Sendung Für Deutschlandradio Kultur Verrücktes Land Der Gletscher Und Des Pfirsichs
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O-Ton: Raphael Urweider. 0.00 vorfrühling. // teilweise schnee noch / verwehte helle zettel / ein eingezwängter bach / bringt wasser mit sich / und licht wie ein weh ein ach // gläserne käfer überrennen / ameisen als gäbe es sie nicht / der spatzenbock lässt von der / spätzin und hüpft stolz in den / noch nackten weißen baum Musik. ÜBERBLENDEN IN: 2. Atmo: Vögel. UNTERLEGEN. Autor: In einem Bergdorf im Süden der Schweiz steht ein junger Mann. Gleich neben der Kirche steht er, in Guttannen, einem 300-Seelen-Ort unterhalb des Grimselpasses. Der junge Mann, ein hochgeschätzter Lyriker, ist zu Besuch im Land seiner Kindheit. 2 3. O-Ton: Raphael Urweider. 17.49 / 18.28 Ich heiße Raphael Urweider, ich bin 1974 geboren und im Berner Oberland die ersten Jahre aufgewachsen, bis sieben – Autor: Der Vater, ein Pfarrer, schrieb in der Freizeit Gedichte und Kolumnen. Die schöngeistige Atmosphäre daheim habe ansteckend gewirkt, sagt Urweider. 4. O-Ton: Raphael Urweider. 21.54 Der Geruch auch von Bibliothek war im ganzen Haus zu spüren. Diese Schweizer Pfarrhäuser sind ja auch riesengroß und haben Garten und Umschwung, jedenfalls in Dörfern. Autor: Ein Bild wie von Spitzweg: Vaters Bibliothek mit ihren hohen Regalen, und vor den Fenstern der Bauerngarten mit seinen Stauden und Blumen, seinen Obstbäumen - Zwetschge und Pfirsich -, im Hintergrund die Gletscher der Walliser Alpen. 5. O-Ton: Raphael Urweider. 28.27 Der Garten ist natürlich auch etwas Interessantes, weil es ist gemachte Natur. Diese gemachte Natur ist vielleicht auch poetologisch zu lesen, man muß ein Arrangement machen, eine Auswahl treffen – Und dadurch entsteht ein Gedicht, im besten Fall. Ein Garten ist also eine Art Gedicht, ja – und diesen Garten stelle ich mir natürlich schon etwas verwunschen vor. Eine Art Locus amoenus. Autor: Locus amoenus, der liebliche Ort. Ein literarischer Topos seit der Antike – mit Wiese, Quelle und schattenspendenden Bäumen als Treffpunkt für Liebende. 6. O-Ton: Raphael Urweider. 3.33 Liebesgedichte sind die Grundlagen der Dichtung überhaupt, man besingt jemanden, eine geliebte Person, und ich wollte das auf eine Art auch etwas parodistisch vervollständigen, indem ich zu jedem Buchstaben des Alphabets, von A bis Z Frauennamen besingen wollte. Atmo: Vögel. AUSBLENDEN. 3 Autor: Der moderne Dichter gibt sich als virtueller Minnesänger. „Alle deine Namen“ heißt Urweiders jüngster Band, eine schmale Sammlung, in der er Antonia besingt und Beatrice [Beatriß]... 7. O-Ton: Raphael Urweider. 4.11 Ich sage Beatriche. - beatrice ich singe wenn niemand mich hört / ich ersinne deine namen mit leiser stimme... Autor: ... und Caecilia, Desdemona, Elodie... 8. O-Ton: Raphael Urweider. 5.08 samstags elodie sind die nachrichten / spärlich der botanische garten / schließt um vier die blätter der bäume / schrumpfen und geben ihr grün ab / die wolken reißen auf es will nicht regnen / elodie die samstage scheinen nicht mir zu gehören / meine sonntage aber gehören nur dir elodie Autor: Raphael Urweider – Poet, Rapper und Theaterautor - ist ein vielseitiger Künstler. Über die Liebe schreibt er so souverän wie über die exakten Wissenschaften oder das Leiden eines Krebskranken. Sein außergewöhnliches Talent wurde schon mehrfach geehrt, 2002 zum Beispiel mit einem Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt. 9. O-Ton: Raphael Urweider. 6.20 norma und ich das ist ein gedicht / ein geflecht ein dickicht in dem nur / norma und ich platz finden norma / und ich schlagen uns durch das gedicht / und errichten ein zelt im lichten / norma und ich schlafen eng unser / zelt ist aus worten die uns bedeuten Autor: Eine poetische Rundfahrt. Doch noch verharren wir, zwischen Baumgruppen, Büschen und Beeten. Wenn die Schweizer Lyrik ein Garten ist, vielleicht eher Park als Garten, dann stehen in einem verschatten Teil dieses Parks ein paar Statuen, Figuren von gestern, stimmgewaltig. 4 Zitator: Da liegst Du nun, ein Land, lächerlich, mit zwei, drei Schritten zu durchmessen, / mitten in diesem unglückseligen Kontinent, / genagelt an sein faules Holz, beleckt von der Flamme seiner Taten. / Die Erde, die Dich trägt, versteint, Hügel auf Hügel getürmt, zu einer Landschaft des Monds... Autor: Friedrich Dürrenmatt schrieb diese Verse, der große Dramatiker und Erzähler. Seinen „Schweizerpsalm“ notierte er kurz nach dem Krieg. Zitator : O Schweiz! Don Quijote der Völker! Warum muß ich dich lieben! / Wie oft, in der Verzweiflung, ballte ich bleich die Faust gegen Dich... Autor: Und das ist die Stimme eines Wahlschweizers, die Stimme des alten Hermann Hesse aus dem Tessin. 10. O-Ton: Hermann Hesse. 3.48 O Regen, Regen im Herbst, grau verschleierte Berge. Bäume mit müde sinkendem Spätlaub. Alle Wege hinab rinnt und gurgelt unendlich Gewässer. Und vom Kirchturm im Tale tropfen zögernde müde Glockentöne für einen vom Dorf, den sie begraben. Autor: Raphael Urweider kommt nur selten in diesen Teil des Parks, zu den Denkmälern der Überväter. Urweider mag die Tradition, aber auch die ironische Spiegelung. 11. O-Ton: Raphael Urweider. 6.53 magdalena du weißt zwar die / waschmaschine nicht zu bedienen / doch weißt du was sache ist ich / zum beispiel bin sache für dich / und das macht so sinn für dich wie / es mich zur sache macht also nur so / von sache zur sache Autor: Aus Guttannen ist der Poet längst fortgezogen. Vor einem Jahr kam er nach Bern, als künstlerischer Leiter eines 5 Theaters. Und plötzlich wird ihm die Zeit knapp, die Zeit zum Schreiben. Der Garten der Poesie, dieser liebliche Ort, muß warten. 12. O-Ton: Raphael Urweider. magdalena wenn / ich mich nun als sache fühlen darf / darf ich auch sagen dass du einige / sachen nicht zu bedienen weißt / das heißt für mich aber auch dass du / mich nicht zu bedienen wüßtest / wären alle sachen auch waschmaschinen / magdalena wir sind es nicht sagen wir / anderen sachen glücklich und / stehen zur verfügung bitte bedien dich Autor: Wir bleiben in Bern, einen Moment noch, um Jürg Halter zu besuchen, Halter, Jahrgang 1980, einen der eigenwilligsten Autoren der jungen Generation. 13. O-Ton: Jürg Halter. Kling-Klang-Musik. Spiegelbild // Wenn ich die Augen schließe, / hörst du auf zu sein? // Lies mir von den Lippen. // Wenn ich lange schon schweige, / vernimmst du meine Stimme noch? // Lies zwischen meinen Zeilen. // Lausche weiter. [21“ Musik!] Autor: Jürg Halter, Lyriker und Mundart-Rapper: Abgeklärt wirkt er in Text und Performance. Als habe er die Rätsel der Welt gelöst. Oder als sei er ein grübelndes Kind. Aber da ist viel Pose in der Erscheinung. O-Ton: Jürg Halter. „Lausche weiter“ – KOPIEREN, WIEDERHOLEN! Lausche weiter. // Doch sag mir Spieglein an der Wand, wie lange noch / willst du mich eigentlich beweisen? UNTER AUTOR EINBLENDEN: Musik. UNTERLEGEN. Autor: „Ich bin der Bahnhof, in dem ich einst anzukommen gedenke“, sagt Halter. Und wir, wir machen uns nun auf den Weg. Im Uhrzeigersinn durch die Eidgenossenschaft. Von Bern nach Norden, an Basel vorbei, wo Urs Allemann wohnt, Jahrgang 48, Allemann, der Delirien zu Papier bringt, lautmalerische 6 Kleinkunstwerke. „Im Kinde schwirren die Ahnen“ heißt ein kleines Buch mit CD aus dem Jahr 2008. 14. O-Ton: Urs Allemann. 51 zuck zeh ess zung // a-zug ab gfahr ich b-zug nom / weg b- zug mich gnom fahr w-zug Musik. AUS. Autor: Der Schweizer Dichtergarten par excellence liegt im Mitteland - Region Freiamt, Kanton Aargau, dicht am Fluß Reuss. Bei klarer Sicht sieht man die Berge. Hier lebt Erika Burkart mit ihrem Mann Ernst Halter. 15. O-Ton: Erika Burkart. Burkart Vikarin 13.00 Es waren immer schon schöne Bäume da, es war die weite Landschaft, es war das Moor, die Reussebene, die Wälder ringsherum, und dann: die Stille draußen in der Landschaft, der Lärm in der Wirtschaft! Autor: Ein Park, halb wild, sich selbst überlassen. Und in dem Park ein schweres altes Gemäuer. Das Haus Kapf. Einst Sommerresidenz der Äbte von Muri, später Wein- und Speise- Wirtschaft, vom Vater betrieben. Erika Burkart hat – von Reisen abgesehen – ihr ganzes Leben hier verbracht. In diesem Park, einem Abbild der Welt. Zitatorin: Am Fenster, abends // Vor nachtgrünen Matten / unterwegs zu Wörtern, / Klartext / zu einem dunklen Gedicht. // Das innere und das äußere Land, / der Himmel flößt Gärten, Getrennte / gehen dort Hand in Hand. (Ortlose Nähe, 63) Autor: Sie ist eine kleine Frau mit langem weißen Haar, 87 Jahre alt. Sie schreibt natur-philosophische Gedichte, die an Peter Huchel erinnern, an Johannes Bobrowski. Sie sammelt: Zeichen im Sand, Chiffren im Schnee, verwehte Laute, Flüster- 7 Vokabeln von Gras und Wind. Der Garten dringt in die Poesie, die Poesie drängt zurück in den Garten. Raphael Urweider sagt: 16. O-Ton: Raphael Urweider. 28.09 Ich glaube schon, daß für eine gute Beobachterin ein Garten