Geologie Und Tektonik Am Traunsee-Südostufer Eine Erdgeschichtliche Reise Durch Raum, Zeit Und Klima

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Geologie Und Tektonik Am Traunsee-Südostufer Eine Erdgeschichtliche Reise Durch Raum, Zeit Und Klima KAP1-2_Geologie.qxp_Layout 1 16.07.18 15:42 Seite 19 Geologie und Tektonik am Traunsee-Südostufer Eine erdgeschichtliche Reise durch Raum, Zeit und Klima Johannes Thomas Weidinger Möchte man den geologischen Bau des Der populärwissenschaftlich tätige Geo- Traunsee-Südostufers samt seiner cirka loge ist dazu da, alle Fakten zu sammeln, 240 Millionen Jahre andauernden Ent - richtig zu interpretieren, sie auf ein allge- stehungsgeschichte – zumindest in An - mein verständliches Maß zu reduzieren sätzen – verstehen, sollte man sich vier und erst dann in Wort und Bild der Allge- Fragen stellen, zu deren Beantwortung meinheit zu präsentieren. Darin liegt auch man im Normalfall eine ganze Reihe die große Herausforderung dieses Aufsat- von geo wissenschaftlichen Fachdisziplinen zes. Hilfreich ist es dabei, wenn man zudem braucht (Geologische Bundesanstalt, 1996 auf andere Mittel wie z. B. museale Einrich- & 2007). tungen verweisen kann (Abb. 1). Abb. 1: Die geologischen Modelle des Traunsee- N S Ostufers (1:2.000) Traunstein (1691 m) Erlakogel (1575 m) im Erkudok-Institut der Kammerhof Museen Eisenbach Ebensee von Gmunden. Gschliefgraben Lainaubach Zeichnung: Johannes Thomas Grünberg Weidinger, Johannes Mattes Gmunden B ö h m i s c h e M a s s e Ultra-Helvetikum Nördliche Kalkalpen Moränen Molasse Flyschzone Gosau-Formation Johannes Thomas Weidinger Erkudok-Institut Kammerhof Museen Gmunden Kammerhofgasse 8, 4810 Gmunden [email protected] Wie, wo und wann sind die Baumaterialien des Höh(l)enluft und Wissensraum Traunsee-Ostufers entstanden? Die Gassel-Tropfsteinhöhle Über die Entstehung der Trias-Schicht- Untersuchung von Dünnschliffen der Ge- im Salzkammergut zwischen folge(n) des Traunsee-Ostufers zwischen steine und deren Vergleich mit rezenten Alltagskultur, Naturkunde und wissenschaftlicher Forschung Traunstein und Erlakogel gibt die erdwis- Gebieten und Ablagerungsräumen. (hrsg. v. J. Mattes & D. Kuffner), senschaftliche Teildisziplin der Karbonat- Die Geschichte des im Norden stehenden Denisia 40, 2018: 019-030 Sedimentologie Antwort, dies u.a. mit der Traunsteins beginnt in der Trias (vor Geologie und Tektonik am Traunsee-Südostufer 19 KAP1-2_Geologie.qxp_Layout 1 16.07.18 15:42 Seite 20 a b c Abb. 2a–c: Die im 250-200 Millionen Jahren), als die heute Die mächtige Auflage des Traunsteins, die Bereich des Erlakogels bekannten Kontinente eine zusammen- dessen obere Steilabstürze nach Westen, vorkommenden Varie- hängende Landmasse (Pangäa) bildeten, in dessen Südhänge und auch den südlich des täten des „Traunsee- welche ein „Ur-Meer“ (Tethys) in äquato- Lainautals anschießenden Kl. Schönberg Marmors“, ausgestellt rialen Breiten eine weite Bucht nach Wes- aufbaut, besteht aus dem weiß bis hellgrau als Großproben im Erkudok-Institut der ten formte. Meereslebewesen produzierten gefärbten Wettersteinkalk bzw. -dolomit, Kammerhof Museen unter diesen lange Zeit stabilen Verhältnis- der vor ca. 235 Millionen Jahren unter we- von Gmunden: sen im Bereich von Riffen und Lagunen un- sentlich günstigeren, sauerstoffreicheren a Adnet-Formation vorstellbar große Mengen an Kalk (CaCO3) Bedingungen entstanden ist. So weisen b Hierlatz-Kalk und anderen Salzen der Kohlensäure (Kar- darin enthaltene Kalkalgen (Dasyclada- bonate). Je nach Lage im Meer und den Bil- ceen) sowie seine dicken Schichten (Ban- c Grünanger- Formation dungsbedingungen im seichten oder tiefen kung) auf Riff-fernere Bildungsbereiche Fotos: Johannes Wasser konnten so u.a. verschiedene, oft und Lagunen hin, während er wesentlich Thomas Weidinger auch farblich zu unterscheidende Karbo- seltener auch massig (kompakt) in der nate mit mehr oder weniger kieseligen An- Nähe von Riffen entstanden sein kann. teilen entstehen. – Nur die wichtigsten Der Sockel des Traunsteins, der im Norden davon sollen im Nachfolgenden kurz be- die Zirler-Scholle aufbaut, besteht hinge- schrieben werden: gen aus dem ca. 210 Millionen Jahre alten Das älteste, mehr als 240 Millionen Jahre Hauptdolomit, der in seichten Lagunen alte Gestein des Traunsteins ist der Guten- entstanden ist. Es handelt sich um ein mit- steinkalk. Er wurde unter stark behinderter tel- bis dickbankiges, oft hellbräunliches Wasserzirkulation gebildet, ist daher und im Anschlag bituminös riechendes Ge- schwarz gefärbt und dick geschichtet (ge- stein, das immer wieder Algenrasen (Stro- bankt). Dem Wanderer und Bergsteiger tritt matolithe) aufweisen kann. Mit diesem Ge- er im Mittelabschnitt des „Hans-Hernler- stein beginnt auch die Schichtfolge des Er- Steigs“ auf den Traunstein und entlang des lakogels. Von diesem Gipfel weiter gegen Traunsee-Ostufers, u.a. beim „Miesweg“, Osten, bis zum Almtal und darüber hinaus, entgegen. ist der Hauptdolomit mit seiner Mächtig- keit (Gesamtdicke der aufeinander gesta- pelten Bänke) von mindestens 1500 m das flächenmäßig am häufigsten vorkom- mende Gestein. Abb. 3: Sediment - Stratigrafisch daran anschließend treten bildende Bruchstücke dünn- bis mittelbankige, graue Platten- organischen Lebens kalke und Dachsteinkalke auf (Alter: ca. (bioklastisches Mate- rial), wie die Stielglieder 207-205 Millionen Jahre), die mit Dolomit- der Seelilien, werden bänken wechsellagern. An einen tektoni- beim Hierlatzkalk schen Bruch zwischen Hauptdolomit und gesteinsbildend. der Wechsellagerung von Platten- mit Foto: Gerhard W. Mandl Dachsteinkalk ist auch die Gassel-Tropf- 20 NATURRAUM KAP1-2_Geologie.qxp_Layout 1 16.07.18 15:42 Seite 21 steinhöhle gebunden (Geologische Bundes- anstalt, 2007). Eingeweidesack All diese Karbonate, die vorerst während Strudelapparat Magen mit Armgerüst der Ablagerung nur als Schlammmaterial Stiel mit blinder vorlagen, legten sich in bis zu 2000 m Verankerung Darm Rückenklappe mächtigen Sedimentstapeln übereinander. Sie gehören damit zu den mächtigsten Schichtgliedern der Nördlichen Kalkalpen. Durch diesen Prozess verfestigten sie sich im Laufe von weiteren Jahrmillionen zu Kalk- und Dolomitgestein. Die Jura-Schichtfolge(n) des Traunsee- Öffner mit Mantelhöhle Ostufers zwischen Traunstein und Erlako- Schließmuskel vorderer gel sind wie folgt entstanden: Rand Ausscheideorgan Der Zerfall des vor ca. 300 Millionen Jahren entstandenen Großkontinents Pangäa in Geschlechtsorgan Mund Mantel Bauchklappe jene Einzelkontinente, die wir heute ken- nen, begann bereits im Jura (vor 200-145 Millionen Jahren) mit der Bildung des gurken (Echinodermata). Crinoidenkalke Abb. 4: Längsschnitt Nordatlantiks und des Penninischen Oze- treten im Jura der Tethys oft im unmittelbar durch einen ans, der als Bindeglied nach Osten, in Rich- Hangenden (in der Schichtfolge oben) von Brachiopoden. tung Tethys, anschloss. Riff-Komplexen oder Karbonat-Plattfor- Zeichnung: Plöchinger & Karanitsch (2002) Die im Bereich des Hochlindachs und des men auf, wobei es sich meist um linsenför- Erlakogels (beide am Traunsee-Südostufer) mige Gesteinskörper handelt (Jenkyns, vorkommenden, fleischfarbenen Rotkalke, 1971). Außerdem treten diese bioklasti- die Adnet-Formation (Abb. 2a) und der schen Sedimente (Abb. 3) in tektonischen Hierlatz-Crinoidenkalk (Abb. 2b) des Un- Spalten oder als Turbidite (untermeerisches terjura sowie die Grünangerbrekzie des Abgleiten von Sedimenten in Form von Mittel-Oberjura (Abb. 2c), werden auf- Trübeströmen) mit Becken-Sedimenten as- grund ihres großen Dekorwertes umgangs- soziiert auf. Sie können auch durch Strö- sprachlich als „Traunsee-Marmor“ be- mungen im Bereich von untermeerischen zeichnet und weisen ein Alter von 200-150 Vulkanen entstanden sein, wo sie dichte Millionen Jahren auf. Rasen bildeten. Während des Lias, im Un- Im Gegensatz zum Adneter Kalk der Typ- teren Jura, entstanden viele „seamounts“ lokalität bei Hallein/Salzburg weist der durch differenzielle Absenkung der durch „echte Traunsee-Marmor“ (Abb. 2a) jedoch tektonische Brüche zerstückelten Riff- keine oder nur geringe Knollenbildung auf. Komplexe und Karbonat-Plattformen, und Viel typischer für ihn ist sein brekziöses, dies mag das gehäufte Auftreten von Cri- (rind-)fleischfarbenes Aussehen, das durch noidenkalken im Lias erklären. eine intensive Kalzitdurchäderung hervor- Die Rotkalke im Bereich des Erlakogels gerufen wird. Das Gestein wird bereits seit enthalten neben den Seelilien (Crinoiden) dem Mittelalter als Bau- und Dekorstein im auch andere Fossilien. Neben seltenen Am- Traunseeraum, aber auch zur Herstellung moniten (Kopffüßer mit Außenskelett) tre- diverser Gegenstände wie Steingewichte ten vor allem auch Brachiopoden (Armfü- verwendet. Ein echter Marmor müsste ßer) auf (Abb. 4, 5). allerdings durch Druck und Temperatur Brachiopoden sind als Leitfossilien der Ma- metamorph umgewandelt worden und krofauna – mit freiem Auge sichtbare Fos- kristallin ausgebildet sein, was er definitiv silien – in den Lias-Rotkalken des Erlako- nicht ist! gels von großer Bedeutung (Siblik, 1997). Der Hierlatz-Crinoidenkalk (Abb. 2b) be- Diese Weichtiere haben eine kleinere Rü- steht u.a. aus den Bruchstücken von Seeli- ckenklappe und eine etwas größere Bauch- lien (Crinoiden). Dies sind meist am Mee- klappe. Auf letzterer ist der Stiel oder Fuß resboden festsitzende Verwandte der Sta- angewachsen, der über das Stielloch ins chelhäuter wie Seeigel, Seesterne und See- Freie gelangt und zur Haftung auf dem Geologie und Tektonik am Traunsee-Südostufer 21 KAP1-2_Geologie.qxp_Layout 1 16.07.18 15:42 Seite 22 Abb. 5: Brachiopoden des Erlakogels. A Disperiferina sp. (Unter Lias) B ?Lobothyris sp. juv. (Mittel Lias); 1 (von unten), 2 (von oben fotografiert) C Liospiriferina aff. obtusa/OPPEL 1861 (Unter Lias) D Zeilleria
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