Lebenserinnerungen Einer Komponistin Von
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[3] Lebenserinnerungen einer Komponistin von Luise Adolpha Le Beau Baden-Baden Emil Sommermeyer, Verlagsbuchhandlung 1910 [5] Inhalts-Verzeichnis Vorwort Seite Meine Eltern . 9 Meine Kindheit . 12 Meine künstlerische Ausbildung . 24 Clara Schumann und Hans von Bülow . 46 Münschen: 1) Kompositionen . 59 2) Konzertreisen . 78 3) Sonstige Erlebnisse . 122 Wiesbaden . 140 Berlin: 1) Musikalisches . 166 2) Allgemeines . 199 Baden-Baden . 209 __________ Anhang: a) Verzeichnis sämtlicher Kompositionen mit Angabe der Verleger . 280 b) Angabe der “Hof” und Staatsbibliotheken, woselbst die Werke gesammelt sind . 282 ________ Namen-Register . 283 [6] 7 Motto: Der wahre Künstler opfert seiner Kunst Des Volkes Beifall und der Fürsten Gunst; Und sprächen ihm auch alle Krittler Hohn, Was in ihm ist, ist ihm der wahre Lohn! Seume. Vorwort Wenn ich jetzt, im Alter von 59 Jahren, es versuche, meine Erlebnisse so objektiv wie möglich zu schildern, so geschieht dies nicht aus Eitelkeit oder Einbildung, sondern aus verschiedenen anderen Beweggründen. Zunächst war es schon ein Wunsch meines teueren seligen Vaters, daß ich auf die vielen Schwierigkeiten, welche einer Dame auf dem Gebiet der musikalischen Komposition entgegenstehen, auf den Neid und die Mißgunst der Kollegen, sowie auf die Vorurteile und den Unverstand gerade derjenigen Kreise hinweise, welche an meisten berufen und in der Lage wären, ein Talent zu fördern, und daß ich dabei die lautere Wahrheit ohne Scheu oder Rücksicht auf bekannte Namen sage. – Dann wurde ich aber auch von anderen Personen, die im Kunstleben eine Rolle spielten, ermuntert, aus meinem Kunstleben zu erzählen, und nachdem ich durch mancherlei Verhältnisse – nicht zum wenigsten durch meine Referententätigkeit für’s Badener Badelblatt – mich veranlaßt sah, mehr und mehr meine eigenen Interessen zurückzudrängen, und mich ganz aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen, fühle ich selbst die Notwendigkeit, mich gegen Vorwürfe zu verteidigen, wie “ich verstünde den Rummel nicht”, oder “ich tue nichts für mich” u. s. f. Wie viel Opfer an Charakter und Geld der “Rummel” erheischt, wird man aus diesen Erlebnissen wohl einigermaßen erkennen lernen. Ist es schon vergeblich, gegen Dummheit zu kämpfen, so ist es mir wenigstens unmöglich gewesen, die Waffen zu ergreifen, welche der Kampf mit der Gemeinheit fordert – und gemein ist Vieles in unseren heutigen Musikverhältnissen! 8 H. Ritter vergleicht in seiner Encyklopädie der Musikgeschichte, Band 5 Seite 193, das Musikschaffen des 19. Jahrhunderts mit einem großen Walde, der mit allen möglichen Baumarten bestanden ist und sagt, daß nicht nur die wenigen Riesenbäume den Wald ausmachen, sondern daß auch die kleinen Bäume, Sträucher, Gräser, Blumen und Moose nötig seien, um demselben den eigentlichen Charakter zu verleihen. Ich weiß sehr gut, daß ich nicht zum großen Gehölz gehöre! Allein viele meiner Kollegen, die sich sehr erhaben über mich dünken, sind auch nicht größer als ich. Was mir an Gaben geschenkt wurde, habe ich nach Kräften gepflegt; mehr kann niemand tun! Ich habe aber auch die Kleinen nicht verachtet, sondern mich an allen Musikwerken erfreut, sofern sie künstlerisch ernst und wahr gemeint waren. Denn nicht nur im Brausen des Sturmes oder im Tosen des Meeres, auch im Frieden der Natur und in der Stille des Waldes, wenn das bescheidene Moos im Sonnenstrahl hell und freundlich leuchtet, spricht der Schöpfer zu denjenigen, die rein genug sind, seine Stimme zu vernehmen. Damit habe ich zugleich die Kluft angedeutet, die mich von vielen meiner Zeitgenossen trennt. Der realistischen Richtung stehe ich fremd gegenüber. Das “Hyper-Moderne” halte ich für einen Umweg zum Fortschritt; für eine Verirrung, wie sie die Geschichte ja auf allen Gebieten wiederholt aufweist. Diese Strömung wird verrauschen! - Mir gab sie aber ebenfalls Veranlassung, mein Denken, Fühlen, und Schaffen für mich zu behalten. Es waren mir, als ich noch mitten in Kunstleben stand, viel schöne Erfolge, ja vielleicht mehr Erweisungen von Ruhm beschieden, als ich verdiene. Die königlichen Bibliotheken zu München und Berlin bewahren schon alle meine gedruckten Werke und werden später auch die Manuskripte aufnehmen, welche ich hinterlasse. Die Historiker und alle, welche mir überhaupt Beachtung schenken wollen, können aus dieser Sammlung meiner Werke ja dann über mein Schaffen urteilen und sie werden dies gewiß unparteiischer und gerechter tun, als meine Zeitgenossen, die so gerne auf andere als ihre eigenen Werke herabsehen! Sollte eine oder die andere meiner Kompositionen wert sein, späteren Generationen noch zu gefallen, so habe ich nicht umsonst geschrieben. Mehr Anerkennung als ich verdiene, habe ich mir niemals gewünscht! Schließlich danke ich allen, mögen sie noch leben oder mir ins bessere Land schon vorangegangen sein, Allen, die mir Interesse und freundliche Aufmunterung für mein Streben geschenkt haben! Luise Adolpha Le Beau 9 Meine Eltern Ehe ich von mir erzähle, gebührt es sich, derjenigen in Liebe und Dankbarkeit zu gedenken, welche meine musikalischen Anlagen frühzeitig erkannt und mit all ihnen zu Gebot stehenden Mitteln gepflegt haben: meiner teueren Eltern. Mein Vater, Wilhelm Le Beau, entstammte einer französischen, protestantischen Familie, welche nach Aufhebung des Ediktes von Nantes (1685) Frankreich verlassen hatte. Wie sein Vater, der unter Napoleon I. zu Rheinbunds Zeiten alle Kriege mitgemacht hatte und 1850 als badischer Oberst starb, hatte auch mein Vater die militärische Laufbahn erwählt. Neben seinen vielseitigen dienstlichen Verwendungen (er war zuerst beim Generalstab zum Bau der Bundesfestung Rastatt kommandiert, dann einige Jahre in der Linie und den weitaus größten Teil seiner Dienstzeit Abteilungschef im badischen Kriegsministerium) war die Musik seine Lieblingsbeschäftigung. Schon als Kind konnte er auf dem Klavier phantasieren und später benützte er die Sonntage, um von Rastatt nach Karlsruhe zu fahren und bei Hofkapellmeister Josef Strauß Kompositions-Unterricht zu nehmen. Drei Jahre lang trieb er als junger Leutnant diese Studien und komponierte verschiedene Chöre, eine Klavier-Sonate, Lieder und Balladen, welch letztere ein großes dramatisches Talent verraten. Die s. Z. berühmte Sängerin Pauline Marx verschmähte es nicht, in einem großen Konzert zu Darmstadt, wo sie damals engagiert war, die Ballade “Im Sängersaal” von meinem Vater zu singen, und auch andere Künstler interessierten sich für sein Talent. So war er z. B. sehr befreundet mit der Familie Anton Haizingers in Karlsruhe. Auf den Wunsch meines 10 Vaters habe ich später einige seiner Kompositionen überarbeitet und meinen Werken eingereiht. Es sind die beiden Männerchöre “Ständchen” und “Grabgesang” aus Opus 19, die Ballade “Im Sängersaal” Opus 22, die beiden Gesänge “An den Ufern des Ayr” und “O kehre bald zurück” Opus 29, sowie die beiden Balladen: “Das Weib des Räubers” und “Die Insulanerin” Opus 42. Sowohl in Konzerten wie privatim haben diese Kompositionen viel Anerkennung gefunden. Es war mir immer ein Schmerz, daß ich meinen Vater dabei nicht als Auto nennen durfte; allein er wollte es nicht. Jetzt aber muß ich bekennen, daß diese Werke von ihm sind und ihm die Ehre dafür gebührt! In Rastatt herrschte damals ein sehr anregendes musikalisches Leben, dessen Mittelpunkt mein Vater war. Er wurde gebeten, einen Verein zu gründen. Die Herren hatten es auf einen Männer-Gesangverein abgesehen; allein meinem Vater war das Singen bei Wein und Bier zuwider und so forderte er alle stimmbegabten Damen seines Bekanntenkreises ebenfalls zur Mitwirkung auf und gründete den “Singverein”, mit dem er viel Schönes, ja ganze Akte aus Opern und manche Oratorien aufführte. Unter den Mitwirkenden befanden sich recht gute Sänger und Sängerinnen, welche die Soli übernehmen konnten und mein Vater begleitete, transponierte und dirigierte alles. Einer auswärtigen Sängerin, die von Hofkapellmeister Strauß an ihn empfohlen war, begleitete mein Vater in deren eigenem Konzert alle Lieder und zwar hatte er dabei seine Uniform an – ein Beweis, wie vorurteilslos man sich damals mit der Kunst befaßte. Unter den mitsingenden Damen des Singvereins befand sich auch Fräulein Karoline Barack, Mein Vater hatte sie bei Fräulein Emilie Eberstein, einer beiden befreundeten, musikalischen Dame, welche später auch meine Klavierstudien eine Zeit lang überwachte, kennen gelernt und verlobte sich mit ihr. Meine Mutter war ebenfalls musikalisch. Zu gründlichen Studien fehlte ihr die Gelegenheit; allein sie hatte ein sehr gutes Gehör und einen hervorragenden Sinn für alles Schöne. Mit einer sehr tiefen Stimme, die so ziemlich den Tenorumfang besaß, begabt, sang sie alles auswendig und vertrat beim Musizieren im häuslichen Kreis stets den ersten Tenor. 11 Während mein Vater in seiner Familie der einzige, wirklich bedeutend Musikalische war, wurde das Musiktalent in der mütterlichen Familie von meinem Großvater, Regierungsrat Michael Barack, auf seine Kinder vererbt. Die beiden Geschwister meiner Mutter sangen und musizierten ebenfalls viel. Mein Onkel, der durch seine pfälzischen Gedichte weiteren Kreisen bekannte Major Max Barack, gestorben 1901, versuchte sich ohne viel Unterricht auf verschiedenen Instrumenten und mein Großvater Barack soll eine wundervolle Tenorstimme gehabt haben, die es ihm ermöglichte, zur Bühne zu gehen. Dienstlicher Differenzen wegen verließ er seine juristische Laufbahn und sang ein Jahr lang erste Tenorpartien. Dann – nachdem seine Wünsche erfüllt wurden, kehrte er wieder in seine frühere Stellung zurück. Die Musik war es demnach,