Das Wisenberg-Tunnelprojekt, der Faltenjura und der Gipskeuper, wie passen die zusammen?

Autor(en): Lohmann, Hans Hinrich

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaften beider Basel

Band (Jahr): 15 (2014)

PDF erstellt am: 05.10.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-676716

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Adlertunnel fertig saniert Nach gut anderthalb Jahren ist die Sanierung des Adlertunnels zwischen Muttenz und ab- geschlossen. Nötig war die Sanierung des erst 2000 eröffneten Tunnels geworden, weil sich, bedingt durch quellendes Gestein, die Tunnel- sohle auf einem 40 Meter langen Abschnitt stän- dig leicht anhob. Die Arbeiten, die fast doppelt so lange dauerten wie ursprünglich veranschlagt, haben 16 Millionen Franken gekostet. (Schweiter Eisenbahn-Revue 10/2011)

Das Wisenberg-Tunnelprojekt, der Faltenjura und der Gipskeuper, wie passen die zusammen?

Hans Hinrich Lohmann

Zusammenfassung: Zwischen der Region Basel und dem schweizerischen Mittelland wird ein wei- terer Eisenbahntunnel benötigt. Ein erster Vorschlag, das Wisenberg-Projekt, sah eine Tunnelverbin- dung von Liestal nach Ölten vor. Wegen mehrfacher und langer Trias-Anhydrit-Durchquerungen mit ihrem Quellpotenzial wird dieses Projekt hier abgelehnt und stattdessen ein Tunnel von Mumpf am Rhein in die Region Aarau vorgeschlagen, also östlich der bedeutenden Wehratal-Zeiningen-Verwer- fung. Arbeitsschritte dieses Vorschlages sind Studien zur Anhydrit-Quellung und vorhandene geolo- gische Karten.

Abstract: The Wisenberg tunnel project, the Jura foldbelt, and the Gipskeuper, how do they match? An additional railway tunnel is required between the Basel area and the Swiss Plateau. A first proposal, the Wisenberg project, envisaged a tunnel connection from Liestal to Olten. This project is rejected here because of several long tracts of Triassic anhydrite crossings involved with their swelling potential. Instead, a tunnel from Mumpf on the Rhine to the Aarau district is proposed, that is east of the significant Wehratal-Zeiningen fault. Steps of this proposal are anhydrite swelling studies and available geological maps.

Key words: Tunnel geology, Triassic anhydrite swelling, northwestern 124 Lohmann Mitt. Naturf. Ges. beider Basel 15

1. Einleitung Daher sind Oberflächen-Eisenbahnen oder -Stras- -sen kostengünstiger zu bauen und zu unterhal- Die wichtigste die Schweiz querende transeuro- ten als ein Tunnel, auch wenn sie zwecks päische Eisenbahnverbindung verbindet Basel Schallschutz gedeckelt sein müssten. mit dem Eisenbahnknotenpunkt Ölten im Mit dieser Kenntnis ist eine Streckenführung schweizerischen Mittelland, von wo die Lötsch- von Basel ins Mittelland zu suchen, die ein berg- und die Gotthard- Linien weiter nach Minimum an Trias-Evaporiten durchbohrt, um Italien führen. Bisher existiert zwischen Basel sie an die Bahnlinien im Mittelland anzubinden. und Ölten nur eine zweigleisige Bahnstrecke, Diese Zielsetzung gilt für den nordwestlichen die den Faltenjura-Bergzug durchquert. Diese Tafeljura-Anteil wie für den südöstlichen Fal- Hauenstein-Linie (eröffnet 1916) ist nach dem tenjura-Anteil. Wir beginnen mit dem Tafeljura gleichnamigen Tunnel zwischen und östlich Basel und wenden uns später dem Fal- Ölten benannt. Zu erwähnen ist hier noch eine tenjura zu. Arbeitsmittel dazu sind die bisheri- eingleisige Parallelverbindung, die alte Hauen- gen Publikationen sowie die Auswertung von stein-Linie (eröffnet 1858), die den Faltenju- Satellitenbildern. ra-Bergzug im Tunnel zwischen Läufelfingen und Trimbach-Olten durchsticht. Diese Strecke 2. Die Evaporit-Schichten ist steil, kurvenreich und für schwere Züge un- der Nordwestschweizer Trias geeignet. Um diesen Engpass im europäischen Eisen- Als Evaporite - also Eindampfungsgesteine - bahnnetz zu entschärfen, wird seit einiger Zeit bezeichnet man die Mineralien Steinsalz, Anhy- der Bau des Wisenberg-Tunnels vorgeschlagen. drit, Gips sowie die Kalisalze. Der Anhydrit und Die Schweizerischen Bundesbahnen haben des- der Gips besitzen die gleiche chemische Zusam- wegen 1988 acht Bohrungen von 75 bis 285 m mensetzung mit der Formel CaS04, der Anhy- Tiefe in der Projektregion zur Erkundung des drit ohne Kristallwasser, der Gips mit zwei Untergrundes niedergebracht (Steiner 1989). Molekülen Kristallwasser. Der Anhydrit ist Na- Die strukturelle Einordnung erfolgte durch mengeber für die Anhydritgruppe der Mittleren Noack (Jordan et al., 1990). Einen durch die Trias (sonst als Muschelkalk bezeichnet), das Annahme einer darunter liegenden paläozoi- Mineral Gips gibt dem Gipskeuper (in der Obe- sehen Mulde verbesserten Wisenberg-Struktur- ren Trias) seinen Namen. Diese Namengebung schnitt veröffentlichte Noack (1995), hier als ist nur beschränkt richtig. Man könnte zu dieser Abb.l beigefügt. In beiden Publikationen ist Formation auch Anhydrit-Keuper sagen, denn die Position des Wisenberg-Projekts zwischen die beiden namengebenden Mineralien können den beiden Hauenstein-Tunnel dargestellt. Der ineinander übergehen, je nach Wasserzutritt, Bau einer Flachbahn aus dem Raum Basel Temperatur und Auflagerungsdruck. (Meershöhe 250 m) in Richtung Ölten (400 m) Die ursprüngliche Ablagerung des Kalzium- würde laut Noacks Strukturschnitt tertiäre Lo- sulfats CaSCT aus dem Meerwasser erfolgt als ckersedimente und auf 1,2 km zwei Mal die Gips. Mit einem Auflager von etwa 500 m wei- bautechnisch problematischen Trias-Evaporite terer Sedimente und entsprechend zunehmen- durchstossen. dem Druck bildet sich Anhydrit (Dronkert et al. Worin besteht das Problem? In den Faltenju- 1990). ra-Durchstich-Tunnel, ob für Eisenbahn oder Das aktuelle Wissen über die Trias-Mächtig- Strasse, quillt der in der Tiefe stabile Anhydrit, keiten und speziell die Verbreitung der zwei CaS04 bei Wasserzutritt um rund 60 Volumen- Trias-Salzhorizonte findet sich bei Jordan prozent an und wird zum wenig stabilen Gips. (2008). Das Trias-Mächtigkeitsmaximum von Dieser Quellvorgang führt zu Tunneleinengun- l'OOO m liegt westlich von Neuchâtel (Somma- gen, die erhebliche Reparaturen erfordern. In ruga 1997). Jordan (1994) gibt für diese Region Oberflächennähe ist dieser Vorgang längst abge- eine Salzmächtigkeit von 300 m im Gipskeuper laufen, etwa im Grundwasserstrom der Flüsse. an. 2014 Das Wisenberg-Tunnelprojekt, der Faltenjura und der Gipskeuper, wie passen die zusammen? 125

2.7. ZM/W Ätar/7er- «n<7 <2«e//ver/ja/rett Katalysator-Rolle zuzuschreiben. Unter den To- des Anhydrite nen sind die Montmorillonit-Minerale mit ihren grossen äusseren und inneren Oberflächen von Müllerund Briegel 1978) haben die Abscherfes- 750 Quadratmeter pro Gramm deutlich quellfä- tigkeit von Salz, Anhydrit und Kalkstein unter- higer als Illit und Kaolin mit äusseren Oberflä- sucht. Sie betonen, dass Salz bei weitem die chen von weniger als 100 Quadratmetern pro geringste Scherfestigkeit besitzt. Unter geeig- Gramm. neten Umständen würde aber auch der Anhydrit als Abscherformation des Faltenjuras zu be- Daher an dieser Stelle folgende Empfehlung: trachten sein. Der physikalische Zusammenhang zwischen Abscherverhalten und Quellung Bei bautechnischen Untersuchungsbohrungen scheint noch nicht untersucht worden zu sein. im Anhydrit-Gips-Bereich sollte die prozen- Für die Praxis des Tunnelbaus ist aber die Quel- tuale Verteilung der einzelnen Tonmineralien lung des Anhydrits von grösserer Bedeutung. detailliert aufgezeichnet werden, um damit die Gründlich untersucht wurde das Quellverhal- Risikozonen zu erkennen. ten durch Madsen und Nüesch (1990), wobei sie Anhydrit-Proben mit unterschiedlichen Tonge- Weiterhin betonen Dronkert et al. 1990 wie halten einsetzten. Die maximale Quellung auch Madsen und Nüesch 1990, dass neben dem wurde bei Proben mit 70-75 % Anhydrit und Wasserzutritt eine Spannungsverminderung 10-15 % Tongehalt festgestellt. Im Gegensatz eine wesentliche Voraussetzung für die Quel- dazu ist reiner Anhydrit unter Wasserbedeckung lung ist. Das heisst, potentiell steigert jedes selbst nach 6 Jahren Versuchsdauer nicht ge- Anritzen, jede Bohrung und jeder Tunnel die quollen. Bei anderen Ton-Anhydrit-Verteilun- Quellung. Deswegen kann man durch Gegen- gen wurden alle Zwischenwerte beobachtet. druck («Knautschzylinder») die Quellung Den Tonlagen ist also etwas Ähnliches wie eine bremsen.

N Wisen Section

Dottenberg

1 km

-500 m

633380 / 253000 634850 / 247000 _Tertiary Malm Hauptrogenstein Fm — 5 Dogger Opalinus shales restored section - jp Liassic Keuper — Anhydrite group — Permo-Cartjoniferous — crystalline basement -

Abb. 1 : Noack 1995) stellt mit einem balancierten Schnitt den Kernteil des Wisenberg-Tunnelprojekts zwischen Rünenberg und Trimbach dar. Ein vom Autor eingetragener - als durchbrochene schwarze Linie markierter Tunnelverlauf zwischen 300 und 400 Meter Meereshöhe würde circa 1 km der bautechnisch problematischen Formationen Anhydritgruppe, Keuper und Tertiär durchfahren. 126 Lohmann Mitt. Naturf. Ges. beider Basel 15

2.2. Die Aw/rydn'fgrappe (MHScAe/ka/k-SYn/e Auf jeden Fall muss man eine verbreitete Aus- der TWas) in r/er iVonisc/tweiz laugung als Möglichkeit in Betracht ziehen. Die Kenntnis der Salzverbreitung liesse sich deutlich Eine regionale Darstellung des salzführenden verbessern, indem systematisch in jeder Boh- Muschelkalkes der Nordschweiz liegt von Hau- rung die elektrische Leitfähigkeit und damit der ber (1993) vor. Auffällig ist das Auftreten in drei Salzgehalt der Bohrspülung gemessen würde. In von einander abgetrennten Salzbecken. Von W der üblichen Spülungsuntersuchung werden die nach E sind dies die Becken von Schweizerhalle, aus dem Bohrloch ausgetragenen Gesteinsarten, Rheinfelden-Ryburg und Zurzach. Die Abtren- das sogenannte Bohrklein, untersucht und auf- nung mag primär sein. Busson (1980) erklärt gezeichnet. derartige Situationen durch die Differenz der Sedimentationsgeschwindigkeiten zwischen Das lösliche Salz bleibt unsichtbar, da es kein Klastika und Salz, wobei letztere angeblich Bohrklein bildet. 1'000-fach schneller ist. Eine andere Deutungs- möglichkeit wäre die Abgrenzung der drei Salz- Bautechnisch dürfte die bis zu 200 m mächtige becken durch Ablaugung der Zwischenräume. Anhydritgruppe äusserst unerfreulich sein. Zur Diese Möglichkeit wird durch Hauber (2000) für Bildung von Fasergips meint Widmer (1991), den NW-Rand des Salzfeldes von Riburg dar- dass diese etwa in der gleichen Tiefe auftritt wie gestellt. Für dieses Salzbecken ist die direkte die beginnende Vergipsung des Anhydrits, fast Lage vor der Wehratal-Zeiningen-Wintersingen- immer oberhalb 500 m Bohrtiefe. Bezugneh- Bruchzone zu berücksichtigen, welche laut Gon- mend auf Holliday (1970) schreibt Widmer zales (1990) schon in der Trias-Zeit aktiv war. (1991): «Die meisten Autoren sind sich einig, Widmer (1991) beschreibt die Anhydrit- dass keine Volumenzunahme durch Vergipsung gruppe der Mittleren Trias aus Bohrungen in der erfolgt, sondern dass überschüssige Volumen in Umgebung von Liestal durch folgende generelle Lösung fortgeführt werden». Abfolge, gerundet: 2.J. Der G(/wket//?er m

Sissach herumleitet (Noack und Vögtli 2000). wandelt sein und dementsprechend keine Quel- Die gleiche Nationalstrasse wird auf Pfosten lung auftreten. Dafür besteht die Gefahr eines über dem Ergolz-Fluss durch Liestal geführt, ein unzuverlässigen Baugrundes mit Gips-Führung. Verfahren, welches auch in möglich ge- wesen wäre. Im flussnahen Grundwasserstrom 3. Der Tafeljura östlich Basel sollte der Anhydrit vollständig in Gips umge- Auf der Suche nach einer geeigneten Lokalität für einen Faltenjura-Tunneldurchstich zwischen Basel und dem schweizerischen Mittelland ist festzustellen, dass der Faltenjura nach ENE hin immer schmaler wird, also die benötigte Tunnel- länge immer kürzer. Andererseits verlängert sich dadurch die Flachland-Strecke im Tafeljura öst- lieh Basel. Es ist eine Optimierung zwischen den Teilprojekten Faltenjura und Tafeljura anzustre- ben. Den Tafeljura östlich von Basel kann man als Südhang-Überdeckung des Schwarzwaldes auf- fassen. Ein wesentliches Teilgebiet davon besteht auf der badischen Seite aus der vorwiegend trias- sischen Dinkelberg-Scholle, auf Schweizer Seite aus Trias, Jura und einigen Tertiär-Resten. Ein beherrschendes tektonisches Element auf beiden Seiten des Rheins ist der Wehratal-Zeinin- gen-Wintersingen-Bruch (Gonzales 1990), wel- eher mondsichelförmig vom mittleren Wehratal via Zeiningen nach Wintersingen verläuft (Abb.2). Das N-S verlaufende alte Seismogramm 74-BL-18 bei der Bohrung Wintersingen zeigt hart nördlich der Bohrung eine nach N gerichtete Abschiebung von 100 Millisekunden seismischer Laufzeit, was einer Sprunghöhe von 200 m ent- sprechen könnte. Dies ist wohl ein Teilelement der Wehratal-Zeiningen-Wintersingen-Verwer- fung, denn Gonzales (1990) gibt einen Versatzbe- trag von 350 m an. Vom Seismogramm 74-BL-18 her ist keine weitere Aussage möglich, da es dort endet. Senn (1928) wie auch Gürler et al.(1978) stellen in ihren Publikationen mehrere Begleit- Abb. 2: Tektonische Skizze des Arbeitsgebietes auf Verwerfungen östlich und westlich des Wehra- Satellitenbildunterlage: Nördlich des Rheines steht tal-Zeiningen-Wintersingen-Bruches vor. Die das des Schwarzwaldes Granit-Grundgebirge an. Mit von Gonzales 1990) entworfenen Schnitte durch einem Sporn greift es auch über den Rhein hinweg, wo diese lassen sich des es in der Bohrung Wintersingen («Wi.») nachgewiesen Verwerfungszone - wegen wurde. Der WNW-Rand des Spornes wird durch die «verschwundenen» Volumens - gut durch eine Wehratal-Zeiningen-Bruchzone gebildet. Das SE- Grabenbildung mit nachfolgender Auslaugung Drittel den der Skizze wird durch Überschiebungsgür- der Trias-Salze deuten. Der von Senn (1928) vor- tel des Faltenjura eingenommen. Die dicke schwarze gelegte Schnitt durch die im südlichen Fortstrei- unterbrochene Linie stellt einen Vorschlag zur Tunnel- führung zwischen Mumpf und der Region Aarau dar chen liegende Huppergrube von zeigt (Quelle: verändert nach Sprecher & Müller (1986)). damit eine grosse Ähnlichkeit. 128 Lohmann Mitt. Naturf. Ges. beider Basel 15

Die Bohrung Wintersingen hat von der Ober- Meine Folgerung: Anstatt des Wisenberg-Tün- fläche an nur Jung-Paläozoikum durchbohrt nelprojektes von Liestal nach Ölten sollte man und bei 420 m Tiefe einen Granit angetroffen eine Streckenführung von Basel entlang dem (Schmassmann & Bayramgil 1946). Mit die- Rheintal nach Mumpf planen, also zu einem sem Granit wird die SW-Ecke eines Schwarz- Ort östlich der Wehratal-Zeiningen-Winter- wald-Spornes beschrieben, welcher auf Schwei- singen-Bruchzone (Abb. 2). zerischem Gebiet durch den Muschelkalk-Aus- strich im Dreieck Wintersingen-Mumpf-Eiken Inwieweit heutige Bewegungen, Quellungen oder markiert ist. Salzauslaugungen entlang der Bahnlinien stattfin- Das erwähnte Seismogramm 74-BL-18 zeigt den, dürfte bei den Eisenbahnplanem bekannt von der Bohrung Wintersingen aus einen nach sein. Auslaugungserscheinungen werden bei S zunehmend tieferen Permokarbon-Trog an, Hauber (1993) für die Region Rheinfelden-Ri- welcher sich auch im benachbarten Ergolz-Seis- bürg angeführt. In Hauber (2000) ist der subrosive mogramm 78-BL-25 zwischen Hingen und Salzhang am NE-Rand von Aargauisch-Rhein- andeutet. Diese Angabe muss felden dargestellt, sein Fuss befindet sich etwa man im Zusammenhang mit dem von Laub- unter dem Rhein. scher und Noack (1997) beschriebenen Permo- Mit Anhydrit-Quellungen ist längs des Rheines karbon-Trog zwischen Liestal und Wittnau se- und in seinem Grundwasserstrom weniger zu hen. rechnen, da dort der Anhydrit höchstwahrschein- Aus der tektonischen Karte des Tafeljuras lieh schon in Gips umgewandelt ist. Zur Untersu- der Nordwestschweiz (Gürler et al. 1987) geht chung für den weiteren Streckenverlauf in Annä- hervor, dass das Ergolztal von Liestal bis Böck- herung an den Faltenjura bietet die 3-D-Refle- ten wie auch seine Umgebung durch eine inten- xionsseismik eine beachtliche Feinauflösung der sive Horst- und Graben-Bildung zerhackt ist. Untergrundverhältnisse. Mit einem dichten Netz Ein Tunnelbau stünde vor dem Problem der an seismischen Messlinien und einigen Bohrun- sich auf kurze Strecken ändernden Höhenla- gen zum Einhängen der Seismik-Interpretation gen der beiden Trias-Evaporite, die natür- können 20-Meter-Verwerfungen und möglicher- lieh zu vermeiden wären. weise auch Anhydrit-Gips-Umwandlungsfronten Aus den geologischen Karten (Metz & Rein erfasst werden. Zu empfehlen wäre eine seismi- 1958, Isler et al. 1984) wie aus dem Satelliten- sehe Aufnahmedauer von mindestens 5 Sekunden bild ergibt sich für mich folgende tektogene- pro Untersuchungspunkt, was einer Untersu- tische Reihenfolge für den Tafeljura östlich chungstiefe von circa 8 km entsprechen würde. Basel: Die Interpretationsmöglichkeiten sind allerdings abhängig von der Oberflächenform, steile Hänge 1) Regionale jung-paläozoische ENE-WSW- und Schluchten verringern sie. Gräben oder Senken 2)NE-SW-Kompression mit Wellungen und 4. Der Faltenjura nordwestlich Aarau Brüchen 3) Wehratal-Zeinigen-Wintersingen-Bruch, Der Gebirgszug des Faltenjuras ist etwa 300 km mehrphasig bewegt, während und nach der lang und in der Mitte rund 80 km breit. Er besitzt Muschelkalk-Salz-Sedimentation, mit nach eine nach NW hin konvexe Mondsichelform und NW konkaven Verwerfungen erstreckt sich vom Flughafen Zürich bis nach 4) Abrutschen auf Trias-Evaporiten anfänglich Chambery im Departement Savoyen. Grösseren- nach NW zum beginnenden Oberrheingra- teils gehört er zu Frankreich. ben und später Bildung geradliniger NNE- Auf einer Vielzahl früherer Autoren basierend SSW-Zerrungsgräben im Rahmen der Gra- hat Becker (2000) eine Synthese der Geologie des ben-Hauptabsenkung im Eozän/Oligozän Faltenjura erstellt. Einige wichtige Angaben da- 5) Lokale Salzauslaugungen entlang der Zer- raus zur Jurafaltung: Nach paläontologischen rungsgräben Befunden von Kleinsäugern aus Bohrungen bei 2014 Das Wisenberg-Tunnelprojekt, der Faltenjura und der Gipskeuper, wie passen die zusammen? 129

Lons-le-Saunier sind die jüngsten Sedimente un- folgen und dass die Trias-Anhydrit-Schichten ter der Überschiebung des Faltenjura 9 Mio. Jahre möglichst senkrecht stehen, um die Problemzone alt. Nichtgefaltete Schotter sind 3 Mio. Jahre alt. kurz zu halten. Nach gegenwärtigem Kenntnis- Eine Post-Faltungs-Karsthöhle an der Vue des stand scheint dies im Raum nordnordwestlich von Alpes, Kanton Neuchâtel, enthält Fossilien mit Aarau möglich zu sein. einem Alter von etwa 4,2 Mio. Jahren (Bolliger et al. 1993). Also fand die Jurafaltung in einem Zeit- 5. Empfehlungen räum statt, der 9 bis 4 Mio. Jahre zurück liegt, im späten Tortonium und frühen Messinianum. Zusammenfassend wird empfohlen, an Stelle des Grundsätzlich akzeptiert ist die Tatsache, dass Wisenberg-Projektes eine Tunnelführung von die Jurafaltung im Wesentlichen durch eine Ab- rund 20 km Länge von Mumpf am Rhein bis in scherung auf Trias-Salzen erfolgt ist. Becker den Raum Aarau zu planen. Der früher von den (2000) weist aber daraufhin, dass die Trias-Salze Schweizerischen Bundesbahnen in Betracht gezo- verbreiteter sind als die Jurafalten. gene Tunnel zwischen Liestal und Ölten würde in Über den tieferen Untergrund unter dem seiner ersten Teilstrecke ein Hackbrett von Horst- heutigen Faltenjura liegen keine vollständigen und Grabenstrukturen durchfahren, in der mehr- Informationen vor. Diebold und Noack (1997) fache Durchquerungen der quellenden Trias-An- zeigen einen Permokarbon-Trog zwischen Frick hydrite unvermeidbar wären. Für die darauf fol- und Brugg an sowie Bohrungshinweise von gende Teilstrecke im Faltenjura ist zu bedenken: Wintersingen, Schafisheim und Pfaffnau. Die Je weiter östlich, umso schmaler ist der Faltenjura. Füllung eines Troges kann recht kompliziert sein Die Wahl von Mumpf als Tunnelnordende be- (Schmassmann & Bayramgil 1946; Noack 1995). ruht auf der Position östlich der Wehratal-Zeinin- Der heutige Wissensstand über die Erstreckung gen-Bruchzone, da diese als besonders tiefgründig der Permokarbon-Tröge wird vermittelt einerseits erscheint. durch Ustaszewski und Schmid (2007) für den Eine dreidimensionale seismische Untersu- Raum westlich Basel bis nach Burgund hin und chung und einige Bohrungen zwischen Mumpf andererseits durch Wetzel (2008) für den Raum und Aarau würden die Position und möglicher- östlich Basel, bis über den Bodensee hinaus und weise den Quell-Status der Trias-Evaporite dar- auch entlang der mittleren Aare. Diese Darstel- stellen. Die Aufnahmen sollten mit einer seismi- lungen der Nordschweizer Permokarbon-Tröge sehen Aufnahmedauer von mindestens 5 Sekun- beruhen auf Interpretationen von Seismogram- den erfolgen, was einer Tiefe von 8 km entspre- men ungleichmässiger Qualität. Die aus dem chen könnte. Damit liesse sich die Form und mittleren Faltenjura von Sommaruga (1997) pub- Verbreitung der paläozoischen Gräben im tiefen lizierten Seismogramme enden bei 1,5 Sekunden Untergrund erfassen, denn diese wirken sich bis seismischer Laufzeit, was etwa 2 km Eindring- in die Gegenwart an der Erdoberfläche aus. tiefe bedeutet. Sie sind für diesen Zweck ungeeig- Da der Gehalt der Trias-Evaporite an dem Ton- net. Da inzwischen akzeptiert ist, dass sich junge mineral Montmorillonit entscheidend ist für das Nachbewegungen dieser paläozoischen Gräben Quellverhalten des Anhydrits, ist dessen feinstra- bis an die Oberfläche durchpausen können, dient tigraphische Verteilung an der Oberfläche und in die Kenntnis ihrer Verbreitung zur Abschätzung Bohrungen zu untersuchen. Eine in Bohrungen der lokalen Erdbebenrisiken. leicht zu übersehende Formation ist das Steinsalz, Für unsere Betrachtung wichtig ist die Tatsa- es bildet ja kein Bohrklein. Um sein Auftreten che, dass die Trias-Anhydrite stets nahe an der nicht zu überbohren, sollte die Bohrspülungssali- Überschiebungsfläche der Jurafalten auftreten nität permanent gemessen werden. (Abb.l). Bei der Durchquerung der Faltenju- Steiner 1989) ist beizupflichten, dass ein Tun- ra-Hauptüberschiebung ist also ein einmaliges nelausbau mit Granitblöcken mit ihrer besonde- Durchstossen der Trias-Anhydrite nicht zu ver- ren Härte und Resistenz gegen aggressive Wässer meiden. Die Voruntersuchungen müssen sicher- Voraussetzung zumDurchqueren derTrias-Evapo- stellen, dass nicht mehrere Durchquerungen er- rite ist. 130 Lohmann Mitt. Naturf. Ges. beider Basel 15

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