Reader gegen studentische Verbindungen

Zusammengestellt von der Antifa TU Berlin Herbst 2005 Antiburschen Reader

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Inhaltsverzeichnis

Editorial 2

Rechte Studentenverbindungen in Berlin 4 Antifaschistisches Infoblatt

Institutionalisierte Freundschaft 8 Zur Geschichte und Soziologie studentischer Verbindungen AStA Uni Hannover

Das Frauenbild der Burschenschaften 14 Antifa TU

Herr Schönbohm von der CDU 16 Antifa TU

Elite sein... 20 Ziel korporationsstudentischer Erziehung Stephan Peters (Der rechte Rand)

Verbindungen und Frauen 23 AStA Uni Hamburg

Studentische Verbindungen 24 AStA Uni Düsseldorf

Glossar 29 Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum (APABIZ)

Literaturverzeichnis 31

Internetlinks 32

Kontaktaddressen 32

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Editorial

Schwerpunkt dieses Hefts sind studentische Verbindungen bzw. Burschenschaften. Deren reaktionäres Gedankengut, ihre widerlichen Traditionen und ihre seltsamen Lockungen und Werbungen (z.B. Verbandsleben, billig Wohnen) sollen hier beleuchtet werden. Da wäre z.B. ihr elitäres Denken, welches die angehenden Akademiker an der Spitze einer aufstrebenden deutschen Nation sieht.

Und tatsächlich finden sich erstaunlich viele „alte Herren“ (Burschis im Berufsleben) in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft wieder. Diese sind keineswegs inaktiv, sondern unterstützen die Burschen mittels ihrer Machtpositionen und finanzieller Mittel. Dass eine Verbindung einen „Lebensbund“ schließt, wird hier besonders deutlich. Nicht besser wird dieser “Lebensbund” mit dem in ihrem Weltbild fest verankertem hierarchischen Denken und Handeln. So müssen die Neuen („Füxe“), bevor sie Burschen werden können, erst einmal sich im Dienen und Bedienen üben.

Dabei sind sie offen antisemitisch, rassistisch, nationalistisch und revisionistisch.

So fordert ein nicht geringer Teil den Anschluß Österreichs an Deutschland. Ebenso wird die ehemalige DDR als Mitteldeutschland bezeichnet, „[...] da ja in Osteuropa noch viele deutsche Gebiete [...]“ seien.

Dass die Burschenschaften sich, nachdem sie 1933 gleichgeschaltet worden sind, gut in die nationalsozialistische Gesellschaft integrierten, verwundert bei ihrer nationalistischen und antisemitischen Ideologie wohl kaum.

Und so habendiese jungen und alten rechten Konservativen auch keine Probleme mit Rechtsextremisten aller Couleur und arbeiten zum Teil mit denselbigen eng zusammen.

Nicht zu vergessen ist ihr Menschenbild welches durch Sexismus, Homophobie und Rassismusabgesteckt wird. So werden in den meisten Verbindungen nur deutsche Männer, die den Wehrdienst geleistet haben, aufgenommen. Frauen haben sich ihrem chauvinistischen Männerbundgehabe unterzuordnen. „Liberale“ Gesinnungen und Homosexualität werden als Krankheiten diffamiert. Da passt schließlich ins Bild, dass so genannte pflichtschlagende Bünde „Mensuren“ veranstalten, in denen sie sich durch Fechtkämpfe ihre Männlichkeit beweisen. Schnittwunden und bleibende Narben sind dabei Illustration dieses Rituals und keineswegs eine Schande.

Bleibt noch anzumerken, dass da keineswegs nur Burschenschaften existieren. So gibt es noch eine Reihe anderer studentischer Verbindungen: Corps, Turnerschaften und sogar einige Damenschaften.

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Wenn auch in leicht anderen Ausformungen, so herrscht in all diesen Verbindungen der konservativ-reaktionäre Geist. Also gilt die Kritik auch diesen vermeintlich weniger gefährlichen Korporationen.

Nun zum Semesterbeginn sind diese Verbindungen besonders aktiv. Sie wollen mit Parties, billigen Wohnungen (in ihren Verbindungshäusern), Zeitungsannoncen und Studienhilfe neue Mitglieder werben. Also aufgepasst!! Party machen könnt ihr woanders viel besser, Wohnungen werdet ihr auch finden und KomillitonInnen, die euch beim Studienanfang helfen, gibt’s wahrlich genug.

Die antifaschistischen Gruppen der Berliner Unis wollen dem Treiben der Burschen und sonstigen Korporierten nicht tatenlos zusehen. Nicht zuletzt deswegen also dieser Reader. Dabei haben wir das Rad nicht neu erfunden und auf ältere Texte zurückgegriffen.

Danke an alle die diesen Reader ermöglicht haben.

Traditionen sind kein Grund. Nieder mit dem Männerbund. Burschen ins Bierspucken.

Eure Antifa TU Berlin

// Vielen Dank an

... und die ASten der Unis Hannover, Hamburg und Düsseldorf 5 4 Antiburschen Reader Antiburschen Reader

Rechte Studentenverbindungen in Berlin Aus dem Antifaschistischen Infoblatt Nr 65 - 1/2005

Ein für Berlin-Neukölln ungewöhn- rechtigt mit dem Volksbund Deutsche liches Bild bietet sich einem alljähr- Kriegsgräberfürsorge bedeutungsvoll lich dann, wenn der Ring Deutscher ihre jeweiligen Kränze ab. Der Kranz Soldatenverbände zum »Volkstrauer- der Ehemaligen der 26. Panzerdivisi- tag« auf dem ehemaligen Garnisons- on liegt wie selbstverständlich neben 1 1) Heute ist der Friedhof am friedhof lädt. Einträchtig stehen hier dem der Verband der Reservisten der Columbiadamm vor allem als im regnerischen Novemberwetter deutschen Bundeswehr. Vor der Kulis- ältester islamischer Friedhof 2 Deutschlands bekannt. hoch rangige Militärattaches mit Grup- se von ca. ein dutzend Fahnenträgern pierungen wie der Ordensgemein schaft drängen sich kurzhaarige Bomber- 2) Laut der Reservisten- kameradschaft 08 Berlin Süd, gehörten am 16.11.2003 die Militärattaches aus England und Frankreich sowie der Botschafter von Malta zu den Ehrengästen, siehe: Kranzniederlegung auf dem Garnisonsfriedhof Columbiadamm, Torsten Meyer, RK 08 Berlin - Süd.

Rechts: 143. Stiftungsfest des Chorps Cheruskia der Ritterkreuzträger, dem Stahlhelm jackenträger und ältere Herren mit Ganz rechts: Wappen der Berliner und Abordnungen der Bun deswehr Schiebermützen wie auf einem Klas- Landsmannschaft Thuringia zusammen, um mit ernster Miene senfoto. Für die älteren Veteranen der den »gefallenen Kameraden« oder Erlebnisgeneration und die begleiten- wahlweise den »Opfern von Krieg den Frauen werden in der ersten Reihe und Gewaltherrschaft« zu gedenken. eigens Sitzbänke reserviert. Mittendrin NPDler wie Jörg Hähnel, der REP- steht, fast schon symbol haft, zwischen Funktionär Konrad Voigt und die der vermeintlich bür gerlichen und DVU-Landtagsfraktion Brandenburg der extremen Rechten, die Berliner um Sigmar Peter Schuldt legen gleichbe- 7 6 Antiburschen Reader Antiburschen Reader

stischen Grundsätzen, insbesondere großdeutschen Gebietsansprüchen, das Verbandsleben prägt. Nach perso nellen Überschneidungen in die rech te bis Gothia. neonazistische Szene braucht man daher Wenn von Rechtsextremismus inner- nicht lange zu suchen. So gehören bzw. halb von Korporationen die Rede 3) Nicht zu verwechseln gehörten bekannte NPD-Aktivisten mit der pfl ichtschlagenden ist, bezieht sich dies zumeist auf wie Andre Kapke aus Jena, der NPD- Mitglieder oder Mitgliedsbünde der Vordenker Jürgen Schwab, wie auch Thuringia Berlin im Deut schen Burschenschaft (DB). Coburger Convent, welche sein Parteikollege Jürgen Gansei - jetzt mit Filmvorführungen wie Daher sei der Fokus auf die DB- Abgeordneter im »Churchills Friedensfalle« in Mitgliedskorporationen gerichtet, zu ihrem Verbindungshaus am denen in Berlin die Vereinigte Berliner Mythos einer Ermordung des 3 Hitlerstellvertreters Rudolf Burschen schaft Thuringia , die Berliner Hess mitstrickt, Bur schenschaft der Märker, die Bur- www.l-thuringia.de. schenschaft Arminia Berlin und nicht 4) Laut ihrer eigenen zuletzt die Berliner Burschenschaft Internetpräsenz Gothia zählen. Dazu kommen etliche www.burschenschaft.de Altherrenverbindungen und Zusam- 5) Der Rechte Rand #68, menschlüsse wie der Berliner Waffen- Februar 2001,5.11, Nach ring, welcher sogenannte Pauktage rechts offen - Die Deutsche für die schlagenden Verbindungen Burschenschaft radikalisiert sich, Günter Mauser. durchführt. 6) Oberhessische Presse, Wer ist die Deutsche 8. Februar 2000, Marburger Burschenschaft schließt NPD- Burschenschaft? Aktivisten aus. Die Deutsche Burschenschaft (DB) stellt den zweitgrößten Korporierten- verband mit 15.000 Mitgliedern in rund 115 Bünden in Deutschland und Österreich dar4. Die DB ist dabei kein monolithischer Block, hier gibt bzw. gab es sowohl einen etwas liberaleren »Hambacher Kreis« als auch den extrem rechten Flügel der »Burschen- schaftlichen Gemeinschaft« (BG) mit ca. 40 Bünden. Die verschiedenen Nuancen innerhalb der DB weisen sächsischen Landtag - zu Burschen- allerdings nicht auf fundamentale schaften der DB5. Im Januar 2000 Uneinigkeit, sondern auf ideologi- wurde Gansei aus seiner Burschen- sche Gradunterschiede hin. Grundle- schaft ausgeschlossen, da ihm gendes Merkmal der DB ist deren vorgehalten wurde, einen Hausmeister restriktive Aufnahmepraxis: Frauen, attackiert zu haben, welcher sich über Ausländer, Homosexuelle und Kriegs- »Sieg Heil«-Rufe empörte.6 In einer dienstverweigerer haben dort nichts Gegendarstellung bei Spiegel Online zu suchen. Auf Verbandsebene sind vom 27. September 2004 weist Jürgen dem rechtsextremen Spektrum zuzu- Gansei darauf hin, den Haus meister ordnende Politikkonzepte hegemonial. Wobei die BG mit extrem nationali-

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keinesfalls mit einem Luftgewehr Deutschen Burschenschaft. beschossen zu haben. Er wurde im Ihren Mitgliedern bietet sie seit Jahren Oktober 2000 vom AG eine breite Palette von rechten 7) »falsch verbunden« diesbezüglich freigesprochen. Von bzw. militaristischen Schulungsver- Reader zu studentischen den Berliner Mitgliedsbünden der anstaltungen, mit bekannten Prota- Verbindungen in Berlin, Deutschen Burschenschaft sind vor gonisten der extremen Rechten wie Recherchegruppe studentische Korpora tionen in allem die »Märker« und die »Gothia« Alfred Mechtersheimer, Horst Mahler, Berlin, Oktober 2004 einschlägig aufgefallen. Hans-Hellmuth Knütter oder aber auch etablierter Politprominenz wie dem 8) Fachschaft Philosphie , philfalt #73, Märker ehemaligen Berliner Bürgermeister 19.5.2003, Burschen und Die Burschenschaft der Märker ver- Eberhard Diepgen, welcher alter Herr Anwälte, Max. fügt über eine Villa im gutbürgerli- der Burschenschaft Saravia Ber lin 9) Likedeeler Sonder ausgabe chen Bezirk Dahlem, nahe der Freien ist. Die Villa der Gothia in Berlin- 1. September, Scharnier oder Universität Berlin. Für die extrem Zehlendorf ist zudem Anschrift und Schnitt menge?, Sven Römer. rechte Wochenzeitung »Junge Frei- Treffpunkt der Berliner »Reservisten- 10) Reservistenkamerad- heit« richtete sie 2003 deren Sommer- kameradschaft Freiherr von Lützow«, schaft Freiherr von Lützow im fest, inklusive Dampferfahrt, aus. deren etwa 25 Mitglieder die Interes- VdRBW-Landesgruppe Berlin, Zu den Mitfeiernden zählte auch sen von Reservisten gegenüber der http://rk09-berlin.de der bekannte Vordenker der »Neuen Öffentlichkeit und der Bundeswehr 11) Berliner Zeitung, Rechten« Alain de Benoist. Der »Mär- vertreten wollen10. Ein Blick in deren 21.03.1997, »Kritische ker« Karsten Rausch ist nicht nur Liberale«: Zweiter Versuch Veranstaltungskalender zeigt recht mit Mechters-heimer, Gothia Pressesprecher im Dachverband der deutlich, welches Spektrum hier be- Semes-terprogramm für das DB, sondern auch Rechtsanwalt in dient wird, so referiert man hier über WiSe 1999/2004, Referent: der Kanzlei Quensell und Kollegen7. Bundesbruder Johlige die multikulturelle Gesellschaft als Er vertrat als solcher beispielsweise »Konstrukt ohne Integrationspotenti- 12) Nehring war erster Marc Königs aus dem Umfeld der al«. Dass sich der »Reservistenkolle- Stipendiant der DB an der Uni Kamerad schaft Aachener Land, dessen Kaliningrad und Vorsitzender ge« und Bezirksbürgermeister von der Jungen Finger abdrücke im Oktober 2001 Steglitz-Zehlendorf Herbert Weber Landsmannschaft Ostpreußen auf einer falschen Milzbrandsendung dafür stark macht, der Gothia Räume bzw. dessen Nachfolgers dem an die Jüdische Gemeinde gefunden Bund Junges Ostpreußen. im örtlichen Rathaus zu überlassen, wur den8. Neben Bildungsarbeit und verwundert daher nicht wirklich. Seit Semi naren, wie etwa zum Thema: der Gründung der ersten Berliner »Keine Revolution ohne Staatsgelder« Schülerverbindung »luvenis Gothia« des JF-Autoren Manuel Ochsenreiter, 1981 wirbt die »Gothia« Gymnasiasten versuchen sich die »Märker« in einer ab dem 14. Lebensjahr. Die ersten Art eigener Jugendarbeit. Dazu gründe- Mitglieder lernten sich so über die ten sie 1997 eine eigene Schülerver- »luvenis Gothia« oder über CDU-nahe bindung, die »pennale Burschen schaft Schülergruppen kennen. Theodor Fontäne«, über die sie mit der Prominente »Gothia«-Mitglieder sind Greifswalder Burschenschaft Rugia eng die Rechtsanwälte Markus Röscher zusammenarbeiten. Bekannte Rugia- und Eckart Johlige, deren gleichna- Mitglieder sind die NPDler Mathias mige Kanzlei auch von der Gothia- und Stefan Rochow, letzterer ist JN- Webseite verlinkt wurde.11Roschers Vorsitzender im NPD-Parteivorstand9. Parteikarriere führte nicht allein über »nationalliberale« Berliner FDP-Kreise Gothia und die CDU, zur Bundestagswahl Die Gothia ist als einzige Berliner 1998 kandidierte er zusammen mit Burschenschaft Mitglied der Bur- seinen Bundesbrüdern Norman Pla ster, schenschaftlichen Gemeinschaft, also Eckart Johlige und Rene Neh ring12 für des offen rechtsextremen Flügels der den rechten Bund Freier Bürger. 9 8 Antiburschen Reader Antiburschen Reader

Fazit

Einen Überblick über studentische Einfl ussmöglichkeiten, die über die von Verbindungen in Berlin zu geben ist »norma len« extrem rechten Zusammen- kein leichtes Unterfangen. Im Gegen- schlüssen hinausgehen. Grund genug, satz zu anderen Universitätsstädten das Wirken rechter studentischer Ver- treten diese weniger offen auf bindungen im Auge zu behalten. und gehören kaum zum Unialltag. Nichts destotrotz sind knapp fünfzig Verbin dungen jedes Semester darum bemüht, neuen Nachwuchs zu rekru tieren. Die meisten von ihnen verfü gen über eigene Verbindungshäuser mit entsprechenden Zimmerangeboten und betonen gerne den Einfl uss ihrer alten Herren in Politik, Wirt schaft, Verwaltung und an den Uni- versitäten. Auch wenn sie sich gern ein »freiheitliches« Image geben, ver tritt zumindest die Deutsche Bur schenschaft ein im Kern quasi organi sches Volksverständnis und anti- emanzipatorische Ideologien. Ihre Verbindungen ins bzw. Überschnei dungen zum extrem rechten Lager sind daher logische Folge. Das gleichzeitige Engagement rechter Burschen schaftler in etablierten wirtschaftlichen und parteipoltischen Strukturen eröffnet ihnen jedoch

Haus der Burschenschaft Gothia in Berlin Königstraße 3, Berlin-Zehlendorf

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Institutionalisierte Freundschaft Zur Geschichte und Soziologie studentischer Verbindungen

aus AStA Hannover (Hg.): Eliten und Untertanen. Studentische Verbindungen in Hannover und anderswo, Hannover 2005

Ihrem eigenen Selbstverständnis die sich in der vergleichsweise nach sind studentische Verbindungen gering funkti onal differenzierten Ver einigungen mit einem stark 1)Vgl. Wehler 2001, S. 36 mittelalterlichen Hochschule vor positiv besetzten Traditionsbezug. allem um die praktischen Belange der 2)Vgl. Kurth 2004, S. 55ff. Ihre Ur sprünge verorten viele an den scholares kümmerten. So halfen sie ersten christlichen mittelalterlichen beispielsweise bei der Immatrikulation Hochschulen und Universitäten seit oder verhandelten mit Hausbesitzern der Wende zum 13. Jahrhundert. über die Miete. Außerdem nahmen sie Zu diesem Zeitpunkt schlössen sich universitäre Aufgaben wahr, die später zuerst in , und Oxford entweder innerhalb der sich stärker Lehrer und Schüler zu universitates funktional differenzierenden und magistrorum et scholarium zusammen. professionalisierenden Institution Uni- Ein Studium an einer derartigen versität von Fachkräften ausgeübt oder Einrichtung bedeutete für diejenigen, aber ausgelagert wurden.2 die aus den unteren Schichten Die Vorläufer der heutigen stammten, in der Regel den sozialen Studentenverbindungen sind nicht Aufstieg. Viele von ihnen strebten die nationes, sondern die societates eine Versorgung im Kirchendienst an. nationales, die Kränzchen und die Die älteste studentische studentischen Orden, die entstanden, Organisationsform des hohen und nachdem die nationes bis zum 16. späten Mittelalters, die seitens der Jahrhundert immer mehr an Bedeutung Studentenverbindungen als Vorläufer verloren hatten. reklamiert werden, sind die so genannten nationes. Diese sind ungeachtet des Terminus nicht mit dem Exklusivität Be griff der Nation zu verwechseln, denn die mittelalterlichen nationes Während ursprünglich jeder scholar waren nicht nationalstaatlich im universitätsoffi ziell einer natio modernen Sinne geprägt1 - es zugewiesen wurde, rekrutierten existierten schließlich weder Nation die von den Universitäten nicht noch Nationalstaat - sondern sie anerkannten societates nationales ihre umfassten ortsfremde Studenten ver- Mitglieder selbst, wobei gezwungen schiedener staatlicher Einheiten. wurde, wer nicht “freiwillig“ eintrat. Die nationes haben mit den heutigen Im Unterschied dazu wählten die Studentenverbindungen weniger Ge- studentischen Orden des 18. Jahrhun- meinsamkeiten als mit den ASten derts ihre Mitglieder exklusiv aus. und/oder Fachschaften: sie waren eine Kriterium für die Aufnahme waren Art studentische Interessenvertretung, vor allem die geistige und menschliche “Reife“, da sich die studentischen Orden von der Studentenschaft abheben wollten.

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Bis heute spielt die “Exklusivität“ bei Soziologisch betrachtet ist die Betonung der Auswahl der Mitglieder studen- der Freundschaft seitens der stu- 3)Vgl, Selbstdarstellung des tischer Verbindungen eine Rolle, wobei dentischen Orden im 18. Jahrhundert CV 1998, S. 66. die Kriterien variieren: wer Mitglied eine Folge umfassender gesellschaftli- werden kann, hängt je nachdem, cher Transformationsprozesse, vor allem welcher Verbindung man beitreten der zunehmenden gesellschaftlichen will, von Konfession, Geschlecht und/ Differenzierung: Hierzu ist die oder Staatsangehörigkeit ab, teilweise berufliche Differenzierung genauso spielen auch völkische, kulturelle zu zählen, beispielsweise übernahmen und/oder materielle Aspekte eine immer weniger Männer automatisch Rolle oder aber persönliche Vorlieben den Beruf des Vaters, wie die Zunahme und Begabungen, etwa sportliches oder musisch-künstlerisches Engagement. Die Palette ist vielfältig, so dass theoretisch mehr oder minder jede/r die Möglichkeit hat, als “exklusiv“ zu gelten, für manche sind die Chancen besser: ein fiktiver nach völkischen Kriterien definierter deutscher “weißer“, heterosexueller und einigermaßen wohlhabender Student christlichen Glaubens hätte die größte Auswahl. Er könnte in jeder der etwa 1.000 studentischen Korporationen mit Ausnahme der rund 20 Damenverbindungen um Aufnahme bitten, um eine institutionalisierte Freundschaftsbeziehung einzugehen. Andere haben eingeschränktere Möglichkeiten.

Freundschaft „Zum ersten Mal in Wichs“ - Gemälde von Georg Das schon für die Mitglieder Mühlbergum 1900 der studentischen Orden im Zentrum stehende Moment der Freundschaft spielt bis zum der geografischen und sozialen gegenwärtigen Zeitpunkt für zahl- Mobilität oder die Ausdehnung des reiche Studentenverbindungen eine staatlichen Einflusses in Recht und wichtige Rolle. So bezieht sich etwa Verwaltung . Neben den familiären und der “ der katholischen beruflichen Strukturen differenzierten deutschen Studentenverbindungen“ sich auch die religiösen Vorstellungen (CV) seit seiner Gründung 1856 neben und Gewohnheiten immer mehr, so den Prinzipien religio, scientia, patria dass insgesamt eine größere soziale auch auf das Prinzip amicitia3.

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Heterogenität entstand. Dadurch wurde einerseits die Freiheit des praktiziert wird, vor dem Hintergrund Einzelnen erweitert, anderseits nahmen einer sie einenden essentialistischen Unsicherheiten und Desorganisation polaren Geschlechterkonzeption nach zu. Als Folge dieser gesellschaftlichen wie vor explizit ab.6 Entwicklung entstanden immer So werden etwa den Mitgliedern mehr Freundschaftsbande, die auf des pfl ichtschlagenden “Coburger “institutioneller“ Ebene eine den Convents der Turnerschaften und persönlichen Freundschaften ähnliche Landsmannschaften“ an deutschen Funktion übernahmen, weshalb der Hochschulen in ei nem internen Soziologe Fried rich H. Tenbruck die Faltblatt Argumentationshilfen Zeit von 1750 bis 1850 als “große gegen die Aufnahme von Frauen Epoche der Freundschaft“ bezeichnet nahegebracht. Auf die Frage “Warum hat4. Diese Freundschaftsbünde 4)Tenbruck 1964, S. 436. nehmt Ihr keine Mädchen (sic!) gewährten dem einzelnen Individuum auf?“ empfi ehlt der Verband folgende 5)Vgl. Kurth 2004, S. 73f. die Identifi kation mit der Gruppe, Antworten: “Weil wir keine unnötigen eine Vorstellung von sich selbst 6)Vgl. ebd., S. 17ff. Kon fl iktsituationen erzeugen wollen; und Einheit auch Sicherheiten im weil Frauen sehr oft andere Interessen 7)Coburger Convent o. J. Verhalten. Für die meisten Frauen haben als wir, und wir die Zielrichtung bedeuteten die gesellschaftlichen unseres Bundes nicht verbiegen lassen Veränderungen zunächst jedoch weder wollen; weil wir uns in unserer auf größere individuelle Freiheiten, noch Männer beschränkten Gemeinschaft stärkere Verunsicherungen oder gar wohlfühlen; weil wir deshalb Mädchen Desorganisation, weshalb Freundschaft - die wir durchaus gern bei unseren im 18. Jahrhundert in erster Linie eine Veranstaltungen sehen und sie in den 5 männliche Angelegenheit darstellte. Bundesbetrieb weitgehend integrieren - Dies änderte sich mit den weiblichen nicht als formelle Mitglieder brauchen Emanzipationsbestrebungen, weshalb (wir haben aber nichts dagegen, wenn auf universitärer Ebene mit der Mädchen ihre eigenen Verbindungen allgemeinen Zulassung der Frauen zum aufmachen, und wir helfen ihnen gern Studium um die Wende vom 19. zum dabei); weil wir den Mädchen nicht 20. Jahrhundert auch die ersten Studen- die Erschwernisse im Bundesleben tinnenvereine entstanden. zumuten wollen (z. B. das Fechten); Während sich für die studentischen und auch, weil es nicht sein muß, viel Orden des 18. Jahrhunderts und Wichtiges und Schönes, das wir uns die Stu dentenverbindungen des geschaffen haben, aufzugeben, um 19. Jahrhunderts die Frage nach vielleicht ein bißchen Neues zu errei- der Integration von Frauen in ihre chen, das vor allem andere - nämlich Freundschaftsbünde überhaupt die Mädchen gern haben wollen...“7 nicht stellen konnte, lehnen Alle genannten Argumente, die die verbindungsstudentischen - wie der Verband betont - in den Männerbünde der Gegenwart Diskussi onen mit Außenstehenden, einen geschlechterübergreifenden den Studentenverbindungen kritisch studentischen Freundschaftsbund, Gegenüberste henden, nicht “auf der prinzipiell denkbar ist und in den gemischten Verbindungen auch

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einmal“ verwendet werden sollen8, studentischen Zusammenschlüsse, in rekurrieren implizit auf das im denen insgesamt ein ausgesprochen 8)Vgl. ebd. letzten Drittel des 18. Jahrhunderts roher Verhaltenskanon herrschte und wo entwickelte Modell von der Polarität jegliche Affekte relativ unkontrolliert 9)Vgl. ebd. 9 11 der Geschlechter , mit dessen Hilfe ausgelebt werden konnten , stehen 10)Vgl. Hausen 1978. Müller sich ein vermeintlich unüberbrückbarer in engem Zusammenhang mit den 1998,5. 20f. Geschlechterdualismus konstruieren Auseinandersetzungen zwischen den 11)Vgl. Kurth 2004, S, 66ff. lässt. Die eigene (männliche) Gruppe protestantischen Landesfürsten und wird als homogen wahrgenommen, dem katholischen Kaiserhaus. Im 16. die vor dem als komplementär Jahrhundert und im Dreißigjährigen wahrgenommenen “Anderen“, dem Krieg. Während in dieser Zeit viele “Weiblichen“ geschützt werden muss. europäische Staaten nach und nach in zentralisierte und im Inneren Bereits die societates nationales immer mehr pazifizierte Monarchien des 16. und 17. Jahrhunderts boten transformiert wurden, erwies sich die “der post-pubertären akademischen eher lockere Integration des Heiligen Jugend ein Forum für subkulturelle Römischen Reiches Deutscher Nation Riten, wie sie sich im Duell- als große Schwäche. Und während und Satisfaktionswesen, in den das 17. Jahrhundert für die Menschen

Trinksitten, in Bierbrüderschaften, des heutigen Frankreich, England Oben: der Bändertracht und vielem anderen oder der Niederlande eine “Periode Burschen der Schweizer mehr ausbildeten.“10 Die zeitlich großer kultureller Schöpferkraft Verbindung scaphusia beim gemeinsamen Saufen vergleichsweise ausgedehnten und zunehmender Pazifizierung gewaltsamen Initiationsrituale dieser und Zivilisierung“ war, erlebten die

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integrierenden deutlichcn Oberschicht 14 Menschen Im Heiligen Römischen bei. Die ihm zugrunde liegenden Reich Deutscher Nation “eine Zeit Normen sind vor allem im Comment festgelegt, der seit etwa 1770 “die 12)Ellas1994, S. 12. der Verarmung, auch der kulturellen Verarmung, und einer zunehmenden Bedeutung einer Standesordnung und 13)Vgl. Borkowsky 1908, S. 12 eines Gesetzbuches für das gesamte 57f. Verrohung“ , die sich unter anderem 15 in den Ritualen der studentischen studentische Leben“ , ab Ende des 14)Vgl. Kurth 2004, S. 121ff. Organisationen niederschlugen. Nicht 18. Jahrhunderts nur noch für das der Verbindungsstudenten hatte. Der 15)Ssymank1991,S. 195f. selten starben Studenten an den ihnen zugefügten Verletzungen oder begingen Comment regelte und regelt zum Teil bis 16)Vgl. Kurth 2004, S. 75ff. aus Verzweifl ung Selbstmord.13 heute den Umgang der (Korporations-) Die von den societates nationales Studenten untereinander, etwa die institutionalisierten Formen der Modalitäten der Duelle und Mensuren, Gewaltausübung wurden mit die Kommerse, Trinksitten und anderes den Anfängen des staatlichen Brauchtum, das Verhalten gegenüber Gewaltmonopols verboten, die Frauen sowie die Losung von Rituale nach und nach modifi ziert. Konfl ikten. Das mittlerweile außerordentlich Die Spezifi k der im Comment fi xierten “Lebensnorm“ besteht in einem streng genormten abweichenden Verhalten, wodurch die studierenden Männer exklusive gesellschaftliche Stellung legitimier(t)en wie praktizierten. Der Comment verlangt/e von den Studenten abweichendes Verhalten in Bezug auf in der Gesellschaft geltende Normen, defi nierte aber dieses abweichende Verhalten selbst als soziale Norm, welche das Verhalten und jegliche Affekte vergleichsweise streng reglementiert/e, defi nierte beispielsweise den sich im Verlauf differenzierte Gefl echt aufeinander leicht verändernden Rahmen innerhalb abgestimmter Rituale sollte sich im dessen abweichende Verhaltensweisen Oben: Inneren der Studentenverbindungen erlaubt wie erwünscht waren und Dumpfes Burschen-Trinklied 16 (1920), noch heute auf der bis in die Gegenwart über alle sind. Da Alkoholexzesse inklusive Website einer Giessener Generationengrenzen hinweg einer Art rituell-kollektivem Burschenschaft zu fi nden als sinnstiftend, solidaritäts- und Kontrollverlust zum festen identitätsstiftend erweisen. Nach Bestandteil verbindungsstudentischer außen trug es zur Vereinheitlichung Verhaltenskultur gehör(t)en, sind der zunehmend auch bürgerlichen die Modalitäten des Trinkens im

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Biercomment enthalten, wodurch es Der Papst musste 12 Maß Bier trinken, dem Einzelnen ermöglicht wird, “sich wobei die Corona - die Tafelrunde in guter Gesellschaft zu betrinken und bei einer verbindungsstudentischen zu berauschen“ und zugleich zu lernen, Kneipe18 - die zwölf Strophen des “sich noch im schweren Rauschzustand Liedes “O lector lectorum“ sang und die 17)Ellas 1994, S. 13. zu kontrollieren“ und auf diese Weise Kardinale ihre brennenden Pfeifen unter “die Trinkenden selbst wie ihre das Tuch hielten und so lange pafften, 18)Vgl. Golücke 1979, S. 83. Mitmenschen vor den Gefahren der 17 bis der Papst eingenebelt und berauscht 19)Vgl. Studentisches Enthemmung zu schützen.“ In der vom Stuhl sank. Um die großen Mengen Brauchtum 1976, S. 23f. Anwendung wurden und werden die Alkohol zu vertragen, war der “mobile herrschenden gesellschaftlichen Regeln Papst“ nötig, in welchen man sich durch diejenigen des Biercomments erbrechen konnte.19 ersetzt. Dieser bildet das Regelwerk Mit den vielfältigen für eine Art “Staat im Staate“, den so Ritualen integrieren die genannten “Bierstaat“. Die in diesem Studentenverbindungen neue Männerstaat gelten “Bierrechte“ Mitglieder im Sinne der von ihnen sind genauso im Biercomment vertretenen Wertvorstellungen. Es ist festgelegt, wie definiert wird, was zwar nötig, zu lernen, sich ein- und etwa unter einer “Bierverschwörung“ unterzuordnen, im Gegenzug erhalten oder der “Bierehre“ zu verstehen Neulinge jedoch die Gewissheit des ist. Wer letztere verliert, landet im Aufgehobenseins. Lange Zeit war es “Bierverschiss“ und hat sich durch sogar so, dass denjenigen, die sich den ein “Bierduell“ herauszupauken. entsprechenden Regeln und Ritualen “Bierangelegenheiten“ können vor unterwarfen, die Zugehörigkeit zur ein “Biergericht“ gebracht werden gesellschaftlichen Elite sicher war. und bei physischen Problemen ist Inwieweit jedoch derartige es möglich, sich für “bierimpotent“ Sozialisationsmodelle in einer sich erklären zu lassen. Wem von alledem immer stärker ausdifferenzierenden übel wird, kann sich bestimmter und gleichzeitig immer stärker “Vorkehrungen“ bedienen, die bis verflechtenden globalen Gesellschaft heute auf den Verbindungshäusern erfolgreich sein können, ist mit existieren und “Bierpäpste“ genannt einem großen Fragezeichen zu werden. Sie befinden sich entweder in versehen. Meines Erachtens haben der Form eines großen Waschbeckens die studentischen Verbindungen ihren mit Haltegriffen auf der Toilette oder Zenit überschritten und langfristig als “mobiler Papst“ auf dem Tisch. allenfalls als folkloristische Der Name geht vermutlich auf eines Vereinigungen eine Zukunft. der zahlreichen Trinkspiele zurück, bei dem der Gewinner im Wetttrinken zum Papst ernannt wurde. Gestützt von vier Kardinalen wurde er eingehüllt in ein Bettlaken auf einen Stuhl gesetzt.

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Das Frauenbild der Burschenschaften Antifa TU

Einer der am häufi gsten angeführten Geschlecht“ zu verstehen ist) nicht über Kritikpunkte an Korporationen ist der die wahren Einstellungen den Frauen ausgeprägte Sexismus, der von ihnen gegenüber hinweg täuschen. praktiziert wird. Dabei ist der Ausschluss von Frauen vom Verbindungswesen „Nicht Zanken, sondern nur ein sehr offensichtliches Merkmal danken!“ ihres vorsintfl utlich anmutenden Schon in der Einleitung wird deutlich, Frauenbildes. Begründet wird der welche Rolle sie der Frau zugestehen: Ausschluss zum Die Aufforderung, die Frauen sollten zu Beispiel wie folgt: „den schöpfungsgewollten Ursprüngen „Bist Du hässlich, fett, rank oder fremd „Unser Burschentum im Lande , bist Du von Sorgenfalten, und Bestimmungen“ zurückkehren, Weltschmerz oder linksliberaler ist auf eine bestimmte erschöpft sich wohl in der Vorstellung Gesinnung gepeinigt, [...] hast du den männliche Gruppe von der Hausfrau und Mutter. „Und Wehrdienst verweigert oder hast du bestimmt. Die vergessen Sie nicht- je besser es uns- eine Freundin mit, die weder schön Weltordnung ist den Ihren- Männern geht, desto besser noch still ist, dann bleib lieber zu auf das Männliche Hause.“ geht es auch ihnen. (...) Ist das keine Aus einer Einladung der Burschenschaft ausgerichtet“. Die lohnende Aufgabe?“ Wahrlich, der Germania Hamburg (zitiert nach Stellung der Frau Gedanke in völliger Abhängigkeit Beyer) beschränkt sich des Mannes zu stehen und zu dem vornehmlich auf die eigenen Wohl nur über das seine der „Couleurdame“, zu gelangen, muss Glücksmomente die bei öffentlichen Veranstaltungen in jeder Frau hervorrufen. Neben nicht fehlen darf. Sie werden als der maßlosen Selbstüberschätzung schmückendes Beiwerk und dankbares - wohl eine Folgeerscheinung des Publikum für die sich heldenhaft eigenen elitären Selbstverständnisses- präsentierende, versammelte spiegelt allein dieser kurze Absatz Männlichkeit betrachtet. Hier haben das Herrenmenschendenken jener die jungen Kavaliere die Möglichkeit, Verbindungsstudenten treffl ich wieder. sich in der alten Schule des guten Benehmens und der Ritterlichkeit zu „Kinder, Kirche und Küche“ üben, welches in einem speziellem Die „neun goldenen Hausregeln“ Codex für „Verhalten gegenüber bringen das auf den Punkt, was Damen“ geregelt ist. Es ist üblich, bei in anderen Damenreden höfl ich diesen geselligen Veranstaltungen auch umschrieben wird: Das Leben der Frau eine Rede zu Ehren der anwesenden hat um das des Mannes zu kreisen, die „Damen“ zu halten. Wie anhand der Frau soll neben dem dekorativen Zweck folgenden Rede deutlich wird, kann auch noch den wiederum passiven Part die vermeintlich respektvolle Anrede der willigen Dienerin und fürsorglichen als „Dame“ oder das Propagieren Gefährtin an seiner Seite erfüllen. einer besonderen Rücksicht oder Der Gedanke, anscheinend für etwas Ritterlichkeit (die schon eher als milde Höheres berufen zu sein, zeigt sich Nachsicht gegenüber dem „schwachen nicht zuletzt in der Ablehnung jedweder 17 16 Antiburschen Reader Antiburschen Reader

und keine Flasche kommt alleine vom Kühlschrank auf den Tisch. Soll ER das häuslicher Arbeiten, die die Gestaltung Bier holen, nur weil er es auch trinkt?“ des Alltags so mit sich bringt. In fast Ja, bitte, gehts denn noch??! Wieso sollte werbenden Tonfall wird den Damen SIE IHM das Bier holen, das ER trinkt? schmackhaft gemacht, was den Bloß weil ER gerade zu bequem ist, Burschen unter ihrer Würde erscheint: SEINE Beine zu bewegen? Und das Soll „Entdecken Sie den Reiz des Dienens sie tun, Weil SIE eine Frau ist? In derlei und die Chance des Dienendürfens!“ plumpen und unlogischen Aussagen Die Hervorhebung der traditionellen manifestiert sich der Gedanke, das die weiblichen Tugenden und deren Frau dem Manne untertan zu sein hat. Aufwertung dient nicht zuletzt dazu, Dass dies wohl kaum die Grundlage den Frauen zu suggerieren, sie seien für ein gleichberechtigtes Miteinander nur dann angesehen, wenn sie diesem mittelalterlichem Ideal entsprächen. Dies führt durchaus dazu, dass Frauen diese Rollen annehmen und verinnerlichen, man(n) also gar keine „Verbote“ oder ähnliches mehr auszusprechen braucht, da der Ausbruch aus dem „Ideal“ meist zur Ausgrenzung im sozialen Umfeld führt. Weiterhin wird in der Rede herausgestellt, welche Verantwortung wohl der Mann für sein Handeln trägt. Dabei wird der Satz : „Ihr Mann ist so gut wie sie ihn behandeln“

zum Leitbild einer bilden kann, ist klar. Ist das also die Oben: Idee, in der die Frau beispielsweise viel beschworene Ritterlichkeit, mit der Frauen als „Beigabe“ für eine gute Burschenparty, hier z.B. selbst schuld ist, wenn ihr Mann sie der Bursche die Dame ehrt? Wenn ja, bei der Arminia in Tübingen betrügt. Sie hätte sich halt mehr um dürften wohl alle Frauen getrost darauf ihn bemühen müssen. Dabei ist Kritik verzichten können! an seinem Verhalten nicht erwünscht, Vielleicht ist das auch das Gefährliche („Es ist nicht Ihre Sache, über die der Ideologie der Burschen: Die Richtigkeit oder Unrichtigkeit seiner Beharrlichkeit, mit der sie von sich selbst Anschauungen zu befinden“) die überzeugt eine solche Geisteshaltung Konsequenzen seines Handelns muss an den Tag legen und ernsthaft daran sie aber mittragen. glauben, die Spitze der Gesellschaft „Bier hat ja bekanntlich keine Beine, darzustellen. 17 16 Antiburschen Reader Antiburschen Reader

Herr Schönbohm von der CDU Antifa TU

Dass Teile der Christdemokraten keinerlei Berührungsängste mit rechten und rechtsextremen Studentenverbindungen haben, ist nichts Neues. Auch dass etliche konservative Politiker solchen elitären Vereinigungen selbst entsprangen und heute als Alte Herren die Ideale dieser vertreten und weiterverbreiten, verwundert nicht. Doch ein prominenter Politiker wie Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm, der mit einer Konsequenz und Beharrlichkeit in braunen Gewässern fischt, hat besondere Aufmerksamkeit verdient.

Politiker. General. für kurze Zeit noch eine Panzerbrigade, Arschloch? kehrt jedoch, als Brigadegeneral, ins Verteidigungsministerium zurück. Hier Geht man der Frage nach, wer dieser ‚überlebt’ er so einige Minister und erlebt Jörg Schönbohm eigentlich ist, steht die sogenannte Wiedervereinigung man plötzlich einer sehr deutschen der beiden deutschen Staaten. Seine Biographie und rechtskonservativen Aufgabe ist es nun, die reibungslose Karriere gegenüber. Am 2. September Auflösung der Nationalen Volksarmee 1937 im brandenburgischen Neu-Golm der DDR zu gewährleisten. Nur kurz geboren, wird der kleine Jörg in der als Inspekteur des Heeres tätig, wird antikommunistischen Bundesrepublik Schönbohm 1991 Staatssekretär im groß. Seiner Biographie ist zu Verteidigungsministerium. entnehmen, dass Jörg Schönbohm nach Schönbohm ist es zu ‚verdanken’, dem Abitur 1957 eigentlich vorhat, dass sich die Beziehungen zwischen Geschichte und Philosophie auf Lehramt der BRD und der Volksrepublik China zu studieren. Uniformen und Drill nach dem Massaker auf dem Platz des findet er dann wohl doch spannender himmlischen Friedens in Peking schnell und so tritt er eine Offiziersausbildung normalisierten. Ab 1996 ist Schönbohm, in der damals noch jungen Bundeswehr der seitdem in Klein-Machnow bei mit den damals schon alten Gesichtern Berlin wohnt, als Innensenator Teil aus der nazistischen Wehrmacht an. der Regierung im Bundesland Berlin Von 1968 bis 1970 genießt Schönbohm und als ehemaliger Militär Chef des eine Generalstabsausbildung, die er größten Polizeiapparates in der BRD. bis 1973 im Generalstab Personal 1998/ 99 tauscht er den Senatsposten und Innere Führung bei der 1. in Berlin mit dem Landesvorsitz Panzergrenadier-Division sogleich zu der CDU in Brandenburg. Nachdem nutzen weiß. Verschiedene Aufgaben die CDU in Brandenburg der SPD bei NATO und Bundeswehr wechseln große Stimmverluste beschert sich ab, bis Schönbohm 1978 in das hat, koaliert sie mit dieser und Verteidigungsministerium berufen wird. Nach dem Regierungswechsel 1982 ist Schönbohms politische Karriere nicht mehr aufzuhalten. Zwar übernimmt er 19 18 Antiburschen Reader Antiburschen Reader

Burschenschaft mit dem Spruch: „Bist du hässlich […] oder fremd in diesem Land, bist du von Sorgenfalten oder linksliberaler Gesinnung gepeinigt […] hast du den Wehrdienst verweigert, oder eine Freundin mit, die weder schön noch still ist […] dann bleib 1) zit. nach: Speit, Andreas: 1 lieber zu Hause.“ Die Festrede vor rechten Burschenschaft Germania- Burschenschaften, in: die tageszeitung, Nr. 7646 vom Königsberg steht dem in 22.04.2005, S. 7, nichts nach. http://www.taz.de/pt/2005/ 04/22/a0121.nf/text Bereits im Vorfeld wird Schönbohm aufgefordert, Schönbohm wird Innenminister sowie seine Teilnahme aufgrund der Stellvertretender Ministerpräsident offensichtlichen Rechtslastigkeit des Landes Brandenburg. Seit 2000 der Veranstalter abzusagen. Der ist Jörg Schönbohm auch Mitglied des reagiert mit einem lapidaren: „Ich Präsidiums der CDU Deutschlands. lasse mir den Mund nicht verbieten.“ Schönbohm mit Schmiss in einem Zeitungsinterview. Für ihn sei nur rechtsextrem, was im Großes Aufsehen erregt der Auftritt Oben: Verfassungsschutzbericht Erwähnung Jörg Schönbohms vor dem Hamburger Jörg Schönbohm findet, so Schönbohm selbst. Dass der als Festredner beim Waffenring am 22. April 2005 anläßlich Hamburger Waffenring , Hamburger Verfassungsschutz bereits der Kapitulation der Wehrmacht im um zusammen mit 400 1993 bemerkt hat, dass beispielsweise Verbindungsstudenten und damaligen Königsberg 60 Jahre zuvor. Alten Herren 750 Jahre die Germania „[..]aus ihrer Ablehnung Der Hamburger Waffenring ist der Königsberg zu feiern der Demokratie und ihrer Befürwortung Zusammenschluß der acht schlagenden des Führerprinzips[ ]“ kein Geheimnis Verbindungen in der Hansestadt. Zwei macht, ist dem Innenminister vom Land dieser studentischen Verbindungen Brandenburg wohl entgangen. tun sich dabei besonders hervor: Doch die Rede Schönbohms vor In der Burschenschaft Germania, dem Hamburger Waffenring ist kein in der Deutschen Burschenschaft Versehen; schon mehrfach beehrte (DB) organisiert, sind seit Jahr und der rechtskonservative Politiker Tag Rechtsextremisten beheimatet. schlagende Verbindungen bei einem Einerseits als elitäre Kaderschmiede Kommers – einem Saufgelage aus Wegbereiter der ‚Neuen Rechten’, bestimmtem Anlaß. So lud der Verein andererseits Tummelplatz organisierter Deutscher Studenten Schönbohm Neonazis, werden in der Germania bereits 2002 zu einer Diskussionsrunde. Revisionismus, Antisemitismus, Zu einem „Mauerfallkommers“ im völkischer Rassismus und Militarismus November 2004 sandte Schönbohm den propagiert. Zu einer Party lud die

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organisierenden Berliner Verbindungen einen Vortrag für das Studienzentrum ein Grußwort, in dem er die sogenannte Weikersheim, das 1979 durch den Einheit Deutschlands lobpreiste und ehemaligen Ministerpräsidenten des dem ach so „leidgeprüften“ deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg Volke huldigte. Ebenso trat Schönbohm und Marinerichter während des Nazi- als Gastredner bei der Jungen Regimes Hans Filbinger als rechter Landsmannschaft Ostpreußen auf, die „ThinkTank“ gegründet wurde. den alljährlichen Naziaufmarsch in Da passt so gar nicht ins Bild, dass der Dresden aus Anlaß der Bombardierung Hardliner Schönbohm als Innenminister der Stadt durch die Alliierten im zwei Kameradschaften verbieten Februar 1945 veranstaltet. ließ, die durch organisierte Überfälle Die Begegnungen Burschis- auf MigrantInnen auffiel. Bedenkt Schönbohm sind dabei nur ein man jedoch, welche Auswirkungen Abschnitt bei der Gradwanderung, die die Verbote in der Neonazi-Szene in der stramme Konservative Schönbohm Brandenburg haben – nämlich keine macht: Beispielsweise scheute er -, dann wird deutlich, dass es einem unten: sich ebenso wenig der geschichts- Herrn Schönbohm nicht sonderlich Protest von AntifaschistInnen gegen die Veranstaltung revisionistischen und militaristischen ernst um die tatsächliche Eindämmung Deutschen Militärzeitschrift oder der des Rechtsextremismus geht. Vielmehr sieht es so aus, als wollte es der Brandenburger seinem Berliner Amtskollegen Erhard Körting gleichtun, der im März 2005 die Kameradschaften Tor und Berliner Alternative Süd-Ost verbot. In einem Bundesland, in dem so mancher Jugendclub oder Bahnhofsvorplatz einer Ortschaft fest in der Hand rechter Jugendlicher ist, sind Lippenbekenntnisse von Patrioten wie Schönbohm völlig fehl am Platz. Mit Populismus und der ständigen Diskreditierung von Antifaschismus und linker Kultur richtet er sogar noch mehr Schaden an. So unterstellte rechtsextremen Wochenzeitung Junge er im Jahr 2002, der sogenannte Freiheit Interviews zu geben. Bei „Aufstand der Anständigen“ habe zu einem dieser Interviews mit der Jungen einem Anstieg rechtsextrem motivierter Freiheit prägte der Inneneminister Straftaten geführt. Mit dem Abflauen Brandenburgs den Begriff der des „verordneten, moralisch überhöhten „deutschen Leikultur“ und sprach Aktionismus“ der Zivilgesellschaft, sich gleichzeitig gegen das Gespenst sei auch die Zahl rechter Straftaten angeblicher Parallelgesellschaften zurückgegangen, so Schönbohm in der aus. Im Jahr 2004 hielt Schönbohm Jungen Freiheit.

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Die Elite bleibt sich treu Allerdings ist Schönbohm nicht der März 1933 fest: „Was wir seit Jahren einzige, der im Dunstkreis der elitären ersehnt und erstrebt […] ist Tatsache Zirkel namens Verbindungen verkehrt. geworden.“ Etliche Prominente verbrachten die Zeit während ihres Studiums in einer Jörg Schönbohm Korporation. Neben konservativen bei studentischen Politikern wie Günther Beckstein, Verbindungen: Innenminister im Freistaat Bayern, 1.07.2002: Der Verein Deutscher und Friedrich Merz finden sich hier Studenten (VDSt) lädt zu einer auch Künstler, Schauspieler und Veranstaltung mit Schönbohm Wissenschaftler. Die Alten Herren unter dem Titel „Politiker. General. verdingen sich heute als Juristen, Schauspieler?“ Akademiker und in den Führungsetagen 13.11.2004: Diverse Berliner der Wirtschaft. Mit Beharrlichkeit wird Verbindungen, unter anderem die in den Hinterzimmern der Vereinshäuser Burschenschaften Gothia und Thuringia an der Elite von morgen gefeilt. Das halten einen „Mauerfallkommers“ ab, stark verbreitete ständische Denken dem Schönbohm ein Grußwort sendet. führt zu einer klaren Abgrenzung von der Masse, was Nicht-Deutsche, 22.04.2005: Trotz Kritik nimmt Frauen, Wehrdienstverweigerer, Schönbohm am Festkommers des unten: Hamburger Waffenrings anlässlich 22.04.05: 400 Burschen Linke, Menschen ohne Abitur et cetera feiern mit Schönbohm 750 sein können. Dass das Weltbild von „750 Jahre Königsberg“ teil. Jahre Königsberg Verbindungsstudenten ziemlich eng gestrickt sein kann, muss da nicht mehr erläutert werden. Fest steht: Elitäres Denken und Handeln ebnet den Weg für undemokratische Theorien, die faschistoid sind und dem Führerprinzip huldigen. Die Geschichte des Verbindungswesens bis 1933, die eine deutsch-nationale und völkische war, zeigt dies. Die Geschichte des Verbindungswesens ab 1933 ist nur noch Bestätigung. So waren die Korporationen mit der Machtübergabe an die Nazis keineswegs verschwunden beziehungsweise aufgelöst. Etliche Burschenschaftler machten im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund da weiter, wo sie nie aufgehört hatten: mit Antisemitismus, völkischem Rassismus und Nationalismus. Ein burschenschaftliches Blatt stellte im 21 20 Antiburschen Reader Antiburschen Reader

Elite sein... Ziel korporationsstudentischer Erziehung

„Hier werden Nachfolger aufgebaut, Geld und Einfl uß geltend gemacht, Helfer und Verbündete unterstützt und beharrlich Männer für Machtpositionen selektiert.” Von Stephan Peters, in Der Rechte Rand Nr. 92, Jan/Feb 2005

Es hat sich-wenig geändert: Namen von Mitgliedern Elitebildung und Reproduktion zum Teil auf eine wie Hanns-Eberhardt Schleyer, Edzard Schmidt- ca. 200-jährige Tradition zurückblicken. Die Jorzig, Manfred Kanther, Horst Weyrauch (Hessens ersten Gründun gen seit dem Jahre 1789 richteten schwarze Kassen), Klaus Esser usw. weisen darauf sich direkt gegen die Ideen der fran zösischen hin. Revolution und hatten mit den heute bekannten Als Voraussetzung des Erfolges bekommen die Corps noch wenig gemein. Sie waren zunächst Mitglieder in einem mensur- also pfl ichtschlagenden reine Standesvertretungen an der Universität. Erst Corps eine besondere Prägung, das heißt, dass das nach 1871 entwickelten sich die Corps und auch Corps mit seiner Art der Vergemeinschaftung in das andere Korporationen rasch zu überregionalen Individuum eingreift. Die Wirkmechanismen dieser und generationsübergreifenden Verbänden Inkorporation durch den korporierten Männerbund (Lebensbund) mit organi sierten Altherrenschaften. können mittels der Analyse der Erziehungsmethoden Durchhiearchisierung der Corps nach einem Befehl- und des Mitgliedschaftsverlaufs auf geschlüsselt und-Gehorsam-System (Fux, Bursche, Alter Herr), werden: Erziehung zum Mann als Zweck des Männerbundes Je wixhtiger die gesellschaftliche Position, desto und Zielsetzung im elitären Streben waren die Folge. eher ist diese mit einem Mann aus dem Milieu Mit Erfolg: 1893 saßen 45 Corpsstudenten (11 % der des gehobenen und (konservativ ein gestellten) Abgeordneten) im Reichstag, vorwie gend waren sie Bürgertums besetzt. Die westlichen Industrienationen in den konservativen Parteien zu fi nden. Die Chefs haben im Laufe ihrer Entwicklung für diese der Reichskanzlei waren seit 1871 fast ausnahmslos geschlechtlich-soziale Selektion un terschiedliche Corpsstudenten, hinzu kommen zahlreiche Systeme entwickelt, allerdings mit sehr ähnlichen Corpsstudenten in den führenden Positionen Ergeb nissen: Sie weisen hinter einer for mellen der Ministerien, Präsidenten des Reichs und der Chancengleichheit in Bezug auf das Geschlecht Landtage. Namen wie Otto Fürst von Bismarck, und die soziale Herkunft eine Selektion durch eine Wilhelm II., Adolf Stoecker, Paul von Hindenburg, systematisch angelegte informelle „Erziehung” Fried rich Bayer, Fritz Henkel und Gottlieb Daimler, zur Schaffung eines für die männliche Protektion Emil von Behring, Justus Freiherr von Liebig günstigen „Corpsgeistes” auf. In den USA ist sowie Aloys Alzheimer bezeugen das Gelingen des hierfür das System der Eliteuniversitäten bekannt, in corpsstudentischen elitären Strebens. Sowohl an den Frankreich sind es die Grandes Ecoles. In Deutsch- corpsstudentischen Zweck- und Zielsetzungen und land (auch in Österreich und in der Schweiz), wo den innerorganisatorischen Reglementierungen als es kein vergleichbares offi zielles Elitesystem gibt, auch an dem Erfolg hat sich bis heute - wenn auch überneh men u.a. studentische Korporationen wie die mit Ver schiebung im gesellschaftlichen Feld Corps diese Aufgabe. Die Corps des „Kösener Senioren-Conventes” Die wichtigsten Methoden korporierter (KSCV) und des „Weinheimer Senioren-Conventes” Erziehung: Convent, Kneipe und Mensur (WSC) - sie stellen mit zusammen ca. 24.000 (nur schlagende Bünde) Mitgliedern (Alte Herren und Aktive) heute etwa 15% der Kor porierten - können hinsichtlich ihrer Der Convent ist eine Art Mitgliederversammlung, deren Beschlüsse sich jedes Mitglied bedingungslos 23 22 Antiburschen Reader Antiburschen Reader

Der Mitgliedschaftsverlauf als Übergangsritual: Fux, Bursch, Alter Herr

zu unterwerfen hat. Er Als Fux wird das neue und noch in der Probezeit vereinigt Legislative, (etwa ein Jahr) befindliche Mitglied bezeichnet. Der Exekutive und Judikative der Gemeinschaft in sich Neue wird als grober Klotz (zuviel Individualität) und ist, zumal er keine substantiellen Parteiungen gesehen, der noch von der Gemeinschaft und vor duldet und nicht jedes Mitglied gleiches Recht allem vom zuständigen Fuxmajor und dem gewählten hat (nämlich entsprechend der Hierarchie), höchst Leibburschen (persönliche Vertrauensperson des undemokratisch. Er ist die höchste Autorität und Neuen) geschliffen werden muss (Unterwerfung absolutes Kontrollzentrum der Gemeinschaft, vor und Inkorporation der gemeinschaftlichen Regeln). dem sich selbst der Vorstand zu verantworten hat. Am Ende dieser rechtlosen und „geschlechtslosen“ Die Kneipe, eine ritualisierte Form des Feierns, Novizenzeit und erfolgreicher Integration in die Ge- vollzieht sich nach festgesetzten (teilweise recht meinschaft - auch hier urteilt wieder der Convent komplizierten) Regeln, an die sich jedes Mitglied zu darüber - steht die „Burschung“, die Aufnahme als halten hat. Wer die Regeln beherrscht, sie inkorporiert vollwertiges Mitglied (bei Statusumkehr). hat, kann die Feier nahezu „unbeschadet“ über- Der Bursche ist das vollwertige Mitglied der stehen (reglementierendes Element: Alkohol). Gemeinschaft (auf Lebenszeit verpflichtet). Er darf Auch hier gilt wieder eine strenge Hierarchie, die Gemeinschaft repräsentieren, Vorstandsämter Befehl- und Gehorsam und die (u.a. durch Lieder übernehmen und seinerseits die Füxe erziehen. Der zu besingende) Gemeinschaft als das Höchste. Bursche unterliegt weiterhin der Inkorporation durch Die corpsstudentische Kneipe kann in Form der die Gemeinschaft durch den eigenverantwortlichen Aufnahme eines neuen Mitgliedes (als vollwertiges Umgang mit den gemeinschaftlichen Regeln in Mitglied) als ständische Initiation gesehen werden, Abwägung auf die anderen Mitglieder. Neu ist durch die die jungen Corpsstudenten in die Welt der hingegen die beginnende Vergesellschaftung in Erwachsenen eingeführt werden sollen. Die Kneipe Form der Repräsentation und Vertretung des ganzen dient sowohl der Integration in den Bund als auch Bundes nach außen. Mit dem Zwischenstatus des der Vergesellschaftung, indem vor allem die jungen sogenannten Inaktiven endet diese Zeit und auch die Corpsbrüder den Umgang mit den Ehemaligen der Inkorporation. Als Inaktiver soll sich der Bursche und jetzt im Berufsleben stehenden, teilweise auf den Übergang in das Berufsleben, also um den angesehenen Persönlichkeiten üben und so den Abschluss des Studiums bemühen. im anvisierten Milieu erwünschten Habitus unter Der Alte Herr schließlich ist das im Berufsleben ungewöhnlichen Bedingungen trainieren können. stehende Mitglied der Gemeinschaft, alle Alten Die Mensur (das Schlagen mit scharfen Waffen) Herren der Gemeinschaft verfügen über die ist in pflichtschlagenden Bünden (hier KSCV definitorische und ökonomische Macht der und WSC) eine Voraussetzung zum Erwerb der Gemeinschaft. Der Alte Herr unterstützt und Vollmitgliedschaft. Der vorgegebene Rahmen des protegiert die jüngeren Mitglieder und wirkt zudem Rituals ist zwingend (unter der Gefahr körperlicher von hohen und höchsten Positionen als korporiert- Verletzungen) einzuhalten. Die Entscheidung kollektiviertes Individuum in die Gesellschaft, indem über ein sauberes Schlagen der Mensur trifft der er in seinem beruflichen und sozialen Umfeld die Convent. Die Mensur dient der vollständigen Werte der corpsstudentischen Gemeinschaft auslebt Unterwerfung des Mitgliedes und der Mannwerdung und sie so an seine Umgebung weitergibt. (Mannbarkeitsritual). Während des duellartigen Wichtig ist für die corpsstudentische Gemeinschaft Rituals ist der Kopf alleinige Trefferfläche und ihre Homogenität die Selektion nach „Herkunft (meist gibt es nur kleinere Schnittwunden), als und Gesinnung“ (also nach sozialem Milieu und symbolisches Zentrum für Wissen und Zuweisung politischer Einstellung), Verstärkung der männlich- von Geschlecht ist er für den Männerbund der „Ort autoritären Strebungen der Persönlichkeit durch der Beschneidung“. zahlreiche Integrationsmittel und - nicht zu vergessen

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- das Mannbar keitsritual als Bestimmungsmensur Verstärkung, ein Zugewinn zu sein verspricht (denn erst nach der erfolgreich be standenen Mensur (Reproduktion der konservativen Wertvorstellungen ist der Corpsstudent ein „richtiger“ Mann), die alle und Handlungsanweisungen). zusammen zu dem führen, was mit corpsstudentischen Es kann demnach im Ergebnis fest gehalten Worten folgendermaßen erläutert wird: werden, dass die studentischen Korporationen, Der Männerbund „besitzt einen Schatz von Mythen insbesondere die konservativ eingestellten Corps, und Riten, mit de nen er seine Vornehmheit deklariert einen milieuspezifi schen Elitarismus pfl egen, und seine Distanz gegenüber dem .gewöhnlichen den sie als Männerbund sexistisch legitimieren, Volk‘ herausstreicht beziehungsweise rechtfertigt. als solcher ihre Mitglieder einem ausgepräg ten Zum .gewöhnlichen Volk‘ gehört in die sem Sinne hierarchischen Befehl- und Gehorsamsystem vor allem die Frau, der es traditionell nicht gestattet unterwerfen und zahlreicher, ideologisch verdichteter ist, die ‚Geheimnisse‘ des Männerbundes zu Rituale unterziehen, wodurch sie die autoritären ergründen.“ Strebungen in der individuellen Persönlichkeit Die Zielrichtung der corpsstuden tischen Erziehung verstärken. Im Sozialisationsverlauf erfolgt eine richtet sich also einerseits gegen die Personen eines Vergemeinschaftung als Mannwerdung (Sexismus) anderen Milieus („weniger würdige“ Personen) und eine Vergesellschaftung als Elitestreben und andererseits direkt gegen die Frauen, denen (Elitarismus), die die autoritären Strebungen des gegenüber sich der Corpsstudent als Mann „hö- einzelnen Mitgliedes verstärken (Au-toritarismus). herwertig“ fühlt. Die Corps sind unter Einbeziehung des eigenen Im korporationsstudentischen Sys tem geht es um gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses als eine die Konstruktion einer „guten Gesellschaft“, um gesellschaftliche Form des (männlich-elitären) das Herstel len einer Gruppe von „Gleichen unter autoritären Korporatismus zu werten. Gleichen“, die sich - ausgestattet mit dem für sie Deutsche Konservative sammeln allzeit erkennbaren besonderen korporierten Habitus - gegen seitig helfen und protegieren, wobei sie von Die rechten „Deutschen Konservativen e.V.“ (DK) dem korporierten Gegenüber nicht einmal unbedingt sammeln derzeit wieder „für die alten lettischen wissen müs sen, dass derjenige Korporierter ist. Soldaten der früheren Deutschen Wehrmacht“, zu de- Man spricht die gleiche Sprache und vertraut sich nen selbstverständlich auch ehemalige Angehörige untereinander aufgrund des gleichen Habitus. der Waffen-SS gezählt werden. Denn „diese alten Somit wird auch deutlich, warum es bei der Männer sind wirklich arme Schweine. Sie haben Besetzung höherer und höchster Positionen nicht - genau wie die Deutschen selber - für Deutschland nur um das Einstellungskriterium der „Leistung“, gekämpft, gelitten und gebetet. Ihr Dank hieß 15 oder der berufl ichen Qualifi kation der Kandidaten geht, 25 Jahre Sibirien.“ Im zusätzlich zur „Konservativen sondern um das ha bituelle „Plus“, das einschließt, Deutschen Zeitung“ erscheinenden „Vertraulichen ob der Kandidat ein unter Männern „gegebenes Nachrichtendienst“ legt Joachim Siegerist seine Wort“ auch unter allen Umstän den zu halten in aktuelle politische Strategie dar. Der „Braune Sumpf der Lage ist (wie man es mittels der „Ehre“ in der aus NPD (die im übrigen als „eine links-extremistische Korporati on z.B. durch die Mensur „einpaukt“). Das Partei“ gilt, denn „das Grundsatzprogramm dieser ist das Feld der Korporationen und insbesondere der Partei ist eindeutig sozia listisch“) und DVU sind Corps, die in ihrer Gemeinschaft dafür Sorge tra gen, unerwünscht. Statt dessen will Siegerist gemeinsam dass neben der „Herkunft und Gesinnung“ auch mit dem ihm menschlich und poli tisch sympathischen gewährleistet ist, dass man im Corpsstudenten (Kor- REP-Chef Dr. Rolf Schlierer sowie DP und DSU porierten) einen gleichdenkenden Mitarbeiter fi ndet, ein „rechtsdemokratisches Gegengewicht bilden. der zudem für das gehobene bürgerlich-konservative Auch der DP-Chef Dr. Heiner Kappel und Joachim Milieu innerhalb der gesamten Ge sellschaft eine Siegerist funken menschlich wie politisch auf einer ‚Wellenlänge‘.“

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Verbindungen und Frauen aus “Falsch verbunden. Reader zum Verbings(un)wesen in Hamburg”, AStA Uni Hamburg 2005

Der Männerbundcharakter von ausgedrückt: “Ein Golf GTI-Club nimmt auch keine Studentenverbindungen hat zweifache Wirkung. Mantas auf” (ein Mitglied der Landsmannschaft Zum einen: Von den verbindungsstudentischen Hercyna, zitiert nach: AStA Uni Mainz, 1995). Frauen Seilschaften profitieren nur Männer, dies verfestigt gehören im Weltbild der Korporierten also schlicht die reale Männerdominanz in den gesellschaftlichen und einfach nicht zu der von ihnen propagierten Eliten. Zum anderen: In den verbindungsstudentischen no-bilitas naturalis (s.o.), das “Führen” (s.o.) und Männerbünden wird ein überkommenes bipolares das Gestalten der Gesellschaft soll den Männern Geschlechtermodell konserviert, das ein Aufbrechen vorbehalten bleiben. von Geschlechterstereotypen verhindert. So plump wollte das der Aachener Corps Albingia in Bei den großen Korporationsdachverbänden ist die einer Werbebroschüre nicht ausdrücken und gab sich strikte Verweigerung der Aufnahme von Frauen die bei der Rechtfertigung des Ausschlusses von Frauen Regel. In Hamburg gibt es lediglich eine einzige ein wenig mehr Mühe: “Wären Frauen Corpsmitglie- Verbindung, die sowohl Männer als auch Frauen auf- der, müssten deren Fehler ebenso scharf kritisiert nimmt. Bei allen anderen dürfen Frauen lediglich von werden. Nur, so lässt sich Ritterlichkeit schwer üben. Zeit zu Zeit als “Couleurdamen” (also als schmücken- Auch wären Schmisse bei Damen - wir sagen das mit des Beiwerk) bei Trinkveranstaltungen dienen. In den einem Lächeln -nicht sehr kleidsam.” (zitiert nach: 1970er Jahren wurde zwar in einigen Dachverbänden AStA Uni Mainz, 1995). die Aufnahme von Frauen diskutiert, letztendlich Bei Männern sind Schmisse sicherlich auch nicht konnten sich diese Ideen aber nicht durchsetzen. kleidsamer. Das Zitat verdeutlicht aber einen weiteren Aspekt des Frauenbildes von Korporierten: Frauen haben vor allem gut auszusehen und werden somit aufs Äußerliche und aufs Dekorative reduziert. Dementsprechend sind sie bei einigen festlichen Veranstaltungen als “Couleurdamen” gern gesehene Gäste. Die scheinbar respektvolle Anrede als “Dame” und die Verteilung von Komplimenten scheinen lediglich Reste höfisch-adliger Benimmformen zu sein, die das insgesamt vermurkste Frauenbild vieler Verbindungsstudenten allerdings auch nicht kaschieren können. Dass sich tatsächlich Frauen zu derart anachronistischen und reaktionären Brauchtümern bekennen, mag verwundern, jedoch ist im Falle der Germania Hamburg deutlich, Begründet wird der Ausschluss von Frauen wie dass auch Frauen bei der Konstruktion dieser folgt: “Unser Burschentum ist immer auf eine be- Gesellschaftsvorstellungen aktiv partizipieren. In der stimmte männliche Gruppe abgestimmt. Die menschli- Internet-Galerie der Germania posieren zwei Frauen che Weltordnung ist auf das Männliche ausgerichtet” vor einer Reichskriegsflagge (siehe oben). (Burschenschaftliche Blätter 5/1980). Oder anders

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Studentische Verbindungen aus: AStA der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Hg.): Verbindungs- (Un)Wesen. Anachronismus an den Hochschulen? Reader über Burschenschaften und andere Zumutungen, Düsseldorf Juni 2002

Auf den ersten Blick fällt einem zu studentischen Verbindungen ein: Bunte Mützchen und Bändchen, günstiges Wohnen in großen Häusern, tolle Feten und „Kameradschaft“. Nicht zu vergessen die „sportliche“ Betätigung: das Mensurenschlagen. Das hört sich doch erst einmal nicht schlecht an. Warum sollte man also Verbindungen auflösen? Diese Frage zu beantworten, ist Ziel dieses überblicksartigen Artikels.

Verbindungen und Rechtsextremismus denen insgesamt ca. 18.000 Mitglieder organisiert Studentische Verbindungen bilden häufig die sind. 1996 spalteten sich von der DB acht etwas Schnittstelle zum recht sextremen Spektrum. „gemäßigtere“ Verbindungen ab und es entstand Von vielen wird zwar immer behauptet, sie seien die „Neue Deutsche Burschen schaft“, der nunmehr unpolitisch und nur einige wenige studentische 21 Ver bindungen mit rund 4.000 Mit gliedern Verbin dungen hätten diese Kontakte. Diese angehören.4 Diese Kontakte zwischen gewalt- Behauptung erweist sich jedoch, wie im folgenden bereiten Rechtsextremen und stu dentischen zu zeigen sein wird, als haltlos. Verbindungen, die sich teilweise selbst als „aufge- schlossen für rechtes Gedanken gut“ bezeichnen, „Deutsche Burschenschaft“ (DB) und hat den Verfassungsschutz auf den Plan gerufen, der rechtsextreme Umtriebe zum Beispiel die „Danubia“ in München ob serviert.5 Als Beispiel läßt sich die „Deutsche Burschenschaft“ Diese Verknüpfungen zwischen studentischen (DB) anführen, die aber nur ein Teil des Ver- Verbin dungen und rechtsextremen Kreisen hat sich bindungsUNwesens (Burschen schaft wird häufig auch an der Düsseldorfer Burschenschaft „Rhenania- fälschlicherweise als Oberbegriff für studen tische Salingia“ gezeigt, die am 17.November 1999 den be- Verbindungen bzw. Korporationen verwandt) kannten rechtsextremen Anwalt Horst Mahler - der darstellt - wahrscheinlich aber den bekan ntesten. So zur Zeit Prozeßvertreter der NPD im Verbotsverfahren fiel vor einiger Zeit die „Burschenschaft Danubia“ vor dem Bundesverfassungsgericht ist - als Redner in München bundesweit dadurch auf, dass sie eingeladen hatte.6 Anfang 2000 fiel die in Marburg einem rechtsextremen Schläger Anfang 2001, der ansässige Burschenschaft „Normannia-Leipzig“ kurz zuvor einen Griechen fast tot geprügelt hatte, dadurch auf, dass deren Mitglieder den Hausmeister vor dessen Flucht in die Niederlande Unterschlupf des Nachbargrundstücks mit einem Luftgewehr gewährte‘ - dies war nicht das erste Mal2. beschossen. Beson ders hervorgetreten ist dabei ihr Die DB wurde 1818 gegründet und nach dem 2. Mitglied Jürgen W. Gansei, der gleichzeitig auch Weltkrieg im Jahre 1950 wiedergegründet.3 Heute noch „Schu lungsleiter“ der NPD Jugend organisation besteht sie aus rund 130 Farben tragenden und JN (Junge Nationaldemokraten) ist und kürzlich in schlagenden Verbindungen an 40 Universitäten, in den NPD-Bundesvorstand ge wählt wurde, mit „Sieg- Heil-Rufen“ und dem Zeigen des „Hitlergrusses“.7

1) Süddeutsche Zeitung vom 19.06.2001, S. 43; taz vom 22.06.2001, S. 5. 2) Süddeutsche Zeitung vom 28.07.2001, S. 53. 3) zur Geschichte der Burschenschaften siehe Dietrich Heither u.a. (Hrsg.), a.a.O. 4) taz vom 22.06.2001, S. 5; siehe dazu in diesem Heft den Artikel „Die Deutsche Burschenschaft seit den 1980er Jahren”; Dietrich Heither, a.a.O., S. 368-370 (Die Spaltung der Deutschen Burschenschaft); junge Welt vom 09.04.2001. 5) Süddeutsche Zeitung vom 07.09.2001, S. 1; taz vom 09.07.2001, S. 6. 6) siehe dazu in diesem Heft den Artikel „Schwarz-braun ist die Haselnuss - schwarz-braun bin auch ich” - Die “Rhenania Salingia” heute. 27 26 Antiburschen Reader Antiburschen Reader

links: Deutscher Burschentag 2001 auf der Wartburg in Eisenach

Auch waren Die „Deutsche Burschenschaft“ ist Burschenschaften an einer der größten Dachverbände der Gründung des der studentische Verbindungen neofaschistischen (Korporationen). Daneben gibt es „Rings freiheitlicher noch die bereits angesprochene „Neue Studenten“ (RFS) Deutsche Burschenschaft“ (NDB) und und an der des über 20 weitere Dachverbände. Es „Republikanischen wurde geschätzt, dass es 1988 circa Hochschulverbands“ 160.000 Korporierte gibt.10 Die bekann- (RHV) führend be- testen und größten Dachverbände, teiligt.8 neben den zwei bereits genannten, S t u d e n t i s c h e sind:11 V e r b i n d u n g e n • der „Coburger Convent der sind also für die Landsmannschaften und Turner- Kontinuität rechter schaften“ (CC) mit 100 Verbindungen, Zusammenhänge unter Studierenden von 1.900 Aktiven und Inaktiven, sowie 11.264 Alten Bedeutung. Diese Beispiele9 veranschaulichen, dass Herren. Die Mitglieder des CC schlagen auch die Burschenschaften häufig das Scharnier zwischen Mensuren. Bei den Landsmannschaften handelte es angeblich unpolitischen Verbindungen und dem sich um Studenten, die aus dem gleichen Land bzw. rechtsextremen Spektrum bilden. Hinzu kommt, der gleichen Gegend stammen. Sie waren vom 16. bis dass die Mitglieder der Verbindungen durch die zum frühen 19. Jahrhundert die vorherrschende Form Netzwerkfunktion derselben in exponierte Stellungen studentischer Verbindungen, der „Cartellverband der in Politik und Wirtschaft aufsteigen, wodurch katholischen deutschen Studentenverbindungen“ natürlich auch zwangsläufig ihre Überzeugungen in (CV) mit 125 Verbindungen, 5.500 Aktiven und solche Stellungen hinein getragen werden. Inaktiven, sowie 26.500 Alten Herren, • der „ katholischer deutscher Die Dachverbände Studentenvereine“ (KV) mit 80 Verbindungen, 2.050 Es könnte natürlich nun argumentiert werden, Aktiven und Inaktiven, sowie 16.500 Alten Herren, dass sich dies lediglich auf Burschenschaften be- • der „Kösener Senioren Convents Verband“ zieht. Aber es gibt vielfältige Überschneidungen (KSCV) ist ein Corpsverband mit 101 Verbindungen, zwischen den einzelnen Verbindungen und deren 2.600 Aktiven und Inaktiven, sowie 12.220 Alten Dachverbänden, die nämlich wiederum in zwei Herren. Die Mitglieder des KSCV schlagen auch großen Meta-Dachverbänden organisiert sind. Mensuren. Die Corps gingen aus den studentischen Distanzierungen oder Austritte der (vermeintlich) Landsmannschaften des 17. und 18. Jahrhunderts „gemäßigteren“ Verbindungen bzw. Dachverbände aus diesen gibt es so gut wie nicht.

7) Jungle World vom 08. März 2000, Saufen, schießen, sprengen, Korporierte in Marburg. 8) Dietrich Heither, a.a.O., S. 323-374, hier S. 359 (Versuch einer politischen Positionsbestimmung: Die Burschenschaften nach ‘68). 9) weitere Beispiele siehe Dietrich Heither/ Gerhard Schäfer, Im rechtsextremen Netzwerk, Burschenschaften seit den siebziger Jahren, in: Dietrich Heither u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 223-270; Dietrich Heither, a.a.O., S. 363 ff.; Report aus München, ARD, vom 09.07.2001; „ (...)den Rheinfranken zu Marburg wird seit Jahren der Kontakt in rechtsextreme Kreise vorgeworfen. Und zurecht (...)”. 10) ak - analyse & kritik. Konservativ - reaktionär- faschistoid, Wo steht die „Deutsche Burschenschaft” in den neunziger Jahren?, Nr.427, 10.06.1999. 11) die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 1997, Quelle: Zeitung „Verbindungen kappen”, S. 13, Marburg Juni 2000.

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hervor und waren sozial häufig privi legierte jedoch lassen sich viele Aspekte (mehr oder weniger Verbindungen12. ähnlich) bei allen Verbindungen wiederfi nden: ▪ der „Weinheimer Senioren-Convent“ (WSC) ist ein Corpsverband mit 65 Ver bindungen, 1.550 Aktiven Organisation und Inaktiven, sowie 7.552 Alten Herren. Die Mitglieder des WSC schlagen auch Mensuren. Der neue Student wird in die stu dentische Verbindung • der „Sondershäuser Verband Akademisch- als „Fux” aufgenommen. Nach einer ein- bis Musikalischer Verbindungen“ (SV) mit 29 zweisemestrigen Probezeit („Fuchsenzeit”) erfolgt Verbindungen, 610 Aktiven und Inaktiven, sowie im Regelfall die „Burschung”, mit der der „Fux” 3.750 Alten Herren. zum „Burschen” und damit zum Vollmitglied in der Die allermeisten der Dach verbände sind wiederum Verbindung wird. Diese geht häu fi g einher mit der Mitglied in den Meta-Dachverbänden des „Convent Mensur (= Zweikampf unter Studenten mit scharfen Deutscher Akademikerverbände“ (CDA) oder des Waffen). Der „Fux” steht ganz unten in der Hierarchie „Convent Deutscher Korporationsverbände“ (CDK). der Verbindung. Die zeitliche Beanspruchung des Im CDK sind nach eigenen Angaben13 ca. 350 aktive „Fuxen” durch seine Verbindung verhindert, dass er Verbindungen vertreten. Mit der Mitgliedschaft in sich mit Dingen beschäftigen kann, die außerhalb diesen Dachverbänden relativiert sich auch häufig dieser liegen - ein kritisches Hinterfragen seines Tuns die Abgrenzung der „vermeintlich“ gemäßigteren wird ihm damit erschwert. Jeder „Fux” bekommt von den rechtsex tremen studentischen Verbin- außerdem einen soge nannten „Leibburschen”, der dungen, denn durch die Mitgliedschaft gibt es seine Interessen vertritt - gleichzeitig ist dieses aber Berührungspunkte zwischen ihnen und auch inhalt- auch eine gute Kontrollmöglichkeit des Neuen. Er liche Übereinstimmungen werden dadurch nicht soll ja schließlich auf „Verbindungslinie” gebracht selten, auch wenn dies häufig bestritten wird. Das wer den und auch bleiben. Nach drei oder vier aktiven Argument also, man habe ja mit den rechtsextremen Semestern kann sich der „Bursche” inaktivieren studentischen Verbindungen nichts zu tun, überzeugt lassen. Seine Pfl ichten nehmen damit ab, und er kann daher nicht. So sind zum Beispiel die „Neue Deutsche sich damit unter anderem auf das Examen vor bereiten. Burschenschaft“ und die „Deut sche Burschenschaft“ Als „Alter Herr” (ehemaliges Mitglied der Aktivitas) Mitglied im CDK. Aber auch eher harmlos hat der ehemalige „Bursche” nun die vollen Rechte erscheinende Verbindungen wie der „Akademische und sponsert seine Verbindung nun materiell und ist Turnerbund“ (ATB) oder die „Deutsche Sängerschaft“ er an der Leitung seiner Ver bindung beteiligt. Dieser (DS) haben sich diesem Meta-Dachverband ange- kurze Abriß hat gezeigt, dass das Verbindungsdasein schlossen. Die Gemeinsamkeiten sollen im folgenden vom „Fux” ohne Rechte und mit vielen Pfl ichten kurz erläutert werden. hin zum „Alten Herren” mit allen Rechten führt. Als „Fux” mögen die ganzen Gängeleien der älteren Was studentische Verbindungen gemein- Verbindungsmitglieder zwar nur schwer erträglich sam haben sein, aber die Aussicht, als „Bursche” bald selber nach unten treten zu können, macht es leichter, das Zunächst soll hier kurz auf die Organisation der „Recht des Stärkeren” zu akzeptieren und sich in studentischen Verbindungen eingegangen wer den, dieser quasi militärischen Ordnung einzufügen. Der danach folgt in einem zwei ten Schritt eine kurze Burschenstatus bringt also die langersehnte Autorität, Erläuterung der gemeinsamen Prinzipien. Bezüglich die nun gegenüber den „Füxen” ausgeübt werden der Organisation und der gemeinsamen Prinzipien kann. weisen die Verbindungen zwar auch Unterschiede auf,

12) Arno Klönne, „Manneskraft und Lebensbund”. Sitte und Brauchtum der Korporationen, in: Ludwig Elm u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 324, siehe auch S. 357. 13) http://www.akademikerverbaende.de 29 28 Antiburschen Reader Antiburschen Reader

Lebensbundprinzip Interessengruppe mit „nur” 33.000 Alten Herren und Aktiven über soviel Macht im Parlament verfügt.” Das wichtigste Prinzip in den Verbindungen ist Was sagt dies über die Demokratie aus? Auch sind von das Lebens bundprinzip, das es seit Mitte des 19. den circa 160.000 Korporierten nach Schätzungen Jahrhunderts in den studentis chen Verbindungen 40.000 in Führungspositionen.18 gibt. Dabei geht es nicht nur um fi nanzielle Unterstützung, sondern auch um Nepotismus (das Zugehörigkeits kriterien heißt die Bevorzugung von Verbindungs mitgliedern, Weiterhin ist den meisten Verbindungen gemeinsam also „Vetternwirtschaft”) in Wirtschaft und Politik; (es gibt auch sehr wenige Ausnahmen), dass sie der Begriff „Verbindung” paßt also. Es wird auch Frauen19 ausschließen, keine Zivildienstleistenden20 häufi g von „Seilschaften” gesprochen. Das heißt, die oder Ausländerinnen21 aufnehmen. Frauen werden „Alten Herren” sorgen dafür, dass ihre Verbindungs- vielmehr als „Damen”, d.h. als „schmückendes studenten in führende Positionen aufsteigen können. Beiwerk” oder „Aushänge schilder” „ihrer” Wie es in einer Broschüre des CV 1987 hieß: „Über Männer angese hen. Denn vermeintlich „weib liche” Studentenverbindungen wird viel geredet. Karriere- Charakterzüge wie Emotionalität und Schwäche schmieden und ‚Vitamin-B-Vereine‘ sollen sie sein. 14 passen, so wird argumentiert, nicht zu den angeblich [...].” Oder wie der Leiter einer Management- „männlichen” Idealen, wie zum Beispiel Ehre, Mut und Personal beratung und „Alter Herr” des Corps (siehe nur: Mensuren) oder Kameradschaft. Es wird Frankonia Darmstadt es formulierte: „Einem also eine biologistische Sichtweise vertreten, nach Bewerber, der Verbindungsstudent ist, bringt man der neben den körperlichen Unter schieden, auch oben natürlich mehr Vertrauen im Vorstellungsgespräch 15 aufgezählte Verhaltensweisen biologisch vorgegeben entgegen. “ seien. Damit wird eine reaktionäre und konservative Damit bleibt natürlich auch vielen anderen Sichtweise auf Geschlechtlichkeit - wie sie leider Bewerbernund vor allem Bewerberinnen die in Männerbünden üblich ist - in verschärfter Weise Chance verwehrt, sich durch ihre Leistung und reproduziert. Deutlich wird dies an Persönlichkeit für solche Stellen zu qualifi zieren. Eine 16 einer „Damenrede”, die von einem Korporierten demokratische Auswahl bleibt dabei auf der Strecke. anläßlich eines Stiftungsfestes seiner Verbindung Folgendes Beispiel kann dieses weiter verdeutlichen: gehalten wurde: „Ihr seid die schönsten Juwelen So stellte der „CV” in der Legislaturperiode 1987- unseres Lebens, denn ohne Euch wären wir 1991 mit über 30 Abgeordneten die zahlenmäßig schmucklos, freudlos, reso nanzlos. Wer versteht uns größte Abgeordnetengruppe mit weitreichenden Rauhbeiner besser zu nehmen als Ihr, liebe Damen, Einfl ußbeziehungen. Jede/r muß sich dabei die mit Eurem weit höher entwickelten Feingefühl für Frage stellen, welche andere gesellschaftliche alles Menschliche und Unmenschliche!” 22

14) CV-Vorort (Hrsg.), Auf ein Wort, Ffm 1987 (Werbematerial). 15) zitiert nach J. Sinn, Turbo-Lader. Wie studen tische Verbindungen die Karriere fördern, in: Capital, Nr. 5/1989. S. 287; siehe auch Süddeutsche Zeitung vom 07.07.2001, S. 53 zu weiteren Äußerungen zum Nepotismus. 16) siehe Gerhard Schäfer, Cliquen, Klüngel und Karrieren, in: Ludwig Elm u.a. (Hrsg.), a.a.O., S.307 ff. 17) zitiert nach: Gerhard Schäfer, Cliquen, Klüngel und Karrieren, in: Ludwig Elm u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 309. 18) ak - analyse & kritik, Konservativ - reaktionär - faschistoid, Wo steht die „Deutsche Burschenschaft” in den neunziger Jahren?, Nr. 427, 10.06.1999. 19) siehe dazu vertiefend Dietrich Heither, a.a.O., S. 122-146 (Auf dem Weg zum Männerbund) 20) vertiefend Dietrich Heither, a.a.O., S. 386-388 (Burschenschaftlicher Virilismus am Ende des 20.Jahrhunderts. Burschenschaft und Kriegsdienstverweigerer) 21) weiterführend Dietrich Heither/Gerhard Schäfer, Im rechtsextremen Netzwerk, Burschenschaften seit den siebziger Jahren, in: Dietrich Heither u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 251-256 (Nach innen: Ethnopluralismus - Rassismus in neuem Gewand). 22) zitiert nach: Zeitung „Verbindungen kappen”, S. 17, Marburg Juni 2000.

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Auch Zivildienstleistende werden normalerweise hierarchischen, militärischen Ordnung auf, die große nicht aufgenom men; denn, so wird argumentiert, sie Personengruppen unserer Gesell schaft ausschließt. seien „Drückeberger”. Außer dem verträgt sich dies Hinzu kommt der Nepotismus in Wirtschaft und Politik. Außerdem stellen sie eine Schnittstelle zum Rechtsextremis- mus dar. Die Forderung muß daher lauten, diese anachronistischen und reak- tionären „Gebilde” aufzulösen, wie es die Alliierten ja auch kurz nach dem 2. Weltkrieg richtiger- weise gemacht haben! Sie sahen die studentischen Verbindungen als Mitverantwortlich für die Zersetzung der Weimarer Repu- blik, den Aufstieg der Nazi- bewegung und der Errichtung der NS-Diktatur und ihrer Verbrechen an.23 In der britischen Besatzungs- zone wurde im November 1945 verfügt: „Die Militärregierung gestattet nicht die Bildung von Korporationen oder Corps alten Stils, ebensowenig wie die Beibehaltung ihrer nicht mit den vermeintlich „männlichen” Idealen Titel, Kleidung, Vorrechte usw.” Die Amerikaner wie „Mut” und natürlich nicht mit der Liebe zum formulierten es in ihren „Military Organization Vaterland. Typisch für studentische Verbin dungen Regulations” vom März 1947 noch prägnanter: „All bleibt also weiterhin der „weiße deutsche Mann”, der National Socialists organizations in universities are „gedient” hat. abolished and will not be permitted to be revived. Zusammenfassung The revival of other Stu dent organizations (especially Verbindungen, Burschenschaften, Korporationen, and Es hat sich gezeigt, dass alle stu dentischen their Altherrenbuende) of a nationalistic, Verbindungen aus den oben aufgeführten Gründen or paramilitary character will not be permitted. “ zu kritisieren sind. Sie alle bauen auf einer streng

23) Ludwig Elm, Das Vergangene ist nicht vergessen, in: ders. u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 180 ff.; Dietrich Heither, Nicht nur unter den Talaren... Von der Restauration zur Studentenbewegung, in: ders. u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 159 ff. 24) Hans Schlömer, Was erwarten die Hochschulen von neuen studentischen Gemeinschaften nach 1945?, in: DerConvent, Nr. 12/ 1962, S. 278. 25) Zitiert nach: 1947-1949. The Story in Documents, edited by the US-Department of State, Washington 1950, S. S70f.

Oben: Lebensbundprinzip: Aktive der schweizerischen Burschenschaft Halleriana Bernensis einem Alten Herren einen Geburstagsbesuch ab

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G l o s s a r Zusammengestellt vom APABIZ (Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum)

Aktiver: Studierendes Mitglied einer Verbindung. Beleidiger und Beleidigter erhalten ein volles Glas Bier, der »Unparteiische« vollzieht schwülstige Alter Herr: Mitglied einer Studentenverbindung, Sprüche, die mit eigentümlichen Befehlen enden das das Studium beendet hat. »Das Kommando zieht scharf Vom Tisch des Hauses auf den Boden, vom Boden an den Hoden, vom Band: Schmale Schärpe mit meist drei Hoden an den Nabel, vom Nabel an den Schnabel, verschiedenfarbigen Streifen, äußeres Kennzeichen senkrecht setzt an und sauft’s!« Beleidiger und Beleidigter müssen die genannten Bewegungen mit dem Bierglas ausführen und anschließend das Glas leeren. Wer zuerst ausgetrunken hat, hat gewonnen. Wer beim Trinken etwas verschüttet, hat verloren. Der Bierjunge kann beliebig oft wiederholt werden. Das führt zu hohem Alkoholkonsum in minimaler Zeit. Die meisten Verbindungshäuser verfügen über so genannte »Bierpäpste«, die in solchen Situationen ihre Nützlichkeit erweisen. Bei »Bierpäpsten« handelt es sich um fest installierte Kotzbecken mit Haltegriffen, die auch in betrunkenem Zustand halbwegs kontrollierte Flüssigkeitsabgabe ermöglichen. »Kontrolle« ist im Zusammenhang mit verbindungsstudentischen Trinkriten ein wichtiges Stichwort. Während der rituali-sierten Feiern (Kneipen) darf ein Verbindungsstudent sich einen etwaigen Verlust der Kontrolle über Körper und Geist nicht anmerken lassen. Füxen wird darüber hinaus gelegentlich für einen bestimmten Zeitraum der Toilettenbesuch verboten. Umfangreicher Bierkonsum führt in beiden Fällen zu Schwierigkeiten, deren Überwindung eine intensive Selbstdis-ziplinierung verlangt. Dabei lernt der Verbindungsstudent, sich selbst unter starken Anstrengungen auch rational nicht begründbaren Regeln zu unterwerfen. Verbindungsstudentische Trinkriten sind Teil verschiedener Praktiken, in der Zugehörigkeit zu einer Studentenverbindung. denen Verbindungsstudenten trainiert werden, Füxe haben gewöhnlich Schärpen mit zwei sich vorgegebenen Gebräuchen unterzuordnen; verschiedenfarbigen Streifen. zusammengenommen bilden diesePraktiken einen festen Anker für den strukturellen Konservatismus Bierjunge: Beispiel für verbindungsstudentisches der Studentenverbindungen. Brauchtum. Hat ein Verbindungsstudent einen anderen beleidigt, dann darf der Beleidigte Burschung: Feierliche Zeremonie, in der Füxe »Bierjunge« sagen. Der Beleidiger antwortet mit dem nach Ablauf ihrer Fuxenzeit zu vollberechtigten Wort »hängt«. Darauf werden »Sekundanten« und Mitgliedern ihrer Studentenverbindung erklärt ein »Unparteiischer« ausgewählt, die das folgende werden. Trinkduell überwachen. 31 30 Antiburschen Reader Antiburschen Reader

Lebensbundprinzip: Wer in eine Studentenverbindung eintritt, bleibt grundsätzlich lebenslang Mitglied.

Chargierter: Aktiver, der ein Amt seiner Leibbursch: Verbindungsstudent, der in besonderer Studentenverbindung innehat: Sprecher, Schriftwart, Weise für einen konkreten Fux verantwortlich ist und Kassenwart, Fuxmajor, gegebe nenfalls Fechtwart. ihn in allen Ange legenheiten der Studentenverbindung Die genauen Bezeichnungen für die einzelnen berät. Chargen wechseln. Mensur: Besondere Form des Fechtens mit scharfen Comment: Regelwerk, in dem das studentische Waffen, die in schlagenden Studentenverbindungen Brauchtum (Umgangsregeln, Kneipe etc.) festgelegt gepfl egt wird. Tödli che Verletzungen sind heute ist. aufgrund der spezifi schen Schutz kleidung praktisch ausgeschlossen. Mit der Mensur bekräftigt der Paukant Convent: Zusammenkunft aller stimmberechtigten seine Unterordnung unter die Gebräuche seiner Mitglieder einer Studentenverbindung. Studentenverbindung selbst um den Preis körperlicher Verletzungen. Die Mensur gilt außerdem als Ausdruck Couleur: Die Farben einer Verbindung, sichtbar überkomme-ner Männlichkeitsvorstellungen. vor allem an Band und Mütze. Mütze: Kopfbedeckung in verschiedenen Farben Farbe tragen: Band und Mütze am Körper und Formen, gehört neben dem Band zur Couleur. tragen. Pauken: Mensur-Fechten. Fux: Wer in eine Studentenverbindung eintritt, ist zunächst -für ein oder zwei Semester - »Fux«. Er Schmiss: Bei der Mensur erlittene Verletzung, gilt hat eingeschränkte Mit gliedsrechte und die Pfl icht, als Zeichen der Zugehörigkeit zu einer schlagenden Traditionen und Gebräuche seines Bundes kennen zu Verbindung. Die Wun de wird gelegentlich mit Salz lernen und zu akzeptieren. bestreut, damit sie eine deutlich sichtbare Narbe hinterlässt. Fuxmajor: Verbindungsstudent, der schon geraume Zeit Mit glied seiner Studentenverbindung ist und die Wichs: Altertümliches Festgewand, das zu Füxe unterrichtet und betreut. besonderen Anläs sen getragen wird.

Haus: Studentenverbindungen besitzen in aller Zirkel: Seltsamer Schnörkel, abgeleitet aus dem Regel ein Haus, selten nur eine Etage eines Hauses. Anfangsbuch staben des Verbindungsnamens und oft Dort fi nden die Aktivitä ten der Studentenverbindung auch aus den Anfangs buchstaben des Wahlspruchs. statt, Mitglieder und potentielle Mitglieder können Kennzeichen einer Studentenverbindung. »auf dem Haus« billig wohnen.

Inaktiver: Studierendes Mitglied einer Studentenverbindung, das nach vier bis sechs Semestern aktiver Tätigkeit für seinen Bund von verschiedenen Verpfl ichtungen befreit ist.

Kneipe: Traditionelle, stark ritualisierte Feier.

Kommers: Besonders feierliche Kneipe.

Korporation: Gelehrt klingender Ausdruck für Studentenverbindung.

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Literaturverweise

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Coburger Convent der Landsmannschaften und Tenbruck, Friedrich H.: »Freundschaft. Ein Beitrag zu Turnerschaften an deutschen Hochschulen (CC) einer Soziologie der persönlichen Beziehungen.« In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Elias, Norbert: »Studien über die Deutschen. H. 3 (1964). S. 431-456. Machtkämpfe und Habitusentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert.« Hrsg. von Michael Schröter. 2. Aufl. Wehler, Hans-Ulrich: »Nationalismus. Geschichte, Frankfurt a. M., 1994. (Erstausgabe 1989). Formen, Folgen.« München 2001.

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Internetlinks und Kontaktaddressen

//Internetlinks

Informationsseite über und gegen studentische Korporationen http://www.burschis.de.vu/

Eine Liste studentischer Korporationen in Berlin http://www.refrat.hu-berlin.de/antifa/burschenschaften/liste.html

Eine Seite, auf der ganz viele Materialien verlinkt sind http://www.refrat.hu-berlin.de/antifa/burschenschaften/materialien.html

Seite mit vielen informativen Texten zum Thema http://www.nadir.org/nadir/archiv/Antifaschismus/Burschenschaften/verbindungen-kappen

//Kontaktadressen

Antifa an der Technischen Universität Berlin Unabhängige Antifa Freie Universität Berlin [email protected] :: antifa-tu-berlin.tk [email protected] ua.x-berg.de

Referat für Antifaschismus im Referentinnenrat der Humboldt-Universität zu Berlin antifaschistisches pressearchiv und [email protected] bildungszentrum berlin e.V. (apabiz) www.refrat.hu-berlin.de/antifa Lausitzer Straße 10 _ 10999 Berlin [email protected] :: www.apabiz.de HUmmel-Antifa - antifaschistische Hochschulgruppe der HU Berlin Antifaschistisches Infoblatt (AIB) [email protected] Gneisenaustr. 2a _ 10961 Berlin www.hummel-antifa.de.vu [email protected] :: www.nadir.org/ nadir/periodika/aib/

Der Rechte Rand (DRR) Postfach 1324 _ 30013 Hannover [email protected] www.der-rechte-rand.de

links: Eichplatzfrühschoppen, Jena, 1929

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Bild Vorderseite: Burschen der Normannia Leipzig beim faschistisch-revisionistischen Heldengedenken im November 2003 in Halbe