Claudia Kessler Raumfahrtingenieurin, Astronautin Gmbh Im Gespräch Mit Stefan Geier Geier
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Sendung vom 28.7.2017, 20.15 Uhr Claudia Kessler Raumfahrtingenieurin, Astronautin GmbH im Gespräch mit Stefan Geier Geier: Willkommen, meine Damen und Herren, zum alpha-Forum, schön, dass Sie dabei sind. Wenn man Kinder fragt, was sie mal werden wollen, dann gibt es unter den Antworten die Klassiker Feuerwehrmann, Ärztin, Pilot. Was als Antwort auch immer ziemlich sicher kommt, ist der Astronaut. Mit jedem dieser Berufe verbunden sind Träume und Vorstellungen und manchmal umgibt sie auch ein Mythos, was man in so einem Beruf alles machen kann. Und zugegeben, die Reise in den Weltraum hat natürlich etwas Faszinierendes. Aber im Gegensatz zum Beruf des Arztes und des Feuerwehrmannes schaffen es die wenigsten wirklich in den Weltraum. "In den Weltraum" heißt bei uns, dass das normalerweise nur durch einen Flug zur Internationalen Raumstation erreicht werden kann. Deshalb freue ich mich besonders, heute eine Frau begrüßen zu dürfen, die uns vielleicht sagen kann, wie man das doch schaffen kann. Denn Sie hilft anderen dabei, diesen Traum zu verwirklichen, den sie selbst vielleicht auch immer noch ein bisschen träumt: Bei uns ist heute die Raumfahrtingenieurin und Unternehmerin Claudia Kessler. Schön, dass Sie da sind, Frau Kessler. Kessler: Vielen Dank für die Einladung. Geier: Frau Kessler, Sie haben Raumfahrt studiert und arbeiten heute in einem Unternehmen in der Raumfahrtindustrie. Was haben Sie gesagt, wenn man Sie als Kind gefragt hat, was Sie werden wollen? Kessler: Astronautin natürlich. Ich habe mit vier Jahren die Mondlandung im Fernsehen gesehen und von da an war für mich klar: Da will ich auch hin! Geier: Normalerweise zerstreuen sich ja im Lauf der Zeit die Berufsträume, die man als Kind hat. Bei Ihnen jedoch hielt sich das durch. Kessler: Bei mir ging das durch, denn ich bin ein Mensch, der ganz gut an Widerständen wachsen kann. Und nachdem eben alle gesagt haben: "Ja, red' du nur, du mit deinem Wunsch, Astronautin zu werden!", dachte ich mir: "Denen zeig ich's!" Ich habe das dann ziemlich gut durchgezogen mit einem Maschinenbaustudium und der Spezialisierung auf Luft- und Raumfahrttechnik. Davor in der Schule hatte ich schon Mathematik und Physik als Leistungskurse. Ja, und dann bin ich eben Raumfahrtingenieurin geworden. Geier: Ging es da eher um den Trotz, weil man Ihnen das nicht zugetraut hat und Sie es diesen Leuten zeigen wollten? Oder ging bzw. geht es wirklich um den Weltraum? Kessler: Es geht wirklich um den Weltraum, um den Traum, selbst mal dort oben zu sein und auf die Erde runterschauen zu können. Es geht mir natürlich um das Gefühl, das man dabei für diesen Blauen Planeten hat: Darum geht es mir. Geier: Wissen Sie denn, woher dieser "Zug nach oben" bei Ihnen kommt? Denn mit vier Jahren diesen Wunsch zu entwickeln, ist doch relativ früh. Kessler: Ja, schon. Und das war damals auch lediglich so ein einfacher, kleiner Schwarzweißfernseher, auf dem man diese kleine, eigentlich blaue Erde vom Mond aus gesehen hat. Das hat mich einfach so begeistert, dass ich mir gedacht habe, diese Weite, diese Unendlichkeit will ich erleben und an der Lösung der vielen Fragen, die uns der Weltraum stellt, will ich irgendwie mitarbeiten. Geier: Ihr Werdegang zur Raumfahrtingenieurin war dann aber dennoch ein langer Weg. Gab es auf diesem Weg in der Kindheit und in der Jugend also immer wieder mal Momente, in denen Sie gesagt haben: "Ich will das auf jeden Fall machen!"? Kessler: In der Jugend war das dann vielleicht ein bisschen weniger konkret. Mir war nur klar, dass ich unbedingt in diese Richtung gehen will. Ich bin sehr technisch interessiert aufgewachsen, mein Vater war Automechaniker, d. h. ich bin quasi mit dem Schraubenschlüssel in der Hand in der Garage aufgewachsen. Ich hatte zum Glück keinen großen Bruder, der diese Aufgabe übernommen hätte. Das heißt, ich musste da immer ran und mir hat das gefallen. Im Studium war dann, als man endlich das Vordiplom hatte, das Highlight, zum ersten Mal in einer Raumfahrtfirma mitarbeiten zu dürfen, zum ersten Mal auf eine Raumfahrtmesse gehen und dort die Flugzeuge, die Raketen, die Satelliten sehen zu können. Dort zu Astronauten zum ersten Mal persönlichen Kontakt aufnehmen zu können, war schon sehr, sehr toll. Geier: War das denn davor im Studium alles eher auf einer abstrakten Ebene abgelaufen? Kessler: In München an der Uni ist es halt so, dass man zuerst einmal Maschinenbau studiert. Das Maschinenbaustudium ist gar nicht abstrakt, sondern eher sehr brachial, sehr praktisch orientiert und sehr breit angelegt. Erst nach dem Vordiplom kann man sich dann auf Luft- und Raumfahrttechnik spezialisieren. Geier: Waren Sie denn in diesem Studium als Frau eine Exotin? Ich kann mir vorstellen, dass Sie das im Maschinenbau eh schon waren und dass sich das nach dem Vordiplom dann noch einmal verstärkt hat. Kessler: Ja, das stimmt. Im Maschinenbau waren wir am Anfang 1000 Studenten und davon zehn Frauen. Das heißt, wir Frauen haben ungefähr ein Prozent der Studierenden ausgemacht. In der Luft- und Raumfahrttechnik waren es dann vielleicht noch ungefähr 200 Studenten. Ich war dabei die einzige Frau. Das heißt, der prozentuale Anteil hat noch einmal abgenommen. Aber ich hatte mich von vornherein daran gewöhnt und mich auch recht wohlgefühlt im Studium. Ich habe mir das alles recht gut organisiert: Der eine hat meine Tasche getragen, der andere hat den Kaffee geholt und der dritte hat mitgeschrieben in den Vorlesungen (lacht). Geier: Heute ist dieser Prozentsatz ein bisschen größer, aber das Verhältnis von Männern und Frauen ist in diesem Studiengang immer noch nicht ausgeglichen. Warum gab es denn damals so wenig Frauen? Kessler: Damals war das halt noch eine reine Männerdomäne. Heute sind wir in manchen Bereichen in den Ingenieurs- und Naturwissenschaften immerhin schon bei einem Frauenanteil von 20 Prozent angekommen. Daran sieht man, dass sich in den letzten 20 Jahren wirklich was getan hat. Wir sind sehr froh darüber, dass da nun auf Frauenseite sehr viel mehr Interesse vorhanden ist. Damals, in den 80er Jahren, war es hingegen schon noch ab und zu so, dass ein Professor gesagt hat: "Mädchen bzw. Frauen können so etwas halt nicht!" Geier: Hat Sie das genervt? Hat Sie diese Rollenzuschreibung genervt? Kessler: Ja, klar. Ich durfte z. B. im Praktikum nicht fräsen. Das war angeblich zu gefährlich für Mädchen. Geier: Und zwar grundsätzlich? Kessler: Ja, grundsätzlich. Das war so. Punkt! Da gab es keine Diskussionen, das war halt so. Da muss man dann als Frau halt einfach durch. Geier: Wie sehr hat Sie denn dieses Thema "Frau und Raumfahrt" weiterhin begleitet, denn Sie sind ja in der Raumfahrt geblieben? Kessler: Nach dem Studium war ich zuerst einmal froh, meinen ersten Job zu haben. Ich bin ja nach dem Studium sozusagen sofort in den Astronautenjob eingestiegen und war dann bei Kayser-Threde in München im Zusammenhang mit der ersten Mir-Mission tätig, weswegen wir dann mit Klaus Flade auch gleich in Moskau waren. Das war alles super spannend, das war ein Traumjob! Ich war direkt an der Raumfahrt dran, direkt an den Astronauten, an der Mir-Station, am Startplatz dran. Da habe ich nicht mehr darauf geachtet, ob da nun Männer oder Frauen arbeiten. Das war alles völlig normal, ich war einfach mit im Team und es spielte keine Rolle, ob man Mann oder Frau ist. Mir ist das erst später wieder aufgefallen, als ich schon so ein bisschen meinen Weg gemacht hatte und auch meine Tochter bereits auf der Welt war. Als ich dann schon Abteilungsleiterin bei Airbus in Bremen war, habe ich irgendwann gemerkt, dass ich immer noch die einzige Frau bin – und das, obwohl ich schon seit 20 Jahren dabei war. Erst da habe ich mir gedacht: "Aha, da muss man vielleicht doch aktiv etwas tun und nicht einfach nur darauf warten, bis sich das irgendwann von alleine ändert!" Geier: Was Sie alles gemacht haben, darauf kommen wir später noch zu sprechen. Bleiben wir noch kurz bei diesem Zeitpunkt nach dem Ende des Studiums. Sie haben es schon angedeutet, Sie waren da sehr nah dran an der Raumfahrt, als es um die Mir-Mission ging. Damals wollten Sie ja selbst noch Astronautin werden. Kessler: Ich will bis heute immer noch Astronautin werden! Aber damals wollte ich das natürlich noch sehr viel stärker, das ist klar. Ich habe einfach gehofft, dass irgendwann zur richtigen Zeit noch einmal eine Ausschreibung kommt vom DLR oder von der ESA, durch die ich die Chance bekomme, mich als Astronautin zu bewerben. Geier: Warum hat das nicht geklappt? Kessler: Die ESA hat dann zuerst einmal das Astronautenkorps sozusagen vereuropäisiert und alle zusammengeführt, die es in Deutschland, in Frankreich, in Italien, in Spanien usw. gegeben hat. Das heißt, da gab es dann zuerst einmal genug Astronauten, die geflogen werden sollten. Und deswegen hat es dann eben sehr lange Zeit keine Ausschreibung mehr gegeben. Die nächste Ausschreibung kam erst 2009, als wieder wirklich ein europäisches Astronautenteam ausgesucht wurde. Da war dann z. B. auch Alexander Gerst mit dabei. Ich selbst war zu diesem Zeitpunkt leider schon zu alt. Geier: Ab wann ist man denn dafür zu alt? Kessler: Da war man bereits mit 37, 38 Jahren zu alt. Geier: Als Sie damals in diese Industrie, in diesen ganzen Raumfahrtbereich hineingekommen sind, war es für Sie, wie Sie gesagt haben, ganz normal, als einzige Frau in so einem Team zu arbeiten. Normalerweise ist es doch bereichernd, wenn Männer und Frauen zusammenarbeiten – denkt man zumindest –, denn sie ergänzen sich ja. Warum ist das aber in diesem Bereich so schwierig? Warum wurde das damals dort so wenig gelebt? Kessler: Nun, damals gab es halt einfach kaum Frauen mit einem technischen Hintergrund, mit einem technischen Studium. Wenn, dann gab es eher ein paar Seiteneinsteiger, d. h. es gab die Ersten im Bereich Remote Sensing und Software: Da waren es schon mehr als im wirklichen Maschinenbau.