Folge 05 Vom 31.01.2020
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Wirtschaft Der Kapitalismus in der Vertrauenskrise Seite 7 Nr. 5 · 31. Januar 2020 Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt Einzelverkaufspreis: 2,90 € Historischer Abschied Nach dem Brexit: Wie geht es jetzt Weltuntergang Von den weiter auf der Insel? Wie auf dem Sumerern bis zu „Fridays Kontinent? Seiten 1, 2, 3 for Future“. Seite 12 Geschichte Der Eiserne Vorhang senkte sich in Jalta. Seite 11 FOTOS: MAURITIUS, FOTOS: BREXIT IN DIESER AUSGABE Politik Italien nach der Wahl in Union in der Sinnkrise der Emilia-Romagna und in Kalabrien An diesem Wochenende verlässt Großbritannien die EU. Für die verbleibenden Mitglieder Seite 6 stellt sich um so mehr die Frage, wohin die Union künftig steuern soll Kultur Wilhelm und Alexander von VON RENÉ NEHRING ten. Das Vereinigte Königreich, so der Ire, soll; wofür sie steht und da ist – und wofür soll, wenn es ohne die lästigen Pflichten Humboldt im Deutschen sei keineswegs mit den anderen Staaten nicht. Viel zu lange war sich die Union einer Mitgliedschaft auch geht? Historischen Museum Berlin un ist er also da, der Moment, des „Clubs“ gleichzusetzen, den es verlas- selbst genug, reichte ihre permanente Er- den die einen herbeigesehnt sen wird. Neben der Geschichte, die für weiterung allein schon als Existenzbe- Rückbesinnung auf die Anfänge Seite 9 und bejubelt, die anderen je- ihn in den vergangenen 300 Jahren von rechtigung. Solange es weiterhin Interes- Eine Lösung für die Identitätskrise der EU doch befürchtet und ver- kaum einer europäischen Macht so ge- senten gab, die dem Bündnis angehören könnte in der Rückbesinnung auf ihre An- Das Ostpreußenblatt Nflucht haben. An diesem Freitag tritt das prägt worden sei wie vom Vereinigten Kö- wollten, reichte das. In dem Moment je- fänge liegen. Nach dem Zweiten Weltkrieg Allensteins Universität Vereinigte Königreich von Großbritannien nigreich, führte Simms auch die Rolle des doch, wo eine der großen Mitgliedsnatio- entwickelten die Gründerväter die Idee lud Schüler zur „Nacht und Nordirland aus der Europäischen Landes in der NATO an, in der Großbri- nen der EU den Rücken kehrt, kann es eines Europas souveräner Vaterländer, die Union aus. Nach Jahren des Ringens mit tannien noch immer das dominierende kein einfaches „Weiter so!“ geben. dort, wo es sinnvoll ist, zusammengehen, der Biologen“ ein Brüssel um eine Reform der EU; nach Jah- europäische Mitglied sei. Damit hänge die Der Brexit-Prozess offenbarte eine aber grundsätzlich ihre jeweiligen natio- Seite 13 ren innerbritischer Grabenkämpfe zwi- äußere Sicherheit der Europäischen Uni- kaum für möglich gehaltene argumentati- nalen Eigenheiten bewahren sollten. Die schen den „Brexiteers“, die die EU verlas- on künftig von zwei Ländern ab, die nicht ve Hilflosigkeit der Europäischen Union auf dieser Basis entwickelten vier Freihei- Reise sen, und den „Remainers“, die in ihr ver- Mitglied in ihr sind: von der USA und eben und ihrer Repräsentanten in Brüssel und ten – freier Warenverkehr, Personenfrei- Sölden lädt in den Original- bleiben wollten; und nach Jahren zäher Großbritannien. Andere Stimmen auf der in den Mitgliedsländern. Während die zügigkeit, Dienstleistungsfreiheit sowie Verhandlungen zwischen London und Insel erinnerten an die lange Geschichte „Brexiteers“ ganz auf das Gefühl und den freier Kapital- und Zahlungsverkehr – drehort zum neuen James- Brüssel über die Modalitäten des Austritts der Briten als Seefahrernation, die es ge- Wunsch der Briten setzten, ihre Eigenhei- schufen Wohlstand und Sicherheit. Auch Bond-Film ein ist es erstaunlich ruhig um den Brexit. Im- wohnt ist, draußen auf den Weltmeeren ten auch in Zeiten der Globalisierung be- die Entwicklung eines einheitlichen Seite 21 merhin waren für diesen Tag noch vor Kur- das eigene Glück zu suchen – und selbst wahren und ihre Geschicke selbst bestim- Rechtsraums erwies sich vielfach von Vor- zem zahlreiche Katastrophenszenarien an bei größten Stürmen Kurs zu halten. men zu wollen, blieb den Befürwortern teil. Die Tatsache, dass wir heute ohne die europäischen Wände gemalt worden. eines Verbleibs in der EU als Argument Grenzkontrollen über Oder und Neiße Trotz der Ruhe kann und muss dieser Union in der Sinnkrise meist nur die Angst vor den katastropha- fahren können, und dass die Masuren, 31. Januar 2020 schon jetzt als ein histori- Ganz anders die Europäische Union. Sie len Folgen eines Austritts. Schlesier und Südtiroler umfangreiche sches Datum gelten. Erstmals in der fast muss nun für sich und ihre Bürger klären, Dass nun nicht nur der Zusammen- Minderheitenrechte genießen, zeigt, dass 70-jährigen Geschichte der europäischen was sie ist und was sie künftig sein will. bruch der britischen Wirtschaft ausgeblie- die EU auch segensreich wirken kann. Einigungsbestrebungen verlässt ein Mit- Spätestens seit dem Scheitern des von Va- ben ist, sondern dieser just zum Austritts- Es ist an der Zeit, darüber zu diskutie- glied das Staatenbündnis. Ein solches Er- léry Giscard d’Estaing moderierten Ver- tag vom Internationalen Währungsfonds ren, was Europa sein soll – und in der un- Lesen Sie die PAZ auch eignis wirft viele Fragen auf; allen voran, fassungsprozesses im Jahre 2005 fährt die (IWF) sogar ein stärkeres Wachstum vor- geordneten Welt unserer Tage vielleicht auf unserer Webseite wie es den ehemaligen Partnern künftig EU im Grunde nur noch auf Sicht: hier mal hergesagt wird als dem EU-Wirtschafts- auch sein muss. Dazu gehört, dass die Ent- preussische-allgemeine.de ohne einander ergehen wird. ein Beitritt Kroatiens, da mal Verhandlun- raum, ist insofern für die EU ein Desaster. scheidungsträger in Brüssel und in den Die Briten scheinen sich da inzwischen gen mit Serbien oder der Türkei über eine Wenn ein Land wie Großbritannien, das europäischen Hauptstädten den Bürgern weniger Sorgen zu machen als die EU. So Mitgliedschaft, und zwischendurch immer zum elitären Kreis der Nettozahler gehör- endlich sagen, wie sie sich die Zukunft un- äußerte der irische Historiker Brendan wieder Versuche der EU-Kommission, te, tatsächlich ohne Mitgliedschaft besser seres Kontinents vorstellen. Und sie soll- Simms schon im vergangenen Jahr, dass er weitere Kompetenzbereiche von den Mit- fahren sollte als innerhalb der Union, ten zuhören, wie sich die Bürger ihrerseits die Insel weitaus besser für die Zukunft gliedstaaten nach Brüssel zu verlagern. dann dürfte schon bald auch andernorts die EU vorstellen – und deren Willen ak- gerüstet sieht als es die meisten auf dem Was fehlt ist eine offene Diskussion die Frage aufkommen, warum man eigent- zeptieren. Ansonsten droht schon bald das europäischen Festland wahrhaben woll- darüber, wohin die EU sich entwickeln lich so viel Geld an ein Bündnis zahlen nächste Austrittsreferendum. ZKZ 05524 – PVST. Gebühr bezahlt 2 Nr. 5 · 31. Januar 2020 THEMA DER WOCHE Preußische Allgemeine Zeitung Brexit Warum die Bürger des Vereinigten Königreichs die Europäische Union verlassen – und welche Lehren die EU daraus ziehen sollte „Die Briten haben eine DNA als Insel“ Der Brexit-Weg und seine Hintergründe: „Souveränität“ ist das entscheidende Stichwort IM GESPRÄCH MIT THOMAS KIELINGER homas Kielinger, 1940 in Dan- zig geboren, lebt und arbeitet seit 1998 in Großbritannien, zunächst als Korrespondent Tder Tageszeitung „Die Welt“, heute ver- mehrt als Autor viel beachteter Bücher zur britischen Historie. Er hat Biografien über Elisabeth II. und Winston Churchill geschrieben, auch einen Leitfaden zur Geschichte der Insel, die er in seinen Tiefendimensionen kenntnisreich be- leuchtet und sie immer wieder Interes- sierten gerne erklärt. Als er unlängst in Bonn beim 74. Godesberger Presse- stammtisch den „Brexit-Weg“ thesenar- tig vortrug, gab er, daran anknüpfend, der PAZ ein Interview. Herr Kielinger, Anfang der 1970er Jahre vernahmen Sie einen „Hauch vom ge- einten Europa, der die Züge umgab, die den Englandreisenden nach Ostende, den ‚port of embarkartion‘ transportier- ten“. Das schrieben Sie damals in den XYZ FOTO: „Neuen Deutschen Heften“ nach dem Besuch der Insel. Welchen Hauch ver- spüren Sie heute, fast 50 Jahre später? Thomas Kielinger: Kein geeintes Europa drängt sich heute an den Küsten der Insel, um hereingelassen zu werden. Geeint? Schauen Sie auf den Zustand der EU und sagen Sie mir, wie geeint er Ihnen vor- Der erste „Brexit“ geschah laut Thomas Kielinger schon im 16. Jahrhundert, als Heinrich VIII. sich vom Papst lossagte, um seine Ehe-Angelegenheiten ohne Einmischung von au- kommt. Auch ist die Stimmung auf der ßen nach eigenem Gutdünken regeln zu können: Jetzt sagt die Insel dem Kontinent erneut „Auf Wiedersehen“ Foto: imago images/Christian Ohde Insel seit dem Brexit umgekippt, ein alter Reflex kehrt zurück und wehrt sich gegen zu viel Einwanderung. Wenn das nur nicht Your England“ schrieb 1941: „The English sich nachträglich, wo der Premierminister global gerieren und auf steigende Multi- in Xenophobie umschlägt! are not intellectual.“ Sie haben einen Hor- die Zuversicht hernahm, den Wählern die kulturalität setzen. Sie sehen ihre traditi- ror vor abstrakten Gedanken, sie empfin- fortgesetzte Teilnahme an und in der EU Verträge mit onellen Gemeinschaften untergraben. In Ihren Beiträgen zur Lage der Briten den keine Notwendigkeit für irgendeine empfehlen zu können. Mit Vokabeln wie Staaten ohne ein „Take back control“ war daher auch ein heben Sie immer wieder deren DNA als philosophische oder systematische „Welt- „leidenschaftlich in der Verteidigung un- Weckruf gegen weitere unkontrollierte Insel hervor. Das Land sei wesentlich Sicht“. Anders als der kontinental gepräg- serer Souveränität“,