George Gruntz Aus Der Rille
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2 Aus der Rille George Gruntz Ein Beitrag von Thomas König Nomen est omen! Oder wenn Orden schmücken den Weg von war. Die Arbeiterfamilie Gruntz presste ein Pianist, Komponist, Band- George Gruntz in der zweiten Hälfte George in eine Maschinenzeichnerleh- leader, Leiter, Lehrer oder ein- des letzten Jahrhunderts, vom zweit- re, schliesslich sollte man einen anstän- fach Musikmacher und -orga- höchsten Orden der Bundesrepublik digen Beruf erlernen, war die einstim- nisator seit mehr als 50 Jahren Deutschland bis zum Kulturpreis seines mig familiäre Meinung. Die schloss er der ganzen Welt zeigt, dass Wohnkantons, dem Baselbiet, welchen 1951 auch mit besonderer Anerken- die Schweiz mehr zu bieten hat er 1994 erhielt. nung ab, aber eigentlich lebte er zu die- als Milch, Kühe, Schokolade, ser Zeit für das Klavier und dessen Un- Berge, Uhren und Banken… terricht, den er sich beim bekannten Leh- rer am Basler Konservatorium, Eduard Henneberger, leisten konnte. So wurde das «Wohltemperierte Klavier» zum Pflichtstudium des jungen George, der zu jener Zeit primär seinem Vorbild Bud Powell nachzueifern trachtete, aber mit klassischen Mitteln seine Technik ver- bessern wollte und konnte. Auch die Berufslehre machte ihm durchaus Spass, aber es waren vor al- lem auch Lebenserfahrungen, wie zum Beispiel Ausflüge nach Paris, welche den jungen Maschinenzeichner faszi- nierten und sowohl menschlich wie mu- sikalisch weiter brachten. Da konnte er MPS 21 22188-1 George Gruntz: Als weisser Neger geboren – Ein Leben für den Jazz sowohl bei einer Jamsession einsteigen ISBN 3-9522460-1-8 und mitmachen, wie auch im Pigalle Vieles tun und doch nur etwas die Bekanntschaft mit liebeserfahrenen wollen Wenn der Anfang nicht nur Damen machen… schwer ist, sondern zu einer Fast ein Vierteljahrhundert hat er die Frage der Existenz wird. Wieder zurück am Rheinknie spielte «Berliner Jazztage» geleitet und dem ur- George in vielen lokalen Bands. Teil- sprünglich traditionellen Jazz neue Im- 1932 wird George Gruntz in eine weise wurden diese Konzerte sogar auf pulse vom Freejazz bis zur Weltmusik Baselbieter Familie mit elsässischer Ab- einem Dynavoxgerät aufgezeichnet, gegeben. Er gründete zusammen mit stammung geboren. Ein Einzelkind mit das sich sein Vater, der nach wie vor als Vater und Sohn Flavio und Franco Am- dem klassischen Werdegang der Amateurmusiker aktiv war, zugelegt hat- brosetti vor bald vierzig Jahren eine der Schweizer Zwischenweltkriegsgenerati- te. Dieses Gerät war ein Vorläufer des erfolgreichsten Jazz-Grossformationen, on schien nahe der Stadt Basel aufzu- Tonbandgerätes und funktionierte mit ei- die «George Gruntz Concert Jazz blühen, mit Engagement in Jugend- nem Stahldraht als Aufzeichnungsquel- Band» (GG-CJB), die als erste Jazzband gruppen in der «Jungwacht» und unauf- le. Tanzmusik wurde in dieser Zeit noch durch China tourte. Er erhielt die Aus- fälliger Schulzeit. Wenn da nicht die an vielen Orten live gespielt. Das war zeichnung als «bester europäischer Musik gewesen wäre, welche den jun- die Chance für George, seinen Lohn als Jazzkomponist» und leitete anfangs der gen George von Anfang an faszinierte, Elektromaschinenzeichner etwas aufzu- 90er-Jahre am Jazzfestival Montreux die wäre George wohl nicht speziell auf- polieren und vor allem auch weitere mu- Bigband mit Quincy Jones, welche die gefallen. In der Familie Gruntz gab es sikalische Erfahrungen zu sammeln. In Arrangements von Gil Evans ein letztes Hausmusik, wobei der junge George diese Zeit fällt sein Arrangement des Mal mit Miles Davis aufführen konnte. bald begann, die übrigen Bandmitglie- Schweizer Volksliedes «La haut sur la Zusammen mit Allen Ginsberg schrieb der zu mehr Engagement und rhythmi- Montagne» welches später auf der LP er die erste ausschliesslich von Jazzmu- scher Vielfältigkeit zu drängen. Die EMI «1935–1965 – 30 Jahre Jazz in sikern interpretierte Jazzoper. Auch sei- konnten seinen Anliegen bald nicht Switzerland» als erstes Tondokument ne spätere Oper «The Magic of a Flu- mehr folgen. Er wollte auch nicht weiter von George Gruntz auf Schallplatte er- te» welche soviel und doch so wenig den für sein Empfinden langweiligen schien. Kurz darauf musste er nach mit Mozarts Zauberflöte gemeinsam Klavierunterricht besuchen. Er selbst hat- Bierre zur Artillerie in die Rekrutenschu- hat, wurde zu einem musikkulturellen Er- te zuerst Akkordeon zu spielen, da das le. Aber da starb leider auch viel zu früh eignis in Europa. Unzählige Preise und Piano in der Hausband bereits besetzt seine Mutter, die alle Energie in den AAA-Bulletin Ausgabe Frühling 2009 3 George Gruntz Kauf eines kleinen Einfamilienhäuschens Herren war George Wein, der Initiator erst 1991 machten sie in Montreux erst- gesteckt hatte. Der Vater fiel aus seiner des weltberühmten «Newport Jazzfesti- und letztmals Musik zusammen. Die Pro- Bahn, der Sohn musste ins Militär. Das vals», der Georg und seinen Kollegen ben als «Youth Band» waren oftmals et- wurde für alle eine schwierige Zeit. nicht gerade Mut machte, da er mein- was mühsam, aber der Auftritt am te, er habe jetzt schon etwa 600 Jazz- Schlusskonzert zusammen mit Louis Arm- musiker aus ganz Europa angehört, strong wurde zu einem Höhepunkt. aber hier sei wohl nicht viel Gescheites Satchmo war völlig ohne Starallüren. dabei. Schokolade und Kuckuckuhren Aufnahmen dieses Auftritts wurden unter gebe es wohl in der Schweiz, aber «Louis Armstrong: fifties and seventies Jazzmusiker…? und Newport: Unreleased Highlights Um so überraschter war die Band, from 1956, 1958 und 1963» veröf- als sie bald darauf für den Sommer fentlicht. Am Ende der Proben verteilte 1958 eine Einladung für zwei Monate Satchmo an jeden eine Tüte Abführmittel in die USA erhielt. Der Chef von «Swiss Criss» mit den Worten «Leave all George Gruntz war sogar bereit, für bad things behind you!» die zwei Monate den vollen Lohn aus- zuzahlen. Während weiteren 8 Jahren Nächste Erfolge kommen mit konnte George so sein Geld mit seinem Filmmusik. Job verdienen und gute Arbeit leisten, Single (7") EX 17-102 ohne seine Musik verraten zu müssen. Nach dem Festival erlebte George noch eine intensive Zeit im Big Apple Im Militär wollten sie den George inklusive Fernsehauftritten und Kontakten für eine Offizierskarriere, obwohl ihm mit Gerry Mulligan, Stan Getz, Zoot alles Militärische zutiefst zuwider war. Sims, Cannonball Adderley, John Col- Gleichzeitig war ein Projekt vorhanden trane, Sal Salvador, Art Blakey, Max um nach Afrika zu gehen und eigentlich Roach, Bill Evans, Johnny Griffin und wollte er das Studium zum Maschine- vielen anderen. Diese Kontakte waren ningenieur aufnehmen und kündigte ab 1972 für George als Programmge- deshalb aus der RS seine Stelle bei der stalter der «Berliner Jazztage» äusserst Firma Brown Boveri in Baden. Der Va- wertvoll. Nach fast zwei Monaten in ter heiratete bald wieder und füllte das den USA flogen die jungen europäi- Häuschen mit neuem Leben. Da wollte schen Jazzer zurück nach Brüssel an die George nicht zurückstehen und ehe- Weltausstellung, wo sie für eine Woche lichte 1955 seine Jugendliebe Lilly Roth. zusammen mit Benny Goodman im Bald kam auch schon Sohn Felix Sven Amerikanischen Pavillon aufspielten. Als zur Welt. Am Zürcher Amateur- Jazzfes- The first ten years: MPS 0068.290 (mit Un- er in die Schweiz zurückkam, war hier terschrift) tival bekam er die Auszeichnung als die Hölle los. Der berühmte deutsche bester Schweizer Jazzpianist. Er musste Mit Satchmo beginnt das rich- Jazzjournalist Joachim Ernst Berendt, der die Auszeichnung sogar in der Mi- tige Jazzleben. Autor des meistgelesenen Jazzbuches in litäruniform abholen, da man diese deutscher Sprache, rief ihn höchstper- auch bei zivilen Aktivitäten während ei- 1958 also machte sich George sönlich an: «Sie sind doch der und nes Wiederholungskurses in der Armee Gruntz mit anderen Jazzmusikern der der». Im Down Beat-Magazin 8/58 zu tragen hatte. Angenehm war dabei ersten Generation nach dem Zweiten stand nämlich folgender Satz: «Things indessen das Zusammentreffen mit Fla- Weltkrieg aus ganz Europa auf den picked up…with pianist Georg Gruntz vio Ambrosetti, einem Saxofonisten und Weg in die USA und an das Newport- of Switzerland galloping like an angry – vielleicht noch wichtiger – mit einem jazzfestival. Mit dabei waren unter an- Horace Silver». Dieser Satz war wohl reichen Tessiner Industriellen. Dieser lud derem Albert Mangelsdorff und Erich für das nächste Jahr karrierebestim- Georg zu sich in seine Villa ein und Kleinschuster aus Deutschland, Ronnie mend, und dies obwohl George auch liess ihn in seiner Jazzband mitspielen. Ross aus Grossbritannien, der Italiener nicht im Entferntesten den berühmten Gil Cuppini, Gabor Szabo aus Ungarn Hard Bop Pianisten vom Blue Note La- Die «Ambrosetti All Stars» wurden und der Yugoslawe Dusko Goykovich. bel und Mitglied von Art Blakeys Jazz- an das Jazzfestival in San Remo einge- Plötzlich war man Kollege mit den ame- messengers imitieren wollte. laden und erhielten danach in ganz Eu- rikanischen Stars, man konnte mit ihnen ropa eine gute Presse. Die Quintessenz nach dem Konzert etwas trinken und Alles wurde zu Beginn der 60er-Jah- war, dass die Band – wie unzählige plaudern. So entstand zum Beispiel sein re professioneller für GG. Er konnte für weitere auch – in Mailand zwei Ameri- erster Kontakt mit Miles Davis. Daraus den Film von Hannes Schmidhauser kanern vorspielen durfte. Einer dieser entwickelte sich eine Freundschaft. Aber «Seelische Grausamkeiten» die Musik AAA-Bulletin Ausgabe Frühling 2009 4 George Gruntz komponieren und u.a. mit Barney Wi- wie zum Beispiel