügen. geblieben. Ein vier Millionen Euro teures 2010 ist die große Zu teuer für diesen Sport. Paris duellieren sich demnächst wieder Ausnahme. Fechter vor leeren Rängen. Ü Faktor Sport [ Augenblick, verweile ] 7 8 [ Bewegungsmelder ] Faktor Sport

DSV UND SPORTFIVE GELOBEN SICH TREUE

Das ist ein Pflock im Schnee: Sportfive und der Deutsche Ski-Verband (DSV) arbeiten mindestens bis 2016 zusammen. Der Hamburger Vermarkter nutzte sein endet ein Vertrag, den der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) mit Sport1 Erstverhandlungsrecht, um die 2008 auf- 2013 genommene, zunächst bis 2011 verabre- geschlossen hat. Seit einigen Wochen darf der TV-Sender Inhalte dete Verbindung zu verlängern. Sportfive des DEB medial verwerten, aber auch Werberechte nutzen. Das sieht vermarktet so wie gehabt die Werberechte die Partnerschaft vor, die beide Seiten im November verkündeten. an allen in Deutschland ausgetragenen Weltcups im alpinen Skisport sowie jene im Skispringen, ausgenommen die Vier- Sport1 überträgt in den nächsten drei Jahren den Deutschland-Cup live, in Teilen auf der schanzentournee. Deren vier Events (davon jungen Pay-Plattform Sport1+. In ihrem News-Format will die Constantin-Media-Tochter zwei deutsche) werden vom Schweizer auch über Events wie etwa die U18-WM der Männer und die Frauen-WM der Division I Unternehmen Infront Sports & Media („B-WM“) berichten, die 2011 in Deutschland stattfinden. Des Weiteren hat das Duo fürs betreut. nächste Jahr ein gemeinsames Event samt Live-Bildern angekündigt.

Die Kooperation ist jeweils strategisch eingebettet. So hat Sport1 von Infront Sports & Media, Vermarkter des Eishockey-Weltverbandes IIHF, die Erstrechte erworben, um die Männer-WMs von 2012 bis 2017 auf allen medialen Kanälen zu verwerten. Der DEB hat die Heim-WM 2010 genutzt, um seine Kommunikation zu professionalisieren. Unter anderem wurde in Manuel Hüttl, Deutschland-Chef der globalen PR-Agentur Waggener Edstrom, ein Vizepräsident Marketing eingestellt. Zudem ging eine neue Homepage online. Nun scheint eine regelmäßige Free-TV-Präsenz des DEB und der Sportart gesichert.

Ein großer Wurf: Die HBL steigert ihren Umsatz deutlich

PROFILIGEN BLEIBEN STABIL

In seinem „Finanzreport Deutscher Profiligen“ hat das Prüfungs- und Con- sultingunternehmen Deloitte die wirt- schaftliche Situation in den größten Spiel- Animation des Londoner Olympiastadions: Für welchen Betreiber wird das Herz klassen jenseits der Fußball-Bundesliga der Spiele nach 2012 weiter schlagen? untersucht. Demnach kumulierten die 2. Fußball-Bundesliga (2. BL), Deutsche DAS UMKÄMPFTE OLYMPIASTADION Eishockey Liga (DEL), die Toyota Hand- ball-Bundesliga (HBL) und die Beko Das Finale heißt Tottenham Hotspurs gegen Westham United: Die beiden Premier-League- Basketball Bundesliga (BBL) in der Saison Clubs stehen, je als Teil eines Konsortiums, auf der Shortlist zur Übernahme des Londoner 2009/10 einen Gesamtumsatz von Olympiastadions nach den Spielen 2012. Die „Spurs“ und die Anschutz Entertainment Group 516,5 Millionen Euro, nahezu der Vorjah- (AEG) haben einen Plan vorgelegt, der den Umbau des zurzeit entstehenden Komplexes in ein reswert (518,2 Millionen). Das Gros der reines Fußballstadion vorsieht. Die „Hammers“ und der Gemeinderat des Londoner Stadtteils Summe steuert die 2. BL mit geschätzten Newham, vom Entertainment-Giganten Live Nation unterstützt, bevorzugen das Konzept ei- 290,2 Millionen bei. Freilich hat sie, ner 60.000-Zuschauer-Arena, in der Fußball, Konzerte und Leichtathletikevents stattfinden ebenso wie die DEL (87,4 Millionen) könnten. Dann bliebe die Laufbahn erhalten und es würde eine Zusage erfüllt, die Sebastian etwas an Gewicht verloren, während die Coe als Vorsitzender des Organisationskomitees für 2012 dem IOC gegeben hat. Die Olympic HBL deutlich (79,5 Millionen, plus 7,2 Park Legacy Company (OPLC) will im Frühjahr 2011 über den Betreiber entscheiden. Millionen) und die BBL minimal (59,4 statt 59,3 Millionen) zulegten. Navigiert durch Ihre Playlists, Ihre Daten und natürlich auch Straßen.

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Was haben der Bachelor, ein geerbter Bindestrich und neue Berufsbilder gemeinsam? Sie zwingen der Sportwissenschaft Strukturen auf, die ihre Zukunft zu gefährden scheinen. Denn wie soll Gemeinsames DAS RINGEN entstehen, wenn Lehre und Forschung zerfasern? Lagebericht einer Identitätssuche. UM DIE EINE LEHRE TEXT: NICOLAS RICHTER UND KLAUS JANKE Faktor Sport [ Flutlicht ] 11

enn ein Student der Sportwissenschaft sagt, er studiere Sport, kann man STATIONEN DER DEUTSCHEN das naheliegend finden. Oder proble- SPORTWISSENSCHAFT W matisch. Indem er „Wissenschaft“ verschweigt, scheint er ein Klischee zu bestäti- gen: Dieses Studium sei die Fortsetzung 1950 eines Hobbys unter anderen Umständen, diese Mit der Gründung des Deutschen Sportbun- des in Hannover und der Deutschen Hoch- Ausbildung bestenfalls semiakademisch, schule für Körperkultur in Leipzig beginnt so schweißfetischistisch wie forschungsfern. die systematische Erforschung des Sports.

Der Kampf um Akzeptanz begleitet die Sport- wissenschaft seit ihren Anfängen vor vier (im Ende der 60er Westen) respektive sechs (im Osten) Jahrzehn- Erst jetzt werden an den deutschen Universi- ten. Das bringt ihr Gegenstand mit sich und ihr täten die ersten Professuren für Sportwissen- schaften eingerichtet. Status als Bindestrichwissenschaft: Sie unter- sucht Sport traditionell aus der Perspektive anderer, etablierter Disziplinen, etwa der Päda- 1970 gogik, Psychologie, Medizin, Soziologie. Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft in Bonn wird gegründet. Es soll Forschungs- Der Gegenstand, der Status, der Kampf: Viel bedarf ermitteln und Vorhaben initiieren. mehr Konstanten kennt die Sportwissenschaft Im April wird die Deutsche Sporthochschule Köln (1947 gegründet) als wissenschaftliche nicht. Seit einiger Zeit sieht sie sich von Hochschule des Landes Nordrhein-Westfalen gesellschaftlichen, politischen, ökonomischen anerkannt, sie erhält Satzungs-, Promotions- Trends getrieben. Die viel beschriebene und Habilitationsrecht. Aufwertung der Themen Fitness, Körper und Gesundheit, die Wechselwirkungen zwischen Sport und Medien haben Sportmärkte entstehen 1972 Mit den Olympischen Spielen in München oder wachsen lassen und entsprechenden beginnt die systematische Verankerung der Ausbildungsbedarf geschaffen. Zugleich erlebt Sportwissenschaft an den westdeutschen der Bildungsapparat eine „Umwälzung“, wie es Hochschulen. der Münsteraner Professor Bernd Strauß aus- drückt, Ex-Präsident der Deutschen Vereini- gung für Sportwissenschaft (dvs) und ein Vor- 1976 denker der Disziplin. Während der PISA-moti- In München wird die Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) gegründet, ein vierte Exzellenztrend den Wettbewerb unter den Zusammenschluss der Sportwissenschaftler. Hochschulen befeuert, wurde unter der Chiffre Bologna-Prozess das Studiensystem runder- neuert. 80er-Jahre Freizeitsport wird zum Megatrend. Die Es ist Zeit für eine Zäsur, schon formal. 2010 ist Ausdifferenzierung der Sportwissenschaft der Schlüsseltermin im Bologna-Prozess. in Teildisziplinen nimmt zu. In diesem Jahr sollte das neue gestufte System (Bachelor, Master, Graduierte) bundesweit eingeführt sein und ein europäischer Hochschul- 90er-Jahre Wellness und die gesundheitliche Bedeutung raum zumindest skizzenhafte Gestalt angenom- des Sports werden auf breiter Basis entdeckt. men haben.

Zäsur heißt hinschauen: zu erkennen, was die 1999 Veränderung mit der Sportwissenschaft macht Beginn des Bologna-Prozesses: Ziel ist ein und was die Sportwissenschaft mit der Verän- europäisches Hochschulsystem bis 2010. derung. Was der Wandel für Studierende, Pro- fessoren, Standorte einerseits bedeutet und für das Fach und sein Ringen um Identität anderer- 2003 Die Kultusministerkonferenz legt die Struktur seits. Es wird sich zeigen: Das eine kann durch- der Bachelor-Studiengänge fest, die damit bis aus im Widerspruch zum anderen stehen. --› 2010 eingeführt werden müssen. 12 [ Flutlicht ] Faktor Sport

„Ich verstehe nicht, warum der Bachelor im Lehramtsstudium nicht wie in anderen Studiengängen als berufsqualifizierender Abschluss gilt. Um Lehrerin zu werden, muss man zusätzlich den Master machen. Außerdem finde ich eine Lehrstunde pro Sportart und Woche viel zu wenig. Früher waren es drei. Unsere Dozenten machen das gut, aber reicht nicht, um wirklich etwas zu lernen. Und die praktische Prüfung ist ja gleich geblieben.“ Die 23-jährige Zweitliga-Handballerin Johanna Holstein studiert in Mainz im dritten Semester Bachelor of Education. Fächer: Sport, Philosophie und Bildungswissenschaften

AUSGANGSPUNKT BOLOGNA ODER: nicht. Teilweise sind noch Staatsexamina BILDER EINER UMSTELLUNG möglich – wenn auch auf Basis von Modulen wie im Bachelor –, Sachsen gar hat den alten Seit 1999 folgt Deutschland einem Bildungs- Abschluss samt Grund- und Hauptstudium system angelsächsischer Prägung. Der wiedereingeführt, wegen der hohen Abbre- Bachelor (of Arts, of Education et cetera), cherquoten im Bachelor of Education. Regelstudienzeit drei, selten vier Jahre, soll eine erste Berufsqualifikation liefern, der Das System ist zu jung, um Empirisches über zulassungsbeschränkte ein- bis zweijährige die nationale Mobilität der sportlich Studie- Master spezifische Kenntnisse ergänzen renden zu wissen. Der internationale Aus- oder vertiefen. Der Lehrstoff wird in Module tausch jedenfalls scheint zunächst gebremst gepackt. Das Modell soll die nationale und worden zu sein. Der Anteil ausländischer internationale Mobilität der Studierenden Studierender an deutschen Sportwissen- steigern und fließende, frühe Übergänge schaftsstandorten ist gesunken (siehe Kasten vom Studium ins Arbeitsleben schaffen. Seite 13) und die erste Bachelor-Kohorte in Köln drängte seltener über Grenzen als Cut 2010. Die Einführung von Bachelor und früher die Diplom-Generationen. Offenbar Master in der Sportwissenschaft scheint weit fürchteten viele, ein Auslandssemester lasse fortgeschritten. Die Deutsche Sporthoch- sich nicht in das relativ starre System inte- schule Köln (DSHS, rund 5000 Studieren- grieren. Erst nachdem die DSHS den aktuel- de) und das einschlägige Institut der Uni len Jahrgang gezielt über ihre großzügige Münster (circa 1500) haben die Umstellung Linie bei der Anerkennung von Inhalten auf- Alles nach Plan – das ist das Problem: Das verschulte Bachelor-System droht von Diplom und Magister auf Bachelor und geklärt hat, ist die Nachfrage gestiegen. den gerade in der Sportwissenschaft Master abgeschlossen. Weitere Großstand- nötigen Forschungsgeist zu bremsen orte wie die Unis Leipzig, Bochum und die Die Kritik am neuen Studienmodell ist nahe- TU München sind genauso oder fast so weit. zu einhellig. Allerdings hat das weniger mit Aber: Sind auch die inhaltlich-ideellen Ziele der Mobilitätsfrage zu tun als mit der Lehr- des Prozesses schon Realität? struktur. Gabriele Klein, Professorin für Bewegungswissenschaft an der Uni , Bei genauerer Betrachtung offenbaren sich beklagt, den Studierenden bleibe „kaum Lücken zwischen Theorie bolognese und noch ein Denk- und Selbstgestaltungsraum“. deutscher Praxis. Das betrifft zunächst den Ihr Fazit: „Das Bachelor-System bewirkt Aspekt Mobilität. Gerade in der Lehreraus- die Vertreibung des Geistes aus den Wissen- bildung, die circa 40 Prozent der Sportstu- schaften.“ dierenden durchlaufen, ist nationale Harmo- nie vorläufig Fantasie. In manchen Ländern Die Kürze des Studiums mag Würze haben. und Hochschulen muss man sich zu Beginn „Kundenorientierung und Straffung haben für eine Schulform entscheiden, in anderen der Disziplin gutgetan“, sagt Sportpsycholo- Faktor Sport [ Flutlicht ] 13 ge Strauß; andere beklatschen die Möglich- SPORTSTUDIUM IN DEUTSCHLAND: keit, zwischen Bachelor und Master Berufs- erfahrung zu sammeln. Aber erstens ist ZAHLEN UND FAKTEN das mit der Kürze so eine Sache, speziell im 67 sportwissenschaftliche Einrichtungen Lehramt: Der Schuleinstieg setzt überwie- gibt es an deutschen Hochschulen. Laut gend einen Master of Education (und das CHE-Ranking sind 48 davon an Universi- Referendariat) voraus, das Durchschnitts- täten angeschlossen. Insgesamt zählt die studium könnte sich verlängern. Zweitens Disziplin rund 230 Professuren und etwa 1500 hauptamtlich Beschäftigte – die Zahlen hat die Kürze ihren Preis: sinkende Qualität schwanken ständig und die fachliche oder steigender Druck (auf die Studieren- Zuordnung mancher Stelle ist schwierig. den) oder beides. Laut statistischem Bundesamt umfasste die Fächergruppe Sport im Wintersemester Was hat sich konkret für das Fach geändert? 2009/2010 exakt 26.677 Studenten, davon Im Bachelor hat neben der Sportpraxis – 10.062 Frauen. Unter den 1141 ausländischen jenseits des berühmten Eingangstests wer- Studierenden waren 355 weiblich. Die Gesamtzahl ist etwas rückläufig: Vier Jahre den traditionell vier Einzel- und vier Spiel- zuvor waren hierzulande 28.944 Studenten sportarten geschult – die multidisziplinäre in Sport(-wissenschaft) eingeschrieben, Basis Gewicht verloren: zugunsten berufs- davon 11.784 Frauen. Der Zulauf sinkt gegen orientierter Themen meist fachspezifischer, den allgemeinen Trend: 2005/2006 gab es in Deutschland 2 Millionen Studierende, teils auch allgemeiner Art; Soft Skills und so. für 2010/2011 wurden jüngst 2,2 Millionen Im Master wird dieser Ansatz vertieft, nicht gemeldet – Rekord. erweitert. Hinzu kamen allerdings 2077 Studenten im gesondert ausgewerteten Studiengang Ob das Ganze im Sinne des Berufsprakti- Sportmanagement/Sportökonomie. Ihre schen ist, steht vorläufig infrage. „Viele Zahl hat sich seit 2000 nahezu verfünffacht. Studenten kommen mit der Verschulung nicht zurecht“, beobachtet Klaus Roth, Pro- Unter den knapp 27.000 Studierenden fessor am Institut für Sport und Sportwis- 2009/10 strebten rund 10.000 nach Bachelor oder Master. Bei Lehramtsanwärtern senschaft an der Universität Heidelberg. betrug ihr Anteil nicht mal ein Fünftel, bei „Wir sind daher unsicher, was mit unseren den weiteren Abschlüssen über die Hälfte. Bachelor-Absolventen passieren wird.“ Sein Tübinger Kollege Oliver Höner, als Sport- psychologe Vizepräsident Nachwuchsförde- rung der dvs, hält es für wichtig, wenn nicht Freizeit-Image zu tun: Ein Diät-Studium das Diplom, so doch seinen multidisziplinä- hemmt das Bemühen um ein weniger sportli- ren Geist zu erhalten: „Sportwissenschaftler ches, stärker wissenschaftliches Profil – werden von Beginn an mit verschiedenen Stichwort Vertreibung des Geistes. Strauß „Viele Perspektiven konfrontiert. Wenn vermehrt bestätigt: „Die Studierenden brauchen einen Interdisziplinarität gefordert wird, kann gewissen Freiraum. Wie soll sich die Sport- daraus eine besondere Qualifikation ent- wissenschaft entwickeln, wenn das Studium Studenten stehen.“ von Anfang an den Charakter einer vorgezo- genen Berufsausbildung hat?“ Schließlich ist es auch so: Der Bachelor bringt eine Tendenz zum spitzeren Studium Und man könnte anfügen: Wie soll eine Dis- kommen mit sich. Im Endeffekt leidet die Vergleich- ziplin eine Identität entwickeln, wenn sie barkeit, folglich die Mobilität – das Bologna- immer kleinteiliger, vielfältiger wird? Tatsäch- Ziel Nummer eins. lich gibt es Anhaltspunkte, die gegen Fort- mit der schritt in dieser Frage sprechen. Nicht nur WISSENSCHAFTLICHE DIÄT UND Strauß sagt, er habe Probleme, wissenschaft- IDENTITÄT lichen Nachwuchs zu rekrutieren. Laut Statistischem Bundesamt sinkt die Zahl der Verschulung Bis hierhin gleichen die Probleme in der Studierenden seit einigen Jahren – leicht, Sportwissenschaft denen anderer Fächer. aber gegen den allgemeinen Trend (s. Kasten Der spezifische Nachteil hat mit der relativ oben) – und zuletzt ging auch die der Promo- nicht zurecht“ kurzen Geschichte der Disziplin und dem vend(inn)en zurück: von jeweils 110 (2007 --› Wissenschaft und Praxis: Das von Professor Klaus Roth an der Uni Heidelberg ent- wickelte Konzept „Ballschule“ wird heute in Halle (Bild) und anderswo umgesetzt. Von Sponsoren gefördert, basiert es auf der Kooperation sport- wissenschaftlicher Institute mit Vereinen und Schulen

und 2008) auf 101 (2009). Die erste Teil- eigenen Entwicklung profilieren, auch wenn Bei der Adidas-Gruppe gibt es die Position ei- nahme der Sportwissenschaft am Ranking das die Entwicklung des Fachs in Gänze ner Leiterin Nachwuchsprogramme und des Centrums für Hochschulentwicklung hemmt. Hochschulmarketing. Jela Götting bestätigt (CHE) spiegelte ein brüchiges Selbstbewusst- den substanziellen Bedarf an sportwissen- sein. Der Rücklauf der Fachbereiche, sagt Aktuelles Beispiel: Zum Wintersemester schaftlich ausgebildeten Kräften. Es komme Cort-Denis Hachmeister vom CHE, sei „er- 2010/2011 haben die Universität Heidelberg dabei auf „die richtige, für uns relevante Kom- nüchternd“ gewesen. Unter anderem enthielt und das Karlsruher Institut für Technologie bination mit weiteren Schwerpunkten, etwa sich der Platzhirsch DSHS der Beteiligung. (KIT) gemeinsam den Masterstudiengang Sport und Marketing, Sport und Ingenieurwe- „Sport und Bewegung im Kindes- und sen, Sport und Management“ an. Entschei- Was kann man innerhalb des gegebenen Jugendalter“ gestartet, der bislang einzige dend aber sei die Leidenschaft für den Sport – Rahmens tun für Studien- und Forschungs- seiner Art. 20 Studierende pro Jahrgang „unabhängig vom Studienabschluss“. qualität? Immerhin haben Exzellenztrend sollen sich mit der alltags- und sportmoto- und Bologna-Prozess eine gewisse Dezen- rischen Leistungsfähigkeit des Nachwuchses Bei Uhlsport, einem Sportartikelhersteller im tralisierung der bildungspolitischen Struktu- beschäftigen und danach in Kindergärten, baden-württembergischen Balingen, nennt ren bewirkt – mehr Macht den Hochschulen Schulen, Vereinen, Verbänden oder bei man die breite Sportausbildung und prakti- und ihren Einheiten. Strauß fordert auf, das kommerziellen Anbietern zum Einsatz kom- sche Vorerfahrungen als Pro der Sport- in Absprache mit den Studierenden zu nut- men – die steigende Anzahl von übergewich- absolventen. „Sollte der Bachelor zu einer zen. „Mein Eindruck ist, dass viele sportwis- tigen und adipösen Kindern hat Medien, Verknappung dieser Erfahrungen führen, senschaftliche Bereiche die neuen Richtlini- Gesellschaft, Politik in Bewegung gesetzt. begrüßen wir das natürlich nicht“, sagt Mar- en sehr rigide umgesetzt haben. Das war „Im Kinder- und Jugendbereich fehlen qua- ketingleiterin Sina Haug. Tatsächlich ist als erste Reaktion verständlich, aber viele lifizierte Spezialisten“, so Studiengangsleiter genau das durch die Verkürzung vielerorts erkennen erst jetzt die Freiräume, die der Klaus Roth. Der Themenkomplex Gesund- passiert, was insofern problematisch zu sein Gesetzgeber an einigen Stellen gelassen hat.“ heit dürfte bald weitere Neuerungen hervor- scheint, als Uhlsport gerade in Kommunika- bringen. Die dicken Deutschen als Jobmotor. tion und Vertrieb auch BWLer einstellen MÄRKTE UND MÖGLICHKEITEN könnte. Freilich fügt Haug an: „Wichtiger als Einer von zwei mit ordentlich PS. Das Fach der Studiengang ist die aktive Erfahrung mit Ihr populärer, vielseitiger Gegenstand setzt Sportmanagement ist Standard an Groß- bestimmten Sportarten.“ die Sportwissenschaft, es wurde erwähnt, standorten und Liebling von FHs und Privat- besonderen Anforderungen aus. Unter an- hochschulen. Die Zahl der Studierenden, Höner glaubt, dass das für viele Unterneh- derem solchen der Gesellschaft und – oft vom Statistischen Bundesamt separat erfasst, men gilt. Der dvs-Vize mahnt, die jungen damit verzahnt – der Wirtschaft. „Praktische steigt steil und stetig, gegen den Trend in Märkte Gesundheit und Management nicht Anwendungsinteressen sind im Sport stärker der Fächergruppe Sport. Wie die Hoch- zu überfüttern; er meint, Sportpraxis könne wirksam als in anderen Wissenschaften“, schulen marktorientierte Studiengänge am selbst für Sportökonomen von Vorteil sein; er erklärt Ansgar Thiel, Professor am Institut besten konzipieren, hängt auch von den po- hält die klassisch-breite Studienbasis auch für Sportwissenschaft der Uni Tübingen. tenziellen Arbeitgebern ab. Sportartikler für wichtig, weil sie die Absolventen flexibel Was bedeutet das? Die einzelnen Standorte sind längst nicht mehr die einzige Option für mache bei der Jobsuche. Tatsächlich lässt müssen diese Anforderungen strategisch Absolventen (s. Grafik S. 18). Aber für viele eine an der DSHS erstellte Studie vermuten, behandeln. Sie müssen sich im Sinne ihrer die nächstliegende. die Aussagen der Sportartikler seien bedingt Faktor Sport [ Flutlicht ] 15 „Vor allem zwei Dinge an meinem Studium waren wichtig: die viermonatigen Praktika und das Netzwerk der Studenten. Dadurch habe ich heute Bekannte – und Freunde – in diversen Unternehmen, Vereinen, großen Verbänden und Agenturen.Inhaltlich gab es zu meiner Zeit zu viele ,sportliche’ Kurse ohne betriebswirtschaftlichen Aspekt. Das hat sich inzwischen aber gebessert.“ Marcel Boyé, 31, hat 2004 sein Studium zum Diplom-Kaufmann, Fachrichtung Sportmanagement an der FH Ostfalia (Standort Salzgitter) beendet. Nach insgesamt fünf Jahren bei Sportfive in Hamburg und der Stadion Frankfurt Management GmbH ging er 2009 für ein MBA-Studium nach Toronto, das er im Mai 2011 abschließen wird

FRAUEN-ÜBERZAHL IN LEHRAMTSSTUDIEN übertragbar: Darin wurden Kölner Diplom- ABSCHLÜSSE IN DER FÄCHERGRUPPE SPORT* AN STAATLICH ANERKANNTEN prüflinge der Jahrgänge 2006 bis 2008 unter anderem nach den Gründen für ihre Ein- HOCHSCHULEN IM PRÜFUNGSJAHR 2009; NACH ABSCHLUSSART UND GESCHLECHT stellung durch Arbeitgeber verschiedener Branchen befragt. 44 Prozent nannten den Diplomabschluss, sogar 74 Prozent die mit- gebrachte Job-Erfahrung.

Jedem Trend hinterherzuhecheln, wäre un- 2,08% 2,12% sinnig für die Sportwissenschaftsstandorte – Promotionen, Fachhochschulabschlüsse****, Anteil weiblich: Anteil weiblich: und unmöglich. Jenseits von Köln sind ihnen eher enge Grenzen gesetzt: durch die hoch- 0,88 % 0,79 % schulinterne Position respektive die perso- nellen und finanziellen Mittel. Strauß folgert: „Um in dem Umbruch, den die Universität gerade erlebt, nicht unterzugehen, müssen Sie sich als sportwissenschaftlicher Bereich der Strategie der Hochschule anpassen.“ Für das große Institut in Münster heißt das, erste Adresse für Lehrerausbildung und Bildungs- 44,15% 51,20% forschung zu werden und international Lehramtsprüfungen***, universitäre Abschlüsse sichtbare Schwerpunkte zu setzen – in dem Anteil weiblich: außer Lehramt**, Fall etwa Spitzensport- und Gesundheits- Anteil weiblich: 24,13 % forschung. Ein kleinerer Standort wie die TH 21,91 % Darmstadt spezialisiert sich – in dem Fall auf Sportinformatik.

DAS KREUZ MIT DEM BINDESTRICH

Die diversen Trends und Einflüsse haben verschiedene Ursachen. Und eine vorherr- Quelle: Statistisches Bundesamt schende Wirkung: Ausdifferenzierung. Wie Basis: staatlich anerkannte Hochschulen in Deutschland viel davon vertragen die Disziplin und ihr Ringen um Identität? Strauß, der Mahner, * unter Sport/Sportwissenschaft zusammengefasste Fächer sowie Sportmanagement sagt: „Die Sportwissenschaft muss aufpas- ** Diplom und Magister sowie Bachelor und Master (sofern nicht auf Lehramt geprüft) *** einschließlich Lehramts-Bachelor und -Master sen, dass sie nicht völlig zerfleddert. Wenn es **** nur in Sportmanagement ihr nicht gelingt, einen gemeinsamen wis- --› 16 [ Flutlicht ] Faktor Sport „Themen aus dem Sport sind sehr attraktiv, sodass sich sehr viele außerhalb der Sportwissenschaft gern damit beschäftigen“

senschaftlichen Kern zu definieren, wäre das zurückfallen.“ Walter Tokarski, Rektor der SCHUB FÜR STUDIERENDE im Grunde ihr Abgesang.“ DSHS in Köln, sieht eine Rückbesinnung KADERATHLETEN auf die „Mütter“: „An den Instituten werden Damit ist man beim Bindestrich-Status als wieder häufiger Verantwortliche eingestellt, Eine echte Lex Spitzensportler ist es nicht, Basis des Problems. Denn was ist der identi- die nicht aus den Sportwissenschaften aber der Effekt ist ähnlich: Seit dem 15. Juni 2010 gilt in Baden-Württemberg ein neues tätsstiftende Kern einer Disziplin, die sich kommen.“ Hochschulzulassungsgesetz (HZG), das eine über viele starke „Mütter“ definiert? Die Vorabquote von 20 Prozent für bestimmte Bemühungen um einen gemeinsamen Wis- Das ist im Übrigen nicht die einzige interne Bewerbergruppen in Studiengängen vorsieht, in denen örtliche (also nicht über die ZVS senschaftskanon sind alt, und bisher waren Tendenz, die anzeigt, wie wenig festgezurrt geregelte) Zulassungsbeschränkungen gelten. sie vergeblich. Thiel erklärt das Dilemma: die Identität der Disziplin vorläufig ist. Von der Änderung profitieren Mitglieder der Das Ideal sei zwar eine einheitliche Sport- In Hamburg, am Fachbereich von Gabriele „auf Bundesebene gebildeten A-, B- oder C- wissenschaft. „In der Realität erweist sie sich Klein, spricht niemand mehr von „Sport“: Kader eines Bundesfachverbandes des Deut- schen Olympischen Sportbundes“, aber auch aber als ein multidisziplinäres Gebilde, und „Wir thematisieren verschiedene Bewe- soziale Härtefälle, Absolventen eines Zweit- die einzelnen Subdisziplinen wenden jeweils gungskulturen, nicht nur den Sport im klas- studienganges und ein Teil ausländischer spezifische Theorien und Methoden unter- sischen Sinn“, sagt Klein. „Daher wurde Studierender. Leistungssportler werden be- schiedlicher Mutterwissenschaften an.“ Er der Fachbereich vor einigen Jahren in günstigt, weil sie laut HZG einem „im öffent- lichen Interesse zu berücksichtigenden oder folgert: Es kann keinen gemeinsamen Kern ‚Bewegungswissenschaft‘ umbenannt.“ Ein fördernden Personenkreis“ angehören, der geben. Schritt, der auch an anderen Hochschulen an den Studienort gebunden sei. Das Gesetz erwogen wird. wird ab dem Sommersemester 2011 angewen- det, wobei die Umsetzung den Hochschulen Die Existenz als Juniorpartner birgt sogar zusteht. Baden-Württemberg folgt damit das Risiko feindlicher Übernahmen. „Wir VON MÄUSEN UND MENSCHEN Nordrhein-Westfalen. Dort werden Kader- stehen in ständiger Konkurrenz“, beobachtet athleten seit November 2008 bei der Vergabe Thiel mit Blick auf die Bezugsdisziplinen. Wenn die Sportwissenschaft – manche be- örtlicher Studienplätze begünstigt, nach etwas anderem System. In der Praxis räumen „Themen aus dem Sport sind sehr attraktiv vorzugen „Sportwissenschaften“, eine ewige NRW-Hochschulen Sportler nun eine Son- und natürlich nicht geschützt, sodass sich Debatte – keinen identitätsstiftenden Kern derquote ein, meist 2 Prozent der maximalen sehr viele außerhalb der Sportwissenschaft findet, erlangt sie nie akademische Anerken- Studierendenzahl im betreffenden Fach. gern damit beschäftigen – allerdings nicht nung. Sie läuft Gefahr, von den „Müttern“ Dem Vernehmen nach könnten bald auch die Hochschulzulassungsgesetze von Bayern und selten mit Ergebnissen, die hinter den absorbiert oder im Wettbewerb zwischen Rheinland-Pfalz gesonderte Bestimmungen Forschungsstand der Sportwissenschaften und innerhalb der Hochschulen zerrieben --› für Spitzensportler aufnehmen.

„Bei meiner Tätigkeit heute helfen mir die Lerninhalte aus dem Studium in Köln sehr wenig. Der Studiengang war weitaus zu theoretisch ausgerichtet, Praktika spielten eine zu geringe Rolle. Was ich heute kann, habe ich mir daher im Job aneignen müssen." Julia Versteyl, 36, arbeitete als Head of Sole & Exclusive Operations FIFA World Cup 2010 in Südafrika für Coca-Cola und ist demnächst in derselben Funktion bei der EURO 2012 in Polen tätig. Sie hat Sportökonomie und -management an der Sporthochschule in Köln studiert Die mittlere Zielzeit beim Berlin-Marathon beträgt 04:07:36 Stunden. PrimaSet – das MarathonPapier. 42,195 km in 2:34:00 Stunden.*

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„Für die Tätigkeit, die ich heute ausübe, hätte auch ein BWL-Studium gereicht. Studiert man dagegen Sportmanagement, muss man sich einige betriebswirtschaftliche Fähigkeiten später im Job noch aneignen. Aber ein Sportstudium transportiert neben dem Wissen auch die Begeisterung für den Sport – und das ist letztlich das Wichtigste. Ohne Begeisterung kann man nicht im Marketing von Werder Bremen arbeiten." Tim Barten, 34, Marketing- und Sponsoring-Manager bei Werder Bremen, hat Sportmanagement an der Universität Leipzig und an der Sporthochschule Köln studiert

MEHR LEISTUNG, GESUNDHEIT UND ORGANISATION Schwieriger ist es mit dem wissenschaftli- ARBEITSBEREICHE VON DSHS-ABSOLVENTEN IM ZEITVERGLEICH chen Selbstverständnis. Sicher sind einige übergeordnete Aspekte wichtig. Zum Bei- spiel Standards zu etablieren, um die Quali- tät von Forschung und Publikationen der 29,1 Organisation/Management 32,1 einzelnen Teildisziplinen zu vergleichen. 22,8 Zum Beispiel halbwegs geschlossen am Prävention 24,8 CHE-Ranking teilzunehmen. Beides kann Rehabilitation 18,9 die dvs befördern, beides verlangt mögli- 21,7 cherweise ein weiter gehendes Zusammen- 17,3 Publizistik 17,4 rücken der Teildisziplinen (in der dvs sind 11 Sektionen versammelt). Freizeit-/Breitensport 17,3 17,1 7,9 Es geht nicht um Identität als Selbstzweck. Leistungssport 13,5 Es geht um Kohle, Mäuse, sprich: Fördergel- Spiel/Musik/Tanz 4,2 2,1 der. Es braucht Zusammenschlüsse, um Projekte größeren Gewichts zu betreiben. anderes Berufsfeld 27,3 29,7 Zunächst mit anderen Fakultäten, schon aus pragmatischen Gründen. So gibt es bei 0 5 10 15 20 25 30 35 der Deutschen Forschungsgemeinschaft bisher gar kein sogenanntes Fachkollegium 2003-2005 2006-2008 für Sportwissenschaft; und die teure Sport- Angaben in % (Mehrfachnennungen möglich) medizin zählt mancherorts akademisch zum Quelle: Ilse Hartmann-Tews, Joachim Mrazek: Absolventenstudie 2010 der Fachbereich Sport, etatbürokratisch aber Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) zur Medizin. Darüber hinaus empfiehlt der Basis: 417 Absolventen der DSHS mit Diplomabschluss zwischen 1.1.2006 und 31.12.2008 Erhebungszeitraum: Juni/Juli 2009 Exzellenzgeist Partnerschaften mit anderen Methode: Onlinefragebogen Hochschulen und Einrichtungen im In- und Ausland. Die Bewegungswissenschaft in Hamburg etwa ist in eine entsprechende Initiative ihrer Uni beim Thema Graduierten- zu werden. Am Ende bliebe – wie in den nons wachsen kann. Für die Lehre hieße das, schulen integriert. 50erJahren – die Ausbildung der Sportleh- den verbindenden Geist zu erhalten; dafür zu rer. So kann man das sehen. sorgen, dass der aktive Sport und der multi- Was wird? Strauß glaubt an eine Konzentra- disziplinäre Ansatz nicht aus den Lehrplänen tion. „Größere Standorte wie DSHS, Leip- Die Frage ist, ob das nicht arg zugespitzte verschwinden. Damit die Absolventen noch zig, Münster oder die TU München setzen Gedanken sind. Ob es eine übergreifende dasselbe gemeinsam Erlebte meinen, wenn zwei, drei Schwerpunkte und bedienen mit Identität braucht beziehungsweise ob sie sie „Basketball“, „Motivation“ und „Moto- einem Teil die Sportlehrerausbildung, wäh- nicht jenseits eines wissenschaftlichen Ka- rik“ sagen. rend ein anderer zum Beispiel die Anknüp- fung an andere Hochschulbereiche und die internationale Präsenz gewährleistet. Kleinere fokussieren sich und ziehen sich etwa aus der Lehrerbildung zurück.“

Im Übrigen kann die Sportwissenschaft das gute Gefühl haben, mehr denn je gebraucht zu werden. Nicht nur von Märkten vieler Art, sondern auch vom organisierten Sport. Er will seine Spitzenathleten international konkur- renzfähig halten; vor allem aber muss er zuse- Läuft und kommt nicht hen, wie er all die Aufgaben erledigt bekommt, voran: Der „Visual Walker“ die Gesellschaft, Politik, Wirtschaft an ihn he- auf dem Endlosband, Beitrag des sportwissenschaftlichen rantragen. Ohne einigermaßen kräftiges wis- Instituts zu einer Ausstellung senschaftliches Rückgrat wird das nicht gehen. der Friedrich-Schiller-Uni- Aber es braucht die Übersetzung zwischen versität Jena im letzten Jahr, scheint die Situation der Theorie und Praxis. Höner sagt: „Unsere Disziplin zu spiegeln Ansprechpartner in Verbänden sind heutzu- tage selbst häufig sportwissenschaftlich aus- gebildet. Ich habe die Hoffnung, dass sich das gegenseitige Verständnis zwischen Wis- senschaft und Sport dadurch weiter verbes- sert.“ Denn was sind Institute und Hoch- und Vereine? Am Ende des Tages Menschen, schulen? Am Ende des Tages Menschen, die die darüber entscheiden, ob Sport eine darüber entscheiden, ob sie Sport soziolo- Medizin, eine Ware oder eine Kulturform ist. gisch, trainingswissenschaftlich oder philo- Oder ein gesellschaftliches Phänomen mit Sportwissenschaft wohin? sophisch betrachten. Und was sind Verbände sehr vielen Seiten. Sport eben. ] Diskutieren Sie unter www.faktorsport.net

„Wir waren jung, sportbegeistert, und die Uni Mainz war unsere Spielwiese. Sportdidaktik in Theorie und Praxis hat das Studium geprägt. Da wachsen Sportverständnis und Freundschaften fürs Leben. Worauf das vorbereitet hat? Auf nichts und alles. Wenn ich auf meine früheren Studienkollegen schaue, haben alle einen Job – auch fachfremd – und keiner hat den gleichen.“ Andreas Fink, 30, hat von 2001 bis 2007 in Mainz Diplom-Sportwissenschaft studiert, Schwerpunkt Sportökonomie und -management. Er arbeitet bei der Frankfurter Beratungsagentur Novello Sports 20 [ Flutlicht ] Faktor Sport „Ausnahmen werden zum Trend“ Ilse Hartmann-Tews leitet Deutschlands einzige sportwissenschaftliche Abteilung für Geschlechterforschung. Die Soziologin über Frauen in Führungspositionen und das Rätsel weiblichen Nachwuchsmangels. []INTERVIEW: NICOLAS RICHTER Faktor Sport [ Flutlicht ] 21 Der Bereich „Geschlechterforschung“ in Köln entstand 1996. War’s ein harter Kampf am Anfang? Die Sporthochschule hatte diese Pro- „Der Anteil der Frauen fessur damals im Rahmen einer NRW-Initiative zur Förderung der Ge- schlechterforschung beantragt. Es war also klar: Die Leitung steht da- hinter. Ansonsten habe ich vor allem so etwas wie „verhaltene Neugier“ ist seit Mitte gespürt und hier und da Stereotype wahrgenommen – es war ja etwas komplett Neues. Bei den Studierenden ging das aber schnell in Begeis- terung über.

der 90er-Jahre Begeisterung ist ein starkes Wort. Sie ist durch das Lehr angebot und die Integration in unsere Forschungsprojekte entstanden. Unsere Stu- dierenden erfahren viel über soziale Ungleichheit und Geschlechter- deutlich gesunken" verhältnisse in der Gesellschaft und speziell im Sport. Und sie bekom- men vermittelt, wie sie diese Phänomene im Alltag entdecken und ih- nen ein Stück entgegenwirken können.

Wie viele Männer und Frauen sitzen in Ihren Veranstaltungen? Sie befassen sich mit den Geschlechterstrukturen im Sport. Wie neh- Das ist völlig gemischt. Wobei ich grundsätzlich Soziologie unterrich- men Sie das Verhältnis zwischen Männern und Frauen in der Sport- te und dort jeweils die Geschlechterforschung einfließt. Seit vergan- wissenschaft wahr? Wenn Sie sich auf die Quan tität wissenschaftli- genem Semester gibt es ein explizites Bachelor-Modul „Gender Stu- chen Personals beziehen, ist das ein ähnliches Bild wie in anderenWis- dies“, aber auch da ist das Verhältnis ungefähr ausgeglichen. Soziale senschaften. Wobei der Anteil von Fach zu Fach stark variiert und wir im Ungleichheiten betreffen ja nicht nur Mädchen und F rauen, sondern Sport mit der Anzahl der Professorinnen eher unter dem Durchschnitt auch Jungen und Männer. Geschlechterforschung nimmt beide Seiten liegen. Es werden vielleicht 10 Prozent sein, und mit jeder K arriere- in den Blick. stufe nimmt der Anteil von Frauen in den entsprechenden P ositionen ab. An der Sporthochschule sind 30 ordentliche Professuren und ich Der Anteil der Sportwissenschaftsstudentinnen liegt bundesweit bei war lange die einzige Professorin – jetzt sind wir zu zweit. knapp 38 Prozent, Tendenz leicht sinkend. Ist das in Köln anders? Nein, die Tendenz ist die gleiche: Wir haben jedes Jahr circa 560 An der Spitze der dvs steht mit Dorothee Alfermann eine Frau: Aus- Studienanfänger und -anfängerinnen. Der Anteil der Frauen ist seit nahme oder Entwicklungshinweis? Das ist wie bei der Bundeskanzle- Mitte der 90er-Jahre deutlich gesunken, von etwa 45 Prozent auf ein rin. Die Ausnahmen werden zum Trend! Es ist für die Ausbalancierung gutes Drittel heute. der Geschlechterstrukturen schön, dass an der Spitze eine Frau ist, und dies hat sicher auch Signalwirkung. Aber wenn Sie sich die einflussrei- Frustriert Sie das? Ich bin über diesen Trend überrascht und mich in- chen Positionen darunter anschauen, ist es im Wissenschafts- wie im teressieren die Ursachen. Es gibt ger ade eine Arbeitsgruppe bei uns, politischen System: Es besteht ein starkes Gefälle, das nur sehr langsam die das zu eruieren versucht. Ich habe nur eine unmittelbare Wahr- abnimmt. Schnellere Veränderungen sind nur durch gezielte Maßnah- nehmung und zumindest eine These. Über den Eignungstest an der men erreichbar wie die Quote in der Politik oder Förderprogramme für DSHS wurde bei Vox und auch Sat.1 mehrfach berichtet. Die Darstel- Wissenschaftlerinnen. lungen waren ziemlich martialisch und mit der Botschaft v erbunden: für harte Männer. Vielleicht haben sich einige Abiturientinnen davon Nur zwei Professorinnen in Köln – das klingt nicht nach dem Vorbild, abschrecken lassen. ] das die DSHS sein sollte. Die DSHS hatte vor einigen Jahren sicher- lich Nachholbedarf, mittlerweile sind aber verschiedene Förderaktivi- täten angelaufen. So ist die DSHS aufgrund ihres Gleichstellungskon- zeptes und des Audits „Familienfreundliche Hochschule“ in das bun- desweite Professorinnenprogr amm aufgenommen worden. Hierzu KÖLNER KARRIERE gehört zum Beispiel ein Mentoringprogramm für junge Wissenschaft- Ilse Hartmann-Tews hat die bundesweit einzige lerinnen, in dem jährlich circa 10 F rauen von externen Personen in Professur für Geschlechterforschung im Sport. Wissenschafts- und Karrierefragen begleitet und beraten werden. Auch Nach einem Studium der Sozialwissenschaft und haben wir ein Forschungsfördermodell für Wissenschaftstalente, das Anglistik sowie Promotion an der Universität zu Köln habilitierte sie an der Kölner Sporthochschule. grundsätzlich beide Geschlechter betrifft … Seit 1996 lehrt sie am dortigen Institut für Sportso- ziologie, dem die Gender-Abteilung zugeordnet ist. … aber? In der ersten Runde haben sich überproportional viele Män- 2009 erhielt die 53-Jährige, die diverse Gutachter- ner und sehr wenige Frauen beworben. Unsere Gleichstellungsbeauf- und Beratungsfunktionen in Wissenschaft, Sport und Politik ausfüllt, den Landespreis für „Sport und tragte hat interveniert und das Programm wurde finanziell aufgestockt, Wissenschaft" des Innenministeriums von um zusätzliche Stipendien für Wissenschaftlerinnen zu reservieren. Nordrhein-Westfalen. 22 [ Flutlicht ] Faktor Sport „WER EINMAL HIER STUDIERT, WILL AUF KEINEN FALL WEG“

Sie wird „nördlichster Club Méditeranée“ genannt und gilt doch als erste Bildungs- und Wissenschaftsadresse: Ein Besuch an der Deutschen Sporthochschule in Köln.

TEXT: KLAUS JANKE

Angst vor dem Flop: Der Eignungstest ist immer noch Voraussetzung für ein DSHS-Studium. Viele Lehrende halten ihn für angemessen, viele Studiumsanwärter fürchten ihn

anz schön eng hier: Eine 30 Meter lan- Nicht wenige fühlen sich wohl einfach richtig hohem Niveau, findet danach fast mit Sicher- ge Schlange hat sich vor dem Mensa- an der Deutschen Sporthochschule Köln. heit einen Job und bewegt sich ziemlich un- Eingang gebildet – in froher Erwartung Michael Müller, 23, studiert im dritten Se- gezwungen. Vor drei Jahren standen Athleten G von Hackbraten, Fisch und Nudeln. mester Sportmanagement und Kommunika- der „SpoHo“, wie sie in Köln nur genannt Viele kommen in Trainingskleidung, die Sport- tion. Er sagt: „Das Studienangebot ist hoch- wird, für einen Aktkalender (Foto-)Modell, taschen unterm Arm, Energie tanken nach wertig, und die Ausstattung stimmt. Zudem der für wohltätige Zwecke produziert wurde. anstrengenden Praxisstunden in der Halle. ist das Studium kein Fulltime-Job – es bleibt Die Professoren lassen ihre Schützlinge ge- auch Zeit, Erfahrungen zu sammeln, die währen, weil bei aller Freiheit eine leistungs- An dieser Hochschule geht es ausschließlich Stadt kennenzulernen und einfach Spaß zu orientierte Atmosphäre herrscht. um Sport, und das sieht man: In der Halle haben. Wer einmal hier studiert, will auf vor der Mensa werden Laufschuhe verkauft, keinen Fall mehr weg.“ „Hier stellt man sich den Problemen und nur wenige Studenten rauchen draußen vor findet Lösungen, statt zu jammern“, sagt der Tür, Übergewicht hat keiner. Von ihren Die DSHS wird nicht selten „nördlichster Walter Tokarski, seit 1999 Rektor. Der 64- durchtrainierten Körpern abgesehen, begeg- Club Méditerranée“ genannt. Ein zweifelhaf- Jährige hält sich mit Fußball, Tennis und Golf net man hier aber ganz gewöhnlichen jungen ter Ruf, der jedoch mit bemerkenswertem fit und sieht entsprechend jünger aus. Sein Leuten. Es fällt höchstens noch auf, dass die Renommee als Wissenschafts- und Bildungs- Job verlangt eine Hatz von Termin zu Ter- meisten gute Laune versprühen. institution einhergeht. Hier studiert man auf min, um internationale und nationale Kon- Faktor Sport [ Flutlicht ] 23

„Ich will später Sportjournalist werden. Dazu erhält man hier eine sehr fundierte Ausbildung, zudem ist die Ausstattung der Hochschule sehr gut. In den ersten zwei Semestern gibt es auch praktische Module, Turnen/Schwimmen/Leichtathletik, eine Einzelsportart und Gymnastik. Diesen Praxispart halte ich für sehr wichtig, da auch ein Sportjournalist Erfahrung in den Sportarten haben sollte, über die er berichtet.“ Michael Müller, 23, studiert Sportmanagement und Kommunikation an der Sporthochschule Köln

takte zu Wissenschaftlern und Unternehmen und alle Facetten des Themas Sportwissen- men: „Etats aus der Wirtschaft fließen in zu knüpfen. Im September wurde an der schaft abgebildet. „Nun wollen wir uns stär- diesem Bereich bislang nur spärlich. Dabei Sporthochschule das neue Zentrum für inte- ker konzentrieren und Schwerpunkte defi- gäbe es hier zahlreiche Anknüpfungspunkte – grative Physiologie im Weltraum (ZiP) ge- nieren“, erklärt Tokarski. „Diese können zum über die Beratung von Brillenherstellern gründet. „Fast kein Spaceshuttle wird in den Beispiel in den Bereichen Leistungssport, beim Thema Hand-Auge-Koordination bis Weltraum geschickt, ohne dass wir irgendein Gesundheit, Schule, Freizeit-/Breiten-/ zum Test und zur Zertifizierung von Sport- Experiment dabeihätten“, so Tokarski. Trendsport, Sportarten und auch in der Ver- geräten.“ Tokarski hat auch keine Berüh- einsforschung liegen. Das ist aber noch nicht rungsängste vor Herstellern von „Dickma- Die DSHS ist die einzige deutsche Universi- entschieden.“ chern“. So kooperiert die Deutsche Sport- tät, die sich allein dem Sport widmet – und hochschule im Rahmen des Schulsport- europaweit die größte ihrer Art. Sie wurde Darüber hinaus sollen künftig mehr Studen- Förderprojekts „Fit am Ball“ mit Chips-Pro- 1947 gegründet und hat aktuell 5000 Studie- tinnen an die „SpoHo“ geholt werden – ihr duzent Intersnack. Argumentation des Rek- rende aus 59 Nationen, 7 Prozent kommen Anteil ist auf rund ein Drittel gesunken (s. In- tors: „Snacks oder Süßigkeiten sind ja nicht aus dem Ausland. Das Bildungsangebot um- terview S. 20): „Wir versuchen in der Außen- per se gesundheitsschädlich – nur wenn fasst vier Bachelor-, vier Master- sowie die darstellung das Bild des harten, männlich do- man zu viel davon isst oder sich parallel nicht Lehramtsstudiengänge; auch ein Promotions- minierten Sportstudiums zu korrigieren, um ausreichend bewegt.“ Im Übrigen sehe er studium ist möglich. An 19 wissenschaftlichen auch mehr Frauen zu begeistern“, so Tokarski. das Sponsoring pragmatisch: „Wenn eine Instituten wird geforscht und gelehrt – von Aktion wie ,Fit am Ball‘ nicht von Intersnack erziehungs-, geistes- und sozialwissenschaft- In der Forschung wünscht sich Tokarski ein gefördert wird, fördert sie niemand – und lichen Fächern bis hin zu medizinisch-natur- engeres Zusammenrücken mit Unterneh- die Chips sind trotzdem da.“ ] wissenschaftlichen. Tokarskis Anspruch ist es, in allen Bereichen den Ton anzugeben: „Wir wollen eine vorbildliche Ausbildungs- Hörsaal der Prominenz: Jogi Löw nimmt Anlauf zu einer Pressekonferenz und Forschungsstätte sein.“ im Vorfeld eines Länderspiels – sowas gibt’s nur in Köln

Dazu stellt er gerade die Weichen neu. Die größte Herausforderung erkennt jeder, der sich über die Gehwege zwischen den Gebäu- den bewegt oder vergeblich nach einem Parkplatz sucht – die Enge ist überall. Im Kampf um Räumlichkeiten geht man in der Verwaltung sogar schon zum Schichtbetrieb über. Abhilfe wird ein für das nächste Jahr geplanter Neubau schaffen.

Hinzu kommt eine stärkere inhaltliche Ak- zentuierung. Lange Zeit hat man auch in Köln das fachliche Spektrum ausgeweitet 24 [ Bewegungsmelder ] Faktor Sport ERFOLGSFAKTOR

Die League of American Communications Professionals (LACP) hat Faktor Sport den Spotlight-Award verliehen. Bei insge- samt über 1100 Einreichungen aus zwölf Ländern erhielt das Magazin „Gold“ in der Kategorie Print – und zählt damit 2010 weltweit zu den Personen wurden insgesamt befragt. Und drei Viertel von Ihnen, also 100 Top-Kommunikationsmedien. Mit dem 2212 Spotlight-Award werden jährlich die interna- fast 1700 Redakteure, vertraten eine Meinung, die mit einem gängigen tional besten Unternehmenspublikationen Bild aufräumt: Journalismus sei ein Traumberuf. ausgezeichnet. Faktor Sport erscheint seit diesem Jahr, Herausgeber sind der Deutsche Sie haben nämlich den Eindruck, ihre Arbeitsbedingungen hätten sich in den vergangenen Olympische Sportbund sowie die Deutsche Jahren verschlechtert. 53 Prozent beurteilen ihre Jobumstände aktuell als „weniger“ bis Sport-Marketing. Bei Grafik, Produktion und „überhaupt nicht“ gut; nur etwa ein Viertel ist (eher) zufrieden. Vertrieb unterstützt die Medienfabrik das Projekt, im Fotobereich dpa Picture-Alliance. Das sind die Ergebnisse des fünften Journalisten-Barometers von Marketagent.com. Das Das journalistisch ausgerichtete Magazin hat webbasierte Marktforschungsinstitut hat im Herbst Redakteure aus Deutschland (Anteil etwa eine Auflage von rund 10.000 Exemplaren 76 Prozent), Österreich, Slowenien und der Schweiz befragt, von denen sich immerhin und wird ab dieser Ausgabe bundesweit in den 17,5 Prozent mit Sport befassen. Schwerpunktthema: „Journalisten im Spannungsfeld redak- Lounges der Deutschen Bahn ausliegen. tioneller Freiheit und wirtschaftlichen Drucks“.

Ein offenbar treffender Untertitel: 60 Prozent der Befragten gaben an, solchen Druck stark bis sehr stark zu spüren – und sieben von zehn derart Betroffenen sehen ihre Arbeit dadurch negativ beeinflusst. Im Einzelnen geht der Druck etwa von Anzeigenkunden (41,6 Prozent), oder – etwas abgeschwächter, aber immer noch deutlich – von Interessenvertretungen und politische Stellen (21,6 Prozent) sowie Unternehmenssprecher oder deren PR-Agenturen (18,6 Prozent) aus. Konkret vertraten 78 Prozent die Ansicht, journalistische Inhalte würden vermehrt zum Umfeld für Werbekunden. Über 60 Prozent empfinden, dass kritische Berichte zunehmend unerwünscht sind.

Natürlich stehen die Klagen im Zusammenhang mit der Marktlage, zumal 80 Prozent der Befragten (auch) in der durchaus geplagten Printbranche arbeiten. So beurteilt das Gros die Zukunft des Journalismus als eher (44,7 Prozent) respektive sehr (8,5 Prozent) schwierig. WENN FRAUEN STIFTEN Die gute Nachricht ist: Mehr als drei Viertel würden den Beruf wieder wählen. Eine andere Erfolgsgeschichte: Die Zahl der EINFLUSSNAHME AUF DIE JOURNALISTISCHE BERICHTERSTATTUNG Stiftungsgründungen in Deutschland hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenom- Journalistische Inhalte werden men. Und immer öfter stehen Frauen dahin- 77,9 % zunehmend zum Umfeld für Werbekunden ter. Von den rund 914 Neuerrichtungen im Kritische Berichterstattung zunehmend unerwünscht 60,1 % vergangenen Jahr sind bereits ein Viertel auf weibliche Initiative zurückführen. In einem „Gefärbte" Berichterstattung 51,1 % neu erschienenen Buch des Bundesverbandes Trend zum Abschreiben/ Deutscher Stiftungen stehen daher die 48,2 % „Copy-Paste-Journalismus" „Stifterinnen“ im Mittelpunkt. In 26 Por- Trend zum „Unterhaltungsjournalismus" 41,6 % träts ergründet die Autorin Vera Bloemer deren Ziele, Visionen, praktische Erfahrun- Druck, die politische Mehrheits- meinung darzustellen 11,0 % gen und persönliche Ansätze. Unter den bürgerschaftlich Engagierten finden sich mit Sonstiges 4,3 % Ann Kathrin Linsenhoff und Sandra Völker

Keine Angabe 0,9 % n=562 auch wohlbekannte Frauen aus dem Sport. Bestellung per E-Mail: [email protected]; Basis: Respondenten sind Journalisten/Redakteure, die im beruflichen Alltag unter wirtschaftlichem Druck stehen, Preis: 24,80 Euro (Mitglieder 19,80 Euro) der sich unter anderem durch Einflussnahme auf die Berichterstattung äußert Anz. Barrierefrei_4c_Faktor Sport A4_apu 19.11.2010 17:45 Uhr Seite 1

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AUSBRUCH IN DIE MASSE Faktor Sport [ Tribüne ] 27

Es scheint auf der Hand zu liegen: Wer ins Stadion geht, möchte einfach nur Sport erleben. Mitnichten. Studien zur Motivation von Zuschauern haben zahlreiche Beweggründe zutage gefördert. Sport ist einer davon, aber er hat reich- lich Gesellschaft bekommen. Einblicke in die Fanforschung.

TEXT: ROLAND KARLE

Leichtathletik-WM 2009: Das Stadionrund – mit Eintauchen in die Menge – als Ort ungewohnten Freiraums für die Zuschauer --› 28 [ Tribüne ] Faktor Sport

ls Zuschauer betrachtete Karl Valentin gewissermaßen in Umkehrung – die Fuß- sportlichen Wettbewerb mit geringer ball-WM 2006, durch die diese „Verschan- Anteilnahme. „Enden tat das Spiel zungsmentalität“ überwunden worden sei. A mit dem Sieg der einen Partei“, schrieb Gemeinsames Erleben, Feiern und Erleiden der Münchener Volkskomiker und ließ ein macht wieder Spaß. Grünewald: „Ob Hand- lässiges Fazit folgen: „Es war vorauszusehen, ball-WM, Frauenfußball-WM oder Katholi- dass es so kam.“ Eine derart nebensächliche kentag – die Sehnsucht nach immer neuen Bewertung des Sports käme dem Autor Chris- Gemeinschaftsevents ist groß.“ toph Biermann niemals in den Sinn. Mit feiner Ironie und klarer Botschaft formulierte er den Der Rheingold-Forscher spricht von einem Titel seines Buches: „Wenn du am Spieltag „rauschhaften oder ozeanischen Erlebnis, beerdigt wirst, kann ich leider nicht kommen“. in einer bewegten Masse aufgehoben zu wer- „Eventomanie“ hin und „Partyotismus“ her, ob den“. Im kollektiven Stöhnen, Schreien, in einer Turnhalle in der 2. Handball-Bundesliga Einstellungen und Erwartungen von Sportzu- Jubeln entsteht ein ungewohnter Freiraum. (oben) oder in einem modernen Fußball- stadion (Bild unten: Veltins-Arena auf Schalke), schauern unterschieden sich schon immer be- Stollenwerks Studien bestätigen das. „Eine die meisten Zuschauer kommen immer noch trächtlich. Und doch: Warum Menschen zum überwältigende Mehrheit sagt, dass man im wegen des Sports zum Wettkampf. Laut Publi- Fußball, Tennis oder Skirennen gehen, worin Stadion ausleben kann, was im sozialen Alltag kumsexperte Hans Stollenwerk gilt das besonders für Fußball die Anziehungskraft einzelner Sportarten be- nicht möglich ist.“ Für 80 bis 90 Prozent der steht und welchen Einfluss das direkte Umfeld Fußballfans, obwohl sie zuvorderst des Sports eines Wettkampfs auf das Publikum ausübt, wegen kommen, steht das Spiel für Unterhal- sind Fragen, die für Organisatoren und Veran- tung. „Ähnlich wie ein Kinobesuch.“ stalter lange Zeit eine Art Blackbox zu sein schienen – obwohl schon seit mehreren Jahr- WER IST MEIN FAN? zehnten zu diesem Thema geforscht wird. „Klischees, Vorurteile und Spekulationen be- Der Sport als Sinn, Freude und Gemein- herrschten die Diskussion“, sagt Hans Stollen- schaft stiftendes Element scheint damit werk von der Deutschen Sporthochschule in erklärt. Doch nicht, warum das Lagerfeuer Köln. Der Psychologe, einer der profiliertesten in der einen Sportart lodert und bei der Publikumsforscher in Deutschland, hat seit Alternative nicht einmal glimmt. Allein mit Ende der 70er-Jahre annähernd 100 Studien einem Hinweis „auf Regelwerk, Ästhetik zu 17 Sportarten ins Feld geführt. oder bekannte Athleten“ lasse sich diese Be- alwissenschaftler Carsten Schröer von Sport sonderheit nicht überzeugend erklären, sagt + Markt aus Köln. „Angestammte Fans neh- DAS RAUSCHEN DES OZEANS die Sportsoziologin Gertrud Pfister aus Ko- men nun ihre Familien mit ins Stadion.“ penhagen. Auch eine Wechselwirkung zwi- Schröer teilt die Zuschauer idealtypisch in In dieser Zeit haben sich die Rahmenbedin- schen Sportaktivität und Zuschauerinteresse vier Kategorien: Fans, Experten, Opportu- gungen für Sportveranstaltungen verändert, sei empirisch kaum belegbar. Ehemalige nisten und Eventhusiasten (siehe Kasten). drastisch geradezu. Stollenwerk nennt als Aktive seien zwar im Handball, Fechten, wichtigste Ursachen Aspekte wie Kommer- Dressurreiten und Geräteturnen unter den Das Stadionerlebnis hat man nicht in jeder zialisierung und Professionalisierung, me- Besuchern überrepräsentiert, aber es gebe Sportart. Eine Studie der Uni Leipzig von diale Berichterstattung sowie Emotionalisie- keinen Automatismus. Autorennen und 2008 bestätigt weitergehende Unterschiede: rung und Boulevardisierung, speziell im Skispringen zum Beispiel sind fast reine Im Fußball und Motorsport ist die Frauen- Fußball. „Der Trend zur Eventisierung ist Zuschauer-Sportarten. quote am niedrigsten, zum Basketball kom- unverkennbar, wenn auch je nach Sportart men die jüngsten Zuschauer und zu Galopp- unterschiedlich ausgeprägt.“ Weiter scheint der Deutungsansatz zu führen, rennen die ältesten. Das typische Publikum der sich mit Professionalisierung und Kom- beim Wintersport – im Alter leicht über dem Das ist die eine Seite des Phänomens. Die merzialisierung beschäftigt. Er vergrößert die Durchschnitt – ist zum Großteil eventorien- andere beschreibt Stephan Grünewald, Psy- Brennweite, öffnet den Blick vom Sport tiert. „Beim Biathlon-Weltcup zum Beispiel chologe und Geschäftsführer des Rheingold- auf die Schauplätze, die Stadien und Arenen. steht die Stimmung an der Strecke mindes- Instituts in Köln. Er stellt zwei besondere Hier haben sich Kriterien wie Sicherheit, tens ebenso im Fokus wie das Interesse an Ereignisse in den Vordergrund, die ihre Wir- Komfort und Rahmenprogramm deutlich der sportlichen Leistung. Wer nach Ruhpol- kung im ablaufenden Jahrzehnt mit großer verbessert, den Besuch für neue, sportferne ding fährt, will die deutschen Athleten siegen Wucht entfalteten: zunächst den 11. Septem- Zielgruppen attraktiv gemacht. „Die Zusam- sehen – und etwas erleben“, sagt Schröer. ber 2001, der aus Angst vor einer unbere- mensetzung des Publikums hat sich verän- Oft verbinde der Zuschauer den Besuch der chenbaren Welt zu einem verstärkten Rück- dert und dadurch auch die Atmosphäre“, Veranstaltung mit einem verlängerten Frei- zug in die Familie geführt habe. Und dann – sagt der promovierte Wirtschafts- und Sozi- zeitaufenthalt. Faktor Sport [ Tribüne ] 29

IM WECHSEL DER IDENTITÄTEN

Sport + Markt skizziert vier idealtypi- Stars locken jüngeres Publikum, davon sche Kategorien von Sportzuschauern, kann eine Traditionssportart wie Leicht- die „in der Realität freilich nicht so athletik besonders zehren, wie bei der analytisch getrennt werden können und WM in Berlin. Zuschauer im Wintersport in einzelnen Personen vielfach ver- dagegen liegen im Alter etwas über dem schmelzen“, sagt Carsten Schröer. Durchschnitt, sind aber zum Großteil eventorientiert DIE FANS: Sie nehmen Partei für die eigene Mann- schaft, zu der sie auch stehen, wenn es mal nicht so gut läuft. Identifikation ist ihr zentrales Motiv. Der Fan ist häufig an eine Region gebunden, die er vertritt.

DIE EXPERTEN: Sie verfügen über immenses Wissen und bauen es in Geschichten zum aktuellen Sportereignis ein. Sie laden den Sport für das Publikum mit Spannung und Ungewissheit auf.

DIE OPPORTUNISTEN: Sie wollen Höchstleistungen sehen, knüpfen aber nicht zwingend Bindungen zu Mannschaften oder Sportlern.

DIE EVENTHUSIASTEN: Sie sind generell stark eventorientiert, wollen beim Sport Teil des Ganzen sein. Sie picken sich die Rosinen heraus.

ZURÜCK ZUM KERN ziehen.“ „Eventomanie“ hin und „Partyotis- durchschnittlicher Teil des Publikums aus mus“ her, für die Mehrheit der Zuschauer neutralen und fachfremden Zuschauern, die Ausgangspunkte für das Interesse an einer sei das Interesse am Sport immer noch der von der Lust auf Neues getrieben werden. Sportart bleiben der sportliche Erfolg und wichtigste Beweggrund, einen Wettkampf Die enthusiastischeren Fans kommen dann charismatische Helden. Das klingt zunächst zu besuchen, sagt Experte Stollenwerk und häufig von weiter her. Beispiel Handball: von wie ein Widerspruch zur These der Sportso- führt den Fanzuspruch auf seinen sportlichen Gummersbach nach Köln oder von Lübeck ziologin Pfister, die sagt: Helden locken Kern zurück. Nur: Die Hingabe ist unter- nach Hamburg. nicht die Massen. Das stimmt, sofern Triumph schiedlich stark ausgeprägt, je nach Disziplin und Persönlichkeit sich nicht die Hand und Tradition des Angebots. Im Fußball Am Ende aber reichen die Erklärungsmuster reichen. Eins allein funktioniert nicht – oder scheint die Nähe der Gefolgschaft zum doch nicht ganz, um die verschachtelte nur selten. Geschehen nach wie vor groß – trotz der At- Beziehung von Fan zu Sportart und Sportart traktivität für neue Zielgruppen. Stollenwerks zu Fan auszuleuchten. Deshalb sei an dieser Als Beispiel für das Zusammenwirken not- Umfragen unter rund 60 Zuschauerfraktio- Stelle erneut auf Stollenwerk Bezug genom- wendiger Faktoren mag der alpine deutsche nen in den vergangenen 20 Jahren haben men. Er versucht die Zerrbilder der Wirk- Skisport herhalten. Sympathische Athleten empirisch belegt, dass 90 bis 95 Prozent der lichkeit auf deren mediale Vermittlung zu- mit Strahlkraft hat er seit längerer Zeit und Besucher sowohl Fans der Sportart als auch rückzuführen. Der Fanforscher verweist auf Potenzial sowieso, wie Schröer betont: Fans einer der beiden Mannschaften sind. Galopprennen, bei denen stereotype Auf- „Historisch bedingt war das Interesse schon nahmen von Frauen mit ihren extravaganten immer vorhanden.“ Was lange fehlte, waren Anders verhält es sich beim Publikum ver- Hüten die Stilisierung des Sportereignisses Siege. „Durch die jüngsten Erfolge von pflanzter Veranstaltungen: Vor einigen Jah- zum Treffpunkt der High Society begünsti- Maria Riesch und Viktoria Rebensburg ist ren landeten American Football, Handball gen. „Dabei stellen sie im Vergleich zum dieses Interesse deutlich gestiegen. Persön- oder Basketball neu beziehungsweise nach Gesamtpublikum eine Minderheit dar“, lichkeiten wie Riesch oder bei den Männern längerer Pause in modernen Arenen städti- sagt Stollenwerk. Leidenschaft ist also auch Felix Neureuther können zu Aushängeschil- scher Zentren, wie in Köln. In solchen Fällen hier zu finden, nur nicht immer vor der dern werden – und noch mehr Besucher an- besteht, gerade zu Beginn, ein weit über- Kamera. ] Dankeschön

MÜNCHEN 2018 Die freundlichen Spiele Die Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2018 bedankt sich bei ihren Nationalen Förderern, Nationalen Ausstattern und allen Freunden für die große Unterstützung.

Lasst uns alle sagen: „Ja, ich will sie!“ unter www.die-freundlichen-spiele.de

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SOUVERÄNER FREIGEIST Faktor Sport [ Profile ] 33

Dunja Hayali ist als TV-Moderatorin eine Marke. Trotz ihrer Popularität hat sich die 36-Jährige zwischen Fernsehstudio, öffentlicher Erwartung und Berlin-Kreuzberg ihre persönliche Freiheit bewahrt – und die Leidenschaft zum Sport.

TEXT: BERTRAM JOB

eulich hat Dunja Hayali ein Paket Freizeituni der Welt, wie wir sie nannten, wohl die selbstbewusste Tochter irakischer aus Mönchengladbach erhalten, einfach alles ausprobieren.“ Eltern zu den populärsten TV-Gesichtern darin war der offizielle Clubanzug gehört, seitdem sie im ZDF für die wichti- N des VfL Borussia. Seitdem sehnt Soweit die Vorgeschichte: Sie scheint pas- gen Formate besetzt wird. Ihr Name zählt sie sich danach, mal wieder auf der Tribüne send für eine Person, die Botschafterin für jetzt etwas. Dieses Ansehen nutzt die ihres bevorzugten Fußball-Bundesligisten die Spiele der Fußball-WM der Frauen 2011 36-Jährige, sobald sie von einer Sache zu sitzen, „obwohl ich da sonst eher leger in Mönchengladbach sein wird. Dunja Hayali überzeugt ist. Mit dem 74er-Weltmeister hingehe: Jeans, Pulli, fertig. Am liebsten stehe hat Sport erlebt, geschwitzt und kommentiert. Rainer Bonhof trommelt sie für die Frauen- ich im Stadion, weil man so die Spannung Insgesamt zehn Jahre lang arbeitete sie im WM im Borussia-Park, in dem sie früher besser aushält.“ Mittendrin, nicht herausge- bewegten Ressort; vom Kölner Lokalradio nach Spielende als Livereporterin Stim- hoben, so lebt Hayali ihre Passion am liebs- bis zu den Sportnews auf TV. men gesammelt hat. Und mit Stars wie ten; nicht im Verborgenen, aber auch nicht In dieser Zeit lernte sie fast alles, was ihr Rufus Beck, Ulrich Wickert und Peter zum Fenster hinaus. Diese Leidenschaft für nun zugute kommt, als Moderatorin etwa Härtling bezieht sie in der Kampagne des den Sport braucht sie nicht erst zu erfinden. von „heute journal“ oder, seit kurzem, des Vereins „Gesicht Zeigen! Für ein welt- „Morgenmagazins“ im ZDF. Jobs, mit denen offenes Deutschland“ Stellung gegen Daheim in Datteln, nahe Recklinghausen, sich Hayali in die noch junge Tradition unter Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. setzte sie schon dem Ball nach, bevor sie in den „Anchor Women“ im deutschen Fern- die Schule kam. „Das lag am Sohn unserer sehen einreihte: Auch und Die Hayali wirkt in diesen Tagen passend, Haushälterin, in den ich unsterblich verliebt Anne Will hat es vom Sport in andere Pro- wo immer sie gerade steht. Im „Morgen- war. Der war Gladbach-Fan und hat immer gramme gezogen. magazin“ ist sie die saloppe, stets profunde mit mir gekickt.“ Später spielte sie in der Gastgeberin, die mit Co-Moderator Cherno Mädchenauswahl des Gymnasiums und „Der Sport hat mein Leben maßgeblich be- Jobatey zum Frühstück das schmeichel- belegte an der Sporthochschule Köln das einflusst und gestaltet. Er hat mir viele Per- hafte Bild eines lockeren, weltoffenen Fach Fußball. Überhaupt gefiel ihr jede spektiven eröffnet, beruflich wie privat“, sagt Deutschlands befördert. Im „heute jour- Sportart, solange nur ein Ball im Spiel war. Hayali, die in ihrem Kreuzberger Lieblings- nal“ dagegen trat sie bis zum vorläufigen café sitzt und zwei Tassen Earl Grey trinkt. Sie Ende ihres Engagements im Herbst „Ich lasse mich ungern einengen. Darum fällt nicht weiter auf in ihrem Freizeit-Look manchmal so seriös wie eine Businesstante war das Studium an der Sporthochschule zwischen den schrägen Tapeten und all den aus der Senator-Lounge auf. Die vielen auch perfekt. Man konnte an der größten Teilzeit-Bohemiens im Kiez. Und das ob- Tattoos hätte da keiner unter ihren Hosen- --› 34 [ Profile ] Faktor Sport

GEFRAGTES TV-GESICHT DUNJA HAYALI Sie hätte auch Tennisprofi werden können. Oder Sport- lehrerin. Stattdessen hat es die 1974 in Datteln geborene Dunja Hayali vorgezogen, nach dem Sportstudium über ihr Lieblingsthema zu berich- ten. Kein Umweg, sondern eine gute Schule für ihren aktuellen Job als Moderatorin des „Morgenmagazins“

anzügen vermutet. Bis sie zur Verleihung des du eben Journalistin.“ Also wählte sie an der Match zurückzukämpfen – egal, wie aus- Deutschen Fernsehpreises Anfang Oktober „Spoho“ den Schwerpunkt Publizistik und sichtslos der Spielstand ist. Ich verliere ein- im ausgeschnittenen Kleid erschien – mit versuchte sich nebenher in allen möglichen fach sehr ungern, und ich hab’ ein dickes Fell. ihrer Lebensgefährtin Mareike im Schlepptau. Disziplinen, wie etwa dem Fechten. „Wir Ist doch eine ganz gute Kombi. Nichtsdesto- sind in diese verschwitzten Anzüge gestiegen, trotz bin ich in gewissen Dingen sehr sensibel. „Ich bin halt Zwilling, ich hab´ zwei Ge- das war ekelhaft“, sagt sie, „aber auch wieder Wenn es um meine Familie und mein Umfeld sichter. Und an dem Abend hatte ich Lust, egal, weil es so einen Spaß gemacht hat.“ geht, kann ich auch die Krallen ausfahren.“ ein Kleid zu tragen ... Ich mag meine Dann folgten Jahre zum Durchbeißen unter Tattoos, finde es nicht besonders verrückt, Leichtathleten und Fußballern, die einer Es war also durchaus sportlich, sich zu be- welche zu haben. Aber auf dem Bildschirm neugierigen Frau noch immer nicht ohne haupten und dabei ab und zu nach oben zu haben sie absolut nichts zu suchen. In Weiteres Kompetenz zugestehen. „Wenn man sehen: „Wenn du Bundesliga spielst, willst du einigen Dingen bin ich sicher konservativer aber gescheite Fragen stellt, sind sie einer im nächsten Jahr am liebsten Champions und spießiger, als viele annehmen ... Die Frau gegenüber vielleicht sogar zugänglicher“, League spielen. Ich suche ja immer von selbst Leute sollten einfach aufhören, in Schub- sagt Hayali. Und es kamen die Momente, den nächsten Kick.“ Das erste „heute jour- laden zu denken, und sich lieber öfter mal in denen die Zukunft auf der Kippe stand – nal“ an der Seite von Claus Kleber war schon überraschen lassen.“ nur dass jeder Rückschlag eine neue Chance „wahnsinnig aufregend“, sagt sie, „aber in für sie einleitete. Erst die Kündigung durchs erster Linie hat es Spaß gemacht. Es gibt mir Das kommt nicht beleidigt, eher amüsiert. Von Lokalradio eröffnete das Zeitfenster für ein ein gutes Gefühl, wenn Mumm auch Selbst- zu Hause ist sie es gewöhnt, so sein zu dürfen, Praktikum beim WDR. Erst die Insolvenz überwindung einschließt.“ Beim „Morgen- wie ihr gerade ist. Für Hayali, die als Nest- eines Subarbeitgebers brachte sie dazu, sich magazin“ kommen die Herausforderungen häkchen ihrer Familie am oberen Rand des für die Nachrichtenredaktion von Deutsche nun im Tagesrhythmus: Heute DFB-Chef Ruhrgebiets aufwuchs, war das Alltag. „Meine Welle TV zu bewerben. Theo Zwanziger, morgen Deborah Anne Dyer Eltern haben Integration einfach gelebt“, sagt alias „Skin“, Frontfrau von Skunk Anansie. sie. „Das war immer ein Haus der offenen „Ich dachte zuerst: Was soll ich denn da? Türen. Es war egal, wo die Leute herkamen; Dann war ich aber doch beim Casting, und Es sind die ganz besonderen Seiten ihres Jobs, Hauptsache, man hatte sich was zu sagen und zwei Wochen später saß ich in Berlin, hatte wenn Hayali als Interviewerin ihren persönli- abends was zu feiern.“ Niemand rieb sich eine neue Wohnung und ein neues Leben. chen Popikonen begegnet, „irre“ sagt sie dazu. an ihrem heftigen Interesse für den Sport, im Ein halbes Jahr später kam der erste Anruf Nur zu gerne würde sie mal auf Steffi Graf Gegenteil: Nach den ersten Versuchen im vom ZDF.“ treffen, die nach ihrer Karriere „unglaublich Judo probierte sie sich im Tennis, und als sie sympathisch und bodenständig“ wirke. immer besser spielte, chauffierte der Vater Das soll bedeuten: Sie wurde nicht einfach sie zu den Matches. Bis der Teenager das durchgewinkt, weil sie einen Migrations- Für einen Moment klingt es so, als komme „irgendwie unspannend“ fand und auf die hintergrund hat – und dazu diesen nicht an- Wehmut über ihre eigene, abgebrochene Tennisschule verzichtete. Aber nur darauf. trainierten, androgynen Charme. Sie hat es Laufbahn im Tennis auf. Dunja Hayali lässt geschafft, weil sie immer einmal mehr aufge- den Blick kurz über die Tapeten wandern, „Von da an hab’ ich überlegt, wie man an standen als hingefallen ist, was unterm Strich bevor sie sich wieder zur Grundlinie begibt: diese Leute rankommt. Ich fand den Tennis- die wichtigste Disziplin bleibt. Wie im Sport „Natürlich denkt man manchmal: Was wäre Zirkus interessant, die ganzen Geschichten eben. „Ein Tennismatch dauert mehrere gewesen wenn ..? Aber ich hab’ ja meinen hinter den Sportlern, und dachte: Dann wirst Sätze, und ich hab’ immer versucht, mich ins Traumjob.“ ] 38% der Deutschen sind Bewegungsmuffel.

62% nicht. Sport im Verein.

Anzeige_FaktorSport_A4.indd 2 01.02.2010 17:43:35 Uhr 36 [ Spiegelbild ] Faktor Sport

ANTJE VON DEWITZ MARIE-LUISE PROBST- HINDERMANN NICOLE LEDER Faktor Sport [ Spiegelbild ] 37

einer Führungsposition mit vier Kindern eine Nische besetze, und kann diese Dinge durchaus einordnen“, sagt Antje von Dewitz.

Als sie 1999 zum ersten Mal schwanger war, konnte sie es sich nicht vorstellen, mit Kind zu arbeiten. „Das lag auch daran, dass ich keine weiblichen Vorbilder hatte.“ Nach der Geburt der Tochter stieg sie vorsichtig wieder ein: zehn Stunden im Monat, mehr nicht. Eine Freundin unterstützte sie. Die Zeit reichte, ein Projekt anzustoßen, das der Mutter von Dewitz wohl ebenso entspricht wie der Unternehmerin von Dewitz. Sie griff die Idee ihres Vaters auf und gründete ein firmen- eigenes Kinderhaus. In der ländlich-konser- vativen Region nicht weit vom Bodensee brachte ihr das zunächst Überzeugungsarbeit ein. Heute werden dort 28 Kinder betreut. DIE BEWEGTEN FRAUEN Dank der Kita und flexiblen Arbeitszeitmo- dellen sind 60 Prozent der Beschäftigten am So wenig durchschnittlich ihre Leben verlaufen, so symptomatisch Standort Frauen, die auch in Teilzeit als Füh- ist manche Schwierigkeit, der sie begegnen: Antje von Dewitz, Nicole rungskräfte arbeiten. Vielleicht ein Grund, wes- Leder und Marie-Luise Probst-Hindermann üben sportliche Berufe wegen die Nutzer von Utopia, Online-Platt- aus, die sie irgendwie mit dem Muttersein vereinbaren müssen. form für strategischen Konsum, Vaude kürzlich zum nachhaltigsten Unternehmen 2010 wähl- TEXT: ELKE RUTSCHMANN ten (im Sommer hatte der Ausrüster den Beitritt zur Fair Wear Foundation beschlossen, eine ie CSU hat sie erstmal hinter sich, DIE FAMILIENFREUNDIN Non-Profit-Organisation zur Verbesserung Kristina Schröder und Alice Schwarzer der Arbeitsbedingungen in der Textil- und auch, der Sport steckt mittendrin: in Nein, es versteckt sich keine echte Leistungs- Bekleidungsindustrie). Ganz sicher eines der D einer Frauendebatte. Laut einer Studie sport-Vergangenheit in der Vita von Antje Motive für das Familienministerium, die Firma gingen den rund 91.000 deutschen Vereinen von Dewitz. Aber die Geschäftsführerin des 2008 als eines der zwölf familienfreundlichsten in den vergangenen Jahren besonders viele Bergsportausrüsters Vaude in Obereisenbach Unternehmen in Deutschland auszuzeichnen. weibliche Mitglieder zwischen 27 und 40 bei Tettnang hat in ihrer Jugend auf gutem Jahren verloren. Nicht dass Vereine, Verbände Niveau Tennis und Handball gespielt. „In Wie freundlich aber ist die Firma für die eigene und DOSB dem Thema den Rücken kehrten; meinem beruflichen Alltag gehe ich oft an Familie? Die Rollenverteilung funktioniert of- Letzterer begegnet dem Trend mit der Kam- meine Belastungsgrenze“, erzählt sie. „Da hilft fenbar: Der Lebensgefährte von Antje von De- pagne „Sport bewegt Familien – Familien mir natürlich die Erfahrung aus dem Sport.“ witz arbeitet vormittags und kümmert sich dann bewegen den Sport“. Aber erstens bemühen um die Kinder. Darüber freuen sich vor allem sich auch Fitness-Studios und andere Ein- Antje von Dewitz sitzt im Zug nach Frankfurt. die beiden Jungs. Sie selbst würde gern wieder richtungen um die Zielgruppe, zweitens sind Sie nimmt dort an einer Diskussionsrunde mehr Tennis mit ihrer älteren Tochter spielen, die Ursachen wohl weniger im Sport zu suchen zur ethischen Verantwortung in Unternehmen im heimischen Verein. Das kommt zu kurz. als in der gesamtgesellschaftlichen Realität. teil. „Das sind Sachen, die mir auch Spaß machen“, sagt sie. Sie wird bei einer Freundin Nicht dass wasserdichte Rucksäcke, recycel- Die Unternehmerin Antje von Dewitz (38), die übernachten. Ein Abend zum Plaudern und bare Kletterkleidung und vier Kinder jegli- Triathletin Nicole Leder (39) und die Landes- Genießen. Solche Momente der Ruhe sind chen Platz nähmen, um an den eigenen turntrainerin Marie-Luise Probst-Hindermann kostbar im Leben der blonden Gipfelstürme- Körper, das eigene Befinden zu denken. „Ich (42) folgen sehr verschiedenen Lebensentwürfen. rin. 2009 übernahm die vierfache Mutter die habe mir den Sport ins Haus geholt und einen Sie sollen hier nicht als Vorbilder, schon gar nicht Geschäftsführung von ihrem Vater Albrecht Yogalehrer eingestellt“, sagt Antje von Dewitz. als Kämpferinnen für oder gegen eine Sache vor- von Dewitz. Wie fühlt es sich an, wenn man Yoga ist für sie eine kleine Flucht aus stickigen gestellt werden. Sondern als berufstätige Mütter, als „Miss Perfect“ überall gelobt und von der Konferenzräumen und nicht enden wollenden denen die gemeinte gesellschaftliche Realität in „Wirtschaftswoche“ gar zu einer „First Lady“ E-Mail-Anfragen. „Das erdet so schön.“ der einen oder anderen Facette begegnet. gekürt wird? „Ich weiß, dass ich als Frau in Weitere Kraft holt sie sich beim Laufen. --› 38 [ Spiegelbild ] Faktor Sport

Ihr Job setzt ein gewisses Quantum an Fitness Dazwischen geht sie einkaufen und holt das voraus. Gut, wenn sie diesem Anspruch gern Laufen nach, wenn sie es morgens nicht ge- genügt. Noch schöner, wenn er sich mit privaten schafft hat, oft bis zu zwei Stunden. „Daraus Wünschen vereinbaren lässt. An den Wochen- ziehe ich meine Kraft und entwickle neben- enden geht die Familie wandern, klettern, Rad bei neue Trainingspläne.“ Guti Probst- oder Kanu fahren – Umsetzung eines amerika- Hindermann bezeichnet sich als unruhigen nischen Mottos der 38-Jährigen: „A family who Geist. „Damit stresse ich meine Umgebung. plays together, stays together“. Sie sagt: „Das Meine Ehe hat das nicht ausgehalten.“ schweißt uns zusammen.“ Die Karriere, die Familie, der Sport: Im Leben von Antje von Seit zehn Jahren ist sie alleinerziehend. Dewitz fügen sich diese Elemente auffallend oft Die Frau mit dem Pferdeschwanz und ihr ineinander. Im Sommer geht sie gern schwim- Ex-Mann Thomas steckten noch im Studi- men, im eigenen Freibad sozusagen. Die Kom- um, als Marie-Sophie geboren wurde. Mit- mune wollte das Bad 2006 wegen Geldmangels hilfe einer Tagesmutter und eines Krippen- schließen. Vaude sprang ein, übernahm den platzes schafften beide ihr Examen. Dann Betrieb auf Probe und, da sich das neue Konzept kam Giulia und 1998 Lilli. „Damals waren bewährt hat, bis auf Weiteres. Neues Konzept? wir ein perfekt organisiertes Team“, sagt Guti Obereisenbach hat jetzt ein Familienbad. Probst-Hindermann. Sie hatte eine halbe Stelle beim STB und war (bis 2005) Dozen- DAS SCHNELLE LEBEN DER GUTI P. tin an der Uni Tübingen, ihr Mann arbeitete halbtags als Journalist. „Wir haben uns oft Ihr Arbeitsplatz ist Hort ihres Hobbys und auf einem Parkplatz zwischen Tübingen Familientreffpunkt. Oft hat Marie-Luise und Stuttgart getroffen, und ich habe Lilli Probst-Hindermann gemeinsam mit ihren gestillt.“ Die Mädchen wurden immer mit in drei Töchtern – Lilli ist 12, Giulia 16, Marie- die Turnhallen geschleppt. „Sie hatten keine Sophie 19 – in der Sporthalle gestanden. Wahl. Ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, Seit 2005 arbeitet die 42-jährige Sportwis- wenn sie lieber Querflöte gespielt hätten.“ senschaftlerin als hauptamtliche Landes- trainerin beim Schwäbischen Turnerbund Inzwischen haben es sich die vier Hinder- (STB). Jetzt sitzt sie im Restaurant eines mann-Frauen eingerichtet in ihrem prallen, Vereinsheims gleich neben dem Kunstturn- anstrengenden Leben. Sportsoldatin Marie- forum (KTF) in Stuttgart und bestellt sich Sophie und Giulia gehören zum DTB-Kader, einen Cappuccino. Auf dem Tisch liegt eine Lilli springt Trampolin. Es wird viel trainiert, angebissene Karotte. sehr viel, inklusive samstags und in den Fe- rien. Und zehn Jahre lang war Guti Probst- Marie-Luise Probst-Hindermann, die von Hindermann auch noch ehrenamtliche ihrem Umfeld nur „Guti“ gerufen wird, hat Sportwartin beim STB. „Mich plagt schon hin nicht viel Zeit – die hat sie fast nie. Um 5.25 und wieder ein schlechtes Gewissen.“ Sie hat Geburt erfolgreich fortgesetzt. Sie hat es Uhr ist sie heute aufgestanden in ihrer Woh- Glück, dass ihre Mädels sehr selbständig und geschafft, aber sie versteht, warum es andere nung in Tübingen. Sie hat Lilli ins Wirtem- außerdem hervorragende Schülerinnen sind. Frauen nicht schaffen. Die Probleme liegen berg-Gymnasium nach Stuttgart gefahren, Einmal die Woche kommt die Powerfrau zur seltener in der Rückkehr in den Sport an sich eine Eliteschule des Sports; normalerweise Ruhe. Am Donnerstagabend sind die Kinder als in der Organisation des Alltags. „Das liegt sitzt Giulia mit im Auto, die in Rotterdam beim Vater. Da gönnt sich Guti Probst-Hin- daran, dass du als Sportlerin ganz andere gerade ihre ersten Turn-Weltmeisterschaf- dermann einen Saunaabend mit ihrem Le- Betreuungszeiten als in einem normalen Job ten erlebt und nebenbei die ältere Schwester bensgefährten Robert Mai. Er ist Landes- brauchst, und das Wochenende ist auch noch Marie-Sophie trösten muss, die verletzt turntrainer, er passt perfekt in ihre Welt. verplant“, sagt Leder. zuschaut. Von 7.15 bis 9.15 Uhr leitet Guti Probst-Hindermann ihr erstes Training im SPITZE, SCHWANGER, SPITZE Sie hatte die Schwangerschaft im Jahr 1998 KTF. So ein intensiver Tagesbeginn ist kein nicht erwartet, der positive Test war ein klei- Problem für die geübte Frühaufsteherin. Es gibt im Vergleich zu früher viele Frauen, ner Schock: Die Athletin bereitete sich gerade „Ich liebe den Morgen.“ Wenn möglich, läuft die Sport zu ihrem Beruf machen. Es gibt auf die Spiele 2000 in Sydney vor. Es war eine sie bereits um 5 Uhr allein ihre Strecke. Der einige, die aktiven Sport zu ihrem Beruf schwierige Situation, der Verband unterstützte Solo-Sport entspannt sie, weil sie mit nie- machen. Aber es gibt wenige, denen gelingt, sie nicht wie erhofft. „Man hat mich nicht ein- mandem reden muss. Von 14 bis 19.15 Uhr was Nicole Leder gelungen ist: Die Triathletin mal gefragt, ob ich danach weitermachen folgen die weiteren Einheiten in der Halle. hat ihre Karriere nach Schwangerschaft und will.“ Zehn Wochen nach der Geburt von Mia Faktor Sport [ Spiegelbild ] 39

absolvierte sie wieder leichtes Training, nach sechs Monaten das volle Programm.

Im Kader der Deutschen Triathlon Union (DTU) gab es für sie keinen Platz mehr. Nicole Leder fuhr auf eigene Kosten zu Weltcups, bevor sie – noch vor den Spielen von Sydney - von der olympischen Distanz auf die Langstrecke wechselte. „Das war ein Glücksfall, denn ich bin noch besser gewor- den“, sagt sie. Immer wieder wurde sie in dem zehrenden Dreikampf von ihrem Biss und ihrem Talent für den Marathonlauf getrieben, der auf Schwimmen (3,8 Kilome- ter) und Radfahren (180 Kilometer) folgt. Dreimal wurde sie deutsche Meisterin, ein- mal holte sie den EM-Titel, zweimal gewann sie den Ironman in Roth, einmal in Frankfurt. Ihre beste Platzierung auf Hawaii war Zehnte.

Mia wurde zwischen Laufschuhen und Fahr- radteilen groß. Nicole Leder ist die Frau von Lothar Leder, seinerseits Spitzentriathlet. Beide sind Profis, insofern konnten sie sich ihre Zeit halbwegs einteilen. Andererseits: dieser enorme Trainingsaufwand, die Reisen, das ganze Drumherum. Es ging, weil sich die Eheleute in der Betreuung einigermaßen ab- wechselten, etwa wenn der jeweils andere ei- nen Wettkampf hatte. Und die Schwiegerel- tern unterstützten sie. „Ich habe immer auf stabile Bezugspersonen für meine Tochter geachtet“, sagt die Ironwoman.

Ein sehr mütterlicher Satz, und das ist kein Zufall: Nicole, ausgeglichener, weniger be- wegt als Lothar, leistet offenbar den Großteil der Erziehungsarbeit, er kümmert sich mehr ums Management. Als sie vor drei Jahren „Wir haben uns oft auf einem nach Hawaii fuhr, hieß es in der „FAZ“, sie habe ihrem Mann „sicherheitshalber auf drei DIN-A4-Seiten geschrieben, woran er alles zu denken hat“. Den klassischen Sommerur- Parkplatz zwischen Tübingen laub hat es bei Leders – das Paar ist seit 1994 zusammen – nie gegeben. Nicole kommt lie- ber zu Hause in Darmstadt zur Ruhe. Sie ist und Stuttgart getroffen, 39, wie er, und plant nur noch von Saison zu Saison. Sie hat den Trainingsumfang gesenkt. 15 Kilometer Schwimmen, 400 auf dem Rad, 70 Kilometer Laufen plus Krafttraining und und ich habe Lilli gestillt“ Massagen, das gibt rund 25 Stunden die Woche. Der Leistungssport ist ja nur noch Marie-Luise Probst-Hindermann eine Säule des Familieneinkommens: Seit ei- nigen Jahren geben die Leders Motivations- seminare für Manager oder Trainingskurse. ] 40 [ Spiegelbild ] Faktor Sport DAS SPIELENDE KLASSENZIMMER

Experten predigen es, Studien belegen es, und eigentlich ist sich ja auch die Gesellschaft einig: Schüler brauchen mehr Sportstunden und generell mehr Bewegung. Trotzdem besteht nach wie vor großer Nachholbedarf, besonders in weiterführenden Einrichtungen.

TEXT: YVONNE WAGNER UND JASPER ROTHBAUM Faktor Sport [ Spiegelbild ] 41

„Die einfacheren Gehirnareale steuern Sensorik und Motorik und sind die Basis für die Denkprozesse in den höheren Gehirnregionen“

chule braucht Rhythmus. Das heißt ei- nen Tagesablauf, der Schülern im Wechsel das richtige Maß von Kon- S zentration und Pausen verabreicht. Am besten aktive Pausen, die der Entspannung dienen und zugleich Unterrichtsinhalte fes- tigen. Aber die meisten weiterführenden Schulen in Deutschland bieten nicht einmal eine dritte Sportstunde an. Stattdessen fällt jede dritte bis vierte Lektion aus. Diese Aus- sagen basieren zwar auf der Sprint-Studie von 2005 – eine Untersuchung zur Situation des Schulsports in Deutschland –, aber sie sind wohl auf heute übertragbar.

Das ist jedenfalls die Beobachtung von Wolf- Dietrich Brettschneider, Professor an der Universität Paderborn und Leiter der Studie.--› 42 [ Spiegelbild ] Faktor Sport

In der Primarstufe habe sich das Bewusstsein Entwicklung schadet: „Die einfacheren Ge- in ihren Unterricht einzubauen; oder Eltern, für Sport deutlich verbessert, sagt der Sportwis- hirnareale steuern Sensorik und Motorik und engagierte Schüler oder ehrenamtliche Helfer, senschaftler. „Infolge der Sprint-Studie wurden sind die Basis für die Denkprozesse in den wenn sie Sportarbeitsgemeinschaften im Judo, den Pädagogen, die fachfremd Sport unterrich- höheren Gehirnregionen. Wenn es auf unterer Tischtennis oder Fußball gründen und zusätz- ten, mehr Fortbildungen angeboten“; darüber Ebene unscharf zugeht, kann auf der höheren liche Sportelemente organisieren. Auf diese hätten die Kultusministerien berichtet. Über Ebene nicht scharf gedacht werden.“ Wer sich Weise kann fast jede Schule zumindest kleine Verbesserungen in weiterführenden Schulen mit Freude sportlich betätige, fördere das Projekte wie Pausenspaß oder Sportfeste an- hingegen sei nichts zu vernehmen gewesen. Wachstum von Nervenzellen in jener Gehirn- bieten – die freilich nur so lange funktionie- region, die für das Speichern von Lerninhalten ren, wie sich der Einzelne darum kümmert. Besonders in der Sekundarstufe, also den Klas- zuständig sei: im Langzeitgedächtnis. „Zudem Schulleitungen, die Sport und Bewegung für sen 5 bis 10, wäre aus Sicht des Sports ein unterstützt die trainierte Feinmotorik das besonders wichtig halten, wählen deshalb das hohes schulisches Angebot wichtig. Jugendliche Lernen, weil der Geist den Körper im Griff nachhaltigere Rezept B: Sie legen entspre- entsprechenden Alters verfügen über relativ hat und nicht umgekehrt“, sagt Spitzer. chende Ziele im Schulprogramm fest. wenig Freizeit, die sie mit ganz vielen konkur- rierenden Inhalten füllen können: Mit Face- JEDE SCHULE DARF – KEINE Der Nachmittag ist ein eigenes, in Zeiten des book oder freiwilliger Feuerwehr, mit Klavier- SCHULE MUSS Ganztagsunterrichts zentrales Thema. Stan- spielen oder Knutschen, mit Chillen oder dardlösung hier: mit Vereinen zusammenar- Shoppen. Es ist das Alter, in dem Sportbegeis- Um richtig pauken und sich kognitiv entwi- beiten. Denn sie sehen in den Schulen zu- terung unter Umständen im Zeitraffer welkt: ckeln zu können, müssen sich Schüler jeden gleich das Problem – Zeit- und damit Nach- Das aktive Kind von heute ist der passive Teenie Alters regelmäßig austoben. Das sollte der wuchsräuber – und seine Lösung: direkter von morgen. Umso problematischer, wenn Bildungspolitik Anlass genug sein, den Ausbau Zugang zu vielen Kindern und Jugendlichen. Sportstunden gerade in dieser Altersgruppe von Sport- und Bewegungsangeboten ent- häufig ausfallen. Die Ursache sind meist schieden zu beschleunigen. Indes hat die Kul- Teils gelingt die gemeinsame Sache, teils ge- fehlende Räume respektive Hallen. Wo viele tusministerkonferenz die Schulen über den staltet sie sich kompliziert. „Die Sportange- Schüler unterrichtet werden, benötigt man viel regulären Sportunterricht hinaus nur ver- bote wirken oft wie Anhängsel“, sagt Boris Platz, weil etliche Sportstunden parallel statt- pflichtet, bis zur zehnten Klasse die Bundes- Rump, im DOSB für den Bereich Sport und finden müssen. Bei Hunderten Schülern kann jugendspiele zu veranstalten (1979 beschlos- Schule zuständig. Seiner Meinung nach die Koordination schwerfallen – und in der sen, 2004 erneuert) und Schulsportwettbe- klemmt es bei den Bildungseinrichtungen. Sekundarstufe sind es nicht selten um 1000. werbe mit Vereinen zu koordinieren (1976 mit Symptom: mangelnde Akzeptanz der Vereine DSB beschlossen, 2003 durch beide Institu- als echte Partner: „Die Übungsleiter sollten Natürlich kann es in der Bewegungsdebatte tionen angepasst). Ob das Bildungsministeri- in die Fachkonferenzen eingeladen werden. nicht zuerst um das Interesse des Sports ge- um eines Landes über diese Regelung hinaus Dann würde vieles nicht nebeneinander her- hen. Und nicht nur um die Sportstunde. Es aktiv wird, bleibt ihm selbst überlassen. laufen, man könnte sich auch über Schüler geht um die Schüler und um Unterrichtsstruk- austauschen.“ Diagnose: Angst vor Kontroll- turen, die ihnen gerecht werden. Es gibt kaum Tatsächlich erkennen viele Bundesländer, wie verlust. Anstatt sich über neues Personal zu Tendenzen, die Stunden durch Bewegungs- wichtig es ist, Projekte mit Landessportver- freuen, sorgten sich die Schulen wegen der spiele aufzulockern, obwohl dies die Schüler bänden, Wirtschaftspartnern oder Kranken- Fluktuation, so Rump - wenn Studenten Studien zufolge motiviert und ihre Konzentra- kassen auf die Beine zu stellen. In Nordrhein- Kurse übernehmen, sind sie nach dem Exa- tion hebt. Schlimmer noch: Zu Hause bleiben Westfalen, Rheinland-Pfalz und Baden- men vielleicht nicht mehr verfügbar. die Kids oft bewegungsarm, denn viele pauken Württemberg gibt es sogar Koordinierungs- weiter, besuchen die professionelle Nachhilfe stellen, um die Nachfrage der Schulen mit ANGST VOR DER BLAMAGE oder „entspannen“ sich vor dem Computer. Vereinsangeboten zu vernetzen. Aber auch dies setzt nur einen Rahmen. Wie die Schu- Skepsis und Scheu spielen in der ganzen De- Dass das auf Dauer ungesund ist, wird seit len nachhaltige Angebote schaffen, bleibt ihrer batte eine Hauptrolle. Dorothea Beigel ist im Jahren und inzwischen von nahezu jedermann Fantasie überlassen. Was den Vormittag an- Hessischen Kultusministerium für das The- und -frau gepredigt. Manfred Spitzer, Hirn- geht, gibt es da zwei Standardrezepte. Das eine ma Wahrnehmung und Bewegung verant- forscher am Universitätsklinikum Ulm, kann setzt auf die Initiative Einzelner: Lehrer ge- wortlich, sie bildet Lehrer entsprechend fort. erklären, warum es zudem der intellektuellen währen zu lassen, kleine Bewegungsportionen „Einige Kollegen sind besorgt, dass sie durch Faktor Sport [ Spiegelbild ] 43

Warum funktioniert das, was bei Grundschülern geht, an weiterführenden Schulen nicht mehr?

Bewegung im Unterricht Zeit verlieren, die sie brauchen, um ihre Schüler zu qualifizie- ren“, sagt sie. Manche fürchteten auch die zusätzliche Unruhe. Und dann ist da noch die Angst, sich vor den Schülern zu blamie- ren, zum Beispiel: Weil man unsportlich sei oder annimmt, die lieben Kleinen seien nicht lieb genug mitzumachen.

Wie könnte man im ersten Schritt Abhilfe schaffen? Der Mediziner Dietrich Gröne- WEGE ZUR BEWEGUNG meyer plädiert dafür, Schüler in die Weiter- bildungen zum Komplex Sport und Bewe- HELFER UND MENTOREN gung einzubeziehen. Gemeinsam mit Beigel Als sogenannte Sporthelfer, -assistenten oder -mentoren unterstutzen ist er in dem Projekt „Schnecke – Bildung Schuler ihre Lehrer im Sportunterricht, bei Veranstaltungen oder bieten selbst Sportprojekte an. Gesundheitsbotschafter bauen oft auf braucht Gesundheit“ aktiv, das über die Be- solchen Initiativen auf. Sie setzen sich unter anderem fur sinnvolle deutung des Gleichgewichtssinns für Hör- Ernährung ein. vermögen und Konzentrationsfähigkeit des KOOPERATIONEN Menschen aufklärt. Seit einem Jahr bildet er Vereinsangebote finden vornehmlich nachmittags statt und nennen sich in diesem Rahmen Jugendliche zu Gesund- etwa „Sport nach 1“ oder „Schule und Verein“. Weitere Impulse kommen heitsbotschaftern aus und sensibilisiert sie von außen und zielen stärker auf das Thema Gesundheit generell ab als auch für Bewegung. Projektwochen, der Un- auf Sport im Speziellen. Einige reichen über Ländergrenzen hinaus, wie zum Beispiel das von der Bertelsmann Stiftung gestartete Programm terricht oder gar Konferenzen in der eigenen „Anschub.de“ oder „Schnecke - Bildung braucht Gesundheit“. Schule geben ihnen Anlass, ihr Wissen an die Altersgenossen weiterzutragen. „Wir wollen ZERTIFIZIERUNG mit den Schülern auf Augenhöhe arbeiten“, In Hessen, Baden-Wurttemberg oder Niedersachsen versucht man Schulen einen Anreiz zu bieten, sich fur Bewegung und Gesundheit sagt Grönemeyer, „und gemeinsam das Ziel starkzumachen, indem das Engagement mit Zertifikaten fur eine Gesundheit in den Mittelpunkt stellen.“ ] gesunde oder sportfreundliche Schule gewurdigt wird. 44 [ Bewegungsmelder ] Faktor Sport

KRONE STATT RINGE

London denkt über die Spiele von 2012 hinaus. Der Olympia-Park im Osten der Stadt wird nach den Spielen den Namen 2 der britischen Königin Elizabeth II. tragen. m Olympia sei groß und wichtig. Aber, so fast so groß wie ein Volleyball-Spielfeld, sind die Plakate, mit denen Kultur-Staatssekretär Jeremy Hunt, es 140 gebe in Großbritannien keine dauerhaftere München in diesen Wochen auf die Bewerbung um die Olympischen Institution als die Monarchie. Ihre Majestät und Paralympischen Winterspiele 2018 aufmerksam macht. habe dem Plan bereits huldvoll zugestimmt, ebenso das IOC und das NOK. Die Queen Ein Dutzend Motive sollen den Blick auf diejenigen lenken, die im Mittelpunkt des Münchner begeht 2012 ihr 60-jähriges Thronjubiläum. Konzeptes stehen: die Athletinnen und Athleten. Der Ski-Rennfahrer Felix Neureuther war der erste, der überlebensgroß auf einer Fassade in der Nymphenburger Straße prangte. Die Riesenbanner – zu finden an stark frequentierten Straßen und Plätzen – sind eine Aktion der Münchener Immobilienwirtschaft (Immo 2018), die als Nationaler Förderer die Bewerbung NEUE FREUNDE unterstützt. Zur Initiative „Immo 2018“ zählen mehr als 20 Unternehmen der Branche; da- runter Architekten, Bauträger, Makler, Projektentwickler und Beratungsfirmen. Die Zahl der Förderer wächst. Ende Novem- ber hat München 2018 fünf neue „Freunde Gruppenbild mit Athlet: Die Plakatkampagne der Initiative „Immo 2018“ der Bewerbung“ vorgestellt: Der einzige lenkt den Blick auf die Hauptakteure der Olympischen Spiele deutsche Ski-Hersteller Völkl, die Münz- handelsgesellschaft Deutsche Münze (MDM), Stream5 (Online-Videotechnik), das Riesser- see Hotel in Garmisch-Partenkirchen und Neumann&Müller (Veranstaltungstechnik). MDM aus Braunschweig ist schon seit ihrer Gründung 1970 eng mit dem olympischen Thema verbunden: Eine der ersten Prägun- gen waren die deutschen Silber-Gedenk- münzen zu den Spielen 1972. Mit elf neuen Editionen in Silber und einer in Gold unterstützt MDM nun München 2018.

TOUR MONDIALE ZWEI FARBEN GRÜN

Es dauert kaum noch mehr als ein halbes Jahr, dann fällt im südafrikanischen Durban Das Umweltkonzept von München 2018 hat zwischen Annecy, Pyeongchang und München die Entscheidung über den Gastgeber der Bestnoten erhalten. Deshalb sieht DOSB- Winterspiele 2018. Für München stehen nach internationalen Auftritten in Acapulco Präsident Thomas Bach Münchens Chancen (Mexiko), Guanghzou (China) und Belgrad (Generalversammlung der Europäischen NOK), durch das ablehnende Votum des Grünen- zunächst zwei wichtige Termine in der Heimat an: Ende des Jahres ermittelt das Internatio- Bundesparteitags Ende November nicht ge- nale Olympische Komitee (IOC) per Umfrage die öffentliche Zustimmung zur Bewerbung. mindert. „Entscheidend ist die Haltung im Zwischen dem 8. Februar und 4. März schließlich bereist die Evaluierungskommission die Münchner Stadtrat, der sich mit den Stimmen drei Kandidatenstädte. der Grünen zu über 90 Prozent für die Spiele entschieden hat.“ Es sei entscheidend, dass Danach schwärmen die Konkurrenten wieder aus. Ihr Ziel heißt Nouméa, Hauptstadt von sich beim Besuch der IOC-Kommission die Neukaledonien im Südpazifik. Dort tagen vom 29. März bis zum 4. April 2011 die NOKs Fakten durchsetzten, die eine Grünen-Mehr- Ozeaniens. Zwei Tage später beginnt in London die Konferenz von SportAccord, der Verei- heit jetzt ignoriert habe. Münchens Konzept nigung aller olympischen und nicht-olympischen Sportfachverbände. Den vorläufigen sei das ökologisch nachhaltigste, das es jemals Schlusspunkt setzt der Besuch im IOC-Hauptquartier in Lausanne am 18. und 19. Mai, ehe gegeben habe. Für den Schutz der Umwelt die gemeinsame Reise im Juli in Durban endet – und nur für einen bis 2018 weitergeht. seien mehr als 100 Millionen Euro vorgesehen. mf_Anzeige_FactorSport_210x297.qxp:mf_anzeige 29.11.2010 13:44 Uhr Seite 45

GLÜCK LIEGT NICHT DARIN, DASS MAN TUT, WAS MAN MAG, SONDERN DASS MAN MAG, WAS MAN TUT.

James Matthew Barrie, Schriftsteller

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ede Generation muss sich die Vergangenheit selbst aneignen, um sich ihrer Wurzeln klar zu werden und sie mit Gegenwart DER und Zukunft zu verbinden. Der Blick zurück kann Themen und J Perspektiven verändern, er kann schmerzhaft sein, und Teile des deutschen Sports haben ihn lange gescheut. Im Lauf der Zeit rief das zunehmend öffentliche Kritik hervor. Seit den 80er-Jahren STREITFALL galt – und gilt – die Debatte vor allem der Frage: Wie sollen wir mit dem Namen Carl Diem und der öffentlichen Erinnerung an ihn DIEM umgehen? Carl Diem war der wichtigste deutsche Sportfunktionär zwischen Er war eine zentrale Figur des deutschen Kaiserreich und Bundesrepublik. Zumindest darin sind sich Freun- Sports, das ist klar. Und wohl kein National- de, Kritiker und Wissenschaftler einig. In vier Epochen der neueren sozialist im engen Sinne. Im Weiteren deutschen Geschichte prägte er Turnen und Sport. Eine schillernde Persönlichkeit mit viel Licht, aber auch Schatten. Denn wie, vor al- aber gibt Carl Diem Historikern Anlass zu lem, ist seine Rolle im Nationalsozialismus zu werten? Darum dreht heftiger Debatte, auch und gerade infolge sich die Auseinandersetzung nach wie vor. Und in diesen Tagen so des jüngsten Forschungsprojekts. heftig wie lange nicht.

TEXT: JÖRG STRATMANN Nicht nur, dass Städte prüfen, ob sie Straßen, Wege, Plätze oder Sportanlagen umbenennen sollen, die den Namen Carl Diem tragen, wie jüngst etwa Neuss, Heinsberg, Reutlingen und Münster; Höhe- punkt war gewiss der Streit um den Kölner Carl-Diem-Weg, Haus-

Wie soll mit der öffentlichen Erinnerung an Carl Diem umgegangen werden? GASTBEITRAG VON FRANK BECKER

Vorab: Der deutsche Sport hat sich, wie von Forschungsprojekt des deutschen Sports, in: der Weimarer Republik streckte er Fühler zur anderen Institutionen vorgemacht, der DSB-Jahresmagazin 2004/05, S. 110–113, NSDAP aus. Während der Gleichschaltung Aufarbeitung eines wichtigen Kapitels seiner hier 113). der deutschen Sportverwaltung 1933/34 NS-Vergangenheit gestellt. Die Unabhän- diente er sich dem Regime an und bemühte gigkeit, die ich bei diesen Forschungen Inzwischen ist die „Herkulesaufgabe“ (ebd., sich um den Posten des Reichssportkommis- genoss, durfte, so die Geschäftsgrundlage S. 112) fast bewältigt: Drei Bände meiner sars. Ab 1935 feierte er die „Erfolge“ Hitlers des Projekts, auch durch einen sogenannten Diem-Biografie liegen vor, der vierte und bei der Revision des Versailler Vertrages; „Projektbeirat“, der mir an die Seite gestellt letzte wird demnächst erscheinen. Aber wie 1940 jubelte er nach dem Sieg über Frank- wurde, nicht angetastet werden. „Der es bei dicken Büchern so ist: Sie werden oft reich im „Reichssportblatt“ (25. Juni 1940): Projektbeirat“, erklärte Michael Krüger zu nicht gelesen, noch öfter missverstanden. „So kam es zum Sturmlauf durch Polen, Beginn der Forschungsarbeit program- Die Studie ist zu einer Apologie umgedeutet Norwegen, Holland, Belgien und Frankreich, matisch, „wird diese Arbeit unterstützen, worden! Das verlangt nach einer Richtig- zum Siegeslauf in ein besseres Europa!“ ohne den Biographen in seiner Arbeit zu stellung. beeinflussen beziehungsweise ohne Einfluss 1939 übernahm Diem kommissarisch die auf sein Urteil nehmen zu wollen“ (Michael Meine Forschungsergebnisse belasten Diem Leitung der Auslandsabteilung beim Krüger, Leben und Werk Carl Diems: Ein in vielen Punkten: Schon in der Endphase „Nationalsozialistischen Reichsbund für Faktor Sport [ Puls 180 ] 47 anschrift ausgerechnet des Carl-und-Liselott-Diem-Archivs der Deutschen Sporthochschule, deren Gründungsrektor Diem von 1947 bis zu seinem Tode 1962 war. Seit 2007 heißt die Straße „Am Sport- park Müngersdorf“.

Diskutiert wird auch die Grundlage, auf der solche Entscheidungen gefällt werden: Sie ist nach wie vor nicht recht tragfähig. Das haben selbst die jüngsten Ergebnisse der Diem-Forschung nicht geändert, die von den beteiligten Geschichtswissenschaftlern höchst unter- schiedlich ausgelegt werden. Was als Abschluss der Debatte gedacht war, ist Ausgangspunkt für weitere Runden des zähen, mittlerweile auch persönlich gefärbten Ringens um die Deutungshoheit gewor- den, das seit gut 15 Jahren anhält.

Mitte der 90er-Jahre hatte der damalige Deutsche Sportbund (DSB) eine Expertenkommission eingesetzt, die das Wirken Diems untersuchen, bewerten und ihre Erkenntnisse zu einer Empfehlung bündeln sollte. Sie kam – wie der gleichzeitig von der Sporthoch- schule Köln beauftragte Historiker Hans Joachim Teichler – zu dem Ergebnis: Diem war „deutschnational“ eingestellt, auch opportunis- tisch, aber weder Nazi noch Rassist oder Antisemit; seine Verdienste um den deutschen und olympischen Sport und den Aufbau der deut- schen Sportwissenschaft stünden außer Zweifel. Deshalb solle der --›

Leibesübungen“. Dort arbeitete er eng mit des verstorbenen Tschammer Reichssport- der Diem zu dieser Durchhalterede vor Reichssportführer Hans von Tschammer führer geworden zu sein, also politische Kindersoldaten gezwungen hätte, ist nicht und Osten zusammen und stellte die inter- Verantwortung im NS-Staat übernommen nachweisbar, ja in Anbetracht der Umstände nationalen Aktivitäten des deutschen Sports zu haben. höchst unwahrscheinlich. Nach 1945 in den Dienst der NS-Propaganda. Zudem zeigte Diem weder Reue, noch war er trat Diem in den Vorstand der „Deutsch- Auch weiterhin übererfüllte Diem sein bereit, sich überhaupt in irgendeiner Form Italienischen Gesellschaft“ ein, die das Ver- Soll: Bei Kriegsende meldete er sich frei- mit seinem Verhalten in der NS-Zeit hältnis zwischen den „Achsenpartnern“ willig zum Volkssturm – er war bereits 62 auseinanderzusetzen. Stattdessen vertuschte Deutschland und Italien verbessern sollte. Jahre alt, eine Dienstpflicht bestand nur er seine eigene Verstrickung, so gut er Parallel veröffentlichte Diem in Goebbels’ bis zum 60. Lebensjahr. Als Volkssturm- es vermochte, und stellte sich als Opfer des Hauszeitschrift „Das Reich“ und andernorts mann hielt er am 18. März 1945 auf dem Hitlerregimes hin. Texte, die Topoi der NS-Propaganda ver- Berliner Olympiagelände eine Rede vor wendeten. Spätestens im Sommer 1943 war Hitlerjungen, die diesen – angesichts der Wie soll vor diesem Hintergrund mit der er über den Holocaust informiert. Trotzdem bevorstehenden Kämpfe mit der Roten öffentlichen Erinnerung an Diem umgegan- äußerte er noch Ende 1943 sein Bedauern Armee – das Vorbild der tapferen Spartaner gen werden? Grundsätzlich gilt, dass darüber, im Frühjahr nicht als Nachfolger vor Augen stellte. Ein Befehlsnotstand, die Wissenschaft selbst keine moralischen --› 48 [ Puls 180 ] Faktor Sport

DSB die Tradition pflegen, beispielsweise in Form der Carl-Diem- von Carl-Diem-Straßen, -Sportplätzen und –Turnhallen sei nicht Plakette, die seit 1953 als DSB-Wissenschaftspreis vergeben wurde. zu begründen. Doch der Schlussstrich ist damit nicht gezogen. Der Dieser Empfehlung schloss sich das DSB-Präsidium 1996 an. Beirat zeigt sich in seinem Bericht vom März 2010 enttäuscht von der - wie die Wissenschaftler meinen - konventionellen Art Beckers, Gleichwohl dauerte die öffentliche Diskussion fort. Deshalb gab der die Aufgabe anzugehen. Er biete keine neuen Erkenntnisse. Auch DSB gemeinsam mit der Sporthochschule Köln eine wissenschaftli- der DOSB bekommt sein Fett weg. Weder Grupe noch Krüger che Biografie Diems in Auftrag, nach den Standards moderner können jedenfalls die Entscheidung des Präsidiums gleich nach Geschichtswissenschaft verfasst. Ein Beirat aus Sportwissenschaft- Gründung des neuen Dachverbandes nachvollziehen, sämtliche mit lern und Historikern, darunter Professoren wie Teichler, Gertrud Namen verbundene Auszeichnungen und Ehrungen nur noch als Pfister aus Kopenhagen, der Tübinger Ommo Grupe und der DOSB-Preise zu vergeben, also auch die frühere Carl-Diem- Münsteraner Michael Krüger, übertrug die Aufgabe 2005 dem habili- Plakette. Dabei ging es dem DOSB-Präsidium nicht um eine „Lex tierten Geschichtswissenschaftler Frank Becker, finanziert mit einem Diem“, sondern um Grundsätzlicheres: nämlich eine generelle Drei-Jahres-Stipendium der Alfried–Krupp-von-Bohlen-und- Verbindung von Preis und Zusammenhang zu schaffen - etwa beim Halbach-Stiftung. Becker kündigte eine Biografie in vier Bänden an. DOSB-Wissenschaftspreis. Zwei Bände erschienen 2009, ein dritter Anfang 2010, der vierte soll in Kürze folgen. Und nun? Nun meldet sich Becker seinerseits zu Wort. Im Anhang seiner Bände hat er es „den jeweils betroffenen Bürgerinnen und Seit 2006 hat der Deutsche Olympische Sportbund das Projekt vom Bürgern in den zuständigen politischen Gremien“ überlassen, DSB übernommen. Muss er nun dessen Beschluss von 1996 revidie- Schlüsse aus seiner Forschung zu ziehen. Im folgenden Beitrag für ren? Der Beirat sagt: nein. Vor allem auf Grundlage des zweiten „Faktor Sport“ schlüpft er selbst in diese Rolle. Dabei kommt Becker, Bandes Beckers, der unter anderem Diems Karriere während des „privilegiert durch die Sach- und Quellenkenntnis“, zu einem Nationalsozialismus behandelt, schrieben die Wissenschaftler eine eindeutigen Urteil, das – so viel sei verraten – eines klarmacht: Der Empfehlung, die der von 1996 sehr ähnelt. Auch eine Umbenennung Streit um den wichtigsten deutschen Sportfunktionär lebt weiter. ]

Urteile fällt. Die Entscheidung, eine be- Ewigkeit gewährten – besonderen Ehrung stimmte Bombe nicht zu bauen, geht nicht einer Person (FAZ vom 05.08.2009, Nr. 179, aus physikalischen Formeln hervor; es ist S. 31). Man hat Straßen nach Diem benannt, der Physiker als moralisch urteilendes Indi- als man seine Verdienste um den Sport im viduum, das eine solche Entscheidung trifft. Blick hatte, ohne seine Verstrickung in den Ich schlüpfe also aus der Rolle des Wissen- Nationalsozialismus zu kennen. Inzwischen schaftlers in die Rolle des Bürgers, der einem weiß man jedoch um diese Verstrickung. Gremium angehört, das über die Umbenen- Im Jahre 2010 befindet sich die Debatte zur nung einer Diem-Straße entscheiden soll. NS-Erinnerungskultur in Deutschland auf Natürlich bin ich gegenüber allen anderen einem Stand, der nur das Urteil zulässt: Bürgern privilegiert durch die Sach- und Persönlichkeiten, die sich gegenüber dem Quellenkenntnis, die ich von 2005 bis heute Nationalsozialismus so verhalten haben erworben habe. wie Diem, können keine Vorbilder sein. Die abschließende Empfehlung lautet also: Um meine Auffassung zu erläutern, will ich Benennt die Diem-Straßen um! ] zunächst auf neueste Gerichtsurteile hinwei- sen, die festgestellt haben, dass jede Stra- ßenbenennung nur auf Zeit erfolgt; bei einer Umbenennung handelt es sich um die nüch- terne Beendigung einer – niemals für die Startschuss für die Sporthochschule in Köln am 29. November 1947, der Carl Diem bis zu seinem Tod im Jahre 1962 als Rektor vorstand DIE AUSRICHTERSTÄDTE IN NRW JETZT WM- TICKETS FÜR NRW SICHERN! www.fi fa.com/deutschland2011

MÖNCHENGLADBACH

HOST CITY

FIFA FRAUEN-WELTMEISTERSCHAFT DEUTSCHLAND 2011TM 26. Juni–17. Juli 2011 50 [ Vermittlungskunst ] Faktor Sport DER GETEILTE BLICK Der Plan der Politik, öffentlich-rechtliches Programmsponsoring nur noch bedingt zuzulassen, treibt den Sport um. „Ungerecht!“, lautet der Hauptvorwurf, den die Marktteil- nehmer erheben. Dem lässt sich auch bei genauer Betrachtung schwer widersprechen.

TEXT: NICOLAS RICHTER UND MARCUS MEYER

anche Themen verhalten sich wie kör- spiele mit deutscher Beteiligung. Tatsächlich perliche Gestalten: Erst wenn man berührt das Thema aber auch politische und ihnen nahe kommt, erkennt man ihre gesellschaftliche Grundsatzdiskussionen. M wahre Form und Größe. Die Beschrän- kung von Programmsponsoring im öffentlich- Die Sponsoring-Debatte ist von einem me- rechtlichen Fernsehen ab 2013 ist so ein Thema. dienpolitischen Richtungsstreit hinterlegt. Dürfen sich ARD und ZDF (auch) durch Der im Oktober von den Ministerpräsidenten Werbung finanzieren oder nicht? Bernd verabschiedete Entwurf zur Änderung des Holznagel, Professor für Staats- und Ver- Rundfunkstaatsvertrags (siehe Kasten) hat waltungsrecht an der Uni Münster und eine Debatte entzündet, an der vor allem Rundfunkrechtsexperte, ordnet die Ent- Sportverbände, Vermarkter, Sponsoren sowie scheidung ein: „Die Politik reagiert auf den die öffentlich-rechtlichen Sender teilneh- Druck der Öffentlichkeit und der Privaten.“ men. Sie kritisieren die Beschränkung von TV-Presenting im Allgemeinen und speziell Festzuhalten ist: Die geplante Beschränkung die Ausnahmeregelung, die nur für Olympi- würde die bisherige Ausnahme TV-Presenting sche Spiele und den Fußball gilt, konkret in den Rahmen rücken, der Werbung auf Teile von WM, EM, DFB-Pokal und Länder- öffentlich-rechtlichen Kanälen nach 20 Uhr Faktor Sport [ Vermittlungskunst ] 51 sowie an Sonn- und Feiertagen verbietet. Sie Tiefe verlängert, zum Beispiel bei der Ski-WM würde, so das Gegenargument etwa des Spon- oder unserer eigenen Plattform Audi-Cup.“ sorenverbandes S20 und von ARD und ZDF, eine vom Publikum akzeptierte und aus Sicht Jörg Augustin, Senior Director der öffentlich- von Wirtschaft, Sport und Medien schwer rechtlichen Einkaufsagentur Sport A: verzichtbare Kommunikationsform angreifen. „Die Rechtegeber, also die Verbände und ihre Vermarkter, können ihren Werbepartnern Das Problem liegt darin, dass der Sport nicht keine vernetzten Strategien mehr anbieten, primär gemeint, aber primär betroffen ist. weil sie bei ARD/ZDF das dafür interessante Fraglos wussten die Landesregierungen das Programmsponsoring nicht mehr buchen bei der Ausarbeitung, aber es hatte wohl keine können.“ Und vernetzen will heute jeder. Priorität. Augustin: „Es gibt bestimmte Elemente, die Thomas Härtel, Staatssekretär für Sport man hergeben muss, wenn man im Rechte- im Berliner Senat, bekam bei der jüngsten erwerb zum Zuge kommen möchte.“ Wenn DER ABSATZ MIT DEM Sportministerkonferenz (SMK) den Ein- Presenting nicht im Paket ist, könnten SPRINGENDEN PUNKT druck: „Die überwiegende Mehrheit der Sender und Sport(art) Partner verlieren. Sportminister war in die Vorbereitung die- Michael Lina, Sportvermarkter bei ARD- Auf der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) im ser Frage überhaupt nicht eingebunden.“ Werbung SALES & SERVICES, sagt: „Als Oktober wurde ein Entwurf zum 15. Rundfunk- Unternehmen überlege ich mir, wie ich mei- änderungsstaatsvertrag bestätigt. Ein Absatz formuliert eine Beschränkung von Programm- Und nun? Was würde die Beschränkung ne Kommunikationsziele am besten errei- sponsoring im öffentlich-rechtlichen Fernse- bewirken? Eine kommentierte Umfrage che. Und wenn ich das bei der Wok-WM von hen: Werktags nach 20 Uhr sowie an Sonn- unter Beteiligten gibt Einblick. Stefan Raab besser kann als mit Skifahren und Feiertagen dürfte das Werbeinstrument nicht mehr genutzt werden. Ausgenommen sind oder Handball, entscheide ich mich eben „Großereignisse nach Paragraph 4, Absatz 2“. Als die Presenting-Pläne der Politik dafür.“ Es wird ja nicht jeder Sportklient bekannt wurden, kreiste die Aufregung einfach den Sender wechseln. Dort sind eigentlich die Events definiert, die um den finanziell eigenständigen die Politik aufgrund des allgemeinen Interesses auf jeden Fall im Free-TV sehen will, nämlich Deutschen Ski-Verband (DSV). Tatsächlich Bernd Daubenmerkl, Geschäftsführer Euro- Olympische Spiele und ausgewählte Fußball- liefert er ein Beispiel, inwiefern der sport Deutschland: „Unser europäisches spiele: bei WM und EM die Partien der Deut- Entwurf Interessen von Rechtehaltern Konzept ist sicher auch für Kunden der Öf- schen, das Eröffnungsspiel, die Halbfinals berührt. fentlich-Rechtlichen interessant. ,Abstau- und das Finale – also sieben bis 10 Spiele; die Halbfinals und das Finale im DFB-Pokal; bertore’ in Sachen Vermarktung werden wir alle Länderspiele der Nationalmannschaft; Stefan Krauß, Geschäftsführer der DSV- aber nicht erzielen können.“ Endspiele in Champions League und Europa Marketinggesellschaft: „Wir gehen davon League bei deutscher Beteiligung. aus, dass wir an etwa 8 bis 12 Tagen pro Der Verlust eines Sponsors kann schmer- Saison indirekt betroffen wären. Eine zen. Vor allem, wenn die TV-Präsenz sinkt Beschränkung des Programmsponsorings und mit ihr die Hoffnung auf Ersatz. Wird betrifft zunächst die Budgets von ARD und nur noch gezeigt, was zu versponsern ist? Es geht auch um Standards. Barbara ZDF. Allerdings werden dort die finanziellen Schmidt, Leiterin Sponsoring beim ZDF Spielräume kleiner, was Auswirkungen auf Axel Balkausky, Sportkoordinator des Ersten, Werbefernsehen: „‚Das aktuelle Sportstu- den DSV haben könnte.“ sagt: „Es wird sicherlich Einsparungen geben dio‘ und die ‚ZDF-Sportreportage‘ wären müssen. In welchem Bereich und in welchem voll vom Sponsoringverbot betroffen, ein Das muss nicht die einzige Konsequenz Umfang, haben wir noch nicht festgelegt.“ Wintersportwochenende etwa zur Hälfte.“ bleiben. Sportrechte werden in einer ziemlich verhedderten Kette verwertet: Man darf sich den Zusammenhang nicht zu Kompensation könnte sich im Inhalt Wirtschaftspartner, Vermarkter, direkt vorstellen. ZDF-Sportchef Dieter oder in der Produktion niederschlagen – Verband, Medium hängen mehr oder Gruschwitz: „Die Einnahmen aus Programm- mal abgesehen vom Einkauf. Krauß weniger direkt zusammen. Klar ist, sponsoring unserer Sportsendungen kommen spricht von „spürbarem“ Einfluss der wer das Geld in den Markt bringt: der grundsätzlich dem ZDF-Gesamthaushalt zu- Debatte auf die laufenden Verhandlungen Werbungtreibende. gute und nicht der Sportredaktion.“ des Verbandes mit Sport A über einen neuen TV-Vertrag. Wobei der DSV das Florian Zitzlsperger, Leiter Markenpartner- Trotzdem fügt er an: „In der redaktionellen Glück hat, für mehrere große Sender schaften und Sportmarketing bei Audi: Berichterstattung wird es bei zu erwartenden interessant zu sein. So wie der „Wir setzen Programmsponsoring ein, wenn Mindereinnahmen möglicherweise zu ebenfalls stark berührte es die Botschaft eines Engagements in der einer neuen Prioritätensetzung kommen.“ Biathlon-Weltverband IBU. --› 52 [ Vermittlungskunst ] Faktor Sport

Dessen Generalsekretärin Nicole Resch sagt: Eine weitere Fundamentaldebatte scheint „Unsere TV-Strategie ist, dass in möglichst auf: Wie viel programmliche Vielfalt vielen Ländern auf der Welt in öffentlich- wollen die Öffentlich-Rechtlichen gewähr- rechtlichen Programmen unser Sport für leisten, um die vorgeschriebene jedermann zu sehen ist.“ Freilich entstehen Grundversorgung abzudecken, und was die ganz großen Probleme eher an anderer müssen sie sich das kosten lassen? Stelle. Augustin: „Es könnte auch der 34er- Denn wie viele Rechteinhaber besitzen Vertrag betroffen sein.“ Alternativen – und zwar jenseits von RTL oder Sat.1? Dort landete vielleicht Biathlon Stefan Krauß, DSV: „Wir gehen davon aus, dass wir an etwa In diesem Vertrag sind TV-Rechte olympischer respektive der DFB-Pokal, nicht viel mehr. 8 bis 12 Tagen pro Saison indirekt Disziplinen gebündelt. Ihre strategische Bedeutung betroffen wären“ für ARD und ZDF ist nicht mit Fußball vergleichbar. Audi-Mann Zitzlsperger: „Der Konzentrati- Nun drohen sie zudem ihren finanziellen Anreiz onsprozess in der medialen Landschaft wird zu verlieren, der jenem – in Teilen – erhalten bleibt. verstärkt. Sportarten sind gezwungen, weiter Deshalb reibt sich die Sportwelt so an der in Richtung Spartensender auszuweichen.“ Ausnahme-Frage. Was deren Interesse voraussetzt. Dauben- Krauß:„Die vorgesehene Regelung könnte zu merkl klingt wenig kaufhungrig: „Mit Folgen, Einbußen der Leistungsfähigkeit in vielen, die nicht absehbar sind, können wir nicht kal- vor allem kleineren Verbänden oder zu kulieren. Wir arbeiten daran, unsere Vermark- Mehrkosten für den Bund im Rahmen der tungspalette durch eigene Eurosport-Events zu Thomas Härtel, Berliner Staatssekretär: „Die überwiegende Mehrheit der Spitzensportförderung führen. Ich weiß verbessern. Für viele Sportarten hinter Fußball Sportminister war in die Vorbereitung nicht, ob das bedacht wurde.“ Medienpolitik und der Formel 1 sind wir ja heute schon die dieser Frage überhaupt nicht eingebunden“ ist das eine, Haushalts- und Standortpolitik vielleicht wichtigste Plattform in Europa.“ etwas anderes. Härtel: „Wir wollen die EM im Schwimmen und der Leichtathletik aus- WAS WIRD? richten. Wenn es keine Einnahmen aus dem Programmsponsoring gibt, heißt das, dass Am 15. Dezember, auf der nächsten MPK, die Stadt ihren Zuschuss erhöhen muss.“ soll der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag unterzeichnet werden. Der Plan der Sport- Der Berliner war treibende Kraft, als die SMK minister hat die Debatte erhitzt. Jürgen kürzlich den Vorschlag erarbeitete, mehr Doetz, Präsident des Verbandes Privater Ausnahmen zu gewähren: für „national und Rundfunk und Telemedien (VPRT), hat Kurt Bernd Daubenmerkl, Eurosport: international besonders bedeutsame Sport- Beck als Vorsitzendem der Rundfunkkom- „Wir arbeiten daran, unsere Vermark- tungspalette gerade auch durch eigene veranstaltungen“. Was soll das heißen? mission der Länder geschrieben und ver- Eurosport-Events zu verbessern“ langt: keine weiteren Ausnahmen vom Ver- Härtel: „Wir mussten in der SMK zu einem bot für sportliche Großereignisse. Tatsäch- 50 PROZENT WENIGER PRESENTING einstimmigen Beschluss finden, dies hat lich zitierte die Nachrichtenagentur epd unvermeidlich Kompromisse zur Folge. Wir kurz darauf Martin Stadelmaier, Leiter der ARD-Werbung Sales & Services hat den brauchen unbestritten eine Rahmenrege- Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz, es sei Anteil von Liveübertragungen und Studiobe- lung, aber wir müssen flexibel im Einzelfall „ganz klar, dass es keine Ausnahmeregelun- richterstattung (Regelsendungen also nicht) entscheiden können, welche Sportveranstal- gen für weitere Sportarten geben wird“. Sein der Jahre 2006 bis 2009 berechnet, die die vorgesehene Beschränkung des TV-Presen- tungen – außer Fußball und Olympischen Ministerpräsident will offenbar noch weiter tings betroffen hätte. Ergebnis: 40 Prozent Spielen – so bedeutend sind, dass wir eine gehen: „Unser Auftrag ist es, das Programm- der Sendungen im Ersten, 65 Prozent in den Ausnahme zulassen wollen.“ sponsoring bis 2015 ganz aus dem öffent- dritten Programmen wären nicht zu verspon- lich-rechtlichen Fernsehen zu kriegen“, sern gewesen, von Basketball über die Para- lympischen Spiele bis Wasserball. Der hohe Das Kernproblem des Sports löste das nicht: sagte Beck kürzlich laut SID. So ein Total- Anteil in den Dritten berührt regionale Ereig- Der Graben vertiefte sich – eben nicht zwi- verbot würde ARD und ZDF unter Druck nisse ebenso wie nationale und internationale schen Fußball und Handball, sondern etwa setzen, könnte aber vor allem den Sport Highlights in wenig TV-präsenten Sportarten. zwischen Handball und Volleyball, Ski alpin belasten. Juristisch wäre es wohl nicht an- Beim ZDF spricht man von „circa 50 Prozent“ aller Sportsendungen, die nicht mehr präsen- und Tischtennis. Dort besteht auch jetzt eine fechtbar. Rundfunkrechtler Holznagel: „Die tiert werden könnten. Das beträfe gemeinsame Hierarchie; aber ein Presenting-Verbot Ministerpräsidenten haben die Ausgestal- Übertragungsrechte mit der ARD – etwa 5 von dürfte sie vergrößern, weil Sportarten mit tungskompetenz für Programmsponsoring. 8 Livespielen im DFB-Pokal –, aber auch die Gala „Sportler des Jahres“ oder die Regelsen- mäßigem Marktpotenzial den finanziellen Wenn der Sport gegen die Entscheidung dung „Das aktuelle Sportstudio“. Anreiz – siehe oben – entbehren müssten. vorgeht, freut sich nur der Anwalt.“ ] Foto: © DB SCHENKERsportsevents Die Zukunft des Fußballs ist weiblich.* land 2011™ist dieSchenker DeutschlandAG als Auch fürdieFIFA Frauen­Weltmeisterschaft Deutsch­ DB Schenker ist gestaltete IhrPartner fürindividuell stalter, Sponsoren, Lieferanten oderMedienvertreter, perfekte Logistik statt.Ganzgleich obSportler, Veran­ Kein internationalesSpitzensportevent findetohne Mit logistischer Taktik zumErfolg. offi zieller Logistikdienstleister amBall. nur noch jubeln … Schuss, Tornur nochjubeln…Schuss, undSieg! gaben konzentrieren. SelbstdieZuschauer müssen Und Siekönnen sich voll aufIhre eigentlichen Auf­ Konzepte imBereich undEventlogistik. derSport­

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m Sommer 2008 packt ein nordamerika- nischer Gigant seine Kisten, und zwar flott. Der TV-Sender NBC muss seine DER GRÜNE AUFTRAG I Ausrüstung, die er gerade bei diversen Veranstaltungen in den USA eingesetzt hat, Zwischen Klimaschutz und Logistik besteht eine existenzielle nach Peking transportieren, damit sie zu Verbindung. Zwischen Logistik und Sport sowie Sport und Klimaschutz Beginn der Olympischen Sommerspiele ein- satzfähig ist. Natürlich: Er transportiert nicht immerhin eine wachsende. Trotzdem fehlen der Logistik und dem Sport selbst, er lässt transportieren, vom Logistik- Strategien, die die drei Themen vereinen. TEXT: NIKOLAUS SEELIG dienstleister DB Schenker. Der plant, steuert, überwacht den Trip der teuren Fracht – Gesamtwert 400 Millionen Dollar – über den Pazifik und bringt sie per Lkw an die ver- schiedenen Orte und Stellen des Geschehens. Faktor Sport [ Wechselspiel ] 55

Die Deutsche Welle hat in einer Marktanaly- staltung ist nach dem letzten Training, nach Unternehmens, sagt: „Die Sport- und se der Logistikbranche kürzlich zwei „Über- der Veranstaltung oft vor dem nächsten Eventlogistik ist innerhalb unserer breiten lebensfragen“ definiert. Eine lautete: „Wie Wettkampf. Produktpalette ein Nischenprodukt.“ Aber, lassen sich Logistikketten klimafreundlicher das ist entscheidend, eines mit „nicht zu und damit energiesparender organisieren?“ SPORT: DIE WICHTIGE NISCHE unterschätzender Imagewirkung“. Deshalb Das Beispiel NBC zeigt, wie knifflig diese tritt DB Schenker seit Sydney 2000 bei Frage im Einzelfall sein kann. Flugzeug und Der Sport, der Klimaschutz: Zu beiden führt Olympischen wie Paralympischen Spielen Lkw sind bekanntlich wendiger, aber auch die Logistikbranche eine tendenziell und Fußball-WMs in Erscheinung. Deshalb energieaufwendiger als Schiff und Bahn. wachsende Beziehung. Fußball-Highlights, engagiert sich auch DHL als Logistikpartner Weil es manchmal schnell gehen muss, kom- Olympische Spiele oder Formel-1-Rennen der Formel 1 und der Rugby-WM 2011 in men sie im Umfeld von Sport-Events sind mäßig wichtige Umsatzbringer und nur Neuseeland. Deshalb schickt selbst ein eher relativ oft zum Einsatz. Typischerweise beim bei DB Schenker ein strategisches Ge- stiller Dienstleister wie Lufthansa Cargo eine Transport von Medienequipment sowie von schäftsfeld. Selbst Christian Schultze, Leiter Pressemitteilung raus, wenn er fünf Tonnen Mannschaftsausstattung – vor der Veran- der Abteilung Sportsevents des Bahn- DFB-Gepäck zur WM nach Südafrika fliegt. --› 56 [ Wechselspiel ] Faktor Sport

Eine der wenigen Gelegenheiten übrigens, bei Rede, von optimierten Netzwerken, energie- das nennt. Bei Olympischen Spielen, Fuß- denen für die Kranich-Marke relevant ist, was effizienten Motoren und Versuchen mit ball-EM und -WM macht schnelles Trans- sie da verfrachtet. „Der Sport ist für uns kein Alternativantrieben; von Konsolidierungs- portgut – Medien hin, Sportlerausrüstung spezielles Geschäft, weil das meiste Material zentren (in denen einzelne Luftfrachtsen- her – den geringeren Anteil am Frachtauf- keine besonderen Anforderungen stellt“, sagt dungen zusammengefasst werden) oder kommen aus. Das meiste liefern langfristig Michael Göntgens, Leiter PR und interne einem Umweltmanagement-Zertifikat bei planende Kunden aus der Eventinfrastruktur Kommunikation bei Lufthansa Cargo. Das DB Schenker respektive CO2-neutralen an, in Form von Zelten, Catering-Ausstat- gibt einen Hinweis: Die Frage, wie sich Sport- Sendungen im Rahmen des sogenannten tung, Möbeln, Einrichtung für Medienzen- logistik und Umweltschutz zueinander GoGreen-Programms bei DHL. tren oder – bei Olympia etwa – das Deut- verhalten, lässt sich nicht leicht beantworten. sche Haus. DB Schenker als jeweiliger Jedenfalls die deutschen Riesen der Boom- Dienstleister liefert dieses Material zum ZUG ZUM ENERGIESPAREN branche (das schwache Jahr 2009 war ein Großteil per Schiff oder Bahn an, je nach Zwischentief) sind also vorn dran bei dem Austragungsland. Plus in der Ökobilanz. Klar ist einerseits: Auch wenn der Sport- Megatrend. Logisch. Erstens schafft Größe Transport für die Konzerne relativ geringes Synergieeffekte. „Unser internationales Gegenbeispiele liefern etwa internationale Gewicht hat, bewegt er im absoluten Maß- Netzwerk ist die Basis unseres Umweltvor- Motorsportevents. Sie passen in das Profil, stab Massen. Anlässlich der Sommerspiele teils, weil es alle Verkehrsträger sinnvoll mit- das Schultze beschreibt, wenn er sagt: 2008 verschiffte DB Schenker 1500 Con- einander verbindet“, sagt Schultze. Zweitens „Eine Wettkampfserie, die innerhalb kurzer tainerladungen nach China, 1250 Mitarbeiter ist Energieeffizienz gleich Kosteneffizienz. Zeit mit großem Transportvolumen lange waren bei den Spielen im Dauereinsatz; an „Es liegt in unserem ureigensten Interesse, Strecken per Luftfracht zu überwinden hat, jedem Formel-1-Wochenende laden DHL- Treibstoff zu sparen und damit den CO2- ist sicherlich sehr emissionsintensiv.“ Es Teams 300 Tonnen Material ein, aus und Ausstoß zu senken. Umso stärker in Zeiten entsteht der klassische Konflikt zwischen wieder ein. Hat andererseits nicht der DFB, steigender Energiekosten“, erklärt Göntgens. Ökonomie und Ökologie, in dem sich vom Öko-Institut unterstützt, bei der Fuß- Zudem wachse das entsprechende Bewusst- DB Schenker wie DHL und Lufthansa Cargo ball-WM 2006 das Umweltkonzept „Green sein bei Geschäftspartnern: Endkunden, vor nach eigener Aussage zwar offener verhalten Goal“ umgesetzt, durchaus erfolgreich? allem aber Spediteure. als früher, sich die Ressourcenschonung Schon. Aber mag das grüne Thema bei allen aber prinzipiell unterordnen muss. Wenn Beteiligten mehr oder weniger starke Kon- Es gibt noch keine Studien zur Größe des DHL die Formel 1 unterstützt oder DB junktur haben – praktisch bildet es bisher ökologischen Fußabdrucks, den Logistik- Schenker das US-Pendant IndyCar Series, keine Schnittmenge mit Logistik und Sport. dienstleister bei Sportveranstaltungen hin- ist das Energiesparpotenzial begrenzt. Eher Berührungspunkte. terlassen. Freilich variiert der ganz erheb- lich. Nach Größe des Events natürlich, nach VORFAHRT PERSONENVERKEHR Der wichtigste entsteht aus den grundsätzli- Sportart(en) und dem mit beidem verbunde- chen Strategien der Logistikgrößen. Wer mit nen Frachtvolumen, aber auch nach örtlichen Man kann sagen: Der Umweltaspekt hat für dem Energie-Thema unterm Arm anklopfen und zeitlichen Gegebenheiten. Letztlich ist die Logistik vergleichsweise hohe Bedeutung, will, findet ihre Türen offen. Sogleich ist von vor allem entscheidend, wie hoch der Anteil das berührt den Sport zumindest am Rande. konkreten Maßnahmen und klaren Zielen die „zeitkritischen Materials“ ist, wie Schultze Der Sport seinerseits scheint sich den Part- Faktor Sport [ Wechselspiel ] 57

nern nur bedingt entgegenzustrecken. Keine Frage, dass das Thema Klimaschutz bei der Planung von Megaevents Raum gewinnt, gerade in Ländern wie Deutschland, gerade im Fußball. Tatsächlich aber war die Logistik selbst 2006 im Rahmen von „Green Goal“ kein Schwerpunkt. Sie wird es ebenso wenig 2011 sein, wenn das Konzept anlässlich der Frauen-WM neu aufgelegt wird. Details sind in der Entwicklung. Nils Wiechmann, Umweltreferent des Organisationskomitees, Das letzte Glied der Kette: DB Schenker übernahm bei der Fußball-WM 2010 auch den Transport im Stadion sagt: „Sicherlich werden wir versuchen, unsere Klimabilanz auch logistisch zu opti- WIE LOGISTIKER ENERGIE SPAREN mieren. Aber 80 bis 90 Prozent am CO2- Ausstoß eines Fußball-Events macht die DB SCHENKER Zuschauermobilität aus. Das ist für uns Das Ressort Transport und Logistik der Deutschen Bahn kooperiert vorwiegend mit nach Um- ein entscheidendes Thema.“ weltkriterien definierten „preferred Carriers“. In Konsolidierungszentren fasst es Luftsendungen zusammen und über ein Hub-System Lkw-Fracht. Apropos Lkw: DB Schenker will bis 2014 die (von ihm) in Europa eingesetzten 20.000 Fahrer in energiesparender Fahrweise schulen lassen Auch für die Alpine Ski-WM im Februar gibt und in LKW investieren, die die Euro-5-Abgasnorm erfüllen. es ein professionell begleitetes Umwelt- DHL und Nachhaltigkeitskonzept – in dem Logistik Der Zweig von Deutsche Post DHL soll dazu beitragen, die CO2-Effizienz des Konzerns um 30 keine explizite Rolle spielt, aus ähnlichen Prozent bis 2020 zu steigern. Das ist zentrales Ziel des Programms „GoGreen“, durch das Routen Gründen. Freilich fallen Tobias Lienemann, und Netzwerke gestrafft, die Flotte modernisiert, aber auch die Energieeffizienz in Gebäuden Ressortleiter Umwelt und Verkehr im OK, verbessert werden soll. Ein „GoGreen“-Service bietet Privat- und Firmenkunden an, Transport- emissionen über externe Klimaschutzprojekte ausgleichen zu lassen. auf Nachfrage speditionsspezifische Aspekte seiner Arbeit ein. So hofft er, sich mit EPS LUFTHANSA CARGO Logistik in Nürnberg, Partner für Tribünen- Seit 2007 folgt der Linien-Carrier einer Umweltleitlinie. Der CO2-Ausstoß soll bis 2020 um bau, darauf zu einigen, neben Bodenschutz- 25 Prozent sinken, unter anderem durch optimierte Routen (im Sinne höherer Auslastung), Umstellung auf leichtere Container und eine weitere Modernisierung der Flotte. Bisher setzen systemen für Fanparks oder Fußwege auch die recht jungen Joint Ventures Jade Cargo (mit Shenzhen Airlines und der KfW-Tochter DEG) Absperrgitter und Banner anzuliefern, um und AeroLogic (mit DHL) neuere, effizientere Maschinen ein als die Mutter. Fahraufkommen zu sparen.

Vielleicht ist das Thema wichtiger, als es den sent, weil es vorwiegend hinter den Kulissen nisiert die Lagerung, schult gar die freiwilli- Anschein hat. Daniel Bleher, wissenschaftli- stattfindet.“ Zudem meint „Logistik“ nicht gen Helfer. Im Übrigen könnte die Chance cher Mitarbeiter des Öko-Instituts, sagt nur Fracht. DB Schenker etwa liefert als für Unternehmen darin bestehen, die mar- über Sportveranstaltungen im Allgemeinen: Partner der Frauen-WM sämtliche Materia- ketingträchtigen Themen Sport und Klima- „Das Thema Logistik ist noch nicht sehr prä- lien an, verteilt sie an den Spielstätten, orga- schutz zu verbinden. ] 58 [ Bewegungsmelder ] Faktor Sport

BUND STARTET CSR–AKTION

Der Einsatz von Bürgern und Unternehmen für die Gesellschaft soll künftig besser auf- einander abgestimmt und zusätzlich ge- stärkt werden. Dieses Ziel verfolgt die Bun- desregierung mit der am 6. Oktober vom Millionen Euro sind im Haushalt des kommenden Jahres für die Kabinett verabschiedeten ersten Nationalen 132,782 Engagementstrategie (Aktionsplan CSR - Spitzensportförderung vorgesehen. Corporate Social Responsibility).

Das zuständige Ministerium des Innern (BMI) hatte diese Summe vorgeschlagen, der Die intensivere Vermittlung zwischen den Deutsche Bundestag genehmigte und verabschiedete die finanziellen Aufwendungen. Damit Aktivitäten von Staat, Wirtschaft und Zivil- bleibt die Spitzensportförderung des Bundes 2011 auf einem hohen Level. gesellschaft ist nur ein Aspekt der Initiative. Es geht auch um eine bessere Einbindung Der Sportförderetat für 2010 lag bei 138,3 Millionen Euro. Christoph Bergner, Staatssekretär der Stiftungen, eine größere Anerkennung im Innenministerium, hatte zuvor die Einsparungen von knapp 5,5 Millionen Euro als Beitrag der Leistung von Engagierten sowie günsti- zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes bezeichnet. Auch auf diesem Niveau, so Bergner, gere Rahmenbedingungen für bürgerschaft- könne die Förderung des Bundes dazu beitragen, dass der deutsche Sport bei den Olympischen lichen Einsatz. Schon heute engagieren sich Spielen 2012 die Rückkehr in die Weltspitze schaffe. „Das ist ein gutes Signal für den deutschen 36 Prozent der deutschen Bevölkerung über Spitzensport und unser Land“, sagte DOSB-Präsident Thomas Bach. 14 Jahre freiwillig, das sind etwa 23 Millionen Menschen. Davon setzen sich 10 Prozent in „Sport und Bewegung“ ein, gefolgt von „Kindergarten und Schule“ (6,9 Prozent) AMATEURE FÜR ALLE und „Kirche und Religion“ (6,9 Prozent).

„Hartplatzhelden“ – das klingt nach Basis, Staub und ehrlicher Arbeit. Und im neuen Zusam- Bundesarbeitsministerin Ursula von der menhang nach Kampf zwischen David und Goliath. Auch dieser David kann einen Sieg verzeich- Leyen nimmt zudem die Unternehmen nen. Das Internetportal „Hartplatzhelden“ jedenfalls darf jetzt offiziell Videoaufnahmen von deutlich in die Pflicht: „Erfolgreiches Wirt- Fußball-Amateurspielen im Internet veröffentlichen. Es hat im Streit mit dem Württembergi- schaften findet nicht im luftleeren Raum schen Fußballverband (wfv) vor dem Bundesgerichtshof gewonnen. Der BGH widersprach dem statt. In der vernetzten Welt des 21. Jahr- Argument des Verbandes, dieser habe als Veranstalter der Spiele ein ausschließliches Recht an hunderts können es sich Firmen nicht mehr der Verwertung. Es stehe den Veranstaltern aber frei, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen. leisten, auf rein kurzfristige Ziele zu setzen. Ich will, das gesellschaftliche Verantwor- Es geht ums Geld: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) will das werbefinanzierte Portal tung von Unternehmen ein echter Stand- „fussball.de“, das er gemeinsam mit der Deutschen Telekom betreibt, zur zentralen Anlauf- ortfaktor für Deutschland wird.“ stelle für Fotos und Videos der Amateurligen erweitern. Auch „Hartplatzhelden“ braucht Werbeeinnahmen. „Bislang mussten wir keine Elefanten kaufen, die uns im Keller das Soziales Engagement braucht Vorbilder: Moderato- Bargeld platttreten“, schreibt Betreiber Oliver Fritsch in seinem Blog. Er erwägt nun eine rin Dunja Hayali und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen bei der Gala „Goldene Bild der Frau“, Kooperation mit Zeitungsverlagen. Diese könnten die Videos von Amateurfußballspielen einer Auszeichnung für soziales Engagement kostenlos auf ihren Internetsites verwenden, sagte er dem Lokaljournalismus-Portal „Drehscheibe“. Offen bleibt bislang, wie die „Hartplatzhelden“ davon profitieren würden.

ALTHOFF SPRICHT FÜR S20

Die Sponsorenvereinigung S20 hat einen neuen Vorstandsvorsitzenden. Eine Vollversammlung hat Stephan Althoff zum Nachfolger des Hypo-Vereinsbank-Managers Dirk Huefnagels erko- ren. Neben Althoff, Telekom-Verantwortlicher für Corporate Sponsoring, wurden Joachim Strunk (Deutsche Postbank) als Vize und Ines Rupprecht (Coca-Cola) als Zuständige für Finan- zen in den Vorstand gewählt. Die Schlüsselthemen hat Althoff geerbt. Unter anderem will er die rechtlichen Rahmenbedingungen beim Thema Hospitality-Einladungen geklärt sehen und die Beschränkung öffentlich-rechtlichen Programmsponsorings (siehe Seite 50) verhindern. GfDWinterMunch Newsletter 11.10.2010 11:17 Uhr Seite 1

Die Nummer 1 auch in der Sportförderung.

Die Sparkassen sind der wichtigste Finanzpartner für Privatkunden und den Mittelstand in Deutschland. Und sie sind Deutschlands Nummer 1 in der Sportförderung – regional wie national. Außer ihrem umfassenden Engagement für den Breiten- und Vereinssport fördert die Sparkassen-Finanzgruppe aktiv den Spitzensport. Als Olympia Partner Deutschland unterstützt sie das deutsche Olympiateam. Das ist gut für den Sport und gut für Deutschland. www.gut-fuer-deutschland.de

Sparkassen. Gut für Deutschland. S 60 [ Zeitgeist ] Faktor Sport

AUF SPORT GENÄHT Modedesigner Michael Michalsky im Gespräch: wie Sport und Fashion miteinander verschmelzen, Helden das

Vereinsleben demokratisieren und Jugendkultur neue Stile befeuert. INTERVIEW: MARCUS MEYER UND JÖRG STRATMANN

Es ist hell im Büro von Michael Michalsky, um nicht zu sagen licht- Klingt nicht schmeichelhaft. Für Ihr Alter machen Sie es ganz gut. durchflutet. Eine Menge Glas lässt den freundlichen Herbsttag in einen Raum, in dem wenige persönliche Gegenstände ins Auge fallen, Beruhigend. Aber kommen wir zu den großen Fragen: Welche Bedeu- darunter eine Widmung von Madonna sowie eine F. C.-Gundlach- tung Mode für Sie hat, ist klar. Welche hat sie generell, im Alltag? Das Fotografie: ein Model vor dem Brandenburger Tor, aufgenommen hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahren sehr geändert. Für mich ist Mode noch vor dem Mauerbau. Der Designer sammelt schwarz-weiße gleich Entertainment. Das lässt sich schon dar an erkennen, dass das Modefotografie der 50er- bis 70er-Jahre. Thema heute auf allen Kanälen kommuniziert wird, auch dort, wo es früher keine Rolle spielte. Wenn Sie die Fashion-Week in Berlin als Das Loft von Michalsky liegt sehr mittig in der Hauptstadt, Hinterhof, Beispiel nehmen: Die läuft im TV auf sämtlichen Boulevard-Formaten. restauriert – ein bisschen wie Hackesche Höfe in Klein. Von hier aus Mode ist aber genauso in zeitkritischen und Gesellschaftsmagazinen dirigiert der 43-Jährige sein Label, das zu den Top-Adressen in ein großes Thema. Und auf vielen Newsportalen. Deutschland zählt. Die Vorgabe für das Interview waren 20 Minuten, mit einer Prise Hartnäckigkeit werden 45 daraus. Michalsky ist freundlich und konzentriert, auch wachsam. Auf dem Tisch: ein Feu- erzeug, zwei Zigaretten. Eine davon wird sich während des Gesprächs in Rauch auflösen.

Herr Michalsky, haben Sie das Outfit Ihrer Gäste beim Eintreten gecheckt? Nein.

Wollen Sie uns glauben machen, ein Mode-Profi wie Sie schaue nicht zuerst auf die Kleidung? Ich bin ein großer Fan von Individualität und nicht von Uniformität. Sie kennen doch meinen Slogan: „Real Clothes for Real People“. Und außerdem: Geschmack ist nun mal subjektiv. Faktor Sport [ Zeitgeist ] 61

Womit erklären Sie sich diese Allgegenwart? Das hat meiner Ansicht nach mit der Demokratisierung der Mode zu tun. Wenn Sie heute Leu- te auf der Straße fragen, werden 9 von 10 antworten, dass es ihnen wich- tig ist, was sie anziehen. Das gehört zum allgemeinen Zeit geschmack und ist nicht mehr bestimmten sozialen Schichten vorbehalten.

Sie haben 1995 als Designer bei Adidas angefangen. Das fällt in etwa in die Zeit, in der die Sportartikler begannen, ihre traditionellen Pfade zu verlassen. Damals begann man, Kleidung, die für eine bestimmte F unktion designt wurde, aus ihrem jeweiligen K ontext herauszunehmen. Sportswear wurde gewissermaßen als Statement getragen. Das haben sich die Leute von Adidas wahrscheinlich nicht träumen lassen, dass eines Tages eine Trainingsjacke die Eintrittskar- te in eine bestimmte exklusive Welt ist. Dass Leute Sneakers tragen und nicht damit Sport machen.

Und dass Madonna drei Streifen trägt. Das auch. Der Erfolg hatte jedoch noch andere Gründe: Ende der 70er-Jahre ist eine neue Jugendkultur entstanden, und das war Hip-Hop und Rap. Da haben Leute begonnen, Sneakers als Statussymbol einzusetzen. Dann kam in den 80er-Jahren die Dancemusic auf. Man denke an die ersten Love- Parades, an Techno. Die Menschen wollten einfach bequemere Kla- motten tragen.

Jugendkultur hat viel mit Musik zu tun. Interessieren Sie sich deshalb so sehr dafür, quasi beruflich? Ich glaube, dass Jugendkultur seit den 50er-Jahren nur über Musik funktioniert. Zuerst gibt es die Musik, über die ein gewisser Kreis von Menschen sein Gefühl ausdrücken möchte. Dann kommt die Kleidung, um die Message nach vorn zu brin- gen. Jugendkultur treibt Mode an.

Und wer oder was treibt den Sport an? In den vergangenen 20 Jahren waren das die Supersportler, die zu Entertainment-Stars geworden sind: Boris Becker, David Beckham, Kobe Bryant, Michael Jordan oder wie die Leute alle heißen. Es gibt mittlerweile viele Athleten, die sich zu Entertainern entwickelt haben und bei denen es nicht mehr nur um den Sport, sondern vor allem um die P ersonality geht. Das hat Andy Warhol schon in den 70er-Jahren erkannt, als er sagte: In der Zukunft werden die größten Popstars Sportler sein. Er hat recht bekommen.

Die Entwicklung kann man sehr unterschiedlich bewerten.Natürlich. An exponierten Persönlichkeiten scheiden sich immer die Geister. Ich würde niemals sagen, dass die Arbeit auf Vereinsbasis nicht auch sehr wichtig ist, im Gegenteil: das sind Gr assroots-Activities von großer Bedeutung. Genauso notwendig sind aber Helden, die den Sport wei- terverbreiten. Diese P ersonen haben dazu beigetr agen, dass sich Sportwelten – wie zum Beispiel im Tennis – für die breite Masse ge- öffnet haben. Das ist letztlich sehr demokratisch.--› 62 [ Zeitgeist ] Faktor Sport

Gemischtes Doppel statt Anzeige: Natalia Wörner und Michael Michalsky bei einem Sportmode PR-Event. Große Marketingetats habe er nicht, sagt der Designer. Er mache mit Publicity auf seine Mode aufmerksam hat den Das können nicht die einzigen Beschleuniger gewesen sein.Es kam vie- les zusammen. Medien begannen wichtiger zu werden, das Privatfern- sehen verbreitete sich immer weiter. Als ich Teenie war, konnte man zwi- Siegeszug schen 3 Programmen wählen, plötzlich waren es ganz viele. Zu meiner Zeit bei Adidas genoss MTV zum Beispiel einen hohen Stellenwert. Auf- tritte dort waren wichtig, um Trends und Moden zu verbreiten: Popstars in unser Leben führten die Klamotten vor, die die Kids anschließend kaufen wollten. Sportverbände begannen, Events professioneller zu vermarkten. Ich habe oft für Olympische Spiele oder Fußball-WMs zugeliefert. Etwas später tauchte dann mit dem Internet ein weiterer Verbreitungskanal auf. angetreten

Wie sind Sie zur Sportmode gekommen? War es die Körperlichkeit, das Lebensgefühl oder die Möglichkeit, einem Athleten Kleidung zu desig- nen, die ihn nicht nur schicker, sondern auch besser werden lässt? Mich haben immer Stil und Ästhetik interessiert. Und jede Sportart hat ihre oder eben Sneakers. Ein T-Shirt, wie ich es heute anhabe, wird nie wie- eigene Kultur und Ästhetik, eine DNA, die man nicht einfach ver än- der aus unserem Leben verschwinden. dern kann. Man muss sie aufgreifen und in Mode umsetzen. Wer Polo spielt, ist in der Regel nicht mit jemandem zu vergleichen, der bolzt – Die geschäftsfördernde Wechselwirkung zwischen Sport- und All- und ein Beachvolleyballer nicht mit einem Tischtennisspieler. tagsmode. Ganz klar. Die meisten K ollektionen werden ja an Top- Sportlern aufgehängt und später weitergereicht an Leute, die genauso Sie sind seit knapp fünf Jahren mit ihrem eigenen Label unterwegs, aussehen wollen wie die Stars. doch richtig getrennt haben Sie sich nie vom Sport. Er steckt in eini- gen ihrer Kollektionen. Ich werde auch immer drinbleiben. Erstens Wird sich die Verschmelzung fortsetzen? Neues entsteht heutzutage nur, macht es mir Spaß und zweitens kann ich es. Das ist ein spannender wenn man Altes nimmt, es aus seinem Kontext reißt und wieder neu zu- Bereich, der sich schnell weiterentwickelt. Wenn ich allein sehe, wie sammensetzt. Das spricht als o für ein weiteres Zusammenw achsen, sich die Sportartikelfirmen in den vergangenen Jahren neu positioniert wenn man innovativ bleiben will. haben und mittlerweile eine ganze Menge Umsatz mit Sachen machen, die eigentlich nicht ihrem Selbstverständnis entsprechen. Und was Bei Ihrem Anspruch, echte Klamotten für echte Menschen zu produzie- mich besonders fasziniert: Wie sich die Attitüde der Bevölkerung ren, brauchen Sie engen Kontakt zum Alltag. Klappt das, wenn Sie sich gegenüber dem Sport grundlegend geändert hat. Sportmode hat den überwiegend in der glitzernden Welt der Mode bewegen? Sie haben an- Siegeszug in unser Leben angetreten. Produkte, die für bestimmte scheinend völlig falsche Vorstellungen von meinem Leben. Ich bin ja kein Sportarten entworfen wurden, sind aus unserem Alltag nicht mehr weg- Star wie Madonna oder Kylie Minogue. Und auch kein fr anzösischer zudenken: das Polo- oder Rugby-Hemd, eine Trainingsanzugjacke Couturier, der im Elfenbeinturm sitzt und ansonsten mit seinem Privat- Faktor Sport [ Zeitgeist ] 63

DIE EIN-MANN-MARKE

Der 43-jährige Michael Michalsky blickt auf einen lupenreinen Werde- gang als Modedesigner: Direkt nach seinem Abitur 1987 im schleswig- holsteinischen Bad Oldesloe zog es ihn nach England, wo er 1992 sein Studium am London College of Fashion abschloss. Erste berufliche Erfah- rungen sammelte er als Designmanager bei Levi Strauss Deutschland, 1995 folgte der Wechsel zu Adidas.

In Herzogenaurach leitete Michalsky als internationaler Kreativdirektor zeitweise ein Team von 200 Designern und entwickelte unter anderem mit seinem großen Vorbild Yohji Yamamoto zusammen die exklusive Linie Y3. Über Kooperationen mit der Rap-Musikerin Missy Elliott oder Stella Auf dem Weg zum Eigenem: Sonderausstellung zum McCartney führte Michalsky die Themen Musik, Mode und Sport stärker red dot Award, den Michalsky und sein Team 2005 erhielten zusammen. (l. o.). Ein Anschub zur Unternehmerkarriere. 2008 posiert er in seiner Berliner Boutique (r. o.) AUSGEZEICHNETES WIRKEN Über fehlende Anerkennung seiner Arbeit kann Michalsky sich nicht beschweren: 2003 wurde er als „National Designer of the Year“ mit dem Zwischen den Welten: Pressekonferenz im April dieses Jah- res zur Show „Yma - zu schön, um wahr zu sein“ (l. u.). GQ Award ausgezeichnet, 2004 erhielt er den „Sportstyle Designer of Und 2007 auf einer Kundgebung von Menschenrechtsorga- the Year“ der ISPO Vision und 2005 schließlich wurde er mit seinem nisationen mit Mia Farrow und dem Sprecher der Darfur- Adidas-Team zum „red dot: design team of the year“ gewählt. Hilfe Ahmed Musa (r. u.) DRANG ZUR SELBSTÄNDIGKEIT 2006 schließlich verließ der Stardesigner nach 11 Jahren Adidas, um sein eigenes Label zu gründen: die Michalsky Holding. 2007 präsentierte er die Premiumlinie „Michalsky“ und die Jeanslinie „Michalsky Jeans“. Im Unternehmensbereich arbeitet der Designer unter anderem für Wella, Sony, DHL und Mercedes-Benz, für Kappa China ist er im Sportswear- Bereich tätig. Musik, sagt Berlin-Liebhaber Michalsky, gebe ihm Inspira- tion, Fotografie sei seine Leidenschaft.

jet durch die Gegend fliegt. Ich stehe mit beiden Beinen im Leben. Ich Wenn wir die beiden Welten betrachten, in denen Sie bislang unter- nehme am Alltag teil, bin sehr neugierig, lese viele Bücher und viel Zei- wegs waren – worin unterscheiden sie sich? Sie sind gar nicht so un- tung, bin oft im Internet. Und Sie werden ’s nicht glauben: Ich gehe terschiedlich, wie alle Leute denken. Letztlich geht es darum, Mode zu sogar zu Fuß, fahre mit dem Fahrrad oder mit der U2 die vier Stationen kreieren, die möglichst vielen Menschen gefällt. Und in der Zusam- von zuhaus hierher. Ich liebe die Menschen, den sozialen Aspekt. menarbeit mit Celebritys finden sich gleichfalls große Ähnlichkeiten, egal ob es sich um einen Schauspieler, einen Musiker oder einen Top- Apropos „am Leben teilnehmen“. Wir haben widerstreitende Dinge über Sportler handelt. Alle haben ihre Befindlichkeiten, alle haben vor allem Sie gelesen: Mal waren Sie in einem Londoner Club der Türsteher, mal ihr Image im Sinn und alle haben einen Tross von Beratern dabei. der Animateur. Das ist ja bekanntermaßen nicht das Gleiche. Ich habe früher tatsächlich in Clubs gearbeitet, aber ich war nicht derTyp mit den Haben Sie eigentlich das Gefühl, das ist jetzt genau Ihre Zeit, der Hö- aufgepumpten Muskeln. Ich habe den „Picker“ gemacht, also ausgesucht, hepunkt gewissermaßen? Nö, das würde sich ja so anhören , als hätte welche Leute reindurften und welche nicht. ich schon genug. Aber das habe ich nicht. Deshalb designe ich auch ge- rade zum ersten Mal ein Restaur ant. Das Schöne an der Mode ist ja, In Berlin gibt’s viele Clubs. Wenn Sie noch als Picker arbeiten müss- dass dauernd neue Sachen passieren. Mode ist mittlerweile nicht al- ten, wen würden Sie da reinlassen? Ich habe das Publikum immer gern lein das, was wir anziehen, sondern wohin wir in den Urlaub fahren, wild durchgemischt. Es ist nichts langweiliger als eine homogene Mas- welche Möbel wir kaufen, wie unsere Kaffeekannen aussehen, was wir se. Da fanden sich Spießer genauso wie Ausgeflippte, Männer genau- essen und in welchen Hotels wir schlafen. so wie Frauen. Das finde ich cool. Ich hasse alles, was in Richtung Gleichheit geht. Manche empfinden das als Last. Für mich ist es Freiheit. ] 64 [ Zeitgeist ] Faktor Sport

JAHRE FÜR DEN SPORT

Fredy Stober ist der älteste noch lebende Mitbegründer des Deutschen Sportbunds. Erinnerungen an einen spannungsreichen Anfang.

TEXT: ANDREAS STREPENICK

Er erinnert sich noch sehr gut an den Einem sei es damals gelungen, die Kräfte zu DAS NETZWERK FUNKTIONIERT Tag, an dem der Deutsche Sportbund bündeln. „Willi Daume mit seinen Adlati war (DSB) gegründet wurde. „Es war in der Macher. Anfangs waren die einfachen Stober lebt in Freiburg. Am 25. September 100Hannover“, sagt Fredy Stober. „Die At- Leute mit Kontakt zum Volk in der Mehrheit. 2010 hat er seinen 100. Geburtstag gefeiert. E mosphäre war zum Teil sehr gespannt.“ Doch es gelang ihm, auch die Stimmen der An seinen guten Tagen kann er so lebendig An diesem 10. Dezember 1950, fünfeinhalb religiös geprägten Funktionäre für sich zu erzählen, versprüht er einen so gewinnenden Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, gewinnen. Das gab den Ausschlag. Er setzte Charme, dass die Vorstellung, selbst eines machte sich der Vereinssport im Westen sich an die Spitze“, sagt Stober. Daume ließ Tages steinalt zu sein, im Nu jeden Schre- Deutschlands an die Aufgabe, sich eine sich zum Gründungspräsidenten des DSB cken verliert. Stober sitzt, während er er- demokratisch verfasste Struktur zu geben. wählen, und er sollte diesen Vorsitz 20 Jahre zählt, wie meist im Winter entspannt in Unterschiedliche Strömungen standen in lang führen. Ein turbulenter und umkämpfter seinem kleinen Arbeitszimmer unterm Dach Opposition zueinander. Stober: „Vertreter Start des deutschen Sports, der mit einem seines Hauses an dem Schreibtisch, an dem des kommunistisch geprägten Arbeitersports Coup von Daume endete. Stober kann als auch seine Bücher entstanden. trafen auf Funktionäre mit einer kaiserwil- einziger Zeitzeuge noch davon berichten, helminischen Einstellung zum Sport. Es war denn er ist der letzte lebende Mitbegründer Seine Autobiografie hat er schon vor zwei schwer, das unter einen Hut zu bringen.“ des DSB. Jahren geschrieben. „Ein Leben mit dem Faktor Sport [ Zeitgeist ] 65

Sport“ nannte er sie. Derzeit arbeitet er an Stober verstand sich selbst lieber als Helfer seinem vielleicht letzten Buch, und der eine ERBAULICHE SYMBIOSE und Betreuer der Athleten. „Funktionär, das oder andere hat noch einmal Grund es zu Wort hat keinen guten Beigeschmack“, sagt fürchten. Ein Funktionär wollte er zwar nicht er. Was er über einige Spitzenfunktionäre der sein, doch gedreht hat Fredy Stober an Gegenwart zu sagen hat, ist nicht druckreif. vielen Hebeln im Sport, vor allem im Stober zog mehr als sechs Jahrzehnte lang Südschwarzwald. Auch die nationale viele Fäden im Sportgeschehen der Region. Bühne war ihm nicht unvertraut. Den WIDER DEN KOMMERZ Genauer gesagt: Er zieht einige immer noch. Deutschen Sportbund fand er klug Stobers Einflussnahme, sein Griff zum Tele- gebaut und effektiv gestaltet. In den 1950er Jahren, den aktivsten seines fonhörer, wird auch in seinem 101. Lebens- Lebens, schuf Stober viele nachhaltige jahr immer wieder gewünscht. Die Autorität Strukturen im südbadischen Sport. Das seines Alters, aber auch das Netzwerk ma- Leistungszentrum Herzogenhorn, jene ma- chen ihn zu einem Mann, mit dem man sich gische Sportlerschmiede im Hochschwarz- nur ungern anlegt. Stober ist streitbar, man wald, wäre ohne ihn wohl nicht entstanden. hat ihn lieber nicht zum Gegner. Bis heute suchen Olympiasieger wie der Gewichtheber Matthias Steiner die Abge- UMTRIEBIGER GRÜNDER 1958 schiedenheit des Zentrums, um sich dort auf Der Macher der ersten Stunde bleibt am Ruder: Willi Daume bei sportliche Höhepunkte vorzubereiten. Bis Gleichwohl hat die Region, namentlich der seiner fünften Wiederwahl zum DSB- vor ein paar Jahren fuhr Stober noch selbst Schwarzwald, Stober viel zu verdanken. Er Präsidenten in Hamburg (Oktober mit seinem betagten Mercedes von Freiburg war Gründungspräsident des Badischen 1958); mit Heinz Huth und Professor aus hoch aufs „Horn“, wie es im Schwarzwald Carlo Schmidt (v.l.n.r.) Sportbunds, führte über Jahrzehnte den heißt. Er verbrachte viel Zeit 1300 Meter Skiverband Schwarzwald (SVS) und in den über dem Meer in unendlich klarer Luft an 1950er Jahren sogar für einige Zeit den einem der letzten Orte ohne Handyempfang. Deutschen Skiverband (DSV). Stober fuhr selber auf Brettern und sprang von Schan- Heute lässt Stobers Gesundheit solche Aus- zen, er spielte aber auch gern Tennis und flüge kaum noch zu. Sein Geist ist klar, aber kickte beim Freiburger FC. Nach einer sein Körper macht ihm zu schaffen. Er hält schweren Erkrankung verlegte er sich später weiterhin Kontakt zu einigen zentralen Ge- auf den Golfsport. 2005 staltern des Sports in Deutschland – unge- Kombinierer und Strippenzieher: Hans achtet dessen, dass er sich stets auf der Seite Thoma und Fredy Stober bei der Deut- Es hat viel mit seiner zupackenden Art und schen Meisterschaft in Hinterzarten der kleinen Leute sah. Wenn er darüber mit seinem Ehrgeiz zu tun, dass er Vereine spricht, welchen Weg Teile des Spitzensports nicht nur gründete, sondern oft auch gleich nahmen, dann sprüht wieder die alte Energie deren Präsidentschaft übernahm. Stobers in ihm. Er kämpfte erbittert gegen die Kom- Herz aber schlug von Anfang an für den merzialisierung, das Wort Sponsor geht nur Wintersport, und dabei ist es bis heute ge- schwer über seine Lippen, und er geißelt den blieben. Er trainierte mit Christl Cranz, der Einfluss des Geldes. legendären Freiburger Skirennfahrerin der Vorkriegszeit. Später förderte er den Nor- Stober fand den Deutschen Sportbund klug dischen Kombinierer Georg Thoma. Der gebaut, die Verbandsstruktur effektiv. Ginge Hütebub aus Hinterzarten gewann 1960 bei es nach ihm, hätte der DSB das Jahr 2006 den Olympischen Winterspielen von Squaw überdauern dürfen. „Ich war immer gegen Valley als erster Mitteleuropäer die Gold- die Umbenennung in einen Olympischen medaille. Es war auch im Leben des Funk- 2008 Sportbund“, sagt er. „Der deutsche Sport ist 100 Jahre für die Bewegung – und tionärs Fredy Stober einer der schönsten der Sport von jedermann, nicht von Olympia. nicht ohne Ehrgeiz: Der Grandseigneur Tage. „Dabei wollte ich genau das niemals des Sports bei der Vorstellung seines Aber heutzutage ist das Geld dominierend. sein, ein Funktionär.“ Buches Und andere Interessen.“ ] 66 [ Bewegungsmelder ] Faktor Sport VORSCHAU

Alfred Proksch (101) zeigt in einer Szene des Dokumentarfilms „Herbstgold“ seine Medaille 2011– ist zu vermuten – dürfte Jan Tenhaven sich vorsorglich den Februar WM ALS SCHAUFENSTER freigehalten haben. Der Seniorensportstreifen „Herbstgold“ nämlich Die 41. Alpinen Ski-Weltmeisterschaften geht als deutscher Dokumentarfilm ins Rennen um die Oscars, die vom 6. bis 20. Februar in Garmisch-Parten- kirchen sind auch ein Schaufenster für in rund drei Monaten in Los Angeles verliehen werden. die Organisatoren und die Wintersport- Begeisterung des deutschen Publikums. Ein gelungenes Skisportfest würde der Jan Tenhaven ist der Regisseur des berührenden Films über hochbetagte Frauen und Männer, Bewerbung um die Olympischen und Para- die bei der Leichtathletik-WM in Finnland antreten. Er handelt vom Verlieren und Gewinnen, lympischen Winterspiele 2018 weiteren Schwung verleihen. Altwerden und Jungbleiben, vom Leben und vielleicht auch vom Tod seiner quicklebendigen Protagonisten (siehe Faktor Sport 2/2010). Zunächst steht „Herbstgold“ im Wettbewerb um die sogenannte Shortlist, die besten 15 internationalen Dokumentarfilme. Fünf davon werden BESUCH VOM IOC schließlich nominiert. Der Kinofilm hat seit seiner Premiere im Sommer zahlreiche internatio- Vom 1. bis 4. März 2011 wird das Konzept der nale Preise gewonnen. Am 10. Dezember 2010 erscheint er auf DVD. Olympiabewerbung Münchens und Garmisch- Partenkirchens auf Herz und Nieren geprüft. Dieter Massin, Präsident des europäischen Senioren-Leichtathletik-Verbandes (EVAA), über Dann nämlich werden die elf Mitglieder der „Herbstgold“: IOC-Evaluierungskommission München als letzte der drei Bewerberstädte besuchen. Sie haben mit Regisseur Jan Tenhaven die Idee für den Dokumentarfilm „Herbstgold“ ent- wickelt. Was hat Sie dazu bewegt? Mir war wichtig, ein anderes Bild von Senioren zu zeichnen, als dies in den Medien üblich ist, und deutlich zu machen: Wenn ihr Sport treibt, könnt ihr auch WEITERE TERMINE im höchsten Alter Teil der Gesellschaft sein. Das zeigt der Film auf eine unwahrscheinlich nette 10. DEZEMBER: Art. Sporttreiben hat einen Wert, auch wenn der Diskus nur acht Meter weit fliegt. Feierstunde in Hannover: Hier wurde der Deutsche Sportbund vor 60 Jahren gegründet. Bergen solche Bilder nicht auch die Gefahr, dass hier ehrgeizige Greise vorgeführt werden? 10. – 11. DEZEMBER 2010: Ich war kürzlich auf der Geburtstagsfeier befreundeter Leichtathleten, die zur Kinovorführung Tagung „Erinnerungskultur im deutschen Sport“ des Films einluden. Es herrschte absolute Begeisterung, und nachher kamen Gäste auf mich zu in Köln – keine Sportler, sondern Menschen aus Wirtschaft oder Politik – und schwärmten davon, wie 13. – 30. JANUAR 2011: Sport hier dargestellt wird: nämlich eher als ganz persönliche Freude denn als ehrgeizige Übung. 22. Handball-Weltmeisterschaft der Männer Der Film ist ein Mutmacher, auch wenn die Leistungen abnehmen. in Schweden 24. – 30. JANUAR 2011: Dann richtet sich die Botschaft also nicht nur an Sportler? Für die Darsteller im Film ist der Eiskunstlauf-Europameisterschaft in Bern Sport alles. Er hilft beispielsweise darüber hinweg, dass der Partner nicht mehr lebt. Aber es in der Schweiz sind keine Leute, die im Alter Erfolg suchen, weil sie vielleicht früher nicht gut genug waren. 5. FEBRUAR 2011: Sie zeigen, dass sie weiter Freude am Leben haben und dazugehören. Sie wollen möglichst 41. „Ball des Sports“ in Wiesbaden lange gesund bleiben. 14. – 27. FEBRUAR 2011: Bob- und Skeleton-Weltmeisterschaften in Königssee IMPRESSUM 21. – 27. MÄRZ 2011: Herausgeber: Deutscher Olympischer Sportbund | Generaldirektor Dr. Michael Vesper | Otto-Fleck-Schneise 12 | D-60528 Frankfurt am Main | AG Frankfurt | VR 13581 | Deutsche Sport-Marketing GmbH | Geschäftsführer Eiskunstlauf-Weltmeisterschaften in Nagano, Japan Axel Achten | Schaumainkai 91 | D 60596 Frankfurt am Main | AG Frankfurt | HRB 26615 | USt-ID-Nr. DE114139775 | Redaktionsleitung: Marcus Meyer | E-Mail: [email protected] | Jörg Stratmann | 30. APRIL – 15. MAI 2011: E-Mail: [email protected] | Bildnachweis: dpa Picture-Alliance GmbH | Eurosport | Getty Images | 75. Eishockey-Weltmeisterschaft der Herren Schenker Deutschland AG | Patrick Seeger | Klaus Vyhnalek | Konzeption, Realisation, Druck, Vermarktung: in der Slowakei medienfabrik Gütersloh GmbH | Carl-Bertelsmann-Straße 33 | 33311 Gütersloh | Telefon: 05241/23480-0 | Telefax: 05241/23480-215 | www.medienfabrik.de | Autoren: Frank Becker | Klaus Janke | Bertram Job (job) | Roland Karle | Marcus Meyer (mm) | Nicolas Richter (nic) | Jasper Rothbaum| Elke Rutschmann | Die nächste Ausgabe von Faktor Sport Nikolaus Seelig | Jörg Stratmann | Andreas Strepenick | Yvonne Wagner erscheint im März 2011 Mit freundlicher Unterstützung der Fotoagentur dpa Picture-Alliance GmbH Für viele Sportler der beste Start vor dem Start.

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