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L521 2187310-1/44E L521 2187302-1/13E L521 2187300-1/13E L521 2187305-1/13E L521 2187308-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLI K!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerden 1. des XXXX , geb. XXXX , 2. des XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch den Vater XXXX , 3. des XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch den Vater XXXX , 4. des XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch den Vater XXXX , und 5. des XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch den Vater XXXX , alle Staatsangehörigkeit Irak, alle vertreten durch Auer Bodingbauer Leitner Stöglehner Rechtsanwälte OG, 4020 Linz, Spittelwiese 4, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2017, Zlen. 1067682703- 150472479, 1067683406-150472665, 1067683101-150472568, 1067682801-150472673 und 1067686702-150472690, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 11.06.2019 und 10.07.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

- 2 -

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE : I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer ist der Vater des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers, des minderjährigen Drittbeschwerdeführers, des minderjährigen Viertbeschwerdeführers und des minderjährigen Fünftbeschwerdeführers.

Sämtliche Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des Irak, gehören der kurdischen Volksgruppe an und bekennen sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

2.1. Der Erstbeschwerdeführer stellte am 07.05.2015 für sich und als gesetzlicher Vertreter seiner mitgereisten Kinder, nämlich des Zweitbeschwerdeführers, des Drittbeschwerdeführers, des Viertbeschwerdeführers und des Fünftbeschwerdeführers, im Gefolge ihrer schlepperunterstützten unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion St. Pölten am Tag der Antragstellung legte der Erstbeschwerdeführer dar, den Namen XXXX zu führen, Staatsangehöriger des Irak, Vater von vier minderjährigen Kindern und verheiratet zu sein. Er sei Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und bekenne sich zum sunnitischen Islam. Er sei XXXX in XXXX in der Nähe von Mossul geboren und habe dort zuletzt gelebt. Er habe drei Jahre die Grundschule besucht und sei zuletzt als Arbeiter tätig gewesen. Seine Ehegattin, seine Eltern, drei Brüder und drei Schwestern seien im Irak oder einem anderen Drittstaat aufhältig.

Im Hinblick auf den Reiseweg brachte der Erstbeschwerdeführer zusammengefasst vor, den Irak vor etwa acht Monaten mit den minderjährigen Kindern illegal von XXXX ausgehend auf dem Landweg in die Türkei verlassen zu haben. Nach einem sechsmonatigen Aufenthalt in Istanbul sei er in der Folge schlepperunterstützt auf dem Landweg über Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich gelangt.

Zu den Gründen der Ausreise befragt, führte der Erstbeschwerdeführer aus, in der Nähe der Stadt Mossul gewohnt zu haben. In dieser Region herrsche Krieg. Die Milizen des Islamischen Staates hätten Kinder verschleppt und Frauen vergewaltigt. Viele Bewohner der Region seien getötet worden. Seine Ehegattin sei auch von den Milizen des Islamischen Staates verschleppt worden. Im Fall der Rückkehr fürchte er für sich und seine Kinder den Tod. Seine vier - 3 - minderjährigen Kinder würden sich den Angaben anschließen. Er sei deren Erziehungsberechtigter.

2.2. Mit am 12.01.2016 beim belangten Bundesamt eingelangten Schreiben übermittelten die beschwerdeführenden Parteien fünf irakische Personalausweise im Original und eine irakische Heiratsurkunde in Kopie.

2.3. Mit Note der zuständigen Bezirkshauptmannschaft vom 19.12.2016 wurde dem belangten Bundesamt mitgeteilt, dass dem Erstbeschwerdeführer ein österreichischer Führerschein ausgestellt wurde.

2.4. Mit E-Mail vom 14.04.2017 brachte der Erstbeschwerdeführer ein Zertifikat des Vereins Österreichisches Sprachdiplom Deutsch Niveau A1 in Vorlage.

2.5. In der Folge langte am 11.07.2017 die Vollmachtsbekanntgabe des Dr. Joachim RATHBAUER, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Weißenwolffstraße 1/4/23 ein und wurden in diesem Schriftsatz des Weiteren Ausführungen zu den persönlichen Verhältnissen der beschwerdeführenden Parteien in Österreich getroffen.

2.6. Mit E-Mails vom 14.07.2017 und 18.07.2017 brachten die beschwerdeführenden Parteien drei Unterstützungserklärungen in Vorlage.

2.7. Nach Zulassung der Verfahren wurde der Erstbeschwerdeführer am 20.07.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich Außenstelle Linz, im Beisein eines gerichtlich beeideten Dolmetschers in der Sprache Kurdisch niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.

Eingangs bestätigte der Erstbeschwerdeführer, der Einvernahme in gesundheitlicher Hinsicht folgen zu können und den Dolmetscher einwandfrei zu verstehen. Ferner bestätigte der Erstbeschwerdeführer, bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht zu haben. Seine Angaben seien ihm rückübersetzt und alles richtig protokolliert worden.

Zur Person und den Lebensumständen befragt legte der Erstbeschwerdeführer insbesondere dar, den Namen XXXX zu führen. Er sei XXXX in der Stadt Erbil geboren, in einem Dorf in der Nähe von Erbil bei seinen Eltern aufgewachsen und habe dort bis zum Jahr 2000 gelebt, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und des sunnitischen Glaubens, verheiratet sowie Vater von vier minderjährigen Söhnen. Ab dem Jahr 2000 habe er bis 06.08.2014 aufgrund einer von ihm eingegangenen Liebesheirat nicht mehr in , sondern im Distrikt Machmur im Gouvernement Erbil in der Nähe von Mossul gemeinsam mit seiner Ehegattin und den vier Kindern in einer Mietwohnung gelebt. Seine Ehegattin befinde sich bei seinen - 4 - Schwiegereltern in Erbil. Er habe im Irak zwölf Jahre die Schule besucht. Zunächst sei er bis zum Jahr 2008 als Hilfsarbeiter beruflich tätig gewesen. Anschließend habe er bis zum 06.08.2014 bei der Polizei in Erbil gearbeitet. Sein Vater sei bereits verstorben. Seine Mutter befinde sich in Erbil bei deren Bruder. Seine drei Brüder und seine drei Schwestern seien in der Türkei aufhältig. Er stehe mit seiner Mutter über das Internet ein- bis zweimal in der Woche in Kontakt. Seine wirtschaftliche Situation vor seiner Ausreise sei nicht so gut gewesen.

Was den Grund für das Verlassen des Heimatstaates betrifft, legte der Erstbeschwerdeführer dar, Kurdistan im Jahr 2000 verlassen zu haben, weil beide Familien mit seiner Heirat nicht einverstanden gewesen seien. Er habe nicht in Erbil bleiben können, andernfalls ihm die Familien Probleme bereitet hätten. Seine Schwiegerfamilie sei nicht mit der Eheschließung einverstanden gewesen, weil er bereits vor dem Heiratsantrag bzw. der Verlobung vier Jahre eine Beziehung mit seiner Ehegattin geführt habe, was deren Familie in Erfahrung gebracht habe. Seine Ehegattin habe ihn in der Folge betrogen, weshalb seine Familie und seine Schwiegerfamilie von ihm die Tötung seiner Ehegattin verlangt hätten. Er habe dies abgelehnt, zumal er Polizist sei und nicht töten wolle. Die Familie seiner Ehegattin würde sich nicht trauen, seine Ehegattin während aufrechter Ehe zu töten. Wenn er einer Scheidung zustimmen würde, würde seine Ehegattin getötet werden. Er beabsichtige wegen seiner Kinder keine Scheidung. Trotz des Vorrückens der Milizen des Islamischen Staates habe die Familie seiner Ehegattin eine Rückkehr seiner Person in die Stadt abgelehnt, weshalb er sich in die Türkei begeben habe. Des Weiteren könne er nicht mehr in den Irak zurück, weil ein Festnahmeauftrag gegen ihn ausgesprochen worden sei. Für seine minderjährigen Kinder würden diese Ausreisegründe auch gelten.

Nachgefragt zu Details schilderte der Erstbeschwerdeführer, dass er bei der Polizei Wächter vor der Türe des Polizeigebäudes gewesen sei. Er habe diese Tätigkeit immer ausgeübt und die Menschen beim Betreten kontrolliert. Es werde ihm vorgeworfen, seine Dienststelle beim Vormarsch des Islamischen Staates verlassen zu haben. Er habe bei Kriegsbeginn - am 10.08.2014 - an seinen Vorgesetzten einen Kündigungsantrag gerichtet, aber nicht dessen Reaktion abgewartet, wobei dieser bei Abgabe den Antrag unterschrieben und erklärt habe, dass dies passe. Auch sein Vorgesetzter sei später nicht mehr dort geblieben. Alle Polizisten und Behörden hätten aufgegeben und seien wegen des Krieges weggegangen. Es drohe ihm nun eine Strafe von drei bis zu fünf Jahren Haft. Er hätte die Dienststelle nicht verlassen dürfen und stattdessen mitkämpfen müssen, um nicht bestraft zu werden. Dies habe er aufgrund seiner vier Kinder nicht gewollt.

Des Weiteren wurden dem Erstbeschwerdeführer Fragen bezüglich seiner widersprüchlichen Schilderungen in der Erstbefragung und der Einvernahme vor der belangten Behörde zum - 5 - Aufenthaltsort seiner Ehegattin und seines Reisedokumentes sowie Fragen zur Integration in Österreich gestellt.

Zudem wurde dem Erstbeschwerdeführer angeboten, ihm die aktuellen landeskundlichen Feststellungen zum Irak zur Abgabe einer Stellungnahme auszuhändigen. Der Erstbeschwerdeführer verzichtete auf diese Möglichkeit.

Im Rahmen der Einvernahme brachte der Erstbeschwerdeführer einen irakischen Polizeiausweis in Kopie, einen irakischen Führerschein in Kopie, Lichtbilder von seiner Tätigkeit als Polizist, einen irakischen Zeitungsartikel bezüglich eines gegen seine Person bestehenden Haftbefehls und Bestätigungen über den Besuch von Deutschkursen in Vorlage.

Der vorgelegte irakische Zeitungsartikel wurde seitens der belangten Behörde einer Übersetzung zugeführt.

Zudem legte der Erstbeschwerdeführer im Zuge des Verfahrens eine Bestätigung über die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio, fünf weitere Unterstützungserklärungen, eine Bestätigung über die Verrichtung von Tätigkeiten im Rahmen des Bundesbetreuungsgesetzes und eine Bestätigung des Arbeitsmarktservice bezüglich einer persönliche Vorsprache des Erstbeschwerdeführers vor.

2.8. Auf Ersuchen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde bezüglich der in Vorlage gebrachten irakischen Personalausweise seitens der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Landeskriminalamt, Abteilung 8 - Kriminalpolizeiliche Untersuchung, eine Dokumentenüberprüfung durchgeführt, welche die vorgelegten Urkunden als Totalfälschungen qualifizierte.

2.9. Am 20.09.2017 langten bezüglich des Zweit-, des Dritt-, des Viert- und des Fünftbeschwerdeführers Schulbesuchsbestätigungen bei der belangten Behörde ein.

2.10. Am 27.11.2017 wurde der Erstbeschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich Außenstelle Linz, im Beisein eines gerichtlich beeideten Dolmetschers in der Sprache Kurdisch nochmals niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.

Eingangs bestätigte der Erstbeschwerdeführer, der Einvernahme in gesundheitlicher Hinsicht folgen zu können und den Dolmetscher einwandfrei zu verstehen. Ferner bestätigte der Erstbeschwerdeführer, bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht zu haben. - 6 - Befragt zu seiner Ehe bestätigte der Erstbeschwerdeführer, noch verheiratet zu sein. Er habe am XXXX oder am XXXX in Kalak geheiratet. Seine Ehegattin befinde sich bei seinen Schwiegereltern in Erbil. Er habe zuletzt vor zwei bis drei Monaten Kontakt mit seiner Ehegattin gehabt. Er habe seine Ehegattin in der Nacht etwa im Oktober oder November 2014 selbst unmittelbar beim Ehebruch in seinem Haus ertappt. Er habe den Mann nicht persönlich gekannt. Es sei ein Kurde aus dem Irak gewesen. Er wisse nicht, wie lange dieses Verhältnis gegangen sei. Seine Ehegattin habe ihm gesagt, dass dies das dritte Mal gewesen sei und dass es ihr leidtue.

Was die im Verfahren als Beweismittel vorgelegten Personalausweise betrifft erläuterte der Erstbeschwerdeführer, dass er bei der Ausreise aus dem Irak - als der Islamische Staat in seiner Herkunftsregion auf dem Vormarsch gewesen sei - alle Dokumente zu Hause gelassen habe. In Österreich habe ihm sein Quartiergeber gesagt, dass er Dokumente aus dem Irak holen solle, weshalb er seine Freunde angerufen habe. Diese hätten ihm die Dokumente ausgestellt und per Post geschickt. Er wisse nicht, wo diese ausgestellt worden seien. Ihm sei letztens aufgefallen, dass das Geburtsdatum auf dem Personalausweis nicht stimme. Er wisse nicht, wo der Fehler liege. Man müsse zwecks Ausstellung der Dokumente nicht persönlich erscheinen. Wann die Ausweise ausgestellt worden seien, wisse er nicht. Er habe die Ausweise sieben Monate nach seiner Einreise in Österreich erhalten.

Auf Vorhalt des Ergebnisses der kriminaltechnischen Untersuchung, wonach es sich bei allen fünf Personalausweisen um eine Totalfälschung handle, erwiderte der Erstbeschwerdeführer, dass er dies nicht wisse. Er habe seine Freunde angerufen, um sich Originaldokumente ausstellen zu lassen. Er könne versuchen, dem Bundesamt echte Dokumente vorzulegen und eine Geburtsurkunde ausstellen zu lassen. Dies sei aber schwierig. Ein Elternteil müsse anwesend sein.

Die Sicherheitslage in seiner Heimatstadt in der Nähe von Mossul sei schlimm, da es einen Krieg zwischen den schiitischen Milizen und den Kurden gebe.

Zudem wurde dem Erstbeschwerdeführer erneut angeboten, ihm die aktuellen landeskundlichen Feststellungen zum Irak zur Abgabe einer Stellungnahme auszuhändigen. Der Erstbeschwerdeführer verzichtete auf diese Möglichkeit.

2.11. Am 29.11.2017 brachte der Erstbeschwerdeführer beim belangten Bundesamt irakische Geburtsurkunden bezüglich der minderjährigen Beschwerdeführer in Vorlage. Zudem langten bezüglich des Zweit-, des Dritt- und des Viertbeschwerdeführers jeweils eine Schulbesuchsbestätigung für das Schuljahr 2016/17, bezüglich des Fünftbeschwerdeführers eine Jahresinformation für das Schuljahr 2016/17 und bezüglich sämtlicher minderjähriger - 7 - Beschwerdeführer Bestätigungen über die Teilnahme an einem Schwimmkurs bei der belangten Behörde ein.

2.12. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2017, Zlen. 1067682703-150472479, 1067683406-150472665, 1067683101- 150472568, 1067682801-150472673 und 1067686702-150472690, wurden die Anträge des Erstbeschwerdeführers, des Zweitbeschwerdeführers, des Drittbeschwerdeführers, des Viertbeschwerdeführers und des Fünftbeschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten jeweils gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak jeweils gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wider die Beschwerdeführer jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkte IV. und V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 betrage die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, die vorgebrachte Bedrohung und Verfolgung durch die Sippe seiner Ehegattin werde als nicht glaubhaft erachtet. Der Zweit-, der Dritt-, der Viert- und der Fünftbeschwerdeführer hätten keine eigenen Ausreisegründe vorgebracht, sondern sich auf das Ausreisevorbringen des Erstbeschwerdeführers bezogen, welches sich als nicht asylrelevant erwiesen habe.

Eine Rückkehr in den Irak sei den Beschwerdeführern möglich und zumutbar, da der Erstbeschwerdeführer gesund und arbeitsfähig sei und er im Fall einer Rückkehr in den Irak, etwa nach Erbil, den Lebensunterhalt seiner Familie sicherstellen könne. Darüber hinaus bestünden familiäre Anknüpfungspunkte aufgrund der in Erbil lebenden Verwandten der Beschwerdeführer. Es habe des Weiteren nicht festgestellt werden können, dass dem Erstbeschwerdeführer aufgrund des unerlaubten Verlassens des Polizeidienstes eine unverhältnismäßige Strafe drohe.

2.13. Mit Verfahrensanordnungen vom 29.12.2017 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben und die Beschwerdeführer ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass sie verpflichtet seien, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen. - 8 - 2.14. Am 10.01.2018 langte bei der belangten Behörde die Vollmachtsauflösung seitens des Dr. Joachim RATHBAUER ein.

2.15. Die vorgelegte irakische Heiratsurkunde und die vorgelegten irakischen Geburtsurkunden wurden seitens der belangten Behörde einer Übersetzung zugeführt.

2.16. Mit Note vom 22.08.2018 ersuchte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bezüglich der in Vorlage gebrachten irakischen Heiratsurkunde und den in Vorlage gebrachten irakischen Geburtsurkunden die Landespolizeidirektion Oberösterreich, Landeskriminalamt, Abteilung 8 - Kriminalpolizeiliche Untersuchung, um Durchführung einer Dokumentenüberprüfung.

2.17. Gegen die dem Erstbeschwerdeführer, dem Zweitbeschwerdeführer, dem Drittbeschwerdeführer, dem Viertbeschwerdeführers und dem Fünftbeschwerdeführer am 04.01.2018 zugestellten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2017, Zlen. 1067682703-150472479, 1067683406-150472665, 1067683101- 150472568, 1067682801-150472673 und 1067686702-150472690, richtet sich die im Wege des rechtfreundlichen Vertreters Dr. Helmut BLUM fristgerecht eingebrachte gemeinsame Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird beantragt, die angefochtenen Bescheide abzuändern und dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu geben und dem Erstbeschwerdeführer, dem Zweitbeschwerdeführer, dem Drittbeschwerdeführer, dem Viertbeschwerdeführer und dem Fünftbeschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten oder hilfsweise den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55 ff AsylG 2005 zu erteilen und damit eine Rückkehrentscheidung nicht zu erlassen. Eventualiter wird ein Aufhebungsantrag gestellt und jedenfalls eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt. Schließlich werden Erhebungen vor Ort beantragt, wodurch sich die Richtigkeit der Angaben des Erstbeschwerdeführers durch die Überprüfungen bestätigen werden.

Im Hinblick auf die Beweiswürdigung bringen die Beschwerdeführer zusammengefasst vor, die mangelnde Glaubwürdigkeit des Erstbeschwerdeführers werde damit begründet, dass er bei der Erstbefragung sowie bei der Einvernahme vor dem belangten Bundesamt einen anderen Sachverhalt dargestellt hätte. Dem sei zu entgegnen, dass er sowohl aufgrund der Bedrohung durch den Islamischen Staat, wie er dies in der Erstbefragung angegeben habe, als auch aufgrund der Probleme wegen seiner Ehegattin und des Verlassens des Polizeidienstes den Irak verlassen habe müssen. Bei der Erstbefragung sei dezidiert darauf hingewiesen worden, dass er sich kurz halten solle und der Fluchtgrund im Rahmen der Einvernahme beim - 9 - belangten Bundesamt behandelt werden würde. Tatsache sei, dass die Bedrohung durch den Islamischen Staat nach wie vor aufrecht sei. Der Islamische Staat sei zwar bekämpft und vertrieben worden, doch seien nunmehr Guerillagruppen des Islamischen Staates weiter in der Region aktiv. Im Falle einer Rückkehr in den Irak würde er aufgrund des unerlaubten Verlassens des Polizeidienstes zur Verantwortung gezogen und drohe ihm eine mehrjährige Haftstrafe. Wenn das belangte Bundesamt diesbezüglich anführe, dass es sich dabei um keine unverhältnismäßige Strafe handeln würde, so sei dem zu entgegnen, dass allein die Haftbedingungen im Irak menschenrechtswidrig seien und bereits aufgrund dessen eine Abschiebung in den Irak einer unmenschlichen Behandlung und damit einer Verletzung des Artikel 3 EMRK gleichkommen würde. Hinzu trete, dass der Erstbeschwerdeführer aufgrund des Umstandes, dass ihn seine Ehegattin betrogen habe, auch mit der Familie Probleme habe. Nicht nur, dass diese nicht mit der Heirat einverstanden gewesen sei, sei durch das Fremdgehen nicht nur seine, sondern auch die Ehre der Familie verletzt und er aufgefordert worden, diese Ehre durch Tötung seiner Ehegattin wiederherzustellen. Dies habe er verweigert, weshalb er im Falle einer Rückkehr auch mit Problemen von Seiten der Familie zu rechnen habe.

2.18. Die Beschwerdevorlage langte am 27.02.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zugewiesen.

3. Mit 22.02.2018 wurde das Vollmachtsverhältnis zu Rechtsanwalt Dr. Helmut BLUM aufgelöst und erfolgte mit Telefax vom 27.02.2018 die Vollmachtsbekanntgabe der beigegebenen Rechtsberatungsorganisation.

4. Mit Telefax vom 06.05.2019 teilte die bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass sie die ihr erteilte Vollmacht mit diesem Tage zurücklege.

5. Am 15.05.2019 langte die Vollmachtsbekanntgabe der nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertretung - GKP Gabl Kogler Leitner Stöglehner Bodingbauer Rechtsanwälte - ein.

7. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.05.2019 wurden der rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführer aktualisierte Länderdokumentationsunterlagen zur allgemeinen Lage im Irak, eine Anfragebeantwortung von ACCORD vom 21.02.2019 betreffend Autonome Region Kurdistan: Menschenrechtslage, insbesondere für sunnitische Kurden, Anfragebeantwortungen von ACCORD vom 29.03.2018 und 21.02.2019 betreffend die Lage von RückkehrerInnen aus dem Ausland in der Autonomen Region Kurdistan: Schikanen, Diskriminierungen, Wohnraum, Kosten, Arbeitslosenrate, Erwerbsrestriktionen; Sozialsystem; Schwierigkeiten für RückkehrerInnen aus Europa, eine Anfragebeantwortung von ACCORD - 10 - vom 26.01.2018 betreffend gesetzliche Bestimmungen, die für die Desertion aus der Polizei eine Haftstrafe vorsehen bzw. Festnahme bei der Einreise, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 25.03.2019 betreffend Situation von Kindern in der Autonomen Region Kurdistan, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 21.02.2019 betreffend Sicherheitslage, Kampfhandlungen und Anschlagskriminalität in der Autonomen Region Kurdistan und eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 07.05.2019 betreffend Desertion vom Militär, Ausreise, zivile Dokumente und Strafen sowie eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 24.10.2016 betreffend Fernbleiben, Desertion und Kündigung von Polizei und Armee zur Vorbereitung der für den 11.06.2019 anberaumten mündlichen Verhandlung übermittelt und die Möglichkeit einer Stellungnahme freigestellt.

Eine Stellungnahme dazu wurde nicht abgegeben.

8. Am 11.06.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Erstbeschwerdeführers, seiner rechtsfreundlichen Vertretung und eines Vertreters des Bundesamtes für Fremdenwesen durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde mit dem Erstbeschwerdeführer - auch in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter seiner minderjährigen Kinder - die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand der im Vorfeld übermittelten Länderdokumentationsunterlagen und Anfragebeantwortungen erörtert. Eine Befragung des Erstbeschwerdeführers zur Ausreisemotivation sowie seinen Rückkehrbefürchtungen entfiel aufgrund des Fernbleibens des Dolmetschers aufgrund einer Erkrankung. Des Weiteren erhielt der Erstbeschwerdeführer nochmals eine vierwöchige Frist zur Vorlage von Identitätsdokumenten im Original.

Der Erstbeschwerdeführer brachte ein irakisches Strafurteil in Kopie, einen in Österreich abgeschlossenen Ehevertrag nach islamischem Recht vom 01.06.2019, einen irakischen Zeitungsartikel vom 29.11.2015 in Kopie und im Original, eine irakische Geburtsurkunde bezüglich seiner Person in Kopie und ein Konvolut an Integrationsunterlagen in Vorlage.

9. Das Bundesverwaltungsgericht veranlasste die Übersetzung der im Zuge der mündlichen Verhandlung vorgelegten irakischen Unterlagen (gerichtliche Verurteilung, irakischer Zeitungsartikel und irakische Geburtsurkunde des Erstbeschwerdeführers).

10. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.06.2019 wurde das belangte Bundesamt um Übermittlung des Aktes, der zu einer für den 10.07.2019 anberaumten Verhandlung geladenen Zeugin XXXX ersucht. Diesem Ersuchen wurde seitens der belangten Behörde entsprochen. - 11 - 11. Am 02.07.2019 brachte der Erstbeschwerdeführer im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung eine irakische Geburtsurkunde, einen irakischen Familienausweis und einen weiteren Ausweis - jeweils im Original - zum Nachweis seiner Identität in Vorlage.

12. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.07.2019 wurden dem Erstbeschwerdeführer - auch in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter seiner minderjährigen Kinder - bzw. dessen rechtsfreundlicher Vertretung zusätzliche aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zum Irak (Country of Origin Information Report des European Asylum Support Office vom März 2019 zum Irak betreffend Targeting of Individuals, Country of Origin Information Report des European Asylum Support Office vom März 2019 zum Irak betreffend Security Situation, Country of Origin Information Report des European Asylum Support Office vom Februar 2019 zum Irak betreffend Iraq Body Count - civilian deaths 2012, 2017-2018 und Country of Origin Information Report des European Asylum Support Office vom Februar 2019 zum Irak betreffend Key socio-economic indicators) zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und dem Erstbeschwerdeführer bzw. dessen rechtsfreundlicher Vertretung die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Schreibens Stellung zu nehmen.

13. Am 10.07.2019 wurde die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beisein des Erstbeschwerdeführers, seiner rechtsfreundlichen Vertretung und eines Vertreters des Bundesamtes für Fremdenwesen sowie eines Dolmetschers für die Sprache Sorani fortgesetzt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Erstbeschwerdeführer - auch in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter seiner minderjährigen Kinder - einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand der dem Erstbeschwerdeführer im Vorfeld übermittelten Länderdokumentationsunterlagen erörtert. Ferner wurde XXXX als Zeugin einvernommen.

14. Mit Note vom 11.07.2019 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den bislang bei ihm befindlichen irakischen Zeitungsartikel und irakischen Dienstausweis.

15. Auf Ersuchen des Bundesveraltungsgerichtes vom 17.07.2019 wurde bezüglich des in Vorlage gebrachten irakischen Staatsbürgerschaftsnachweises, der in Vorlage gebrachten irakischen Aufenthaltsberechtigung und des in Vorlage gebrachten irakischen Dienstausweises seitens des Bundeskriminalamtes, Abteilung 6 - Forensik und Technik, eine kriminaltechnische Untersuchung durchgeführt, welches die vorgelegten Urkunden –mit Ausnahme des irakischen Dienstausweises als authentisch qualifizierte. Bei der Untersuchung - 12 - der personenbezogenen Elemente sowie der Stempelabdrucke ergaben sich bei keiner der Urkunden Hinweise auf das Vorliegen einer Verfälschung.

16. Das Bundesverwaltungsgericht veranlasste zudem die Übersetzung des irakischen Staatsbürgerschaftsnachweises, der irakischen Aufenthaltsberechtigung und des irakischen Dienstausweises.

17. Am 05.08.2019 langte im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung eine abschließende Stellungnahme der Beschwerdeführer zu den ihnen mit Note vom 09.07.2019 übermittelten Länderdokumentationsunterlagen beim Bundesverwaltungsgericht, wobei der Erstbeschwerdeführer auf die Sicherheitssituation, insbesondere die Aktivitäten der Miliz des Islamischen Staates und der schiitischen Milizen, Bezug nahm. Ferner legte der Erstbeschwerdeführer neuerlich - entsprechend seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung - den aus seiner Sicht maßgeblichen Sachverhalt dar. Erstmals schilderte der Erstbeschwerdeführer zudem, dass er wegen der gegen ihn ausgesprochenen dreimonatigen Haftstrafe aller Wahrscheinlichkeit nach sofort verhaftet werden würde und seine Kinder - auf der Straße lebend - niemand haben würden, der sich um sie kümmern würde, zumal diese insbesondere auch von ihrer Mutter „verstoßen“ worden seien und nicht zu erwarten sei, dass sich an dieser Entscheidung der Mutter etwas ändern würde. Im Übrigen sei auch die allgemeine Versorgung mit lebensnotwendigen Dingen, wie Lebensmittel und sauberem Trinkwasser, von staatlicher Seite alles andere als gewährleistet. Aufgrund der Quittierung seines Dienstes könne der Erstbeschwerdeführer keinesfalls wieder als Polizist arbeiten und würde somit über keine Einkommensquelle verfügen, um sich in weiterer Folge für sich und seine Kinder eine Unterkunft schaffen sowie eine Versorgung mit lebensnotwendigen Mitteln sichern zu können. Schließlich könne unter Bezugnahme auf die aktuelle Sicherheitslage im Irak nicht festgestellt werden, dass dem Erstbeschwerdeführer ein effektiver staatlicher Schutz vor Verfolgung im Irak zur Verfügung stünde.

Der Stellungnahme sind erneut das Zertifikat des Vereins Österreichisches Sprachdiplom Deutsch - Niveau A1 und zudem ein nicht bestandenes Zertifikat des Vereins Österreichisches Sprachdiplom Deutsch - Niveau A2 sowie ein Antrag auf Saisonbewilligung, welchem nicht entsprochen wurde, angeschlossen.

18. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.09.2019 wurde das belangte Bundesamt zwecks Akteneinsicht um Übermittlung der Asylakten des XXXX , der XXXX und des XXXX ersucht. Diesem Ersuchen wurde seitens der belangten Behörde entsprochen.

19. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.01.2020 wurden den Beschwerdeführern im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung aktualisierte - 13 - Länderdokumentationsunterlagen zur allgemeinen Lage im Irak zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und die Abgabe einer Stellungnahme dazu freigestellt. Innerhalb der eingeräumten Frist langte keine inhaltliche Stellungnahme ein, jedoch wurde ein (auf organisatorische Änderungen in der einschreitenden Rechtsanwaltskanzlei zurückzuführender) Vollmachtswechsel bekanntgegegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

1.1.1. Der Erstbeschwerdeführer führt den Namen XXXX er ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und des Stammes der XXXX . Er wurde am XXXX in Erbil geboren und wuchs bei seinen Eltern in einem Dorf in der Nähe von Erbil auf. Anschließend lebte der Erstbeschwerdeführer nach seiner Eheschließung im Jahr 2000 bis zum 06.08.2014 gemeinsam mit seiner Familie in einer gemieteten Unterkunft in einem Dorf im Distrikt Machmur im Gouvernement Erbil. Am 06.08.2014 begab er sich gemeinsam mit seiner Familie nach Erbil und wurde dort in einem Lager für Binnenvertriebene untergebracht.

Der Erstbeschwerdeführer ist Moslem und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam, er ist der leibliche Vater des Zweitbeschwerdeführers, des Drittbeschwerdeführers, des Viertbeschwerdeführers und des Fünftbeschwerdeführers und mittlerweile eigenen, vom Bundesverwaltungsgericht nicht überprüften Angaben zufolge von der leiblichen Mutter der minderjährigen beschwerdeführenden Parteien geschieden.

Der Erstbeschwerdeführer ist gesund, er steht nicht in medizinischer Behandlung und nimmt keine Medikamente ein.

Die Erstbeschwerdeführer besuchte im Irak mehrere Jahre die Schule, wobei das genaue Ausmaß nicht festgestellt werden kann. Er trat anschließend als Hilfsarbeiter in das Erwerbsleben ein. Ab dem Jahr 2008 versah der Erstbeschwerdeführer Dienst bei der kurdischen Polizei. Der Erstbeschwerdeführer verfügt über einen irakischen Führerschein.

Der Vater des Erstbeschwerdeführers verstarb im Jahr 2005 eines natürlichen Todes. Seine Mutter lebt in der autonomen Region Kurdistan in der Stadt Erbil bei einem Onkel des Erstbeschwerdeführers und wird von diesem auch versorgt. Seine ehemalige Ehegattin und leibliche Mutter der minderjährigen beschwerdeführenden Parteien lebt gemeinsam mit deren Mutter ebenfalls in der Stadt Erbil. Zudem sind vier weitere Onkel und drei Tanten in der autonomen Region Kurdistan wohnhaft. Schließlich verfügt der Erstbeschwerdeführer über zahlreiche Cousinen und Cousins im Irak. - 14 - Sämtliche Geschwister des Erstbeschwerdeführers - drei Brüder und drei Schwestern - leben den vom Bundesverwaltungsgericht nicht überprüften Angaben des Beschwerdeführers zufolge in der Türkei. Die Brüder des Erstbeschwerdeführers sind dort erwerbstätig.

In der zweiten Jahreshälfte 2014 – das genaue Datum kann nicht festgestellt werden – verließ der Erstbeschwerdeführer den Irak von Erbil ausgehend gemeinsam mit den minderjährigen Kindern illegal auf dem Landweg in die Türkei und gelangte in der Folge – nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in der Türkei – schlepperunterstützt auf dem Landweg nach Bulgarien, Serbien, Ungarn und weiter nach Österreich, wo er am 07.05.2015 für sich und als gesetzlicher Vertreter seiner minderjährigen Kinder einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.2. Der Zweitbeschwerdeführer führt den Namen XXXX er ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und des Stammes der XXXX . Er wurde am XXXX in Erbil geboren und lebte bis zum 06.08.2014 gemeinsam mit seiner Familie in einer gemieteten Unterkunft in einem Dorf im Distrikt Machmur im Gouvernement Erbil. Am 06.08.2014 begab er sich gemeinsam mit seiner Familie nach Erbil und wurde dort in einem Lager für Binnenvertriebene untergebracht.

Der Zweitbeschwerdeführer verließ den Irak im schulpflichtigen Alter. Er beherrscht Sorani und Deutsch.

Der Zweitbeschwerdeführer ist gesund, er steht nicht in medizinischer Behandlung und nimmt keine Medikamente ein.

In der zweiten Jahreshälfte 2014 – das genaue Datum kann nicht festgestellt werden – verließ der Zweitbeschwerdeführer den Irak von Erbil ausgehend gemeinsam mit seinem Vater und seinen minderjährigen Geschwistern illegal auf dem Landweg in die Türkei und gelangte in der Folge – nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in der Türkei – schlepperunterstützt auf dem Landweg nach Bulgarien, Serbien, Ungarn und weiter nach Österreich, wo er am 07.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.3. Der Drittbeschwerdeführer führt den Namen XXXX er ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und des Stammes der XXXX . Er wurde am XXXX in Erbil geboren und lebte bis zum 06.08.2014 gemeinsam mit seiner Familie in einer gemieteten Unterkunft in einem Dorf im Distrikt Machmur im Gouvernement Erbil. Am 06.08.2014 begab er sich gemeinsam mit seiner Familie nach Erbil und wurde dort in einem Lager für Binnenvertriebene untergebracht.

Der Drittbeschwerdeführer verließ den Irak im schulpflichtigen Alter. Er beherrscht Sorani und Deutsch. - 15 - Der Drittbeschwerdeführer ist gesund, er steht nicht in medizinischer Behandlung und nimmt keine Medikamente ein.

In der zweiten Jahreshälfte 2014 – das genaue Datum kann nicht festgestellt werden – verließ der Drittbeschwerdeführer den Irak von Erbil ausgehend gemeinsam mit seinem Vater und seinen minderjährigen Geschwistern illegal auf dem Landweg in die Türkei und gelangte in der Folge – nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in der Türkei – schlepperunterstützt auf dem Landweg nach Bulgarien, Serbien, Ungarn und weiter nach Österreich, wo er am 07.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.4. Der Viertbeschwerdeführer führt den Namen XXXX ) er ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und des Stammes der XXXX . Er wurde am XXXX in Erbil geboren und lebte bis zum 06.08.2014 gemeinsam mit seiner Familie in einer gemieteten Unterkunft in einem Dorf im Distrikt Machmur im Gouvernement Erbil. Am 06.08.2014 begab er sich gemeinsam mit seiner Familie nach Erbil und wurde dort in einem Lager für Binnenvertriebene untergebracht.

Der Viertbeschwerdeführer verließ den Irak im schulpflichtigen Alter. Er beherrscht Sorani und Deutsch.

Der Viertbeschwerdeführer ist gesund, er steht nicht in medizinischer Behandlung und nimmt keine Medikamente ein.

In der zweiten Jahreshälfte 2014 – das genaue Datum kann nicht festgestellt werden – verließ der Viertbeschwerdeführer den Irak von Erbil ausgehend gemeinsam mit seinem Vater und seinen minderjährigen Geschwistern illegal auf dem Landweg in die Türkei und gelangte in der Folge – nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in der Türkei – schlepperunterstützt auf dem Landweg nach Bulgarien, Serbien, Ungarn und weiter nach Österreich, wo er am 07.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.5. Der Fünftbeschwerdeführer führt den Namen XXXX er ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und des Stammes der XXXX . Er wurde am XXXX in Erbil geboren und lebte bis zum 06.08.2014 gemeinsam mit seiner Familie in einer gemieteten Unterkunft in einem Dorf im Distrikt Machmur im Gouvernement Erbil. Am 06.08.2014 begab er sich gemeinsam mit seiner Familie nach Erbil und wurde dort in einem Lager für Binnenvertriebene untergebracht. Der Fünftbeschwerdeführer verließ den Irak bei Erreichen des schulpflichtigen Alters. Er beherrscht Sorani und Deutsch.

Der Fünftbeschwerdeführer ist gesund, er steht nicht in medizinischer Behandlung und nimmt keine Medikamente ein. - 16 - In der zweiten Jahreshälfte 2014 – das genaue Datum kann nicht festgestellt werden – verließ der Fünftbeschwerdeführer den Irak von Erbil ausgehend gemeinsam mit seinem Vater und seinen minderjährigen Geschwistern illegal auf dem Landweg in die Türkei und gelangte in der Folge – nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in der Türkei – schlepperunterstützt auf dem Landweg nach Bulgarien, Serbien, Ungarn und weiter nach Österreich, wo er am 07.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.6. Der Erstbeschwerdeführer verfügt über ein irakisches Ausweisdokument im Original, nämlich einen Staatsbürgerschaftsnachweis. Des Weiteren besitzt er eine irakische Meldebestätigung im Original und einen – nicht mehr gültigen – irakischen Dienstausweis im Original sowie einen gefälschten irakischen Personalausweis. Der Zweitbeschwerdeführer, der Drittbeschwerdeführer, der Viertbeschwerdeführer und der Fünftbeschwerdeführer verfügen über irakische Geburtsurkunden im Original und gefälschte irakische Personalausweise.

1.2. Zu den Ausreisegründen der Beschwerdeführer und zur Rückkehrgefährdung:

1.2.1. Die Beschwerdeführer gehören keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatten in ihrem Herkunftsstaat keine Schwierigkeiten aufgrund ihrer kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit oder aufgrund ihres sunnitischen Religionsbekenntnisses zu gewärtigen. Der Erstbeschwerdeführer hatte außerdem vor seiner Ausreise keine Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften seines Herkunftsstaates zu gewärtigen.

1.2.2. Der Zweitbeschwerdeführer, der Drittbeschwerdeführer, der Viertbeschwerdeführer und der Fünftbeschwerdeführer brachten keine eigenen asylrelevanten Ausreisegründe vor.

1.2.3. Der Erstbeschwerdeführer verließ seinen Wohnort im Distrikt Machmur im Gouvernement Erbil am 06.08.2014 aufgrund des Vorrückens der Milizen des Islamischen Staates in der Herkunftsregion des Erstbeschwerdeführers, ohne dass es zu persönlichen Konfrontationen mit Kämpfern des Islamischen Staates kam oder Verfolgungshandlungen wider den Erstbeschwerdeführer gesetzt wurden. Der Erstbeschwerdeführer war in der Folge auch bis zum Verlassen des Irak keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer vor der Ausreise aufgrund seiner im Jahr 2000 eingegangenen und mittlerweile geschiedenen Ehe Schwierigkeiten mit der Familie seiner ehemaligen Ehegattin oder sonstigen Dritten, etwa seiner eigenen Familie, zu erleiden hatte. Des Weiteren kann nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer von der Familie seiner ehemaligen Ehegattin oder seiner eigenen Familie aufgrund eines von seiner ehemaligen Gattin begangenen Ehebruches zu deren Tötung aufgefordert wurde. - 17 - Da sich der Erstbeschwerdeführer unbefugt vom Polizeidienst entfernte, wurde er vom irakischen Gericht der inneren Sicherheitskräfte gemäß § 5 des irakischen Strafgesetzbuches für die inneren Sicherheitskräfte Nr. 14/2008 am 26.05.2016 in Abwesenheit zu einer Haftstrafe von drei Monaten verurteilt. Ferner wurde sein bewegliches und unbewegliches Vermögen beschlagnahmt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass (vormalige) Angehörige der irakischen (kurdischen) Sicherheitskräfte mit sunnitischer Glaubensrichtung im Vergleich zu anderen (vormaligen) Angehörigen der irakischen (kurdischen) Sicherheitskräfte strenger bestraft werden oder den Betroffenen wegen ihres Verhaltens eine oppositionelle Gesinnung (etwa als Anhänger des Islamischen Staates) unterstellt wird.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer im Fall eines Verbleibes an seiner Dienststelle als Polizist an völkerrechtswidrigen Militäraktionen hätte teilnehmen müssen.

1.2.4. Es kann nicht festgestellt werden, dass die minderjährigen Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in den Irak und dort in der autonomen Region Kurdistan maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von geschlechtsspezifischer Gewalt, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit oder Zwangsehe betroffen wären.

1.2.5. Es kann schließlich nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer vor ihrer Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat einer anderweitigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt in ihrem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt waren oder sie im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wären.

1.2.6. Es kann nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung der Beschwerdeführer festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine im Irak und dort in der autonomen Region Kurdistan drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie im Hinblick auf kriegerische Ereignisse, extremistische Anschläge, stammesbezogene Gewalt oder organisierte kriminelle Handlungen.

1.2.7. Die Beschwerdeführer waren vor ihrer Ausreise in ihrem Herkunftsstaat von keiner existentiellen Notlage betroffen.

Die Beschwerdeführer verfügen über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage in ihrer Herkunftsregion Erbil sowie über familiäre Anknüpfungspunkte in ihrer Herkunftsregion Erbil in Gestalt der dort lebenden Familienangehörigen. - 18 - Der Erstbeschwerdeführer ist ein gesunder, arbeits- und anpassungsfähiger Mensch mit grundlegender Ausbildung in der Schule sowie mit im Herkunftsstaat erworbener Berufserfahrung als Arbeiter und im Polizeidienst. Ihm ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung des Familienauskommens im Rückkehrfall – soweit es die Betreuungspflicht in Ansehung der minderjährigen Beschwerdeführer zulässt – möglich und zumutbar.

1.2.8. Der minderjährige Zweitbeschwerdeführer, der minderjährige Drittbeschwerdeführer, der minderjährige Viertbeschwerdeführer und der minderjährige Fünftbeschwerdeführer verfügen in ihrer Herkunftsregion Erbil über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage, ferner ist eine hinreichende Betreuung durch ihre Eltern und den Familienverband und eine hinreichende Absicherung in ihren altersentsprechenden Grundbedürfnissen gegeben. Den minderjährigen Beschwerdeführern steht ferner kostenfreier und nichtdiskriminierender Zugang zum öffentlichen Schulwesen sowie leistbarer und nichtdiskriminierender Zugang zu einer adäquaten medizinischen Versorgung in der autonomen Region Kurdistan zur Verfügung.

1.2.9. Die autonome Region Kurdistan ist im Luftweg direkt mit Linienflügen (Schwechat-Erbil) gefahrlos erreichbar.

1.3. Zur Lage der Beschwerdeführer im Bundesgebiet:

1.3.1. Die Beschwerdeführer halten sich seit dem 07.05.2015 im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig in das Bundesgebiet ein, sind seither Asylwerber und verfügen über keinen anderen Aufenthaltstitel.

Die Beschwerdeführer leben nach einer anfänglichen Unterbringung in einem Übergangsquartier seit dem 06.07.2015 in einer Unterkunft für Asylwerber in der Gemeinde XXXX in Oberösterreich. Die Beschwerdeführer beziehen seit der Antragstellung bis dato Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und sind nicht legal erwerbstätig. Der Erstbeschwerdeführer hat beim zuständigen Arbeitsmarktservice im Jahr 2017 vorgesprochen und wurde ein Antrag auf Erteilung einer Saisonbewilligung nicht bewilligt. Eine konkrete Erwerbstätigkeit am regulären Arbeitsmarkt hat der Erstbeschwerdeführer nicht in Aussicht.

Der Erstbeschwerdeführer besuchte Qualifizierungsmaßnahmen zum Erwerb der deutschen Sprache auf dem Niveau A1 und auf dem Niveau A2. Er legte am 06.04.2017 die Prüfung über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau A1 erfolgreich ab. Die Prüfung über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau A2 am 25.01.2018 bestand der Erstbeschwerdeführer nicht. Der Erstbeschwerdeführer verfügt über grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache, die für eine Konversation auf einfachstem Niveau ausreichen. - 19 - Der Erstbeschwerdeführer pflegt normale soziale Kontakte zu seinem Freundeskreis am Ort seiner Unterbringung. Diesem gehören auch österreichische Staatsangehörige beziehungsweise in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigte Personen an. Der Erstbeschwerdeführer hat mehrere Empfehlungsschreiben sowie eine Unterstützerliste des SV XXXX U 16 vorgelegt, die fünfzehn Personen unterschieben haben [Letztere für den Zweitbeschwerdeführer]. Zwischen dem Erstbeschwerdeführer und seinen Bekannten/ Freunden besteht kein ein- oder wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis und auch keine über ein herkömmliches Freundschaftsverhältnis hinausgehende Bindung. Der Erstbeschwerdeführer verrichtete bis 05.06.2019 bislang gemeinnützige Tätigkeiten im Wirtschaftshof in der Gemeinde XXXX im Ausmaß von 266 Stunden, hilft ehrenamtlich beim Fußballverein der minderjährigen Beschwerdeführer und verrichtete Gartenarbeiten bei älteren Personen. Er besucht einen Fitnessclub. Der Erstbeschwerdeführer ist ansonsten weder in einem Verein noch in einer sonstigen Organisation Mitglied. Der Erstbeschwerdeführer hat einen österreichischen Führerschein erlangt.

Seit etwa Mitte 2017 unterhält der Erstbeschwerdeführer eine Beziehung zu einer irakischen Staatsangehörigen mit dem Namen XXXX . Diese war zuvor mit einem irakischen Staatsangehörigen mit dem Namen XXXX verheiratet und hat mit diesem einen gemeinsam Sohn ihm Alter von acht Jahren. Deren ehemaliger Ehegatte hält sich im Bundesgebiet auf.

XXXX wurde erstmals mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.03.2007 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Deren befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde zuletzt mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.01.2012 bis zum 27.01.2013 verlängert. Sie verfügt nunmehr über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ und reiste nach Erhalt des Status der subsidiär Schutzberechtigten in der Vergangenheit mehrmals in den Irak (nämlich etwa vom 12.08.2014 bis zum 23.09.2014 und vom 11.08.2015 bis zum 03.09.2015). Sie verfügt dort in der autonomen Region Kurdistan über Verwandte.

Gegenüber XXXX wurde erstmals mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.03.2004 festgestellt, dass dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Irak nicht zulässig ist. Dessen befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde zuletzt mit Bescheid des belangten Bundesamtes vom 28.03.2013 bis zum 19.03.2014 verlängert. In der Folge wurde ihm mit Bescheid des belangten Bundesamtes vom 28.02.2019 der mit Bescheid vom 19.03.2004 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen rechtskräftig aberkannt und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Er verfügt derzeit ebenfalls über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“. - 20 - Dem gemeinsamen Sohn von XXXX und XXXX mit dem Namen XXXX wurde erstmals mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.11.2011 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Dessen befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde zuletzt mit Bescheid des belangten Bundesamtes vom 09.09.2016 bis zum 01.07.2018 verlängert. Auch er verfügt derzeit über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“. Er wohnt bei seiner Mutter und besucht im gegenwärtigen Schuljahr die zweite Klasse einer Volksschule. Seine leiblichen Eltern teilen sich das Sorgerecht.

Am 01.06.2019 vollzogen der Erstbeschwerdeführer und die zuvor genannte irakische Staatsangehörige in Österreich eine islamische bzw. konfessionelle Trauung. Der Beschwerdeführer lebt mit XXXX nicht im gemeinsamen Haushalt. XXXX darf auch nicht bei ihm in der Unterkunft übernachten. Sie suchen eine gemeinsame Unterkunft in Linz oder XXXX . Der Kontakt beschränkt sich auf wechselseitige – teilweise mehrtägige – Besuche. Der Erstbeschwerdeführer kommuniziert mit XXXX auf Sorani. Mag die rechtsfreundliche Vertretung des Erstbeschwerdeführers auch von seiner Freundin finanziert werden, besteht zwischen den beiden ansonsten kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis. Eine ausgeprägte emotionale Nähe zum Beschwerdeführer trat im Verfahren ebenso wenig zutage.

Die minderjährigen Beschwerdeführer besuchen gegenwärtig an ihrem Wohnort die Schule. Die schulpflichtigen Beschwerdeführer verfügen über altersadäquate Kenntnisse der deutschen Sprache und pflegen einen altersentsprechenden Umgang mit Freunden und Mitschülern. Des Weiteren sind die minderjährigen Beschwerdeführer vor allem im örtlichen Fußballverein aktiv. Ein besonderes Naheverhältnis der minderjährigen Beschwerdeführer zu bestimmten Bezugspersonen außerhalb der Kernfamilie (Freunde, Mitschüler, Lehrpersonen) kann nicht festgestellt werden.

Unterstützer der Beschwerdeführer bezeichnen den Erstbeschwerdeführer als liebevollen und fürsorglichen Vater und attestieren ihm Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Kontaktfreudigkeit, Interesse am Erwerb der deutschen Sprache und - soziales - Engagement in der Wohnortgemeinde und dem örtlichen Fußballverein sowie den Wunsch, in Österreich einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen. Des Weiteren bezeichnen sie die minderjährigen Beschwerdeführer als „bestens integriert“ und attestieren ihnen fußballerisches Engagement bzw. fußballerische Fähigkeiten.

Die Beschwerdeführer verfügen über keine Verwandten im Bundesgebiet.

1.3.2. Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet war und ist nicht nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Z. 3 FPG 2005 geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen - 21 - Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurden nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

1.4.1. Zur aktuellen Lage im Irak werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitierten und gegenüber den Beschwerdeführern offengelegten Quellen getroffen:

1. Aktuelle Ereignisse

16.09.2019: In Irak kommt es weiterhin zu sicherheitsrelevanten Vorfällen. Insbesondere betroffen waren die Provinzen Diyala, Salahaddin, Kirkuk und Ninive. So wurde bei der Explosion einer IED südlich von Mosul am 09.09.19 ein Zivilist getötet und weitere sechs verletzt. Am 10.09.19 kam ebenfalls bei der Explosion einer IED südlich von Kirkuk eine Zivilperson ums Leben und in der Nähe von Muqdadiya in der Provinz Diyala wurden drei Zivilisten durch eine Mörsergranate verletzt. Bei zwei Bombenanschlägen auf Patrouillen der irakischen Sicherheitskräfte in der Region Nida, östlich von Baquba in der Provinz Diyala wurde am 11.09.19 ein Angehöriger der Sicherheitskräfte getötet und drei weitere verletzt. Ebenfalls am 11.09.19 starb ein irakischer Soldat an einem Kontrollpunkt der irakischen Sicherheitskräfte im Gebiet Dawaleeb, nordöstlich von Baquba in der Provinz Diyala. Bei einem Angriff von IS-Kämpfern auf irakische Sicherheitskräfte wurde am 13.09.19 in einem Gebiet zwischen den Provinzen Diyala und Salahaddin ein Soldat getötet und zwei verwundet. Irakischen Angaben zufolge haben IS-Kämpfer in dem Gebiet ihre Angriffe auf irakische Sicherheitskräfte und Zivilisten verstärkt.

Bei Sicherheitsoperationen der irakischen Sicherheitskräfte (ISF) mit Unterstützung der internationalen Koalition wurden am 09.09.19 drei IS-Verstecke in Mtaibijah an der Grenze zwischen den Provinzen Diyala und Salah ad- Din bombardiert und 15 IS-Kämpfer getötet sowie neun verhaftet. Ebenfalls am 09.09.19 wurden von der von den USA geführten Koalition mit Unterstützung der südwestlich von Erbil im Gebiet des Mount Qara- Chokh im Bezirk Makhmour zehn IS-Kämpfer getötet. Am 10.09.19 bombardierte die US-Luftwaffe Stellungen des IS auf der Insel Qanus im Fluss Tigris. Videoaufnahmen deuten darauf hin, dass IS-Positionen und Personal auf der Insel massive Schäden erlitten hätten. Am 11.09.19 töteten irakische Sicherheitskräfte durch Raketenbeschuss drei IS-Führer in einem Gebiet zwischen den Provinzen Diyala und Salah ad-Din. Bei Sicherheitsoperationen in der Provinz Anbar am 12.09.19 wurden in einem IS-Versteck 570 Sprenggürtel sowie andere Sprengsätze, Granaten und Minen entdeckt.

Am 10.09.19 kamen bei einer Massenpanik während des schiitischen Ashura-Festes in der Stadt Kerbala mindestens 31 Menschen ums Leben, 100 Menschen seien verletzt worden, zehn davon schwer. Irakischen Angaben zufolge sei es wegen eines großen Andrangs von Gläubigen am Eingang zur Grabmoschee Husseins zu dem Unglück gekommen.

30.09.2019: In Irak kommt es weiterhin zu sicherheitsrelevanten Vorfällen vor allem mit Einsatz von Sprengvorrichtungen. Betroffen waren in der letzten Woche insbesondere die Provinzen Bagdad, Diyala, Salahaddin, Kirkuk und Ninive.

Am 20.09.19 kamen bei der Explosion in einem Kleinbus zwölf Personen ums Leben, fünf weitere wurden verletzt. Der Vorfall ereignete sich an einem Checkpoint nahe der Einfahrt in die Stadt Kerbala. Der IS bekannte sich zu dem Anschlag. Medienberichten zufolge handelt es sich um einen der größten gezielten Anschläge auf Zivilisten seit der Niederlage des IS im Dezember 2017. Der Anschlag ereignete sich zwischen den schiitischen Feiertagen Ashura und al-Arba'in. - 22 -

Am 23.09.19 teilte das Ministerium für Migration und Vertreibung die Schließung von vier weiteren Lagern für Binnenvertriebene in der Provinz Ninive mit. Die Schließung erfolgt im Rahmen einer Initiative für die schnelle Rückkehr dieser Flüchtlinge in ihre Heimatregionen. Die Unterstützungskommission der Vereinten Nationen im Irak (UNAMI) und die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) warnen dagegen vor einer übereilten Rückkehr der Binnenvertriebenen

07.10.2019: Seit dem 01.10.19 kam es zu Demonstrationen gegen Korruption, Arbeitslosigkeit und für bessere Grundversorgung in Bagdad, Nasriyah (Provinzhauptstadt Dhi Qar) und anderen Städten. Die Demonstrationen sollen über soziale Medien organisiert worden sein, eine Führung ist bis dato nicht bekannt. Die zunächst friedlichen Demonstrationen eskalierten als Sicherheitskräfte versuchten die Menschenmengen aufzulösen. Irakische Sicherheitsquellen dementierten direkt auf Demonstranten geschossen zu haben und haben Ermittlungen eingeleitet. Demonstranten blockierten Hauptverkehrsstraßen und setzten Dutzende öffentliche Gebäude und acht Parteibüros in Brand.

Am 05.10.19 verkündete der irakische Premierminister Adel Abd al-Mahdi ein soziales Programm, welches u.a. berufliche Weiterbildungen, sozialen Wohnungsbau sowie finanzielle Entschädigungen für die Familien der toten Demonstranten enthalten soll.

Bei einer Pressekonferenz am 06.10.19 teilte Saed Maan im Namen der Sicherheitskräfte mit, dass bei den Protesten in mehreren Landesteilen bisher 104 Personen, davon acht Sicherheitskräfte, und 6.107 weitere Personen, darunter auch Sicherheitskräfte, verletzt wurden. Der irakischen Menschenrechtskommission zufolge wurden mindestens 132 Demonstranten verhaftet. Am 06.10.19 sollen bei Ausschreitungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten in Sadr City (Bagdad) weitere 15 Menschen getötet worden sein.

Zeitweise wurden aufgrund der Proteste der Internetzugang und der Zugang zu sozialen Medien (z.B. Facebook, Twitter, WhatsApp) eingeschränkt. Die Organisation NetBlock berichtet, dass der Irak zeitweise zu etwa 70 % offline war. Reporter ohne Grenzen (RSF) zufolge seien bei der Berichterstattung über die Proteste seit dem 01.10.19 Journalisten von mindestens 14 verschiedenen Medieninstitutionen angegriffen worden. Drei Journalisten seien zeitweise festgenommen worden. Lokalen Medienberichten zufolge wurden u.a. Einrichtungen der Satellitensender Al-Arabiyya und NRT bei Angriffen in Bagdad von maskierten Unbekannten beschädigt oder zerstört.

Am 02.10.19 wurden der Aktivist und Karikaturist Hussein Adel Madani und seine Frau von unbekannten Angreifern in ihrer Wohnung in Basra erschossen. Lokalen Medienberichten zufolge sollen beide zuvor an Demonstrationen teilgenommen haben.

14.10.2019: Ein Ausschuss soll die mehr als 110 Todesfälle nach Massenprotesten gegen Korruption und Misswirtschaft in Irak untersuchen. Dies hatte Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi am 12.10.19 verkündet. Großajatollah Ali al-Sistani hatte die Einrichtung eines solchen Ausschusses gefordert.

Am 07.10.19 kam es in dem überwiegend schiitisch geprägten Stadtteil Sadr City erneut zu Demonstrationen. Die Demonstranten forderten neue Jobs und kritisierten den Tod mehrerer Demonstranten in der vorangegangenen Nacht. Bei den Ausschreitungen in der Nacht zum 07.10.19 waren mindestens acht Menschen gestorben.

28.10.2019: Die für den 25.10.19 angekündigten Proteste halten weiter an. Es handelt sich um die zweite Protestwelle in diesem Monat (vgl. BN v. 07.10.19). Seit dem 27.10.19 schließen sich lokalen Berichten zufolge vermehrt auch Schülerinnen, Schüler und Studierende in Bagdad und anderen Städten den Protesten an. Die Forderungen der Demonstranten enthalten u.a. Aufrufe zum Sturz des bestehenden politischen Systems (muhassassa), zur Absetzung der herrschenden politischen Elite und zur Reformierung des Wahlgesetzes. Demonstranten steckten mindestens 50 Regierungs-, Parteigebäude und Milizenbüros in Brand. Unbekannte Dritte eröffneten Human Rights Watch zufolge das Feuer auf Demonstranten, die versuchten Milizenbüros zu stürmen. Sicherheitskräfte nutzten u.a. Tränengas/-kanister, Gummigeschosse und Blendgranaten um die - 23 -

Demonstrati-onen aufzulösen. Anti-Terror-Einheiten wurden u.a. in Bagdad und Nasriyah entsandt, um Regierungsgebäude zu schützen und die Demonstrationen zu beenden.

Die Berichterstattung vor Ort bleibt weiterhin schwierig (vgl. BN v. 07.10.19). Am 27.10.19 veröffentlichte die irakischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte Namen von 13 in Nasriyah verhafteten Aktivisten. Am 22.10.19 veröffentlichte die irakische Regierung die Ergebnisse der Ermittlungen zu Toten und Verletzten während der vorangeganger Proteste (vgl. BN v. 07.10.19). Zwischen dem 01.10.19 und 09.10.19 wurden den Ermittlungen zufolge 157 Personen (inkl. acht Sicherheitskräfte) getötet und mehr als 3.000 Personen verletzt. Die häufigsten Verletzungs- und Todesursachen waren Schüsse in den Kopf oder die Brust. Der Einsatz von Scharfschützen und die Beschädigung von TV-Stationen (vgl. BN v. 07.10.19) wurden in den offiziellen Ermittlungen nicht aufgegriffen. Zwischen dem 25.10.19 und dem 27.10.19 kamen der irakischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge weitere73 Menschen ums Leben, mehr als 3.500 wurden verletzt.

IOM zufolge sind aufgrund der jüngsten Militäroperationen in Syrien im Zeitraum vom 14.-27.10.19 etwa rund 12.000 Menschen über verschiedene Grenzübergänge in den Irak geflohen. Der UN zufolge sind ca. 75% der registrierten Flüchtlinge Frauen und Kinder. Die Mehrheit der Geflüchteten wurde im Flüchtlingscamp Bardarash (Provinz Dohuk) untergebracht. Täglich kommen der UN zufolge zwischen 900 und 1.200 Personen im Lager Bardarash, welches kommende Woche seine Kapazität (max. 11.000 Personen) erreichen wird, an. Diejenigen mit Angehörigen in der Kurdischen Region-Irak (KR-I) sollen nach und nach aus dem Camp zu ihren Angehörigen entlassen werden. Kurdischen Medienberichten zufolge soll der Bau neuer Flüchtlingslager angesichts des Flüchtlingsstroms in Angriff genommen werden.

11.11.2019: Die Proteste in Irak halten an (vgl. BN v. 04.11.19). Die Demonstrationen konzentrierten sich weiterhin auf Bagdad und die südlichen und zentralen Provinzen, insbesondere Babil, Basra, Dhi Qar, Karbala, Missan, Muthana, Najaf, Qadisiyah und Wassit, auch wenn vereinzelte Demonstrationen in anderen Provinzen stattfanden. Studierende schlossen sich auch am 10.11.19 erneut den Demonstrationen an. Offiziellen irakischen Angaben zufolge sollen bei den regierungskritischen Massenprotesten in Irak seit Anfang Oktober mindestens 319 Menschen ums Leben gekommen sein. Präsident Barham Salih, Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi und der Parlamentsvorsitzende Mohammed al-Halbusi hätten am 10.11.19 in einer gemeinsamen Mitteilung versprochen, Korruption zu bekämpfen und auf eine Reform des Wahlrechts hinzuarbeiten. Das bestehende politische System und die Verfassung müssten überarbeitet werden.

Seit Beginn der zweiten Protestwelle (vgl. BN v. 28.10.19) setzen irakische Sicherheitskräfte militärische Tränengasgranaten ein. Menschenrechtsorganisationen zufolge werden sie wahllos in die Menschenmenge oder gezielt auf Demonstranten (Kopf-/Brusthöhe) geworfen. Zudem führt ihr Einsatz u.a. zu Atembeschwerden bis hin zum Ersticken und Verbrennungen auf der Haut.

Lt. dpa-Meldung vom 10.11.2019 sei der Organisation NetBlocks zufolge das Internet seit fast einer Woche nur noch teilweise zugänglich. Seit über einem Monat hätten nur 20 bis 35 Prozent der Nutzer über längere Zeiträume Zugang zum Internet gehabt.

Am 05.11.19 wurde eine Reihe von Aktivisten von irakischen Sicherheitskräften in mehreren Städten und Provinzen verhaftet, darunter in Bagdad, Basra, Dhi Qar, Karbala und Maysan. Berichten zufolge hätten die Sicherheitskräfte die Massenverhaftungen ohne entsprechende Haftbefehle durchgeführt. Bereits am 25.10.19 veröffentlichte der Hohe Richterliche Rat eine Stellungnahme, dass Artikel 2 des Anti-Terror-Gesetztes bei Zerstörung oder Beschädigung öffentlichen Eigentums oder Gewalt gegen Sicherheitskräfte zum Tragen kommt (UNAMI. 2. Bericht, S. 5).

UNAMI veröffentlichte am 05.11.19 einen weiteren Bericht zu den Demonstrationen im Zeitraum vom 25.10.- 04.11.19, in dem ein Teil der Gewalt dokumentiert ist. Die ersten Untersuchungsergebnisse würden darauf hinweisen, dass zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und Missbräuche begangen wurden, einschließlich tödlicher Gewalt gegen Demonstranten, der unverhältnismäßige Einsatz von Tränengas und Blendgranaten, - 24 - fortgesetzte Anstrengungen zur Begrenzung der Medienberichterstattung über die Demonstrationen, Entführungen und vielfache Festnahmen.

Nach den Protesten in Bagdad und mehreren Provinzen im Zentral- und Südirak vom 01.10.-09.10.19 sind Massendemonstrationen unter anderem gegen staatliche Korruption, Arbeitslosigkeit und mangelnde Grundversorgung am 25.10.19 wieder aufgeflammt. Die Demonstranten hätten sich auch sehr frustriert über die Todesfälle und Verletzten gezeigt, die sowohl auf den unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt durch die Sicherheitskräfte als auch auf vorsätzliche Tötungen durch bewaffnete Gruppierungen während der früheren Demonstrationen zurückzuführen seien. Darüber hinaus hätten die Demonstranten begonnen, grundlegende Veränderungen des politischen Systems zu fordern. Im Vergleich zu den früheren Demonstrationen, an denen meist junge Männer der Arbeiterklasse und Aktivisten der Zivilgesellschaft beteiligt gewesen seien, hätte an diesen Demonstrationen eine zunehmende Zahl von Demonstranten aus demografisch unterschiedlichen Bevölkerungsschichten teilgenommen, darunter eine signifikante Zahl von Frauen, älteren Menschen, Schülern, Fachleuten, Studenten und Lehrern. Die Demonstrationen hätten sich weiterhin auf Bagdad und die südlichen und zentralen Provinzen, insbesondere Babil, Basra, Dhi Qar, Karbala, Missan, Muthana, Najaf, Qadisiyah und Wassit konzentriert, auch wenn vereinzelte Demonstrationen in anderen Provinzen stattgefunden hätten.

Am 04.11.19 und 05.11.19 führte die türkische Luftwaffe erneut Luftschläge im Gebiet Sinjar durch. Die US- Kommission für Religionsfreiheit verurteilte die Nähe der Luftschläge zu zivilen Wohngebieten.

25.11.2019: Seit Wochen kommt es immer wieder zu Protesten gegen die politische Führung. Vor allem in Bagdad und im Süden des Landes demonstrieren die Menschen. Die Demonstrationen richten sich insbesondere gegen die Korruption und die schlechte Wirtschaftslage. Die Demonstranten fordern einen Rücktritt der Regierung sowie ein neues politisches System. Bislang sind seit Beginn der Proteste mehr als 320 Menschen ums Leben gekommen und Tausende wurden verletzt. Menschenrechtsorganisationen werfen den Sicherheitskräften vor, mit großer Härte gegen die Proteste vorzugehen. Nach jüngsten Pressemeldungen kam es in Bagdad und anderen Provinzen im Süden erneut zu Zusammenstößen. Sicherheitskräfte sollen Tränengas eingesetzt und mit scharfer Munition geschossen haben. In Nasirija, Provinz Dhi Qar, im Süden des Landes, soll ebenfalls scharfe Munition und Tränengas eingesetzt worden sein, um eine Menschenmenge zu vertreiben, die drei Brücken in der Stadt besetzt hatte. Dabei sollen mindestens drei Menschen getötet und mehr als 50 weitere verletzt worden sein. Laut einer weiteren Pressemeldung sollen mehr als 70 Menschen verletzt worden sein. Auch in den Provinzen Kerbala, Najaf, Qadissiyah, Wassit, Maysan und Basra soll es zu Protesten mit Toten und Verletzten gekommen sein.

Es kommt auch weiterhin zu nicht protestbezogenen sicherheitsrelevanten Vorfällen, insbesondere in den Provinzen Ninive, Salahaddin, Babil, Kirkuk und Diyla. Bei einer Sicherheitsoperation gegen den IS wurden am 19.11.19 ein IS-Kämpfer getötet sowie Materialien wie Kraftstoff und Ausrüstung vernichtet. Bei einer Sicherheitsoperation gegen IS-Kämpfer am 23.11.19 in der Provinz Ninive wurden sechs IS-Kämpfer getötet. Weiterhin wurden Gewehre, Garanten und sonstige Ausrüstungsgegenstände sichergestellt.

IOM zufolge haben zwischen dem 14.10.19 und 24.11.19 insgesamt 16.827 Menschen die Grenze zum Irak überschritten. Aktuell werden alle Neuankömmlinge mit dem Bus in das Bardarash Camp, Provinz Ninive, gebracht. Die Flüchtlinge werden in den Camps Bardarash, Domiz und Gawilan untergebracht.

02.12.2019: Das irakische Parlament hat am 01.12.19 das Rücktrittsgesuch von Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi angenommen. Mahdi soll die Amtsgeschäfte weiterführen, bis ein Nachfolger bestimmt werde. Mahdi hatte am 29.11.19 seinen Rücktritt angekündigt, nachdem am 28.11.19 die Gewalt eskaliert war.

Auch in der vergangenen Woche hielten die Proteste an. Trotz des angekündigten Rücktritts von Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi am 29.11.19 kam es am 30.11.19 erneut zu Demonstrationen in Bagdad und den südlichen Provinzen. Auch in Mosul kam es zu Solidaritätsbekundungen. Demonstranten hatten am 01.12.19 zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage das iranische Konsulat in Najaf in Brand gesetzt. Bereits am 27.11.19 stürmten irakische Demonstranten das iranische Konsulat in Najaf und zündeten das Gebäude an. Die - 25 - konsularischen Mitarbeiter konnten kurz zuvor evakuiert werden. Sicherheitskräfte hatten am 27.11.19 Tränengas und scharfe Munition gegen die Protestierenden eingesetzt. Demonstrationen wurden u.a. auch aus den Provinzen Bagdad, Dhi Qar, Karbala und Babil bekannt. Bislang wurden im Rahmen der Proteste seit Anfang Oktober 2019 mindestens 420 Menschen getötet und etwa 15.000 verletzt.

Am 01.12.19 erließ der Hohe Justizrat, die oberste irakische Justizbehörde, einen Haftbefehl gegen General Jamil al-Shammari. Dem Hohen Justizrat zufolge hatte er das Durchgreifen gegen Demonstranten in der Provinz Dhi Qar, im Süden des Landes, angeordnet, bei dem mindestens 32 Menschen ums Leben gekommen sind. Er sei am 28.11.19 seines Postens enthoben worden, weiterhin sei ein Reiseverbot gegen ihn verhängt worden.

Am 21.11.19 teilte die irakische Medienkommission die dreimonatige Suspension von neun TV-Stationen (Al- Arabiyam Al-Hadath, NRT TV, ANB TV, Dijlah, Al-Sharqiya TV, Al-Fallujah TV, Al-Rasheed, Hona Bagdad) und die dauerhafte Schließung von vier Radiostationen (Radio Al-Nass, Radio Sawa, Radio Al-Yawm, Radio Nawa) mit. Vier weitere TV-Stationen (Rudaw TV, Asia TV, Al-Sumaria TV, Ur TV, Syk New Arabic) erhielten eine Warnung. Als Grund für die Schließungen der TV-Stationen wurden u.a. die Nichtbeachtung von Richtlinien, Sendung aus dem Ausland und Anstiftung zum Hass genannt. Betroffen sind sowohl lokale als auch internationale Media Outlets. Reporter ohne Grenzen berichtet, dass am 26.11.19 eine Reporterin und ein Kameramann (Dijlah TV) in Najaf von der Bereitschaftspolizei zusammengeschlagen und ihr Equipment beschlagnahmt wurde. Seit Beginn der Proteste Anfang Oktober 2019 kommt es zu schweren Einschränkungen der Pressefreiheit und Übergriffen auf Journalisten (vgl. BN v. 07.10.19).

09.12.2019: Am 06.12.19 haben in Bagdad Augenzeugen zufolge unbekannte Schützen auf Demonstranten geschossen. Dabei sollen mindestens 16 Menschen getötet und rund 100 weitere verletzt worden sein. Nach Angaben des irakischen Innenministeriums wurden vier Zivilisten getötet und 80 weitere verletzt. Dennoch kam es am 08.12.19 in Bagdad und mehreren Städten im Süden des Landes, u.a. in Hilla (Provinz Babil), Amara (Provinz Maysan), Diwaniya (Provinz Qadissiyah), Kut (Provinz Wasit) und Najaf (Provinz Najaf), erneut zu Protesten.

In Nasiriyah (Provinz Dhi Qar), einem Hotspot der Proteste, versammelten sich am 08.12.19 in der Innenstadt Demonstranten zusammen mit Vertretern mächtiger Stämme. Dort waren am 05.12.19 mehr als 25 Menschen bei Protesten getötet worden. Dies veranlasste die lokalen Stämme, die Sicherheits- und Verwaltungsangelegenheiten zu übernehmen. Die Checkpoints werden nun mit Freiwilligen besetzt. Nach Zählung der irakischen Menschenrechtskommission wurden bei den regierungskritischen Protesten bislang mehr als 460 Menschen getötet und mehr als 20.000 verletzt.

16.12.2019: Am 11.12.19 veröffentlichte die UN Assistance Mission for Iraq (UNAMI) einen weiteren Bericht bezüglich der seit dem 01.10.19 anhaltenden regierungskritischen Proteste in Irak. Im Berichtszeitraum vom 05.11.19 bis zum 08.12.19 zählte UNAMI 170 Tote und 2.264 Verletzte. UNAMI verweist darauf, dass die irakische Regierung die Herausgabe offizieller Statistiken seitens der Krankenhäuser an UNAMI unterbindet. Die Proteste haben sich auf 13 der 18 irakischen Provinzen ausgeweitet. Die kurdischen Provinzen sind bisher nicht von den Demonstrationen betroffen. UNAMI zufolge wird gegen festgenommene Demonstranten gemäß dem irakischen Strafgesetz Klage erhoben, nicht nach der Anti-Terror-Gesetzgebung. Den Erkenntnissen von UNAMI zufolge gehen unbekannte Dritte nach wie vor mit scharfer Munition, Drohungen, Entführungen bis hin zu gezielten Tötungen gegen Demonstranten vor. Während gegen einige Verantwortliche innerhalb der Sicherheitskräfte Anklage erhoben wurde, setzen Sicherheitskräfte nach wie vor u.a. scharfe Munition gegen Demonstranten ein. Berichten von u.a. Human Rights Watch zufolge werden Aktivist*innen und Demonstrant*innen nach wie vor eingeschüchtert, angegriffen, entführt oder getötet.

Auch in der vergangenen Woche hielten die Proteste an. So haben am 16.12.19 Demonstranten den Zugang zu einer Universität in der Provinz Babil geschlossen. In Bagdad wurde am 15.12.19 ein Aktivist, der auch als Journalist arbeitet, von unbekannten bewaffneten Männern getötet. Ebenfalls am 15.12.19 wurden in Diwaniyah, Provinz al-Qadisiyya, durch eine Autobombenexplosion zwei Aktivisten verletzt. Am 14.12.19 setzten in der Stadt Amara, Provinz Missan, irakische Demonstranten das Haus des Kandidaten für das Amt des - 26 -

Premierministers in Brand. Eine Reihe von politischen Parteien haben sich auf die von pro-iranischen Gruppen unterstützte Kandidatur von Al-Sudani, der bereits Kabinettsposten innehatte, geeinigt. Irakische Demonstranten hatten wiederholt klargestellt, dass sie nicht wollen, dass der zukünftige Premierminister in den vorangegangenen Kabinetten offizielle Positionen innehabe. Am 10.12.19 nahm die Gewalt im Zentrum von Bagdad wieder zu, als 31 Demonstranten durch den Einsatz von Tränengas seitens der Sicherheitskräfte verwundet wurden, um sie vom Wathba-Platz, einem zentralen Platz in Bagdad, zu vertreiben. Am 09.12.19 wurden mindestens 15 Personen, Demonstranten und Sicherheitskräfte, bei Zusammenstößen in der Hafenregion Umm Qasr in der Provinz Basra verletzt.

Es kommt auch weiterhin zu nicht protestbezogenen sicherheitsrelevanten Vorfällen. IS-Angriffe konzentrierten sich insbesondere auf die Provinzen Diyala, Ninive, Kirkuk und Bagdad. Sicherheitsoperationen gegen IS-Kämpfer werden weiterhin durchgeführt. So wurden am 15.12.19 bei einem Luftangriff in der Nähe von Albu Juma, zwischen den Provinzen Diyala und Salahaddin, drei IS-Kämpfer getötet. Ebenfalls am 15.12.19 wurden in Samarra, Provinz Salahaddin, bei einer Sicherheitsoperation acht IS-Kämpfer getötet.

In der Nähe von Fallujah, Provinz Anbar, wurden die Leichen von 643 Männern und Jungen entdeckt. Es wird vermutet, dass sie zu dem Stamm Al-Muhammeda gehören, die nach der Befreiung des Gebietes vom IS verschwunden sind.

2. Politische Lage

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch- republikanischer Staat mit allen Merkmalen der Gewaltenteilung (AA 12.01.2019), der aus 18 Provinzen (muhafazät) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).

An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).

Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005). Am 002.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 02.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da‘wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).

Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack 27.9.2018) Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018). Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018). Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung - 27 - festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).

In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogennante „Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018).

Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch- religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt. Im Führungsgremium der Kommission für die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen 2018 waren nur Schiiten, Sunniten und Kurden vertreten. Jeweils ein Turkmene und ein Christ waren nicht-stimmberechtigte Mitglieder. (AA 12.01.2019).

Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 09.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018).

Im Irak leben ca. 36 Millionen Einwohner, wobei die diesbezüglichen Schätzungen unterschiedlich sind. Die letzte Volkszählung wurde 1997 durchgeführt. Im Gouvernement Bagdad leben ca. 7,6 Millionen Einwohner. Geschätzte 99% der Einwohner sind Moslems, wovon ca. 60%-65% der schiitischen und ca. 32%-37% der sunnitischen Glaubensrichtung angehören (CIA World Factbook 2014-2015, AA 12.01.2019). Die ethnische und religiöse Zusammensetzung der einzelnen Regionen des Irak ist aus der Grafik im Punkt Minderheiten ersichtlich.

Die infolge der Parlamentswahlen im Jahr 2018 neu gebildete Regierung von Ministerpräsident Adel Abdul- Mahdi steht unter erheblichem Druck, Reformen zu implementieren, die staatlichen Dienstleistungen zu verbessern und Korruption zu bekämpfen. Gleichzeitig muss der Sicherheitssektor umfassend reformiert werden. Milizen agieren zwar formell größtenteils unter dem Premierminister als Oberbefehlshaber, sind jedoch oftmals der verlängerte Arm politischer Akteure. Es besteht weiterhin enormer Bedarf an Stabilisierung, Wiederaufbau und Versöhnung in den vom IS befreiten Gebieten (AA 12.01.2019). Infolge von Protesten trat Ministerpräsident Adel Abdul-Mahdi zurück, ein Nachfolger vom Parlament bestätigter Nachfolger wurde noch nicht gefunden.

2.1. Autonome Region Kurdistan

Ein Teil des föderalen Staates Irak ist die Autonome Region Kurdistan, das im Nordosten des Iraks angesiedelt ist. Die Autonome Region Kurdistan hat weitgehende Souveränität. Sie verfügt über eigene exekutive, legislative und judikative Organe und besitzt seit 2009 eine eigene Verfassung. Gemäß Art. 121 der irakischen Verfassung üben kurdische Sicherheitskräfte (insbesondere die militärisch organisierten Peschmerga und die Sicherheitspolizei Asayish) die Sicherheitsverantwortung in den Provinzen Erbil, Sulaimaniyya, Dohuk und Halabdscha aus; diese Kräfte kontrollieren darüber hinaus de facto Teile der Provinzen Diyala, Kirkuk und Ninawa. Die Autonome Region Kurdistan betreibt außerdem eine eigenständige Wirtschafts- und Außenpolitik und regelt Fragen der Grenzkontrolle selbst – hierzu gehört auch die von zentralirakischen Behörden unabhängige Vergabe von Visa.

Bis heute ist die Region faktisch zwischen KDP (Kurdistan Democratic Party) und PUK (Patriotic Union of Kurdistan) aufgeteilt – wobei die PUK in den letzten Jahren Einfluss an Goran abgeben musste. Innerhalb der autonomen Kurdenregion gibt es immer wieder Konflikte zwischen den drei großen irakisch-kurdischen Parteien - 28 -

KDP, Goran und PUK. Grund dafür ist unter anderem die Wirtschaftskrise und die weit verbreitete Korruption und Vetternwirtschaft, die im Kurdengebiet vorherrschen. Darüber hinaus sorgte der Streit um die Präsidentschaft Masʿud Barzanis für Spannungen, dessen (bereits außertourlich verlängerte) Amtszeit schon im August 2015 abgelaufen war. Die Waffenlieferungen des Westens und anderer Verbündeter an die Kurden haben zudem den Effekt, dass die kurdische Politik insgesamt zwar an Bedeutung gewinnt, sich jedoch dadurch die Spannungen zwischen den kurdischen Fraktionen weiter erhöhen. KDP und PUK sind durch ihre jeweiligen Bündnisse mit mächtigen - teilweise gegensätzlichen - Partnern gespalten: Die KDP mit Mas‘ud Barzani, dem Präsidenten der KRG (Kurdish Regional Government - die Regionalregierung in der KRI) wird vorrangig vom Westen unterstützt und steht der Türkei nahe, während die PUK vorrangig vom Iran unterstützt wird und der türkischen PKK sowie der irakischen Regierung in Bagdad nahesteht. Beide Parteien haben ihre jeweils eigenen Militäreinheiten (Peschmerga), die im Kampf gegen den IS oftmals in einem starken Konkurrenzverhältnis zueinander stehen.

Das Verhältnis der Zentralregierung zur kurdischen Autonomieregion, die einen semi-autonomen Status innehat, hat sich seit der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in der Autonomieregion und einer Reihe zwischen Bagdad und Erbil umstrittener Gebiete am 25.09.2017 deutlich verschlechtert (AA 12.02.2018). Die Kurden konnten das von ihnen kontrollierte Territorium im Irak in Folge der Siege gegen den IS zunächst ausdehnen. Mit dem Referendum am 25.09.2017 versuchte die kurdische Regional-Regierung unter Präsident Masud Barzani, ihren Anspruch auch auf die von ihr kontrollierten Gebiete außerhalb der drei kurdischen Provinzen zu bekräftigen und ihre Verhandlungsposition gegenüber der Zentralregierung in Bagdad zu stärken (BPB 24.1.2018).

Bagdad reagierte mit der militärischen Einnahme eines Großteils der umstrittenen Gebiete, die während des Kampfes gegen den IS von kurdischen Peshmerga übernommen worden waren, angefangen mit der ölreichen Region um Kirkuk (AA 12.02.2018). Die schnelle militärische Rückeroberung der umstrittenen Gebiete durch die irakische Armee, einschließlich der Erdöl- und Erdgasfördergebiete um Kirkuk, mit massiver iranischer Unterstützung, bedeutete für die kurdischen Ambitionen einen Dämpfer. Präsident Barzani erklärte als Reaktion darauf am 29.10.2017 seinen Rücktritt. Der kampflose Rückzug der kurdischen Peshmerga scheint auch auf zunehmende Differenzen zwischen den kurdischen Parteien hinzudeuten (BPB 24.1.2018).

Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der kurdischen Autonomieregion (AA 12.02.2018). Im Dezember 2017 forderte die gewaltsame Auflösung von Demonstrationen gegen die Regionalregierung in Sulaymaniya mehrere Todesopfer. Daraufhin hat sich die Oppositionspartei Gorran aus dem kurdischen Parlament zurückgezogen (BPB 24.1.2018). In der Autonomieregion gehen die Proteste schon auf die Zeit gleich nach 2003 zurück und haben seitdem mehrere Phasen durchlaufen. Die Hauptforderungen der Demonstranten sind jedoch gleich geblieben und drehen sich einerseits um das Thema Infrastrukturversorgung und staatliche Leistungen (Strom, Wasser, Bildung, Gesundheitswesen, Straßenbau, sowie die enormen Einkommensunterschiede) und andererseits um das Thema Regierungsführung (Rechenschaftspflicht, Transparenz und Korruption) (LSE 4.6.2018).

Das Parlament der Autonomen Region Kurdistan hat 110 Abgeordnete; elf davon sind quotierte Vertreter ethnischer und religiöser Minderheiten. Zudem regelt eine Quote, dass dreißig Prozent der Mandate von Frauen wahrgenommen werden müssen. Am 30.9.2018 fanden in der kurdischen Autonomieregion Wahlen zum Regionalparlament statt (Tagesschau 30.9.2018). Mit einer Verzögerung von drei Wochen konnte die regionale Wahlkommission am 20.10.2018 die Endergebnisse veröffentlichen. Zahlreiche Parteien hatten gegen die vorläufigen Ergebnisse Widerspruch eingelegt. Gemäß den offiziellen Endergebnissen gewann die KDP mit 686.070 Stimmen (45 Sitze), vor der PUK mit 319.912 Stimmen (21 Sitze) und Gorran mit 186.903 Stimmen (12 Sitze) (ANF 21.10.2018; vgl. Al Jazeera 21.10.2018, RFE/RL 21.10.2018). Die Oppositionsparteien lehnen die Abstimmungsergebnisse ab und sagen, dass Beschwerden über den Wahlbetrug nicht gelöst wurden (Al Jazeera 21.10.2018). - 29 -

3. Sicherheitslage

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich merklich verbessert, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde (AA 12.01.2019, CRS 4.10.2018). IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv und ist die Sicherheitslage regional unterschiedlich (CRS 4.10.2018).

Staatliche Stellen sind nach wie vor für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich und trotz Willen auch der neuen Regierung nicht in der Lage, die in der Verfassung verankerten Rechte und Grundfreiheiten zu gewährleisten. Derzeit ist es staatlichen Stellen zudem nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig (AA 12.01.2019).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.01.2019). Insbesondere in Bagdad kommt es weiterhin zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (MIGRI 6.2.2018).

Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar (ACLED 7.8.2019). Nach einem Angriff auf eine Basis der Volksmobilisierungseinheiten (PMF/PMU/Hashd al Shabi) in Anbar, am 25. August (Al Jazeera 25.8.2019), erhob der irakische Premierminister Mahdi Ende September erstmals offiziell Anschuldigungen gegen Israel, für eine Reihe von Angriffen auf PMF-Basen seit Juli 2019 verantwortlich zu sein (ACLED 2.10.2019; vgl. Reuters 30.9.2019). Raketeneinschläge in der Grünen Zone in Bagdad, nahe der US-amerikanischen Botschaft am 23. September 2019, werden andererseits pro-iranischen Milizen zugeschrieben, und im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran gesehen (ACLED 2.10.2019; vgl. Al Jazeera 24.9.2019; Joel Wing 16.10.2019).

3.1. Islamischer Staat (IS)

Seitdem der IS Ende 2017 das letzte Stück irakischen Territoriums verlor, hat er drei Phasen durchlaufen: Zunächst kam es für einige Monate zu einer Phase remanenter Gewalt; dann gab es einen klaren taktischen Wandel, weg von der üblichen Kombination aus Bombenanschlägen und Schießereien, zu einem Fokus auf die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes. Die Kämpfer formierten sich neu und im Zuge dessen kam es zu einem starken Rückgang an Angriffen. Jetzt versucht der IS, die Kontrolle über die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes und über Grenzgebiete zurückzuerlangen. Gleichzeitig verstärkt er die direkte Konfrontation mit den Sicherheitskräften (Joel Wing 03.07.2018). Im September 2018 fanden die IS-Angriffe wieder vermehrt in Bagdad statt und es ist eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben feststellbar (Joel Wing 06.10.2018).

Mit Stand Oktober 2018 waren Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang. Ziel war es, den IS daran zu hindern sich wieder zu etablieren und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Irakische Beamte warnen vor Bemühungen des IS, Rückzugsorte in Syrien für die Infiltration des Irak zu nutzen. Presseberichte und Berichte der US-Regierung sprechen von anhaltenden IS-Angriffen, insbesondere in ländlichen Gebieten von Provinzen, die vormals vom IS kontrolliert wurden (CRS 04.10.2018; vgl. ISW 02.10.2018, Atlantic 31.8.2018, Jamestown 28.7.2018, Niqash 12.7.2018). In diesen Gebieten oder in Gebieten, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts (CRS 04.10.2018). Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. Ortschaften werden angegriffen und Steuern vom IS erhoben. Es gibt Rückzugsgebiete des IS, die in der Nacht No-go-Areas für die Sicherheitskräfte sind und wo sich IS-Kämpfer tagsüber offen zeigen. Dies geschieht trotz ständiger Razzien durch die Sicherheitskräfte, die jedoch weitgehend wirkungslos sind (Joel Wing - 30 -

06.10.2018). Die Extremisten richten auch falsche Checkpoints ein, an denen sie sich als Soldaten ausgeben, Autos anhalten und deren Insassen entführen, töten oder berauben (Niqash 12.7.2018; vgl. WP 17.7.2018).

Das Hauptproblem besteht darin, dass es in vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt und die Bevölkerung eingeschüchtert wird (Joel Wing 06.10.2018). Sie kooperiert aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr hat sich der IS verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist auch zu jenen Taktiken zurückgekehrt, die ihn 2012 und 2013 zu einer Kraft gemacht haben: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch (Atlantic 31.08.2018).

Der Islamische Staat (IS) ist im Irak weitestgehend auf Zellen von Aufständischen reduziert worden, die meist aus jenen Gebieten heraus operieren, die früher unter IS-Kontrolle standen, d.h. aus den Gouvernements Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah ad-Din. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) werden nur die Distrikte Shirqat und Tuz in Salahaddin, Makhmour in Erbil, Hawija und Daquq in Kirkuk, sowie Kifri und Khanaqin in Diyala als umkämpft angesehen (EASO 3.2019). Es kommt zu einer Rückbesinnung auf die Fähigkeiten der asymmetrischen Kriegsführung des Islamischen Staates (AA 12.01.2019). Das ganze Jahr 2018 über führten Kämpfer des Islamischen Staates Streifzüge nach Anbar, Bagdad und Salah ad-Din durch, zogen sich dann aber im Winter aus diesen Gouvernements zurück. Die Anzahl der verzeichneten Übergriffe und zivilen Todesopfern sank daher im Vergleich zu den Vormonaten deutlich ab (Joel Wing 2.1.2019).

Die folgende Karte des Institute for the Study of War (ISW) vom 16.04.2019 weist neben Unterstützungszonen des Islamischen Staates (IS) im Irak und in Syrien auch Gebiete aus, in denen Angriffe und Manöver vom IS ausgeführt wurden, sowie Gebiete, in denen Änderungen in der Vorgehensweise des IS beobachtet wurden. Weiters werden Gebiete, die sowohl von der kurdischen Regionalregierung als auch von der irakischen Zentralregierung für sich beansprucht werden (die sogenannten „umstrittenen Gebiete“) dargestellt (in grau schattierten Linien): - 31 -

Nachdem der IS am 23.3.2019 in Syrien das letzte von ihm kontrollierte Territorium verloren hatte (ISW 19.4.2019), kündigte er Anfang April einen neuen Feldzug an, um den Gebietsverlust in Syrien zu rächen (Joel Wing 3.5.2019). Der IS vergrößerte so seine „Unterstützungszonen“ [Anm. eine Kategorie des ISW für Gebiete, in denen der IS aktive und passive Unterstützung durch die lokale Bevölkerung lukrieren kann] im Irak und weitete seine Angriffe in bedeutenden Städten, wie Mossul und Fallujah, sowie in Kurdistan aus (ISW 19.4.2019). Neu wiederorganisierte IS-Zellen verstärkten ihre Operationen und Angriffe in den Gouvernements Anbar, Babil, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninawa und Salah ad-Din (UNSC 2.5.2019). Das führte zu einem starken Anstieg der Angriffe in der zweiten Woche des Monats April. So erfolgten alleine in der zweiten Aprilwoche 41 der im gesamten Monat verzeichneten 97 sicherheitsrelevanten Vorfälle. Danach gingen die Vorfälle jedoch wieder auf das niedrige Niveau der Vormonate zurück (Joel Wing 3.5.2019). Für Mai 2019 wurden im Zuge der Frühjahrsoffensive des IS wieder die höchsten monatlichen Angriffszahlen seit Oktober 2018 verzeichnet (Joel Wing 5.6.2019). Es gab tägliche Berichte über IS-Kämpfer, die Hit-and-Run-Angriffe auf Sicherheitspersonal und Infrastruktur sowie Entführungen und Tötungen von lokalen Beamten und Zivilisten in Gebieten mit massiven Sicherheitslücken durchführten - vor allem in den Wüstenregionen Anbars, nahe der Grenze zu Syrien, als auch in den umstrittenen Gebieten, in denen es „Lücken“ zwischen den irakischen und kurdischen Truppen gibt (Rudaw 9.5.2019). Irakische Einheiten führten wiederholt Operationen in Rückzugsgebieten des IS durch (Rudaw 9.5.2019). Beispielsweise am 11.4.2019 in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. 11.4.2019) und am 5.5.2019 in den Gouvernements Anbar, Salahaddin und Ninewa (Xinhua 6.5.2019). Solche Operationen hatten jedoch nur begrenzten Erfolg, da sie die Operationsmöglichkeiten des IS nur geringfügig einschränkten. Eine große Herausforderung für die irakischen Streitkräfte besteht in Versäumnissen ihrer Geheimdienste. Unzureichende Ausbildung, Finanzierung, schlechte Kommunikation zwischen den Behörden des Sicherheitsapparats und damit einhergehend die mangelnde Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten und zu nutzen, behindern die Aufklärungsarbeit (Rudaw 9.5.2019).

Einem Bericht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom Februar 2019 zufolge kontrolliert der IS immer noch zwischen 14.000 und 18.000 Kämpfer im Irak und in Syrien (UNSC 1.2.2019). Nach Angaben des US- - 32 -

Verteidigungsministeriums, unter Berufung auf Geheimdienstquellen, verfügt der IS noch über 20.000 bis 30.000 Angehörige - Kämpfer, Anhänger und Unterstützer – im Irak und in Syrien (USDOD 7.5.2019).

Seit der Verkündigung des territorialen Sieges des Irak über den Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (Reuters 9.12.2017) hat sich der IS in eine Aufstandsbewegung gewandelt (Military Times 7.7.2019). Zahlreiche Berichte erwähnen Umstrukturierungsbestrebungen des IS sowie eine Mobilisierung von Schläferzellen (The Portal 9.10.2019). Im Jahr 2019 war der IS insbesondere in abgelegenem, schwer zugänglichem Gelände aktiv, hauptsächlich in den Wüsten der Gouvernements Anbar und Ninewa sowie in den Hamrin-Bergen, die sich über die Gouvernements Kirkuk, Salah ad-Din und Diyala erstrecken (ACLED 7.8.2019).

Er ist nach wie vor dabei sich zu reorganisieren und versucht seine Kader und Führung zu erhalten (Joel Wing 16.10.2019). Der IS setzt nach wie vor auf Gewaltakte gegen Stammesführer, Politiker, Dorfvorsteher und Regierungsmitarbeiter sowie beispielsweise auf Brandstiftung, um Spannungen zwischen arabischen und kurdischen Gemeinschaften zu entfachen, die Wiederaufbaubemühungen der Regierung zu untergraben und soziale Spannungen zu verschärfen (ACLED 7.8.2019).

Insbesondere in den beiden Gouvernements Diyala und Kirkuk scheint der IS im Vergleich zum Rest des Landes mit relativ hohem Tempo sein Fundament wieder aufzubauen, wobei er die lokale Verwaltung und die Sicherheitskräfte durch eine hohe Abfolge von Angriffen herausfordert (Joel Wing 16.10.2019).

Am 7.7.2019 begann die „Operation Will of Victory“, an der irakische Streitkräfte (ISF), Popular Mobilization Forces (PMF), Tribal Mobilization Forces (TMF) und Kampfflugzeuge der US-geführten Koalition teilnahmen (ACLED 7.8.2019; vgl. Military Times 7.7.2019). Die mehrphasige Operation hat die Beseitigung von IS-Zellen zum Ziel (Diyaruna 7.10.2019; vgl. The Portal 9.10.2019). Die am 7. Juli begonnene erste Phase umfasste Anbar, Salah ad-Din und Ninewa (Military Times 7.7.2019). Phase zwei begann am 20. Juli und betraf die nördlichen Gebiete von Bagdad sowie die benachbarten Gebiete der Gouvernements Diyala, Salah ad-Din und Anbar (Rudaw 20.7.2019). Phase drei begann am 5. August und konzentrierte sich auf Gebiete in Diyala und Ninewa (Rudaw 11.8.2019). Phase vier begann am 24. August und betraf die Wüstenregionen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 9 von 137 von Anbar (Rudaw 24.8.2019). Phase fünf begann am 21.9.2019 und konzentrierte sich auf abgelegene Wüstenregionen zwischen den Gouvernements Kerbala, Najaf und Anbar, bis hin zur Grenze zu Saudi-Arabien (PressTV 21.9.2019). Eine sechste Phase wurde am 6. Oktober ausgerufen und umfasste Gebiete zwischen dem südwestlichen Salah ad-Din bis zum nördlichen Anbar und Ninewa (Diyaruna 7.10.2019).

3.2. Sicherheitsrelevante Vorfälle, Opferzahlen

Der Irak verzeichnet derzeit die niedrigste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 (Joel Wing 5.4.2018). Die Sicherheitslage ist in verschiedenen Teilen des Landes sehr unterschiedlich, insgesamt hat sich die Lage jedoch verbessert (MIGRI 06.02.2018).

Die folgenden Grafiken von Iraq Body Count (IBC) stellen die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer dar. Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar. Das erste Diagramm stellt die von IBC dokumentierten zivilen Todesopfer im Irak seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Die zweite Tabelle gibt die Zahlen selbst an. Für Juli 2019 sind 145 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im August 2019 wurden von IBC 93 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert und für September 151 (IBC 9.2019). - 33 -

(IBC – Iraq Body Count (9.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 15.10.2019)

(IBC - Iraq Body Count (9.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 15.10.2019)

Im Mai 2019 verzeichnet Joel Wing 137 sicherheitsrelevante Vorfälle, von denen 136 auf den Islamischen Staat (IS) zurückgehen (Joel Wing 5.6.2019). Bei einem dieser Vorfälle handelte es sich um einen Raketenbeschuss der „Green Zone“ in Bagdad durch eine mutmaßlich pro-iranische Gruppe (Joel Wing 5.6.2019; vgl. DS 19.5.2019). Insgesamt wurden im Mai 163 Todesfälle und 200 Verwundete registriert, wobei 35 Tote auf einen Massengräberfund im Bezirk Sinjar in Ninewa zurückgehen (Joel Wing 5.6.2019).

Im Mai 2019 hat der Islamische Staat (IS) im gesamten Mittelirak landwirtschaftliche Anbauflächen in Brand gesetzt, mit dem Zweck die Bauernschaft einzuschüchtern und Steuern zu erheben, bzw. um die Bauern zu - 34 - vertreiben und ihre Dörfer als Stützpunkte nutzen zu können. Das geschah bei insgesamt 33 Bauernhöfen - einer in Bagdad, neun in Diyala, 13 in Kirkuk und je fünf in Ninewa und Salahaddin - wobei es gleichzeitig auch Brände wegen der heißen Jahreszeit und wegen lokalen Streitigkeiten gab (Joel Wing 5.6.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Am 23.5.2019 bekannte sich der Islamische Staat (IS) in seiner Zeitung Al-Nabla zu den Brandstiftungen. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour (BAMF 27.5.2019; vgl. ACLED 18.6.2019).

Im Juni 2019 wurden von Joel Wing 99 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet. Sechs Vorfälle werden proiranischen Gruppen zugeschrieben, die mutmaßlich wegen der Spannungen zwischen den USA und dem Iran ausgeführt wurden (Joel Wing 1.7.2019). Das irakische Militär und die Koalitionstruppen [Anm. die Truppen der von den USA geführten Koalition westlicher Staaten im Irak] führten eine Reihe von Angriffen gegen den IS durch, insbesondere im Gouvernement Anbar (ACLED 11.6.2019) und in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019; Jane‘s 1.5.2019).

Im Lauf des Monats Juli 2019 verzeichnete Joel Wing 82 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 83 Tote und 119 Verletzten. 18 Tote gingen auf Leichenfunde von Opfern des IS im Distrikt Sinjar im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der tatsächlichen gewaltsamen Todesfälle im Juli auf 65 reduziert werden kann. Es war der zweite Monat in Folge, in dem die Vorfallzahlen wieder zurückgingen. Dieser Rückgang wird einerseits auf eine großangelegte Militäraktion der Regierung in vier Gouvernements zurückgeführt („Operation Will of Victory“; Anbar, Salah ad Din, Ninewa und Diyala, siehe oben), wobei die Vorfallzahlen auch in Gouvernements zurückgingen, die nicht von der Offensive betroffen waren. Der Rückgang an sicherheitsrelevanten Vorfällen wird auch mit einem neuerlichen verstärkten Fokus des IS auf Syrien erklärt (Joel Wing 5.8.2019).

Im August 2019 verzeichnete Joel Wing 104 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 103 Toten und 141 Verletzten. Zehn Tote gingen auf Leichenfunde von Jesiden im Distrikt Sinjar im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der Todesfälle im August auf 93 angepasst werden kann. Bei einem der Vorfälle handelte es sich um einen Angriff einer pro-iranischen PMF auf eine Sicherheitseinheit von British Petroleum (BP) im Rumaila Ölfeld bei Basra (Joel Wing 9.9.2019).

Im September 2019 wurden von Joel Wing für den Gesamtirak 123 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 122 Toten und 131 Verletzten registriert (Joel Wing 16.10.2019).

3.3. Sicherheitslage Autonome Region Kurdistan (KRG)

In Erbil bzw. Sulaymaniya und unmittelbarer Umgebung erscheint die Sicherheitssituation vergleichsweise besser als in anderen Teilen des Irak. Allerdings ist die derzeitige Sicherheitssituation aufgrund der andauernden Kämpfe, in die teilweise auch die kurdischen Streitkräfte (Peshmerga) und diverse Milizen eingebunden sind, besorgniserregend. Insbesondere Einrichtungen der kurdischen Regionalregierung und politischer Parteien sowie militärische und polizeiliche Einrichtungen können immer wieder Ziele terroristischer Attacken sein (BMEIA 01.11.2018).

Die türkische Armee führt regelmäßig (teilweise im Abstand von wenigen Tagen) Luftangriffe auf PKK-Ziele in der kurdischen Autonomieregion im Irak durch. Beide Seiten (sowohl die Türkei als auch die PKK) geben wenig Informationen über die Opfer. In Einzelfällen handelt es sich um Zivilisten (CEDOCA 14.03.2018).

Nachdem die Kurdische Demokratische Partei des Iran (KDPI) ihre bewaffneten Aktivitäten im Jahr 2015 wieder aufnahm, fanden 2016 zum ersten Mal seit zehn Jahren auch wieder iranische Angriffe auf KDPI-Ziele in der Autonomen Region Kurdistan-Irak statt (CEDOCA 14.3.2018). Iranische Revolutionsgarden führten gezielte Tötungen von KDPI-Mitgliedern in der Autonomen Region Kurdistan durch (Al Monitor 7.3.2018). Der Iran hat in der Vergangenheit auch bewaffnete kurdische Oppositionsgruppen im Irak beschossen. Auch im September 2018 kam es zu einem tödlichen Raketenangriff der iranischen Revolutionsgarden auf die KDPI im Irak (Reuters 8.9.2018; vgl. RFE/RL 9.9.2018). - 35 -

Im Jahr 2018 setzte die Türkei ihre Angriffe auf PKK-Stellungen fort. Zwei Treffer durch Luftschläge in Ninewa zogen letztlich einen Protest der irakischen Regierung nach sich. Die Türkei gab jedoch bekannt, ihre Aktionen fortführen zu wollen (Joel Wing 2.1.2019). Als Folge eines Luftangriffs, bei dem mutmaßlich einige Zivilisten ums Leben kamen, stürmte eine aufgebrachte Menge einen Posten der türkischen Armee nahe Dohuk, wobei eine Person ums Leben kam und zehn verletzt wurden (BBC 26.1.2019). Im Dezember 2018 wurden zwölf Luftschläge mit 31 Toten registriert (Joel Wing 2.1.2019) im Jänner 2019 elf mit 35 Toten (Joel Wing 4.2.2019) und im März 2019 zwei Vorfälle mit 32 Toten und 10 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Zusammenstöße zwischen türkischen Soldaten und kurdischen Kämpfern hatten Todesopfer auf beiden Seiten zur Folge (Joel Wing 26.3.2019). Am 30.3.2019 bombardierte die türkische Luftwaffe erneut PKK-Stellungen im Qandil Gebirge (BAMF 1.4.2019). Der Islamische Staat rekrutiert in der kurdischen Autonomieregion (ISW 7.3.2019).

Der IS versucht derzeit, seine Netzwerke in Kurdistan zu erweitern. Es wird vermutet, dass er versucht diese mit seinen wieder auflebenden Unterstützungszonen in den Gouvernements Kirkuk und Diyala zu verbinden. Einheiten der Asayish (Inlandsgeheimdienst der Autonomen Region Kurdistan) konnten laut eigenen Angaben seit Jänner 2019 unter anderem drei arabische IS-Zellen sprengen - in City, in Chamchamal, zwischen Sulaymaniyah und der Stadt Kirkuk, sowie in Kalar, im Nordosten des Diyala-Flußtales. Am 11. April verhafteten die Asayish einen IS-Kämpfer, der für das Schleusen von Kämpfern zwischen Kirkuk Stadt, Hawija und Dibis im Gouvernement Kirkuk verantwortlich war (ISW 19.4.2019).

Die türkische Luftwaffe führte in den Gouvernements Dohuk, Erbil und Sulaymaniya Luftangriffe durch und verursachte materielle Schäden, ohne dass jedoch Verluste an Menschenleben gemeldet wurden. Zwischen 14. Februar und 9. April meldeten die türkischen Streitkräfte mindestens zwölf Einsätze sowie zwei Zusammenstöße mit Einheiten der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) (UNSC 2.5.2019). Am 27.5.2019 startete das türkische Militär die „Operation Klaue“ mit dem Ziel PKK-Hochburgen im Nordirak, in der Region Qandil zu beseitigen (ACLED 2.7.2019; vgl. Al Jazeera 28.5.2019). Nach einer anfänglich defensiven Haltung der PKK kam es zu einer Zunahme der Angriffe auf die türkischen Streitkräfte, insbesondere im Südosten der Türkei, wie den Bezirk Cukurca in der Provinz Hakkari. Kurdische Einheiten zogen sich dabei grenzüberschreitend auch in den Iran zurück (ACLED 2.7.2019). Über 60 PKK-Kämpfer wurden seit Beginn der „Operation Klaue“ als „neutralisiert“ (d.h. getötet, gefangen genommen oder verletzt) gemeldet (ACLED 11.6.2019; vgl. ACLED 2.7.2019). Ebenso wurde die Zerstörung von Sprengmittel (Landminen, IEDs) und Verstecken der PKK gemeldet (ACLED 11.6.2019; vgl. Reuters 8.6.2019). Türkisches Bombardement, das die Ortsränder dreier Dörfer im Bezirk Amadiya im Gouvernement Dohuk traf, zwang deren Einwohner zur Flucht (Kurdistan 24 9.4.2019).

Im Juli 2019 führte der IS seine seit langem erste Attacke auf kurdischem Boden durch. Im Gouvernement Sulaimaniya attackierte er einen Checkpoint an der Grenze zu Diyala, der von Asayish [Anm.: Inlandsgeheimdienst der Autonomen Region Kurdistan] bemannt war. Der Angriff erfolgte in drei Phasen: Auf einen Schussangriff folgte ein IED-Angriff gegen eintreffende Verstärkung, gefolgt von Mörserbeschuss. Bei diesem Angriff wurden fünf Tote und elf Verletzte registriert (Joel Wing 5.8.2019). Im August wurde in Sulaimaniya ein Vorfall mit einer IED verzeichnet, wobei es keine Opfer gab (Joel Wing 9.9.2019).

Die am 27. Mai initiierte türkische „Operation Claw“ gegen Stellungen der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) im Nordirak hält an. Die erste Phase richtete sich gegen Stellungen in der Hakurk/Khakurk-Region im Gouvernement Erbil (Anadolu Agency 13.7.2019; vgl. Rudaw 13.7.2019). Die zweite Phase begann am 12. Juli und zielt auf die Zerstörung von Höhlen und Zufluchtsorten der PKK (Anadolu Agency 13.7.2019). Die türkischen Luftangriffe konzentrierten sich auf die Region Amadiya im Gouvernement Dohuk, von wo aus die PKK häufig operiert (ACLED 17.7.2019). Aktuell befindet sich die Operation in der dritten Phase (ACLED 4.9.2019) Im Kreuzfeuer wurden in den vergangenen Wochen mehrere kurdische Dörfer evakuiert, da manchmal auch Zivilisten und deren Eigentum bei türkischen Luftangriffen getroffen wurden (ACLED 4.9.2019; vgl. ACLED 7.8.2019).

Am 10. und 11. Juli bombardierte iranische Artillerie mutmaßliche PKK-Ziele im Subdistrikt Sidakan/Bradost im Gouvernement Sulaimaniya, wobei ein Kind getötet wurde (Al Monitor 12.7.2019). In dem Gebiet gibt es häufige Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und iranisch-kurdischen Aufständischen, die ihren Sitz - 36 - im Irak haben, wie die “Partei für ein Freies Leben in Kurdistan‘‘ (PJAK), die von Teheran beschuldigt wird, mit der PKK in Verbindungen zu stehen (Reuters 12.7.2019).

4. Rechtsschutz / Justizwesen

Die Bundesjustiz besteht aus dem Obersten Justizrat (Higher Judicial Council, HJC), dem Bundesgerichtshof, dem Kassationsgericht, der Staatsanwaltschaft, der Justizaufsichtskommission und anderen Bundesgerichten, die durch das Gesetz geregelt werden. Das reguläre Strafjustizsystem besteht aus Ermittlungsgerichten, Gerichten der ersten Instanz, Berufungsgerichten, dem Kassationsgerichtshof und der Staatsanwaltschaft (LIFOS 8.5.2014). Das Oberste Bundesgericht erfüllt die Funktion eines Verfassungsgerichts (AA 12.01.2019).

Die Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Justiz (Stanford 2013; vgl. AA 12.01.2019). Jedoch schränken bestimmte gesetzliche Bestimmungen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz ein. Darüber hinaus schwächen die Sicherheitslage und die politische Geschichte des Landes die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 20.04.2018). Die Rechtsprechung ist in der Praxis von einem Mangel an kompetenten Richtern, Staatsanwälten sowie Justizbeamten gekennzeichnet. Eine Reihe von Urteilen lassen auf politische Einflussnahme schließen. Hohe Richter werden oftmals auch unter politischen Gesichtspunkten ausgewählt (AA 12.01.2019).

Zudem ist die Justiz von Korruption, politischem Druck, Stammeskräften und religiösen Interessen beeinflusst. Aufgrund von Misstrauen gegenüber Gerichten oder fehlendem Zugang wenden sich viele Iraker an Stammesinstitutionen, um Streitigkeiten beizulegen, selbst wenn es sich um schwere Verbrechen handelt (FH 16.1.2018).

Eine Verfolgung von Straftaten findet nur unzureichend statt (AA 12.01.2019). Strafverfahren sind zutiefst mangelhaft (FH 16.1.2018). Es mangelt an ausgebildeten, unbelasteten Richtern; eine rechtsstaatliche Tradition gibt es nicht. Häufig werden übermäßig hohe Strafen verhängt. Obwohl nach irakischem Strafprozessrecht Untersuchungshäftlinge binnen 24 Stunden einem Untersuchungsrichter vorgeführt werden müssen, wird diese Frist nicht immer respektiert und zuweilen auf 30 Tage ausgedehnt. Freilassungen erfolgen mitunter nur gegen Bestechungszahlungen. Insbesondere Sunniten beschweren sich über „schiitische Siegerjustiz“ und einseitige Anwendung der bestehenden Gesetze zu ihren Lasten. Hinzu kommt eine Stigmatisierung, unter der Sunniten oftmals als IS-Unterstützer gesehen werden. Ehemalige IS-Kämpfer oder Personen, die dessen beschuldigt werden, werden aktuell in großer Zahl (Details werden von der Regierung nicht preisgegeben) mit unzulänglichen Prozessen zu lebenslanger Haft oder zum Tode verurteilt und häufig auch hingerichtet. Laut einem Human Rights Watch Bericht aus Juli 2018 gestand der Geheimdienst “National Security Service” ein, 427 Männer in Gefängnissen in Ost-Mosul festzuhalten. Diese Männer befanden sich über Monate in überfüllten Räumen, ohne Zugang zu Rechtshilfe, Angehörigen oder medizinischer Versorgung (AA 12.01.2019).

Korruption oder Einschüchterung beeinflussen Berichten zufolge einige Richter in Strafsachen auf der Prozessebene und bei der Berufung vor dem Kassationsgericht. Die Integritätskommission untersucht routinemäßig Richter wegen Korruptionsvorwürfen, aber einige Untersuchungen sind Berichten zufolge politisch motiviert. Zahlreiche Drohungen und Morde durch konfessionelle, extremistische und kriminelle Elemente sowie der Stämme beeinträchtigten die Unabhängigkeit der Justiz. Richter, Anwälte und ihre Familienangehörigen sind häufig mit Morddrohungen und Angriffen konfrontiert (USDOS 20.04.2018). Nicht nur Polizei Richter, sondern auch Anwälte, können dem Druck einflussreicher Personen, z.B. der Stämme, ausgesetzt sein. Dazu kommt noch Überlastung. Ein Untersuchungsrichter kann beispielsweise die Verantwortung über ein Gebiet von einer Million Menschen haben, was sich negativ auf die Rechtsstaatlichkeit auswirkt (LIFOS 8.5.2014).

Die Verfassung gibt allen Bürgern das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess. Dennoch verabsäumen es Beamte routinemäßig, Angeklagte unverzüglich oder detailliert über die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu informieren. In zahlreichen Fällen dienen erzwungene Geständnisse als primäre Beweisquelle. Beobachter berichteten, dass Verfahren nicht den internationalen Standards entsprechen. Obwohl Ermittlungs-, Prozess- - 37 - und Berufungsrichter im Allgemeinen versuchen, das Recht auf ein faires Verfahren durchzusetzen, ist der unzureichende Zugang der Angeklagten zu Verteidigern ein schwerwiegender Mangel im Verfahren. Viele Angeklagte treffen ihre Anwälte zum ersten Mal während der ersten Anhörung und haben nur begrenzten Zugang zu Rechtsbeistand während der Untersuchungshaft. Dies gilt insbesondere für die Anti-Terror-Gerichte, wo Justizbeamte Berichten zufolge versuchen, Schuldsprüche und Urteilsverkündungen für Tausende von verdächtigen IS-Mitgliedern in kurzer Zeit abzuschließen (USDOS 20.04.2018).

Nach Ansicht der Regierung gibt es im Irak keine politischen Gefangenen. Alle inhaftierten Personen sind demnach entweder strafrechtlich verurteilt oder angeklagt oder befinden sich in Untersuchungshaft. Politische Gegner der Regierung behaupteten jedoch, diese habe Personen wegen politischer Aktivitäten oder Überzeugungen unter dem Vorwand von Korruption, Terrorismus und Mord inhaftiert oder zu inhaftieren versucht (USDOS 20.04.2018).

4.1. Ergänzende Informationen zur Autonomen Region Kurdistan (KRG)

Auch die Lage in der Autonomen Region Kurdistan ist von Defiziten der rechtsstaatlichen Praxis gekennzeichnet (AA 12.01.2019). Der Kurdische Justizrat ist rechtlich, finanziell und administrativ unabhängig vom Justizministerium der Regierung der Autonomen Region Kurdistan, die Exekutive beeinflusst jedoch politisch sensible Fälle. Beamte der Region Kurdistan-Irak berichten, dass Staatsanwälte und Verteidiger bei der Durchführung ihrer Arbeit häufig auf Hindernisse stoßen und dass Prozesse aus administrativen Gründen unnötig verzögert werden. Nach Angaben der Unabhängigen Menschenrechtskommission der Region Kurdistan-Irak bleiben Häftlinge auch nach gerichtlicher Anordnungen ihrer Freilassung für längere Zeit in den Einrichtungen des internen Sicherheitsdienstes der kurdischen Regierung (USDOS 20.04.2018).

5. Kurdische Sicherheitskräfte

Die kurdischen Sicherheitskräfte (Peshmerga) unterstehen formal der kurdischen Regionalregierung und sind bislang nicht in den Sicherheitsapparat der Zentralregierung eingegliedert. Sie bilden allerdings keine homogene Einheit, sondern unterstehen faktisch voneinander getrennt den beiden großen Parteien, der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), in ihren jeweiligen Einflussgebieten (AA 12.01.2019). Die Peshmerga sind eine komplexe und vielschichtige Kraft, ihre Loyalität geteilt zwischen dem irakischen Staat, der autonomen Region Kurdistan, verschiedenen politischen Parteien und mächtigen Persönlichkeiten. Zu verschiedenen Zeitpunkten, manchmal auch gleichzeitig, können die Peshmerga als nationale Sicherheitskräfte, regionale Sicherheitskräfte, Partei-Kräfte und persönliche Sicherheitskräfte bezeichnet werden (Clingendael 3.2018).

Im Kampf gegen den IS hatten die Peshmerga Gebiete über die ursprünglichen Grenzen von 2003 der Region Kurdistan-Irak hinaus befreit. Aus diesen zwischen Bagdad und Erbil seit jeher umstrittenen Gebieten hat die irakische Armee die Peshmerga nach Abhaltung des Unabhängigkeitsreferendums im September 2017 größtenteils zurückgedrängt. In weiten Teilen haben die Peshmerga sich kampflos zurückgezogen, es gab jedoch auch teils schwere bewaffnete Auseinandersetzungen mit Opfern auf beiden Seiten (AA 12.01.2019).

Nach der irakischen Verfassung hat die kurdische Autonomieregion das Recht, ihre eigenen Sicherheitskräfte zu unterhalten, finanziell unterstützt von der irakischen Bundesregierung, aber unter der operativen Kontrolle der kurdischen Autonomieregierung. Dementsprechend beaufsichtigt das Ministerium für Peshmerga- Angelegenheiten der kurdischen Autonomieregion 14 Infanteriebrigaden und zwei Unterstützungsbrigaden. Die PUK und die KDP kontrollieren zehntausende Mann zusätzliches Militärpersonal, einschließlich Milizen, die allgemein als die 70er und 80er Peshmerga-Brigaden bezeichnet werden (USDOS 20.04.2018).

KDP und PUK unterhalten getrennte Sicherheits- und Nachrichtendienste, einerseits Asayish und Parastin (KDP), und andererseits Asayish und Zanyari (PUK) (USDOS 20.04.2018; vgl. Chapman 2009). Die Unabhängige - 38 -

Menschenrechtskommission der kurdischen Autonomieregion informiert das kurdische Innenministerium regelmäßig, wenn ihr glaubwürdige Berichte über Menschenrechtsverletzungen durch Polizeikräfte zukommen (USDOS 20.04.2018).

Die Sicherheitsdienste der kurdischen Autonomieregion halten in den von ihnen kontrollierten Gebieten bisweilen Verdächtige fest. Die schlecht definierten administrativen Grenzen zwischen Gebieten und dem Rest des Landes führen zu anhaltender Verwirrung über die Zuständigkeit der Sicherheitskräfte und der Gerichte (USDOS 20.04.2018).

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Folter und unmenschliche Behandlung sind der irakischen Verfassung zufolge ausdrücklich verboten. Im Juli 2011 hat die irakische Regierung die UN-Anti-Folter-Konvention (CAT) unterzeichnet. Folter wird jedoch auch in der jüngsten Zeit von staatlichen Akteuren eingesetzt. Es kommt in nicht quantifizierbarer Zahl zu Folter bei Befragungen durch irakische (einschließlich kurdische) Polizei- und andere Sicherheitskräfte. Sie wird dabei meist als Mittel zur Erzwingung von Geständnissen eingesetzt. Dies liegt auch an der großen Bedeutung, die ein Geständnis im irakischen Recht zur Beweisführung hat. Laut Informationen von UNAMI sollen u. a. Bedrohung mit dem Tod, Fixierung mit Handschellen in schmerzhaften Positionen und Elektroschocks an allen Körperteilen zu den Praktiken gehören. Das im August 2015 abgeschaffte Menschenrechtsministerium hat nach eigenen Angaben 500 Fälle unerlaubter Gewaltanwendung an die Justiz überwiesen, allerdings wurden die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen. Laut einem Bericht von Human Rights Watch aus Juli 2018 werden Vorwürfe von Folter gegen Sicherheitskräfte regelmäßig ignoriert. Es fehlen Gesetze und Richtlinien, an denen sich Richter orientieren könnten (AA 12.01.2019).

Es gibt Berichte, dass die Polizei in nicht quantifizierbaren Fällen mit Gewalt Geständnisse erzwingt und Gerichte diese als Beweismittel akzeptieren. Weiterhin bestehen Vorwürfe dahingehend, dass Sicherheitskräfte der Regierung, einschließlich der mit den PMF verbundenen Milizen, Personen während Verhaftungen, Untersuchungshaft und nach Verurteilungen misshandeln und foltern. Internationale Menschenrechtsorganisationen dokumentierten verschiedene Fälle von Folter und Misshandlung in Einrichtungen des Innenministeriums und in geringerem Umfang in Haftanstalten des Verteidigungsministeriums sowie in Einrichtungen unter KRG-Kontrolle. Ehemalige Gefangene, Häftlinge und Menschenrechtsgruppen berichteten von einer Vielzahl von Folterungen und Misshandlungen (USDOS 20.04.2018).

Gegen Ende der Kämpfe um Mossul zwischen Mai und Juli 2017 häuften sich Berichte, wonach irakische Einheiten, darunter Spezialkräfte des Innenministeriums, Bundespolizei und irakische Sicherheitskräfte, Männer und Jungen, die vor den Kämpfen flohen, festnahmen, folterten und außergerichtlich hinrichteten (AI 22.2.2018).

In ihrem Kampf gegen den IS haben irakische Streitkräfte eine nicht feststellbare Anzahl an IS-Verdächtigen gefoltert, hingerichtet oder gewaltsam verschwinden lassen. Zahlreiche gefangene IS-Verdächtige haben behauptet, die Behörden hätten sie durch Folter zu Geständnissen gezwungen. Während der Militäreinsätze zur Befreiung von Mossul, haben irakische Streitkräfte mutmaßliche IS-Kämpfer, die auf dem Schlachtfeld oder in dessen Umfeld gefangen genommen worden waren, ungestraft gefoltert und hingerichtet, manchmal sogar nachdem sie Fotos und Videos der Misshandlungen auf Social Media Seiten veröffentlicht hatten (HRW 18.01.2018).

6.1. Autonome Region Kurdistan (KRG)

Missbräuchliche Verhöre sollen unter bestimmten Bedingungen in einigen Haftanstalten der internen Sicherheitseinheit der KRG, der Asayish, und der Geheimdienste der großen politischen Parteien, der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) Parastin und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) Zanyari stattfinden (USDOS - 39 -

20.04.2018). Berichten zufolge kommt es in Gefängnissen der Asayish in der Region Kurdistan-Irak zur Anwendung von Folterpraktiken gegen Terrorverdächtige (AA 12.01.2019).

Berichten von Menschenrechtsorganisationen zufolge haben KRG-Behörden Jugendliche zwischen 11 und 17 Jahren gefoltert, die wegen angeblicher Verbindungen zum IS verhaftet worden waren, und haben sie daran gehindert, sich an einen Anwalt zu wenden. Nach Angaben der Unabhängigen Menschenrechtskommission der KRG befanden sich in einer Jugendstrafanstalt in Erbil 215 Jugendliche wegen Vorwürfen in Zusammenhang mit dem IS. Die Kommission hat 165 Jugendliche befragt. Die meisten Jugendlichen behaupteten, dass die Sicherheitskräfte von PMF und KRG sie verschiedenen Formen des Missbrauchs, einschließlich Schlägen, ausgesetzt hätten (USDOS 20.04.2018).

7. Wehrdienst, Rekrutierungen und Wehrdienstverweigerung

In der Autonomen Region Kurdistan herrscht keine Wehrpflicht. Kurdische Männer und Frauen können sich freiwillig zu den Peshmerga melden (DIS 12.4.2016; vgl. NL 1.4.2018, Clingendael 3.2018).

8. Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Der Menschenrechtskatalog umfasst auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte wie das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung. Der Irak hat wichtige internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte ratifiziert. Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt weiterhin nur schleppend voran. Die unabhängige Menschenrechtskommission konnte sich bisher nicht als geschlossener und durchsetzungsstarker Akteur etablieren. Internationale Beobachter kritisieren, dass Mitglieder der Kommission sich kaum mit der Verletzung individueller Menschenrechte beschäftigen, sondern insbesondere mit den Partikularinteressen ihrer jeweils eigenen ethnisch-konfessionellen Gruppe. 2018 trat die Kommission etwas mehr in der Öffentlichkeit in Erscheinung und beschäftigte sich u. a. mit Vermissten in den ehemals von IS besetzen Gebieten und dem Vorgehen der Polizei gegen die protestierende Bevölkerung wegen der miserablen Versorgung mit Trinkwasser und Strom im Süden des Landes. Von besonderer Wirksamkeit waren diese Interventionen aber nicht. Ähnliches gilt für den Menschenrechtsausschuss im irakischen Parlament. Das Menschenrechtsministerium wurde 2015 abgeschafft (AA 12.01.2019).

Zu den wesentlichsten Menschenrechtsfragen im Irak zählen unter anderem: Anschuldigungen bezüglich rechtswidriger Tötungen durch Mitglieder der irakischen Sicherheitskräfte, insbesondere durch einige Elemente der PMF; Verschwindenlassen und Erpressung durch PMF-Elemente; Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; Einschränkungen der Meinungsfreiheit, einschließlich der Pressefreiheit; Gewalt gegen Journalisten; weit verbreitete Korruption; stark reduzierte Strafen für so genannte „Ehrenmorde“; gesetzliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen; Menschenhandel. Militante Gruppen töteten bisweilen LGBTI-Personen. Es gibt auch Einschränkungen bei den Arbeitnehmerrechten, einschließlich Einschränkungen bei der Gründung unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 20.04.2018).

Im Zuge des internen bewaffneten Konflikts begingen Regierungstruppen, kurdische Streitkräfte, paramilitärische Milizen, die US-geführte Militärallianz und der IS auch noch im Jahr 2017 Kriegsverbrechen, Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und schwere Menschenrechtsverstöße. Der IS vertrieb Tausende Zivilpersonen, zwang sie in Kampfgebiete und missbrauchte sie massenhaft als menschliche Schutzschilde. Er tötete vorsätzlich Zivilpersonen, die vor den Kämpfen fliehen wollten, und setzte Kindersoldaten ein. Regierungstruppen und kurdische Streitkräfte sowie paramilitärische Milizen waren für außergerichtliche - 40 -

Hinrichtungen von gefangen genommenen Kämpfern und Zivilpersonen, die dem Konflikt entkommen wollten, verantwortlich. Außerdem zerstörten sie Wohnhäuser und anderes Privateigentum. Sowohl irakische und kurdische Streitkräfte als auch Regierungsbehörden hielten Zivilpersonen, denen Verbindungen zum IS nachgesagt wurden, willkürlich fest, folterten sie und ließen sie verschwinden. Prozesse gegen mutmaßliche IS- Mitglieder und andere Personen, denen terroristische Straftaten vorgeworfen wurden, waren unfair und endeten häufig mit Todesurteilen, die auf „Geständnissen“ basierten, welche unter Folter erpresst worden waren. Die Zahl der Hinrichtungen war weiterhin besorgniserregend hoch (AI 22.2.2018).

8.1. Autonome Region Kurdistan

Es gibt zwar eine unabhängige kurdische Menschenrechtskommission, sie beschränkt sich aber eher auf die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen und kann selten eine volle Aufklärung oder gar Ahndung gewährleisten (AA 12.01.2019). Der Hohe Ausschuss für die Bewertung und Reaktion auf internationale Berichte überprüfte in der Autonomen Region Kurdistan Anschuldigungen von Misshandlungen durch die Peshmerga, insbesondere gegen IDPs, und entschuldigte sie in öffentlichen Berichten und Kommentaren. Es besteht quasi Straffreiheit für Regierungsbeamte und Sicherheitskräfte, einschließlich der Peshmerga (USDOS 20.04.2018).

9. Haftbedingungen

Die Haftbedingungen entsprechen nicht dem Mindeststandard, wobei die Situation in den Haftanstalten erheblich variiert (AA 12.01.2019). In einigen Gefängnissen und Haftanstalten bleiben die Bedingungen aufgrund von Überbelegung, Misshandlung und unzureichendem Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung hart und lebensbedrohlich. In staatlichen Haftanstalten und Gefängnissen fehlt es zuweilen an ausreichender Nahrung und Wasser. Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist uneinheitlich. Einige Haftanstalten verfügten über keine eigene Apotheke oder Krankenstation. Existierende Apotheken sind oft unterversorgt. Die Überbelegung der staatlichen Gefängnisse stellt ein systemisches Problem dar, das durch die Zunahme der Zahl der mutmaßlichen IS-Mitglieder, die im Berichtszeitraum festgenommen wurden, noch verschärft wird. Es gibt keine Unterkünfte für Häftlinge mit Behinderungen. Häftlinge, die des Terrorismus beschuldigt werden, werden vom Rest der Gefangenen isoliert und bleiben häufiger in Gewahrsam des Innen- bzw. Verteidigungsministeriums (USDOS 20.04.2018).

Die UN-Mission für den Irak (UNAMI) konnte ihr Mandat zum Besuch irakischer Haftanstalten nicht umfassend wahrnehmen. Die irakischen Behörden verweigerten in mehreren Fällen den Zugang zu Haftanstalten. Das Internationale Rote Kreuz (IKRK) hat hingegen regelmäßigen und flächendeckenden Zugang (AA 12.01.2019).

Berichten zufolge unterhält der nationale Sicherheitsdienst (National Security Service, NSS), ein dem Premierminister unterstellter Geheimdienst, auch inoffizielle Gefangenenlager, wobei den diesbezüglichen Berichten keine näheren Informationen zur Anzahl solcher Lager und der Anzahl der Insassen entnommen werden können (BAMF 23.07.2018; vgl. HRW 22.07.2018).

9.1. Autonome Region Kurdistan

In den Haftanstalten der Region Kurdistan-Irak (KRG) herrschen etwas bessere Bedingungen, insbesondere in der neugebauten Modellanstalt Dohuk (AA 12.01.2019). Die Bedingungen in vielen kleineren Haftanstalten des KRG- Innenministeriums sind jedoch weiterhin schlecht. In einigen Haftanstalten der Asayish und der Polizei halten KRG-Behörden gelegentlich Jugendliche in denselben Zellen wie Erwachsene fest (USDOS 20.04.2018).

In Gefängnissen der Asayish in der Region Kurdistan-Irak werden Folterpraktiken gegen Terrorverdächtige angewendet. Die Haftbedingungen sind insgesamt sehr schlecht. Allerdings sind Bemühungen der kurdischen Regionalregierung erkennbar, die Haftbedingungen zu verbessern, systematische Folter abzustellen und - 41 - internationale Standards einzuhalten. Das IKRK hat Zugang zu den Gefängnissen in der Region Kurdistan-Irak (AA 12.01.2019).

10. Todesstrafe

Im irakischen Strafrecht ist die Todesstrafe vorgesehen, sie wird auch verhängt und vollstreckt. Irak ist eines der Länder mit der höchsten Zahl von verhängten Todesstrafen. Sie kann bei 48 verschiedenen Delikten (vorsätzlicher Mord, terroristische Aktivitäten, Hochverrat etc.) verhängt werden. Faktisch erfolgt der Großteil von Hinrichtungen wegen Terrorismusvorwürfen. Das Anti-Terrorgesetz wählt dabei eine sehr weite und vage Definition terroristischer Handlungen (AA 12.01.2019; vgl. HRW 18.01.2018, AI 12.4.2018).

Aktuelle Daten liegen nicht vor, da die irakische Regierung die Zahlen nicht mehr regelmäßig an die Vereinten Nationen berichtet und auch auf Nachfrage keine verlässlichen Angaben veröffentlicht werden. Im Juni 2018 ordnete der damalige Ministerpräsident Abadi als Reaktion auf einen IS-Anschlag auf Sicherheitskräfte eine „sofortige“ Umsetzung aller verhängten Todesstrafen gegen verurteilte IS-Mitglieder an. Soweit bekannt, wurde daraufhin die Todesstrafe in zwölf Fällen vollzogen. Soweit UNAMI bekannt, wurden in 2018 112 Personen zum Tode verurteilt, 36 Todesurteile wurden vollzogen. UNAMI schätzt jedoch, dass tatsächliche Zahlen deutlich darüber liegen (AA 12.01.2019).

Problematisch sind bereits seit Jahren die Bandbreite und die mitunter fehlende rechtliche Klarheit der Straftatbestände, für die die Todesstrafe verhängt werden kann: neben Mord und Totschlag u. a. auch wegen des Verdachts auf staatsfeindliche Aktivitäten, Vergewaltigung, Einsatz von chemischen Waffen und insbesondere wegen terroristischer Aktivitäten unterschiedlicher Art. Die Todesstrafe stößt in der Bevölkerung auf breite Akzeptanz (AA 12.01.2019).

10.1. Autonome Region Kurdistan

In der Autonomen Region Kurdistan wurde nach dem Fall des Regimes Saddam Husseins die Todesstrafe abgeschafft, später aber zur Bekämpfung des Terrorismus wieder eingeführt. Am 12.08.2015 wurden erstmals seit 2008 wieder drei Menschen hingerichtet. Auch im November 2016 wurde ein Todesurteil durch den Präsidenten der Autonomen Region Kurdistan zur Vollstreckung freigegeben und kurz danach vollstreckt. Anfang 2018 saßen über 200 mit Todesstrafe verurteilte Menschen in den Gefängnissen (AA 12.01.2019).

11. Religionsfreiheit

Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Gemäß Art. 2 Abs. 1 ist der Islam Staatsreligion und eine (nicht die) Hauptquelle der Gesetzgebung (AA 12.01.2019). Es darf kein Gesetz erlassen werden das den „erwiesenen Bestimmungen des Islams" widerspricht (USDOS 29.5.2018; vgl. RoI 15.10.2005). In Abs. 2 wird das Recht einer jeden Person auf Religions- und Glaubensfreiheit sowie das Recht auf deren Ausübung garantiert. Explizit erwähnt werden in diesem Zusammenhang Christen, Jesiden und Mandäer- Sabäer, jedoch nicht Anhänger anderer Religionen (RoI 15.10.2005; vgl. USDOS 29.5.2018).

Art. 3 der Verfassung legt ausdrücklich die multiethnische, multireligiöse und multikonfessionelle Ausrichtung des Irak fest, betont aber auch den arabisch-islamischen Charakter des Landes (AA 12.01.2019; vgl. UNHCR 15.1.2018). Art. 43 verpflichtet den Staat zum Schutz der religiösen Stätten. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z. B. den Abfall vom Islam; auch spezielle, in anderen islamischen Ländern existierende Straftatbestände, wie z.B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht (AA 12.01.2019). Das Zivilgesetz sieht einen einfachen Prozess für die Konversion eines Nicht-Muslims zum Islam vor. Die Konversion eines Muslims zu einer anderen Religion ist jedoch gesetzlich verboten (USDOS 29.5.2018). - 42 -

Die folgenden religiösen Gruppen werden durch das Personenstandsgesetz anerkannt: Muslime, chaldäische Christen, assyrische Christen, assyrisch-katholische Christen, syrisch-orthodoxe Christen, syrisch-katholische Christen, armenisch-apostolische Christen, armenisch-katholische Christen, römisch-orthodoxe Christen, römisch-katholische Christen, lateinisch-dominikanische Christen, nationale Protestanten, Anglikaner, evangelisch-protestantische Assyrer, Adventisten, koptisch-orthodoxe Christen, Jesiden, Sabäer-Mandäer und Juden. Die staatliche Anerkennung ermöglicht es den Gruppen, Rechtsvertreter zu bestellen und Rechtsgeschäfte wie den Kauf und Verkauf von Immobilien durchzuführen. Alle anerkannten religiösen Gruppen haben ihre eigenen Personenstandsgerichte, die für die Behandlung von Ehe-, Scheidungs- und Erbschaftsfragen zuständig sind. Laut der jesidischen NGO Yazda gibt es jedoch kein Personenstandsgericht für Jesiden (USDOS 29.5.2018).

Die alten irakischen Personalausweise enthielten Informationen zur Religionszugehörigkeit einer Person, was von Menschenrechtsorganisationen als Sicherheitsrisiko im aktuell herrschenden Klima religiös-konfessioneller Gewalt kritisiert wurde. Mit Einführung des neuen Personalausweises wurde dieser Eintrag zeitweise abgeschafft. Mit Verabschiedung eines Gesetzes zum neuen Personalausweis im November 2015 wurde allerdings auch wieder ein religiöse Minderheiten diskriminierender Passus aufgenommen: Art. 26 besagt, dass Kinder eines zum Islam konvertierenden Elternteils automatisch auch als zum Islam konvertiert geführt werden (AA 12.01.2019). Es wird berichtet, dass das Gesetz faktisch zu Zwangskonvertierungen führt, indem Kinder mit nur einem muslimischen Elternteil (selbst Kinder, die infolge von Vergewaltigung geboren wurden) als Muslime angeführt werden müssen. Christliche Konvertiten berichten auch, dass sie gezwungen sind, ihr Kind als Muslim zu registrieren oder das Kind undokumentiert zu lassen, was die Berechtigung auf staatliche Leistungen beeinträchtigt (USDOS 29.5.2018).

Die meisten religiös-ethnischen Minderheiten sind im irakischen Parlament vertreten. Grundlage bildet ein Quotensystem bei der Verteilung der Sitze (fünf Sitze für die christliche Minderheit sowie jeweils einen Sitz für Jesiden, Sabäer, Mandäer und Schabak). Das kurdische Regionalparlament sieht jeweils fünf Sitze für Turkmenen, Chaldäer und assyrische Christen sowie einen für Armenier vor (AA 12.01.2018).

Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. Allerdings ist nach dem Ende der Herrschaft Saddam Husseins die irakische Gesellschaft teilweise in ihre (konkurrierenden) religiösen und ethnischen Segmente zerfallen – eine Tendenz, die sich durch die IS-Gräuel gegen Schiiten und Angehörige religiöser Minderheiten weiterhin verstärkt hat. Gepaart mit der extremen Korruption im Lande führt diese Spaltung der Gesellschaft dazu, dass im Parlament, in den Ministerien und zu einem großen Teil auch in der nachgeordneten Verwaltung, nicht nach tragfähigen, allgemein akzeptablen und gewaltfrei durchsetzbaren Kompromissen gesucht wird, sondern die zahlreichen ethnisch-konfessionell orientierten Gruppen oder Einzelakteure ausschließlich ihren individuellen Vorteil suchen oder ihre religiös geprägten Vorstellungen durchsetzen (AA 12.01.2019).

Vertreter religiöser Minderheiten berichten, dass die Zentralregierung im Allgemeinen nicht in religiöse Handlungen eingreift und sogar für die Sicherheit von Gotteshäusern und anderen religiösen Stätten, einschließlich Kirchen, Moscheen, Schreinen, religiösen Pilgerstätten und Pilgerrouten, sorgt (USDOS 29.5.2018).

Atheismus, Agnostizismus, Kritik an konfessioneller Politik

Das irakische Strafgesetzbuch enthält keine Artikel, die eine direkte Bestrafung für Atheismus vorsehen. Es gibt auch keine speziellen Gesetze, die Strafen für Atheisten vorsehen. (Al-Monitor 1.4.2018; vgl. EASO 7.2017, EASO 11.4.2018, Landinfo 29.8.2018). Die irakische Verfassung garantiert Atheisten nicht die freie Glaubensausübung (USDOS 29.5.2018). Im März 2018 wurden in Dhi Qar Haftbefehle gegen vier Iraker aufgrund von Atheismus- Vorwürfen erlassen (Al-Monitor 01.4.2018).

Der Irak ist ein zutiefst religiöses Land, in dem Atheismus selten ist (PRI 17.1.2018; vgl. RDC 31.1.2018). Trotzdem berichten Universitätsstudenten landesweit, dass es noch nie so viele Atheisten im Irak gegeben habe wie heute (WZ 9.10.2018). Obwohl in der Bevölkerung verschiedene Grade der Religiosität vertreten sind und ein Segment der Iraker eine säkulare Weltanschauung vertritt, ist es dennoch selten, dass sich jemand öffentlich zum - 43 -

Atheismus bekennt. Die meisten Atheisten verstecken ihre Identität. Manchmal sagen sie, dass sie Muslime seien, insgeheim sind sie jedoch Atheisten (EASO 7.2017). Viele Geistliche, die islamischen politischen Parteien nahe stehen, haben missverständliche Vorstellungen zu dem Thema und bezeichnen z.B. oft den Säkularismus als Atheismus (Al-Monitor 1.4.2018). Einige Politiker führender konfessioneller Parteien verurteilten Säkularismus und Atheismus und reagierten damit offenbar auf einen Wandel in der öffentlichen Meinung nach dem IS-Konflikt, gegen religiösen Extremismus und den politischen Islam (FH 1.2018).

Berichten zufolge gibt es auch eine wachsende Bewegung von Agnostikern. Dazu kommen viele Menschen, die zwar bestimmte religiöse Erscheinungen oder Überzeugungen kritisieren, den generellen Rahmen der Religiösität jedoch nicht aufgeben (Al-Monitor 6.3.2014). Eine wachsende Gruppe junger Iraker spricht frei über Säkularismus, Atheismus und den Bedarf ihres Landes an nicht-konfessionellen Institutionen. Während ihr Einfluss begrenzt ist, spiegelt ihre Frustration über die konfessionelle Politik einen breiteren Trend im Land wider. Die Welle des „Facebook- Säkularismus" muss die irakische Politik jedoch erst erreichen (Defense One 5.7.2018).

12. Minderheiten

In der irakischen Verfassung vom 15.10.2005 ist der Schutz von Minderheiten verankert (AA 12.01.2019). Trotz der verfassungsrechtlichen Gleichberechtigung leiden religiöse Minderheiten unter weitreichender faktischer Diskriminierung und Existenzgefährdung. Der irakische Staat kann den Schutz der Minderheiten nicht sicherstellen. Sie bleiben daher, u. a. im Zusammenhang mit ihren Berufen und damit verbundenen Lösegelderwartungen, Opfer von Entführungen und sind bevorzugte Ziele von Anschlägen (AA 12.01.2019).

Offiziell anerkannte Minderheiten wie chaldäische und assyrische Christen sowie Jesiden genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind jedoch im täglichen Leben, insbesondere außerhalb der Autonomen Region Kurdistan, oft benachteiligt (AA 12.01.2018).

Die wichtigsten ethnisch-religiösen Gruppierungen sind (arabische) Schiiten, die 60 bis 65 Prozent der Bevölkerung ausmachen und vor allem den Südosten/Süden des Landes bewohnen, (arabische) Sunniten (17 bis 22 Prozent) mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak und die vor allem im Norden des Landes lebenden, überwiegend sunnitischen Kurden (15 bis 20 Prozent) (AA 12.01.2018). Genaue demografische Aufschlüsselungen sind jedoch mangels aktueller Bevölkerungsstatistiken sowie aufgrund der politisch heiklen Natur des Themas nicht verfügbar (MRG 5.2018). Zahlenangaben zu einzelnen Gruppen variieren oft massiv.

Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. Allerdings ist nach dem Ende der Herrschaft Saddam Husseins die irakische Gesellschaft teilweise in ihre (konkurrierenden) religiösen und ethnischen Segmente zerfallen - eine Tendenz, die sich durch die IS-Gräuel gegen Schiiten und Angehörige religiöser Minderheiten weiterhin verstärkt hat. Gepaart mit der extremen Korruption im Lande führt diese Spaltung der Gesellschaft dazu, dass im Parlament, in den Ministerien und zu einem großen Teil auch in der nachgeordneten Verwaltung, nicht nach tragfähigen, allgemein akzeptablen und gewaltfrei durchsetzbaren Kompromissen gesucht wird, sondern die zahlreichen ethnisch-konfessionell orientierten Gruppen oder Einzelakteure ausschließlich ihren individuellen Vorteil suchen oder ihre religiös geprägten Vorstellungen durchsetzen. Ein berechenbares Verwaltungshandeln oder gar Rechtssicherheit existieren nicht (AA 12.01.2019).

Die Hauptsiedlungsgebiete der religiösen Minderheiten liegen im Nordirak in den Gebieten, die seit Juni 2014 teilweise unter Kontrolle des IS standen. Hier kam es zu gezielten Verfolgungen von Jesiden, Mandäern, Kakai, Schabak und Christen. Es liegen zahlreiche Berichte über Zwangskonversionen, Versklavung und Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung, Folter, Rekrutierung von Kindersoldaten, Massenmord und Massenvertreibungen vor. Auch nach der Befreiung der Gebiete wird die Rückkehr der Bevölkerung durch noch fehlenden Wiederaufbau, eine unzureichende Sicherheitslage, unklare Sicherheitsverantwortlichkeiten sowie durch die Anwesenheit von schiitischen Milizen zum Teil erheblich erschwert (AA 12.01.2019). - 44 -

In der Autonomen Region Kurdistan sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Hier haben viele Angehörige von Minderheiten Zuflucht gefunden (AA 12.01.2019; vgl. KAS 8.2017). Mit der Verabschiedung des Gesetzes zum Schutze der Minderheiten in der Autonomen Region Kurdistan durch das kurdische Regionalparlament im Jahr 2015 wurden die ethnischen und religiösen Minderheiten zumindest rechtlich mit der kurdisch-muslimischen Mehrheitsgesellschaft gleichgestellt. Dennoch ist nicht immer gewährleistet, dass die bestehenden Minderheitsrechte auch tatsächlich umgesetzt werden (KAS 8.2017).

Es gab auch Berichte über die Diskriminierung von Minderheiten (Turkmenen, Arabern, Jesiden, Shabak und Christen) durch Behörden der Kurdischen Autonomieregierung in den sogenannten umstrittenen Gebieten (USDOS 20.04.2018). Darüber hinaus empfinden Angehörige von Minderheiten seit Oktober 2017 erneute Unsicherheit in den sog. umstrittenen Gebieten aufgrund der Präsenz der irakischen Streitkräfte und v.a. der schiitischen Milizen (AA 12.01.2019).

Im Zusammenhang mit der Rückeroberung von Gebieten aus IS-Hand wurden problematische Versuche einer ethnisch-konfessionellen Neuordnung unternommen, besonders in der ethnisch-konfessionell sehr heterogenen Provinz Diyala (AA 12.01.2019).

Religiöse/konfessionelle Verteilung im Irak (Anmerkungen zur Karte siehe unten) (Quelle: BMI 2016)

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Ethnische und linguistische Verteilung im Irak (Quelle BMI 2016) Anmerkungen zu den beiden Karten: Die irakische Bevölkerung ist sehr heterogen bezüglich der religiösen und konfessionellen Zugehörigkeit. Deshalb, sowie auf Grund von teilweise inkonsistenten Quellen zeigt diese Karte nur die ungefähre Verteilung, wo sich die Hauptsiedlungsgebiete der religiösen/konfessionellen Gruppen befinden, bzw. bis zum Frühling 2014 befanden. Insbesondere in Städten kann die Verteilung der konfessionellen/religiösen Gruppen deutlich von der Verteilung in der ländlichen Umgebung abweichen. Durch den Vorstoß des IS seit dem Sommer 2014 kam es darüber hinaus zu drastischen Veränderungen in der ethnischen und konfessionellen Zusammensetzung/Verteilung der irakischen Bevölkerung (BMI 2016).

Dazu muss hervorgehoben werden, dass ein und dieselbe Gruppe in einer Gegend eine Minderheit sein, in einer anderen jedoch die Mehrheitsbevölkerung stellen kann und umgekehrt (Lattimer EASO 26.04.2017; vgl. Prochazka 11.8.2014).

Durch den Vorstoß des IS und seiner aktiven Kampagne zur Umwälzung der religiösen Demografie des Landes kam es zu drastischen Veränderungen in der konfessionellen und ethnischen Verteilung der Bevölkerung im Irak (FH 2018; vgl. Ferris und Taylor 8.9.2014). Viele Schiiten und religiöse Minderheiten, die vom IS vertrieben wurden, sind bis heute nicht in ihre Häuser zurückgekehrt. Die Rückkehr irakischer Streitkräfte in Gebiete, die seit 2014 von kurdischen Streitkräfte gehalten wurden, führte Ende 2017 zu einer weiteren Runde demografischer Veränderungen, wobei manche kurdischen Bewohner auszogen und Araber zurückkehrten. In Gebieten, die von schiitischen Milizen befreit wurden, gab es wiederum Berichte von der Vertreibung sunnitischer Araber. Dasselbe gilt für Gebiete, die von den kurdischen Peshmerga befreit wurden (FH 2018; vgl. GNI 20.11.2016).

12.1. Kurden

Schätzungen zufolge sind 15-20 Prozent der irakischen Bevölkerung Kurden. Während sich die arabische Bevölkerung vorwiegend in den westlichen Landesteilen. der Zentralregion und im Süden des Landes verteilt. leben die Kurden mehrheitlich im Nordosten. Die Kurden in der autonomen Zone bekennen sich überwiegend als Sunniten. Aber es gibt unter ihnen auch neuzeitliche Zoroastrier und Jesiden. Die meisten Kurden Bagdads fühlen sich einem schiitischen Religionszweig verbunden: dem des Faili-Schiitentums (GIZ 11.2018). - 46 -

Von ethnisch-konfessionellen Auseinandersetzungen sind auch Kurden betroffen, soweit sie außerhalb der Region Kurdistan-Irak leben. Im Nachgang zum Unabhängigkeitsreferendum hat die zentralirakische Armee die sog. umstrittenen Gebiete, die nach dem Zurückdrängen von IS unter kurdischer Kontrolle standen, im Oktober/November 2017 größtenteils wieder unter ihre Kontrolle gebracht. Seither ist die Lage dort zwischen Kurden und Arabern generell angespannt. Es gibt Meldungen von Landbesetzungen und Vertreibungen kurdischer Bevölkerungsteile durch Araber und v. a. seitens der dort lebenden Kurden und religiösen Minderheiten große Vorbehalte gegen die schiitischen Milizen der Hashd al-Shabi (AA 12.01.2019). An verschiedenen Stellen begann die irakische Armee in enger Zusammenarbeit mit den schiitischen Volksmobilisierungseinheiten gegen die Kurden vorzugehen (SWP 7.2018).

13. Relevante Bevölkerungsgruppen

13.1. Kinder

Die Hälfte der irakischen Bevölkerung ist unter 18 Jahre alt. Kinder waren Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre. Sie sind nach Angaben der Vereinten Nationen in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage betroffen. Sehr viele Kinder und Jugendliche waren infolge der Kämpfe von Gewaltakten gegen sie selbst oder gegen Familienmitglieder betroffen. So häuften sich z. B. im Zuge der Befreiung von West-Mosul Ende Mai 2017 Berichte, dass IS-Terroristen auch auf fliehende Kinder zielten. Es gibt Berichte, nach denen eine Vielzahl an Kindern vom IS als Kindersoldaten eingesetzt wurde und von Umerziehungskampagnen traumatisiert ist (AA 12.01.2019). Laut UNICEF machten Kinder im August 2017 fast die Hälfte der damals drei Millionen durch den Konflikt vertriebenen Iraker aus (USDOS 20.04.2018).

Art. 29 und 30 der irakischen Verfassung enthalten Kinderschutzrechte. Irak ist dem Zusatzprotokoll zur VN- Kinderrechtskonvention zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten beigetreten (AA 12.01.2019). Das Gesetz verbietet die kommerzielle Ausbeutung von Kindern, sowie Pornografie jeglicher Art, einschließlich Kinderpornografie (USDOS 20.04.2018).

Im Falle einer Nichtregistrierung der Geburt eines Kindes werden diesem staatliche Leistungen wie Bildung, Lebensmittelbeihilfe und Gesundheitsversorgung vorenthalten. Alleinstehende Frauen und Witwen hatten oft Probleme bei der Registrierung ihrer Kinder. Kinder, die nicht die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, haben ebenfalls keinen Anspruch auf staatliche Leistungen. Humanitäre Organisationen berichten von einem weit verbreiteten Problem bezüglich Kindern, die im IS-Gebiet geboren worden sind und keine von der Regierung ausgestellte Geburtsurkunden erhalten (USDOS 20.04.2018).

Die Grundschulbildung ist für Kinder, die die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, in den ersten sechs Schuljahren verpflichtend und wird für diese kostenfrei angeboten. In der kurdischen Autonomieregion besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren; auch dort kostenfrei. Der gleichberechtigte Zugang von Mädchen zu Bildung bleibt eine Herausforderung, insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten. Der Zugang zu Bildung von Kindern, die aufgrund des Konfliktes intern vertrieben wurden, ist stark einschränkt (USDOS 20.04.2018). Die Sicherheitslage und die große Zahl zerstörter Schulen verhindern mancherorts den Schulbesuch, sodass die Alphabetisierungsrate in den letzten 15 Jahren drastisch gefallen ist (aktuell bei 79,7 Prozent), besonders in ländlichen Gebieten. Im Unterschied dazu sind in der Autonomen Region Kurdistan fast alle Menschen des Lesens und Schreibens mächtig. (AA 12.01.2019).

Gewalt gegen Kinder bleibt ein großes Problem. Im Jahr 2011 waren 46 Prozent der Mädchen im Alter von 10 bis 14 Jahren familiärer Gewalt ausgesetzt (USDOS 20.04.2018). Die Zahl der Fälle von Kindesmissbrauch nimmt zu. Soziale Medien helfen verstärkt bei der Aufdeckung von Missbrauch und Folter (Al Monitor 2.5.2017). Berichten zufolge verkaufen Menschenhandelsnetze irakische Kinder zur kommerziellen sexuellen Ausbeutung. Letztere erfolgt im In- und Ausland. Verbrecherbanden sollen Kinder zwingen, im Irak zu betteln und Drogen zu verkaufen (USDOS 28.6.2018). Auch Kinderprostitution ist ein Problem. Da die Strafmündigkeit im Irak in den Gebieten - 47 - unter der Verwaltung der Zentralregierung neun Jahre beträgt und in der Autonomen Region Kurdistan elf, behandeln die Behörden sexuell ausgebeutete Kinder oft wie Kriminelle und nicht wie Opfer. Strafen für die kommerzielle Ausbeutung von Kindern reichen von Bußgeldern und Freiheitsstrafen bis hin zur Todesstrafe. Es lagen jedoch keine Informationen darüber vor, mit welcher Wirksamkeit der Staat diese Strafen durchsetzt (USDOS 20.04.2018).

Die Verfassung und das Gesetz verbieten Kinderarbeit. In den Gebieten, die unter die Zuständigkeit der Zentralregierung fallen, beträgt das Mindestbeschäftigungsalter 15 Jahre. Das Gesetz begrenzt die Arbeitszeit für Personen unter 18 Jahren auf sieben Stunden pro Tag und verbietet Beschäftigungen, die der Gesundheit, Sicherheit oder Moral von Personen unter 18 Jahren schaden (USDOS 20.04.2018).

Kindersoldaten, Rekrutierung von Kindern

Es gibt keine Berichte, wonach von staatlicher Seite Kinder zum Dienst in den Sicherheitskräften einberufen oder rekrutiert werden (USDOS 20.04.2018). Kinder sind jedoch weiterhin in hohem Maße von gewaltsamer Rekrutierung und Verwendung durch mehrere im Irak operierende bewaffnete Gruppen gefährdet, einschließlich (aber nicht nur) durch den IS, die PMF, Stammesgruppierungen, die Kurdische Arbeiterpartei PKK, und vom Iran unterstützte Milizen (USDOS 28.6.2018; vgl. USDOS 20.04.2018, UNGASC 16.5.2018). Es gibt Berichte, wonach eine Vielzahl an Kindern vom Islamischen Staat als Kindersoldaten eingesetzt wurde und von Umerziehungskampagnen traumatisiert ist. Zahlreiche Jugendliche sind nach Angaben der Vereinten Nationen wegen Terrorvorwürfen angeklagt oder verurteilt worden. PMF-Einheiten rekrutieren weiterhin Kinder, bilden diese militärisch aus und setzen sie ein. Im Südirak und in den schiitischen Gegenden von Bagdad erinnern Plakate an gefallene minderjährige Kämpfer, die vornehmlich für die Brigaden der Asa’ib Ahl al-Haqq (AAH) und der Kata’ib Hizbollah (KH) gekämpft hatten. Die PMF bot nach eigenen Angaben im Jahr 2017 militärische Ausbildungskurse für Kinder und Jugendliche im Alter von 15-25 Jahren an (USDOS 28.6.2018).

14. Bewegungsfreiheit

Die irakische Verfassung und andere nationale Rechtsinstrumente erkennen das Recht aller Bürger auf Freizügigkeit. Reise- und Aufenthaltsfreiheit im ganzen Land an (USDOS 20.04.2018). Die Bewegungsfreiheit verbesserte sich etwas. nachdem die vom IS kontrollierten Gebiete wieder unter staatliche Kontrolle gebracht wurden (FH 1.2018).

Die Regierung respektiert das Recht auf Bewegungsfreiheit jedoch nicht konsequent. In einigen Fällen beschränken die Behörden die Bewegungsfreiheit von Vertriebenen und verbieten Bewohnern von IDP-Lagern. ohne eine Genehmigung das Lager zu verlassen. Das Gesetz erlaubt es den Sicherheitskräften. die Bewegungsfreiheit im Land einzuschränken, Ausgangssperren zu verhängen, Gebiete abzuriegeln und zu durchsuchen. Es gab zahlreiche Berichte, dass Sicherheitskräfte Bestimmungen, die Aufenthaltsgenehmigungen vorschreiben, um die Einreise von Personen in befreite Gebiete unter ihrer Kontrolle zu beschränken, selektiv umgesetzt haben (USDOS 20.04.2018).

Die kurdische Autonomieregierung schränkt die Bewegungsfreiheit in den von ihr verwalteten Gebieten ein (USDOS 20.04.2018). Innerirakische Migration aus dem Zentralirak in die Autonome Region Kurdistan ist grundsätzlich möglich. Durch ein Registrierungsverfahren wird der Zuzug jedoch kontrolliert. Wer dauerhaft bleiben möchte, muss sich bei der Asayish-Behörde des jeweiligen Bezirks anmelden. Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht (AA 12.01.2019). Die Behörden der Autonomen Region Kurdistan wenden Beschränkungen unterschiedlich streng an. Die Wiedereinreise von IDPs und Flüchtlingen wird - je nach ethno-religiösem Hintergrund und Rückkehrgebiet - mehr oder weniger restriktiv gehandhabt. Beamte hindern Personen, die ihrer Meinung nach ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten. an der Einreise in die Region. Die Einreise ist für Männer oft schwieriger, insbesondere für arabische Männer, die ohne Familie reisen (USDOS 20.04.2018). - 48 -

Aufgrund militärischer Operationen gegen den IS erhöhten die irakischen Streitkräfte, PMF und Peshmerga die Zahl der Checkpoints und errichteten in vielen Teilen des Landes provisorische Straßensperren (USDOS 20.04.2018). Diese Checkpoints unterliegen oft undurchschaubaren Regeln verschiedenster Gruppierungen (NYT 2.4.2018). Der IS richtet falsche Checkpoints ein, um Zivilisten zu entführen bzw. Angriffe auf Sicherheitskräfte und Zivilisten zu verüben (albawaba 12.3.2018; vgl. GardaWorld 29.3.2018, Kurdistan24 29.3.2018, Iraqi News 28.6.2018).

Die Regierung verlangt von Bürgern, die das Land verlassen, eine Ausreisegenehmigung. Diese Vorschrift wird jedoch nicht routinemäßig durchgesetzt (USDOS 20.04.2018).

15. Grundversorgung und Wirtschaft

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten (AA 12.01.2019). Die Iraker haben eine dramatische Verschlechterung in Bezug auf die Zurverfügungstellung von Strom, Wasser, Abwasser- und Abfallentsorgung, Gesundheitsversorgung. Bildung. Verkehr und Sicherheit erlebt. Der Konflikt hat nicht nur in Bezug auf die Armutsrate, sondern auch bei der Erbringung staatlicher Dienste zu stärker ausgeprägten räumlichen Unterschieden geführt. Der Zugang zu diesen Diensten und deren Qualität variiert im gesamten Land erheblich (K4D 18.05.2018).

Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten schwierig. Die genannten Defizite werden durch die grassierende Korruption zusätzlich verstärkt. Nach Angaben des UN- Programms „Habitat" leben 70 Prozent der Iraker in Städten. Die Lebensbedingungen von einem großen Teil der städtischen Bevölkerung gleichen denen von Slums (AA 12.01.2019).

Wirtschaftslage

Der Irak erholt sich nur langsam vom Terror des sogenannten Islamischen Staates und seinen Folgen. Nicht nur sind ökonomisch wichtige Städte wie Mossul zerstört worden. Dies trifft das Land, nachdem es seit Jahrzehnten durch Krieg, Bürgerkrieg und Sanktionen zerrüttet wurde. Wiederaufbauprogramme laufen bereits, vorsichtig- positive Wirtschaftsprognosen traf die Weltbank im Oktober 2018 für das Jahr 2019. Ob der Wiederaufbau zu einem nachhaltigen positiven Aufschwung beiträgt, hängt aus Sicht der Weltbank davon ab, ob das Land die Korruption in den Griff bekommt (GIZ 11.2018).

Das Erdöl stellt immer noch die Haupteinnahmequelle des irakischen Staates dar (GIZ 11.2018). Rund 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor (AA 12.01.2019).

Noch im Jahr 2016 wuchs die irakische Wirtschaft laut Economist Intelligence Unit (EIU) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) um 11 Prozent. Im Folgejahr schrumpfte sie allerdings um 0,8 Prozent. Auch 2018 wird das Wachstum um die 1 Prozent betragen, während für 2019 wieder ein Aufschwung von 5 Prozent zu erwarten ist (WKO 02.10.2018). Laut Weltbank wird erwartet, dass das gesamte BIP-Wachstum bis 2018 wieder auf positive 2,5 Prozent ansteigt. Die Wachstumsaussichten des Irak dürften sich dank der günstigeren Sicherheitslage und der allmählichen Belebung der Investitionen für den Wiederaufbau verbessern (WB 16.04.2018). Die positive Entwicklung des Ölpreises ist dafür auch ausschlaggebend. Somit scheint sich das Land nach langen Jahren bewaffneter Auseinandersetzungen wieder in Richtung einer gewissen Normalität zu bewegen. Dieser positiven Entwicklung stehen gleichwohl weiterhin Herausforderungen gegenüber (WKO 02.10.2018).

So haben der Krieg gegen den IS und der langwierige Rückgang der Ölpreise seit 2014 zu einem Rückgang der Nicht-Öl-Wirtschaft um 21,6 Prozent geführt, sowie zu einer starken Verschlechterung der Finanz- und Leistungsbilanz des Landes. Der Krieg und die weit verbreitete Unsicherheit haben auch die Zerstörung von Infrastruktur und Anlageobjekten in den vom IS kontrollierten Gebieten verursacht, Ressourcen von produktiven Investitionen abgezweigt, den privaten Konsum und das Investitionsvertrauen stark beeinträchtigt und Armut, - 49 -

Vulnerabilität und Arbeitslosigkeit erhöht. Dabei stieg die Armutsquote von 18,9 Prozent im Jahr 2012 auf geschätzte 22,5 Prozent im Jahr 2014 (WB 18.4.2018).

Jüngste Arbeitsmarktstatistiken deuten auf eine weitere Verschlechterung der Armutssituation hin. Die Erwerbsquote von Jugendlichen (15-24 Jahre) ist seit Beginn der Krise im Jahr 2014 deutlich gesunken, von 32,5 Prozent auf 27,4 Prozent. Die Arbeitslosigkeit nahm vor allem bei Personen aus den ärmsten Haushalten und Jugendlichen und Personen im erwerbsfähigen Alter (25-49 Jahre) zu. Die Arbeitslosenquote ist in den von IS- bezogener Gewalt und Vertreibung am stärksten betroffenen Provinzen etwa doppelt so hoch, wie im übrigen Land (21,1 Prozent gegenüber 11,2 Prozent), insbesondere bei Jugendlichen und Ungebildeten (WB 16.04.2018).

Der Irak besitzt kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat. Über 4 Mio. der 36 Mio. Iraker erhalten reguläre Gehälter von der Regierung, die in den letzten Jahren aufgrund der schlechten Haushaltslage teilweise gar nicht oder erst mit mehrmonatiger Verspätung gezahlt wurden. Etwa ein Zehntel der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig (AA 12.01.2019). Grundsätzlich ist der öffentliche Sektor sehr gefragt. Die IS-Krise und die Kürzung des Budgets haben Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im privaten und öffentlichen Sektor. Jobangebote sind mit dem Schließen mehrerer Unternehmen zurückgegangen. Im öffentlichen Sektor sind ebenfalls viele Stellen gestrichen worden. Gute Berufschancen bietet jedoch derzeit das Militär. Das durchschnittliche monatliche Einkommen im Irak beträgt derzeit 350-1.500 USD, je nach Position und Ausbildung (IOM 13.06.2018).

Das Ministerium für Arbeit und Soziales bietet Unterstützung bei der Arbeitssuche und stellt Arbeitsagenturen in den meisten Städten. Die Regierung hat auch ein Programm gestartet, um irakische Arbeitslose und Arbeiter, die weniger als 1 USD pro Tag verdienen, zu unterstützen. Aufgrund der derzeitigen Situation im Land wurde die Hilfe jedoch eingestellt. Weiterbildungsmöglichkeiten werden durch Berufsschulen, Trainingszentren und Agenturen angeboten (IOM 13.6.2018).

Stromversorgung

Die Stromversorgung des Irak ist im Vergleich zu der Zeit vor 2003 schlecht (AA 12.01.2019). Sie deckt nur etwa 60 Prozent der Nachfrage ab, wobei etwa 20 Prozent der Bevölkerung überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben. Der verfügbare Stromvorrat variiert jedoch je nach Gebiet und Jahreszeit (Fanack 22.12.2017). Selbst in Bagdad ist die öffentliche Stromversorgung vor allem in den Sommermonaten, wenn bei Temperaturen von über 50 Grad flächendeckend Klimaanlagen eingesetzt werden, häufig unterbrochen. Dann versorgt sich die Bevölkerung aus privaten Generatoren, sofern diese vorhanden sind. Die Versorgung mit Mineralöl bleibt unzureichend und belastet die Haushalte wegen der hohen Kraftstoffpreise unverhältnismäßig. In der Autonomen Region Kurdistan erfolgt die Stromversorgung durch Betrieb eigener Kraftwerke, unterliegt jedoch wie in den anderen Regionen Iraks erheblichen Schwankungen und erreicht deutlich weniger als 20 Stunden pro Tag. Kraftwerke leiden unter Mangel an Brennstoff und es gibt erhebliche Leitungsverluste (AA 12.01.2019).

Wasserversorgung

Die Wasserversorgung wird von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen (AA 12.01.2019). Der Irak befindet sich inmitten einer schweren Wasserkrise, die durch akute Knappheit, schwindende Ressourcen und eine stark sinkende Wasserqualität gekennzeichnet ist (Clingendael 10.07.2018). Die Wasserknappheit dürfte sich kurz- bis mittelfristig noch verschärfen. Besonders betroffen sind die südlichen Provinzen, insbesondere Basra. Der Klimawandel ist dabei ein Faktor, aber auch große Staudammprojekte in der Türkei und im Iran, die sich auf den Wasserstand von Euphrat und Tigris auswirken und zur Verknappung des Wassers beitragen. Niedrige Wasserstände führen zu einem Anstieg des Salzgehalts, wodurch das bereits begrenzte Wasser für die landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet wird (UNOCHA 31.08.2018).

Parallel zur Wasserknappheit tragen veraltete Leitungen und eine veraltete Infrastruktur zur Kontaminierung der Wasserversorgung bei (UNOCHA 31.08.2018). Es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und - 50 -

Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser. Seit dem Sommer 2018 leidet insbesondere die Hafenstadt Basra unter einer Wasserkrise. Über 100.000 Fälle von registrierten Magen-Darm-Erkrankungen waren auf die schlechte Wasserqualität zurückzuführen. Diese miserable Versorgungslage führte zu heftigen Demonstrationen (AA 12.01.2019).

Nahrungsversorgung

Laut Welternährungsorganisation sind im Irak zwei Millionen Menschen von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen (FAO 8.2.2018). 22,6 Prozent der Kinder sind unterernährt (AA 12.01.2019), wobei starke regionale Unterschiede bestehen. Schätzungen des Welternährungsprogramms zufolge benötigen mindestens 700.000 Iraker Nahrungsmittelhilfe (USAID 23.2.2018).

Die Landwirtschaft ist für die irakische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Schätzungen zufolge hat der Irak in den letzten vier Jahren jedoch 40 Prozent seiner landwirtschaftlichen Produktion verloren. Im Zuge des Krieges gegen den IS waren viele Bauern gezwungen, ihre Betriebe zu verlassen. Ernten wurden zerstört oder beschädigt. Landwirtschaftliche Maschinen, Saatgut, Pflanzen, eingelagerte Ernten und Vieh wurden geplündert. Aufgrund des Konflikts und der Verminung konnten Bauern für die nächste Landwirtschaftssaison nicht pflanzen. Die Nahrungsmittelproduktion und -versorgung wurde unterbrochen, die Nahrungsmittelpreise auf den Märkten stiegen (FAO 8.2.2018). Das Land ist stark von Nahrungsmittelimporten abhängig (AW 11.2.2018; vgl. USAID 1.8.2017).

Das Sozialsystem wird vom sogenannten „Public Distribution System“ (PDS) dominiert, einem Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft, um sie an die Öffentlichkeit zu verteilen. Das PDS ist das wichtigste Sozialhilfeprogramm im Irak, in Bezug auf Flächendeckung und Armutsbekämpfung. Es ist das wichtigste Sicherheitsnetz für Arme, obwohl es von schweren Ineffizienzen gekennzeichnet ist (K4D 18.05.2018). Es sind zwar alle Bürger berechtigt, Lebensmittel im Rahmen des PDS zu erhalten. Das Programm wird von den Behörden jedoch sporadisch und unregelmäßig umgesetzt, mit begrenztem Zugang in den wiedereroberten Gebieten. Außerdem hat der niedrige Ölpreis die Mittel für das PDS weiter eingeschränkt (USDOS 20.04.2018).

16. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt (AA 12.01.2019). Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen. Öffentliche Gesundheitsdienstleister bieten Behandlungen kostengünstiger sind als private. Die Preise von Medikamenten variieren je nach Diagnose des Patienten. In staatlichen Krankenhäusern oder Kliniken sind zumeist nur wenige Medikamente erhältlich, diese jedoch zu einem günstigen Preis, in privaten Krankenhäusern und Kliniken sind alle Medikamente zumeist erhältlich, jedoch zumeist mit höheren Kosten verbunden (IOM 13.6.2018).

Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung. Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore (GIZ 11.2018). Der Patient sollte zunächst seine lokale Klinik aufsuchen, wo die Diagnose erstellt wird. Danach wird er/sie weiter zu einem Spezialisten überwiesen (IOM 13.06.2018). - 51 -

Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD. Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind dann noch zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 11.2018).

17. Rückkehr

Eine freiwillige Rückkehr in den Irak aus dem österreichischen Bundesgebiet ist über Vermittlung entsprechender Rückkehrberatungseinrichtungen und nach erteilter Zustimmung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mit Unterstützung von IOM möglich. IOM stellt im Gefolge der administrativen Abwicklung Flugtickets zur Verfügung und gewährt in Einzelfällen besonderer Hilfsbedürftigkeit auch finanzielle Überbrückungshilfe. Aktuell erfolgt eine solche Rückkehr in den Irak über die Flughäfen in Bagdad, Erbil, Basra und Najaf. Im Rahmen des Rückkehrprogramms AVRR (Assisted Voluntary Return and Reintegration) von IOM kehrten im Jahr 2015 insgesamt über 3.000 ehemalige Asylwerber aus 14 verschiedenen europäischen Ländern freiwillig in den Irak, nach Bagdad, Erbil, Suleimanyia und Basra, zurück. Dies stellt eine Zunahme von ca. 200% gegenüber dem Jahr 2014 dar. IOM unterstützt die Rückkehrer neben der Organisation der Reise selbst mit Reintegrationsmaßnahmen wie Mikrokrediten, provisorischen Unterkünften, Arbeitssuche und wichtigen Gütern des täglichen Lebens und arbeitet dabei mit dem irakischen Migrationsministerium und dem Migrationsbüro der kurdischen Autonomieregierung zusammen.

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Autonome Region Kurdistan finden regelmäßig statt (AA 12.01.2019).

ERRIN ist ein Rückkehr- und Reintegrationsprogramm auf europäischer Ebene mit dem Hauptziel, Reintegrationsunterstützung im Herkunftsland anzubieten. ERRIN ist eine Spezifische Maßnahme (Specific Action) im Rahmen des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der EU, wird von den Niederlanden (Repatriation and Departure Service (R&DS) – Ministry of Security and Justice of the Netherland) geleitet und zu 90% aus Europäischen Mitteln finanziert. Im Rahmen eines zentralen Ausschreibungsverfahrens werden Leistungsanbieter (Service Provider) zur Umsetzung von Reintegrationsprojekten in Drittstaaten ausgewählt. Im Anschluss werden mit ihnen, im Namen der partizipierenden Partnerorganisationen (Mitgliedsstaaten und assoziierende Saaten), Verträge geschlossen. Die Höhe und der Umfang der Reintegrationsleistung, also jene Leistung, die ein Rückkehrer oder eine Rückkehrerin erhält, wird von jeder Partnerorganisation selbst bestimmt (BMI 12.2018).

Studien zufolge ist die größte primäre Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017). In der Autonomen Region Kurdistan gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Ob sich diese Tendenzen verstetigen, wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der Autonomen Region Kurdistan kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 12.01.2019).

Die Höhe einer Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung der Unterkunft ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger. Die Miete für 250m2 in Bagdad liegt bei ca. 320 USD. In - 52 - den Städten der kurdischen Autonomieregion liegt die Miete bei 300-600 USD für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage nach Mietobjekten stieg, nahm die Nachfrage nach Kaufobjekten ab. Durchschnittliche Betriebskosten betragen pro Monat 15.000 IQD (ca. 11 EUR) für Gas, 10.000-25.000 IQD (ca. 7-18 EUR) für Wasser, 30.000- 40.000 IQD (ca. 22-29 EUR) für Strom (staatlich) und 40.000 IQD für private oder nachbarschaftlichen Generatorenstrom (IOM 13.6.2018).

Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser im Land. Jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote (GIZ 11.2018). Wohnen ist zu einem der größten Probleme im Irak geworden, insbesondere nach den Geschehnissen von 2003 (IOM 13.6.2018). Die Immobilienpreise in irakischen Städten sind in den letzten zehn Jahren stark angestiegen (IEC 24.1.2018). Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem IS stellt der Wohnungsbau eine besonders dringende Priorität dar (Reuters 12.02.2018). Im November 2017 bestätigte der irakische Ministerrat ein neues Programm zur Wohnbaupolitik, das mit der Unterstützung von UN- Habitat ausgearbeitet wurde, um angemessenen Wohnraum für irakische Staatsbürger zu gewährleisten (UNHSP 6.11.2017). Öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche besteht für Rückkehrer nicht (IOM 13.6.2018).

18. Dokumente und Staatsbürgerschaft

Die neuen irakischen Pässe enthalten einen maschinenlesbaren Abschnitt sowie einen 3D-Barcode und gelten als fälschungssicherer im Vergleich zu den Vorgängermodellen. Sie können nur noch persönlich und nicht mehr durch Dritte beantragt werden. Die irakischen Botschaften haben erst vereinzelt begonnen, diese Pässe auszustellen. Die Türkei erkennt grundsätzlich jedes Dokument, das zur Einreise in die Türkei berechtigt, auch für den Transit nach Irak an. Iraker brauchen für die Türkei kein Transitvisum (AA 12.01.2019).

Der irakische Personalausweis (Civil Status ID bzw. CSID oder National Identity Card) heißt auf Arabisch Bitaqa shakhsiya bzw. Bitaqa hawwiya (UKHO 9.2018; vgl. IRBC 25.11.2013). Die CSID- Karte ist gesetzlich vorgeschrieben und wird jedem irakischen Staatsbürger, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Irak, gegen Vorlage einer Geburtsurkunde ausgestellt. Sie gilt als das wichtigste persönliche Dokument und wird für alle Kontakte mit Behörden, dem Gesundheits- und Sozialwesen, Schulen sowie für den Kauf und Verkauf von Wohnungen und Autos verwendet. Die CSID-Karte wird auch für die Beantragung anderer amtlicher Dokumente wie z.B. Reisepässe benötigt (UKHO 9.2018).

Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist im Irak gegen Bezahlung zu beschaffen. Zur Jahresmitte 2014 tauchten vermehrt gefälschte Visaetiketten auf. Auch gefälschte Beglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind im Umlauf; zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden. Seitens der Bundesrepublik Deutschland etwa werden keine Legalisationen durch die Deutsche Botschaft Bagdad oder das deutsche Generalkonsulat Erbil vorgenommen (AA 12.01.2019).

Eine Kontrolle der eigenen Staatsangehörigen findet bei der Ausreise statt. Fälschungen werden dabei nur selten erkannt (in der Autonomen Region Kurdistan häufiger). Es besteht bisher keine Möglichkeit für irakische Grenzbeamte, auf eine zentrale Datenbank ausgestellter Reisepässe zurückzugreifen. Iraker mit gültigem Reisepass genießen Reisefreiheit und können die Landesgrenzen problemlos passieren (AA 12.01.2019).

Personen, die aus EU-Mitgliedstaaten in die Türkei eingereist sind und in ihren Reisedokumenten, z. B. in Flüchtlingsausweisen, Vermerke wie „nicht gültig für Irak“ tragen, wird die Ausreise aus der Türkei Richtung Irak nicht gestattet. Die Übergänge an der Landgrenze Türkei – Irak sind geöffnet und werden genutzt. Aufgrund des Konflikts zwischen der Zentralregierung und der Region Kurdistan-Irak gibt es weiterhin Unklarheiten über die Kontrolle der Außengrenzen, u.a. zur Türkei. Die angesprochenen Dispute können in der grenzpolizeilichen Kontrollpraxis zu Verzögerungen führen, aber nicht zu Ein- und Ausreiseverhinderungen, jedenfalls nicht aus Gründen, die sich aus Differenzen mit der Zentralregierung ergeben (AA 12.01.2019). - 53 - 1.4.2. Zur Lage in der autonomen Region Kurdistan, insbesondere im Gouvernement Erbil, werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der angeführten Quellen getroffen:

Sicherheits- und Menschenrechtslage:

Informationen zu Menschenrechtsverletzungen, die allgemein Kurden sunnitischen Glaubens betreffen sowie Informationen zur Frage, ob Rückkehrer aus dem Ausland behördlichen Schikanen oder anderen Diskriminierungen ausgesetzt sind, liegen nicht vor. Fälle schlechter Behandlung oder Festnahmen von Rückkehrern sind nicht bekannt.

Im März 2018 wurden bei Protesten von Staatsangestellten wegen ausstehenden Löhnen dutzende Demonstranten und zumindest zwei Journalisten von kurdischen Sicherheitskräften festgenommen. Das gewaltsame Vorgehen gegen Demonstranten bei diesen Protesten im März 2018 wurde in mehreren Medienberichten kritisiert.

Das Höchstkomitee der kurdischen Regionalregierung zur Evaluierung internationaler Berichte überprüfte im Jahr 2017 Vorwürfe von Misshandlungen durch die kurdischen Peschmerga und entlastete diese schließlich in öffentlichen Berichten und Stellungnahmen. Staatliche Organe und Sicherheitskräfte, darunter auch die Peschmerga, konnte damit weitgehend straflos agieren. Im Juli 2017 veröffentlichte die kurdische Journalistengewerkschaft einen Bericht, der 56 Fälle der Verletzung von Pressefreiheit in der ersten Hälfte des Jahres 2017 dokumentierte. Einem Journalisten des der Oppositionspartei Gorran nahestehenden Mediums Kurdish News Network zufolge hätten Sicherheitskräfte ihn an seiner Arbeit gehindert und hätten ihn mehrfach körperlich angegriffen. Ein Mitglied der Sicherheitskräfte der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) habe ihn davon abgehalten, 2016 aus dem Distrikt Makhmur zu berichten und ein Mitarbeiter des kurdischen Innenministeriums habe ihn im April 2017 gewarnt, dass er getötet werden könne, wenn er sich nicht zurückhalten würde.

Amnesty International erwähnt im Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Irak vom Februar 2017 (Berichtszeitraum 2016), dass Journalisten, Aktivisten und Politiker, die der regierenden Demokratischen Partei Kurdistans kritisch gegenüberstanden, schikaniert und bedroht wurden, und einige von ihnen wurden aus der Provinz Erbil vertrieben. Fälle von getöteten Journalisten und Kritikern oder Gegnern der kurdischen Behörden aus den vergangenen Jahren waren immer noch nicht untersucht worden.

Im Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Irak vom Februar 2017 (Berichtszeitraum 2016) berichtet Amnesty International davon, dass Journalisten und Blogger Opfer von Schlägen, Überwachung, willkürlichen Festnahmen, Todesdrohungen und Verleumdungskampagnen, die sie oder ihre Familienangehörigen diskreditierten. Vor dem Unabhängigkeitsreferendum in der Region Kurdistan wurde die Tendenz, immer stärker in das Recht auf Meinungsfreiheit von Journalisten und Bloggern einzugreifen, besonders deutlich. Von Juni bis September 2017 dokumentierte Amnesty International zwölf Fälle von willkürlichen Festnahmen, Schlägen und Einschüchterungen von Journalisten und Bloggern.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) meldet im Februar 2018, dass Sicherheitskräfte der kurdischen Regionalregierung Teilnehmer an Protesten in Sulaimaniya im Dezember 2017 festgenommen und sie gezwungen hätten, Erklärungen zu unterzeichnen, in denen sie versprochen hätten, nicht die Regierung zu kritisieren. Die Protestteilnehmer seien bis zu acht Tage lang festgehalten worden, bevor sie einem Richter vorgeführt worden seien. Die Sicherheitskräfte hätten zudem drei Journalisten festgenommen, die über die Proteste berichtet hätten.

Die schwedische Einwanderungsbehörde Migrationsverket bemerkt in einer rechtlichen Stellungnahme zur Lage im Irak vom Jänner 2018, dass die Sicherheitslage in den kurdischen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaimaniya nicht einem bewaffneten Konflikt oder anderen schweren Auseinandersetzungen gleiche. Die Lage werde jedoch nach dem Referendum und den anschließenden Militäroperationen in den [zwischen der Zentralregierung und der - 54 - kurdischen Regionalregierung] umstrittenen Gebieten als fragil eingestuft. Die politischen Spannungen zwischen kurdischen Gruppierungen einerseits und zwischen der irakischen Zentralregierung und der kurdischen Regionalregierung andererseits könnten Auswirkungen auf die Region und ihre Einwohner mit sich bringen. Derzeit werde die Sicherheitslage jedoch als stabil betrachtet. Was die Existenz von staatlichem Schutz angehe, so meint Migrationsverket, dass es ein angemessenes Maß an staatlichem Schutz gebe, obwohl es auch Einschränkungen und Defizite gebe, wie beispielsweise beim Schutz vor Ehrverbrechen.

Die Türkei hat im Jahr 2018 ihre Operationen im Nordirak gegen bewaffnete Mitglieder der Partiya Karkerên Kurdistanê (PKK) ausgeweitet. Die PKK ist seit langem im Nordirak an der Grenze zur Türkei, zu Syrien und zum Iran präsent. Beginnend mit März 2018 haben türkische Armeekräfte ihre Präsenz im Nordirak um mindestens 30 Kilometer ausgeweitet und Außenposten unter anderem in den Provinzen Dohuk und Erbil errichtet. BBC berichtete im Jänner 2019, dass mindestens eine Person getötet und zehn weitere verletzt worden wären, als eine wütende Menge ein türkisches Militärlager gestürmt habe. Lokale Bewohner hätten Fahrzeuge und Gebäude in Brand gesetzt, um gegen türkische Luftangriffe in der Region zu protestieren, bei denen Berichten zufolge mehrere Personen getötet worden seien. Laut einem örtlichen Beamten hätten türkische Soldaten auf Demonstranten geschossen und seien dann verschwunden. Es sei noch nicht genau klar, wie es zu dem Todesfall nahe der Stadt Dohuk gekommen sei:

Im März und im Juni 2018 wurden bei türkischen Militäroperationen, die ohne erkennbare militärische Ziele durchgeführt worden seien, fünf Zivilisten getötet. Die Türkei führt weiterhin Luftangriffe auf Stellungen der PKK, etwa in den Qandil-Bergen, aus. Am 14.12.2018 verurteilte das irakische Außenministerium in einer Stellungnahme die türkischen Luftangriffe auf Stellungen der PKK in den Sindschar-Bergen und in der Provinz Makhmur. Laut der Stellungnahme forderten die Luftangriffe vier zivile Opfer.

Im September 2018 führten iranische Einheiten Angriffe auf die Zentralen der im Irak ansässigen iranischen Oppositionsparteien Kurdistan Democratic Party of Iran und Democratic Party of Iranian Kurdistan ausgeführt. Dabei wurden mindestens 13 Personen getötet und 39 verletzt.

Today, eine Zeitung aus Singapur, berichtet am 01.03.2018 unter Bezugnahme auf Informationen der Nachrichtenagentur Reuters, dass zwei Personen bei der Explosion einer Autobombe in Erbil verletzt worden seien. Es handle sich hierbei um einen relativ seltenen Angriff in der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan. Die Bombe habe vermutlich auf einen Vertreter der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran abgezielt.

Im Juli 2018 erschossen kurdische Sicherheitskräfte in Erbil bewaffnete Männer, die ein Regierungsgebäude gestürmt und Geiseln genommen hatten. Die Bewaffneten drangen Berichten zufolge mit Maschinengewehren und Handgranaten über zwei Eingänge in das Gebäude ein. Bei den vier Stunden dauernden Auseinandersetzungen wurde ein Regierungsmitarbeiter getötet und zwei Polizisten verletzt worden. Einem Sicherheitsbeamten zufolge habe es sich bei den Angreifern um Kämpfer des Islamischen Staates gehandelt. Laut einem IS-Experten seien es jedoch wahrscheinlicher Mitglieder der Ansar al-Islam gewesen, einer vornehmlich kurdischen, salafistischen Organisation mit Verbindungen zu Al-Qaida. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge sind solche Angriffe größeren Ausmaßes in Erbil, dem Sitz der kurdischen Regionalregierung, selten.

Gerichte in der teilautonomen Region Kurdistan verhängten weiterhin Todesurteile für terroristische Straftaten. 2016 gab es keine Hinrichtungen. Im Jahr 2017 wurde ein Todesurteil zur Vollstreckung freigegeben, die Vollstreckung ist bisher aber noch nicht erfolgt.

Die folgende Grafik veranschaulicht die Entwicklung der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Gouvernement Dohuk und Anzahl der Opfer, wobei die Darstellung jedwede Art von Gewaltanwendung (insbesondere Bombenanschläge, Selbstmordattentate, Attacken mit Schusswaffen und außergerichtliche Tötungen) umfasst. - 55 -

Die folgende Grafik veranschaulicht die Entwicklung der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Gouvernement Erbil und Anzahl der Opfer, wobei die Darstellung jedwede Art von Gewaltanwendung (insbesondere Bombenanschläge, Selbstmordattentate, Attacken mit Schusswaffen und außergerichtliche Tötungen) umfasst. - 56 -

Quellen: - ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Menschenrechtslage in der Autonomen Region Kurdistan: Lage von Kurden sunnitischen Glaubens; behördliche Schikanen oder andere Diskriminierungen für Rückkehrer aus dem Ausland vom 10.05.2017, vom 29.03.2018 und vom 21.02.2019 - ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Sicherheitslage in der autonomen Region Kurdistan-Irak: Kampfhandlungen, Anschläge und Zielgruppen vom 10.05.2017, vom 29.03.2018 und vom 21.02.2019

Wirtschaftliche und soziale Lage:

Dem Mediennetzwerk Rudaw zufolge stiegen die Wohnungspreise in der Autonomen Region Kurdistan im Jahr 2018 um 20 Prozent und die Mietpreise um 15 Prozent an. In Zukunft werden weiterhin steigende Immobilienpreis erwartet. Die Nachfrage nach Mietwohnungen stiegt im zweiten Halbjahr 2018 im Vergleich zum ersten Halbjahr um 45 Prozent an. Der Leiter eines Immobilienunternehmens teilte Rudaw mit, dass im Mai 2018 die Miete für ein Haus im Italian Village (ein neues Wohngebiet in Erbil) 500 US-Dollar betragen habe, nun liege sie bei 650 US-Dollar. Aufgrund der hohen Nachfrage seien derzeit keine Häuser im Italian Village verfügbar. Eine große Anzahl von Personen aus dem Zentral- und Südirak komme derzeit nach Kurdistan, darunter insbesondere Personen aus Mossul und Basra. Ein weiterer Grund für die hohe Nachfrage sei die Rückkehr ausländischer Firmen, von denen viele die ARK zu Beginn des Konflikts mit dem Islamischen Staat im Jahr 2014 verlassen hätten. - 57 -

Die Internationale Organisation für Migration veröffentlicht im Juli 2018 den Ergebnisbericht einer Haushaltsstudie. Für die Studie wurden von April 2017 bis Mai 2018 13.200 Haushalte in den drei Provinzen Erbil, Sulaimaniyya und Dohuk zur Wohnsituation und Lebensgrundlagen befragt. Nahezu alle befragten Familien hätten in festen Behausungen gewohnt, bei 89 Prozent der Befragten habe eine Familie in einem Haus gewohnt, 9 Prozent in einem Haus mit mehreren Familien und ein Prozent in Wohnungen. Lediglich 0,1 Prozent der Haushalte habe in zeitlich begrenzten Unterkünften wie Bungalows oder Zelten, sowie anderen kritischen Unterkünften wie unfertigen Bauten, religiösen Einrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften gewohnt. 75 Prozent der Familien, die in der autonomen Region Kurdistan leben würden, würden das Haus besitzen, in dem sie leben. Die Quote steige in ländlichen Gegenden auf bis zu 90 Prozent. In Städten hätten 18,5 Prozent der Befragten in Mietverhältnissen gelebt. Nur ein sehr geringer Teil der Befragten (8 Prozent) habe in Unterkünften gewohnt, die von Freunden oder Verwandten zur Verfügung gestellt worden seien und lediglich ein Prozent der Befragten habe in Gemeinschaftsunterkünften gewohnt. Verwandte und Freunde seien tendenziell in urbanen Gebieten (9 Prozent) eher unterstützend tätig als in ländlichen Gebieten (3 Prozent), und generell habe es diese Art der Unterstützung eher in der Provinz Sulaimaniyya gegeben.

Die Höhe der Miete hängt IOM zufolge vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger. Im Jahr 2018 wurde eine durchschnittliche Miete in der autonomen Region Kurdistan in Städten von 200 – 600 USD für eine Zweizimmerwohnung ermittelt. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage zum Mieten stieg, nahm die Nachfrage zum Kaufen ab. Die durchschnittlichen Betriebskosten pro Monat betragen für Gas 15,000 Irakische Dinar (IQD), sohin ca. 11 Euro, für Wasser 10 - 25,000 IQD, sohin etwa 7,4 – 18,5 Euro, für öffentliche Elektrizität 30 - 40,000 IQD, sohin etwa 22,2 – 29,6 Euro sowie für private oder nachbarschaftliche Generatoren 40,000 - 60,000 IQD, sohin etwa 29,6 – 44,3 Euro. Nach der Befreiung der vom Islamischen Staat kontrollierten Gebiete würden die ersten Binnenflüchtlinge wieder zu ihren Heimatsorten zurückkehren. Dies führe zu einer leichten Senkung der Mietpreise. Generell sei es vor allem für alleinstehende Männer schwierig, Häuser zu mieten. Im Hinblick auf (Einzel-)Wohnungen sind die Abläufe unkomplizierter.

Die von einem in Serbien ansässigen Softwareentwickler betriebene Website Numbeo gibt mithilfe von nutzergenerierten Daten die Durchschnittspreise für Konsumgüter, Wohnkosten und weitere Lebenskosten in ausgewählten Städten an. Nutzer, die über Informationen zum Preisniveau verschiedener Güter in einer bestimmten Stadt verfügen, können diese auf Numbeo eintragen. Aus den verschiedenen Preisangaben der Nutzer werden dann Durchschnittspreise für die einzelnen Güter angegeben. Solche Preisprofile existieren auch für die in der autonomen Region Kurdistan gelegenen Städte Erbil und Sulaimaniyya.

Die Angaben zu Erbil mit dem Stand Mai 2019 berufen auf 683 Eintragungen von 54 Nutzern der letzten 18 Monate. Die Monatsmiete einer Einzimmerwohnung im Zentrum von Erbil wird mit dem Durchschnittspreis von 366 Euro angegeben (Preisspektrum: 268-447 Euro), für die Miete einer Einzimmerwohnung außerhalb des Zentrums wurde ein Durchschnittspreis von 256 Euro (Preisspektrum: 178–313 Euro) errechnet. Die Monatsmiete einer Dreizimmerwohnung im Zentrum von Erbil wird mit dem Durchschnittspreis von 569 Euro angegeben (Preisspektrum: 447–804 Euro), für die Miete einer Dreizimmerwohnung außerhalb des Zentrums wurde ein Durchschnittspreis von 416 Euro (Preisspektrum: 357– 529 Euro) errechnet.

Zum Preisprofil für die Stadt Sulaimaniya mit dem Stand Mai 2019 haben nach Angaben von Numbeo 44 Nutzer in den vorigen 18 Monaten Daten beigetragen. Für die Monatsmiete einer Einzimmerwohnung im Zentrum von Sulaimaniya wird ein Durchschnittspreis von 287 Euro angegeben (Preisspektrum: 168-400 Euro), für die Miete einer Einzimmerwohnung außerhalb des Zentrums wurde ein Durchschnittspreis von 199 Euro (Preisspektrum: 130-300 Euro) errechnet. Für die Monatsmiete einer Dreizimmerwohnung im Zentrum von Sulaimaniya wird ein Durchschnittspreis von 527 Euro angegeben (Preisspektrum: 300-840 Euro), für die Miete einer Dreizimmerwohnung außerhalb des Zentrums wurde ein Durchschnittspreis von 368 Euro (Preisspektrum: 250- 600 Euro) errechnet. - 58 -

Das in der Autonomen Region Kurdistan ansässige kurdische Mediennetzwerk Rudaw berichtet im September 2016, dass mehr als ein Zehntel der Bevölkerung der Region Kurdistan unter der Armutsgrenze leben würde. Bis zu 680.000 Personen der geschätzten 5,5 Millionen Bewohner der Region würden von weniger als 87 US-Dollar [etwa 80 Euro] pro Monat leben, die nach Weltbank-Standard als Armutsgrenze für den Irak und die Region Kurdistan festgelegt worden seien. Die Arbeitslosigkeit habe sich seit 2010 beinah verdreifacht und sei von 4,8 auf 13,3 Prozent angestiegen. Laut Angaben des Ministeriums für Arbeit und soziale Angelegenheiten sei die reale Arbeitslosigkeit jedoch wahrscheinlich wesentlich größer. Laut Angaben des Statistikamtes in Erbil sei der dramatische Anstieg der Armut und der Arbeitslosigkeit zum Teil durch den Zustrom von 1,8 Millionen Flüchtlingen in die Region Kurdistan sowie durch die Finanzkrise bedingt, von der die Wirtschaft der Region seit dem Fall der Ölpreise und dem Krieg gegen die Gruppe Islamischer Staat (IS) bestimmt sei.

IOM zufolge beträgt das durchschnittliche monatliche Einkommen im Irak Einkommen im Irak derzeit je nach Position und Ausbildung zwischen 200 und 2500 USD. Die (nationale) Arbeitslosenquote beträgt derzeit 14.8%. Derzeit wird auf nationaler Ebene vom Staat keine Arbeitslosenhilfe ausgezahlt.

Daten einer Studie von IOM vom Juli 2018 zufolge beträgt die Arbeitslosenrate in der Provinz Dohuk 13,8 Prozent, in der Provinz Sulaimaniyya bei 9,4 und in der Provinz Erbil bei 9,2 Prozent. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit unter Personen mit höherem Bildungsabschluss größer gewesen als bei Personen ohne Abschluss (Personen ohne Abschluss: 6,1 Prozent, Personen mit Volksschul- oder Mittelschulabschluss: 8,6 Prozent und Personen mit Sekundarabschluss oder Hochschulabschluss: 15 Prozent). 20 Prozent der jüngeren Bevölkerung zwischen 18 und 34 Jahren in der autonomen Region Kurdistan sind derzeit arbeitslos, Daten für einzelne Gouvernements liegen dazu nicht vor. 87 Prozent der Haushalte in Kurdistan verdienen weniger als 850 USD.

Arbeitsagenturen werden durch das Ministerium für Arbeit und Soziales in den meisten Städten zu Verfügung gestellt. Diese können beim Generalsekretariat der Arbeits- und Sozialversicherung eingesehen werden. Rückkehrer können sich an die nächstgelegene Anlaufstelle des Ministeriums für Arbeit und Soziales wenden um sich zu registrieren und über mögliche Hilfe zu erkundigen. Dies gilt sowohl für Arbeitsmöglichkeiten als auch für Weiterbildungsmaßnahmen Stellenangebote können unter anderem auf darauf spezialisierten Websites im Internet gefunden werden (etwa http://erbilmanpower.com). IOM zufolge sind alle irakischen Staatsbürger automatisch im Sozialsystem registriert. Die autonome Region Kurdistan behandelt keinen Staatsbürger unterschiedlich aufgrund von Religion oder Ethnie. Sämtlichen Staatsangehörigen wird, ebenso wie Zurückkehrenden, Zugang zu allen Sozialleistungen gewährt.

Ein im März 2016 veröffentlichter Bericht von Oxfam International, einem internationalen Verbund verschiedener Hilfs- und Entwicklungsorganisationen enthält Informationen zum im ganzen Irak geltenden Lebensmittelverteilungssystem PDS (Public Distribution System). Das PDS sei ein Subventionssystem der Regierung, über das seit 1991 lokal produzierte Nahrungsmittel sowie Importe verteilt würden. Es werde vom Handelsministerium verwaltet und stelle dem Großteil der irakischen Bevölkerung über Lebensmittelkarten subventionierte Nahrungsmittel zur Verfügung. Dabei schließe das PDS nicht nur die ärmsten Haushalte ein, sondern jeder, der im Irak ansässig sei, habe ein Anrecht auf monatliche Rationen. Theoretisch sehe die Lebensmittelkarte monatliche Nahrungsmittelrationen pro Person von 9kg Weizen, 3kg Reis, 2kg Zucker, einem Liter pflanzlichem Öl und drei Packungen (450g) Milchpulver vor. Das PDS, so Oxfam, sei seit einigen Jahren in Schwierigkeiten, da es sehr teuer und von schlechter Organisation und mangelnder Transparenz entlang der Versorgungswege gekennzeichnet sei. In den letzten Jahren habe die Regierung versucht das PDS zu verbessern, indem sie Staatsbedienstete mit einem monatlichen Einkommen von mehr als 1.286 US-Dollar vom Programm ausgeschlossen habe. Versuche, das PDS ab 2012-2013 mit einem Geldtransfer-System zu ersetzen, hätten bis jetzt aufgrund von mangelndem politischen Willen und großflächigen öffentlichen Protesten keinen Erfolg gezeigt. Die Weltbank arbeite mit der irakischen Regierung daran, das PDS in ein auf Vulnerabilität basierendes Sozialsystem umzuwandeln. Derzeit gebe es große Verzögerungen bei der Versorgung mit Grundnahrungsmitteln. Im Jänner 2016 seien Reis mit einer Verzögerung von drei Monaten und Öl mit einer Verzögerung von sieben Monaten ausgegeben worden. Zucker und Milchpulver seien seit mindestens sechs Monaten nicht mehr verteilt worden. Theoretisch habe ein Haushalt, der seine PDS-Rationen seit mindestens - 59 - drei Monaten nicht mehr erhalten habe, ein Anrecht darauf, mit Bargeld kompensiert zu werden. Allein in der Provinz Dohuk gebe es 1.400 Lebensmittelausgabestellen. Das World Food Programme (WFP) unterstütze das PDS in der Region Kurdistan seit 1996. Derzeit würden Hilfsorganisationen daran arbeiten, die Versorgungslücken des PDS zu füllen, um die Bevölkerung zu versorgen. Dabei wolle man auch versuchen, die gegenwärtige humanitäre Hilfe und das regierungsgesteuerte System zu vernetzen. Derzeit würden PDS-Lebensmittelkörbe nicht in regelmäßigen Abständen verteilt, noch seien diese immer komplett. Trotz der Verzögerungen bei der Ausgabe einiger Lebensmittelkörbe funktioniere das PDS-System jedoch relativ gut in Dohuk und Zakho.

Das australische Außen- und Handelsministerium (DFAT) veröffentlicht mit dem Zweck der Verwendung in Verfahren zum internationalen Schutz im Juni 2017 einen Länderbericht zum Irak. Hierin wird berichtet, dass DFAT deutliche Beweise dafür habe, dass Iraker aus Australien zurückkehren und im Irak unter anderem Geschäfte eröffnen, Arbeit aufnehmen oder eine frühere Arbeit wieder aufnehmen würden. Die Praxis, um Asyl im Ausland anzusuchen und dann, wenn es die Umstände erlauben würden, in den Irak zurückzukehren, sei unter Irakern akzeptiert. Eine große Anzahl von Kurden, darunter insbesondere alleinstehende Männer, kehre freiwillig vor allem aus Europa in die Region Kurdistan zurück. Wie auch in anderen Regionen des Irak seien hier familiäre Verbindungen wichtig und eine erneute Integration falle denjenigen leichter (insbesondere im Hinblick auf Unterkunft und Arbeit), die weiterhin über Verbindungen in die Region Kurdistan verfügen würden.

REACH, eine Initiative der humanitären NGOs IMPACT und ACTED sowie von UNOSAT, veröffentlicht im Juni 2017 einen Bericht zur Migration von Irakern nach Europa sowie deren Rückkehr in den Irak. Bei Gesprächen mit Gemeinschaftsführern (unter anderem in Sulaimaniya) sei erwähnt worden, dass Rückkehrer wieder in ihre Gemeinschaften aufgenommen würden und dass die Gemeinschaften keine Schwierigkeiten hätten, Rückkehrer zu akzeptieren. Manchen Gemeinschaftsführern zufolge sei es für die Rückkehrer selbst schwierig, da sie bei ihrer Migration nicht erfolgreich gewesen seien und es nicht vermocht hätten, ein besseres Leben im Ausland aufzubauen. Die meisten der befragten Gemeinschaftsführer hätten auch angemerkt, dass es für Rückkehrer keine Möglichkeiten bei der Rückkehr gebe. Sie hätten in Europa keine neuen Fertigkeiten erlernt und dadurch, dass sie Zeit in Europa verschwendet hätten und es nur wenig Beschäftigungsmöglichkeiten gebe, gehe es ihnen oft schlechter als vor ihrer Migration. Nach der Rückkehr würden diese Personen oft in notdürftigen Unterkünften leben und seien Berichten zufolge stark abhängig von Unterstützungsleistungen der Familie oder der Gemeinschaft.

Für den Bericht der REACH-Initiative vom Juni 2017 zur Rückkehr in den Irak wurden zwischen April und Juni 2017 qualitative Daten an besonders von Rückkehr betroffenen Orten in Kurdistan sowie in Bagdad erhoben. Insgesamt wurden 65 Rückkehrer zu den Motiven ihrer Rückkehr sowie zur Lage nach ihrer Rückkehr befragt. In der Region Kurdistan hätten neun von 34 befragten Personen angegeben, dass der Mangel einer passenden Unterkunft zu ihren Hauptproblemen zähle. Rückkehrer, die Probleme hinsichtlich einer Unterkunft angegeben hätten, würden normalerweise Wohnraum mieten und seien oft Binnenvertriebene und hätten daher Probleme, die Miete zu bezahlen. In der Provinz Sulaimaniya würden die meisten Binnenvertriebenen in Mietunterkünften leben und seien mit hohen Mieten konfrontiert.

25 der 34 in der Region Kurdistan befragten Rückkehrer hätten angegeben, dass sie keine Arbeit hätten oder es für sie schwer sei, eine passende Arbeit zu finden. Insbesondere Binnenflüchtlinge, die in die Autonome Region Kurdistan anstatt an ihren ursprünglichen Wohnort zurückgekehrt seien, hätten Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche gehabt. Die 23 Rückkehrer, die angegeben hätten, eine Arbeit gefunden zu haben, hätten ebenfalls berichtet, dass sie mit ihrem derzeitigen Job nicht zufrieden seien und darauf hoffen würden, eine Arbeit zu finden, die besser bezahlt und besser auf ihre Ausbildung abgestimmt sei. Fünf Rückkehrer hätten angegeben, in Branchen zu arbeiten, die nichts mit ihrer bisherigen Ausbildung zu tun hätten. Sie würden demnach als Taxifahrer und in Geschäften arbeiten, wohingegen sie früher im Businessbereich gearbeitet oder studiert hätten. Auch wenn Rückkehrer durch die Familie oder externe Hilfsprogramme Unterstützung erhalten würden, dann sei diese den Befragten zufolge nicht ausreichend gewesen, um ihr Leben wieder aufzubauen. Die Mehrheit der befragten Rückkehrer habe berichtet, dass sie sich hinsichtlich Unterstützung eher auf ihre Familien als auf die lokale Gemeinschaft oder Organisationen verlassen könnten. Die Gemeinschaften hätten mit ihren eigenen - 60 -

Problemen zu kämpfen und Rückkehrer würden bisweilen nicht als Gruppe wahrgenommen, die einen besonderen Unterstützungsbedarf habe. Iraker, die über offizielle Rückkehrerprogramme zurückgekehrt seien, hätten Unterstützungsleistungen durch Reintegrationsprogramme von IOM oder ERIN (European Reintegration Network) erhalten.

Vier Rückkehrer, die eine solche Unterstützung erhalten hätten, hätten angegeben, dass diese finanzielle Hilfe nicht nachhaltig gewesen sei, da sie zwar anfallende Kosten decke, aber keine Investitionen für neue Projekte ermögliche. Ein Rückkehrer habe mit offizieller Unterstützung ein Geschäft eröffnen können, ein anderer habe sein Geschäft aufgrund zu niedriger Einnahmen nicht aufrechterhalten können. Einige Rückkehrer hätten berichtet, dass sie das Gefühl hätten, Binnenvertriebene würden mehr Unterstützung erhalten als Rückkehrer aus Europa. Das Bundesministerium für Inneres nimmt seit Juni 2016 als offizielle Partnerorganisation am ‚European Reintegration Network‘, kurz ERIN-Programm teil und bietet Reintegrationsunterstützung in unterschiedlichen Herkunftsländern, darunter der Autonomen Region Kurdistan. Im Rahmen des ERIN Programms erhält jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin eine Reintegrationsleistung in der Höhe von 3.500 Euro, wobei 500 Euro als Bargeld und 3.000 Euro als Sachleistung vom Service Provider im Herkunftsland ausgegeben werden. Bei den Service Providern handelt es sich entweder um eine im Herkunftsland angesiedelte Internationale Organisation oder eine lokale NGO, die den Rückkehrer und die Rückkehrerin bei ihrer Wiedereingliederung in der Heimat unterstützt. Leistungsumfang (pro Haushalt erhält eine Person Reintegrationsunterstützung):

 Abholung/Empfang und Assistenz am Ankunftsort (z.B. Flughafen)  Kurzfristige Unterkunft am Ankunftsort  Beratung und Unterstützung bei der Existenzgründung im Herkunftsland  Unterstützung in sozialen, medizinischen und rechtlichen Angelegenheiten  Unterstützung bei Wohnungssuche / Wohnraumbeschaffung (ggf. Mietzuschuss)  Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens (Erstellung eines Businessplans, etc.)  Beratung bei der Suche und Vermittlung von Arbeitsstellen  Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen  Sonstige individuelle Hilfsangebote

Während die Geldleistung grundsätzlich dazu gedacht ist die unmittelbaren Bedürfnisse nach der Rückkehr zu decken, dient die Sachleistung insbesondere als Investition zur Schaffung einer Existenzgrundlage und trägt somit zu einer nachhaltigen Rückkehr bei.

In einer Grundsatzerklärung des Außenamtes der Kurdischen Regionalregierung zu internationalen Beziehungen vom Mai 2017 wird erwähnt, dass die Regierung der Region Kurdistan die Kurden, die im Ausland leben und zu einer Rückkehr bereit seien, zu dieser Rückkehr ermuntern würde, um sich am Wiederaufbau der Region zu beteiligen. Es sei bekannt, dass viele der Kurden, die nach Europa gegangen seien, alles verloren hätten, um ein neues Leben zu beginnen. Es handle sich nach Auffassung der Kurdischen Regionalregierung um eine humanitäre Angelegenheit, weshalb sie die Aufnahmeländer darum bitte, das Leiden der Kurden in Betracht zu ziehen, bevor man zu politische Richtlinien übergehe, die sich auf das Leben von Asylsuchenden auswirken könnten. Die Bewohner der Region Kurdistan seien jedoch unabhängig der Interessen der Länder, die Kurden aufgenommen hätten und deren Entscheidungen im Hinblick auf Einwanderungsgesetze, dazu bereit, alles zu geben, um Personen, deren Rückkehr in die Region Kurdistan erzwungen worden sei, zu helfen.

Der Bericht von DIS und Landinfo vom November 2018 zur im April 2018 unternommenen Fact-Finding-Mission nach Erbil und Suleimaniya gibt die Aussage kurdischer Behörden wieder, laut denen abgewiesene Asylwerber bei der Rückkehr in den Irak Schwierigkeiten haben würden, wenn sie kein unterstützendes Netzwerk hätten. Laut IOM ist bei Zurückkehrenden die Unterstützung der Gemeinschaft auf drei Ebenen wichtig. Zum einen sei es einfacher, sich wieder zu integrieren, wenn man gute Verbindungen zu seiner Familie habe. Für Zurückkehrende ohne Familienanschluss sei die Reintegration schwierig, da die Lebenshaltungskosten hoch - 61 - seien. Zweitens sei die Kapazität der Gemeinschaft zur Aufnahme des Zurückkehrenden ein wichtiges Element bei der Reintegration. Drittens sei Infrastruktur ein wichtiger Faktor, da es oft in ländlichen Gebieten kaum Arbeitsmöglichkeiten gebe. Laut IOM würden die meisten Zurückkehrenden in die ländlichen Gebiete von Sulaimaniyya, Halabdscha und Rania zurückkehren.

Für die autonome Region Kurdistan wird berichtet, dass seit 2016 Sparmaßnahmen umgesetzt würden, um die Finanzkrise in der Region zu überwinden. Gehälter von Staatsbediensteten seien um die Hälfte gekürzt und bereits seit Monaten nicht ausgezahlt worden. Im März 2018 protestierten Lehrende und Bedienstete des Gesundheitsministeriums in Erbil, Sulaimaniyya und Dohuk und forderten ein Ende der Sparmaßnahmen.

Quellen: - ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: wirtschaftliche Lage in der autonomen Region Kurdistan-Irak für RückkehrerInnen vom 10.05.2017, vom 29.03.2018 und vom 21.02.2019

1.4.3. Zur Lage von Kindern in der autonomen Region Kurdistan werden folgende Feststellungen getroffen:

Zugang zu Bildung:

Die Bevölkerungszahl des Irak lag Mitte Juli 2016 bei geschätzt 38 Millionen. Die Bevölkerung ist sehr jung, mit bis zu 14 Millionen Menschen (41 Prozent der Bevölkerung) im Alter bis zu 14 Jahren. Ca. 80 Prozent aller Iraker über 15 Jahre sind des Lesens und Schreibens mächtig. Jedoch ist bei Männern (86 Prozent) die Alphabetisierungsrate höher als bei Frauen (74 Prozent). Die Einschulungsrate im Jahr 2007 lag einem Bericht von UNSECO zufolge im gesamten Irak in der Volksschule für Mädchen bei circa 87 Prozent und für Buben bei 98 Prozent.

Das Bildungssystem im Irak ist zentralisiert und wird vom Bildungsministerium gesteuert. Das Ministerium für Höhere Bildung und wissenschaftliche Forschung ist für die Hochschulbildung verantwortlich. Trotz der zentralstaatlichen Organisation gibt es Unterschiede im Lehrplan zwischen der autonomen Region Kurdistan und dem Rest des Landes. Darüber hinaus bestehen auch innerhalb der drei kurdischen Provinzen Erbil, Dohuk und Sulaimaniyya Unterschiede im Curriculum.

Alle Ausbildungsstufen, von der Volksschule bis zur Hochschule, sind kostenlos. Die sechsjährige Volksschule ist verpflichtend. Nach Abschluss der Volksschule wird ein Volksschulzertifikat (schahada al-ibtida'iya) ausgestellt. 12 bis 15-jährige Schülerinnen und Schüler besuchen anschließend eine dreijährige Mittelschule (al-madrasa al- mutawassita), die mit einer zentralen und landesweit einheitlichen Prüfung abgeschlossen wird. Nach Abschluss der Mittelschule können die Schülerinnen und Schüler ihren Bildungsweg fortsetzen, indem sie sich entweder für eine allgemeine Sekundarschule (al-i'dadiya) oder eine berufliche Ausbildung in verschiedenen Bereichen entscheiden. In der autonomen Region Kurdistan umfasst die Grundschule neun Jahre und wird mit einer nationalen Prüfung abgeschlossen, mit der auch der mittlere Schulabschluss erreicht wird.

Die allgemeine Sekundarschule, auf die die erfolgreichsten Schülerinnen und Schüler wechseln, dauert ebenfalls drei Jahre und wird mit einem Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife abgeschlossen. Die Region Kurdistan vergibt ein eigenes Hochschulreifezeugnis. Nach dem ersten Jahr der allgemeinen Sekundarschule besteht die Wahl zwischen einem naturwissenschaftlichen und einem literarischen Zweig. Die Schülerinnen und Schüler, die den literarischen Zweig wählen, müssen Abschlussprüfungen in den Fächern Arabisch, Englisch, Mathematik, Geschichte, Geographie und Wirtschaft absolvieren, während die Schülerinnen des naturwissenschaftlichen Zweigs in den Fächern Arabisch, Englisch, Mathematik, Physik, Chemie und Biologie geprüft werden.

Falls die Ergebnisse der Mittelschulabschlussprüfung nicht für eine Aufnahme auf eine allgemeine Sekundarschule reichen, besteht die Möglichkeit, ein dreijähriges berufsbildendes Programm in den Bereichen - 62 -

Technologie, Handelswirtschaft oder Landwirtschaft an einer berufsbildenden Schule (i'dadiya mihniya) zu durchlaufen. Diese Ausbildung wird ebenfalls mit einer zentralen Prüfung abgeschlossen (Fachmatura), deren Abschluss einen Einstieg in den Arbeitsmarkt ermöglicht. Daher sind in dieser Schule die besuchten Kurse ungefähr zur Hälfte theoretischer und zur Hälfte praktischer Natur. Weitere spezialisierte berufsbildende Schulen bilden beispielsweise zukünftige Krankenpfleger, Sozialarbeiter oder Polizisten aus. Den besten zehn Prozent der Schülerinnen berufsbildender Schulen bietet sich nach erfolgreichem Abschluss die Möglichkeit, sich für einen Studienplatz zu bewerben. Zahlen aus dem Schuljahr 2007/2008 zeigen, dass circa 68.000 Schülerinnen und Schüler an 330 berufsbildenden Schulen und 2 Millionen Schülerinnen und Schüler an allgemeinen Sekundarschulen angemeldet waren.

Laut Angaben eines Lehrers aus dem Jahr 2013 ist das allgemeine Unterrichtsniveau schlecht, und es kommt verbreitet vor, dass Bestechung sowie Nepotismus an den Schulen eingesetzt werden, damit die Schülerinnen und Schüler ihre Prüfungen bestehen. Darüber hinaus ist der Unterricht noch immer auf traditionellen, rigiden Lehrmethoden aufgebaut, bei denen der Unterrichtsinhalt in einer monotonen und nicht sehr ansprechenden Weise vermittelt wird.

96 Prozent der Kinder in der autonomen Region Kurdistan besuchen eine Grundschule, 67 Prozent der Kinder besuchen in der Folge die erste Sekundarstufe. Einem Vertreter von UNICEF zufolge sind wirtschaftliche Notlagen, unzureichende Schulen in ländlichen Gebieten und fehlende Verkehrsanbindungen Faktoren, die den Zugang zu Bildung einschränken.

Derzeit gibt es in der Region Kurdistan 6.799 Schulen und 1.000.706 Schüler. 25 Prozent der Schulgebäude sind ungeeignet, 50 Prozent sind renovierungsbedürftig. Sparmaßnahmen bedrohen nach Angaben des Kurdischen Lehrerverbandes die Existenzgrundlage von 126 Lehrern. Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst führten dazu, dass sich Lehrer freistellen ließen, um einer anderen Arbeit nachzugehen. Der Mangel an Gebäuden und Lehrkräften führt dazu, dass eine große Anzahl der Schulen in zwei Schichten betrieben wird, einige sogar in drei Schichten. Die hohe Anzahl an Binnenvertriebenen stellt eine weitere Herausforderung für das Schulsystem dar.

2018 führte die irakische zentrale Statistikorganisation gemeinsam mit dem kurdischen regionalen Statistikbüro und dem irakischen Gesundheitsministerium eine Umfrage zur Situation von Kindern im Irak durch. Die Studie wurde finanziell von UNICEF unterstützt. In einer Grafik wird dargestellt, wie viele Kinder in den jeweiligen Provinzen inadäquat beaufsichtigt werden (Kinder unter 5 Jahren, die entweder alleine gelassen wurden oder von einem anderen Kind unter 10 Jahren betreut wurden, mindestens eine Stunde lang und mindestens einmal in der letzten Woche). In der zweiten unten angeführten Grafik werden die Schulbesuchs- und Schulabschlussraten in den kurdischen Gouvernements Dohuk, Erbil und Sulaimaniyya dargestellt. [...] - 63 -

In einem Artikel vom 15.10.2018 heißt es, dass im Jahr 2017 in der irakischen Region Kurdistan allein in der Stadt Sulaimaniya mehr als zehntausend Schüler die Schule abbrachen, vor allem wegen wirtschaftlicher Probleme. Von dieser Zahl sind siebentausend männlich und dreitausend weiblich. Unter ihnen machen die Gymnasiasten den Löwenanteil aus

Zugang zu Grundnahrungsmittel und Trinkwasser:

Das als KDP-nahe geltende Medienunternehmen Kurdistan 24 berichtet am 18.12.2018, dass die Region Kurdistan erhebliche Fortschritte bei der Verbesserung des Zugangs zu Trinkwasser und sanitären Einrichtungen gemacht habe. Der Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen ist mit einem Wert von 98 Prozent sehr hoch. Es bleibt aber die Herausforderung, weiterhin sicherzustellen, dass alle Familien Zugang zu sauberem Trinkwasser vor Ort haben.

2018 führte die irakische zentrale Statistikorganisation gemeinsam mit dem kurdischen regionalen Statistikbüro und dem irakischen Gesundheitsministerium eine Umfrage zur Situation von Kindern im Irak, unter anderem in Kurdistan, durch. Die Studie wurde finanziell von UNICEF unterstützt. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass 2,9% der Kinder unter 5 Jahren im Irak leicht untergewichtig sind. 2,5 Prozent der Kinder leiden unter mittlerem oder starken Untergewicht. 9,9 Prozent der Kinder sind in ihrem Wachstum zurückgebliebenen. Nach den allgemeinen Merkmalen sind die Indikatoren für Unterernährung in der Regel in der Region Kurdistan im Vergleich zu Mittel- und Südirak geringer, aber die Unterschiede sind nicht groß.

Hinweise auf Versorgungsengpässe bzw. Engpässe bei der Versorgung mit Gütern, die Kinder für ihre Bedürfnisse benötigen (Windeln, Babynahrung, Obst, Milch, medizinische Produkte) liegen nicht vor.

Soziale Lage:

Die Kinderarmut im Irak ist in ländlichen Gebieten ist doppelt so hoch wie in städtischen Gebieten. 34% der Kinder am Land sind arm, gegenüber 17% der Kinder, die in der Stadt leben. Es gibt auch große geografische Unterschiede zwischen den Gouvernements. Der Anteil der in Armut lebenden Kinder in der Region Kurdistan beträgt weniger als 6%. In den südlichen Gouvernements des Irak Muthanna, Qadissiya, Missan und Thi-Qar sind es demgegenüber nahezu 50%.

UNICEF und die irakische Regierung halten in einem gemeinsamen Bericht zu Kinderarmut im Irak vom Januar 2017 fest, dass für Einwohner der autonomen Region Kurdistan im Vergleich zu anderen Teilen des Landes generell die Wahrscheinlichkeit am geringsten ist, in den Armutsstatus zu fallen. Einzige Ausnahme ist der Mangel an Wasser, Wohnen und Information, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, in die „armutsnahe“ Kategorie zu fallen, die immer noch die am wenigsten ernste Kategorie unter den Armutsgruppen ist. - 64 -

Zugang zu medizinischer Versorgung:

Die Kindersterblichkeit in der autonomen Region Kurdistan deutlich niedriger ist als in anderen Gebieten im Irak. Die Kindersterblichkeitsrate (IMR) beträgt 23 Todesfälle pro 1 000 Geburten. Die Gesundheitsfürsorge für Mütter und Kinder wird von PHC-Zentren (Primary Health Care) bereitgestellt. Im Jahr 2015 hatten 90% aller werdenden Mütter Zugang zu einer pränatalen Gesundheitsfürsorge. In Erbil war dies für 100% der Frauen zugänglich. In ärmeren Bezirken wie Chamchamal, Kalar und im Bezirk Khanaqin in Diyala war der Zugang zur Schwangerschaftsvorsorge im Allgemeinen geringer. Im Vergleich zur pränatalen Versorgung war der Zugang zur postnatalen Versorgung geringer (73% der stillenden Frauen). Obwohl Leistungen zur Verfügung standen, hatten Frauen in der Regel aus persönlichen Gründen, mangelndem Bewusstsein für die Existenz dieser Leistungen oder der Bedeutung des Zugangs zu diesen Leistungen keinen Zugang zur postnatalen Versorgung.

Die Impfraten für Kinderlähmung und Masern bei Kindern im Alter von 0-59 Monaten variieren je nach Wohnort erheblich, mit der höchsten Rate in Dohuk und Ninawa (fast 92 %) und der niedrigsten Rate im Gouvernement Erbil (74 %).

In Dohuk wird das pädiatrische Krankenhaus „Heevi“ betrieben. Heevi ist das einzige spezialisierte Kinderkrankenhaus im Nordirak. Die Unterstützung der WHO war entscheidend für ihre Mission, den am stärksten gefährdeten Familien im Irak eine qualitativ hochwertige tertiäre Versorgung zu bieten. In Zusammenarbeit mit der NGO Italian Association for Solidarity among People (AISPO) und des Gesundheitsdirektorats Dohuk wurde das Krankenhaus renoviert und mit modernsten Maschinen ausgestattet. Es wurde eine pädiatrische Intensivstation geschaffen und eine semi-intensive neonatale Einheit (NICU) erweitert und ausgestattet. Das Personal wurde nach internationalen Standards geschult.

In Erbil ist das staatlich geführte Helena Health Center für Kinder mit Behinderungen und Beeinträchtigungen eingerichtet. Laut dem Leiter des Helena Health Centers konnte bereits vor den Krisen der Bedarf nicht gedeckt werden und zum Berichtszeitpunkt fehlt es an Versorgungsmaterialien und die Kapazitäten sind durch Binnenvertriebene und Flüchtlinge überlastet.

Lage von Kindern in Bezug auf häusliche Gewalt, Menschenhandel, Bettelei, Drogenkriminalität und sexuelle Ausbeutung:

In einem Bericht der OECD zu sozialen Institutionen und Gender-Index von 2019 wird berichtet, dass die autonome Region Kurdistan 2011 ein Gesetz gegen häusliche Gewalt verabschiedet hat, welches unter anderem Gewalt gegen Frauen innerhalb der Familie, Zwangsheirat, weibliche Beschneidung und das Schlagen von Kindern kriminalisiert. Häusliche Gewalt, darunter physischer und psychologischer Missbrauch und Androhung von Gewalt, ist in der autonomen Region Kurdistan grundsätzlich gesetzlich verboten. Die kurdische Regionalregierung setzte die Bestimmungen des Gesetzes um, aber lokale NGOs berichteten, dass die Programme bei der Bekämpfung von Kindesmissbrauch nicht effektiv waren. Die Ministerien für Arbeit und Soziales, Bildung sowie Kultur und Jugend Kurdistans betrieben eine kostenlose Hotline, um Verstöße gegen die Kinderrechte zu melden oder Beratung einzuholen.

In der Region Kurdistan beträgt das gesetzliche Mindestalter für die Ehe 18 Jahre, das Gesetz erlaubt es jedoch einem Richter, Kindern ab 16 Jahren die Heirat unter den gleichen Bedingungen wie im Rest des Landes zu erlauben. Das kurdische Gesetz kriminalisiert Zwangsverheiratung, annulliert aber Zwangsverheiratungen, die vollzogen wurden, nicht automatisch. Nach Angaben des Hohen Rates der kurdischen Regionalregierung für Frauenangelegenheiten gibt es bei Flüchtlingen und Binnenvertriebenen höhere Raten von Kinderheirat und Polygamie als bei Bewohnern der Kurdenregion. 2018 führte die irakische zentrale Statistikorganisation gemeinsam mit dem kurdischen regionalen Statistikbüro und dem irakischen Gesundheitsministerium eine Umfrage zur Situation von Kindern im Irak, unter anderem in Kurdistan, durch. Die Studie wurde finanziell von UNICEF unterstützt. Die untenstehende Grafik zeigt Daten zu Kinderehen in den jeweiligen Gouvernements des - 65 -

Irak. Es handelt sich um den Prozentsatz an Frauen zwischen 20 und 49 Jahren, die vor ihrem 18. Geburtstag verlobt oder verheiratet waren.

Das Gesetz verbietet die kommerzielle sexuelle Ausbeutung, den Verkauf, das Angebot oder die Beschaffung von Prostitution sowie Praktiken im Zusammenhang mit Kinderpornographie. Kinderprostitution stellt dennoch ein Problem dar, ebenso wie Zeitehen, insbesondere aber unter Binnenvertriebenen. Da das Alter der strafrechtlichen Verantwortung in der autonomen Region Kurdistan elf Jahre beträgt, behandelten die Behörden sexuell ausgebeutete Kinder oft wie Kriminelle, anstatt wie Opfer. Die Strafen für die kommerzielle Ausbeutung von Kindern reichen von Bußgeldern und Freiheitsstrafen bis hin zur Todesstrafe. Es liegen allerdings keine Informationen über die Wirksamkeit der staatlichen Durchsetzung von Strafen vor. Statistische Informationen über sexuelle Ausbeutung von Kindern liegen nicht vor.

Im September 2018 zählte eine kurdische Menschenrechtsgruppe fast 500 Kinder, die im Gouvernement Sulaimaniyya bettelten, und etwa 2.000 Kinder, die im Gouvernement Erbil bettelten, wobei die Mehrheit davon Binnenvertriebene und Flüchtlinge waren. Daten zum Gouvernement Dohuk wurde nicht erhoben. Das Ministerium für Arbeit und Soziales der Region Kurdistan schätzt, dass 1.700 Kinder in der Region Kurdistan arbeiten, oft als Straßenverkäufer oder Bettler, was sie besonders anfällig für Missbrauch macht. Das Ministerium für Arbeit und Soziales betrieb eine 24-Stunden-Hotline zur Meldung von Arbeitsmissbrauch, einschließlich Kinderarbeit; die Hotline erhielt rund 200 Anrufe pro Monat. Beamte der kurdischen Regionalregierung erklärten, dass Gerichte Fälle der schlimmsten Formen von Kinderarbeit an das Ministerium für Arbeit und Soziales verweisen könnten.

EASO berichtet, dass Daten aus dem 2016 zufolge im Gouvernement Erbil knapp unter 2% der Kinder zwischen 6 und 14 Jahren arbeiten (müssen). Einem Zeitungsartikel vom August 2016 zufolge ist die Zahl der minderjährigen Arbeiter in den größeren Städten der Region Kurdistan gestiegen, was zum Teil auf den Zustrom von vertriebenen Familien aus dem Irak und Syrien zurückzuführen ist. Die bereits erwähnte, von der irakischen zentralen Statistikorganisation gemeinsam mit dem kurdischen regionalen Statistikbüro und dem irakischen Gesundheitsministerium im Jahr 2018 durchgeführte Umfrage zur Situation von Kindern ergab nachstehende statistische Werte hinsichtlich Kindern zwischen 5 und 17 Jahren, die in den jeweiligen Gouvernements von Kinderarbeit betroffen sind:

Es gibt in der Region Kurdistan ein Hohes Komitee für Kinderarbeit, das behördenübergreifende Richtlinien zur Kinderarbeit koordiniert. Das Komitee wird vom Ministerium für Arbeit und Soziales geleitet. Weitere Mitglieder sind Vertreter aus fünf weiteren Ministerien der Region Kurdistan.

In der Region Kurdistan gilt das irakische Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels, welches Menschenhandel verbietet, nicht. Es gilt das Arbeitsgesetz von 1987, welches Kinderhandel erwähnt, aber die mit Kinderhandel einhergehenden Aspekte nicht explizit verbietet. - 66 -

Zwangsrekrutierung:

Es liegen keine Berichte über Kindersoldaten vor, die innerhalb des irakischen Militärs einschließlich der Peschmerga der kurdischen Regionalregierung eingesetzt würden. Die irakische Regierung setzte die Ausbildung von Militärs in Fragen bezüglich Kindersoldaten fort. Im November 2017 richtete die Regierung – mit Unterstützung des Premierministers – einen nationalen interministeriellen Ausschuss ein, der die Verletzungen der Kinderrechte in Konfliktzonen im Irak überwachen, bewerten und darüber berichten soll.

Die Volksverteidigungseinheiten (Hêzên Parastina Gel, HPG) der Partiya Karkerên Kurdistanê (PKK) und die jesidische Miliz der Shingal Resistance Units (YBS), die in Sinjar im Gouvernement Ninawa und der autonomen Region Kurdistan operieren, rekrutierten jedoch weiterhin Kinder und setzen diese auch ein. Laut der jezidischen NGO Yazda blieben von etwa 400 jezidischen Kindern unter 18 Jahren, die von PKK- und YBS-Milizen als Kindersoldaten rekrutiert wurden, im November 2018 schätzungsweise 100 bei den Milizen, während viele der anderen später zu ihren Familien zurückkehrten. In einem Bericht des Sicherheitsrats der UN- Generalversammlung vom 16.05.2018 wird berichtet, dass insgesamt 35 Jungen von nicht identifizierten bewaffneten Gruppierungen rekrutiert wurden; 9 von der HPG; 4 von den YBS, 1 von Hêza Parastina Êzîdxanê/Protection Force of Ezidkhan und 1 von den Zeravani forces, die Teil der Peshmerga sind. Ob diese Fälle von Rekrutierungen im Jahr 2018 oder einem früheren Jahr erfolgten und ob die Rekrutierung unter Zwang stattfand, wird im Bericht nicht offengelegt.

Quellen: - ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Das Schulsystem im Irak, Mai 2017 - Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 25.03.2019 betreffend die Situation von Kindern in der autonomen Region Kurdistan-Irak

1.4.4. Zum Inhalt des irakischen Strafgesetzbuches für die inneren Sicherheitskräfte Nr. 14/2008 wird Folgendes festgestellt (Hervorhebung nicht im Original):

Im irakischen Strafgesetz für Sicherheitskräfte von 2008 wird das Vergehen des Fernbleibens vom Polizeidienst definiert und die möglichen Strafen für diese Tat angegeben.

Teil 2, Straftat der Abwesenheit/des Fernbleibens. Artikel 1. Erstens: Dieses Gesetz gilt für: A. Offiziere und eingetragene Dienstgrade der Inneren Sicherheitskräfte (engl. Internal Security Forces), die im Dienst sind. B. Studenten an der Polizeiakademie, an Instituten oder Schulen, die sich auf die Ausbildung der Inneren Sicherheitskräfte spezialisieren. C. Ruheständler, Suspendierte, Entlassene, Ausgeschlossene, des Dienstes Enthobene, und die, die aus den Inneren Sicherheitskräften ausgeschieden sind, wenn sie ein Verbrechen begangen haben während sie noch im Dienst waren. Zweitens: Definition der Begriffe und Ziele dieses Gesetzes: A. Offizier: Polizisten, die den Dienstgrad eines Leutnants/Unterleutnants oder höher haben. B. Aufgezählte Dienstgrade: Kommissar, Unteroffizier oder ein gewöhnlicher Polizist. C. Student: jeder Student einer Polizeiakademie oder an jedem anderen Institut oder Schule, welche sich auf die Ausbildung der Sicherheitskräfte spezialisiert. Artikel 5. Die, welche abwesend von ihrer Abteilung oder ihrem Dienstort sind, oder wenn ihr Urlaub 15 Tage übersteigt, sollen für den Zeitraum von maximal sechs Monaten inhaftiert werden. Kommt es zu einer wiederholten Abwesenheit, soll eine Gefängnisstrafe von maximal einem Jahr verhängt werden. Artikel 6. Derjenige, der in Zeiten von Beunruhigung oder Ausnahmezustand mehr als zehn Tage abwesend ist, soll mit einer Gefängnisstrafe von maximal einem Jahr bestraft werden. Artikel 7. Erstens: Der Oberste Disziplinarkommandant (engl. Senior Disciplinary Commander) kann einen Polizisten durch Reduzierung des Gehalts bestrafen, für einen Zeitraum von nicht mehr als 15 Tagen, nachdem er bewiesen hat, dass er unter gewöhnlichen Umständen nicht mehr als 15 Tage abwesend war. Wird die Abwesenheit wiederholt, soll der - 67 -

Polizist für maximal 30 Tage inhaftiert werden. Zweitens: Der Begriff Oberster Disziplinarkommandant (engl. Senior Disciplinary Commander) bezieht sich hier auf den Innenminister oder denjenigen, der von ihm autorisiert wurde.

Quelle: - Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Fernbleiben, Desertion, Kündigung von Polizei und Armee vom 24.10.2016

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakten sämtlicher beschwerdeführenden Parteien unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des Erstbeschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie des Inhaltes der gegen die angefochtenen Bescheide erhobenen Beschwerde einschließlich der im Verfahren erstatteten schriftlichen Stellungnahmen und den vorgelegten Urkunden, ferner durch Vernehmung des Erstbeschwerdeführers als Partei und der XXXX als Zeugin in der vor dem erkennenden Gericht am 10.07.2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung, Einholung aktueller Auszüge aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister, dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister und dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich und schließlich durch Einsichtnahme in die vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer, die Anfragebeantwortung von ACCORD vom 21.02.2019 betreffend Autonome Region Kurdistan: Menschenrechtslage, insbesondere für sunnitische Kurden, die Anfragebeantwortungen von ACCORD vom 29.03.2018 und 21.02.2019 betreffend die Lage von RückkehrerInnen aus dem Ausland in der Autonomen Region Kurdistan: Schikanen, Diskriminierungen, Wohnraum, Kosten, Arbeitslosenrate, Erwerbsrestriktionen; Sozialsystem; Schwierigkeiten für RückkehrerInnen aus Europa, die Anfragebeantwortung von ACCORD vom 26.01.2018 betreffend gesetzliche Bestimmungen, die für die Desertion aus der Polizei eine Haftstrafe vorsehen bzw. Festnahme bei der Einreise, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 25.03.2019 betreffend Situation von Kindern in der Autonomen Region Kurdistan, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 21.02.2019 betreffend Sicherheitslage, Kampfhandlungen und Anschlagskriminalität in der Autonomen Region Kurdistan, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 07.05.2019 betreffend Desertion vom Militär, Ausreise, zivile Dokumente und Strafen, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 24.10.2016 betreffend Fernbleiben, - 68 - Desertion und Kündigung von Polizei und Armee, den Country of Origin Information Report des European Asylum Support Office vom März 2019 zum Irak betreffend Targeting of Individuals, den Country of Origin Information Report des European Asylum Support Office vom März 2019 zum Irak betreffend Security Situation, den Country of Origin Information Report des European Asylum Support Office vom Februar 2019 zum Irak betreffend Iraq Body Count - civilian deaths 2012, 2017-2018 und den Country of Origin Information Report des European Asylum Support Office vom Februar 2019 zum Irak betreffend Key socio-economic indicators.

Ferner wurde Einsicht genommen in die vom belangten Bundesamt übermittelten Verfahrensakte des Bundesasylamtes bzw. Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend XXXX , XXXX und XXXX .

Von einer Einvernahme des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers, des minderjährigen Drittbeschwerdeführers, des minderjährigen Viertbeschwerdeführers und des minderjährigen Fünftbeschwerdeführers wurde aus Altersgründen abgesehen.

Beweisanträge wurden seitens der beschwerdeführenden Parteien abgesehen von dem im Folgenden zu behandelnden Antrag im Verfahren nicht gestellt. So wird in der gegenständlichen Beschwerde beantragt, Erhebungen vor Ort durchzuführen, durch die sich die Richtigkeit der Angaben bestätigen werden.

Dazu ist auszuführen, dass nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Beweisanträge dann abgelehnt werden dürfen, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, wenn es auf sie nicht ankommt oder wenn das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist (VwGH 27.02.2003, Zl. 2002/20/0492; 24.04.2003, Zl. 2000/20/0231). Aus sachlicher Sicht setzt ein Beweisantrag voraus, dass er prozessual ordnungsgemäß gestellt wird, denn nur dann ist er als solcher beachtlich. Entscheidend für einen Beweisantrag ist vor allem die Angabe des Beweismittels und des Beweisthemas, also der Punkte und Tatsachen, die durch das angegebene Beweismittel geklärt werden sollen. Erheblich ist ein Beweisantrag jedoch in der Folge nur dann, wenn Beweisthema eine Tatsache ist, deren Klärung, wenn diese schon nicht selbst erheblich (sachverhaltserheblich) ist, zumindest mittelbar beitragen kann Klarheit über eine erhebliche (sachverhaltserhebliche) Tatsache zu gewinnen. Beweise bei einem nur unbestimmten Vorbringen müssen nicht aufgenommen werden (VwGH 20.01.1988, Zl. 87/13/0022; 24.01.1996, Zl. 94/13/0152).

Es liegt im Wesen der freien Beweiswürdigung, dass Beweisanträge nicht mehr berücksichtigt werden müssen, wenn sich die Verwaltungsbehörde beziehungsweise das Verwaltungsgericht - 69 - aufgrund der bisher vorliegenden Beweise ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltsmomente machen konnte (VwGH 17.01.1991, Zl. 90/09/0148; vgl. auch Hengstschläger-Leeb, § 52 AVG Rz 65, mit weiterführenden Hinweisen auf die Judikatur).

Aufgrund der bisherigen Ermittlungsergebnisse war das Bundesverwaltungsgericht in der Lage, sich ein klares Bild vom relevanten Sachverhalt zu machen. Ohne dem aber konkret entgegenzutreten, vermag der Erstbeschwerdeführer mit diesem Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge noch weitergehende Ermittlungen tätigen, keine Verpflichtung zu weiteren Ermittlungen auszulösen. Ein Beweisantrag des Inhaltes, bestimmte Auskunftspersonen im Herkunftsstaat durch eine Vertrauensperson befragen zu lassen, ist außerdem der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge nicht zulässig. Dies gilt auch für das Begehren nach Recherchen vor Ort (VwGH 02.05.2018, Ra 2018/18/0159 mwN). Dazu tritt, dass das im Beweisantrag genannte Beweisthema unbestimmt ist (VwGH 17.11.2015, Ra 2015/02/0141), sodass dem Beweisantrag jedenfalls nicht zu folgen ist.

2.2. Der eingangs angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbestrittenen Inhalt der vorgelegten Verfahrensakte des belangten Bundesamtes.

Die Feststellungen zur Volksgruppen-, Stammes- und Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführer sowie deren persönliche und familiäre Lebensumstände im Herkunftsstaat bis zur Ausreise sowie ihren Familienverhältnissen unter dem Punkt 1.1. ergeben sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht als glaubwürdig erachteten widerspruchsfreien Angaben des Erstbeschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung sowie vor der belangten Behörde, teils in Zusammenschau mit vorgelegten Bescheinigungsmitteln, sie sind im Beschwerdeverfahren - von den nachstehenden im Detail erörterten Aspekten abgesehen - nicht strittig.

Die Identität der Erstbeschwerdeführers wurde von diesem im Wege der Vorlage eines irakischen Identitätsdokumentes im Original (Staatsbürgerschaftsnachweis) in Verbindung mit einer irakischen Meldebestätigung im Original und einem - nicht mehr gültigen – irakischen Dienstausweis im Original hinreichend dargetan, die das Bundeskriminalamt (mit Ausnahme des irakischen Dienstausweises, dessen nähere Beurteilung mangels Vergleichsmaterial nicht durchgeführt werden konnte) als authentisch qualifiziert hat. Bei der Untersuchung ergaben sich jedenfalls bezüglich sämtlicher Urkunden keine Hinweise auf das Vorliegen einer Verfälschung. Die Identität der minderjährigen Beschwerdeführer wurde im Wege der Vorlage der zuvor genannten Dokumente des Erstbeschwerdeführers in Verbindung mit den im Original vorgelegten irakischen Geburtsurkunden ebenfalls hinreichend dargetan. Anhand der Angaben des Erstbeschwerdeführers zu den Namen und Geburtsdaten der Beschwerdeführer - 70 - in Zusammenschau mit den zuvor genannten irakischen Urkunden konnten die Vor- und Familiennamen der Beschwerdeführer sowie deren Geburtsdaten gegenüber den angefochtenen Bescheiden korrigierend festgestellt werden, zumal es sich bei XXXX um den Stammesnamen der Beschwerdeführer handelt.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer gesund sind, nicht in medizinischer Behandlung stehen und keine Medikamente einnehmen, ergibt sich daraus, dass der Erstbeschwerdeführer im bisherigen Verfahren diesbezüglich keinerlei Angaben getätigt hat und auf die Frage nach seinem Gesundheitszustand in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.07.2019 erwiderte, gesund zu sein. Bezüglich der minderjährigen Beschwerdeführer legte der Erstbeschwerdeführer dar, dass sich diese ebenso in einem gesundheitlich guten Zustand befänden.

Erste Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Erstbeschwerdeführers werfen nun seine Angaben zum Verbleib von Dokumenten auf. In der Erstbefragung am 07.05.2015 legte er dar, einen irakischen Reisepass gehabt zu haben, welcher sich bei seinen Eltern befände. In der Einvernahme vor der belangten Behörde am 20.07.2017 teilte er jedoch – auf einen Reisepass angesprochen – mit, dass er schon einen besessen habe, dieser allerdings im zerstörten Haus bzw. der Mietwohnung verblieben sei. In der mündlichen Verhandlung erklärte er wiederum, seinen Reisepass beim Verlassen seines Wohnortes verloren zu haben. Eine stringente Verantwortung liegt insoweit nicht vor, vielmehr variierte der Beschwerdeführer seinen Standpunkt maßgeblich.

Des Weiteren sind die Angaben des Erstbeschwerdeführers zur Dauer seines Schulbesuches und zu seiner Unterkunft im Irak nicht durchgängig schlüssig. So gab der Erstbeschwerdeführer in der Erstbefragung zu Protokoll, drei Jahre die Grundschule besucht zu haben. In der Einvernahme vor der belangten Behörde am 20.07.2017 schilderte der Erstbeschwerdeführer hingegen, die Schule zwölf Jahre besucht zu haben. Schließlich behauptete der Erstbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung – neuerlich abweichend – dass er sechs Jahre in die Schule gegangen sei. Eine unzureichende Schulbildung ist abseits davon nicht schlüssig nachvollziehbar, wenn der Beschwerdeführer andererseits vorbringt, als Polizist gearbeitet zu haben – eine Beschäftigung, die aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes eine gute Schuldbildung voraussetzt, zumal dabei auch Berichte verfasst und Anzeigen aufgenommen werden müssen.

Was seine Unterkunft im Irak betrifft, so erläuterte der Erstbeschwerdeführer zunächst, dass sein Reisepass im zerstörten Haus verblieben sei. Erst auf Nachfrage präzisierte er seine Angaben und sprach von seiner Mietwohnung, wobei er zu einem späteren Zeitpunkt noch - 71 - ausführte, dass diese Wohnung lediglich aus zwei Zimmern bestanden habe. Im Widerspruch hiezu erklärte der Erstbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung und in der Stellungnahme vom 30.07.2019 wiederum, in einem gemieteten Haus gelebt zu haben.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt in Anbetracht dessen zwar grundsätzlich zur Feststellung, dass der Erstbeschwerdeführer im Irak mehrere Jahre die Schule besucht und dort über eine Unterkunft verfügt hat. Dessen ungeachtet hat das Bundesverwaltungsgericht zu berücksichtigen, dass sich – ausgehend vom (übrigen) Vorbringen des Erstbeschwerdeführers – dessen Angaben zur Dauer seines Schulbesuches und zu seiner konkreten Unterkunft als widersprüchlich und unschlüssig erweisen.

Wann die Beschwerdeführer ihren Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, ist in unbedenklichen Urkunden/Unterlagen dokumentiert und wurde nicht in Zweifel gezogen. Zum Umstand, wonach die Ausreise aus dem Irak illegal erfolgt sei, zu ihrem Aufenthalt in der Türkei und der anschließenden Reise nach Österreich hat der Erstbeschwerdeführer des Weiteren in der Erstbefragung, im Verfahren vor dem belangten Bundesamt und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung gleichbleibende Angaben getätigt, die dementsprechend den Feststellungen zugrunde gelegt werden konnten. Dass sie vor Mitte 2014 aus dem Irak ausgereist wären, kann den Angaben des Erstbeschwerdeführers nicht entnommen werden. Die Angaben deuten zwar insgesamt darauf hin, dass die Beschwerdeführer in der zweiten Jahreshälfte 2014 den Irak verlassen haben. Das konkrete Datum kann allerdings nicht eruiert werden, zumal der Erstbeschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 20.07.2017 und in der mündlichen Verhandlung darlegte, den Irak am 15.08.2014 verlassen zu haben. In der Einvernahme vor der belangten Behörde am 27.11.2017 behauptete der Erstbeschwerdeführer hingegen, seine ehemalige Gattin etwa im Oktober oder November 2014 beim Ehebruch ertappt zu haben, was sich mit einer bereits im August 2014 erfolgten Ausreise nicht in Einklang bringen lässt und einen denkunmöglichen Geschehnisverlauf darstellen würde. Eine Ausreise am 15.08.2014 ist auch deshalb nicht anzunehmen, weil der Beschwerdeführer vor dem belangten Bundesamt darlegte, dass er am 06.08.2014 seinen Wohnort verlassen und nach Erbil in ein Lager für Binnenvertriebene gelangt sei, wo er 15 Tage verbracht habe, sodass der 15.08.2014 rechnerisch als Ausreisedatum nicht in Betracht kommt. In den vom Erstbeschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 20.07.2017 vorgelegten Unterlagen ist schließlich auch von einer Flucht (vom Dienst) am 25.12.2014 die Rede. Im Ergebnis kann das Bundesverwaltungsgericht das Datum der Ausreise der Beschwerdeführer aus dem Irak daher nicht zweifelsfrei feststellen; weitere Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Erstbeschwerdeführers erscheinen angebracht. - 72 - Seinen irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis, seine irakische Meldebestätigung und seinen – nicht mehr gültigen – irakischen Dienstausweis (jeweils im Original) brachte der Erstbeschwerdeführer im Asylverfahren selbst in Vorlage. Davon abgesehen brachte der Erstbeschwerdeführer die irakischen Geburtsurkunden der minderjährigen Beschwerdeführer im Original in Vorlage.

Die direkte Erreichbarkeit der Stadt Erbil im Luftweg von Wien-Schwechat aus ist gerichtsnotorisch und einer jederzeitigen Überprüfung auf der Website des Flughafens Wien- Schwechat (https://www.viennaairport.com) zugänglich.

2.3. Die unter Punkt 1.3. getroffenen Feststellungen zum Aufenthalt der beschwerdeführenden Parteien im Bundesgebiet und deren privaten Aktivitäten gründen sich auf die entsprechenden Ausführungen des Erstbeschwerdeführers im Verfahren vor dem belangten Bundesamt und vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Aussage von XXXX , die das Bundesverwaltungsgericht am 10.07.2019 als Zeugin einvernommen hat, und den im Verfahren vor dem belangten Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Bestätigungen, Zeugnissen und Empfehlungsschreiben, denen keine gegenteiligen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gegenstehen.

Soweit Feststellungen zum Asylverfahren und dem Aufenthaltsstatus von XXXX , XXXX und XXXX getroffen werden, beruhen diese auf der Einsichtnahme in die vom belangten Bundesamt übermittelten Verfahrensakte.

Die Feststellungen betreffend die von den beschwerdeführenden Parteien in Anspruch genommenen Leistungen der Grundversorgung ergeben sich schließlich zweifelsfrei aus dem amtswegig angefertigten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit der Beschwerdeführer in Österreich entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsichtnahme in das Strafregister).

Den Daten des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister kann schließlich entnommen werden, dass der Aufenthalt der beschwerdeführenden Parteien im Bundesgebiet nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Z. 3 FPG 2005 geduldet war. Hinweise darauf, dass ihr weiterer Aufenthalt zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig wäre oder die beschwerdeführenden Parteien im Bundesgebiet Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder - 73 - 382e EO wurden, kamen im Verfahren nicht hervor und es wurde auch kein dahingehendes Vorbringen erstattet, sodass keine dahingehenden positiven Feststellungen getroffen werden können.

2.4. Aufgrund der dynamischen Lageentwicklung in der Herkunftsregion der Beschwerdeführer und der Dauer des Beschwerdeverfahrens sah sich das Bundesverwaltungsgericht veranlasst, zuletzt eine Aktualisierung der im Verfahren herangezogenen Berichte zur Lage im Herkunftsstaat vorzunehmen und diese in einer mündlichen Verhandlung zu erörtern bzw. den Beschwerdeführern zu einer Stellungnahme zu übermitteln. Die für die gegenständliche Entscheidung maßgebliche Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat beruht im Wesentlichen auf den den Beschwerdeführern mit Noten des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.05.2019 und vom 09.07.2019 zur Stellungnahme übermittelten bzw. in der mündlichen Verhandlung erörterten aktuellen Quellen. Die zuvor in das Verfahren eingeführten Berichte sind – soweit sie in der Folge nicht explizit als Grundlage der getroffenen Feststellungen angeführt werden – mangels Aktualität für die Lageeinschätzung nicht (mehr) maßgeblich. Zur Sicherstellung der notwendigen Ausgewogenheit in der Darstellung wurden Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. In Anbetracht der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild zeichnen, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Ergänzend berücksichtigt wurden insbesondere auch aktuelle Statistiken zur Sicherheitslage in der autonomen Region Kurdistan aus dem Bericht des European Asylum Support Office vom Februar 2019 (EASO) betreffend Security situation (supplement) – Iraq Body Count – civilian deaths 2012, 2017-2018. Die Statistik erfasst Todesfälle von Zivilpersonen, die außerhalb militärischer Kampfhandlungen eintreten, wobei das Motiv (Terrorismus, stammesbezogene Gewalt, organisierte Kriminalität) nicht getrennt erfasst wird.

Die zur Lage in der autonomen Region Kurdistan, insbesondere im Gouvernement Erbil, getroffenen Feststellungen sowie die Feststellungen zur Lage von Kindern in der autonomen Region Kurdistan gründen sich auf die jeweils im Anschluss an die Feststellungen angeführten Anfragebeantwortungen von ACCORD und der Staatendokumentation, denen keine anderweitigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gegenüberstehen und die von den beschwerdeführenden Parteien nicht beanstandet wurden. Hinsichtlich der Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat gilt, dass zunächst Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat – sohin dem Staat Irak in seiner Gesamtheit – getroffen werden und im - 74 - Anschluss daran spezifische Feststellungen zur Lage in der autonomen Region Kurdistan bzw. zur Lage von Kindern in der autonomen Region Kurdistan getroffen werden. Soweit spezifische Feststellungen im Hinblick auf die autonomen Region Kurdistan, sohin der Herkunftsregion der beschwerdeführenden Parteien, getroffen werden, sind diese von vorrangiger Bedeutung.

Die getroffenen Feststellungen zum Inhalt des irakischen Strafgesetzbuches für die inneren Sicherheitskräfte Nr. 14/2008 unter Punkt 1.4.3. gründen sich auf die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Fernbleiben, Desertion, Kündigung von Polizei und Armee vom 24.10.2016. Die Beschwerdeführer sind dem Inhalt dieses Berichtes nicht entgegengetreten.

Die beschwerdeführenden Parteien sind den ihnen mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.05.2019 zur Stellungnahme übermittelten Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat nicht entgegengetreten und haben dazu auch in der mündlichen Verhandlung keine Stellungnahme abgegeben. In der Stellungnahme vom 30.07.2019 zu den ihnen mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.07.2019 übermittelten Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wird abschließend vor allem auf die – vorwiegen im Zentralirak agierenden – bewaffneten Gruppierungen, wie den Islamischen Staat oder die schiitischen Milizen, den von diesen ausgehenden Gewaltakten sowie die Sicherheitslage im Irak Bezug genommen. Ähnlich wird auch bereits in der Beschwerde von den Aktivitäten von Guerillagruppen des Islamischen Staates in der Herkunftsregion des Erstbeschwerdeführers gesprochen. Eine Unzulänglichkeit der Feststellungen zur Lage im Irak wird damit nicht dargetan. Die vorhandenen Aktivitäten von verbliebenen Anhängern oder sogenannten Schläfern des Islamischen Staates sind hinreichend dokumentiert und wird auch festgestellt, dass den (verbliebenen) Anhängern des Islamischen Staates terroristische und kriminelle Aktivitäten sowie Gräueltaten in den umkämpften Gebieten zugeschrieben werden. Selbiges gilt für die Aktivitäten der mit der Zentralregierung in Bagdad verbündeten schiitischen Milizen in ihren jeweiligen Einflussgebieten und die irakischen Sicherheitskräfte sowie den von diesen begangenen Menschenrechtsverletzungen. Insoweit lässt sich im Ergebnis aus den entsprechenden Ausführungen keine anders gelagerte Sachlage ableiten. Angesichts der sich rasch ändernden Umstände im Irak kann ferner nicht jedes Ereignis gesondert festgestellt werden und ist ausreichend, wenn den erhobenen Berichten ein repräsentatives Lagebild entnommen werden kann, das entsprechende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat zulässt. Dazu tritt, dass von einer Rückkehr der Beschwerdeführer in die autonome Region Kurdistan des Irak auszugehen ist und dort weder schiitische Milizen operieren, noch terroristische Aktivitäten verbleibender Anahänger des Islamischen Staates in entscheidungsrelevantem Umfang gesetzt werden. Die auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer und nicht auf die spezifische Lage in ihrer - 75 - Herkunftsregion Bezug nehmende Stellungnahme fokussiert sich somit nicht hinreichend auf die Lage der Beschwerdeführer im Rückkehrfall.

In Ansehung der Beschwerdeführer wird zudem vorgebracht, dass sich – während des Verbüßens der dreimonatigen Haftstrafe – niemand um die minderjährigen Beschwerdeführer kümmern könne, der Erstbeschwerdeführer zukünftig nicht mehr als Polizist arbeiten könne und somit über keine Einkommensquelle verfügen würde und ihnen aufgrund der prekären Sicherheits- und Versorgungslage (mit Lebensmitteln und sauberem Trinkwasser) die Rückkehr nicht zumutbar sei. Inwieweit den Beschwerdeführern dennoch eine Rückkehr möglich und zumutbar ist, ist eine Frage der Beweiswürdigung und insbesondere der rechtlichen Beurteilung.

Das Bundesverwaltungsgericht hält im gegeben Zusammenhang fest, dass eine besondere Auseinandersetzung mit der Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit des Staates einschließlich diesbezüglicher Feststellungen nur dann erforderlich ist, wenn eine Verfolgung durch Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen festgestellt wird (vgl. VwGH 02.10.2014, Ra 2014/18/0088). Da die beschwerdeführenden Parteien nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes keine von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehende Verfolgung zu gewärtigen haben, sind spezifische Feststellungen zum staatlichen Sicherheitssystem sowie zur Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit der Behörden der Herkunftsregion nicht geboten.

2.5. Die Feststellung, dass der Zweitbeschwerdeführer, der Drittbeschwerdeführer, der Viertbeschwerdeführer und der Fünftbeschwerdeführer keine eigenen asylrelevanten Ausreisegründe vorbrachten, beruht auf dem Inhalt der bezughabenden Niederschrift des belangten Bundesamtes und den Angaben des Erstbeschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht.

Der Zweitbeschwerdeführer, der Drittbeschwerdeführer, der Viertbeschwerdeführer und der Fünftbeschwerdeführer sind minderjährige Kinder des Erstbeschwerdeführers, der eigene Verfolgungsgründe seiner minderjährigen Kinder auf Nachfrage sowohl vor dem belangten Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung verneinte.

2.6. Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte vor Ort zu verifizieren, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner - 76 - Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage und allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153; 15.03.2016, Ra 2015/01/0069).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der Glaubhaftmachung im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinn der Zivilprozessordnung zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt dabei positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der hierzu geeigneten Beweismittel, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers, voraus (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058 mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt ebenso wie die Beweisführung den Regeln der freien Beweiswürdigung (VwGH 27.05.1998, Zl. 97/13/0051). Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers sind positive Feststellungen von der Behörde nicht zu treffen (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).

Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Angaben eines Asylwerbers hat der Verwaltungsgerichtshof als Leitlinien entwickelt, dass es erforderlich ist, dass der Asylwerber die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, Zl. 93/18/0289). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht (VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314).

Es entspricht ferner der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein Vorbringen im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden kann, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens bzw. der niederschriftlichen Einvernahmen unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650). - 77 - 2.7. Unter Berücksichtigung der vorstehend angeführten Rechtsprechung ist es den beschwerdeführenden Parteien nicht gelungen, ein asylrelevantes Vorbringen glaubwürdig und in sich schlüssig darzulegen und eine zur Gewährung von internationalem Schutz führende Gefährdung im Rückkehrfall glaubhaft zu machen. Im Einzelnen:

2.7.1. Zum Vorbringen des Erstbeschwerdeführers:

Der Erstbeschwerdeführer brachte im Verfahren vor dem belangten Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung zunächst vor, seinen Wohnort im Distrikt Machmur im Gouvernement Erbil noch vor der Eroberung durch die Milizen des Islamischen Staates am 06.08.2014 verlassen zu haben.

Ausgehend davon kann festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer seinen Wohnort im Distrikt Machmur im Gouvernement Erbil in der zweiten Jahreshälfte 2014, nämlich am 06.08.2014 noch vor der Eroberung der Stadt durch die Milizen des Islamischen Staates verließ, ohne dass es zu persönlichen Konfrontationen mit Kämpfern des Islamischen Staates kam oder Verfolgungshandlungen wider den Erstbeschwerdeführer gesetzt wurden. Eine individuelle Gefährdung des Erstbeschwerdeführers durch die Milizen des Islamischen Staates war somit vor der Ausreise nicht gegeben, dies auch deshalb, weil der Erstbeschwerdeführer im Verlauf des Verfahrens einräumte, zunächst in die Stadt Erbil gereist zu sein und dort mehrere Wochen verbracht zu haben, bevor er den Irak endgültig verließ. Die Stadt Erbil selbst war zu keinem Zeitpunkt vom Islamischen Staat gefährdet, sodass eine Verfolgung durch den Islamischen Staat als Ausreisegrund jedenfalls ausscheidet.

Im Verlauf des Asylverfahrens legte der Erstbeschwerdeführer des Weiteren zunehmenden Fokus auf die von ihm vorgebrachte Desertion vom kurdischen Polizeidienst und den damit einhergehenden Rechtsfolgen im Irak, welche seinem Vorbringen zufolge in einer strafrechtlichen Verurteilung durch das Gericht der inneren Sicherheitskräfte im Mai 2016 mündete.

Aufgrund der Aussagen des Erstbeschwerdeführers und den im Verfahren in Vorlage gebrachten Ablichtungen und Urkunden, ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes glaubhaft, dass sich der Beschwerdeführer ohne eine einvernehmliche Auflösung seines Dienstverhältnisses als kurdischer Polizist aus dem Irak entfernte und in weiterer Folge die im irakischen Strafgesetzbuch für die inneren Sicherheitskräfte Nr. 14/2008 für eine solche Straftat vorgesehenen Rechtsfolgen im Irak eintraten. Die Fällung eines Abwesenheitsurteils ist dabei nach den in der vorgelegten Ablichtung des Urteiles zitierten Rechtsvorschriften, welche dem Bundesverwaltungsgericht aus der Bearbeitung ähnlich gelagerter Fälle bekannt sind, ebenso zulässig wie die Beschlagnahme des beweglichen und unbeweglichen - 78 - Vermögens. Die Vorgehensweise steht auch mit den länderkundlichen Informationen zur Desertion im Irak im Einklang, wonach zwar nicht jeder Fall von Desertion tatsächlich zu einer strafrechtlichen Verfolgung führt, eine solche jedoch im Bereich des Möglichen liegt. Die verhängte Strafe liegt im Übrigen im Rahmen des § 5 des irakischen Strafgesetzbuches für die inneren Sicherheitskräfte Nr. 14/2008.

Die strafrechtliche Verurteilung des Erstbeschwerdeführers zu einer Haftstrafe von drei Monaten gemäß § 5 des irakischen Strafgesetzbuches für die inneren Sicherheitskräfte Nr. 14/2008 ist daher den Feststellungen zugrunde zu legen.

Dass der Erstbeschwerdeführer sich dem Dienst bei der irakischen (kurdischen) Polizei entzogen hat, um der Teilnahme an völkerrechtswidrigen Militäraktionen zu entgehen, wurde nicht vorgebracht und kann dementsprechend nicht festgestellt werden. Wie vorstehend bereits eingehend erörtert, verließ der Erstbeschwerdeführer das Gouvernement Erbil und damit seine dort befindlichen Dienststellen, da sich die Sicherheitslage angesichts des Herannahens der Milizen des Islamischen Staates verschlechterte und der Erstbeschwerdeführer fürchtete, als Polizist in Kampfhandlungen mit den Milizen des Islamischen Staates verwickelt zu werden. Eine über die Furcht, aufgrund der dienstlichen Stellung als Polizist an Kampfhandlungen teilnehmen zu müssen und dort allenfalls zu Schaden zu kommen hinausgehende Motivation des Erstbeschwerdeführers, seine Dienststelle zu verlassen, kann das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennen. Darüber hinaus brachte der Erstbeschwerdeführer selbst vor, dass er sich nach dem Verlassen seines Wohnortes zunächst in einem Lager für Binnenvertriebene nahe der Stadt Erbil aufgehalten habe, sodass es ihm möglich gewesen wäre, den Dienst bei der kurdischen Polizei in Erbil neuerlich anzutreten bzw. um eine Entlassung aus dem Dienstverhältnis zu ersuchen. Da der Erstbeschwerdeführer nicht vorbrachte, in Erbil einer individuellen Gefährdung unterlegen zu sein, kann das Bundesverwaltungsgericht keinen schlüssigen Grund für das unbefugte Entfernen des Beschwerdeführers von der weiteren Dienstverrichtung erkennen.

Dazu tritt im Übrigen, dass ausweislich des vom Erstbeschwerdeführer selbst vorgelegten Zeitungsediktes dieser für schuldig befunden wurde, sich am 25.12.2014 unerlaubt von der Polizeidirektion Erbil entfernt zu haben, was einerseits klar darauf hinweist, dass der Beschwerdeführer länger in Erbil aufhältig war, als von ihm im Verfahren eingeräumt wurde und dass er außerdem noch in Erbil selbst als Polizist tätig war, zumal aus dem von ihm selbst im Verfahren vorgelegten Zeitungsedikt als ehemaliger Wohnort das Dorf XXXX nordwestlich von Erbil hervorgeht und nicht die Stadt XXXX , wo der Erstbeschwerdeführer behauptetermaßen zuletzt seinen Dienst versehen haben will. Der vom Erstbeschwerdeführer in den Raum gestellte Verlauf seiner Reisebewegungen stimmt somit – wie bereits eingangs - 79 - erörtert – nicht mit den von ihm vorgelegten Beweismitteln überein und ist es wahrscheinlich, dass der Erstbeschwerdeführer zunächst noch Dienst in der Stadt Erbil versah, bis er den Irak schließlich – ohne dazu durch gegenwärtige oder ihm unmittelbar drohende Verfolgungshandlungen veranlasst zu sein – wohl im Monat Dezember 2014 verließ.

Dass der Erstbeschwerdeführer aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung strenger wegen des unerlaubten Verlassens des Polizeidienstes bestraft wurde, wurde nicht vorgebracht und es bieten die herangezogenen länderkundlichen Informationen auch keinen Hinweis auf eine derartige Praxis. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist die strafrechtliche Aufarbeitung des unerlaubten Fernbleibens des Erstbeschwerdeführers vom Polizeidienst abgeschlossen und das entsprechende Urteil ergangen, gegenteiliges wurde auch nicht vorgebracht. Welche Folgen es für den Erstbeschwerdeführer haben soll, wenn ihm irakische Behörden im (hypothetischen) Fall einer Rückkehr noch vorwerfen sollten, er habe nicht gegen den Islamischen Staat gekämpft – angesichts der zeitweisen Auflösungserscheinungen der irakischen Sicherheitskräfte im Sommer 2014 und der dabei stattfindenden Massenflucht übrigens ein nicht nur den Erstbeschwerdeführer, sondern tausende andere Personen ebenfalls betreffender Vorwurf – bringt der Erstbeschwerdeführer nicht substantiiert vor, sodass das Bundesverwaltungsgericht schon aus diesem Grund zu keinen diesbezüglichen Feststellungen gelangten kann.

Im Kontext der Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak fällt auf, dass Desertion während der Zeit des Vorrückens der Milizen des Islamischen Staates ein massenhaftes Phänomen war. Die herangezogenen Quellen verdeutlichen ferner, dass in Anbetracht der massenhaften Desertionen auch Bestrebungen für eine Amnestie vorhanden waren bzw. sind. Die die allgemeine Situation im Irak betreffenden Quellen zeichnen den Gesamteindruck, dass seitens der Behörden tendenziell auf die Wiedereingliederung von Deserteuren gesetzt wird. Jedenfalls ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes – entgegen der Behauptung in der mündlichen Verhandlung und in der Stellungnahme vom 30.07.2019 – nicht davon auszugehen, dass der Erstbeschwerdeführer noch einer zur verhängten Strafe hinzutretenden zusätzlichen Bestrafung (mithin einer unzulässigen Doppelbestrafung) ausgesetzt sein könne. Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte dafür, dass im (hypothetischen) Fall einer Rückkehr gerade der Erstbeschwerdeführer der Todesstrafe oder der Folter unterzogen würde, letzteres insbesondere deshalb nicht, da er bereits verurteilt wurde und daher die im Irak noch verbreitete Erzwingung von Geständnissen nicht mehr von faktischer Relevanz wäre. Hinsichtlich der Beschlagnahme von Vermögen ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass der Erstbeschwerdeführer eine gemietete Unterkunft bewohnt haben will - 80 - und er darüber hinaus nicht vorbrachte, Vermögen besessen zu haben, sodass die verfügte Konfiskation seines Vermögens ins Leere geht.

Schließlich brachte der Erstbeschwerdeführer vor dem belangten Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung eine individuelle Gefährdung seiner Person vor der Ausreise durch private Dritte vor, da er nach einem von seiner ehemaligen Gattin begangenen Ehebruch eine durch ihn zu erfolgende Tötung abgelehnt habe. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet dieses Vorbringen des Erstbeschwerdeführers als in hohem Ausmaß als einerseits unsubstantiiert und andererseits widersprüchlich und unplausibel, weshalb es demzufolge als nicht glaubhaft anzusehen ist. Keinesfalls gelang es dem Erstbeschwerdeführer, eine von privaten Dritten, insbesondere seiner ehemaligen Schwiegerfamilie, aus zur Gewährung von internationalem Schutz führenden Gründen erfolgte Verfolgung und/ oder Bedrohung glaubhaft zu machen. Er hat auch keine Gefährdung im Rückkehrfall zu befürchten.

So ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es dem Erstbeschwerdeführer aus den zuvor dargelegten Erwägungen bereits an persönlicher Glaubwürdigkeit fehlt. Hiebei darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass es auch gegen die Glaubwürdigkeit des Erstbeschwerdeführers spricht, dass dieser im Verfahren vor der belangten Behörde zunächst seine wahre Identität verschleierte und sich eines als Totalfälschung qualifizierten Personalausweises bediente. Selbiges gilt im Übrigen für die minderjährigen Beschwerdeführer.

Des Weiteren sind dem Erstbeschwerdeführer Widersprüche im Hinblick auf die Erstbefragung zur Last zu legen. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass sich die Erstbefragung § 19 Abs. 1 AsylG 2005 zufolge - wie auch in der Beschwerde angesprochen - nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat und gegen eine unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen Bedenken bestehen (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0061 mwN). Dennoch fällt im gegenständlichen Fall ins Gewicht, dass der Erstbeschwerdeführer bei der Erstbefragung insoweit einen anderen Geschehnisverlauf skizzierte, als er die nach dem Ehebruch angeblich seitens seiner ehemaligen Schwiegerfamilie erfolgte Aufforderung zur Tötung seiner ehemaligen Gattin völlig unerwähnt ließ. Stattdessen beschränkte er sich in seinen Ausführungen lediglich auf die allgemeine Kriegssituation in seiner Herkunftsregion und behauptete, seine ehemalige Gattin sei von den Milizen des Islamischen Staates verschleppt worden.

Selbst wenn die Erstbefragung keine detaillierte Aufnahme des Ausreisegrundes umfasst, wäre dennoch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes zu erwarten, dass die den Asylwerber selbst betreffenden ausreisekausalen Erlebnisse zuvorderst und in den Grobzügen gleichbleibend bei der ersten sich bietenden Gelegenheit dargelegt werden. Die im - 81 - gegenständlichen Fall nicht stringente Darlegung solcher eigener Erlebnisse bei der Erstbefragung und der Einvernahme vor der belangten Behörde bezüglich einer Entführung seiner ehemaligen Gattin durch die Milizen des Islamischen Staates und einer Verfolgung und/ oder Bedrohung seiner Person aufgrund der von ihm verweigerten Tötung seiner ehemaligen Gattin weckt Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Erstbeschwerdeführers zu diesen ausreisekausalen Ereignissen (zur Zulässigkeit derartiger Erwägungen bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Verschaffung eines persönlichen Eindruckes vom Beschwerdeführer VwGH 24.03.2015, Ra 2014/19/0143; zur Maßgeblichkeit solcher Widersprüche vgl. VwGH 17.05.2018, Ra 2018/20/0168). Da der Erstbeschwerdeführer in der Folge vor dem belangten Bundesamt am 20.07.2017 zu Beginn der Einvernahme explizit erklärte, bei der Erstbefragung bis dato die Wahrheit gesagt zu haben und dass ihm alles rückübersetzt und alles richtig protokolliert worden sei (NS vom 20.07.2017, S 3), fallen ihm die dargelegten und trotz Gelegenheit nicht richtiggestellten oder aufgeklärten Widersprüche zur Last. Vor allem ist hiebei auch zu berücksichtigen, dass es dem Erstbeschwerdeführer auch auf einen entsprechenden Vorhalt nicht möglich war, schlüssig zu erklären, weshalb er im Rahmen der Erstbefragung noch dargelegt habe, dass seine ehemalige Gattin von den Milizen des Islamischen Staates verschleppt worden sei. Der Erstbeschwerdeführer argumentierte diesbezüglich zunächst, dass ihm der Aufenthaltsort seiner ehemaligen Gattin nicht bekannt gewesen sei und insoweit der Verdacht einer Entführung durch die Miliz des Islamischen Staates bestanden habe, wobei er in weiterer Folge jedoch eingestehen musste, dass er bereits seit seinem Aufenthalt in der Türkei gewusst habe, dass sich seine ehemalige Gattin im Haus seiner ehemaligen Schwiegereltern aufgehalten habe (NS vom 20.07.2017, S 8 f), was nunmehr seine Glaubwürdigkeit zusätzlich erschüttert. Ebenso wenig vermag daher überzeugen, wenn der Erstbeschwerdeführer schließlich aufgrund zweier weiterer Vorhalte bezüglich der Angaben zum Aufbewahrungsort seines Reisepasses und zur Dauer seines Schulbesuches Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher in Treffen führte (NS vom 20.07.2017, S 9). Insoweit setzt sich der Erstbeschwerdeführer mit seinen späteren – nicht nachvollziehbaren – Angaben jedenfalls in Widerspruch zu seinen anderslautenden Ausführungen zu Beginn der Einvernahme vor dem belangten Bundesamt, wo er die Richtigkeit der Protokollierung seiner Angaben noch bestätigte.

Dazu tritt, dass der Erstbeschwerdeführer sein Vorbringen in Österreich im Laufe des Verfahrens auch in folgenden Punkten unterschiedlich gestaltete. So behauptete der Erstbeschwerdeführer, wie den vorgelegten Unterstützungsschreiben entnommen werden kann, mehrfach gegenüber seinen Betreuern bzw. Bekanntschaften, dass seine ehemalige Gattin im Irak ermordet worden sei. Im Verlauf der mündlichen Beschwerdeverhandlung - 82 - brachte der Erstbeschwerdeführer allerdings explizit zum Ausdruck, dass diese in der Stadt Erbil bei ihrer Mutter lebt. Der seitens des Erstbeschwerdeführers in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung geäußerte Erklärungsversuch, von seinen Unterstützern möglicherweise nicht genau bzw. falsch verstanden worden zu sein, vermag jedoch nicht zu überzeugen, zumal es lebensfremd erscheint, dass mehrere Personen - voneinander unabhängig - diese Äußerung falsch verstanden hätten. Des Weiteren gestaltete sich das Vorbringen hinsichtlich des Zeitpunktes des Ehebruches bzw. der erfolgten Trennung vor der belangten Behörde einerseits und in der mündlichen Verhandlung von dem erkennenden Gericht andererseits nicht stringent. So gab der Erstbeschwerdeführer im Verfahren vor der belangten Behörde zunächst an, seine ehemalige Gattin etwa im Oktober oder November 2014 beim Ehebruch ertappt zu haben. In der mündlichen Verhandlung erläuterte der Erstbeschwerdeführer hingegen, sich etwa eine Woche vor dem Angriff des Islamischen Staates, welchen er – vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung gleichbleibend – zeitlich auf den 06.08.2014 verortete, getrennt zu haben. Dass sich dies zeitlich nicht miteinander in Einklang bringen lässt, bedarf keiner näheren Erörterung. Ferner offenbarte sich im Vorbringen des Erstbeschwerdeführers bezüglich der Konsequenzen einer Scheidung bzw. des anschließenden Vorgehens seiner Gegner im Zuge der Beschwerdeverhandlung ein weiterer Widerspruch. So legte der Erstbeschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde zunächst dar, dass seine Widersacher im Falle einer Scheidung seine – nunmehr – ehemalige Gattin töten würden. Während aufrechter Ehe würden seine Gegner diesen Schritt nicht wagen. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab der Erstbeschwerdeführer allerdings – im Widerspruch hiezu – zu Protokoll, mittlerweile geschieden worden zu sein, wobei seine ehemalige Gattin – ohne weitere Konsequenzen – mit deren Mutter in der Stadt Erbil lebe. Eine stringente Schilderung der wesentlichen Fluchtgründe kann hier nicht erkannt werden.

Insofern ist auf die obige Judikatur zu verweisen, wonach ein Vorbringen eines Asylwerbers insbesondere dann glaubhaft ist, wenn es konkrete, detaillierte Schilderungen der behaupteten Geschehnisse enthält und frei von Widersprüchen ist. Umgekehrt jedoch indizieren unwahre Angaben in zentralen Punkten oder das Verschweigen wesentlicher Sachverhaltsumstände die Unglaubwürdigkeit, ebenso wie sich steigerndes Vorbringen, das heißt das Vorbringen gravierender Eingriffe nicht bei der ersten sich bietenden Gelegenheit, sondern – inhaltlich vom Erstvorbringen abweichend bzw. zunehmend – erst in einem (späteren) Verfahrensstadium, mithin nachdem sich die asylrechtliche Irrelevanz des Erstvorbringens gezeigt hat. - 83 - Zudem hält das das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers im Hinblick auf die behauptete Verfolgung durch die Familie seiner ehemaligen Gattin im Irak der vorgenommenen Überprüfung des realen Hintergrundes der vorgetragenen Fluchtgeschichte nicht stand und ist schon deshalb nicht glaubhaft (zur Verpflichtung des Bundesverwaltungsgerichtes, bei der Beweiswürdigung den realen Hintergrund der vom Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in die Überlegungen einzubeziehen und die Glaubwürdigkeit der Behauptungen auch im Vergleich zur einschlägigen Berichtslage zu messen siehe allgemein statt aller VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0108). Dem Bundesverwaltungsgericht ist insoweit unter Berücksichtigung der Quellenlage bekannt, dass Ehrenverbrechen Gewaltakte sind, welche von Familienmitgliedern gegen (weibliche) Verwandte begangen werden, die aufgrund ihres Verhaltens Schande über die Familie oder den Stamm gebracht haben sollen. Nun bringt der Erstbeschwerdeführer im Ergebnis vor, aufgrund der außerehelichen sexuellen Beziehung seiner Gattin zur Tötung seiner ehemaligen Gattin von deren Familie aufgefordert worden zu sein. Nach den Quellen und den Ausführungen des Erstbeschwerdeführers wäre jedoch auch die Familie seiner Gattin selbst angehalten gewesen, dieses Gewaltverbrechen zur Beseitigung der Schande zu begehen. Die skizzierte Lösung – primäre Tötung durch den Erstbeschwerdeführer – ist überhaupt nicht mit den obigen Ausführungen in Einklang bringen, zumal die Verfolgerfamilie unmittelbaren Zugriff auf seine ehemalige Gattin hatte. Jedenfalls würde es den angeblichen Verfolgern auch gegenwärtig – nach der Scheidung – offenstehen, die ehemalige Gattin des Erstbeschwerdeführers zur Wiederherstellung der Ehre zu belangen. Davon wusste der Erstbeschwerdeführer jedoch überhaupt nichts zu berichten und hält sich seine ehemalige Gattin nach der erfolgten Scheidung nach wie vor unbehelligt in der Stadt Erbil bei deren Mutter auf, was gegen eine frühere oder aktuelle Bedrohung aufgrund einer Ehrverletzung spricht.

Das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers zur angeblichen Bedrohung aus dem Familienkreis stellte sich außerdem sowohl vor dem belangten Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung als unsubstantiiert und vage dar. So erwähnte der Erstbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung bei der selbständigen Darlegung der Ausreisegründe die angebliche Bedrohung aus dem Familienkreis überhaupt nicht (er fand vielmehr mit zwei Sätzen das Auslangen und legte nur dar, den Irak aufgrund des Vorrückens des Islamischen Staates verlassen zu haben). Auch auf erste Nachfrage nach einer nähren Darstellung der Ausreisegründe brachte der Erstbeschwerdeführers in Bezug auf den Angeblichen Ehebruch seiner Gattin und daraus angeblich resultierenden Schwierigkeiten gar nichts vor. Erst auf gezielte Nachfrage, wer ihn aufgefordert habe, seine Ehegattin zu töten, brachte der Erstbeschwerdeführer zum behaupteten Sachverhalt vor, beschränkte sich aber in weiterer Folge neuerlich darauf, nur die an ihn gestellten Fragen zu beantworten. Seine Antworten - 84 - waren dabei auffällig oberflächlich. So legte er beispielsweise auf die Frage, wer ihn zur Ermordung seiner Ehegattin aufgefordert habe, wörtlich dar: „Die Väter beider Seiten, viele Männer.“ Wer diese zahlreichen Männer gewesen sein sollen, blieb im Dunkeln. Die Angaben des Erstbeschwerdeführers vor dem belangten Bundesamt zu diesem behaupteten Sachverhalt gestalteten sich ähnlich unsubstantiiert (NS vom 20.07.2017, S 4 und 7).

Im Übrigen konnte der Erstbeschwerdeführer weder vor dem belangten Bundesamt noch in der mündlichen Verhandlung plausibel darstellen, weshalb es für ihn nicht möglich gewesen wäre, durch einen Wohnsitzwechsel – etwa innerhalb der autonomen Region Kurdistan oder alternativ nach Bagdad – dieser angeblichen Bedrohung zu entgehen. Ein schlüssiger und nachvollziehbarer Grund, weshalb er einer allfälligen Gefährdung im Gouvernement Erbil nicht innerhalb des Herkunftsstaates entgehen konnte, wurde nicht aufgezeigt.

Abschließend darf nicht gänzlich außer Acht gelassen werden, dass wenn der Erstbeschwerdeführer tatsächlich eine asylrelevante Verfolgung aus den von ihm genannten Gründen befürchtet hätte, er wohl bereits etwa bei seinem Aufenthalt in Bulgarien oder Ungarn einen Asylantrag gestellt hätte.

In diesem Zusammenhang ist auf die Richtlinie 2011/95/EG des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes zu verweisen, welche in ihrem Art. 4 Abs. 5 lit. d vorsieht, dass dann, wenn für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise fehlen, diese Aussagen keines Nachweises bedürfen, wenn der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war. Wendet man diese sekundärrechtliche Norm im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung auf das gegenständliche Verfahren an, so ergibt sich um Umkehrschluss, dass gegenständlich jedenfalls - glaubwürdige - Beweise erforderlich gewesen wären.

Weiters ist auf Art. 31 Abs. 8 der Richtlinie 2013/32/EU des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes zu verweisen, wonach die Mitgliedstaaten festlegen können, dass das Prüfungsverfahren im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II beschleunigt und/oder an der Grenze oder in Transitzonen nach Maßgabe von Artikel 43 durchgeführt wird, wenn nach dessen lit. h der Antragsteller unrechtmäßig in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats eingereist ist oder seinen Aufenthalt unrechtmäßig verlängert hat und es ohne stichhaltigen Grund - 85 - versäumt hat, zum angesichts der Umstände seiner Einreise frühestmöglichen Zeitpunkt bei den Behörden vorstellig zu werden oder einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.

Der Erstbeschwerdeführer musste auf seiner Reise nach Österreich zudem auch durch andere als sicher geltende Staaten reisen und wäre es ihm möglich und zumutbar gewesen schon dort um Schutz anzusuchen. Durch das Unterlassen kann geschlossen werden, dass er andere Motive als jene der Schutzsuche hat.

2.7.2. Zum soziokulturellen Hintergrund und zur allgemeinen Lage der Beschwerdeführer vor der Ausreise:

Die beschwerdeführenden Parteien gehören ausweislich des Vorbringens des Erstbeschwerdeführers keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an. Er brachte weder eine politische Betätigung vor der Ausreise substantiiert vor, noch zivilgesellschaftliche Aktivitäten (etwa die Teilnahme an Demonstrationen), die auf eine exponierte Stellung vor der Ausreise hinweisen würden.

Die beschwerdeführenden Parteien gehören außerdem der kurdischen Volksgruppe an und bekennen sich den Angaben des Erstbeschwerdeführers zufolge zum Islam der sunnitischen Glaubensrichtung. Sie gehören damit der in der autonomen Region Kurdistan mehrheitlich vertretenen Ethnie bzw. Religionsgemeinschaft an und sind in dieser Hinsicht ebenfalls nicht exponiert. Schwierigkeiten aufgrund der religiösen bzw. ethnischen Zugehörigkeit vor der Ausreise kamen im Verfahren nicht hervor. Ebenso wenig wurden Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften des Herkunftsstaates vor der Ausreise vorgebracht.

Schließlich wurde im Verfahren nicht vorgebracht, dass die beschwerdeführenden Parteien vor ihrer Ausreise von den vorstehend erörterten Aspekten abgesehen einer anderweitigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/ oder physischer durch staatliche Organe oder durch Dritte in ihrem Herkunftsstaat ausgesetzt waren, sodass auch keine dahingehenden Feststellungen zu treffend waren.

2.8. Zur Lage im Rückkehrfall:

2.8.1. Da das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers betreffend die behauptete individuelle Gefährdung aufgrund der von ihm verweigerten Ausführung eines Ehrenverbrechens nicht als glaubwürdig anzusehen war und den Feststellungen nicht zugrunde gelegt werden konnte, kann daraus auch keine glaubhafte Gefährdung im Rückkehrfall abgeleitet werden. - 86 - 2.8.2. Die minderjährigen Beschwerdeführer sind im Fall einer Rückkehr in den Irak und dort in der autonomen Region Kurdistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von geschlechtsspezifischer Gewalt einschließlich Zwangsprostitution, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit oder Zwangsehe betroffen.

In den gegenständlichen Verfahren wurde zunächst kein dahingehendes substantiiertes Vorbringen erstattet. Ein erhöhtes Risiko im Hinblick auf geschlechtsspezifische Gewalt kann der vorgebrachten und festgestellten Familienstruktur ebenso wenig entnommen werden, wie den anderweitigen Ausführungen des Erstbeschwerdeführers. Den Feststellungen zufolge stellt Kinderprostitution und das Eingehen von Zeitehen zwar ein Problem dar, insbesondere aber unter Binnenvertriebenen. Im gegenständlichen Fall kann eine individuelle Betroffenheit der minderjährigen Beschwerdeführer im Hinblick auf geschlechtsspezifische Gewalt der Sachlage nach ausgeschlossen werden, zumal sie aus geordneten Familienverhältnissen stammen und vom Erstbeschwerdeführer nicht der Eindruck gewonnen wurde, dass er seine Kinder geschlechtsspezifischer Gewalt aussetzen oder der Prostitution zuführen würde.

Eine Zwangsehe bzw. Zwangsarbeit müsste (vorrangig) vom Erstbeschwerdeführer ausgehen, entsprechende Absichten, die minderjährigen Beschwerdeführer einer Zwangsverheiratung oder der Zwangsarbeit zuzuführen, traten im Verfahren nicht zutage. Den Feststellungen zufolge betrugt der Anteil an arbeitenden Kindern im Gouvernement Erbil zuletzt knapp unter 2% der Kinder zwischen 6 und 14 Jahren, sodass auch unter statistischen Gesichtspunkten die maßgebliche Gefahr von Zwangsarbeit bzw. Kinderarbeit im Rückkehrfall jedenfalls vereint werden kann.

Zwangsrekrutierung kommt den Feststellungen zufolge bei den kurdischen Peschmerga nicht vor, es ist lediglich ein Fall einer Rekrutierung bekannt (wobei dessen zeitliche Einordnung nicht möglich war). Die beschwerdeführenden Parteien weisen darüber hinaus keine Nähe zur Partiya Karkerên Kurdistanê auf und gehören nicht der ethno-religiösen Gruppe der Jesiden an, sodass im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen das Risiko einer Zwangsrekrutierung ebenfalls auszuschließen ist.

2.8.3. Da die beschwerdeführenden Parteien keine staatliche Strafverfolgung in der autonomen Region Kurdistan aufgrund eines Kapitalverbrechens in den Raum gestellt haben, ist zur Feststellung zu gelangen, dass sie im Fall einer Rückkehr nicht der Todesstrafe unterzogen würden. Ebenso kann aus dem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien keine anderweitige individuelle Gefährdung durch drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe abgeleitet werden, zumal – abgesehen von der als glaubhaft qualifizierten - 87 - Desertion des Erstbeschwerdeführers – keine Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften vorgebracht wurden.

Im Hinblick auf die zu verbüßende dreimonatige Freiheitsstrafe bleibt anzumerken, dass sich die Haftbedingungen in irakischen Gefängnissen zwar insgesamt als schlecht erweisen, hinsichtlich systematisch erfolgender Verletzungen der Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK liegen jedoch keine substantiierten Hinweise vor und liegen im Falle des Erstbeschwerdeführers zudem keine Vulnerabilitätsaspekte vor, vor deren Hintergrund eine Inhaftierung in der autonomen Region Kurdistan ein möglicherweise erhöhtes Risiko einer menschenunwürdigen Behandlung mit sich brächte. Ferner äußerte der Erstbeschwerdeführer selbst im Zuge seiner Einvernahmen und schriftlichen Stellungnahmen keine substantiierten Befürchtungen im Hinblick auf die Haftbedingungen. Daraus folgt, dass aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ohne das Dazutreten weiterer Umstände nicht zu erwarten ist, dass der Erstbeschwerdeführer mit unmenschlichen Haftbedingungen konfrontiert sein wird. Zwar können Folterpraktiken gegen Terrorverdächtige ausweislich der herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen in der autonomen Kurdenregion nicht ausgeschlossen werden. Der Erstbeschwerdeführer steht jedoch ausweislich seines Vorbringens nicht unter Terrorverdacht und wurde außerdem bereits verurteilt, sodass er auch nicht Misshandlungen zur Erzwingung eines Geständnisses zu befürchten hat.

2.8.4. Die Sicherheitslage in der autonomen Region Kurdistan im Allgemeinen und im Gouvernement Erbil im Besonderen ist stabil und es ereignen sich nur vereinzelt sicherheitsrelevante Vorfälle mit einer vergleichsweise geringen Anzahl von Todesopfern. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt finden im Gouvernement Erbil nicht statt. Die militärischen Auseinandersetzungen mit den Milizen des Islamischen Staates kamen nach dessen Niederlage Ende 2017 ebenso zum Erliegen, wie die kurzzeitigen militärischen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften der irakischen Zentralregierung nach dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum im September 2017.

Ausweislich der getroffenen Feststellungen zur Sicherheitslage in der autonomem Region Kurdistan finden nur sporadisch terroristische Aktivitäten statt. Für das Jahr 2018 sind zwei sicherheitsrelevante Vorfälle in der Stadt Erbil dokumentiert. Bei der Explosion einer Autobombe wurden zwei Personen verletzt. 2018 erschossen kurdische Sicherheitskräfte in Erbil bewaffnete Männer, die ein Regierungsgebäude gestürmt und Geiseln genommen hatten. Ein Regierungsmitarbeiter wurde dabei getötet, zwei Polizisten wurden verletzt. Die in den Feststellungen zur Sicherheitslage in der autonomem Region Kurdistan ersichtlichen Statistiken kamen im Gouvernement Erbil im Jahr 2017 16 Zivilpersonen durch Gewaltanwendung zu Tode. Im Jahr 2018 waren es 26 Zivilpersonen. In der Provinz Erbil wurde - 88 - im Jahr 2017 vier Zivilpersonen Opfer tödlicher Gewalt, im Jahr 2018 neun Zivilpersonen (dies bei einer Einwohnerzahl von ca. 1.222.000 Personen).

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes kann in Anbetracht der erörterten Feststellungen zur Sicherheitslage im Gouvernement Erbil im Wege einer Gegenüberstellung der Einwohnerzahl zu den sicherheitsrelevanten Vorfällen nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz der beschwerdeführenden Parteien in der Stadt Erbil davon ausgegangen werden muss, dass diese wahrscheinlich Opfer eines terroristischen Anschlages, stammesbezogener Gewalt oder krimineller Aktivitäten werden würden (vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137 zur Lage in Bagdad). Da die anderen Provinzen im Gouvernement Erbil und die anderen Gouvernements der autonomen Region Kurdistan ähnlich niedere Werte im Hinblick auf Gewaltakte an Zivilpersonen aufweisen, gilt dieser Schluss für das gesamte Gouvernement Erbil einerseits und die autonome Region Kurdistan an sich andererseits. Im gegebenen Zusammenhang wurde bereits erörtert, dass die beschwerdeführenden Parteien keine Nähe zur Partiya Karkerên Kurdistanê aufweisen. Eine individuelle Betroffenheit durch Angriffe türkischer Streitkräfte, die gegen Stellungen der PKK im Nordirak gerichtet sind, kann demnach ebenfalls ausgeschlossen werden. Überhaupt wurden risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf die beschwerdeführenden Parteien, welche zu einer im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung stark erhöhte Gefährdung durch terroristische Aktivitäten oder im Hinblick auf stammesbezogene Gewalt oder kriminelle Aktivtäten hindeuten würden, im Verfahren nicht vorgebracht. Eine dahingehende darstellbare Gefährdung im Rückkehrfall kann sohin ausgeschlossen werden.

2.8.5. Die Feststellungen betreffend die (grundsätzliche) Arbeitsfähigkeit des Erstbeschwerdeführers beruhen auf dessen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die konsumierte Ausbildung und die im Herkunftsstaat ausgeübte Berufstätigkeit sowie dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck. Der Erstbeschwerdeführer zeigte sich an einer Erwerbstätigkeit interessiert und brachte keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor, welche die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen würden.

2.8.6. Die beschwerdeführenden Parteien sind in der autonomen Region Kurdistan und dort im Gouvernement Erbil geboren und (bis zu ihrer Ausreise) aufgewachsen und mit der Sprache sowie den Gebräuchen in ihrem Herkunftsstaat vertraut. Sie gehören der im Gouvernement Erbil mehrheitlich vertretenen kurdischen Volksgruppe und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. Da die beschwerdeführenden Parteien nach wie vor über mehrere enge Verwandte in der Stadt Erbil bzw. in der autonomen Region Kurdistan verfügen, werden - 89 - sie umgehend sozialen Anschluss im Fall einer Rückkehr in die Herkunftsregion vorfinden, sodass Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung ausgeschlossen werden können.

Im Hinblick auf die minderjährigen Beschwerdeführer ist bereits an dieser Stelle festzuhalten, dass sich diese allesamt in einem anpassungsfähigen Alter befinden (vgl. dazu statt aller VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0059). Sie sind ferner der Sprache Sorani mächtig, was sich schon daraus ergibt, dass der Erstbeschwerdeführer über nur grundlegende Deutschkenntnisse auf dem Niveau A1 verfügt, sodass davon auszugehen ist, dass die beschwerdeführenden Parteien mit ihm Sorani sprechen. Die minderjährigen Beschwerdeführer haben außerdem allesamt zumindest die ersten Lebensjahre im Herkunftsstaat verbracht. Im Detail wird hiezu auf die Erwägungen unter Punkt 3.4.5. verwiesen.

2.8.7. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 MRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (VwGH 21.02.2017, Ro 2016/18/0005).

In Ansehung der beschwerdeführenden Parteien – die eine fehlende Lebensgrundlage im Rückkehrfall behaupten – sind folgende Erwägungen zu im Rückkehrfall zu erwartenden sozioökonomischen Lage maßgeblich:

Der Erstbeschwerdeführer hat im Irak grundlegende Schulbildung konsumiert und trat anschließend als Arbeiter in das Berufsleben ein. Ferner verpflichtete er sich bei der kurdischen Polizei. Der Erstbeschwerdeführer konnte sein Auskommen mehrere Jahre durch eigene Erwerbstätigkeit bestreiten. Dass er mit seiner Familie vor der Ausreise in eine existentielle Notlage geriet, wurde nicht vorgebracht.

Es steht dem Erstbeschwerdeführer im Fall einer Rückkehr frei, den vor der Ausreise ausgeübten Tätigkeiten als Arbeiter oder als Polizist bzw. im Sicherheitsgewerbe im Rückkehrfall neuerlich nachzugehen. Ebenso ist dem Erstbeschwerdeführer die Aufnahme einer anderweitigen Erwerbstätigkeit – sei es im Handel, in der öffentlichen Verwaltung, im Sicherheitsbereich oder in der Gastronomie – möglich und zumutbar. Der Erstbeschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig, er brachte im Verfahren keine Gründe vor, die der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Rückkehrfall entgegenstehen würden. - 90 - Neben der Inanspruchnahme der im Rahmen der freiwilligen Rückkehr sämtlichen Fremden ausbezahlten Geldleistung steht es dem Erstbeschwerdeführer auch frei, im Rückkehrfall zum Zweck der Eröffnung eines neuen Geschäftes oder Betriebes am ERIN-Programm teilzunehmen. ERIN ist ein Rückkehr- und Reintegrationsprogramm auf europäischer Ebene mit dem Hauptziel, Reintegrationsunterstützung im Herkunftsland anzubieten. ERIN ist eine Spezifische Maßnahme (Specific Action) im Rahmen des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der EU, wird von den Niederlanden (Repatriation and Departure Service (R&DS) – Ministry of Security and Justice of the Netherland) geleitet und zu 90% aus Europäischen Mitteln finanziert.

Im Rahmen des ERIN Programms erhält jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin eine Reintegrationsleistung in der Höhe von 3.000 Euro, wobei 200 Euro als Bargeld und 2.800 Euro als Sachleistung vom Service Provider im Herkunftsland ausgegeben werden. Während die Geldleistung grundsätzlich dazu gedacht ist die unmittelbaren Bedürfnisse nach der Rückkehr zu decken, dient die Sachleistung insbesondere als Investition zur Schaffung einer Existenzgrundlage und trägt somit zu einer nachhaltigen Rückkehr bei. Von Juni 2016 bis 25.06.2018 erhielten 1.085 Personen im Rahmen ihrer Rückkehr von Österreich in ihr Heimatland Reintegrationsunterstützung über das ERIN-Programm. Unter Berücksichtigung von Familienangehörigen kehrten im selben Zeitraum sogar 1.658 Personen freiwillig in ihr Heimatland zurück. Aktuell wird ERIN-Reintegrationsunterstützung im Zentralirak und in der autonomen Region Kurdistan zur Verfügung gestellt (http://www.bmi.gv.at/107/EU_Foerderungen/Finanzrahmen_2014_2020/AMIF/ERIN.aspx, Zugriff am 08.01.2020). Die Teilnahme an diesem Programm vermittelt hinreichende Starthilfe für eine selbständige Tätigkeit und den Aufbau eines eigenen Geschäftes, etwa im Sicherheitsbereich, als Transportunternehmer wie Bus- oder Taxifahrer oder in der Gastronomie.

Im Hinblick auf das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien insbesondere in der mündlichen Verhandlung und der Stellungnahme vom 30.07.2019 verkennt das Bundesverwaltungsgericht im gegebenen Zusammenhang nicht, dass die wirtschaftliche Lage in der autonomen Region Kurdistan angespannt ist. Die Arbeitslosenrate beträgt im Gouvernement Erbil 9,2 Prozent, wobei die Arbeitslosenrate unter niedrig qualifizierten Personen geringer ist. Die Feststellungen bieten demnach keinen Anlass für die vorgetragene Befürchtung, in der autonomen Region Kurdistan keine existenzsichernde Arbeit zu finden. Zwar ist die Arbeitslosenrate im Vergleich zu europäischen Werten leicht erhöht, von Massenarbeitslosigkeit kann jedoch keine Rede sein. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes kann schon ob des persönlichen Profils des - 91 - Erstbeschwerdeführers einerseits und der den Feststellungen zu entnehmenden statistischen Werde andererseits davon ausgegangen werden, dass der Erstbeschwerdeführer im Rückkehrfall – entsprechendes Engagement und Anspannung vorausgesetzt – eine seinen Kenntnissen und Erfahrungen entsprechende Stellung erlangen wird.

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens verdeutlichen zusammengefasst, dass der Erstbeschwerdeführer über schulische Ausbildung und langjährige Berufserfahrung verfügt. Der Erstbeschwerdeführer ist arbeitsfähig und leidet unter keinen Beeinträchtigungen. In Anbetracht der festgestellten wirtschaftlichen Lage geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Erstbeschwerdeführer ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten rasch eine adäquate Beschäftigung in einem der oben angesprochenen Bereiche auffinden wird, zumal - selbst wenn die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführer dies ablehnen würde - die Betreuungspflichten für die minderjährigen Beschwerdeführer von den sonstigen im Gouvernement Erbil aufhältigen Verwandten des Erstbeschwerdeführers, wie etwa dessen Mutter oder dessen ehemaliger Schwiegermutter, wahrgenommen werden können. Das Bundesverwaltungsgericht kann auch keinen Grund erkennen, der den Erstbeschwerdeführer daran hindern würde, neuerlich einer Tätigkeit als kurdischer Polizist oder sonst im Sicherheitsbereich nachzugehen. Selbst wenn ihm dies - wie in der Stellungnahme vom 30.07.2019 behauptet - aufgrund seines unerlaubten Fernbleibens vom Dienst verwehrt sein sollte, stünde es ihm frei. in einem der oben angesprochenen Bereiche eine berufliche Tätigkeit oder - wie bereits nach Beendigung seiner Schulzeit - sonstige Hilfstätigkeiten auszuüben, um die Versorgung seiner Familie zu sichern.

Für die erste Zeit nach der Ankunft steht im Übrigen die Reintegrationshilfe zur Verfügung, die in Anbetracht der Anzahl der Familienmitglieder entsprechend ausfallen wird.

Die beschwerdeführenden Parteien sind als irakische Staatsbürger außerdem berechtigt, am Public Distribution System (PDS) teilzunehmen, einem sachleistungsorientierten Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft und an die Bevölkerung verteilt und dermaßen eine Grundsicherung bei der Nahrungsmittelversordnung herstellen soll. Mit einer Lebensmittelbezugskarte können monatliche Nahrungsmittelrationen pro Person von 9 kg Weizen, 3 kg Reis, 2 kg Zucker, einem Liter pflanzlichem Öl und drei Packungen (450 g) Milchpulver bezogen werden. Da die beschwerdeführenden Parteien an ihren Herkunftsort zurückkehren, wo sie ordnungsgemäß registriert werden, sind keine Schwierigkeiten bei der Ausgabe von Lebensmittelbezugskarten zu erwarten. Das PDS arbeitet zwar den Feststellungen zufolge mit Verzögerungen und wird ineffizient geführt. Dennoch kann zumindest von einem Beitrag zur Bestreitung des Bedarfs an Grundnahrungsmitteln ausgegangen werden. - 92 - Im Hinblick auf die notwendige Unterkunft erscheint eine Mietunterkunft im Zentrum Erbils in hinreichender Größe derzeit nicht erschwinglich. Die beschwerdeführenden Parteien waren vor der Ausreise zwar in einem Dorf im Distrikt Machmur im Gouvernement Erbil beheimatet, aus dem vom Erstbeschwerdeführer im Verfahren vorgelegten Zeitungsedikt geht allerdings als (ehemaliger) Wohnort das Dorf XXXX nordwestlich von Erbil hervor, sodass davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführer dort vor der Ausreise – zumindest temporär – wohnhaft waren. Ausweislich der Feststellungen zur sozioökonomischen Lage im Herkunftsstaat sind Unterkünfte außerhalb des Stadtzentrums von Erbil jedenfalls für gewöhnlich günstiger. Den beschwerdeführenden Parteien steht außerdem die Möglichkeit offen, sich in einer Ortschaft in der Umgebung von Erbil niederzulassen und dermaßen den Anteil der Wohnkosten zu reduzieren, insbesondere, weil sie diesen Weg bereits vor der Ausreise mit der zumindest temporären Niederlassung im Dorf XXXX nordwestlich von Erbil beschritten.

Der Erstbeschwerdeführer verfügt außerdem über ein aufgrund der Größe leistungsfähiges familiäres Netz in seiner Herkunftsregion. Der Erstbeschwerdeführer verfügt – abgesehen von seiner ehemaligen Gattin und Schwiegermutter – über seine Mutter und mehrere Onkel sowie Tanten in der autonomen Region Kurdistan. Wiewohl die Verwandten der Beschwerdeführer selbst in bescheidenen Verhältnissen leben, kann aufgrund ihrer Anzahl davon ausgegangen werden, dass zumindest anfänglich eine hinreichende Unterstützung im Wege der Zurverfügungstellung von Gütern des täglichen Bedarfs, (gebrauchter) Bekleidung für Kinder, Unterkunft und der Unterstützung bei der Betreuung von Kindern stattfindet und in der Zeit bis zur Auffindung einer ersten Unterkunft eine Wohnmöglichkeit zur Überbrückung zur Verfügung gestellt wird.

Die beschwerdeführenden Parteien brachten im Verfahren keine familiären Spannungen glaubhaft vor, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die familiäre Bande nicht beschädigt ist und in Anbetracht der in einem Stammessystem ausgeprägten familiären Unterstützung auch davon ausgegangen werden darf, dass eine solche im Rahmen der Leistungsfähigkeit der Verwandten in der Herkunftsregion auch erfolgt.

Gegen exzeptionelle Umstände im Rückkehrfall sprechen einerseits die Familienverhältnisse und andererseits die Feststellungen zur sozioökonomischen Lage in der Herkunftsregion. Im Hinblick auf die Familienverhältnisse ist evident, dass der Erstbeschwerdeführer – abgesehenen von seiner Mutter, seiner ehemaligen Gattin und seiner ehemaligen Schwiegermutter – über zahlreiche in der Herkunftsregion lebende Onkel und Tanten verfügt. Die Einbettung in eine Großfamilie ist daher als Regelfall in der Herkunftsregion anzusehen. In Anbetracht des Vorbringens im Verfahren kann das Bundesverwaltungsgericht nicht - 93 - nachvollziehen, weshalb etwa Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen des Erstbeschwerdeführers im Irak eine Existenzgrundlage vorfinden, dies aber dem Erstbeschwerdeführer selbst nicht möglich sein sollte. Im gegeben Kontext ist von Bedeutung, dass nach der Rechtsprechung das Vorliegen exzeptioneller Umstände detailliert und konkret darzulegen ist, umso mehr als das Vorhandensein mehrerer naher Verwandter mit Großfamilien in der Herkunftsregion dafür spricht, dass – zumindest im Regelfall – sehr wohl auch für kinderreiche Familien eine Lebensgrundlage besteht. Der Erstbeschwerdeführer verabsäumte die Möglichkeit, in der mündlichen Verhandlung darzulegen, weshalb es ihm nicht möglich sein sollte, im Rückkehrfall eine Existenzgrundlage für sich und seine Familie zu schaffen.

Hinsichtlich der statistischen Daten wird einerseits auf die bereits angesprochene Arbeitslosenrate hingewiesen, die keine Massenarbeitslosigkeit erkennen lässt. Abseits davon legt das Fehlen von Berichten über massenhaftes Elend, Hunger und Auswanderungswellen nahe, dass die wirtschaftliche Lage zwar angespannt ist, aber eine Existenzgrundlage ohne weitere bejaht werden kann (siehe dazu auch die Erwägungen betreffend die minderjährigen Beschwerdeführer sogleich unter 2.8.8).

Davon abgesehen gehören die beschwerdeführenden Parteien keiner ethnischen oder religiösen Minderheit an, sodass auch diesbezüglich keine Vulnerabilität oder Schwierigkeiten beim Eintritt in das Erwerbsleben oder der Erlangung einer Unterkunft im Fall einer Rückkehr erkannt werden können.

2.8.8. Schließlich ist im vorliegenden Beschwerdefall zu beachten, dass es sich bei den beschwerdeführenden Parteien um eine Familie mit vier minderjährigen Kindern und bei letzten um eine besonders vulnerable und besonders schutzbedürftige Personengruppe handelt. Diese besondere Vulnerabilität ist bei der Beurteilung, ob den beschwerdeführenden Parteien bei einer Rückkehr in die Heimat eine Verletzung ihrer durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte droht, gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besonders zu berücksichtigen. Dies erfordert insbesondere eine konkrete Auseinandersetzung damit, welche Rückkehrsituation die revisionswerbenden Parteien tatsächlich vorfinden (siehe dazu statt aller VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0336 mwN; VfGH 11.12.2018, E 2025/2018).

Eingangs ist festzuhalten, dass von einer Rückkehr der minderjährigen Beschwerdeführer gemeinsam mit ihrem Vater auszugehen ist, sodass die Betreuung und Beaufsichtigung der minderjährigen Beschwerdeführer sichergestellt ist. Darüber hinaus ist in der Herkunftsregion wie soeben erörtert ein familiäres Netzwerk vorhanden, welches wohl primär im Fall der - 94 - Notwendigkeit für die Kinderbetreuung herangezogen werden könnte, um dem Erstbeschwerdeführer die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit zu ermöglichen. Eine inadäquate Beaufsichtigung ist daher fallbezogen nicht zu befürchten. Dazu tritt, dass die minderjährigen Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in den Irak wider Gelegenheit zur persönlichen Begegnung mit ihrer in Erbil lebenden Mutter erhalten und zumindest die Etablierung einer Besuchsregelung erwartet werden darf, die nicht nur den persönlichen Kontakt mit der Mutter gewährleistet – was auch unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohles von wesentlicher Bedeutung ist – sondern auch eine Entlastung des Vaters und seiner Verwandten bei der Kinderbetreuung ermöglicht. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist aufgrund des vorhandenen familiären Netzwerkes und der Anwesenheit der Kindesmutter auch davon auszugehen, dass die adäquate Versorgung und Beaufsichtigung der minderjährigen Beschwerdeführer während der allfälligen Verbüßung der dreimonatigen Freiheitsstrafe gesichert ist.

Die minderjährigen Beschwerdeführer sind schulpflichtig. Ausweislich der Feststellungen sind im Irak alle Ausbildungsstufen kostenlos, von der Volksschule bis zur Hochschule. In der autonomen Region Kurdistan umfasst die Grundschule neun Jahre und wird mit einer nationalen Prüfung abgeschlossen, mit der auch der mittlere Schulabschluss erreicht wird. Nach Abschluss der Mittelschule können die Schülerinnen und Schüler ihren Bildungsweg fortsetzen, indem sie sich entweder für eine allgemeine Sekundarschule (al-i'dadiya) oder eine berufliche Ausbildung in verschiedenen Bereichen entscheiden.

96 Prozent der Kinder in der autonomen Region Kurdistan besuchen eine Grundschule, 67 Prozent der Kinder besuchen in der Folge die erste Sekundarstufe. Der Unterricht wird ausweislich der Feststellungen mittels traditioneller, rigider Lehrmethoden aufgebaut, bei denen der Unterrichtsinhalt in einer monotonen und nicht sehr ansprechenden Weise vermittelt wird. Darüber hinaus leidet das Schulsystem an einem Investitionsstau im Hinblick auf die Schulgebäude sowie einer Unterbezahlung im Hinblick auf die Lehrkräfte, was fallweise dazu führt, dass der Schulbetrieb in mehreren Schichten abgewickelt wird. Dessen ungeachtet ist entscheidungswesentlich, dass ein kostenloses Schulsystem eingerichtet ist und den Feststellungen keine Hinweise auf Diskriminierung beim Zugang zum Schulsystem entnommen werden können. In Anbetracht dessen werden sämtliche minderjährigen Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr Zugang zu schulischer Ausbildung vorfinden, wobei die Einschulungsrate im Gouvernement Erbil 91 Prozent beträgt und kein Hinweis erkennbar ist, dass gerade den minderjährigen Beschwerdeführern von ihrem Vater oder Dritten der Zugang zum Ausbildungssystem verunmöglicht werden sollte. Ein schlechtes Unterrichtsniveau oder Defizite bei der Qualität der Schulgebäude kann nicht als drohende Verletzung von durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechten gesehen werden. - 95 - Den minderjährigen Beschwerdeführern steht auch ein adäquater Zugang zu medizinischer Versorgung offen, wobei bereits erörtert wurde, dass die minderjährigen Beschwerdeführer ohnehin gesund sind und die minderjährigen Beschwerdeführer allesamt keine Medikamente benötigen.

In Dohuk wird das pädiatrische Krankenhaus „Heevi“ betrieben. Heevi ist das einzige spezialisierte Kinderkrankenhaus im Nordirak. Die Unterstützung der WHO war entscheidend für ihre Mission, den am stärksten gefährdeten Familien im Irak eine qualitativ hochwertige tertiäre Versorgung zu bieten. In Zusammenarbeit mit der NGO Italian Association for Solidarity among People (AISPO) und des Gesundheitsdirektorats Dohuk wurde das Krankenhaus renoviert und mit modernsten Maschinen ausgestattet. Es wurde eine pädiatrische Intensivstation geschaffen und eine semi-intensive neonatale Einheit (NICU) erweitert und ausgestattet. Das Personal wurde nach internationalen Standards geschult. Den beschwerdeführenden Parteien ist es in diesem Zusammenhang zumutbar, im Fall einer notwendigen pädiatrischen fachärztlichen Behandlung Dohuk aufzusuchen (Entfernung ca. 160 km). Bei akuten bzw. herkömmlichen Erkrankungen stehen in Erbil – einer Großstadt mit einer Einwohnerzahl von ca. 1.222.000 Personen – zahlreiche Spitäler und niedergelassene Ärzte zur Verfügung (zB das Rizgary Teaching Hospital), wobei der Zugang zum Gesundheitssystem ausweislich der Feststellungen für irakische Staatsbürger kostenfrei ist und in öffentlichen Einrichtungen nur geringe Gebühren zB für Medikamente entrichtet werden müssen.

Dass die Behandlung im Zielland einer Abschiebung nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaats gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche außergewöhnlichen Umstände können im gegenständlichen Fall nicht erkannt werden.

Die medizinische Versorgung in der autonomen Region Kurdistan lässt zusammenfassend aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine Verletzung von durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechten der minderjährigen Beschwerdeführer erwarten.

Dass den minderjährigen Beschwerdeführern im Rückkehrfall nicht geschlechtsspezifische Gewalt, Zwangsprostitution, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit oder Zwangsehe droht, wurde eingangs bereits erörtert.

Das Bundesverwaltungsgericht kann außerdem in Ansehung der minderjährigen Beschwerdeführer nicht die reale Gefahr erkennen, im Rückkehrfall von häuslicher Gewalt betroffen zu sein. Der Erstbeschwerdeführer vermittelte den Eindruck, am Wohlergehen - 96 - seiner Kinder interessiert zu sein. Hinweise auf gewalttätige Übergriffe auf die minderjährigen Beschwerdeführer im Bundesgebiet liegen nicht vor. Der Erstbeschwerdeführer brachte auch keine von Verwandten im Herkunftsstaat potentiell ausgehenden Gewalttätigkeiten vor. Ausgehend davon ist nicht zu besorgen, dass die minderjährigen Beschwerdeführer im Rückkehrfall von häuslicher Gewalt betroffen wären.

Ob der Erwägungen unter Punkt 2.8.4. und den getroffenen Feststellungen zur Sicherheitslage ist nicht zu besorgen, dass die minderjährigen Beschwerdeführer als besonders vulnerable Personen im Rückkehrfall von terroristischen Aktivitäten oder stammesbezogener Gewalt oder kriminellen Aktivtäten überhaupt betroffen wären. Ein dahingehendes substantiiertes Vorbringen wurde im Verfahren nicht erstattet und es kann das Bundesverwaltungsgericht in Ansehung der persönlichen Profile der beschwerdeführenden Parteien auch kein amtswegig wahrzunehmendes besonderes Gefährdungsmoment erkennen. Die Sicherheitslage im Gouvernement Erbil ist stabil und es ereignen sich nur vereinzelt sicherheitsrelevante Vorfälle mit einer vergleichsweise geringen Anzahl von Todesopfern. In Anbetracht der in den Feststellungen dargestellten Gefahrendichte kann im Ergebnis ausgeschlossen werden, dass die minderjährigen Beschwerdeführer im Rückkehrfall von terroristischer, stammesbezogener oder krimineller Gewalt betroffen wären.

In Anbetracht der getroffenen Feststellungen zur sozioökonomischen Lage in der autonomen Region Kurdistan besteht schließlich nicht die reale Gefahr, dass die minderjährigen Beschwerdeführer im Rückkehrfall von einer unzureichenden Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern oder von Unterernährung betroffen sind. Was die in der Stellungnahme vom 30.07.2019 angesprochene Versorgung mit Lebensmitteln und sauberem Trinkwasser betrifft, so ist der Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen in der autonomen Region Kurdistan mit einem Wert von 98 Prozent sehr hoch, auch wenn es eine Herausforderung darstellt, weiterhin sicherzustellen, dass alle Familien Zugang zu sauberem Trinkwasser vor Ort haben. Den Feststellungen zufolge sind 2,9 % der Kinder unter 5 Jahren im Irak leicht untergewichtig sind. 2,5 Prozent der Kinder leiden unter mittlerem oder starken Untergewicht. 9,9 Prozent der Kinder sind in ihrem Wachstum zurückgebliebenen. Nach den allgemeinen Merkmalen sind die Indikatoren für Unterernährung in der Regel in der Region Kurdistan im Vergleich zu Mittel- und Südirak geringer, aber die Unterschiede sind nicht groß. Da die minderjährigen Beschwerdeführer erwiesenermaßen in gutem Allgemeinzustand sind, sich insoweit auch beispielsweise im örtlichen Fußballverein engagieren und von den beschwerdeführenden Parteien im Verfahren eine existenzbedrohende Notlage vor der Ausreise nicht dargelegt wurde, kann ein Versorgungsengpass vor der Ausreise - 97 - ausgeschlossen werden. Das Bundesverwaltungsgericht kann in diesem Zusammenhang nicht erkennen, weshalb für den Rückkehrfall zu einer anderslautenden Prognose zu gelangen wäre.

Hinweise auf Versorgungsengpässe bzw. Engpässe bei der Versorgung mit Gütern, die Kinder für ihre Bedürfnisse benötigen (Obst, Milch oder medizinische Produkte) liegen ausweislich der Feststellungen nicht vor. Der Anteil der in Armut lebenden Kinder in der Region Kurdistan beträgt weniger als 6 % gegenüber nahezu 50 % in den südlichen Gouvernements des Irak wie Muthanna, Qadissiya, Missan und Thi-Qar. Die Kindersterblichkeit ist in der autonomen Region Kurdistan deutlich niedriger als in anderen Gebieten im Irak.

Ausgehend von den statistischen Daten, den persönlichen Profilen der beschwerdeführenden Parteien und den Erwägungen zur Lebensgrundlage im Herkunftsstaat unter Punkt 2.8.7. geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die minderjährigen Beschwerdeführer im Wege der Versorgung durch ihren Vater, der für sie bestimmten Zuwendungen des PDS und der durch das familiäre Netzwerk erlangbaren Hilfe nicht nur eine hinreichende Absicherung im Hinblick auf die Güter des täglichen Bedarfs, sondern insbesondere auch im Hinblick auf ihre altersgerechten Bedürfnisse erfahren werden. Bei der im gegenständlichen Fall erfolgten Recherche konnten auch keine wie auch immer geratenen Hinweise aufgefunden, dass Kinderarmut in der autonomen Region Kurdistan eine ernstzunehmende Erscheinung darstellen würde. Demgemäß weisen die vorstehend dargelegten statistischen Werte – die vor dem Hintergrund zu lesen sind, dass sich in der autonomen Region Kurdistan auch zahlreiche Binnenvertriebene aufhalten, die teilweise in prekären Verhältnissen in Flüchtlingslagern leben – auch darauf hin, dass keine exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen würden, dass die minderjährigen beschwerdeführenden Parteien in der autonomen Region Kurdistan keine Lebensgrundlage vorfinden könnten. Es ist – wie bereits erörtert – davon auszugehen, dass die minderjährigen Beschwerdeführer im Wege der Versorgung durch ihren Vater, die für sie bestimmten Zuwendungen des PDS und der durch das familiäre Netzwerk erlangbaren Hilfe eine hinreichende Absicherung im Hinblick auf die Güter des täglichen Bedarfs und ihre altersgerechten Bedürfnisse erfahren werden. An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass sich in der Herkunftsregion auch die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführer sowie deren Familie aufhält, sodass auch auf diesem Wege eine Unterstützung der minderjährigen Beschwerdeführer erfolgen wird können.

2.8.9. An dieser Stelle ist abschließend eine Auseinandersetzung mit der im Mai 2019 veröffentlichten Position des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge „International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq“ erforderlich, erforderlich, da Empfehlungen internationaler Organisationen Indizwirkung nach der Rechtsprechung zukommt (VwGH 13.03.2019, Ra 2018/18/0500) und sich die angeführte - 98 - Position von UNHCR ausführlich mit potentiellen Verfolgungsszenarien im Irak auseinandersetzt. Die zitierte Indizwirkung bedeutet jedoch nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht in Bindung an entsprechende Empfehlungen etwa des UNHCR Asyl zu gewähren hat. Vielmehr ist, wenn in den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat der Einschätzung des UNHCR nicht gefolgt wird, beweiswürdigend darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte von einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat ausgegangen wird (VwGH 13.12.2010, Zl. 2008/23/0976; 06.02.2017, Ra 2017/20/0016, zur Lage im Irak).

Der zitierte Bericht kommt im Hinblick auf die Lage in der autonomen Region Kurdistan zunächst zum Ergebnis, dass die Sicherheitslage in der autonomen Region Kurdistan relativ stabil bleibt, obwohl das Risiko von Angriffen des Islamischen Staates weiterhin besteht. Die Sicherheitskräfte wären wachsam angesichts der gemeldeten Anwesenheit von Schlafzellen und Operationen des Islamischen Staates in den südlichen Gouvernements Kirkuk und Diyala.

Unzufriedenheit über Korruption und sich verschlechternde wirtschaftliche Bedingungen, insbesondere Zahlungsverzögerungen und Kürzungen bei den Gehältern staatlicher Angestellter haben zu Protesten in Erbil und Sulaimaniyya Ende 2017 und im März 2018 geführt. Einige Proteste sollen gewalttätig geworden sein. Menschenrechtsorganisationen äußerten sich besorgt über die Behandlung von Demonstranten und Journalisten, die über Proteste berichteten. Bei türkischen Luftangriffen gegen angebliche Positionen der PKK im Nordirak komme es Berichten zufolge regelmäßig zu Opfern bei Kämpfern und Zivilisten sowie zu Sachschäden. Die Einschätzung des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge stimmt somit mit den vorstehenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur Sicherheitslage überein. Soweit in der Position auf ihren Seiten 46 bis 58 Einschätzungen zur humanitären Lage im Irak getroffen werden, sind diese zu allgemein gehalten und darüber hinaus auf die Lage von Binnenvertriebenen fokussiert, sodass in Anbetracht der vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten zielgerichteten Ermittlungen zur Lage in der autonomen Region Kurdistan daraus keine zusätzlichen Erkenntnisse für das gegenständliche Verfahren gewonnen werden können.

In der Folge identifiziert der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge zwölf Personengruppen, die als besonders schutzbedürftig angesehen werden (siehe die Seiten 58 ff des Berichtes). In Ansehung der beschwerdeführenden Parteien ist festzustellen, dass diese keiner dieser Gruppen angehören. Die beschwerdeführenden Parteien haben sich nicht als Kritiker des kurdischen politischen Systems exponiert oder anderweitig oppositionell betätigt, sodass eine diesbezügliche Gefährdung (deren Bezeichnung im Original: „Persons Opposing, or Perceived to Be Opposing, the KRG or Those Affiliated with the KRG“) ausgeschlossen - 99 - werden kann. Des Weiteren können die minderjährigen Beschwerdeführer keinem der auf Seite 99 f angeführten Risikoprofile zugeordnet werden. Die minderjährigen Beschwerdeführer waren und sind nicht von Kinderarbeit, geschlechtsspezifischer oder häuslicher Gewalt, Zwangsprostitution oder Zwangsheirat betroffen, ebenso ist keine Zwangsrekrutierung zu besorgen. Die minderjährigen Beschwerdeführer entspringen außerdem keiner außerehelichen bzw. nicht offiziell registrierten Beziehung. Sie sind nicht vom Zugang zu Bildung ausgeschlossen und verfügen schließlich über irakische Dokumente. Ansatzpunkte für eine aufgrund der Ausführungen im Berichts „International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq“ des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge vom Mai 2019 amtswegig wahrzunehmende Gefährdung der beschwerdeführenden Parteien liegen zusammenfassend nicht vor.

Der Vollständigkeit halber ist abschließend darauf hinzuweisen, dass die beschwerdeführenden Parteien nicht auf eine innerstaatliche Aufenthaltsalternative verwiesen werden, sodass die diesbezüglichen Passagen des Berichts „International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq“ des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge vom Mai 2019 auf den Seiten 116 ff („Considerations Relating to the Application of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA)“) nicht einschlägig sind. Dessen ungeachtet ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Erbil über eine gesicherte Wohnmöglichkeit und über Zugang zu einem entsprechend leistungsfähigen und leistungswilligen Unterstützungsnetzwerk verfügen und dass auch von einer bedeutsamen Unterstützung der minderjährigen Beschwerdeführer durch ihre eigene (erweiterte) Familie auszugehen ist. Selbst unter Anwendung der (erhöhten) Zumutbarkeitskriterien der Seiten 117 ff der im Mai 2019 veröffentlichten Position des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge „International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq“ – die fallbezogen gar nicht anzuwenden sind, weil die Beschwerdeführer nicht auf eine innerstaatliche Fluchtalternative verwiesen werden – ist eine Rückkehr der Beschwerdeführer nach Erbil möglich und zumutbar.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 53/2019 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, - 100 - idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde.

Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 10.08.2018 Ra 2018/20/0314; 10.11.2015, Ra 2015/19/0185).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/19/0459). Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in seinem Heimatstaat Verfolgung zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233 mwN). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z. 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem - 101 - Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht der beschwerdeführenden Parteien und insbesondere des Erstbeschwerdeführers, im Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:

Im gegenständlichen Fall gelangt das Bundesverwaltungsgericht aus oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich erörterten Gründen zum Ergebnis, dass die beschwerdeführenden Parteien keiner individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt waren und sie im Fall der Rückkehr dorthin auch keiner mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Verfolgung ausgesetzt wären. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).

Eine wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird vom Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen (VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0718; 21.04.1993, Zlen. 92/01/1121, 1122). Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in den betroffenen Heimatstaaten Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben (vgl. VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0789, betreffend Somalia, und Zl. 92/01/0718, betreffend Äthiopien, vom 08.04.1992, Zl. 92/01/0243, und vom 16.12.1992, Zl. 92/01/0734, sowie vom 17.02.1993, Zl. 92/01/0784, alle betreffend die frühere Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien).

Der Verwaltungsgerichtshof erkennt ferner in ständiger Rechtsprechung, dass die Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen kann, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa bei Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwangs zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine bloße Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (VwGH 27.02.2017, Ra 2016/18/0203 mwN). - 102 - Hinweise darauf, dass das der Erstbeschwerdeführer im Fall des weiteren Verbleibes an seiner Dienststelle an völkerrechtswidrigen Militäraktionen teilnehmen hätte müssen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Die getroffenen Feststellungen bieten ferner keine Anhaltspunkte dafür, dass der Erstbeschwerdeführer bei einer Rückkehr zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen gezwungen werden könnte oder er wegen seiner politischen oder religiösen Überzeugungen desertiert wäre. Der (drohenden) Sanktion fehlt aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch nicht jede Verhältnismäßigkeit im Sinn der zitierten Rechtsprechung. Polizeieinheiten im Irak (irakische Polizei und die National Police [Bundespolizei]) sind wie die irakische Armee Teileinheiten der Iraqi Security Forces (ISF). Eine organisatorische Trennung zwischen Polizei und Armee, wie sie etwa in Österreich besteht, ist im Herkunftsstaat des Erstbeschwerdeführers nicht gegeben und muss deshalb ein Angehöriger der Sicherheitspolizei der kurdischen Regionalregierung im Irak als Angehöriger der Iraqi Security Forces auch damit rechnen, zu Kampfeinsätzen herangezogen zu werden. Dass die irakische Rechtsordnung für das unbefugte Verlassen des Polizeidienstes daher eine strenge Strafe vorsieht, ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes angesichts der Organisation der Iraqi Security Forces und der Sicherheitslage im Irak nicht unverhältnismäßig. Erwähnt sei, dass auch das österreichische Militärstrafgesetzbuch im Fall der Desertion eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren als Sanktion vorsieht (§ 9 Abs. 1 Militärstrafgesetz idF BGBl. I Nr. 112/2007). Dass eine vergleichbare Tat in Österreich straffrei wäre, trifft demgemäß nicht zu.

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes ist in Anbetracht der getroffenen Feststellungen klar ersichtlich, dass der Erstbeschwerdeführer seinen Wohnort im Distrikt Machmur im Gouvernement Erbil ausschließlich in Anbetracht der schlechten Sicherheitslage aufgrund des Vorrückens der Milizen des Islamischen Staates in der zweiten Hälfte des Jahres 2014 verließ, da er (trotz seiner freiwilligen Tätigkeit bei der kurdischen Polizei) sich allfälligen Kampfhandlungen entziehen wollte. Eine Bestrafung wegen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst nahm der Beschwerdeführer dabei in Kauf.

Der Beschwerdeführer ist zusammenfassend im Irak keiner im Sinn der vorstehenden Rechtsprechung unverhältnismäßigen Bestrafung ausgesetzt und war oder wäre auch nicht dem Zwang zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen ausgesetzt. Die im Herkunftsstaat erfolgte Bestrafung gemäß § 5 des irakischen Strafgesetzbuches für die inneren Sicherheitskräfte Nr. 14/2008 bietet daher keinen Anlass für die Gewährung internationalen Schutzes, die Höhe der Strafe ist im Übrigen auch nicht als „streng“ im Sinn der zitierten Rechtsprechung anzusehen. - 103 - Im gegebenen Zusammenhang ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass Art. 9 Abs. 2 lit. c der Statusrichtlinie zufolge eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung als Verfolgung im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention gelten. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die staatliche Strafverfolgung in der Regel keine Verfolgung im asylrechtlichen Sinn dar. Allerdings kann auch die Anwendung einer durch Gesetz für den Fall der Zuwiderhandlung angeordneten, jeden Bürger des Herkunftsstaates gleich treffenden Sanktion unter bestimmten Umständen als Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention aus einem dort genannten Grund sein; etwa dann, wenn das den nationalen Normen zuwiderlaufende Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Um feststellen zu können, ob die strafrechtliche Verfolgung wegen eines auf politischer Überzeugung beruhenden Verhaltens des Asylwerbers einer Verfolgung gleichkommt, kommt es somit entscheidend auf die angewendeten Rechtsvorschriften, aber auch auf die tatsächlichen Umstände ihrer Anwendung und die Verhältnismäßigkeit der verhängten Strafe an (VwGH 20.12.2016, Ra 2016/01/0126; 27.05.2015, Ra 2014/18/0133).

Fallbezogen ist weder die verhängte dreimonatige Freiheitstrafe als unverhältnismäßige Sanktion anzusehen, noch bietet der festgestellte Sachverhalt Anhaltspunkte für eine diskriminierende Strafverfolgung bzw. Bestrafung. Es kam – wie bereits erörtert – auch kein Hinweis darauf hervor, dass die Desertion des Beschwerdeführers auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruhte.

Bezüglich der Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder unruhebedingten Lebensbedingungen zurückzuführen sind, bleibt festzuhalten, dass diese keine Verfolgungshandlungen im Sinne des Asylgesetzes darstellen, da alle Bewohner gleichermaßen davon betroffen sind. Bestehende schwierige Lebensumstände allgemeiner Natur sind hinzunehmen, weil das Asylrecht nicht die Aufgabe hat, vor allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die etwa in Folge des Krieges, Bürgerkrieges, Revolution oder sonstiger Unruhen entstehen, ein Standpunkt den beispielsweise auch das UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft in Punkt 164 einnimmt (VwGH 14.03.1995, Zl. 94/20/0798).

Eine Verfolgung der beschwerdeführenden Parteien im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A Z. 2 GFK liegt zusammenfassend nicht vor und es braucht daher auf die Frage der Schutzwilligkeit und -fähigkeit der staatlichen Organe vor derartigen Bedrohungen sowie des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht mehr eingegangen werden. - 104 - Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide kommt folglich keine Berechtigung zu.

3.1.3. Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren vor. Nachdem jedoch keinem der beschwerdeführenden Parteien der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, können die beschwerdeführenden Parteien auch über diesen Weg keinen Schutz erlangen.

3.2. Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten:

3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht zu prüfen, ob im Falle der Rückführung der Beschwerdeführer in den Irak Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.

Bei der Prüfung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz im Rahmen einer gebotenen Einzelfallprüfung sind zunächst konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein „real risk“ einer gegen Art. 3 MRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174). Um von der realen Gefahr einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109). - 105 - Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236; 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwN). Es ist die konkrete Einzelsituation des Fremden in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Fremden in diesen Staat zu beurteilen (VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314).

Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwH). Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 MRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 MRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 MRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (VwGH 21.02.2017, Ro 2016/18/0005).

Nach der ständigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verwaltungsgerichtshofs obliegt dabei es grundsätzlich dem Beschwerdeführer, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos glaubhaft zu machen, dass ihm im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (EGMR U 05.09.2013, I. gegen Schweden, Nr. 61204/09; VwGH 18.03.2015, Ra 2015/01/0255; VwGH 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich das erkennende Gericht nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (etwa die familiäre, gesundheitliche oder finanzielle Situation), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 18.12.2002, Zl. 2002/18/0279). Der Antragsteller muss die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben schlüssig darstellen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus, wie vage oder - 106 - generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (EGMR U 17.10.1986, Kilic gegen Schweiz, Nr. 12364/86).

3.2.2. Unter „real risk“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (grundlegend VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; RV 952 BlgNR XXII. GP 37). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die Feststellung einer Gefahrenlage im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erfordert das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; 14.10.1998, Zl. 98/01/0122).

3.2.3. Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. EGMR U 08.04.2008, Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (VfSlg 13.314/1992; EGMR GK 07.07.1989, Soering gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 14038/88). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des Antragstellers zu berücksichtigen, wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein ausreichend reales Risiko für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragsstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (EGMR U - 107 - 04.07.2006, Karim gegen Schweden, Nr. 24171/05, U 03.05.2007, Goncharova/Alekseytev gegen Schweden, Nr. 31246/06).

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Hinweis auf die einschlägige Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bereits in zahlreichen Fällen erkannt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in Österreich zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung in seinem Herkunftsstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, soweit der Betroffene tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung hat. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt eine Abschiebung in den Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Herkunftsstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (VwGH 22.03.2017, Ro 2017/18/0001, unter Verweis auf das Urteil des EGMR vom 13.12.2016, Paposhvili gegen Königreich Belgien, Nr. 41738/10).

3.2.4. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinn des Art. 15 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (VG München 13.05.2016, M 4 K 16.30558).

Dabei ist zu überprüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende und damit allgemeine Gefahr in der Person des Beschwerdeführers so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Bedrohung darstellt. Eine allgemeine - 108 - Gefahr kann sich insbesondere durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche Umstände können sich auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt muss ein so hohes Niveau erreichen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson würde bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr laufen, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (EuGH U. 17.02.2009, C-465/07). Ob eine Situation genereller Gewalt eine ausreichende Intensität erreicht, um eine reale Gefahr einer für das Leben oder die Person zu bewirken, ist insbesondere anhand folgender Kriterien zu beurteilen: ob die Konfliktparteien Methoden und Taktiken anwenden, die die Gefahr ziviler Opfer erhöhen oder direkt auf Zivilisten gerichtet sind; ob diese Taktiken und Methoden weit verbreitet sind; ob die Kampfhandlungen lokal oder verbreitet stattfinden; schließlich die Zahl der getöteten, verwundeten und vertriebenen Zivilisten (EGRM U 28.06.2011, Sufi/Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Nrn. 8319/07, 11449/07).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt jedoch nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; EGMR U 20.07.2010, N. gegen Schweden, Nr. 23505/09; U 13.10.2011, Husseini gegen Schweden, Nr. 10611/09). Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur - 109 - Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen – höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, zur Lage in Bagdad). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427).

Im Hinblick der Gefahrendichte ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die der Beschwerdeführer typischerweise zurückkehren wird. Zur Feststellung der Gefahrendichte kann auf eine annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung zurückgegriffen werden. Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (dt BVerwG 17.11.2011, 10 C 13/10).

3.2.5. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind:

Dass die beschwerdeführenden Parteien im Fall der Rückkehr in ihre Herkunftsregion Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnten, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

Im Hinblick auf die gegen den Erstbeschwerdeführer in Zusammenhang mit seinem unerlaubten Fernbleiben vom Polizeidienst verhängten gerichtlichen Freiheitsstrafe bleibt anzumerken, dass sich die Haftbedingungen in irakischen Gefängnissen zwar insgesamt als sehr schlecht erweisen, hinsichtlich systematisch erfolgender Verletzungen der Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK liegen jedoch keine substantiierten Hinweise vor und liegen im Falle des Erstbeschwerdeführers zudem keine Vulnerabilitätsaspekte vor, vor deren Hintergrund eine Inhaftierung in der autonomen Region Kurdistan ein möglicherweise erhöhtes Risiko einer menschenunwürdigen Behandlung mit sich brächte. Ferner äußerte der Erstbeschwerdeführer selbst im Zuge seiner Einvernahmen keine substantiierten Befürchtungen im Hinblick auf die Haftbedingungen. Daraus folgt jedoch aus Sicht des - 110 - Bundesverwaltungsgerichtes, dass ohne das Dazutreten weiterer Umstände nicht die reale Gefahr besteht, dass der Erstbeschwerdeführer Haftbedingungen vorfinden würde, die das Ausmaß erniedrigender oder unmenschlicher Behandlung erreichen würden.

Nach der ständigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verwaltungsgerichtshofs obliegt es – wie erwähnt – grundsätzlich dem Erstbeschwerdeführer, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos glaubhaft zu machen, dass ihm im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (EGMR U 05.09.2013, I. gegen Schweden, Nr. 61204/09; VwGH 18.03.2015, Ra 2015/01/0255; VwGH 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Der Antragsteller muss die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben schlüssig darstellen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Derartiges ist dem rechtsfreundlich vertretenen Erstbeschwerdeführer im Verfahren nicht gelungen. Die reale Gefahr, bei einer Inhaftierung im Rückkehrfall erniedrigender oder unmenschlicher Behandlung in einem irakischen Gefängnis ausgesetzt zu sein, wurde damit nicht aufgezeigt und ergibt sich im Übrigen auch nicht aus den Feststellungen zur Lage im Irak.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die beschwerdeführenden Parteien insoweit somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden.

Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die beschwerdeführenden Parteien als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes oder als Folge terroristischer Aktivitäten, stammesbezogener oder krimineller Gewalt mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Die Sicherheitslage in der autonomen Region Kurdistan im Allgemeinen und im Gouvernement Erbil im Besonderen ist stabil und es ereignen sich nur äußerst wenige sicherheitsrelevante Vorfälle mit einer in Anbetracht der Einwohnerzahl äußerst geringen Anzahl von Todesopfern. Offene Kampfhandlungen finden im Gouvernement Erbil nicht statt. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes kann in Anbetracht der Feststellungen zur Sicherheitslage im Gouvernement Erbil im Wege einer Gegenüberstellung der Einwohnerzahl zu den sicherheitsrelevante Vorfällen dargestellten Gefahrendichte nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz der beschwerdeführenden Parteien in der Stadt Erbil oder einer anderen Stadt des Gouvernements Erbil davon ausgegangen werden muss, dass die beschwerdeführenden Parteien wahrscheinlich das Opfer eines terroristischen Anschlages, - 111 - krimineller Aktivtäten oder von stammesbezogener Gewalt werden würden (vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137 zur Lage in Bagdad), wobei selbst unter Berücksichtigung der Vulnerabilität der minderjährigen Beschwerdeführer eine dermaßen stabilen Lage im Hinblick auf terroristische und kriminellen Aktivitäten vorherrscht, dass eine Rückkehr auch den minderjährigen Beschwerdeführern zumutbar ist. Risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf die beschwerdeführenden Parteien, welche zu einer im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung stark erhöhte Gefährdung durch terroristische oder kriminelle Aktivitäten hindeuten würden, wurden im Verfahren nicht vorgebracht.

Die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle sowie der dabei getöteten Zivilisten verharrte in den Jahren 2017 und 2018 konstant auf einem niedrigen Niveau, das sich im Jahr 2019 weiter fortsetzte, sodass von einer insgesamt stabilen Sicherheitslage auszugehen ist. Anhaltspunkte für eine nachtteilige Prognose einer zukünftigen Entwicklung liegen nicht vor.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK hat kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland einer Abschiebung nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaats gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Herkunftsstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (VwGH 22.03.2017, Ro 2017/18/0001, 23.02.2016, Ra 2015/20/0142; 11.11.2015, Ra 2015/20/0196 mwN).

Ausweislich der getroffenen Feststellungen sind die Beschwerdeführer gesund und steht den beschwerdeführenden Parteien darüber hinaus in ihrem Herkunftsstaat der Zugang zu ärztlicher Hilfe offen. In der Stadt Dohuk in der autonomen Region Kurdistan steht ein modernes Kinderkrankenhaus zur Verfügung. Die Stadt Erbil selbst hat mehr als 1,2 Millionen Einwohner und verfügt über eine entsprechende Dichte an Krankenanstalten (siehe https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_hospitals_in_Iraq#Erbil). Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Den - 112 - beschwerdeführenden Parteien einschließlich der vulnerablen minderjährigen Beschwerdeführer steht somit ein hinreichender Zugang zu adäquater medizinischer Versorgung zur Verfügung.

Es kann schließlich nicht erkannt werden, dass den beschwerdeführenden Parteien im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. hiezu grundlegend VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Ausweislich der getroffenen Feststellungen und der diesbezüglichen Beweiswürdigung werden die beschwerdeführenden Parteien einschließlich der vulnerablen minderjährigen Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in ihre Herkunftsregion eine gesicherte Existenzgrundlage vorfinden.

Der Erstbeschwerdeführer ist ein arbeitsfähiger und gesunder Mensch, der an keinen Beeinträchtigungen leidet und der in Anbetracht seines persönlichen Profils in keinster Weise exponiert ist. Die grundsätzliche Möglichkeit einer Teilnahme am Erwerbsleben kann in Ansehung des Erstbeschwerdeführers vorausgesetzt werden. Der Erstbeschwerdeführer verfügt über grundlegende Schulbildung und Berufserfahrung als Arbeiter und als Polizist. Aufgrund der im Rahmen der Beweiswürdigung angestellten Überlegungen ist davon auszugehen, dass der Erstbeschwerdeführer im Herkunftsstaat bei entsprechendem Engagement grundsätzlich in der Lage sein wird, sich mit eigener Erwerbstätigkeit etwa als Arbeiter, als Polizist oder sonst im Sicherheitswesen ein ausreichendes Einkommen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhaltes und des Lebensunterhaltes seiner Familie zu erwirtschaften.

Es steht den beschwerdeführenden Parteien ferner frei, Unterstützung des Programmes ERIN in Anspruch zu nehmen, welches den nachhaltigen Aufbau einer wirtschaftlichen Existenz im Herkunftsstaat (etwa im Wege der Gründung eines Unternehmens) zum Gegenstand hat. Das Programm ERIN stellt nicht nur Baraushilfen zur Überbrückung der ersten Wochen nach der Rückkehr zur Verfügung, sondern bietet eine Betreuung durch vor Ort anwesende Organisationen („Service Provider“) bei der Unternehmensgründung, sodass es etwa dem Erstbeschwerdeführer möglich wäre, mittels Unterstützung des genannten Programms einen Sicherheits- oder Transportbetrieb aufzubauen.

Die beschwerdeführenden Parteien sind als irakische Staatsbürger außerdem berechtigt, am Public Distribution System (PDS) teilzunehmen, einem sachleistungsorientierten Programm, bei dem die Regierung Lebensmittel kauft und an die Bevölkerung verteilt. Auch wenn das Programm von schlechter Organisation gekennzeichnet ist und Verzögerungen bei der Ausgabe der Rationen dokumentiert sind, ist zumindest von einer Unterstützung im Hinblick - 113 - auf den Bedarf an Grundnahrungsmitteln auszugehen. Da die beschwerdeführenden Parteien an ihren Herkunftsort zurückkehren können, sind keine Schwierigkeiten bei der neuerlichen Ausstellung von Lebensmittelbezugskarten zu erwarten.

Schließlich ist davon auszugehen, dass die beschwerdeführenden Parteien bei der Rückkehr in ihre Herkunftsregion bei ihren dort aufhältigen zahlreichen Verwandten Unterstützung finden werden. Der Erstbeschwerdeführer verfügt in seiner Herkunftsregion über einen Elternteil und mehrere Onkel und Tanten. Zudem leben im Gouvernement Erbil die Mutter und ein weiterer Großelternteil der minderjährigen Beschwerdeführer. Auch wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der einzelnen Verwandten beschränkt sein sollte, konstituiert deren Anzahl aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ein hinreichend leistungsfähiges familiäres Netzwerk, welches die beschwerdeführenden Parteien im Fall einer Rückkehr in die Herkunftsregion bei der Auffindung einer geeigneten Unterkunft sowie der Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs unterstützen kann. Dass eine solche Unterstützung zu erwarten ist, ergibt sich schließlich aus dem Umstand, dass familiäre Schwierigkeiten und Differenzen im Verfahren nicht glaubhaft vorgebracht wurden.

Den beschwerdeführenden Parteien ist es schließlich möglich und zumutbar, in Fall einer Rückkehr in ihre Herkunftsregion ihren Wohnsitz in einem Vorort der Stadt Erbil oder einem Dorf in der Nähe der Stadt Erbil zu begründen, um die Wohnkosten gering zu halten.

Beim Zweitbeschwerdeführer, beim Drittbeschwerdeführer, beim Viertbeschwerdeführer und beim Fünftbeschwerdeführer handelt es sich um minderjährige Kinder, sie sind somit besonders vulnerable Personen (vgl. dazu etwa die Begriffsdefinition in Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU), sodass sich das Bundesverwaltungsgericht im Besonderen mit der Lage der minderjährigen Beschwerdeführer im Rückkehrfall auseinandersetzen hat (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0089). In diesem Zusammenhang ist zunächst wesentlich, dass ausweislich der Feststellungen und der dazu angestellten beweiswürdigenden Erwägungen nicht nur von einer gesicherten Existenzgrundlage des Erstbeschwerdeführers auszugehen ist, sondern sich ein für eine bescheidene Lebensführung hinreichendes Einkommen für die gesamte Familie auch unter Berücksichtigung der minderjährigen Beschwerdeführer erwarten lässt. Engpässe bei der Versorgung mit Gütern, die Kinder für ihre Bedürfnisse benötigen (Obst, Milch oder medizinische Produkte), konnten im Rahmen der Recherche nicht erhoben werden, sodass keine dahingehenden Schwierigkeiten im Herkunftsstaat feststellbar sind.

Der Erstbeschwerdeführer brachte keine Schwierigkeiten bei der Betreuung der minderjährigen Beschwerdeführer vor der Ausreise vor. Bezüglich der Betreuung der minderjährigen Kinder wird der Erstbeschwerdeführer nach der Rückkehr auf die im - 114 - Gouvernement Erbil aufhältigen Verwandten, insbesondere die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführer, die ehemalige Schwiegermutter des Erstbeschwerdeführers und die Mutter des Erstbeschwerdeführers, zurückgreifen können. Schließlich wurden im Hinblick auf die Bedürfnisse der minderjährigen Beschwerdeführer auch keine erheblichen Rückkehrbefürchtungen substantiiert vorgebracht.

Den minderjährigen Beschwerdeführern steht ausweislich der Feststellungen der Zugang zum irakischen Schulsystem offen. Alle Ausbildungsstufen bis einschließlich der Hochschule sind kostenlos. Der Besuch der in Kurdistan neunjährigen Volksschule ist verpflichtend, sie wird mit einer nationalen Prüfung abgeschlossen, mit der auch der mittlere Schulabschluss erreicht wird. Nach Abschluss der Mittelschule können die Schülerinnen und Schüler ihren Bildungsweg fortsetzen, indem sie sich entweder für eine allgemeine Sekundarschule oder eine berufliche Ausbildung in verschiedenen Bereichen entscheiden. Die Einschulungsrate in der Grundschule beträgt 96 Prozent der Kinder in der autonomen Region Kurdistan. 67 Prozent der Kinder besuchen in der Folge die Sekundarstufe. Die minderjährigen Beschwerdeführer genießen demnach Zugang zu einer hinreichenden schulischen Ausbildung. Dass das Schulwesen unter einer schlechten Qualität der Schulgebäude leidet und der Unterricht abschnittsweise in mehreren Schichten durchgeführt werden muss führt noch nicht zur realen Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK.

Dass die minderjährigen Beschwerdeführer im Irak nicht von geschlechtsspezifischer Gewalt, Zwangsrekrutierung oder Zwangsarbeit betroffen sein werden, wurde bereits erörtert.

Die minderjährigen Beschwerdeführer verfügen zusammenfassend in ihrer Herkunftsregion Erbil über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage, es besteht eine hinreichende Betreuung im Familienverband (insbesondere durch die Eltern und die beiden Großmütter der minderjährigen Beschwerdeführer) und eine hinreichende Absicherung in altersentsprechenden Grundbedürfnissen. Den minderjährigen Beschwerdeführern steht ferner kostenfreier und nichtdiskriminierender Zugang zum öffentlichen Schulwesen sowie leistbarer und nichtdiskriminierender Zugang zu einer adäquaten medizinischen Versorgung in der autonomen Region Kurdistan zur Verfügung.

Zusammenfassend ist auch hinsichtlich der Bedürfnisse der minderjährigen Beschwerdeführer von einer gesicherten Existenzgrundlage im Irak auszugehen, wobei an dieser Stelle ergänzend auf die bereits im Rahmen der Beweiswürdigung angestellten ausführlichen Überlegungen hingewiesen wird. - 115 - Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liegt ausweislich der getroffenen Feststellungen nicht vor. Soweit in den Feststellungen zur Lage im Irak abschnittsweise auf eine prekäre Versorgungssituation hingewiesen wird, ergibt sich aus den diesbezüglichen Feststellungen klar, dass diese Unzulänglichkeiten die zuletzt umkämpften und vormals unter der Kontrolle des Islamischen Staates stehenden Gebiete vorwiegend betreffen und nicht die autonome Region Kurdistan, die nie vom Islamischen Staat erobert und auch nicht bei Kampfhandlungen zerstört wurde. Dass die Versorgungssituation in der autonomen Region Kurdistan an sich unzureichend sei, wurde im Übrigen nicht vorgebracht.

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liegt ausweislich der getroffenen Feststellungen nicht vor. Dass die Versorgungssituation in der autonomen Region Kurdistan an sich unzureichend sei, wurde nicht vorgebracht.

3.2.6. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die beschwerdeführenden Parteien somit nicht in ihren Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden.

Weder droht ihnen im Herkunftsstaat das reale Risiko einer Verletzung der oben genannten gewährleisteten Rechte, noch bestünde die Gefahr, der Todesstrafe unterzogen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die beschwerdeführenden Parteien als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen, sodass der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide zutreffend abgewiesen wurde.

3.2.7. Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren vor. Nachdem jedoch keinem der beschwerdeführenden Parteien der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, können die beschwerdeführenden Parteien auch über diesen Weg keinen Schutz erlangen.

3.3. Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz: - 116 - 3.3.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, ist gemäß § 58 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen. Über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung ist gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

§ 10 Abs. 1 AsylG 2005 sieht ferner vor, dass eine Entscheidung nach dem Asylgesetz dann mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist, wenn– wie im Gegenstand – der Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen wird (Z. 3 leg. cit.) und von Amts wegen kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 erteilt wird. Die Rückkehrentscheidung setzt daher eine vorangehende Klärung der Frage voraus, ob ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 erteilt wird.

3.3.2. Im Ermittlungsverfahren sind keine Umstände zu Tage getreten, welche auf eine Verwirklichung der in § 57 Abs. 1 AsylG 2005 alternativ genannten Tatbestände hindeuten würden, insbesondere wurde von den beschwerdeführenden Parteien selbst nichts dahingehend dargetan und auch in der Beschwerde kein diesbezügliches Vorbringen erstattet.

Der Aufenthalt der beschwerdeführenden Parteien im Bundesgebiet war ausweislich der Feststellungen nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Z. 3 FPG 2005 geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurden schließlich nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

Den beschwerdeführenden Parteien ist daher kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen. Der jeweils gegen Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide erhobenen Beschwerde kommt daher keine Berichtigung zu.

3.4. Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK und Erlassung einer Rückkehrentscheidung:

3.4.1. Die Einreise der beschwerdeführenden Parteien in das Gebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich ist nicht rechtmäßig erfolgt. Bisher stützte sich der Aufenthalt der beschwerdeführenden Parteien im Bundesgebiet alleine auf die Bestimmungen des AsylG 2005 für die Dauer der nunmehr abgeschlossenen Verfahren. Ein sonstiger Aufenthaltstitel ist nicht ersichtlich und wurde auch kein auf andere Bundesgesetze gestütztes Aufenthaltsrecht behauptet. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt der - 117 - beschwerdeführenden Parteien im Bundesgebiet mehr vor und es unterliegen diese auch nicht dem Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG betreffend Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung.

Die Entscheidung ist damit gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung nach dem 8. Hauptstück des FPG 2005 zu verbinden.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden nach Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Rechts der beschwerdeführenden Parteien auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens in Österreich darstellt.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (VfSlg. 16.928/2003).

Der Begriff des Familienlebens ist nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein. Zur Frage, ob eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK begründet, stellt der EGMR auf das Bestehen enger persönlicher Bindungen ab, die sich in einer Reihe von Umständen – etwa dem Zusammenleben, der Länge der Beziehung oder der Geburt gemeinsamer Kinder – äußern können (vgl. mwN VwGH 29.11.2017, Ra 2017/18/0425).

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 09. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26.01.2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 08.06.2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22.08.2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29.03.2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Die Beziehung der bereits volljährigen Kinder zu den Eltern ist vor allem dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn jene auch nach Eintritt der Volljährigkeit im Haushalt der Eltern weiterleben, ohne dass sich ihr Naheverhältnis zu den Eltern wesentlich ändert (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 860 unter Hinweis auf Wiederin - 118 - in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art. 8 EMRK Rz 76). Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, Zl. 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, Zl. 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, Zl. 97/21/0778; 26.6.2007, Zl. 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung (vgl. VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art. 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.

In Bezug auf die beschwerdeführenden Parteien untereinander ist festzuhalten, dass diese gleichermaßen von einer Rückkehrentscheidung betroffen sind, schon deshalb liegt insoweit kein Eingriff in das schützenswerte Familienleben vor (VwGH 19.12.2012, Zl. 2012/22/0221 mwN).

Der Erstbeschwerdeführer verfügt seit etwa Mitte 2017 im Bundesgebiet über eine irakische Lebensgefährtin, die zuvor mit einem irakischen Staatsangehörigen verheiratet war und mit diesem einen gemeinsam Sohn ihm Alter von acht Jahren hat. Seiner Lebensgefährtin XXXX wurde erstmals mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.03.2007 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Deren befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde zuletzt mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.01.2012 bis zum 27.01.2013 verlängert. Sie verfügt nunmehr über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“. Der Erstbeschwerdeführer und die zuvor genannte irakische Staatsangehörige vollzogen am 01.06.2019 in Österreich eine islamische bzw. konfessionelle Trauung. Sie leben jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt und darf sie auch nicht bei ihm in der Unterkunft übernachten. Wiewohl es zu wechselseitigen - teilweise mehrtägigen - Besuchen kommt und die rechtsfreundliche Vertretung des Erstbeschwerdeführers von seiner Lebensgefährtin finanziert wird, kam im Verfahren eine starke Nahebeziehung im Sinn der eingangs zitierten Rechtsprechung nicht hervor. Es bestehen keine besonderen Abhängigkeitsverhältnisse und auch keine gegenseitige Unterhaltsgewährung. Die vom Erstbeschwerdeführer insoweit gepflegte Beziehung ist dem Bereich des Privatlebens zuzuordnen. Es ist daher im Ergebnis nicht davon auszugehen, dass der Erstbeschwerdeführer in Österreich ein schützenswertes Familienleben führt, wobei die Klärung dieser Frage aber ohnehin dahingestellt bleiben kann, da – wie in weiterer Folge aufzuzeigen sein wird – vom Vorliegen eines Privatlebens des Erstbeschwerdeführers in Österreich auszugehen ist und die sodann vorzunehmende - 119 - Interessenabwägung zwischen den Interessen des Erstbeschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich und den öffentlichen Interessen an einer Außerlandesschaffung beim Recht auf Privat- und beim Recht auf Familienleben gleich verläuft.

Die weiteren beschwerdeführenden Parteien brachten nicht vor, dass in Österreich Angehörige oder Verwandte leben, welche vom Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK erfasst wären. In Anbetracht dessen ist im gegenständlichen Fall eine mögliche Verletzung des Rechtes von weiteren beschwerdeführenden Parteien auf ein Familienleben in Österreich mangels familiärer Bindungen zu verneinen.

3.4.2. Der Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den Interessen eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in dem Sinne, ob dieser Eingriff im Sinn des Art 8 Abs. 2 EMRK notwendig und verhältnismäßig ist, ist voranzustellen, dass die Rückkehrentscheidung jedenfalls der innerstaatlichen Rechtslage nach einen gesetzlich zulässigen Eingriff darstellt.

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Moustaquim ist eine Maßnahme dann in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und zum verfolgten legitimen Ziel verhältnismäßig ist. Das bedeutet, dass die Interessen des Staates, insbesondere unter Berücksichtigung der Souveränität hinsichtlich der Einwanderungs- und Niederlassungspolitik, gegen jene des Berufungswerbers abzuwägen sind (EGMR U 18.02.1991, Moustaquim gegen Belgien, Nr. 12313/86).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Die Konventionsstaaten sind nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt, Einreise, Ausweisung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (EGRM U 30.10.1991, Vilvarajah u.a. gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 13163/87).

Hinsichtlich der Abwägung der öffentlichen Interessen mit jenen des Berufungswerbers ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass Asylwerber und sonstige Fremde nicht schlechthin gleichzusetzen sind. Asylwerber hätten regelmäßig ohne Geltendmachung von Asylgründen keine rechtliche Möglichkeit, legal nach Österreich einzureisen. Soweit die Einreise nicht ohnehin unter Umgehung der Grenzkontrolle oder mit einem Touristenvisum stattgefunden hat, ist Asylwerbern der Aufenthalt bloß erlaubt, weil sie einen Asylantrag gestellt und Asylgründe geltend gemacht haben. Sie dürfen zwar bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung weder zurückgewiesen, zurückgeschoben noch abgeschoben werden, ein über diesen faktischen Abschiebeschutz hinausgehendes Aufenthaltsrecht - 120 - erlangen Asylwerber jedoch lediglich bei Zulassung ihres Asylverfahrens sowie bis zum rechtskräftigen Abschluss oder bis zur Einstellung des Verfahrens. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern. Es kann dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er auf Grund dieser Besonderheit Asylwerber und andere Fremde unterschiedlich behandelt (VfSlg. 17.516/2005).

3.4.3. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht (zur Maßgeblichkeit dieser Kriterien vgl. VfSlg. 18.223/2007).

Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte keine fixen zeitlichen Vorgaben knüpft (EGMR U 31.1.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande, Nr. 50435/99; U 16.9.2004, M. C. G. gegen Deutschland, Nr. 11.103/03), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR GK 28.05.1985, Abdulaziz, Cabales und Balkandali gegen Vereinigtes Königreich, Nrn. 9214/80, 9473/81, 9474/81; U 20.6.2002, Al-Nashif gegen Bulgarien, Nr. 50.963/99) und dessen Intensität (EGMR U 02.08.2001, Boultif gegen Schweiz, Nr. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR U 04.10.2001, Adam gegen Deutschland, Nr. 43.359/98; GK 09.10.2003, Slivenko gegen Lettland, Nr. 48321/99; vgl. VwGH 5.7.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (EGMR U 11.04.2006, Useinov gegen Niederlande Nr. 61292/00) für maßgeblich erachtet.

Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren – was bei einem bloß vorläufigen Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens jedenfalls als gegeben angenommen werden kann – ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR U 24.11.1998, Mitchell gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 40.447/98; U 05.09.2000, Solomon gegen die Niederlande, Nr. 44.328/98; 31.1.2006, U 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande, Nr. 50435/99). - 121 - Bereits vor Inkrafttreten des nunmehrigen § 9 Abs. 2 BFA-VG entwickelten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den Erkenntnissen VfSlg. 18.224/2007 und VwGH 17.12.2007, Zl. 2006/01/0216 unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR nachstehende Leitlinien, welche im Rahmen der Interessensabwägung gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK zu berücksichtigen sind. Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist bei der Beurteilung, ob im Falle der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 MRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt (VwGH 28.04.2014, Ra 2014/18/0146-0149, mwN). Maßgeblich sind dabei die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (VwGH 13.06.2016, Ra 2015/01/0255). Ferner sind nach der eingangs zitieren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie dies Verfassungsgerichtshofs die strafgerichtliche Unbescholtenheit aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht sowie Erfordernisse der öffentlichen Ordnung und schließlich die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, bei der Abwägung in Betracht zu ziehen.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich bereits im Erkenntnis VfSlg. 19.203/2010 eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Umständen davon ausgegangen werden kann, dass das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch die Ausweisung ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen (vgl. auch VfSlg. 19.357/2011).

Das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist weiter dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten - 122 - Asylantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, Zl. 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten wie insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes, relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich (VwGH 2.10.1996, Zl. 95/21/0169; 28.06.2007, Zl. 2006/21/0114; VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).

Bei der Abwägung der Interessen ist auch zu berücksichtigen, dass es dem Beschwerdeführer bei der asylrechtlichen Ausweisung nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren. Es wird dadurch nur jener Zustand hergestellt, der bestünde, wenn er sich rechtmäßig (hinsichtlich der Zuwanderung) verhalten hätte und wird dadurch lediglich anderen Fremden gleichgestellt, welche ebenfalls gemäß dem Grundsatz der Auslandsantragsstellung ihren Antrag nach den fremdenpolizeilichen bzw. niederlassungsrechtlichen Bestimmungen vom Ausland aus stellen müssen und die Entscheidung der zuständigen österreichischen Behörde dort abzuwarten haben.

Die Schaffung eines Ordnungssystems, mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt werden, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung nach Art 8 Abs. 2 EMRK daher ein hoher Stellenwert zu (VfSlg. 18.223/2007; VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251).

Die öffentliche Ordnung, hier im Besonderen das Interesse an einer geordneten Zuwanderung, erfordert es daher, dass Fremde, die nach Österreich einwandern wollen, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhalten. Die öffentliche Ordnung wird etwa beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung kann in solchen Fällen trotz eines vielleicht damit verbundenen Eingriffs in das Privatleben und Familienleben erforderlich sein, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte (VwGH 21.2.1996, Zl. 95/21/1256). Dies insbesondere auch deshalb, weil als allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz gilt, dass aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen. (VwGH 11.12.2003, Zl. 2003/07/0007). Der VwGH hat weiters festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190). - 123 - Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist auch für das wirtschaftliche Wohl des Landes von besonderer Bedeutung, da diese sowohl für den sensiblen Arbeitsmarkt als auch für das Sozialsystem gravierende Auswirkung hat. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass insbesondere nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Fremde, welche daher auch über keine arbeitsrechtliche Berechtigung verfügen, die reale Gefahr besteht, dass sie zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes auf den inoffiziellen Arbeitsmarkt drängen, was wiederum erhebliche Auswirkungen auf den offiziellen Arbeitsmarkt, das Sozialsystem und damit auf das wirtschaftliche Wohl des Landes hat.

3.4.4. In Abwägung der gemäß Art. 8 EMRK maßgeblichen Umstände in Ansehung der beschwerdeführenden Parteien ergibt sich für den gegenständlichen Fall Folgendes:

Der Erstbeschwerdeführer stellte nach unrechtmäßiger Einreise am 07.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er ist seither als Asylwerber in Österreich aufhältig. Das Gewicht des faktischen Aufenthalts des Erstbeschwerdeführers in Österreich von vier Jahren und acht Monaten ist allerdings dadurch abgeschwächt, dass der Erstbeschwerdeführer seinen Aufenthalt durch einen unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz zu legalisieren versuchte, er konnte alleine durch die Stellung seines Antrags jedoch nicht begründeter Weise von der zukünftigen dauerhaften Legalisierung seines Aufenthalts ausgehen. Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt ohne dem Dazutreten weiterer maßgeblicher Umstände nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH 15.03.2016, Zl. Ra 2016/19/0031 mwN). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, weil – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist.

Der Erstbeschwerdeführer hat hierorts keine belegten Anknüpfungspunkte in Form einer legalen Erwerbstätigkeit oder anderweitiger maßgeblicher wirtschaftlicher Interessen und ist zum Entscheidungszeitpunkt zur Sicherstellung seines Auskommens auf Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber angewiesen. Für den Fall der Erlangung eines Arbeitsmarktzuganges wurde ihm eine Erwerbstätigkeit in Aussicht gestellt. Indes wurde dem Erstbeschwerdeführer ein Arbeitsplatz nicht rechtsverbindlich zugesichert, sodass im Fall eines Arbeitsmarktzuganges nicht jedenfalls mit dem Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit gerechnet werden kann. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kommen Einstellungszusagen gegenüber einem Asylwerber, der nur über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Vorschriften und nicht über eine Arbeitserlaubnis verfügt, auch keine wesentliche Bedeutung zu (VwGH 22.02.2011, Zl. 2010/18/0323 mwN). - 124 - Der Erstbeschwerdeführer hat gewisse Kenntnisse der deutschen Sprache durch den Besuch von Qualifizierungsmaßnahmen erworben, er verfügt über grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache und legte die Prüfung auf dem Niveau A1 am 06.04.2017 erfolgreich ab. Der Spracherwerb und der tatsächliche Wille, die deutsche Sprache zu erlernen, stellen zweifellos ein wesentliches Kriterium bei der Beurteilung der Integration in Österreich dar. Die gesamte Stufe "A" (A1 und A2) bezieht sich nach dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichts allerdings auf den Standard der elementaren Sprachverwendung und reichen die derartigen Ausbaustufen aber bis zum Stand „C2“, welcher einer nahezu muttersprachlichen Verwendung der jeweiligen Sprache – hier Deutsch – gleichkommt. Ausgehend davon wird mit der erfolgreichen Absolvierung der Prüfung auf dem Niveau A1 im Rahmen eines mehr als viereinhalbjährigen Aufenthaltes kein hervorhebenswertes Engagement beim Spracherwerb dargetan.

Darüber hinaus verfügt der Erstbeschwerdeführer über soziale Kontakte im festgestellten Umfang, er verkehrt vorwiegend mit Österreicherinnen und Österreichern am Ort seiner Unterbringung. Ein vereinsmäßiges Engagement des Erstbeschwerdeführers war - abgesehen von seiner Mithilfe im Fußballverein der minderjährigen Beschwerdeführer - nicht feststellbar.

Demgegenüber verbrachte der Erstbeschwerdeführer den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat, wurde dort sozialisiert und spricht die Mehrheitssprache seiner Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso war festzustellen, dass er dort über Bezugspersonen in Form von nahen Angehörigen - Mutter, mehrere Onkel und Tanten samt deren zahlreichen Nachkommen - verfügt. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es dem Erstbeschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. Aufgrund der Präsenz von nahen Angehörigen im Herkunftsstaat ist auch gegenwärtig von starken Bindungen zu diesem auszugehen, wobei eine Existenzgrundlage des Erstbeschwerdeführers bereits vorstehend bejaht wurde (VwGH 31.08.2017, Ra 2016/21/0296, zur Maßgeblichkeit der Bindungen zum Herkunftsstaat vgl. auch VwGH 22.02.2011, Zl. 2010/18/0323). Demgegenüber sind keine engen privaten Bindungen im Bundesgebiet feststellbar. Der Erstbeschwerdeführer verfügt zwar über eine Beziehung zu einer irakischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet, welche er nach islamischen Ritus ehelichte, und ist der Kontakt mit dieser in Gestalt regelmäßiger Besuche gegeben, aufgrund des Fehlens eines gemeinsamen Haushaltes, eines besonderen Abhängigkeitsverhältnisses oder einer gegenseitigen Unterhaltsgewährung (mag die rechtsfreundliche Vertretung des Erstbeschwerdeführers auch von seiner Lebensgefährtin finanziert werden), so ist eine besonders enge Nahebeziehung nicht gegeben. Dazu tritt, dass der Erstbeschwerdeführer und seine Lebensgefährtin keine gemeinsamen Kinder haben, die - 125 - Eheschließung lediglich nach islamischen Ritus und im Übrigen erst im Juni 2019 erfolgte. Die Schutzwürdigkeit der Beziehung wird ferner dadurch gemindert, dass sich die beiden Beteiligten im Zeitpunkt des Eingehens der Beziehung des unsicheren Aufenthaltsstatus des Erstbeschwerdeführers bewusst gewesen sein mussten. Letztlich weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass es dem Erstbeschwerdeführer generell freisteht, einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet im Wege der Beantragung eines Aufenthaltstitels und einer anschließenden rechtmäßigen Einreise herbeizuführen, zumal gegen ihn kein Einreiseverbot besteht.

Zur Beziehung allein zwischen dem Erstbeschwerdeführer und XXXX hält das Bundesverwaltungsgericht abschließend fest, dass es in jedem Fall möglich und zumutbar wäre, im Falle der Rückkehr des Erstbeschwerdeführers in den Irak den Kontakt mithilfe moderner Kommunikationsmittel und durch Besuche aufrechtzuerhalten. Ebenso wäre es der Lebensgefährtin – für sich genommen – möglich und zumutbar, den Erstbeschwerdeführer in den Irak zu begleiten und allenfalls für längere Zeit oder dauerhaft dort zu leben. In diesem Zusammenhang ist in Erinnerung zu rufen, dass XXXX einen irakischen Pass hat, dass sie ursprünglich aus dem Irak stammt und die ersten Jahre ihres Lebens dort verbrachte und die Schule besuchte. Des Weiteren wurde XXXX zwar erstmals mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.03.2007 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, sie reiste jedoch zwischenzeitlich mehrmals in den Irak, hat dort Verwandte, mit denen sie in Kontakt steht und beherrscht die Mehrheitssprache in der Herkunftsregion des Erstbeschwerdeführers. In Anbetracht dessen geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Lebensgefährtin des Erstbeschwerdeführers mit der irakischen Kultur und Gesellschaft vertraut ist und sich dementsprechend im Irak zurechtfinden würde.

Entscheidend ist, dass es der Lebensgefährtin und deren minderjährigen Sohn möglich und zumutbar wäre, den Erstbeschwerdeführer gemeinsam in den Irak zu begleiten und allenfalls für längere Zeit oder dauerhaft dort zu leben, zumal die Lebensgefährtin, wie bereits ausgeführt, auch über einen irakischen Reisepass verfügt und der minderjährige Sohn über die Abstammung von seinen Eltern die irakische Staatsangehörigkeit erlangt(e). Im Verfahren wurde auch nichts dazu vorgebracht, warum es der Lebensgefährtin und deren minderjährigen Sohn unzumutbar wäre, den Erstbeschwerdeführer allenfalls in den Irak zu begleiten.

Zur Vollständigkeit ist bezüglich des minderjährigen Sohnes der Lebensgefährtin aus einer anderen Beziehung anzumerken, dass sich die Eltern das Sorgerecht bezüglich des Kindes zwar teilen. Der minderjährige Sohn wohnt jedoch bereits jetzt bei seiner Mutter und beschränkt sich der persönliche Kontakt zum Vater auf Besuche. Insofern würde sich durch einen - 126 - Wohnsitzwechsel von XXXX und ihrem minderjährigen Sohn keine gravierende Änderung in der Beziehung zwischen Vater und Kind ergeben, zumal grundsätzlich weiterhin ein persönlicher Kontakt durch Besuche - wenn auch in größeren Intervallen - als möglich anzusehen ist. Ferner wäre die Aufrechterhaltung bzw. Fortsetzung des Kontaktes vom Irak aus jedenfalls etwa mittels Telekommunikation möglich. Weder aus den Aussagen des Erstbeschwerdeführers noch aus den Aussagen seiner Lebensgefährtin haben sich ferner Hinweise auf Schwierigkeiten bei der Betreuung des minderjährigen Sohnes oder auf besondere Bedürfnisse oder gesundheitliche Probleme des minderjährigen Sohnes ergeben. Ebenfalls Bestandteil der Grundversorgung ist kostenfreie Bildung, sodass es dem minderjährigen Sohn auch nicht an einem Zugang zum irakischen Schulsystem fehlen werde. Des Weiteren kann er aufgrund seines geringen Alters von acht Jahren abseits seiner Eltern in Österreich keine nennenswerten sozialen, kulturellen und familiären Bindungen vorweisen. Dass ihm der weitere Besuch der Volksschule verwehrt wird, ist angesichts dessen aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes vertretbar. Zur Sprache ist hinzufügen, dass sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch dessen Lebensgefährtin Sorani beherrschen und miteinander in dieser Sprache kommunizieren. Da die Lebensgefährtin überdies die deutsche Sprache beherrscht, kann der Sohn - auch im Falle eines längeren Aufenthalts im Irak - Deutsch und Sorani lernen. Die Sozialisation des minderjährigen Sohnes hat demnach insgesamt noch kein (derart) vorangeschrittenes Stadium erreicht, dass es unmöglich oder unzumutbar wäre, diese Sozialisation im Irak in der Obsorge seiner Mutter und des Erstbeschwerdeführers fortzusetzen.

Ergänzend zu den bisherigen Ausführungen sei zur Lebensgefährtin des Erstbeschwerdeführers noch festgehalten, dass diese nach der Schule im Irak in Österreich eine Ausbildung zur Bürokauffrau begonnen, aber nicht abgeschlossen hat. Derzeit arbeitet sie im Gastgewerbe. Der Erstbeschwerdeführer wiederum hat im Irak die Schule besucht und anschließend jahrelang dort gearbeitet. Er hat, wie auch seine Lebensgefährtin, im Irak Verwandte. Was sohin das soziale Umfeld sowie eine allfällige Integration im Irak betrifft, so wäre es der Lebensgefährtin mit deren minderjährigen Sohn also auch möglich und zumutbar, dort mit dem Erstbeschwerdeführer gemeinsam zu leben.

Alternativ steht dem Beschwerdeführer die Beantragung eines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger nach einer Eheschließung mit XXXX im dafür vorgesehenen Weg offen, sodass eine (rechtmäßige) Wiedereinreise in das Bundesgebiet nach einer zeitweiligen Trennung ebenso realisierbar wäre. - 127 - Die – im unsicheren Aufenthalt begründete – Beziehung zwischen dem Erstbeschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin ist daher nicht geeignet, seine Interessen am Verbleib im Bundesgebiet wesentlich zu verstärken.

Soweit der Erstbeschwerdeführer ansonsten über private Bindungen in Österreich verfügt ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr in den Irak gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass der Erstbeschwerdeführer hierdurch gezwungen wird, den Kontakt zu jenen Personen, die ihm in Österreich nahestehen, gänzlich abzubrechen. Auch hier steht es ihm frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch Urlaubsaufenthalte in einem Drittstaat etc.) aufrecht zu erhalten.

Im gegenständlichen Verfahren ist insgesamt keine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer festzustellen, die den zuständigen Behörden zur Last zu legen wäre (vgl. hiezu auch VwGH 24.05.2016, Ro 2016/01/0001).

Der sohin relativ schwachen Rechtsposition des Erstbeschwerdeführer im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber. Auch wenn der Erstbeschwerdeführer über soziale Kontakte an seinem Unterbringungsort verfügt und erste Deutschkenntnisse erworben hat, stehen dem die insgesamt vertretbare Verfahrensdauer, die unberechtigte Antragstellung, die unrechtmäßige Einreise und der erst kurze Aufenthalt im Bundesgebiet, währenddessen sich der Beschwerdeführer – insbesondere nach Erhalt des angefochtenen Bescheides – der Ungewissheit seines weiteren Verbleibes im Bundesgebiet bewusst gewesen sein musste, sowie die Vertretbarkeit des Eingriffs in die im Bundesgebiet vorhandenen Bindungen gegenüber. Ferner lässt der Erstbeschwerdeführer kein hervorhebenswertes Engagement bei einer Integration ins Berufsleben und beim Erwerb der deutschen Sprache erkennen.

Im Rahmen einer Abwägung dieser Fakten anhand des Art. 8 Abs. 2 EMRK sowie nach Maßgabe der im Sinne des § 9 BFA-VG angeführten Kriterien gelangt das Bundesverwaltungsgericht – wie bereits das belangte Bundesamt – zum Ergebnis, dass die individuellen Interessen des Erstbeschwerdeführers im Sinn des Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht so ausgeprägt sind, dass sie das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Erstbeschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so - 128 - würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes würde es ferner einen Wertungswiderspruch und eine sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellung von Fremden, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, darstellen, zumal diese letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen VwGH 11.12.2003, Zl. 2003/07/0007; vgl. dazu auch VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde).

3.4.5. Soweit Kinder von einer Ausweisung betroffen sind, sind nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen (EGMR U 18.10.2006, Üner gegen Niederlande, Nr. 46.410/99; GK 6.7.2010, Neulinger und Shuruk gegen Schweiz, Nr. 1615/07). Maßgebliche Bedeutung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dabei den Fragen beigemessen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter (EGMR U 31.7.2008, Darren Omoregie ua. gegen Norwegen, Nr. 265/07; U 17.2.2009, Onur gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 27.319/07; siehe dazu auch VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0205; 30.8.2017, Ra 2017/18/0070 bis 0072) befinden.

Der Zweitbeschwerdeführer wurde am XXXX in Erbil geboren und verließ den Irak im Alter von zehn Jahren. Der Zweitbeschwerdeführer verfügt mithin über eigene bewusste Wahrnehmungen der Herkunftsregion. Seit Anfang Mai 2015 hält sich der Zweitbeschwerdeführer im Bundesgebiet auf, sein Aufenthalt währt etwa vier Jahre und acht Monate. Der Zweitbeschwerdeführer besucht derzeit in XXXX die Schule. Ein Naheverhältnis zu Bezugspersonen außerhalb der Kernfamilie (Freunde, Mitschüler, Mannschaftskollegen im Fußballverein) wurde im Verfahren dargetan. Der Zweitbeschwerdeführer befindet sich in einem anpassungsfähigen Alter (VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422). Er hat die ersten - 129 - Lebensjahre im Herkunftsstaat verbracht und ist der Sprache Sorani mächtig. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet eine Wiedereingliederung des Zweitbeschwerdeführers in Anbetracht dessen als zumutbar, zumal aufgrund der Verfahrensergebnisse davon auszugehen ist, dass seine wesentlichen Bezugspersonen weiterhin, mag er auch bereits in Österreich soziale Kontakte geknüpft haben, der Kernfamilie zugehören, er über mehrere Geschwister verfügt und schon im Familienverband ein Umgang mit Gleichaltrigen sichergestellt ist und der Zweitbeschwerdeführer schließlich die überwiegende Zeit in seinem Herkunftsstaat gelebt hat.

Der Drittbeschwerdeführer wurde am XXXX in Erbil geboren und verließ den Irak im Alter von neun Jahren. Der Drittbeschwerdeführer verfügt mithin über eigene bewusste Wahrnehmungen der Herkunftsregion. Seit Anfang Mai 2015 hält sich der Drittbeschwerdeführer im Bundesgebiet auf, sein Aufenthalt währt etwa vier Jahre und acht Monate. Der Drittbeschwerdeführer besucht derzeit in XXXX die Schule. Ein Naheverhältnis zu Bezugspersonen außerhalb der Kernfamilie (Freunde, Mitschüler, Mannschaftskollegen im Fußballverein) wurde im Verfahren dargetan. Der Zweitbeschwerdeführer befindet sich in einem anpassungsfähigen Alter (VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422). Er hat die ersten Lebensjahre im Herkunftsstaat verbracht und ist der Sprache Sorani mächtig. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet eine Wiedereingliederung des Drittbeschwerdeführers in Anbetracht dessen als zumutbar, zumal aufgrund der Verfahrensergebnisse davon auszugehen ist, dass seine wesentlichen Bezugspersonen, mag er auch bereits in Österreich soziale Kontakte geknüpft haben, weiterhin auch der Kernfamilie zugehören, er über mehrere Geschwister verfügt und schon im Familienverband ein Umgang mit Gleichaltrigen sichergestellt ist und der Drittbeschwerdeführer schließlich die überwiegende Zeit in seinem Herkunftsstaat gelebt hat.

Der Viertbeschwerdeführer wurde am XXXX in Erbil geboren und verließ den Irak im Alter von sieben Jahren. Der Viertbeschwerdeführer verfügt mithin über eigene bewusste Wahrnehmungen der Herkunftsregion. Seit Anfang Mai 2015 hält sich der Viertbeschwerdeführer im Bundesgebiet auf, sein Aufenthalt währt etwa vier Jahre und acht Monate. Der Viertbeschwerdeführer besucht derzeit in XXXX die Schule. Ein Naheverhältnis zu Bezugspersonen außerhalb der Kernfamilie (Freunde, Mitschüler, Mannschaftskollegen im Fußballverein) wurde im Verfahren dargetan. Der Viertbeschwerdeführer befindet sich in einem anpassungsfähigen Alter (VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422). Er hat die ersten Lebensjahre im Herkunftsstaat verbracht und ist der Sprache Sorani mächtig. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet eine Wiedereingliederung des Viertbeschwerdeführers in Anbetracht dessen als zumutbar, zumal aufgrund der Verfahrensergebnisse davon - 130 - auszugehen ist, dass seine wesentlichen Bezugspersonen, mag er auch bereits in Österreich soziale Kontakte geknüpft haben, weiterhin auch der Kernfamilie zugehören, er über mehrere Geschwister verfügt und schon im Familienverband ein Umgang mit Gleichaltrigen sichergestellt ist und der Viertbeschwerdeführer schließlich die überwiegende Zeit in seinem Herkunftsstaat gelebt hat.

Der Fünftbeschwerdeführer wurde am XXXX in Erbil geboren und verließ den Irak im Alter von fünf Jahren. Der Fünftbeschwerdeführer verfügt mithin über eigene bewusste Wahrnehmungen der Herkunftsregion. Seit Anfang Mai 2015 hält sich der Fünftbeschwerdeführer im Bundesgebiet auf, sein Aufenthalt währt etwa vier Jahre und acht Monate. Der Fünftbeschwerdeführer besucht derzeit in XXXX die Schule. Ein Naheverhältnis zu Bezugspersonen außerhalb der Kernfamilie (Freunde, Mitschüler, Mannschaftskollegen im Fußballverein) wurde im Verfahren dargetan. Der Fünftbeschwerdeführer befindet sich in einem anpassungsfähigen Alter (VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422). Er hat die ersten Lebensjahre im Herkunftsstaat verbracht und ist der Sprache Sorani mächtig. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet eine Wiedereingliederung des Fünftbeschwerdeführers in Anbetracht dessen als zumutbar, zumal aufgrund der Verfahrensergebnisse davon auszugehen ist, dass seine wesentlichen Bezugspersonen, mag er auch bereits in Österreich soziale Kontakte geknüpft haben, weiterhin auch der Kernfamilie zugehören, er über mehrere Geschwister verfügt und schon im Familienverband ein Umgang mit Gleichaltrigen sichergestellt ist und der Fünftbeschwerdeführer etwa die Hälfte seines Lebens in seinem Herkunftsstaat gelebt hat.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes deutet zusammenfassend nichts darauf hin, dass es dem Zweitbeschwerdeführer, dem Drittbeschwerdeführer, dem Viertbeschwerdeführer und dem Fünftbeschwerdeführer gemeinsam und in Begleitung ihres Vaters im Falle einer Rückkehr in den Irak nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft zu integrieren. Dies ergibt sich insbesondere aufgrund ihres Lebensalters, das Anpassungsfähigkeit indiziert. Die engsten Bezugspersonen der minderjährigen Beschwerdeführer – nämlich der Vater und die Geschwister – bleiben erhalten. Dass die minderjährigen Beschwerdeführer nicht weiter die Schule und den örtlichen Fußballverein im Bundesgebiet besuchen sowie am gesellschaftlichen Leben in Österreich teilnehmen können, ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes vertretbar. Sämtlichen minderjährigen Beschwerdeführern ist ein weiterer Schulbesuch in der Herkunftsregion möglich und verfügen sie dort nicht nur über eine gesicherte Lebensgrundlage, sondern auch über weitere Anknüpfungspunkte in Gestalt ihrer dort lebenden Mutter, zweier Großmütter, Onkel, Tanten und zahlreicher Cousinen und Cousins. - 131 - Die Rückkehr in die autonome Region Kurdistan im Familienverbund mit dem Vater ist sohin auch den minderjährigen Beschwerdeführern zumutbar. Die gebotene Berücksichtigung des Kindeswohles führt daher nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit der Rückkehrentscheidung.

Im Übrigen ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schlägt – wenngleich Kindern das fremdenrechtliche Fehlverhalten nicht zum Vorwurf gemacht werden kann – dieses auch auf die Kinder von Fremden durch und ist daher insbesondere das Bewusstsein des Vaters um die Unsicherheit des Aufenthaltsstatus auch in Bezug auf die minderjährigen Beschwerdeführer von entscheidungswesentlicher Bedeutung (VwGH 22.02.2017, Ra 2017/19/0001; 20.03.2012, Zl. 2010/21/0471 mwN).

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG wider die beschwerdeführenden Parteien keine gesetzlich normierten Hindernisse entgegenstehen.

3.4.6. Die belangte Behörde hat es in ihrer Entscheidung im Übrigen zutreffend unterlassen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zu prüfen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101, dargelegt hat, bietet das Gesetz keine Grundlage dafür, in Fällen, in denen – wie hier – eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 FPG erlassen wird, darüber hinaus noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG 2005 abzusprechen.

Soweit erstmals in der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55, 56 AsylG 2005 gestellt wurde, war dieser Antrag mangels sachlicher Zuständigkeit zurückzuweisen, zumal ein solcher Antrag beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl persönlich als sachlich zuständige Behörde zu stellen gewesen wäre (vgl. § 58 Abs. 5 AsylG 2005), darüber hinaus bleibt es den beschwerdeführenden Parteien unbenommen, einen derartigen Antrag neuerlich bei der zuständigen Behörde einzubringen.

3.5. Zulässigkeit der Abschiebung:

3.5.1. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG2005 (VwGH 15.9.2016, Ra 2016/21/0234).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort - 132 - gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 FPG 2005 – diese Bestimmungen stellen auf dieselben Gründe ab, wie sie in §§ 3 und 8 AsylG 2005 enthalten sind – glaubhaft zu machen. Es ist die konkrete Einzelsituation des Fremden in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Fremden in diesen Staat zu beurteilen; für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße im Sinn des § 50 Abs. 1 FPG 2005 durch den betroffenen Staat bekannt geworden sind (VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314).

Der Prüfungsmaßstab im Hinblick auf den subsidiären Schutz entspricht somit jenem des Refoulementverbots im FPG 2005. Erkennbar eben deshalb ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers aber auch ein gesonderter Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Grunde des § 50 FPG 2005 nicht möglich; einem Fremden ist es verwehrt, eine derartige Feststellung zu begehren, weil über das Thema dieser Feststellung ohnehin im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz abzusprechen ist. Ein inhaltliches Auseinanderfallen der genannten Entscheidungen (insbesondere nach § 8 AsylG 2005) einerseits und der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG 2005 andererseits ist ausgeschlossen (VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119).

3.5.2. Bezüglich § 50 Abs. 1 FPG 2005 bleibt festzuhalten, dass im Rahmen des Ermittlungsverfahrens betreffend den von den beschwerdeführenden Parteien gestellten Antrag auf internationalen Schutz nicht festgestellt werden konnte, dass die beschwerdeführenden Parteien im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnten. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die beschwerdeführenden Parteien somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht ihnen im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung, noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liegt ausweislich der getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht vor.

Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die beschwerdeführenden Parteien als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen. - 133 - Ebenso sind keine von Amts wegen aufzugreifenden stichhaltige Gründe für die Annahme erkennbar, dass im Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Parteien deren Leben oder dessen Freiheit aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten im Sinn des § 50 Abs. 2 FPG 2005 bedroht wäre und wird insoweit auf die Erwägungen in der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung betreffend den von den beschwerdeführenden Parteien gestellten Antrag auf internationalen Schutz verwiesen.

3.5.3. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 3 FPG 2005 schließlich unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine solche Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme besteht hinsichtlich des Staates Irak nicht.

3.6. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ergibt sich zwingend aus § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die die Drittstaatsangehörigen bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätten, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Die eingeräumte Frist ist angemessen.

4. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen:

4.1. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich ob der vorstehenden Ausführungen als im Ergebnis rechtsrichtig, sodass die dagegen erhobene gemeinsame Beschwerde als unbegründet abzuweisen ist.

4.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, vorstehend im Einzelnen zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gewährung von internationalem Schutz ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das zur Entscheidung berufene Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, zum Refoulementschutz und zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht. - 134 - Ebenso wird zu diesen Themen keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.