Dok 5 – Das Feature Montag, 24.05.2021, 13.04 – 14.00 Uhr Wiederholung: Montag, 24.05.2021, 20.04 – 21.00 Uhr Frau im All – Die Astronautin Suzanna Randall.

Sprecher

So klingt der Start einer Space X Kapsel. Musik in den Ohren von Suzanna Randall. 2021 möchte sie in einer solchen Raumkapsel sitzen und ins Weltall fliegen.

O-Ton Suzanna Randall Ich fand den Weltraum schon immer cool…. Von ganz klein auf. Ich wollte immer Astronautin werden, und habe auch immer gesagt: Ich werde die erste Frau auf dem Mars.

Ansage

Frau im All

Die Astronautin Suzanna Randall

Feature von Tom Mustroph

O-Ton Suzanna Randall Ich würde super gern einen Außenbordeinsatz machen, ja. Gerade so auf dem Mond oder auf dem Mars. Auf einen anderen Himmelskörper zu gelangen und dort zu spazieren, das stelle ich mir schon Wahnsinn vor.

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© Westdeutscher Rundfunk Köln 2021 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden.

Sprecher

Aktuell soll es erstmal nur etwa 400 Kilometer weit gehen: Zur Raumstation ISS. Statt der 56 Millionen Kilometer zum Nachbarplaneten Mars. Auf einer elliptischen Umlaufbahn zwischen 370 und 460 km Entfernung von der Erde bewegt sich die Internationale Raumstation. Eine historische Mission wäre es dennoch. Denn Randall wäre die erste deutsche Frau im Orbit.

Das zumindest hat sich das privat finanzierte Projekt „Die Astronautin“ vorgenommen.

Sprecherin

Kapitel 1 – Das Projekt

O-Ton Claudia Kessler Das ist jetzt das Ziel, dass endlich, endlich eine erste deutsche Frau ins All fliegt.

Sprecher

Claudia Kessler ist die Initiatorin des Projekts „Die Astronautin“ und selbst gelernte Raumfahrtingenieurin. Schon 1992 arbeitete sie an der deutsch-russischen Mission MIR’92 mit und leitete lange Zeit eine Personalagentur für Raumfahrer und Raumfahrtingenieure. 2016 gründete sie „Die Astronautin“. Beeinflusst hat sie ausgerechnet Alexander Gerst, Superstar unter den deutschen Raumfahrern, der mittlerweile sogar zwei Mal im All gewesen ist.

O-Ton Claudia Kessler Als Alexander Gerst zum ersten Mal geflogen ist, da war dieser Social Media Hype, dass jemand plötzlich über Facebook aus der Raumstation berichtet hat. Da waren alle total geflasht. Mir ist es immer wichtig gewesen, den Menschen diese Begeisterung zu vermitteln. Und dieses Gefühl, wir sind mit der Erde Teil des Universums. Und dann dachte ich, als nächstes die erste deutsche Frau zu fliegen – dann erreichen wir auch den anderen Teil der deutschen Bevölkerung damit.

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Sprecher

Claudia Kessler hat zwei Ziele. Sie will zum einen die Geschlechterungerechtigkeit in der Raumfahrt beenden. Bislang flogen zwar elf Deutsche in den Weltraum, allerdings immer Männer. Weltweit wurden immerhin 65 Frauen ins All geschickt, die meisten in Programmen der NASA. Bei den Männern kreisten jedoch mehr als 500 seit dem ersten Raumflug des Russen Juri Gagarin auf Umlaufbahnen um die Erde. Und zweitens möchte sie generell Frauen und Mädchen für technische Berufe und Studienrichtungen begeistern.

O-Ton Claudia Kessler Also, das gesellschaftliche Interesse wäre ganz klar ein Selbstbewusstseinsschub, ein Selbstvertrauensschub, ein Mutschub für Frauen und Mädchen in Deutschland. Wir stehen dafür, dass wir Frauen dabei unterstützen, an ihre Träume zu glauben, dass wir Mädchen dabei unterstützen, in Mathe und Physik weiterzumachen und dabei zu bleiben und dran zu glauben, dass sie das auch können.

Sprecher

Kessler nutzte ihre Netzwerke. Sie war Vorstandsmitglied der DLR, der deutschen Agentur für Luft- und Raumfahrt. Der damalige Vorsitzende Jan Wörner wurde später Chef der europäischen Weltraumagentur ESA. Auch Thomas Reiter, selbst , war später bei der ESA als Koordinator tätig.

O-Ton Claudia Kessler Ich habe allen geschrieben, jetzt wäre es doch mal Zeit. Und die haben auch alle brav geantwortet und haben gesagt: Ja, Sie haben ja Recht, aber wir können ja nichts tun, weil es gibt ja keine Frauen, die geeignet sind dafür in Deutschland.

Sprecher

Nicht geeignet? Oder nicht gezielt danach gesucht? Für Suzanna Randall, die Astronautenschülerin der privaten Initiative, ist das Auswahlsystem der ESA das Problem.

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O-Ton Suzanna Randall Wenn man Frauen in diesen Männer-dominierten Domänen nicht gezielt fördert, dann ist es halt: Gleich und gleich gesellt sich gern. Die Auswahlverfahren werden von Männern entworfen. Es wird viel von Männern entschieden. Und dann ist es auch so, dass einfach nicht mehr Frauen hindrängen und in diese Positionen kommen.

O-Ton Claudia Kessler Und worüber man auch überhaupt nicht nachgedacht hatte, ist das Thema Gender Bias. Wenn Bewerbungsbögen von Männern gemacht werden, wenn Bewerbungskriterien von Männern aufgestellt werden, wenn Bewerbungskomitees von Männern besetzt sind und auch die Computermaske und das ganze Auswertesystem dahinter von Männern programmiert und gemacht ist, dann bewerben sich schon einmal weniger Frauen drauf. Weil es sie gar nicht anspricht und sie sich auch gar nicht trauen und sich gar nicht zutrauen, dahin zu gehen. Das heißt, man hat noch mal unsichtbare Auswahlkriterien darübergelegt, die die Zahl der Bewerberinnen noch mal reduziert haben.

Sprecher

Und so kam es dann, dass sich bei der letzten Ausschreibungsrunde für eine Astronautenklasse der ESA nicht nur wesentlich weniger Frauen beworben hatten, sondern auch nur eine durchkam, eine von 1.430 seriösen Bewerberinnen. Von insgesamt 8413 Bewerbungen wurden sechs Männer ausgewählt. Diese Verhältnisse will Kessler ändern. Sie entwickelte 2016 ein eigenes Rekrutierungsprogramm, auf Basis der ESA-Kriterien.

O-Ton Claudia Kessler Und irgendwann war ich es dann leid. Ich habe gesagt: Ok, ich mache mal eine Ausschreibung und gucke, was passiert. Wir hatten 400 Bewerbungen, die wirklich auch ernsthaft waren. Wir hatten auch keinen Mann, der sich beschwert hat. Wir haben das vorher geklärt mit einem Anwalt, dass es kein rechtliches Problem darstellt, jetzt eine Auswahl nur für Frauen zu machen, weil eben Männer … Die Ungleichheit war eindeutig. Wir hatten Bewerberinnen von Anfang 20 bis Mitte 70. Wir wollten erstmal nur beweisen: Ja es gibt sie. Und dann haben wir eine riesen Excel-Tapete gemacht mit den ganzen Auswahlkriterien und den Punkten, die da vergeben wurden, und so ein erstes Ranking gemacht.

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Sprecher

Aus der Exceltapete kristallisierten sich 120 geeignete Kandidatinnen heraus. Mit denen wurden persönliche Interviews geführt. Danach waren noch 90 Frauen dabei.

O-Ton Claudia Kessler Diese 90, da hatten wir Airbus schon als Sponsor und Partner gewonnen, haben wir nach Berlin eingeladen. Da haben wir einen Tagesevent in Berlin gemacht und die 90, jede einzelne, auch vor der Kamera interviewt und so einen Assessmenttag gemacht.

Sprecher

In Hamburg am Flugmedizinischen Institut der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt wurden die Kandidatinnen einem psychologischen Test unterzogen – ganz so, wie es die staatlichen Raumfahrtagenturen auch machen.

O-Ton Claudia Kessler Das heißt psychologische Untersuchung, ist aber kein Psychotest, sondern auch Mathe, Physik, Reaktionsfähigkeit. Die erste Runde war ein Tag am Computer. Vier Stunden voll Gas: Irgendwelche Zahlenkolonnen, die ganz schnell vorgelesen wurden, die man rückwärts wiederholen musste, lauter solche Sachen. Die besten 30 daraus sind dann in die zweiten psychologischen Untersuchungen gegangen. Da ging es mehr um das Zusammenspiel, das Teamverhalten. Man braucht ja Persönlichkeiten, die zum einen teamfähig sind, zum anderen aber auch in der Lage sind, in schwierigen Situationen Entscheidungen zu fällen, und auch mal Führung, Leadership, zu zeigen, aber auf der anderen Seite die anderen nicht zu vernachlässigen. Das ist ein sehr schwieriges Bild, was man da versucht, als Mensch herauszukristallisieren, wer da am besten geeignet ist für diese Situationen, die es im All gibt.

Sprecher

Solche Auswahltests für Frauen, die ins All wollen, sind nicht neu. Die Initiative „Die Astronautin“ hat Vorläufer in der Geschichte der Raumfahrt. Sie sind allerdings weithin vergessen.

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Sprecherin

Kapitel 2 - Frauen in der Raumfahrt

Sprecher

Das war der Start von Walentina Tereschkowa, der ersten Frau, im Weltraum. 1963 – nur zwei Jahre nach Juri Gagarin. Fast zwei Jahrzehnte dauerte es, bis mit Swetlana Sawitzkaja die zweite Frau, ebenfalls eine Russin, in den Kosmos gelangte. Kurz nach ihr, im Juni 1983, genau zwanzig Jahre und zwei Tage nach Tereschkowa, flog mit Sally Ride die erste US-Amerikanerin mit der Mission STS7 zu den Sternen.

Für Suzanna Randall, die aktuelle Astronautenaspirantin, ist Sally Ride ein Vorbild.

O-Ton Suzanna Randall Also ich hatte als Kind Sally Ride, die fand ich ganz ganz toll. Die finde ich auch jetzt toll. Die ist leider verstorben inzwischen. Also, ich habe nur Bücher gelesen von ihr und Fotos gesehen, aber sie wirkte halt einfach sehr sympathisch. Das war jemand, der mich als Mensch angesprochen hat, auch als Kind schon. Die hatte ein sympathisches Lächeln, auch diese wilden Locken. Sie war auch Astrophysikerin, lustigerweise. Sie war schon in meiner Jugend mein Idol, so dass ich sage, es war die erste Amerikanerin im Weltraum, sie war eine Vorreiterin, sie hat sich auch sehr für Frauen und Mädchen eingesetzt. Ja, die bewundere ich sehr.

Sprecher

Fast vergessen allerdings ist die Gruppe von Frauen in den USA, die sich bereits in den frühen 1960er Jahren auf einen Weltraumflug vorbereitet hatte. Sie wurde später Mercury13 genannt. William Randolph Lovelace, zu jenem Zeitpunkt Chef des medizinischen Dienstes der US-Weltraumagentur NASA, wandte die Tests, mit denen die NASA ihre frühen Astronautenanwärter auswählte, auch auf Frauen an.

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O-Ton Claudia Kessler Und da kam raus bei den medizinischen und psychologischen Tests, dass die Frauen besser geeignet waren. Ganz einfache Geschichte. Frauen sind zum Beispiel leidensfähiger, belastbarer als Männer. Die Pointe dort war auch, wenn die Männer Kinder kriegen müssten, hätten sie schon längst was dagegen erfunden, dass es so schmerzhaft ist. Bei diversen Tests, da gab es einen, wo man für Stunden in einem völlig dunklen Raum im Wasser treibt, und die Frauen fanden das sogar ganz entspannend. Und Männer waren nach kürzester Zeit völlig wahnsinnig geworden.

Sprecher

Von 32 männlichen Kandidaten kamen nur 18 durch, gut die Hälfte also. Unter ihnen war auch John Glenn, wenig später der allererste US-Raumfahrer. Von den 19 Kandidatinnen hingegen erfüllten 13 die Kriterien, etwa zwei Drittel. Das Testprogramm für die Frauen, obwohl identisch mit dem Programm für die Männer, wurde aber nicht von der NASA finanziert. NASA-Chefmediziner Lovelace führte es privat durch. Die Frauen waren allesamt Pilotinnen. Eine von ihnen hatte sogar in der rein weiblichen Fliegerstaffel des US-Militärs während des 2. Weltkriegs als Pilotin gedient.

In den Weltraum kam trotzdem keine der Mercury13, nicht einmal ins Ausbildungsprogramm. Der Grund dafür ist schrecklich banal.

O-Ton Claudia Kessler Es gab dann nur die Regel, dass man, um Astronaut zu werden, auf jeden Fall Jetpilot sein musste. Und Frauen durften keine Jetpiloten werden.

Sprecher

Zwei Jahrzehnte brauchte die NASA, um daran etwas zu ändern. Der 8. Astronautengruppe, im Jahre 1978 gebildet, gehörten neben 29 Männern auch sechs Frauen an, eine davon Sally Ride. Die erste Ausbildungsgruppe mit der gleichen Anzahl Männer und Frauen gab es 2013 bei der NASA. Ein Fortschritt, gewiss.

Europa aber ist noch lange nicht so weit.

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Sprecherin

Kapitel 3 – Die ESA und die Frauen

Sprecher

Bei der europäischen Raumfahrtagentur ESA nahmen bislang 20 Männer und zwei Frauen an Raumflügen teil. Lediglich eine Frau, die italienische Kampfpilotin Samantha Cristoforetti, gehört zum aktiven ESA-Astronauten-Korps. Neben ihr sechs Männer.

Ursachenforschung im European Space Operations Center in Darmstadt. Dem Kontrollzentrum der ESA. Von hier aus werden aktuell 16 Missionen überwacht. Sie gehen zur Sonne, wie der Solar Orbiter, zum Merkur wie BepiColombo. Auch Rosetta, die spektakuläre Bilder von Kometen schickte, wurde von Darmstadt aus gesteuert – und 2016 kontrolliert zum Absturz gebracht.

Vom Kontrollzentrum aus sind es nur wenige Schritte zum Büro des Generaldirektors der ESA, Jan Wörner. Das Thema Gendergerechtigkeit in der Raumfahrt sei Wörner wichtig, lange schon, wie er versichert.

O-Ton Jan Wörner Mercury13 war für mich von großer Bedeutung. Und zwar habe ich mich beworben beim deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt als Vorstandsvorsitzender.

Sprecher

Das war 2006.

O-Ton Jan Wörner Und als Bauingenieur hatte ich natürlich das Thema, wie mache ich klar, dass ich die fachliche Kompetenz habe... Ich habe gesagt, dass ich über die Raumfahrt mehr weiß als Sie. Und habe dann Mercury13 erwähnt. Und tatsächlich kannte es keiner.

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Sprecher

Die Anekdote zeigt nicht nur, wie gut Wörner sich auf seinen damaligen Traumjob bei der Deutschen Luft- und Raumfahrtagentur vorbereitet hatte. Sie zeigt auch, dass im damaligen Auswahlgremium offenbar niemand überhaupt von den Mercury13 wusste, also jenen frühen Pionierinnen der Raumfahrt, die den ersten Astronauten ebenbürtig waren, aber trotzdem nicht genommen wurden.

Wörner freute sich auch, dass ihn Jahre später eine der Mercury13 besuchte. Er betont:

O-Ton Jan Wörner Ja, die haben bessere Werte gehabt, das ist auch nachgewiesen. Insofern spricht überhaupt nichts dagegen, Astronautinnen zu haben. Ganz im Gegenteil, ich unterstütze das ausdrücklich.

Sprecher:

Warum die ESA dennoch nur eine Astronautin hat, begründet der Chef mit dem damaligen Auswahlprozess.

O-Ton Jan Wörner Mein Vorgänger hat sechs Astronauten ausgewählt aus der Klasse, davon eine Frau. Das sind rund 16%. Und der Anteil der Bewerberinnen war 16%. Also insofern will ich sagen, wenn ich schon irgendwelche Quotenrechnungen mache, dann passt es. Aber wir haben dann ja später einen weiteren Astronauten hinzugenommen, Matthias Maurer, und dadurch ist die Balance jetzt sechs Männer, eine Frau. Das ist etwas ungünstiger geworden. Aber wir werden natürlich bei der nächsten Astronautenauswahl auch ganz gezielt auch nach kompetenten und fähigen Frauen Ausschau halten.

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Sprecher

Das allerdings ist dann Sache seines Nachfolgers, auch ein Mann, Josef Aschbacher. Der hat immerhin ein neues Auswahlprogramm für vier bis sechs neue Weltraumfahrer*innen angekündigt. Bewerben konnten sich Männer und Frauen bis Mai 2021 über die Website der ESA. Sechs Auswahlphasen sind geplant bis Oktober 2022. Danach beginnt die knapp vierjährige letzte Auswahlphase. Vor 2026 wird also niemand von den Neuen ins All kommen. Wie viele von ihnen Frauen sein werden und aus welchen europäischen Nationen sie kommen, wird vorab nicht festgelegt.

Wegen ihrer potenziellen Signalwirkung, Frauen und Mädchen für die Raumfahrt und die Naturwissenschaften zu begeistern, sieht Wörner die Initiative „Die Astronautin“ durchaus positiv. Direkte Unterstützung mag er jedoch nicht zusagen.

O-Ton Jan Wörner Ich habe mit Frau Kessler ja sehr frühzeitig darüber gesprochen. Ich bin auch der Überzeugung, man hätte es ein bisschen klüger anstellen können, und nicht nur so als deutsche Initiative. Weil Deutschland hat kein Astronautenkorps. Und wenn ich dann den anderen Mitgliedsländern plötzlich sage, es muss eine deutsche Astronautin sein, das ist schwierig. Das ist auch für mich schwierig als Genereldirektor, der ich immer sage, keine discrimination of nation. Ja, Diversität für mich ist auch eine geopolitische Diversität mit 22 Mitgliedsstaaten. Und da plötzlich zu sagen, wir machen jetzt eine deutsche Astronautin, ist für mich quasi unmöglich.

Sprecher:

Weil auch bei der neuen Auswahlrunde keine Quoten festgelegt sind, hat Suzanna Randall also weiterhin gute Chancen, selbst die erste deutsche Frau im Weltall zu werden.

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Sprecherin Kapitel 4 - Das Training

Sprecher

Seit 2019 sind Suzanna Randall und Insa Thiele-Eich Astronautenschülerinnen in Teilzeit. Zum Training gehören auch Flugübungen mit kleinen Propellermaschinen. Bei einem dieser Trainingsflüge auf dem Feldflughafen Jesenwang bei München treffe ich Suzanna Randall.

O-Ton Suzanna Randall Ganz konkret ist die Anwendung natürlich beschränkt. Ich werde die ganzen Sachen, die ich auch da gelernt habe, nicht 1 zu 1 anwenden bei dem Flug ins All. Es geht eher darum, diese Basiskompetenzen zu erwerben. Es geht darum, dass man im dreidimensionalen Raum denken kann, auch einschätzen kann, wie schnell bin ich jetzt unterwegs, auch dreidimensional, wie weit ist es noch, welche Schräglage habe ich. Aber es geht darum, dass man einfach Checklisten abarbeiten lernt.

Sprecher

Die Checks beginnen lange vor dem Flug. Randall rechnet erst anhand des Gewichts von Maschine und Passagieren, der geplanten Flugstrecke und unter Berücksichtigung der Wetterbedingungen die notwendige Treibstoffmenge aus. Dann untersucht sie die Maschine, eine Cessna 172.

O-Ton Suzanna Randall Ich check jetzt eben den Flieger, ich schaue halt, dass es alles passt, dass der Öldruck ok ist. Dass wir genug Benzin haben. Dass die ganzen Steuerungen funktionieren, wie sie sollen. Also kurz, dass es sicher ist, abzuheben. Das muss man vor jeden Flug machen.

Sprecher

Neben der kleinen Start- und Landebahn stehen verschiedene Maschinen aufgereiht. Bei manchen laufen die Motoren. Wir steigen ein in die Maschine. Der Motor wird gezündet. 11/31

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Sprecher

Das ok für uns vom Tower kommt.

Und endlich heben wir ab.

Unter uns liegt Bayern, grüne Wälder, golden glänzende Felder, der Starnberger See, schließlich München.

O-Ton Suzanna Randall Das Schöne, was ich auch sehr gerne mag mit diesen kleinen Flugzeugen fliegen, ist, dass man alles genau erkennt. Wir sind über die Seen geflogen, haben die Inseln erkannt, ich habe sogar meine Wohnung gesehen in München. Das ist aus dem Weltall natürlich nicht möglich. Da haben wir dann Glück, wenn wir Städte erkennen. Das ist ein ganz anderes Level dieses Overvieweffekts, den man im Weltall bekommt.

Sprecher

Zwischendrin übernimmt der Autopilot. Auch das kann man schon als eine Vorbereitung auf den Weltraumflug sehen. Selbst steuern müssen wird Suzanna Randall weder die Rakete, die sie zur ISS bringen soll, noch die Raumstation selbst.

O-Ton Suzanna Randall Zum allergrößten Teil steuert die sich selbst. Die ist ja im Freifall um die Erde. Ab und an muss man einen kleinen Boost machen, damit die nicht absinkt. Aber man ist ja nicht mit der Steuerung der Rakete beschäftigt. Deshalb ist es für mich auch nicht wie Flugzeug fliegen. Eher wie im Hotel angekommen zu sein und da vielleicht mal etwas bedienen zu müssen, die Klimaanlage einschalten zu müssen. Mit der Rakete ist es auch so, dass alles automatisiert ist. Im Idealfall geht ja alles automatisch, und man muss gar nicht eingreifen. Es ist eigentlich wie mit dem Autopilot zu fliegen.

Sprecher

Der größte Nutzen des Flugtrainings in Bayern liegt denn auch nicht im Fliegen selbst, sondern in der Gewöhnung an die automatisierten Abläufen am Boden und in der Luft, am Eintauchen in die Routinen.

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O-Ton Suzanna Randall Es geht wirklich darum, dass man eben Bot wird. Klar, jetzt überlege ich manchmal noch, gerade bei dieser neuen Maschine habe ich überlegt, was bedeutet das auf der Checkliste, weil das Sachen waren, die ich noch nicht gesehen hatte. Aber es geht darum, dass man das wie eine Maschine im Notfall automatisch schnell abarbeitet. Da hat man ja keine Zeit, groß nachzudenken, finde ich das jetzt gut, finde ich das schlecht, wie fühle ich mich – sondern da muss man einfach funktionieren und eben schnell diese Sachen abarbeiten.

Sprecher

Wird das Astronautinnendasein also todlangweilig?

O-Ton Suzanna Randall

Man ist relativ fremdbestimmt, das auf jeden Fall. Auch in der Rakete. Das meiste läuft ja automatisch ab. Selbst bei den Experimenten arbeitet man eben nach diesen Prozeduren. Aber natürlich muss man gerade in einer Notlage oder in einer unerwarteten Lage – muss ja nicht mal eine Notlage sein, kann auch ein Experiment sein, das irgendwie anders läuft – da muss man natürlich in der Lage sein, einzuspringen und das Gehirn anzuschalten und dann eben auch selbständig Entscheidungen zu treffen. Deshalb haben wir eben Menschen dort oben und keine Roboter.

Sprecher

Wir landen. Die nächsten Checklisten werden abgearbeitet.

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Sprecher

In einem Modell der Space X-Rakete, die sie zur Raumstation ISS bringen soll, hat sich Suzanna Randall während ihres Trainings auch schon aufgehalten. Die ist natürlich größer als so eine Cessna. Viel bequemer allerdings nicht.

O-Ton Suzanna Randall Diese SpaceX-Kapsel ist darauf ausgelegt, dass bis zu sieben Personen damit fliegen können. Und ich glaube, mit sieben Personen wird es ganz schön eng. Man hat seinen Sitz, wo man natürlich in der Startphase drin sitzen muss und angeschnallt ist. Das ist wie in der Economy Class im Flugzeug, ohne dass man jetzt groß einen Gang hat oder etwas anderes. Man ist da schon relativ eingepfercht. Allerdings ist es so, dass man schon nach 10 Minuten in der Schwerelosigkeit ist. Und dann hat man diesen dreidimensionalen Raum. Da ist dann doch in der Kapsel mehr Platz, als man meint, als wenn man auf der Erde unter dem Einfluss der Schwerkraft festsitzt.

Sprecher

Das Gefühl von Schwerelosigkeit hat Suzanna Randall ebenfalls bereits ausgekostet. Bei Parabelflügen mit einem speziell dafür ausgerüsteten Airbus A310.

O-Ton Suzanna Randall Also es ist beeindruckend. Gerade als Wissenschaftlerin finde ich es natürlich super. Hier ist so viel Technologie, so viel Wissenschaft auf einem Fleck kondensiert in dieser einen Maschine. Sehr beeindruckend.

Sprecher

Sagt sie im Inneren der Maschine.

O-Ton Suzanna Randall Es gibt sehr viel Wissenschaft, die nur unter Schwerelosigkeit betrieben werden kann. Hier in dem Parabelflugzeug haben wir bis zu 22 Sekunden Schwerelosigkeit. Das hört sich vielleicht nicht viel an. Aber das reicht schon, um beispielsweise zu erforschen, wie sich Kleinstplaneten zu größeren Planeten zusammensetzen. Und das ist auch das Experiment, an dem ich morgen mitarbeiten werde. Und darauf freue ich mich sehr.

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Sprecher

Und jetzt schwebt Suzanna Randall

O-Ton Suzanna Randall. Ist das krass.(lachen) Also ich kann einfach sagen: Schwerelosigkeit ist einfach der Wahnsinn. Ich wusste gar nicht, ob es mir gefallen würde. Ich fand es einfach super. Und mir ist bis jetzt auch nicht schlecht geworden.

Sprecher

Sagt sie über ihre ersten 16 Parabelflügen. Insgesamt 62 Mal hat sie die 22 Sekunden Schwerelosigkeit inzwischen ausgekostet.

O-Ton Susanna Randall Das war bis jetzt wirklich das Highlight der Ausbildung, diese Parabelflüge machen zu dürfen. Das war wirklich eine ganz einmalige Erfahrung. Man schwebt. Im ersten Moment kommt das ganze Blut so in den Kopf. Das merkt man ein bisschen, aber man gewöhnt sich schnell daran. Es ist ein bisschen wie beim Tauchen. Nur dass man sich eben nicht fortbewegen kann. Das ist das Lustige. Am Anfang versuchen alle, ich auch, mit Schwimmbewegungen vorwärts zu kommen. Und das funktioniert nicht, weil die Luft nicht genug Widerstand bietet.

Sprecher

Im klassischen Astronautentrainingsgerät, der Zentrifuge, war Randall mittlerweile ebenfalls.

O-Ton Suzanna Randall Die Zentrifuge ist einfach so ein Kreis, so ein Arm, und am langen Ende des Arms ist eine Kapsel befestigt, da setzt man sich dann rein. Und diese Kapsel wird dann an dem Arm einfach im Kreis gedreht. Und man kann die Kapsel dann auch unterschiedlich kippen und drehen. Von außen sieht man vor allem die Kreisbewegungen. Von innen ist es so, dass man keine Referenz nach außen hat. Also es gibt keine Fenster. Wir hatten dann einen Bildschirm, da war einfach ein Punkt drauf, auf den wir uns konzentrieren sollten. 15/31

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Sprecher

Es war ein echter Vorgeschmack auf das ganz große Abenteuer.

O-Ton Suzanna Randall Es war super. Es war sehr sehr intensiv. Ich bin dann bis 5,6 g beschleunigt worden, und zwar in die GZ-Richtung. GZ heißt, dass das Blut nach unten, zu den Füßen, gesogen wird. Das ist die Belastung, die man auch in einem Kampfjet hat. Das heißt einfach, dass, wenn man jetzt stehen würde, das 5,6-Fache des Körpergewichts hat. Das Blut geht in die Füße, Man muss die Muskeln anspannen, damit man nicht das Bewusstsein verliert, weil das Blut aus dem Kopf und aus den Augen herausgesogen wird. In diesem Training ging es darum zu sehen, wo meine persönliche Grenze ist, meine Wohlfühlgrenze. Und auch die Anzeichen, die vor der Bewusstlosigkeit kommen, mal kennenzulernen. Es ist ganz wichtig, zu wissen, was mit einem passiert, bevor man dann wirklich bewusstlos und damit handlungsunfähig wird.

Sprecher

Randall hat auch die Belastungen ausprobiert, die bei einem originalen Flug zur Weltraumstation auftreten.

O-Ton Suzanna Randall Wir sind dann tatsächlich das Original Launch-Profil von Space X nachgeflogen. Diese Belastung ist dann nicht die sogenannte GZ-Belastung, die eben nach unten wirkt, sondern die GX-Belastung. Weil in der Rakete liegt man ja auf dem Rücken. Da wird man hochgeschossen. Das heißt, die Belastung, die Beschleunigung geht nach hinten, in den Rücken hinein.

Sprecher

Die GZ-Belastung, also die der Jetpiloten, empfand Randall als ziemlich anstrengend. Die GX-Belastung beim Raketenstart dagegen sei aber noch wesentlich unangenehmer.

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O-Ton Suzanna Randall Man kann sich das vorstellen, als wenn da ein Elefant auf der Brust sitzt und man versucht da zu atmen. Wir sind bis 4,5 GX gefahren, das heißt ich hatte auf dem Brustkorb und der Kehle das 4,5-Fache von dem, was normal wäre. Und es war jetzt nicht so, dass ich bewusstlos geworden bin, oder das Gefühl hatte, ich werde bewusstlos. Aber es war kein angenehmes Gefühl. Und es war da relativ schwer zu atmen und auch zu sprechen.

Sprecher

Und außerdem gehört viel Büffeln zur Astronautinnenausbildung.

O-Ton Suzanna Randall Wir machen jetzt vor allem erstmal Theorie. Das geht zum Glück auch in der Corona- Zeit relativ gut. Wir haben schon relativ viel gemacht, so Orbitalmechanik. Jetzt lernen wir was zu Weltraumschrott, und dann, wo die ganzen Sachen auf der ISS gelagert werden. Das ist relativ kompliziert. Wir hoffen auch wieder mit der Bundeswehr, weil da die Zusammenarbeit super geklappt hat, ein Wasserüberlebenstraining zu machen. Da geht es darum: Space X landet ja mit der Kapsel im Wasser, und wenn jetzt die Bedingungen nicht ganz so toll sind, wenn es stürmisch ist oder wellig sind oder so, dann muss man auch schon üben, was macht man da im Notfall. Man muss ja auch aus seiner Kapsel dann rauskommen, und zur Not auch im Schiff oder per Helikopter geborgen werden.

Sprecher

Ein spezifisches Fitnesstraining hat sich Randall nicht verordnet.

O-Ton Suzanna Randall Also, das ist eigentlich gar nicht so extrem, wie gemeinhin angenommen. Wir sind jetzt keine Iron Women, ich war vorher moderat sportlich. Gesund ist wichtiger als irgendein super Marathonläufer zu sein, der dann vielleicht auch schon die Gelenke kaputt hat. Es ist eher so, dass sie keine Extremsportler wollen, sondern einfach fitte Menschen.

Sprecher

Neben der Astronautenausbildung betreibt Randall noch ihren Hauptjob. Der ebenfalls sehr faszinierend ist. Und mit dem Weltall hat er auch zu tun.

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Sprecherin Kapitel 5 - Astrophysik im Auge der Erde

Sprecher

Hoch oben auf 5.200m in den chilenischen Anden, auf einem Hochplateau im Schatten des Vulkans Licancabur, und zu Füßen der Salzwüste Atacama, liegt das Atacama Large Millimeter and Submillimeter Array, abgekürzt ALMA. Es ist das größte Radioteleskop der Erde. Suzanna Randall, die bei der Europäischen Südsternwarte in München angestellt ist, arbeitet mehrere Wochen im Jahr auch direkt in diesem größten ins Weltall gerichteten Auge der Erde.

O-Ton Suzanna Randall ALMA wurde darauf ausgelegt, dass wir uns die allerersten Galaxien, wie sie entstanden sind, anschauen können. Das Universum 11,8 Billion, 10 hoch 9 Jahre alt. Also bis dahin ungefähr. Das in Lichtjahren. Aber wir schauen uns auch Asteroiden an. Wir schauen und alles an. ALMA beobachtet viele Asteroiden, die sind Hunderte von tausenden Kilometern entfernt, wirklich nah in unserem Sonnensystem.“

Sprecher

Die Stelle wurde ausgewählt, weil hier die besten Bedingungen für die Observation der Galaxien herrschen.

O-Ton Suzanna Randall Also der Ort ist super. Wir sind auf 5.200m. Interessanterweise wurde auf dem Licancabur, den wir gerade gesehen haben, die höchste UV-Strahlung der Welt gemessen. Das heißt also, der Himmel ist hier einfach wahnsinnig transparent. Der Wasserdampf ist hier sehr gering, die Atmosphäre ist sehr trocken. Das heißt, wir bekommen die Strahlung von unseren Objekten, die wir beobachten, relativ ungefiltert. Und das zusammen macht einfach die besten Beobachtungsbedingungen, die wir in diesem Wellenlängenbereich haben können.

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Sprecher

Die Superbedingungen fürs Beobachten sind nicht unbedingt so super für den Menschen. Die Luft ist dünn hier oben, die UV-Strahlung extrem hoch. Man soll möglichst keine nackte Haut der Sonne aussetzen, viel Sonnencreme auf Gesicht und Hände auftragen, viel trinken. Und auch Sauerstoffflaschen soll man oben mit sich führen. Auf der Basisstation auf 3.000m Höhe müssen Besucher wie Mitarbeiter einen medizinischen Check-Up machen.

Blutmessgeräte piepen. Auch Suzanna Randall muss sich untersuchen lassen.

O-Ton Suzanna Randall Es gibt ein Limit, man darf nicht länger als acht Stunden hier oben sein. Dann muss man wieder herunterkommen aus Gesundheitsgründen.

Sprecher

Wir fahren durch eine malerische Wüstenlandschaft.

Es ist wie eine Western-Szenerie. Kakteen ragen auf. Ein paar Esel sind zu sehen, Nachkömmlinge der Esel, die in früheren Jahrzehnten als Lasttiere im Bergbau eingesetzt wurden und nach dem Schließen der Minen halb verwilderten. Auch Vicunas tauchen auf, Verwandte der Lamas.

Dann sind wir auf 5.200m Höhe angekommen.

O-Ton Suzanna Randall Hier oben ist jetzt wenig Vegetation, eher so eine Mondlandschaft fast.

Sprecher

Überwältigend ist der Anblick der Antennen. Sie sind geformt wie Satellitenschüsseln, allerdings sehr große, mit einem Durchmesser von 12 Metern. Ein ganzer Wald von ihnen ist auf dieser Anhöhe. Nur noch das Summen der Kühlaggregate ist zu hören. Und der Wind zu spüren.

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O-Ton Suzanna Randall Was cool ist, ist, dass wir in dieser kompakten Konfiguration sind. Mit so viel Antennen so nah aneinander, das habe ich auch noch nicht gesehen. …So von Antennen umgeben zu sein, das hat schon was.

Sprecher

Wenn die Antennen am weitesten auseinander sind, bis zu 16 km, wirkt die Anordnung wie das Zoomobjektiv einer Kamera. Sind sie hingegen eng zusammen, wie jetzt, liefern sie die höchste räumliche Auflösung. Sie ist zehnmal höher als die beim größten fliegenden Auge, das die Menschheit hat, dem im Weltall schwebenden Hubble- Teleskop.

O-Ton Suzanna Randall Die bewegen sich jetzt.

Sprecher

Ganze Gruppen von Spiegeln drehen sich plötzlich. Es ist ein gigantisches mechanisches Ballett.

O-Ton Suzanna Randall Aufpassen, es bewegt sich. Es hat sich gerade bewegt. Aber es ist komplett lautlos und geht sehr schnell.

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Sprecher

Die Signale aus dem Weltall, die die 166 Antennen auffangen, werden zum Korrelator geschickt. Dieser Supercomputer verknüpft die Daten der verschiedenen Spiegel und macht dadurch die Anlage zum größten Auge der Welt. Das kann man sich wie das Komplexauge einer Fliege vorstellen. Es besteht aus vielen einzelnen Augen, deren Blickwinkel sich ergänzen. Die Signale aus dem Korrelator gehen dann im Kontrollraum auf 3.000m Höhe ein. Dort befindet sich der eigentliche Arbeitsplatz von Suzanna Randall.

O-Ton Suzanna Randall Ich führe die Beobachtungen aus, ich schaue am Teleskop direkt: Stimmt das, was wir sehen überein mit dem, was erwartet wird? Stimmt die Qualität der Daten.

Sprecher

Welche Erkenntnisse bringt uns dieses Riesenauge?

O-Ton Suzanna Randall Es ist einfach eine andere Dimension. Das sichtbare Licht zeigt uns einen Teil. Mit dem sichtbaren Licht können wir zum Beispiel Sterne sehen. Die Sonne strahlt im sichtbaren Licht, deswegen können unsere Augen das sehen. Was wir im Millimeterbereich sehen, sind kühlere Objekte. Die Objekte, die wir uns anschauen, haben 10 bis 60, 70, 80 Kelvin, sie sind weit unter dem Gefrierpunkt.

Sprecher

Diese Objekte sind also minus 200 bis minus 260 Grad Celsius kalt. Es handelt sich dabei um Staubscheiben von Sternen. Staubscheiben sind so etwas wie der Kreißsaal von Planeten.

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O-Ton Suzanna Randall Man konnte diese Staubscheiben sehen. Man konnte dann auch Ausbuchtungen in diesen Staubscheiben sehen und daraus ableiten, dass in diesen Ringen wahrscheinlich Planeten, die man jetzt nicht sehen kann, ihre Bahnen ziehen.

Sprecher

Planeten wie auch die Erde einer ist. Richtet Suzanna Randall die großen Satellitenschüsseln hoch oben in den chilenischen Anden auch dorthin, wohin sie selbst gern fliegen möchte?

O-Ton Suzanna Randall Nee, das wird immer so ein bisschen verwechselt. Es wird immer behauptet, dass das relativ nah beieinander ist. Aber es hat überhaupt nichts miteinander zu tun. Wir beobachten Galaxien, Planeten, Sterne, die wirklich Lichtjahre oder Hunderte und Tausende von Lichtjahren entfernt sind. Da werde ich natürlich niemals hinfliegen. Mein Ziel ist die ISS, das ist 400 km entfernt, das hat mit den astronomischem Beobachten nichts, wirklich rein gar nichts, zu tun. Auch wenn ich dann immer gefragt werde: Fliegen Sie dann zu den Sternen, die Sie beobachten? Nein, sicher nicht.

Sprecher

Zurück im Büro. Juckt es nicht trotzdem mal in den Fingern, die Spiegel dorthin zu richten?

O-Ton Suzanna Randall Aber es ist kein dringendes wissenschaftliches Interesse, die ISS zu beobachten. Außerdem ist die ISS so hell, wenn wir unser VLT dahin zeigen lassen würden, da würde wahrscheinlich der Spiegel explodieren. Ich glaube, das wäre keine gute Idee.

Sprecher

Ursprünglich wollte Suzanna Randall tatsächlich zu den Sternen fliegen. Ausgelöst hatte die Faszination ein Foto von Phobos, einem Mond des Planeten Mars, das eine sowjetische Sonde 1988 aufgenommen hatte.

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O-Ton Suzanna Randall Im Kölner Stadtanzeiger habe ich ein Foto entdeckt vom Phobos. Ich habe gesehen: Ach, es ist eine Wüstenlandschaft. Es war ein ganz ganz schlechtes Schwarz-Weiß- Foto, wie es sie damals halt gab. Und ich habe gesehen: Nein, es ist ein anderer Planet, ein anderer Mond, ein anderer Himmelskörper. Und für mich war das faszinierend: Ok, es gibt da diesen anderen Himmelskörper, das wusste ich irgendwie. Aber wir können da auch hinfliegen. Und ich habe gedacht: Cool, wow, Wahnsinn. Und das hat mich den ganzen Tag beschäftigt, und nicht nur den ganzen Tag, sondern ich habe angefangen, mir von meinen Eltern Was ist was-Bücher zu wünschen und mehr Informationen. Ich wollte dann ins Planetarium.

Sprecher

Und später ins Weltall. Dem Kindheitstraum ging dann aber bei der Berufswahl die Luft aus.

O-Ton Suzanna Randall Und gut, Astronaut ist jetzt nicht wahnsinnig realistisch. Und da habe ich irgendwann, als es dann konkreter wurde mit ich sollte mal studieren, da habe ich dann überlegt, ich finde Sterne und Weltraum toll und dann habe ich mir überlegt, Astronomie zu studieren und bin dann auch dabei geblieben. Es kam wirklich von dieser Faszination vom Weltraum her.

Sprecher

Neue Hoffnung schöpfte sie, als im Jahr 2008 die ESA das bislang letzte Astronautenausbildungsprogramm startete. Sie bewarb sich, bereits als Astrophysikerin.

O-Ton Suzanna Randall Da haben sich auch viele meiner Kollegen beworben. Ich bin dann auch in die erste Runde eingeladen worden, bin dann aber nicht durch die Tests gekommen. Die erste Stufe sind die psychologischen Test. Das sind eigentlich eher kognitive Tests, würde ich sagen. Wo man den ganzen Tag am Computer sitzt und Matheaufgaben lösen muss und Physikaufgaben und Konzentration und räumliches Denken und solche Sachen. Und da bin ich dann eben rausgefallen, weil ich mich nicht vorbereitet hatte, was sehr schlau war im Nachhinein. Und ich habe mich wirklich geärgert über mich, Jahre lang, wirklich.

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O-Ton Suzanna Randall Deswegen war ich sehr sehr froh, als ich zufällig die Annonce gesehen habe für ‚Die Astronautin‘. Und da habe ich gedacht: Ok, das ist jetzt meine zweite Chance, jetzt werde ich mich anstrengen. Und dann habe ich mich richtig rein gehockt. Ich wusste auch, was mich erwartet. Da hatte ich vielleicht einen Vorteil, und habe mich auf die Tests gescheit vorbereitet und dann bin ich eben durch die Tests durchgekommen.

Sprecher Der Weg ins All ist aber auch jetzt noch weit. Mehrfach verschob sich der Zeitplan nach hinten. Das war teilweise durch Corona bedingt.

Sprecherin Kapitel 6 – Irdische Mühen

O-Ton Claudia Kessler Wir liegen sehr gut im Plan. Das einzige, was nicht steht, ist die Finanzierung.

Sprecher

Erzählt die Initiatorin von „Die Astronautin“ – Claudia Kessler. 50 Millionen Dollar werden insgesamt gebraucht. Wieviel fehlt noch?

O-Ton Claudia Kessler Also alles, was wir haben, geben wir immer sofort aus, weil das sofort ins Training fließt. Wir haben jetzt nicht ein Polster, wo die ersten Millionen liegen und wir warten, bis wir sie ausgeben können. Es ist auch sehr schwierig, weil wir auf der einen Seite kein Commitment der Regierung haben, auf der anderen Seite, wenn wir mit Firmen reden, die dies sponsern wollen würden, die sagen dann: Ja, aber nur, wenn wir sicher sind, dass das dann fliegt. Das heißt, kleine Beträge zu kriegen ist genauso schwer wie große Beträge zu kriegen. Wir versuchen sehr stark, die Regierung jetzt in die Pflicht zu nehmen, weil das wirklich eine gesellschaftspolitische Aufgabe ist, die wir da leisten. Wir waren jetzt sehr viel in Berlin und haben mit fast allen Ministerien gesprochen und drehen uns ein bisschen im Kreis und hoffen, dass wir diesen Kreis diesen Herbst noch durchbrechen werden. Eigentlich finden es alle toll und alle richtig. Aber irgendwer sagt immer, zuerst muss der zusagen und dann kann der zusagen.

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Sprecher

Formal ist die Luft- und Raumfahrt im Bundeswirtschaftsministerium angesiedelt. Das äußerte sich zum Stand der Dinge so:

Sprecherin

„Die Initiative "Die Astronautin" hat es geschafft, eine breitere Öffentlichkeit für das Thema Astronautinnen zu schaffen. Das ist ein wichtiger Erfolg der Initiative und das begrüßen wir.

Aufgrund der möglichen positiven Wirkung in den Politikbereichen Frauen, Jugend, Vereinbarkeit Beruf Familie, MINT-Nachwuchs; technische Berufe, Fachkräftemangel, Berufsausbildung, Digitalisierung, Raumfahrt-Forschung (BMWi) hat die Bundesregierung einen ressortübergreifenden Ansatz zur Unterstützung der Initiative geprüft. Das BMWi hat erhebliche Anstrengungen unternommen, um eine regierungsseitige Co-Finanzierung der Initiative in einem ressortgemeinsamen Antritt zu ermöglichen. Eine solche Co-Finanzierung würde aber voraussetzen, dass die Initiative den verbleibenden Teil weiter aus privater Initiative finanziert. Soweit uns bekannt ist, konnte bis dato eine substantielle private Finanzierung durch die Initiative noch nicht belastbar auf die Beine gestellt werden.“

Sprecher

Im Klartext heißt das: Weil noch nicht ausreichend Geld von Unternehmen eingeworben wurde, will sich auch die Bundesregierung nicht engagieren. Für Suzanna Randall bedeutet dies extreme Unsicherheit. Daher hat sie ihren Job als Astrophysikerin auch noch nicht aufgegeben. Wir treffen sie in Garching bei München, dem Sitz der Europäischen Südsternwarte ESO.

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O-Ton Suzanna Randall Im Moment ist unsere Angst, dass eben das Projekt scheitert. Und das ist eine Angst nicht nur für uns selber. Na ja, klar, wir sind die Gesichter von einem größeren Team, was auch sehr viel Arbeit da hineingesteckt hat, das wäre für uns persönlich schade, aber was noch viel fataler wäre, ist, dass wir jetzt in den Medien viel Aufmerksamkeit haben, und ich bekomme auch viele Zuschriften von Mädels, von Frauen, von Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen, die sagen: ‚Das ist so toll, was ihr macht, es gibt den Kindern so viel Mut. Meine Schülerinnen finden das ganz toll.‘ Und das finde ich fast noch fataler, dass es dann heißt: In Deutschland ist eben kein Platz für so etwas. Und vielleicht auch kein Platz für euch. Und das wäre eine ganz ganz traurige Message.

Sprecher

Geht es nach Claudia Kessler, wird diese Message niemals ins Land geschickt.

O-Ton Claudia Kessler Ich denke, wir machen einfach so lange weiter, bis es klappt. Ich bin relativ hartnäckig, was so etwas angeht. Ich habe bislang mein ganzes Leben darauf ausgerichtet. Es wird schon irgendwann klappen.

Sprecher

Momentan bereiten sich sogar zwei Frauen auf den Start in den Weltraum vor. Wie in den staatlichen Raumfahrtprogrammen auch gibt es eine doppelte Besetzung. Insa Thiele-Eich ist Meteorologin. Ihr Vater ist , ein früherer Raumfahrer. Rivalität herrsche zwischen den beiden Frauen nicht, betont Randall.

O-Ton Suzanna Randall Ja. Wir haben ein sehr sehr gutes Verhältnis, Insa und ich. Ich finde es fast bemerkenswert. Es ist sehr sehr schön. Wir unterstützen uns. Im Moment ist da kein Konkurrenzgedanke.

Sprecher

Später kann es schon dazu kommen, da ist Suzanna Randall realistisch genug. Was wäre, wenn sie nicht fliegen würde, sondern Insa Thiele-Eich?

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O-Ton Suzanna Randall Natürlich ist das dann eine Enttäuschung. Das braucht man auch gar nicht kleinzureden. Aber ich würde mir wünschen, dass sie dann sagt: 'Hey, ich mache die Mission für uns beide.' Und dass sie dann auch etwas von mir mit in den Weltraum nimmt.

Sprecherin: Kapitel 7 – Der Weltraum

Sprecher

Und was will die Astronautin, die letztlich ausgewählt wird, oben in der Raumstation machen?

O-Ton Suzanna Randall Da wir ja eben die erste deutsche Frau in den Weltraum schicken, wollen wir den Fokus vor allem auf Experimente am weiblichen Körper legen. Wie reagiert der weibliche Körper in der Schwerelosigkeit. Da gibt es ganz viele Daten von Männern. In Deutschland liegen aber noch keine Daten von Frauen vor.

Sprecher

Ein Experiment befasst sich dabei mit Unterschieden in der Sehkraft bei Männern und Frauen im All.

O-Ton Suzanna Randall Es ist so, dass sich anscheinend laut jetzigen Studienerkenntnissen die Augen von männlichen Astronauten verschlechtern, und die von Astronautinnen aber nicht. Und das ist wirklich nicht klar, warum das so ist. Da haben wir jetzt auch ein Training gemacht und haben gelernt, unsere eigenen Augen und die der anderen zu vermessen und zu messen, wie sich die Schwerelosigkeit auf die Augen auswirken würde. Wir haben eine Baseline gemacht, wie unsere Augen jetzt unter Schwerkraftverhältnissen funktionieren und würden das dann im Weltraum untersuchen, wie sich das verändert.

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Sprecher

Das erinnert an die physiologischen Vorteile, die Frauen schon bei den frühen NASA- Tests der 60er Jahre hatten. Andere Experimente sind noch in einer frühen Vorbereitungsphase.

O-Ton Suzanna Randall Man kann sehr gut im Weltraum unter Bedingungen der Schwerelosigkeit Materialwissenschaft machen. Und ich sage dann immer: Wir möchten testen, wie Schokolade kristallisiert. Schokoladentester auf der ISS – das wäre was ganz Tolles. Das wäre mein Traumberuf, Astronaut und dann noch Schokoladentester – besser geht es nicht. Das steht natürlich nur für eine ganze Reihe von Experimenten, die man in der Materialwissenschaft machen kann. Und da würden wir aber mit unseren Investoren zusammenarbeiten und machen, was die eben brauchen für ihre Forschung. Ich würde auch gern viele Education-Experimente machen, also Sachen, die jetzt vom Wissenschaftlichen her Sachen sind, die man auch schon weiß, die aber Kinder und Jugendliche motivieren, die die cool finden, dass man denen Grundlagen der Physik gerade in der Schwerelosigkeit näher bringt. So kleine Videos drehen. Ich sage auch immer, ich möchte ein kleines Yogaprogramm für das Weltall entwerfen. Das ist natürlich auch ein Witz. Das wäre dann in der Freizeit, aber so etwas finde ich schon spannend, was kann man mit dem Körper alles in der Schwerelosigkeit anstellen.

Sprecher

Geplant ist ein Aufenthalt von zehn Tagen bis zwei Wochen. Mit den Bedingungen auf der Raumstation hat sich Suzanna Randall schon vertraut gemacht.

O-Ton Suzanna Randall Auf der ISS selber - das ist Luxus. Da ist relativ viel Platz. Das wird verglichen mit zwei Boeing 747, da sind dann meistens sechs, bis zu neun Personen an Bord. Da hat man schon viel Platz. Das ist natürlich auch alles vollgepackt mit Experimenten. Aber da ist es nicht so eingeengt, da kann man sich gut bewegen und auch einmal vielleicht Zeit für sich haben und auch mal nicht mit ganz vielen Leuten auf engem Raum sein. Die Astronauten haben dann auch kleine Kabinen, die sind so wie Telefonzellen, wo die dann auch einmal Lärmschutz haben für ein bisschen Privatsphäre, gerade die, die dann länger oben sind.

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Sprecher

Auch mit den Abläufen kennt sie sich bereits aus.

O-Ton Suzanna Randall Die Tage sind extrem durchgetaktet. Unter der Woche hat man eigentlich gar keine Zeit. Man hat halt Zeit, zu essen und sich die Zähne zu putzen, aber es ist nicht wirklich Freizeit. Samstags morgens ist dann immer dieser ISS Putz, also dann muss man putzen. Und man hat dann meistens den Nachmittag frei und den Sonntag, wo man dann schon auch eigene Projekte machen kann. Die meisten Astronauten sitzen dann auch nicht nur rum, sondern machen Education Projekte oder Sachen, die sie persönlich interessieren.

Sprecher

Das klingt nach einer WG im All.

O-Ton Suzanna Randall Ja, so ungefähr. Eigentlich ist es eine WG, wo es aber einen sehr genauen Plan für alles gibt. Eine sehr organisierte WG.

Sprecher

Als Botschafterin für die Raumfahrt ist sie allemal geeignet, um nicht nur Mädchen und Frauen mit ihrer eigenen Begeisterung für Technik und Wissenschaft anzustecken.

O-Ton Suzanna Randall Astronauten sind natürlich nicht die einzigen Menschen, die da Großes leisten in der Raumfahrt oder der Technik generell. Aber die haben einfach eine sehr hohe Sichtbarkeit. Und deswegen ist es so wichtig, dass wir da jemanden hinstellen, der dann auch zeigt: Ja, ich bin eine Frau, ich bin ganz normal, und trotzdem kann ich diesen Beruf ausüben. Da geht es dann gar nicht darum, dass alle kleinen Mädchen Astronauten werden oder werden wollen, sondern einfach, dass wir zeigen, in der Raumfahrt oder der Technik, in den Wissenschaften, ich bin ja auch Wissenschaftlerin und Insa auch, gibt es einfach sehr viele coole Jobs und die könnt ihr auch machen. Die machen auch Spaß. Da sind schon Frauen, und das ist nicht nur was für Männer.

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Sprecher

Eine Zukunftsperspektive hat die Raumfahrt jedenfalls, gerade in der Klimakrise. Claudia Kessler:

O-Ton Claudia Kessler Für das, was Greta Thunberg fordert und was wir auch als Hausaufgaben zu machen haben, brauchen wir unbedingt Raumfahrt. Da brauchen wir zum einen die Satelliten, die das CO2 in der Atmosphäre messen, die uns auch sagen, wo es herkommt, die das mit Erdbeobachtungsdaten, aber auch Navigationsdaten verfolgen, wenn es um Schiffe geht. Da brauchen wir auch die Forschung dazu, um mehr grünen Treibstoff herzustellen, um mehr Umwelt freundliche Energien herzustellen. Auch da brauchen wir wieder Satellitendaten, um zu sehen, wo macht es Sinn, Solarfelder aufzustellen, wo macht es Sinn, Windfelder aufzubauen, wo macht es Sinn, auf dem Meer vielleicht noch irgendetwas zu machen. Und Sie brauchen auch die Astronauten dazu, um weiterhin den Menschen dieses Bewusstsein zu vermitteln. Mit Bildern und Daten allein schaffen sie das nicht. Nicht umsonst ist Alexander Gerst deshalb auch so begehrt als Redner, weil Astronauten es schaffen, dieses Bewusstsein, für dieses: Hey, wir haben nur diesen einen Planeten, und der ist verdammt klein und wir müssen richtig darauf aufpassen, zu vermitteln. Sobald man dann anfängt, zu erklären, dass man diese Probleme nur mit Raumfahrt lösen kann, ist das Verständnis auch dafür da, dass wir es brauchen. Und dass wir aufhören sollten, uns auf unserem Heimatplaneten wie Pauschaltouristen auf der Reise durchs All zu benehmen.

Sprecher

Für all das braucht es auch Frauen im All.

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Absage

Frau im All – „Die Astronautin“ Suzanna Randall

Feature von Tom Mustroph

Es sprachen Fabian Busch und Nina Weniger.

Technische Realisation: Jonas Bergler

Regieassistenz: Oliver Martin

Regie: Nikolai von Koslowski

Redaktion: Leslie Rosin

Eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks 2021.

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