In Gintoft in Archivalischen Quellen Der Tod Eines Kleinen Waldes
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Der Tod eines kleinen Waldes – die unglaubliche Geschichte des historischen Preesterholts Die Vernichtung eines uralten Waldes in der selten glückliche Situation hat der langjährige Landschaft Angeln hat in den letzten Monaten Leiter des Kirchspielarchivs Steinberg, Bernd hohe Wellen geschlagen, zu intensiven Protesten Asmussen, aufgrund von wertvollen Urkunden weiter Bevölkerungsteile und der Naturschutz- die Geschichte des Preesterholts bis in vorrefor- verbände, zu Auseinandersetzungen und Zer- matorische Zeiten verfolgen können. Diese würfnissen zwischen Naturschützern und der Arbeit ist eine wichtige Grundlage für die dann Verwaltung geführt – nichts hat die völlig unnö- folgende Darstellung von Christian Stolz und tige und in die heutige Zeit mit ihren Umwelt- Wolfgang Riedel über die ökologische Bedeutung problemen nicht mehr passende Vernichtung dieses Primärwaldrestes in der Landschaft verhindern können. Wenn der Tod des Preester- Angeln und behandelt zusätzlich das kollektive holts nicht umsonst gewesen sein soll, muss Versagen der Instrumente des Naturschutzes diese Geschichte aufbereitet werden und es müs- und der dafür Verantwortlichen. Die Betrach- sen Schlüsse daraus gezogen werden. Diese Pro- tung des Problems aus zwei Blickwinkeln, aus zesse laufen und einen größeren Schutz von der historischen wie der geowissenschaftlich- wertvollen Naturwaldflächen möchten auch ökologischen, sind von besonderem Reiz und diese Beiträge befördern. Nachstehend finden besonderem Wert, sie dokumentieren und geben sich zwei Aufsätze zum Preesterholt. Durch eine Handlungsanleitungen. I. BERNHARD ASMUSSEN Das „Preesterholt“ in Gintoft in archivalischen Quellen Einen langjährigen Dorfchronisten über- ersten evangelisch-lutherischen Propsten rascht es nicht, in den kleinen, oft übersehe- Gerhard Slewert in Flensburg angelegt. Es nen Dorf- und Kirchspielarchiven unserer ist ein schlichter Pergamentband (21 x 17 Landschaft Angeln so manchen Schatz zu cm) und umfasst 238 Seiten, von denen aber finden. Auch die wissenschaftliche For- nur 118 beschrieben sind. Die Handschrift schung macht sich immer häufiger die vie- enthält die Niederschriften der von ihm len „Chroniken“ genannten lokalen Ge- schichtsbücher zu Nutze und sieht deren Verfasser – Laien und Hobbyforscher – nicht länger als Dilettanten oder nur als deren „Zuträger“ an. So befinden sich im Kirch- spielarchiv Steinberg in der Alten Schule in Norgaardholz und in der „Chronik des Kirchspiels Steinberg“1 einige interessante Nachrichten zur Geschichte der „Pastorat - hölzung“ in Gintoft, volkstümlich und auf Plattdeutsch „Preesterholt“ genannt. I. Flensburger Propsteibuch (1538) Das „Flensburger Propsteibuch“ wurde Abb. 1: Ausschnitt aus der Topographischen Karte 1538 kurz nach der Reformation von dem 1:25000 von 1879 (mit Einzeichnungen) 213 Abb. 2: Stenberch Thom kerkherrn eyn wedemstedhe / dar to eyn mc goldes van acker wische und holtinghe (Zum Prediger eine Wohnung, dazu eine Mark Goldes an Acker, Wiesen und Hölzung)... durchgeführten Visitationen der Angelner zung“. Es folgen ausführliche Mitteilungen Kirchen (Husby-, Nie- und Uggelharde), der über das Stuffland5 und weitere Ländereien Kirchen der Wiesharde bis nach Bau in der Kirche sowie über die tegenden6 und an- Nordschleswig hinauf sowie der Norder- dere Einkünfte des Predigers und des Küs- goesharde an der Westküste. Anno 1539 is re- ters. Das Wäldchen (holtinge) lag ebenso wie kenscup geholden in Steenberch für die Jahre die Wohnung (wedemstedhe) des Pastors in 1537 bis 1539, die erste Visitation von 1538 Gintoft, der Kirchen Nordwerts, einen guten muss sich also auf das Jahr 1536 bezogen Spatziergang davon. Hier ist das Pastorat, wel- haben. Spätestens in jenem Jahr wird die Re- ches von der Kirchen ungewöhnlich weit entle- formation in Steinberg Einzug gehalten gen.7 Die „Wedemstedhe“ ist das Pastorat haben. Des Propstes Slewert letzte Eintra- selbst mit den Stallungen und Nebengebäu- gungen stammen aus seinem Todesjahr den, die teils dem Pastor, teils der Kirchen- 1570.2 Die Visitationen wurden bis 1584 von gemeinde gehörten.8 seinem Nachfolger Johann Meier fortge- setzt, der gleich in seinem ersten Jahr 1571 wegen der Beschaffung der Kirchenglocke II. Kirchen-Inventarium zu Steinberg (propter sumptus campane) beträchtliche Aus- vom 3. Sept. 1766 gaben feststellte.3 Die Original-Handschrift wird heute im Kirchenbuchamt in Flens- Dritte Abtheilung burg verwahrt, eine nur das Kirchspiel III. Von Ländereien. Das meiste derselben liegt Steinberg betreffende Fotokopie befindet um das Pastorat herum, folglich, wie das Pasto- sich im örtlichen Archiv in Norgaardholz.4 rat selbst in dem Dorfe Gintoft, etwas entlegen Hier findet sich die erste bekannte Nach- von der Kirche sich befindet; also liegen auch die richt über dem Pastor der Steinberger Kir- Pastorat Ländereien größten Theils unter dem che zustehende Einkünfte aus einer „Höl- Gintofter Dorf-Ländereien. Abb. 3: Kirchen-Inventarium zu Steinberg vom 3. Sept. 1766 214 Hier wird vom Steinberger Pastor Peter Holst9 zum ersten Male die Bezeichnung „Pastorat-Hölzung“ gebraucht. Es lag in Gintoft in der Nähe des alten Pastorats, wo nahe bei Norgaard noch der Brunnen zu sehen und ein Pastoratkäthner wohnt.10 Pastor Holst wohnte aber schon nicht mehr in Gintoft, sondern in seinem eigenen Haus bei der Kirche, wo alles befindl. Gebäude, nebst dem zugekauften Freylande worauf Hauß und Gar- ten angeleget stehet, ihm eigenthümlich zugehö- ret.11 1783 wurde das Pastorat, da das Ge- bäude schlecht und baufällig geworden war, in das von dem Kammerjunker Schleppe- grell erworbene Sommerhaus bei Steinberg Kirche verlegt.12 III. Kirchen-Inventarium der Gemeine Steinberg Amts Flensburg vom 22. Mai 1839 Dritte Abtheilung III. Das Pastorat liegt bei der Kirche, und circa die Hälfte der Ländereien bei dem Pastorat Abb. 4: Karte des Kirchspiels Steinberg (Auszug) Georg IV. Vom Pastorat-Hölzung, Torfmooren, Fisch- Geyer, 1948 teichen Eine Pastorat-Hölzung ist vorhanden. Aus IV. Von Pastorat-Hölzung, Torf-Mohren, Fisch- derselben hat der Pastor früher jährlich eine teichen. Ausweißung von 4 Faden Kluftholz erhalten. Eine, obschon kleine, aus Eichen, Ellern und Da aber die Hölzung verhauen ist, so fällt diese Eschen-Bäumen bestehende Pastorat-Hölzung Ausweisung so lange weg, bis nach ermessen ist hieselbst, und zwar in der unter voriger Ru- der beikommenden Behörde die Hölzung wieder brique III. n. 9. erwähnten Holz-Koppel. Hieraus eine solche Ausweisung wird tragen können wo hat der Pastor zum Bau- und Radeholz jährlich diese denn wieder Statt finden wird. eine Ausweisung. (...) Abb. 5: III. Kirchen-Inventarium der Gemeinde Steinberg Amts Flensburg vom 22. Mai 1839 215 Abb. 6: Auszug aus der Grundsteuer-Mutterrolle der Gemeinde Bredegatt Dass die Pastoratshölzung – wie schon Pas- IV. Grundsteuer-Mutterrolle der Ge- tor Westedt13 1839 berichtet – erst nach einer meinde Bredegatt Reihe von Jahren wieder wird Ausweisung lei- den können und der Pastor bis dahin jährlich Die „Grundsteuermutterrollen“ wurden eine Vergütung von 38 Mark erhält, wird nach der Einführung des Grundbuches im 1841 auch von Pastor Jensen bestätigt.14 Jahre 1897 von den Katasterämtern aufge- Diese Angaben werden in den späteren Kir- stellt, fortgeschrieben und der Finanzver- chen-Inventarien des 19. Jahrhunderts waltung sowie den Gemeinden zu steuer- wiederholt. lichen Zwecken zur Verfügung gestellt. Eine Nachfrage beim Grundbuchamt15 ergab, dass die kleine Hölzung am 12. De- zember 1984 von der Kirchengemeinde Steinberg mit Sitz in Bredegatt16 gegen ein Waldstück im Gintofter Osterholz einge- 216 tauscht wurde, das inzwischen auch schon eine kleine Schmiede einrichtete. Der wieder den Besitzer gewechselt hat. genaue Standort dieser Wohnstelle kann allerdings nur vermutet werden, da Funda- mentreste bislang nicht gefunden wurden. V. Ein alter Streit am „Preesterholt“ Heute sind es die Sorgen um die Umwelt- belastung durch Gestank und schädliche Es ist schon erstaunlich, wie um so ein klei- Bodeneinträge sowie um den Erhalt einer nes Fleckchen Erde an einer der entlegens- „biologischen Rettungsinsel in der umge- ten Stellen des Kirchspiels Steinberg so viel benden Agrosteppe“, damals war es das Streit und Aufregung entstehen kann. Die weithin hörbare, aber doch eigentlich wohl- Rede ist vom Ullwehyer Weg (auch Ulle- klingende Hämmern auf dem Amboss, das hyer Weg) zwischen Gintoft und Steinberg, die Gintofter um ihre Ruhe und vor allem wo einst in den bronzezeitlichen Steingrä- den ortsansässigen Schmiedemeister um bern die Wölfe hausten.17 Wolf heißt auf dä- Lohn und Brot brachte. Der Störenfried gab nisch Ulv, und von ihnen hat dieser Weg sei- klein bei und zog fort. Ein Gintofter Bauer nen Namen – so wie der nahe gelegene hatte 1872/73 die Schmiedekate gekauft, Wohnplatz Ulsdamm in Steinberg-Roikier, und bald darauf wurden die Gebäude abge- wohin er einst führte. In der Karte sind der brochen.18 Das Problem war gelöst, nun im Rahmen einer Flurbereinigung in den herrschte wieder Ruhe in der Einsamkeit, 1950er-Jahren verlegte alte Ullwehyer Weg bis in unseren Tagen der Streit am Ullwe- sowie einige ebenfalls verschwundene Fuß- hyer Weg erneut aufflammte. Im November steige eingezeichnet. 2017 wurde das „Preesterholt“ in Gintoft, Ist es heute die Abholzung und Vernichtung das die Reformation, den 30-jährigen Krieg des kleinen Waldes, so waren es vor weni- und die beiden Weltkriege des 20. Jahrhun- gen Jahren die Errichtung von Riesenwind - derts überlebt hatte, abgeholzt und dem rädern in einem „Windpark Gintoft“ und Erdboden