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Spacexpress Chronik 2003 Kostenlos Als Ebook

Spacexpress Chronik 2003 Kostenlos Als Ebook

Das Raumfahrt-Jahrbuch des Vereins zur Förderung der Raumfahrt e.V.

Mit den Spacexpress News von Eugen Reichl und vielen weiteren Artikeln zu Raumfahrt-Schwerpunktthemen

Faszination Raumfahrt erleben Jahr für Jahr: aktuelle Raumfahrtgeschichte aus erster hand!

Die faszinierende Welt der Raumfahrt im einzigen deutschsprachigen Raumfahrtjahr- buch. Rückblick und Ausblick. Nehmen Sie teil am spannendsten Abenteuer unserer Zeit...

Jedes Jahrbuch gibt es als kostenloses eBook und auch als hochwertige Printausgabe – im Vergleich zum Selber-Ausdrucken eine günstige, und vor allem attraktive Alternative. Downloads und

Buchbestellung finden Sie auf Jahr für Jahr: NASA aktuelle Raumfahrtgeschichte Grusswort aus erster hand! Liebe Leser der Spacexpress Chronik 2003, Raumfahrt hat es in unserer heutigen schnelllebigen Zeit schwer. Die Zeit von der Vorbereitung der Missionen über die Entwicklung der Fahrzeuge oder Satelliten bis zum anschließenden Flug und der Ankunft am Ziel kann sehr lange sein; 10 oder auch 20 Jahre sind keine Selten- heit. In dieser langen Zeitspanne schaffen es nur wenige Ereignisse, Aufmerksamkeit zu erzielen. Meistens sind dies die Starts, spektakuläre Reisestationen und natür- lich Missionsstörungen und Unfälle. Auch das Jahr 2003 wird sich in die Geschichte der Raumfahrt mit einem Unfall einprägen: dem Columbia-Absturz. Daneben ver- blassen die vielen kleineren und größeren Erfolge und Fortschritte des Jahres: von den vielen Satellitenstarts wie Mars Express über die Fortschritte beim europä- ischen Navigationssatellitensystem bis zum er- sten bemannten Raumflug der Chinesen. Zurzeit fehlen die spektakulären Raumfahrtprogramme wie z.B. Apol- lo, die Millionen Menschen vor den Fernseher bannen könnten. Gerade deshalb ist es so wichtig, die kleineren Ereignisse entsprechend zu würdigen und nicht zu ver- gessen. Aus diesem Grunde bringen wir zum ersten Mal die VFR Spacexpress Chronik 2003 heraus, in der die wichtigsten kleineren und größeren Ereignisse des Jahres zusammengefasst sind, so wie wir sie im Jahresverlauf über unsere Homepage www.vfr.de veröffentlicht ha- ben. Sie haben damit die Möglichkeit, das Raumfahrt- jahr 2003 noch einmal Revue passieren zu lassen und einzelne Ereignisse gezielt nachzulesen. Ergänzt wird die Chronik durch Berichte, die sich zum Teil auf Ereignisse des Jahres beziehen und weitere Hintergrundinformati- onen enthalten, sowie ein kleine Vorschau auf 2004. Ich wünschen Ihnen nun viel Spaß beim Schmökern in der neuen Raumfahrtchronik des VFR e.V. Bernhard Schmidt, 1. Vorstand

Impressum eBook Edition, Juli 2007 Copyright © by VFR e.V. Kontakt: Postfach 801966 • 81619 München • www.vfr.de Redaktion: Stefan Schiessl und Eugen Reichl Gestaltung: Stefan Schiessl, www.schiessldesign.de Lektorat: Sandra Ebneth, Heimo Gnilka, Ludwig Gruber Druck: FSR Schottenheim, www.fsr-schottenheim.de Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Bernhard Schmidt Zweite Auflage: 100Stk. Bildquellen: Angaben direkt beim Bild, soweit der Redaktion bekannt. Chronik-Quellen pauschal am Ende des Kapitels. Angaben zu den Autoren: Akademische Titel wurden nur bei Nennung durch die Autoren mit aufgenommen. ISBN-Nummer: 3-00-013051-9 Inhalt Zum Mars – mit leichtem Gepäck: Ressourcennutzung vor Ort erleichtert bemannte Marsmissionen Grußwort (Dr.-Ing. Kristian Pauly)______102 (Bernhard Schmidt)______2 Orbital Space Plane – Impressum______2 Die Zukunft des bemannten Amerikanischen Zugangs zum Weltraum (Andreas Kruselburger)______110 Das Raumfahrtjahr 2003 (Eugen Reichl) Grundlagenforschung für zukünftige Raumtransportsysteme Januar______4 (Prof. Dr.-Ing. Gottfried Sachs und Februar______7 Dipl.-Ing. Florian Holzapfel)______112 März______18 Solo für Yang Liwei (Eugen Reichl)______116 April______22 In kleinen Schritten auf langem Marsch – Mai______32 Die Geschichte der Taikonautik Juni______39 (Felix Korsch)______119 Juli______43 Flaggschiff zu neuen Horizonten (Eugen Reichl)______122 August______51 Der X-Price – September______56 Geburtshelfer der privaten Raumfahrt (Eugen Reichl)______128 Oktober______59 Weltraumtourismus November______67 (Robert A. Goehlich)______132 Dezember______70 Das All für Alle – Orbitalstarts und Raumsonden 2003______80 ein Traum wird wahr (Ulla Hodapp)______135 Exoplaneten – Vorschau auf 2004 Die Suche nach neuen Welten (Stefan Schiessl)______137 Raumfahrt-Kalender 2004 (Albert Gruber und Stefan Schiessl)______82 Astronomische Höhepunkte im Jahr 2004 VFR e.V. (Wolfgang Meirich)______86 Die Geschichte des VFR e.V. (Hans J. Rauch)______140 Schwerpunktthemen VFR-Portrait: „Faszination Raumfahrt Erleben!“ Columbias letzte Rückkehr – (VFR e.V.)______143 Protokoll einer Katastrophe (Eugen Reichl)______88 Fünf Schritte ins All – Plädoyer für ein weitreichendes Die Internationale deutsches Raumfahrtprogramm Raumstation auf Sparflamme (Bernhard Schmidt)______144 (Michael Schumacher)______92 RaumCon – Mikrogravitation auf der Raumstation – Das Forum der Raumfahrtfans Historie und Zukunftsperspektiven (Stefan Schiessl und David Langkamp)______147 (Heinz Sprenger)______96 Verein für Raumschiffahrt (VfR) e.V. – Fünf Raumsonden im Wettlauf zum Mars Chronik unseres historischen Namensvetters (Raimund Scheucher)______100 (Karlheinz Rohrwild)______148

2003 spacexpress chronik 3 Das Raumfahrtjahr 2003

Diese Chronik ist eine Bearbeitung der „VFR Spacexpress Januar News“, einer Dienstleistung des „Vereins zur Förderung der Raumfahrt“. Die „Spacexpress News“ erscheinen tagesak- 5. Januar tuell auf „www.vfr.de“ und zeitversetzt im regelmäßig Shenzhou 4 sicher gelandet verbreiteten „Spacexpress Newsletter“. Voraussichtlich im Oktober dieses Jahres wird Chinas In diesem Sinne haben Sie nun eine Chronik des Raum- erster bemannter Raumflug stattfinden, rechtzeitig zu fahrtjahres 2003 aus der jeweils tagesaktuellen Sicht in der den Feiern der Oktoberrevolution. Die Zuversicht, dies Hand. Das Vermitteln dieser Aktualität ist uns wichtig. Wir auch bewerkstelligen zu können, verbesserte sich mit haben sie beibehalten, denn wir betrachten den „Space dem erfolgreichen Abschluss des vierten Testfluges des Almanach“ vor allem auch als Nachschlagewerk. Vor die- Shenzhou Systems. Die Rückkehrkapsel des Raumfahr- sem Hintergrund wurden die Meldungen auch nicht um zeuges landete heute in der schneebedeckten inneren Inhalte späteren, manchmal besseren Wissens verändert. Mongolei nach einem Flug von sieben Tagen Dauer. Vielmehr glauben wir, dass gerade in der zeitlichen Abfolge Das Orbit-Modul verbleibt weiter im Weltraum. Seine der Nachrichten und in der Entwicklung der Inhalte der Umlaufbahn wurde zwischenzeitlich angehoben, und Kontext besser verstanden werden kann und die Ereig- es wird vermutet, dass dieses Teil mindestens weitere nisse des Raumfahrtjahres 2003 erneut lebendig werden. sechs Monate in der Umlaufbahn verbleibt, bevor es in Lediglich Wiederholungen, ein Teil der Vorankündigungen, die Erdatmosphäre eintritt. Guo Baozhu, Vize-Administ- stilistische und orthografische Fehler, sowie grammatikali- rator der Nationalen Chinesischen Raumfahrtakademie, sche Missgriffe, die manchmal in der Eile beim Erstellen der teilte mit, dass die Planung für die bemannte Orbit- Tagesmeldung entstanden, wurden korrigiert. Mission wie geplant verlaufe, und dass China langfristig bemannte Missionen zum Mond unternehmen will. Damit kann der Leser oder die Leserin sehr deutlich beo- bachten, wie sehr schon innerhalb eines einzelnen Jahres in der Raumfahrt Planung und Wirklichkeit voneinander abweichen. In kaum einem anderen Bereich der Technik ist das oft bemühte Clausewitz-Zitat so aktuell: „Kein Plan überlebt die erste Feindberührung“. Während wir beispielsweise im März noch angekündigt haben, dass

die erste „Delta 4 Heavy“ ihren Erstflug im Herbst 2003

haben wird, wissen wir jetzt, am Jahresende 2003, dass Shenzhou 4 Kapsel nach Landung in der inneren Mongolei.

es mindestens Mitte 2004 wird, bis es soweit ist. Ähnlich verhält es sich mit den Erstflügen neuer russischer Träger, Coriolis im Orbit wie beispielsweise der „Aurora“. Ebenfalls am heutigen Tag fand der vielfach verschobene Dabei kam es aber durchaus nicht immer nur zu Verzöge- Start des 223 Millionen Dollar teuren US Air Force Sa- rungen. Vermuteten wir im März beispielsweise den er- telliten „Coriolis“ statt. Eine Titan 2 Trägerrake- sten bemannten Raumflug Chinas für den November, te brachte ihn von der Vandenberg Air Force so fand dieser tatsächlich schon im Oktober statt. Basis in Kalifornien erfolgreich in den Orbit. Aufgabe des Satelliten ist es, Windbewe- Ganz besonders gilt unser Grundsatz vom Erhalt gungen über den Ozeanen zu beobachten der Tagesaktualität für das Hauptereignis des Jah- und Informationen über Sonnenstürme zu res 2003, dem schrecklichen Unfall der Raumfähre melden. Columbia, bei dem die gesamte Besatzung ums Leben kam. Gerade hier erschien es uns wichtig, die Nachrichten 8. Januar so zu belassen, wie sie sich in ihrer chronologischen Abfolge Rekordverdächtig entwickelt haben. Auch wenn sich später herausstellte, dass Russland plant, in diesem Jahr nicht weniger wir mit unseren ersten Vermutungen und Analysen manch- als 15 verschiedene Typen von Satelliten- mal zu falschen Schlussfolgerungen kamen. Wir denken, trägern einzusetzen. Darunter werden die dass gerade das mit zum Reiz dieses Dokumentes beiträgt. Erstflüge der Strela, der Angara und der Und damit hinein in das Raumfahrtjahr 2003 Sojus 2 sein. Die anderen Trägertypen sind die Proton M und K, die Sojus U und FG, die Molniya M, Cosmos M, Tsyklon 2 und 3, Rockot, Zenith, Dnepr 1, die Shtil

4 spacexpress chronik 2003 Sojus FG. und die Shtil 2M. Die Starts beinhalten unter anderem Qualifikations- und Überprüfungsverfahren für das Sy- Januar zwei bemannte Sojus TMAs und drei Progress M Tanker stem Ariane-5 verifiziert sind. Arianespace und die ESA zur Internationalen Raumstation, Mars Express mit dem werden nun gemeinsam mit allen Beteiligten die Modali- 5. Januar Beagle 2 Lander, ein Express AM und zwei Yamal 200 täten für einen möglichst frühzeitigen Start von Rosetta Shenzhou 4 sicher gelandet Kommunikationssatelliten, und einen Sich 1M Ozean- festlegen. Voraussichtlich im Oktober dieses Jahres wird Chinas Überwachungssatellit. erster bemannter Raumflug stattfinden, rechtzeitig zu 16. Januar den Feiern der Oktoberrevolution. Die Zuversicht, dies 13. Januar Raumfähre Columbia im Orbit auch bewerkstelligen zu können, verbesserte sich mit ICESat & CHIPSat gestartet Mit dem ersten israelischen Astronauten an Bord – dem erfolgreichen Abschluss des vierten Testfluges des Heute brachte die NASA mit Hilfe einer Delta 2-Träger- dem Oberst der Luftwaffe Ilan Ramon – ist die US- Shenzhou Systems. Die Rückkehrkapsel des Raumfahr- rakete die beiden Forschungssatelliten ICESat (Akronym Raumfähre Columbia zu einer 16-tägigen Reise ins All zeuges landete heute in der schneebedeckten inneren für Ice, Cloud and Land Elevation Satellite) und CHIP- gestartet. Das Space Shuttle hob heute um 10:39 Orts- Mongolei nach einem Flug von sieben Tagen Dauer. Sat (für Cosmic Hot Interstellar Spectrometer) von der zeit vom Kennedy-Raumfahrtzentrum in Cape Cana- Das Orbit-Modul verbleibt weiter im Weltraum. Seine Luftwaffenbasis Vandenberg in Kalifornien in eine polare veral im US-Bundesstaat Florida mit insgesamt sieben Umlaufbahn wurde zwischenzeitlich angehoben, und Umlaufbahn um die Erde. Der von der Firma Ball Aero- Astronauten ab. Die Besatzungs- es wird vermutet, dass dieses Teil mindestens weitere space gebaute ICESat ist der letzte Satellit im Rahmen mitglieder sollen mehr als 80 Ex- sechs Monate in der Umlaufbahn verbleibt, bevor es in des Erdbeobachtungssystems der NASA. Er folgt dem perimente unter den Bedingungen die Erdatmosphäre eintritt. Guo Baozhu, Vize-Administ- Satelliten „Terra“, der 1999 auf die gleiche Umlaufbahn der Schwerelosigkeit ausführen. rator der Nationalen Chinesischen Raumfahrtakademie, geschickt wurde. Seine Hauptaufgabe ist es das Wachs- Durchgeführt werden die Unter- teilte mit, dass die Planung für die bemannte Orbit- tum und Schrumpfen der Eisbedeckung, der Erde zu suchungen im wesentlichen im Mission wie geplant verlaufe, und dass China langfristig erfassen, Veränderung in der Höhe des Meeresspiegels so genannten „Research Double bemannte Missionen zum Mond unternehmen will. aufzuzeichnen und Klimaschwankungen festzustellen. Module“ der US-Amerikanischen CHIPSat ist ein astronomischer Sa- Firma Spacehab, an der Astrium tellit, der Gas und Staub im inter- Space Shuttle Co- GmbH Deutschland mit rund stellaren Raum aufspüren soll, die lumbia beim Start. 11 Prozent beteiligt ist. Bausteine von Sternen und Planeten im Weltraum. CHIPSat ist der erste 20. Januar Satellit einer neuen Reihe, der so Projekt Prometheus beginnt

genannten „NASA University-Class Die gegenwärtig minimalen Aktivitäten der NASA im

Shenzhou 4 Kapsel nach Landung in der inneren Mongolei. Explorer“ Serie. Dieser Satellit in Bereich nuklearer Antriebe werden in Kürze einen en-

der Größe eines Koffers wurde vom ormen „Zusatzschub“ erhalten. Es wird erwartet, dass Labor für Raumfahrtwissenschaften Präsident George Bush das Budget der NASA für diese Coriolis im Orbit Delta 2 Träger- der Universität von Kalifornien zu- Aktivitäten signifikant erhöhen wird. Gegenwärtig steht Ebenfalls am heutigen Tag fand der vielfach verschobene rakete mit ICESat & CHIPSat. sammen mit der Firma „SpaceDev“ das Budget für das kommende Jahr bei 107 Millionen Start des 223 Millionen Dollar teuren US Air Force Sa- gebaut. Dollar. Projekt Prometheus, wie die Nuklear-Initiative telliten „Coriolis“ statt. Eine Titan 2 Trägerrake- genannt wird, setzt sich zum Ziel, die Reisezeiten zum te brachte ihn von der Vandenberg Air Force 14.01. Mars auf ein Drittel zu verringern. Mit nuklearen Antrie- Basis in Kalifornien erfolgreich in den Orbit. Rosetta-Start auf unbestimmte Zeit verschoben ben wären auch Raumsonden zu den äußeren Planeten Aufgabe des Satelliten ist es, Windbewe- Nach Kenntnisnahme der Schlussfolgerungen des Über- wesentlich weniger lang unterwegs, und es könnten gungen über den Ozeanen zu beobachten prüfungsausschusses, der zum Start der Raumsonde Bahnen angeflogen werden, die bislang unmöglich sind, und Informationen über Sonnenstürme zu Rosetta Stellung nehmen sollte, haben Arianespace wie z.B. Umlaufbahnen um die Monde von Neptun und melden. und die Europäische Welt- Uranus. Generell sind Expeditionen jenseits des inneren raumorganisation (ESA) be- Asteroidengürtels ohne den Einsatz nuklearer Energie- 8. Januar schlossen, den Start zunächst quellen nicht möglich. Auch alle bisherigen Raumfahr- Rekordverdächtig weiter zu verschieben. zeuge, die in den Bereich der äußeren Planeten vordran- Russland plant, in diesem Jahr nicht weniger gen, zuletzt die Raumsonde Cassini, sind mit nuklearen als 15 verschiedene Typen von Satelliten- Der Ausschuss hat sich da- Energiequellen, meist auf Plutonium-Basis, ausgestattet trägern einzusetzen. Darunter werden die für ausgesprochen, dass gewesen. Neu im Konzept Prometheus ist allerdings der Erstflüge der Strela, der Angara und der sich Arianespace und ihre Einsatz nuklearer Energiequellen auch für den Antrieb Sojus 2 sein. Die anderen Trägertypen Partner im Rahmen des eines Raumfahrzeugs. sind die Proton M und K, die Sojus U und Programms zur Wiederauf- FG, die Molniya M, Cosmos M, Tsyklon 2 nahme der Ariane-5-Flüge Künstlerische Darstellung Obwohl das Vorhaben praktisch in der gesamten Raum- und 3, Rockot, Zenith, Dnepr 1, die Shtil vergewissern, dass sämtliche der Raumsonde Rosetta fahrtgemeinde lebhaft begrüßt wird, rüsten sich – wie im Orbit um den Kometen mit dem Lander auf der Oberfläche. 2003 spacexpress chronik 5 Das Raumfahrtjahr 2003

nicht anders zu erwarten war – bereits die Atomkraft- das Raumfahrzeug über das NASA Kommunikations- gegner, um dem Vorhaben den Garaus zu machen. Netzwerk. In den nächsten Tagen wird die Funktionsfähigkeit des 24. Januar Satelliten eingehend geprüft. Dabei werden die Instru- NASA heuert Lehrer für den Weltraum an mente von SORCE nacheinander eingeschaltet und Die amerikanische Raumfahrtbehörde hat am ver- getestet. Wenn alles in Ordnung ist, wird der Satellit gangenen Dienstag in Gegen- etwa drei Wochen nach dem Start mit seiner wissen- wart von NASA Administrator schaftlichen Arbeit beginnen. Aufgabe von SORCE ist Sean O‘Keefe und Präsidenten- es, den Einfluss der Sonne auf die Erdatmosphäre, auf gattin Columba Bush das so die Ozon-Schicht, die atmosphärische Zirkulation und genannte „Educator Wolkenbildung und auf die Meeresströmungen zu un- Program“ gestartet. Im Rahmen tersuchen. dieses Programms sollen in der Astronautenselektion des Jahres 29. Januar 2004 zwischen drei und sechs Vier neue Wettbewerber im X-Price Lehrer ausgewählt werden. Barbara Morgan, Vier weitere Teams sind jetzt von der Jury des X-Price Diese Lehrer werden dann zu Educator Astronaut. Wettbewerbs offiziell zur Teilnahme zugelassen worden. aktiven Astronauten ausgebil- Sie stoßen damit zu den bereits 20 gemeldeten Mann- det. Ab dem Jahre 2005 wird dann jeweils einer dieser schaften, die auf der Jagd nach Lehrer an einem Raumflug teilnehmen. Gegenwärtig den 10 Millionen Dollar Preisgeld befindet sich allerdings schon eine Lehrerin als Astro- sind. Bei den neuen Teams han- nautin bei der NASA, nämlich Barbara Morgan, die im delt es sich um eine israelische November an Bord der Columbia zur Internationalen Gruppe und drei amerikanische Raumstation fliegen soll. Bewerber. Die „Educator Astrounauts“ sollen neben der normalen Die X-Price Foundation wird wissenschaftlichen Tätigkeit eines Astronauten jeweils demjenigen Team 10 Millionen auch aktiv aus dem Orbit lehren. Dazu werden sich Dollar überweisen, dem es als Schulen aus dem ganzen Land in die jeweilige Mission Künsterlische Darstel- erstem gelingt, auf privater Ba- eines „Educator “ einschalten. Mit diesem lung von Negev 5. sis ein Raumfahrzeug für drei Programm will die amerikanische Regierung die Begeis- Personen zu bauen, mit diesem Vehikel mindestens 100 terung von Kindern und Jugendlichen für Wissenschaft Kilometer hoch zu fliegen und diesen Flug innerhalb von und Technik stärker fördern. 14 Tagen zu wiederholen. Die Offiziellen des X-Price Wettbewerbs gehen davon aus, dass der Preis in den 27. Januar nächsten ein bis zwei Jahren gewonnen werden wird. SORCE erfolgreich in der Umlaufbahn NASAs SORCE-Satellit („Solar Radiation und Climate Der X-Price wurde im Jahre 1995 gegründet. Leitmotiv Experiment“) wurde am Samstagnachmittag mit einer ist es, die Entwicklung eines preiswerten wieder ver- Pegasus XL Rakete über dem Atlantik gestartet. Die wendbaren bemannten Raumfahrzeuges zu initialisieren. Pegasus ist das einzige Trägersystem der Welt, das von Keines der gemeldeten Teams hat bislang einen Qualifi- einem Flugzeug aus den Orbit ansteuert. Der Abwurf kationsstart durchgeführt, jedoch stehen einige inzwi- vom Lockheed L-1011 „Stargazer“ Trägerflugzeug er- schen kurz vor Beginn der ersten Testflüge. folgte um 15:14 Uhr osta- Bei den neuen Teams handelt es sich um: merikanischer Ortszeit. 5 Sekunden nach dem Drop „American Astronautics Corporation“ aus Oceanside, zündete das Triebwerk der Kalifornien: Ihr Fahrzeug namens „Spirit of Liberty“ ist ersten Stufe, und 10 Minu- eine vertikal startende konventionelle Rakete mit einer ten und 46 Sekunden später Landekapsel, die im Wasser niedergehen soll. war das Raumfahrzeug im „Aerospace Technologies“ aus Israel. Sie konstruieren Orbit. Kurz danach wurde die „Negev 5“, eine nahezu kugelförmige Rakete, die von der Satellit von der Rakete einem Stratosphärenballon in 35 Kilometer Höhe getra- freigegeben und wenige Se- Künstlerische Darstellung gen wird und erst von dort auf ihre suborbitale Bahn des Satelliten SORCE. kunden später meldete sich startet. Die Landung erfolgt an einem Fallschirm. 6 spacexpress chronik 2003 „“ aus Mojave, Kalifornien: Diese Februar Gruppe will den Preis mit ihrem zweistufigen „Neptu- ne-Solaris Space Liner“ gewinnen, und 3. Februar „Micro-Space Incorporated“ aus Denver, Colorado. Sie Katastrophe bei der Landung arbeiten an der „Crusader X“, ebenfalls einer vertikal Shuttle Columbia explodiert. startenden Rakete. Alle sieben Astronauten tot Die amerikanische Raumfahrt ist von einer entsetzlichen 31. Januar Katastrophe getroffen worden. Die Raumfähre Columbia Vertrag für den Bau von verunglückte am 1. Februar bei der Rückkehr von einer 16- „-Express” unterzeichnet tägigen Forschungsmission beim Wiedereintritt in die Erd- In Paris unterschrieben Vertreter des europäischen atmosphäre. Alle sieben Astronauten kamen ums Leben. Raumfahrtkonzerns Astrium und der Europäischen Der Shuttle sollte nach Beendi- Weltraumorganisation ESA den Vertrag für Entwick- gung eines 16-tägigen Forschungs- lung und Bau der Raumsonde „“. Das programms am Samstag um 15:16 Vertragsvolumen umfasst 82,4 Millionen €. Die deut- Uhr mitteleuropäischer Zeit auf schen Astrium-Werke sind maßgeblich am Bau beteiligt. der Landebahn des Kennedy Das Fahrzeug soll im November 2005 vom russischen Space Center aufsetzen. Doch so- Weltraumbahnhof Baikonur (Kasachstan) mit einer weit kam es nie. Hier eine kurze Sojus-Fregat-Rakete auf ihre nur fünfmonatige Reise Schilderung der letzten Minuten geschickt werden. der Columbia: Zwei Venus-Jahre lang (500 Erdtage) soll die Sonde Das Drama begann um 14:53 dann die Atmosphäre dieses heißesten Planeten im Uhr mitteleuropäischer Zeit, nur Sonnensystem auf Struktur, Zusammensetzung und 22 Minuten vor der geplanten Dynamik untersuchen. “Venus Express” mit seinen Landung, als die Columbia die sieben wissenschaftlichen Instrumenten an Bord wird kalifornische Pazifikküste in Rich- den zweiten Planeten unseres Sonnensystems in einer tung Osten überquerte. Die Höhe zwischen 250 und 66.000 Kilometern umrunden, Flughöhe betrug zu diesem Zeit- und zwar auf einer Bahn, die direkt über die Pole führt. punkt etwa 80 Kilometer, die Ge- Die Wissenschaftler erhoffen sich von den Ergebnissen schwindigkeit etwa 22.000 Stun- auch Rückschlüsse auf die langfristige Klimaentwicklung denkilometer. Die Sensoren im der Erde. Fahrwerksschacht zeigten einen stetigen und steilen Temperatu- Die extrem kostengünstige und schnelle Entwicklung ranstieg an. Noch in der selben von “Venus Express” wird durch die Wiederverwen- Shuttle Columbia in Trümmern. Minute fielen vier Sensoren an dung des Satellitendesigns von “Mars Express” sowie den Klappen des linken Flügels aus. durch die Nutzung von Reservebauteilen von “Mars Express” und der Kometensonde „Rosetta“ erreicht. Um 14:54, die Columbia überflog gerade die Grenze Auch für diese beiden Vorhaben liegt die industrielle zwischen Kalifornien und Nevada, begann die Tempera- Führung bei der Astrium. tur an der Verbindungslinie zwischen Rumpf und linkem Flügel stark anzusteigen. Astrium Frankreich ist der industrielle Hauptauftrag- nehmer, während die britische Astrium für den Satel- Um 14:58, über New Mexiko, erhöhten sich die aero- litenbus verantwortlich zeichnet. Der Astrium-Standort dynamischen Widerstandslasten auf der linken Seite des Ottobrunn bei München ist verantwortlich für den Orbiters. Das Lageregelungssystem versucht diese Drift Solargenerator, während der Massenspeicher und die auszugleichen. Hochspannungsversorgung für das Übertragungssystem Ebenfalls um 14:58 Uhr fielen die Sensoren für den Reifen- der Sonde aus Friedrichshafen stammen. Der Schub für druck und die Reifentemperatur im linken Fahrwerk aus. den Satelliten kommt aus dem Astrium-Werk Lam- poldshausen bei Heilbronn. Dort werden die acht 10 Ab 14:59 nahm der aerodynamische Widerstand links Newton-Lageregelungstriebwerke und das 400 New- sehr schnell weiter zu. ton-Haupttriebwerk gefertigt. Diese letzte Kommunikation mit der Crew fand um 14:59:22 statt. Sekunden danach zerbrach die Columbia

2003 spacexpress chronik 7 Das Raumfahrtjahr 2003

in 61 Kilometer Höhe, bei einer Geschwindigkeit von der Struktur in der Nähe des Fahrwerksschachtes 17.000 Stundenkilometer. begann. Es scheint sich jetzt eher um einen generel- len Temperaturanstieg in einer größeren Zone zu Die Trümmer der Columbia regneten über vier Bundes- handeln, und das wäre äußerst rätselhaft. „Es gibt staaten auf einer mehr als 200 Kilometer langen Linie da etwas, das wir noch nicht verstanden haben“, zwischen den Orten Palestine in Texas und Fullerton sagte Shuttle-Programmchef Ronald Dittemore. in Louisiana.

Die Columbia war der Orbiter mit der größten akkumu- Was den Aussentank selbst betrifft: Der eingesetzte lierten Flugzeit gewesen. Bei ihren 28 Einsätzen war sie Tank war der letzte einer älteren Generation von mehr als 300 Tage im Weltraum gewesen. Aussentanks. Dieser Typ, der „Lightweight External Tank 86“ sollte nach diesem Flug nicht mehr eingesetzt Die Shuttle-Flotte der NASA ist jetzt auf drei Einheiten werden. geschrumpft. Die Discovery, die in den 18 Einsatzjahren bislang 30 mal geflogen ist, und dabei 242 Tage im Welt- 5. Februar raum war, die Atlantis mit 26 Einsätzen in 18 Jahren und Immer mehr Trümmer werden gefunden, ISS- 220 Flugtagen und die Endeavour mit 19 Einsätzen in 11 Crew im Orbit gestrandet aber nicht in Gefahr Jahren und einer Gesamt-Flugzeit von 207 Tagen. Der Ablauf der Columbia-Katastrophe wird für die Untersuchungskommission derzeit immer unklarer. In- 4. Februar zwischen wurden Teile des Shuttle auch in den Bundes- Columbia Katastrophe: staaten Kalifornien und Arizona gefunden. Das würde Suche nach dem „Missing Link“ bedeuten, dass das Auseinanderbrechen der Raumfähre Schien in den ersten Stunden und Tagen die Ursache für offensichtlich wesentlich früher begann, als zunächst ge- die Columbia-Katastrophe bereits ziemlich klar zu sein, gibt dacht. Sollte es sich erweisen, dass es Teile des Flügels es nun erste Zweifel an dieser Theorie. Zunächst war die oder der Hitzeschutzkacheln sind, die dort gefunden NASA davon ausgegangen, dass ein vereistes Bruchstück wurden, dann würde dies den Vorfall beim Start, als der Thermalisolierung des großen Aussentanks auf die ein Stück abgebrochenen Isolierschaums den Flügel linke Flügelunterseite in Höhe der Fahrwerksabdeckung traf, in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen. geprallt sei, und dabei eine oder mehrere der Hitzeschutz-

kacheln herausgeschlagen habe. Rätselhaft ist, wie es zu einem so schnellen Bruch der Inzwischen ist die NASA Struktur des Orbiters kommen konnte, obgleich der mit den Analysen jedoch Temperaturanstieg zwar deutlich, aber doch mäßig war, weiter vorangekommen, nämlich nur etwa 50 Grad Celsius in fünf Minuten. und das Bild, das sich ergibt, In der Zwischenzeit fand ge- wird wieder rätselhafter. Es stern in Houston die Trau- wurde ermittelt, dass das erfeier für die Besatzung der Bruchstück, das sich vom Columbia statt. Anwesend Aussentank gelöst hat, et- Beim Start der Columbia waren neben Präsident Bu- wa 60 x 40 x 15 cm groß löste sich ein Bruchstück von sh und NASA Administrator war, und etwa 1,3 kg gewo- der Tankisolierung und schlug Sean O‘Keefe auch viele Mit- gen haben muss. Ein Stück auf dem linken Flügel auf. glieder des Kongresses sowie dieser Größe kann aber, Die Frau von Rick Husband das komplette Astronauten- laut NASA, nur sehr begrenzten Sachschaden anrichten, auf der Trauerfeier in Houston. corps der NASA. und keinesfalls eine Kachel vollständig absprengen. Mehr noch, die Analysen haben inzwischen ergeben, dass auch Die Besatzung der Internationalen Raumstation sieht beim vollständigen Fehlen mehrerer Kacheln im fraglichen jetzt einer unbestimmten Zukunft entgegen. Gestern Bereich zwar ein leichter struktureller Schaden am Shuttle erreichte immerhin der unbemannte russische Trans- entstanden, eine sichere Landung aber nicht in Frage ge- porter „Progress M 47“ den Außenposten und brachte stellt worden wäre. Versorgungsgüter und Ersatzteile zur Station. Damit ist der Aufenthalt der derzeitigen Crew, bestehend Die von den Sensoren ermittelten Wärmeanstiege sind aus den beiden Amerikanern Kenneth Bowersox und zwar auch signifikant, jedoch nicht katastrophal. Die Donald Pettit sowie dem Russen Nikolai Budarin, bis NASA überprüft momentan die zunächst getroffene etwa Anfang Juni gesichert. Es werden jetzt Optionen Aussage, dass das Unglück mit einem Durchschmelzen erwogen, die es ermöglichen, den Betrieb der Station 8 spacexpress chronik 2003 auch dann aufrecht zu erhalten, wenn der Shuttle für ren so vollkommen eisfrei wie selten zuvor. Auch Bilder längere Zeit ausfällt. In diesem Fall könnten theoretisch der Tracking-Kameras, die beim Start hoch auflösende die russischen Sojus-Kapseln die Mannschaften zur ISS Bilder gemacht haben, wurden in der Zwischenzeit aus- bringen. Problem ist nur, dass aus Geldmangel die Pro- gewertet. Auf diesen Bildern ist klar zu erkennen, dass duktion dieser Kapseln stark reduziert wurde. Für dieses das abfallende Stück Isolierung keinerlei erkennbare Jahr waren lediglich zwei Sojus-Kapseln geplant, die als Schäden verursacht hat. Rettungsboote für die Crew zur ISS gebracht werden Der Astronaut Michael Mullane berichtete von einem sollten. Die Orbit-Lebensdauer der Sojus ist für ein Flug mit der Atlantis im Jahre 1988, als die Fallschir- halbes Jahr zertifiziert. Das heißt, diese Kapseln müssen mabdeckung des linken Feststoffboosters brach, auf alle sechs Monate in so genannten „Taxi-Missionen“ aus- den Shuttle prallte und mehrere hundert Kacheln getauscht werden. Der nächste Start für einen solchen beschädigte, ohne dass der Orbiter einen anderen Taxi-Flug ist momentan für April geplant. Schaden davontrug, als dass die Kacheln erneuert wer- den mussten. „Ich bin absolut geschockt von der Vor- 6. Februar stellung“, so sagte er vorgestern, „dass dieses kleine Columbia-Desaster: Hitzeschild war intakt – leichte Teil einen Orbiter in den Untergang bringen Erste Vermutungen scheiden aus. könnte. Es brechen bei praktisch jedem Start Teile Während die weltweite Boulevardpresse den Schul- der Isolierung ab. Sie ist nur auf den Tank aufgesprüht, digen für das Columbia Desaster schon gefunden hat, relativ bröselig, und das schlimmste, was bisher pas- nämlich die abbrechende Tankisolierung und die da- sierte, war, dass es ein paar vernachlässigenswerte durch verursachte Beschädigung einer oder mehrerer Kratzer auf den Hitzekacheln gab“, erzählte er weiter. Kacheln des Hitzeschildes, wird dieser Fall unter Fach- In der Zwischenzeit untersucht die US-Raumfahrtbe- leuten als zunehmend unwahrscheinlich betrachtet. Die hörde auch eine Reihe alternativen Szenarien, wie z.B. Isolierung kann sich auch nicht mit Wasser voll gesogen die Möglichkeit, dass die Fähre von einem Meteoriten haben, welches dann zu Eis wurde, wie häufig vermutet oder von Weltraumschrott getroffen wurde. wurde, denn dieser Isolierschaum ist komplett wasser- dicht. Es muss vielmehr eine Äußerst rätselhaft ist außerdem, dass zwar inzwischen ganz andere und bislang noch mehr als 2000 Teile der Columbia gefunden wurden, kei- unentdeckte Ursache geben, nes davon aber vom linken Flügel stammt. Dies schließt die den Absturz der Colum- auch die Hitzeschutzkacheln des linken Flügels mit ein. bia auslöste. Man konzentriert sich jetzt zusehends auf das eigen- Praktisch bei jedem Flug wer- artige Flugverhalten in den letzten acht Minuten vor den Kacheln beschädigt oder der Katastrophe. Eine noch unbekannte Kraft zog den Ein Stück der Tank- völlig abgesprengt. Das Sy- Orbiter immer mehr nach links, worauf die Steuerungs- Isolierung. Es ist so stem ist aufgrund seiner Aus- triebwerke versuchten, die Nase des Shuttle auf der leicht wie Styropor. legung robust und in hohem exakten Fluglinie zu halten. Der „Zug“ nach links wurde Masse fehlertolerant. Eine aber immer stärker, bis schließlich die Kraft des „Reac- Statistik der ersten 50 Shuttle-Flüge ergab beispielswei- tion Control Systems“ nicht mehr ausreichte, um den se, dass die geringste Beschädigung bei 3 Kacheln lag, die Orbiter auf Kurs zu halten. Er scherte nach links weg, höchste bei 150 beschädigten oder fehlenden Kacheln. dadurch wurden schlagartig Bereiche (in der Gegend Im Schnitt sind es ca. 25 Kacheln, die pro Flug entweder der weißen Kacheln), die normalerweise nie im Bereich beschädigt werden oder völlig fehlen. der Extrem-Hitze liegen, den mörderischen Tempera- turen ausgesetzt. Auch die dynamischen Lasten stiegen Auch der Bericht des so genannten „Ice-Teams“ liegt in dieser Phase dramatisch an. in der Zwischenzeit vor. Dies ist eine Gruppe von Technikern, die etwa zwei Stunden vor dem Start den Die Auswertung dieser Phase läuft noch, und der Fokus gesamten Orbiter auf die mögliche Bildung von Eis auf der Ermittlung konzentriert sich damit auf die Restau- der Außenhaut untersucht. Dies kann bei niedrigen rierung der letzten 32 Sekunden der Flugdaten, bzw. Temperaturen in Verbindung mit hoher Luftfeuchtigkeit eventueller Meldungen der Besatzung selbst, die nur geschehen. Man muss sich dabei vor Augen halten, dass noch verstümmelt ankamen. In dieser letzten halben sich im Tank immense Mengen superkalter Flüssigkeiten Minute sendete der Orbiter noch Daten und mögli- befinden, die solch eine Eisbildung begünstigen können. cherweise auch Sprechfunk. Diese Daten konnten im Das „Ice-Team“ fand am Starttag der Columbia jedoch Kontrollzentrum in Houston aber nicht mehr angezeigt genau das Gegenteil vor: Tank, Orbiter und Booster wa- werden, weil sie fragmentarisch und stark beschädigt 2003 spacexpress chronik 9 Das Raumfahrtjahr 2003

waren. Sie sind derzeit in einer NASA Facility in White Noch sind zu viele Möglichkeiten offen, mit denen sich Sands gespeichert. Experten versuchen nun, diese Da- wild spekulieren lässt. So kann z.B. auch in der späteren tenbruchstücke zu restaurieren. Startphase eine Kollision mit dem Shuttle erfolgt sein, etwa bei Abtrennen der Feststoffbooster oder des 7. Februar Tanks. Möglich wäre auch ein Problem bei den War- Columbia: Beschädigung tungsarbeiten am Shuttle vor dem Start, das unbemerkt des linken Flügels beobachtet geblieben ist, oder Materialermüdung an diesen Hal- Neue Wendung in den Untersuchungen zum Absturz tebolzen (obgleich das strukturell nur gering belastete des Orbiters Columbia: Auf Bildern, die von einem Teile sind). Helikopter mit einer hoch auflösenden Kamera von der In der Zwischenzeit wird Raumfähre Columbia gemacht wurden, sollen deutliche auch eine Notfallplanung Beschädigungen am linken Flügel erkennbar sein. Die für die Besatzung der Bilder entstanden ca. 60 Sekunden vor dem Auseinan- Internationalen Raum- derbrechen des Orbiters, als sich die Fähre hoch über station ISS in Angriff Texas befand. genommen. Eines der Angeblich ist auf diesen Fotos deutlich zu erkennen, dass momentan favorisierten die Flügelkante „gezahnt“ oder ausgebrochen ist, und Szenarien ist es, eine nur zwar auf einer Stelle, die sich nahe der Verbindungsli- zweiköpfige „Contin- Festgenommene „Andenken- jäger“ in Texas. nie zum Rumpf befindet. Die Bilder zeigen außerdem, gency-Crew“ mit einer dass das Lageregelungssystem des Orbiters permanent Sojus im Mai zur Station zu schicken, und die bisherige feuert, um das Fahrzeug auf Kurs zu halten. Dieses Bild Besatzung mit dem derzeit an der Station befindlichen würde die vorliegenden Telemetriedaten bestätigen. Sojus-Rettungsboot zur Erde zurückkehren zu lassen. Es zeigt, dass an dieser Stelle entweder ein Bruch an der 9. Februar Flügelstruktur erfolgt sein muss, oder dass einer oder Columbia-Untersuchung: Seltsames Verhalten des Militärs Eine Woche nach dem rätselhaften Absturz der Raum- fähre Columbia ist der Strom neuer Informationen na- hezu versiegt. Shuttle Manager Ronald Dittemore zeigt sich bei seinen täglichen Pressekonferenzen mehr und mehr frustriert. Tatsache ist, dass man heute weniger als vor einer Woche weiß, warum die Columbia bei einer Flügel der Columbia im Vergleich. Geschwindigkeit von 18.000 Stundenkilometer 60 Kilo- meter über Texas auseinander gebrochen ist. Die groß mehrere der Hitzekacheln der Flügelvorderkante abge- angekündigten Fotobelege für die Beschädigung der Co- fallen waren. Der Schaden befindet sich exakt an dem lumbia haben sich als relativ dünn herausgestellt. Bereich, in dem die Hitzeschutzfläche von geklebten Die am Freitag mit großem Medienrummel angekündi- Kacheln auf „verbolzte“ Kacheln übergeht. Auf der Un- gten „hoch auflösenden“ Bilder von den Beschädigungen terseite des Orbiters und auf der Oberseite werden die am linken Flügel der Columbia (siehe Bild links) sind eine Hitzeschutzkacheln ín einem aufwendigen Spezialver- Enttäuschung. Ron Dittemore sagte noch vorgestern, fahren aufgeklebt, an der Flügelvorderkante werden die dass auf diesen Bildern genau zu sehen sein sollte, dass dort befindlichen U-förmigen Kacheln dagegen mit Bol- es zu Strukturschäden am linken Flügel der Columbia zen befestigt. Die Kacheln haben einen geringen Abstand gekommen ist. Gestern musste er nun eingestehen, dass voneinander, der mit Dichtungsmasse aufgefüllt ist. Details auf dem grobkörnigen Bild bestenfalls erahnt Eher widerwillig als überzeugt wenden sich die Ingeni- werden können. Die Bilder stammen angeblich von der eure nun wieder dem vom Tank abgefallenen Isolier- „Air Force Optical Range“ der Kirtland Airforce Base schaum zu, ohne allerdings recht zu glauben, dass ein in New Mexico, die von der Columbia während des so leichtes Teil einen derart schweren Schaden verur- Landeanflugs überflogen wurde. Man kann auf dem sachen könnte. Dies umso mehr, als Bilder vom Start Foto immerhin einiges interpretieren: Der linke Flügel zeigen, dass dieses Schaumstück offensichtlich keinen könnte tatsächlich irgendeine Art von „Zackung“ auf- Schaden angerichtet hat. weisen, und es wäre möglich, dass die Columbia auf diesem Foto etwas hinter sich herzieht. Wirklich aus- 10 spacexpress chronik 2003 eine ganze Reihe militärischer Missionen benutzt wurde. Seit über einem Jahrzehnt finden aber nur noch rein zi- vile Flüge statt, und die Columbia kam überdies erst vor kurzem aus der Grundüberholung, bei der angeblich alle nicht mehr notwendigen Teile früherer Einsätze entfernt worden sind. 2. Zum Leiter der Untersuchungskommission wurde ein Militärangehöriger benannt, Admiral Harold W. Geh- mann. Auch alle weiteren Positionen nehmen entweder NASA-Angehörige oder Militärpersonal ein. Es wurde niemand etwa aus der zivilen Luftfahrtbehörde für diesen Posten eingesetzt, die ja ständig erfolgreich und routiniert Absturzuntersuchungen durchführt. Die ers- te Maßnahme dieses nunmehr militärisch bestimmten so „Hochauflösendes“ Bild der US-Air Force von den Beschädigungen der Columbia. genannten „Accident Investigation Board“ war es denn auch, die bisherige relativ offene Informationspolitik zu- sagekräftig ist das alles aber nicht. Fragen wirft aber der rückzufahren. So wurden die bislang von Ron Dittemore immer stärkere Einfluss des Militärs bei der Bergung täglich durchgeführten Presse-Informationen abgesetzt, der Columbia-Trümmer, bei der Leitung der Untersu- und auf „ein bis zwei wöchentliche“ Briefings gekürzt. chungen, und – man kann es nicht anders ausdrücken 3. Die „Air Force Optical Range“ der Kirtland Airforce – beim Unterdrücken von Informationen auf. Die ame- Base in New Mexico – welche die neuen Bilder der rikanische Presse eiert um die entscheidende Fragestel- Columbia geliefert haben soll (und nicht wie tagelang lung in einem seltsam anmutenden Tanz herum wie die angekündigt, ein Hubschrauber der Army) – hat die Katze um den heißen Brei. Beleuchten wir einmal die wahrscheinlich stärkste Bahnverfolgungsoptik der Welt, wichtigsten Fragen: ein adaptierbares 3.5 m – Spiegelteleskop, einem so 1. Gleich nach dem Absturz wurde die Bevölkerung da- mächtigen Instrument, dass man aus 100 km Entfernung vor gewarnt, gefundene Teile der Columbia anzufassen noch eine Fliege auf der Columbia hätte sehen müssen. und aufzuheben. Begründung: sie könnten „kontami- Der Shuttle flog beim Eintritt in die Erdatmosphäre niert“ sein. Diese Maßnahme scheint einem verständi- fast genau über diese Facility hinweg. Warum, so muss gen Beobachter zunächst einmal sinnvoll. Die NASA will man sich fragen, sind die Bilder dann so schlecht. Die damit verhindern, dass „Katastrophentouristen“ und vorliegende Bildqualität hätte man akzeptiert, wenn sie Schnäppchenjäger sich Trümmerstücke aneignen, um tatsächlich aus einem vibrierenden Hubschrauber mit sie später zu verkaufen. Eine unbeschädigte Columbia einem in der Hand gehaltenen Teleobjektiv aufgenom- hätte ebenfalls ein gewisses toxisches Potential in sich, men worden wäre. Die Optical Range der Air Force denn als Treibstoff für die Lageregelungs- und Apogä- müsste aber wesentlich besseres Material liefern. umsmotoren sowie für die Gasturbinen benutzen die 4. Von allen Bahnverfolgungskameras, die beim Start der amerikanischen Shuttles Hydrazin, das eine vorsichtige Columbia eingesetzt wurden, es sind etwa ein Dutzend, Handhabung erfordert. Bei einer derart heftigen Zer- ist – laut Dittemore – ausgerechnet die Kamera, welche störung kann jedoch mit Sicherheit davon ausgegangen am besten die potentiellen Beschädigungen durch die werden, dass auch die letzten Spuren dieses Treibstoffs Tankisolierung hätte zeigen können, „bedauerlicherwei- explodiert sind, und es mithin keine Komponente gibt, se „out of focus“ gewesen, die Bilder sind mithin ver- die für irgendeinen zufälligen Finder von Gefahr ist. schwommen. Alle anderen Kameras hätten dagegen ein- Zunächst aber wurde in einigen Publikationen eine Mel- wandfrei funktioniert. dung dazu nachgeschoben, die nur einmal erschien, und danach nicht wieder aufgegriffen wurde: Die Columbia scheint eine Art „Daten-Zerhacker“ an Bord gehabt zu haben, ein Chiffriergerät, von dem man verhindern will, dass es „Spionen“ in die Hände fällt. Der Umstand, dass sich so etwas an Bord befindet, ist zunächst nicht so geheimnisvoll, wie es scheint, denn es gilt zu bedenken, dass die Shuttle-Flotte in den ersten Einsatzjahren für Überrest der Columbia.

2003 spacexpress chronik 11 Das Raumfahrtjahr 2003

5. Während der ganzen Woche verkündete Ron so schwerwiegend sind, Dittemore, dass in einer Datenbank der Luftwaffe in dass eine ständige Be- White Sands noch 32 Sekunden an Daten gespeichert setzung der Station, sind. Daten, die nach dem letzten Funkspruch, der in wenn irgend möglich, Houston aufgezeichnet wurde, noch von der Columbia die bessere Option gesendet wurden. Gestern nun erklärte die Luftwaffe, ist. Insbesondere die das sei falsch interpretiert worden. Es seien nicht Da- Tatsache, dass sich die ten für 32 Sekunden vorhanden, sondern nur für eine Station derzeit – in einzige Sekunde. Und diese einzige Sekunde an Daten der mittleren Phase Die Expedition 6 crew der ISS. wäre 31 Sekunden nach dem letzten Ruf der Colum- ihrer Errichtung – auf Von links nach rechts: Donald bia-Astronauten übermittel worden. Erläutert wurde einer relativ niedrigen Pettit, Commander Bowersox und Nikolai Budarin. das damit, dass es in der Wiedereintrittsphase der Umlaufbahn befindet, Columbia, während sich das Raumschiff in einem Ka- macht Kopfzerbrechen. nal hoch ionisierter Gase befindet, kein Bodenkontakt Aber Bowersox, Pettit und Budarin können auch nicht möglich sei (was stimmt). Alle Datenübermittlung muss unbegrenzt lange oben bleiben. Es gibt Grenzen seitens in dieser Phase über die TDRS-Datenrelay-Satelliten der der Versorgung der Astronauten, und es gibt physiolo- NASA oder der Air Force laufen (was ebenfalls stimmt). gische Grenzen. Die Güter an Bord reichen derzeit bis Ebenfalls richtig ist, dass es in dieser Phase wegen des Ende Juni, und die Besatzung sollte nicht länger als maxi- aufgeheizten Luftstromes um die Fähre herum durchaus mal ein Jahr im Weltraum bleiben. zu Problemen in der Funk-Übermittlung kommen kann. Zunächst einmal besteht noch keine Gefahr. Vor All das mag sein, warum den Militärs das aber erst nach wenigen Tagen legte ein russisches Progress-Versor- einer Woche Bedenkzeit einfällt, ist mehr als seltsam. gungsfahrzeug an der Station an, und damit ist die Zusammenfassend kann man sagen: Die Wahrschein- Versorgung der Besatzung bis weit in den Juni gesichert. lichkeit, dass es zu einem oder zwei der geschilderten Eine weitaus größere Menge an Gütern wäre in den ers- Vorkommnisse „zufällig“ kommt, ist nicht von der Hand ten März-Tagen eingeplant gewesen, wenn der Shuttle zu weisen. Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass alle- Atlantis unter dem Kommando von Eileen Collins zur samt auf einmal eintreffen, ist dagegen sehr gering. Station hätte fliegen sollen. Bei diesem Flug wäre auch die Besatzung auszutauschen gewesen. Dabei sollten Und es gab an diesem Sonntag auch ein allerneuestes Juri Malenchenko, Alexander Kaleri und Edward Lu die Gerücht: Eine unbenannte militärische Quelle berichtet, Station für die nächsten vier Monate übernehmen. Jetzt dass sich offensichtlich während der Mission ein Teil von tritt das ein, was die NASA etwas euphemistisch eine der Columbia gelöst habe. Es sollen angeblich Radar- „extended tour of duty“ für die gegenwärtige Besatzung daten vorliegen, dass sich etwa 24 Stunden nach dem beschreibt. Tatsächlich ist es eine Tour ins Ungewisse. Start, am 17. Januar, ein Teil mit einer Geschwindigkeit von etwa 5 Metern pro Sekunde vom Shuttle wegbe- Im Prinzip bestünde die Möglichkeit, dass die Crew der wegt habe. Die Glaubwürdigkeit einer solchen Infor- nächsten „Sojus-Taxi-Mission“ an Bord kommt, und die mation sollte in jedem Fall äußerst vorsichtig behandelt bisherige Crew mit dem derzeit angedockten Sojus- werden. Die Shuttles führen routinemässig so genannte Rettungsboot landet. Der Mannschaftsaustausch würde Water-Dumps durch, bei denen Abwasser über Bord dann wie bei den früheren Flügen zur Raumstation Mir gepumpt wird. Möglicherweise wurde hier nur ein sol- verlaufen. Es gibt nur drei Nachteile: Erstens ist die So- ches Ereignis angemessen. jus-Taxi-Crew nicht für die derzeitigen Anforderungen der Raumstation trainiert. Ein solches Training ist nor- 10. Februar malerweise nicht unter einem Jahr zu machen. Dann ist Wer holt die ISS Crew zurück? das derzeit angedockte Sojus TMA-1 Rettungsfahrzeug Wie mag es Ken Bowersox, Donald Pettit und Nikolai das erste seiner Art, und die russische Weltraumbehör- Budarin momentan ergehen? Diese drei Astronauten de würde sich wahrscheinlich wohler fühlen, wenn es sitzen derzeit in der Internationalen Raumstation fest, von einer geschulten Spezialbesatzung in Kasachstan und haben keine Möglichkeit, „regulär“ zur Erde zu- gelandet wird. rückzukommen. Gewiss, sie verfügen über ein Sojus- Man könnte natürlich die Bedenken bezüglich der Rettungsboot, aber dieses zu benutzen, würde bedeu- Landung von Bowersox, Pettit und Budarin beiseite ten, die Raumstation aufzugeben. Im Prinzip ist es auch wischen, diese mit Sojus TMA-1 landen lassen (schließ- tatsächlich möglich, die Station einzumotten, aber das lich hat es seit dreißig Jahren keinen Lande-Unfall mit bringt eine ganze Reihe von Unwägbarkeiten mit sich, die 12 spacexpress chronik 2003 einer Sojus gegeben), und dann könnte man die nächste wieder ins Spiel gebracht werden. So wird die Mete- Stammbesatzung der ISS in die Taxi-Sojus stecken. Aber oriten-Theorie erneut hoch gehandelt, und eine völlig auch das geht nicht so ohne weiteres: Der Grund be- neue These, wonach es bereits früher festgestellt wor- steht darin, dass Malenchenko und Kaleri kein aktuelles den wäre (beim Flug STS 50 im Jahre 1992, ebenfalls Starttraining für die Sojus haben und Lu überhaupt nicht mit der Columbia), dass bei Aufenthalten von mehr als für einen Start mit der Sojus geschult ist. zwei Wochen im Weltraum einige der Kacheln rätsel- hafte „Poren“ (pinholes) aufwiesen. Auch die Eis-Theo- Gegenwärtig wird eine weitere Option geprüft, bei der rie hat ihre Favoriten. Bei dieser Hypothese wird davon eine Raumstations- und gleichzeitig Sojus-erfahrene ausgegangen, dass sich Eis an der Flügelkante festgelegt Crew als „Housekeeper“ gestartet werden soll. Da hat, während des Widereintritts erhitzt wurde, und der bleibt nur eine einzige Alternative, und die ist extrem in- entstehende Dampf die vorderen Kacheln abgesprengt teressant: Es handelt sich um die Astronauten Sheperd, hat. Krikalev und Gidzenko. Sie bildeten die erste perma- nente Crew der ISS. Und nachdem sich von den dreien Morgen beginnt auch das erste Kongress-Hearing im derzeit nur Krikalev und Gidzenko im Training befinden, Capitol, bei dem Sean O‘Keefe den Abgeordneten Re- diese beiden aber sowohl Raumstation-Erfahrung haben de und Antwort stehen muss. Man kann mit Sicherheit als auch erfahrene Sojus-Piloten wären, und in diesem davon ausgehen, dass damit die übliche lange Phase der Fall Edward Lu als Passagier mitfliegen könnte, wäre Agonie mit Schuldzuweisungen und Unterlassungsbe- damit auch die Notfallbesatzung klar. Damit hätte man hauptungen beginnen wird. Auch der eben verabschie- eine hoch erfahrene Crew, denn alle drei Astronauten dete NASA-Haushalt für das nächste Jahr dürfte nach haben zusammen mehr als ein Dutzend Raumflüge dem Unfall der Columbia absolviert. reine Makulatur sein. Die- ser Finanzplan ging noch von Und auch in Sachen Columbia-Absturz gibt es heute einem äußerst gemächlichen wieder eine neue Theorie: Es besteht die Möglichkeit, Entwicklungstempo beim dass bei einem defekten Wasser-Dump-Mechanismus Shuttle-Nachfolger aus, der am Shuttle (dabei wird überschüssiges Wasser aus der irgendwann nach dem Jahre Produktion der Brennstoffzellen über Bord gepumpt) 2010 seinen Erstflug haben sich an der Flügelvorderkante abgelagert, und bei der sollte, und erste bemannte Erwärmung während des Wiedereintritts dort die Ka- Regen und kaltes Wetter behin- Flüge irgendwann nach 2012 dern die Sucharbeiten in Texas. cheln abgesprengt hat. Zu Eisbildung am Dump-Mecha- vorsah. nismus ist es jedenfalls schon früher gekommen, wobei die Eisklumpen bis zur Basketball-Größe angewachsen Fakt ist jedenfalls: Das Raumstations-Programm kann waren. mit den drei verbliebenen Shuttles, bei einer Flugfre- quenz von fünf bis sechs Starts pro Jahr grade mal so 11. Februar eben abgewickelt werden. Es muss dabei berücksichtigt Was kommt nach dem Shuttle? werden, dass sich eine der Fähren ständig im Wartungs- 12.000 Teile der verunglückten Raumfähre Columbia zyklus befinden wird, so dass eigentlich nur zwei Shut- sind inzwischen geborgen. Die NASA wies inzwischen tles eingesetzt werden können. Jede Fähre kann etwa Vorwürfe aus Israel zurück, dass sie Fotos mit wesentlich 2-3 Flüge pro Jahr machen. Bei nur drei Fähren darf dann höherer Auflösung der Öffentlichkeit vorenthält. Die wirklich nichts mehr schief gehen. amerikanische Weltraumbehörde hatte am Wochenen- de lediglich einige verschwommene Bilder freigegeben, 12. Februar von denen behauptet wurde, sie stammten von einer mi- Columbia-Untersuchung: litärischen Bahnverfolgungs- Militär blockiert freien Fluss von Informationen Anlage in New Mexiko. Seitdem der so genannte „Columbia Accident Investi- gation Board“ die Leitung der Untersuchungen über- Ein Hinweis, dass zumindest nommen hat, ist der Informationsfluss an Journalisten die „offizielle“ NASA immer und direkt an die Öffentlichkeit drastisch eingeschränkt noch im Dunkeln tappt, ist worden. Dies wird inzwischen sogar von der weitge- die Tatsache, dass weiterhin hend linientreuen amerikanischen Presse mit Murren ständig neue Theorien ent- aufgenommen. Techniker und Ingenieure der NASA stehen, und ältere, schon Rahmen der rechten wurden angewiesen, nicht mehr mit Medienleuten zu Cockpit-Fenster. verworfene Hypothesen sprechen. 2003 spacexpress chronik 13 Das Raumfahrtjahr 2003

es den Verantwortlichen zu dämmern, dass sie mit der bisherigen, unglaubwürdigen Story keinen Stich in der Öffentlichkeit machen können. Sie zogen also die bishe- rige Geschichte, dass das gegenwärtig vorliegende Bild das beste verfügbare sei, zurück, nur um gleich darauf eine noch wildere Story aufzutischen. Robert Fugate, der Technische Dirktor von „Starfire“ behauptet nun, dass dieses Bild von Mitarbeitern der Range in ihrer Freizeit gemacht wurde. Sie hätten dazu ein handelsübliches, billiges 10-Zentimeter-Teleskop für Mitglieder des Columbia Accident Investigation Board. Amateurastronomen verwendet, und das Bild dann mit In der Mitte (gestikulierend) Admiral Gehman. einem 11 Jahre alten MacIntosh-Computer aufbereitet. Die Luftwaffen-Majore Robert Johnson, Rick Gleis und Beim gestrigen ersten Presse-Briefing des Boards war Roger Petty, ebenfalls von Kirtland, bestätigten das. Sie deutlich erkennbar, in welche Richtung die zukünftige In- meinten: „Die NASA hat uns keinen offiziellen Auftrag formationspolitik in Sachen „Columbia-Desaster“ gehen gegeben, die Columbia beim Wiedereintritt zu beobach- wird. Auf der Bühne jede Menge Militärs. Admiral Geh- ten“. Tatsächlich, so sagten sie, sei dies das „verschwom- man, der Leiter der Kommission, gab bekannt, dass die menste Foto“, das wir jemals gemacht haben. Nichts von Ursache für den Absturz vielleicht nie bekannt werden der in Kirtland verfügbaren Hochtechnologie sei dafür würde, Konteradmiral Stephen Turcotte bestätigte ihn eingesetzt worden. Es sei ein reines „Freizeitbild“. darin und Generalmajor Ken Hess, dem unter anderem die Kirtland Tracking Station untersteht, schlug in die Schon die bisherige Story war alles andere als wasser- selbe Kerbe, beeilte sich aber dann hinzuzufügen, dass dicht. Die neue Geschichte aber geradezu unglaubhaft. trotzdem selbstverständlich alles unternommen wird, Soldaten und Mitarbeiter einer ziemlich geheimen um die Absturzursache zu finden. Militäreinrichtung machen in ihrer Freizeit, quasi als Amateure, genau die gleiche Art von Bildern wie wäh- Insgesamt macht sich der Eindruck breit, dass das Militär rend ihrer Arbeitszeit, nur um viele Größenordnungen möglicherweise schon eine genaue Ahnung über den schlechter. Damit gehen sie dann unter dem offziellen Unfallhergang hat, aber nicht gewillt ist, die Öffentlich- Logo „Kirtland Tracking Station“ an die Öffentlichkeit. keit über diese Erkenntnisse zu informieren. Offensicht- Und eine Woche lang findet das Militär nichts dabei, lich besteht in der Durchführung der Aufklärung selbst diese Bilder als offizielle Fotos der Kirtland Air Base oder vielleicht sogar in der Fehlerursache ein militäri- auszugeben. scher Hintergrund, der nicht an die Öffentlichkeit soll. Schwierig in anderer Hinsicht, dafür aber wesentlich Besonders die Kirtland Tracking Range spielt eine sehr realistischer, ist die Situation um die künftige Besetzung undurchsichtige Rolle in der Geschichte. Ein grobgeras- der Internationalen Raumstation. Auch hier gibt es tertes Bild als das beste verfügbare zu bezeichnen, das täglich neue Szenarien, aber die stellen einen Meinungs- erhältlich sei, muss einen unvoreingenommenen Beob- bildungsprozess mit Hand und Fuß dar. Die russische achter nachdenklich stimmen. Die Columbia landete an Raumfahrtagentur plädiert vernünftigerweise dafür, nur einem kristallklaren Tag und flog fast genau über die Tra- eine zweiköpfige Crew mit dem nächsten Taxi-Schiff zur cking Station. Unter diesen Bedingungen müssten auch Station zu senden. Bowersox, Budarin und Pettit wür- mit den kleineren Bahnverfolgungskameras der Facility den dann mit dem derzeit an der Station angedockten Bilder entstanden sein, die zumindest bis zur Identifizie- Rettungsboot zur Erde zurückkehren. Die NASA ist rung einzelner Hitzeschutzkacheln reicht. Unter Einsatz verständlicherweise dagegen, denn eine nur zweiköpfige des besten Instrumentes, einem adaptiven 3,5 Meter Crew könnte bedeuten, dass die Station nur mit Russen Spiegel, müssten noch Einzelheiten in Zentimetergröße besetzt wird. Sie plädiert in einem leicht modifizierten sichtbar gewesen sein. Szenario dafür, dass neben Gennadi Padalka (dem desi- gnierten Kommandanten der nächsten Taxi-Mission) ein 13. Februar weiterer erfahrener Kosmonaut (etwa Sergei Krikalev) Columbia: Wird die Öffentlichkeit belogen? zur Station fliegt. Padalka würde dann zehn Tage später Die Kömodie um die Bilder der „Starfire“- Bahnver- mit Budarin und Pettit zur Erde zurückkehren, während folgung-Optik auf der Kirtland Luftwaffenbasis in New Bowersox und Krikalev an Bord der Station verbleiben. Mexiko nimmt groteske Züge an. Offensichtlich scheint Diese Variante hätte den Vorteil, dass sowohl ein Ame- 14 spacexpress chronik 2003 rikaner als auch ein Russe an Bord der Station wären. 18. Februar Bowersox und Krikalev kennen sich ausserdem sehr gut. Columbia-Kommission tritt auf Bowersox war Kommandant der Ersatzcrew für die ers- der Stelle te ISS-Besetzung. Krikalev war Mitglied der damaligen Gut zwei Wochen nach dem myste- Prime-Crew. Bowersox hat sich im übrigen schon bereit riösen Unfall der Columbia über dem erklärt, ein Jahr, oder notfalls auch länger an Bord der Himmel von Texas ist die Suche nach Station zu verbleiben. der Ursache der Katastrophe immer noch in vollem Gange. Die Szenarien Krikalev ist der derzeit erfahrenste Kosmonaut. Er hat für die Auslösung der Ereigniskette bei fünf Raumflügen (3 Sojus und 2 Shuttle-Missionen) werden dabei immer exotischer. Die bisher eine In-Orbit-Zeit von 1 Jahr, 5 Monaten und 10 Untersuchungen gehen jetzt auch Tagen kumuliert. in Richtung möglicher „Sabotage“ im Zusammenhang mit der Grund- 17. Februar Von dieser Stelle, überholung, welche die Columbia Letzte Ariane 4 erfolgreich gestartet an der Halterung erst vor relativ kurzer Zeit erhalten Am Samstagmorgen, um 8:00 Uhr mitteleuropäischer des Orbiters, hatte. Nach dieser Grundüberho- Zeit, erfolgte der letzte Start einer Ariane 4-Rakete könnte der Iso- lung, die fast eineinhalb Jahre gedau- vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou. Der lierschaum abge- ert hat, und mehr als 140 Millionen Start hatte wegen starker Höhenwinde um einige Tage brochen sein. Dollar kostete, war die Columbia verschoben werden müssen. erst einmal geflogen. Bei diesem Flug Mit dieser letzten – der Hubble Service Mission im letzten Jahr – war ein Ariane 4, der 116. ins- Fremdkörper in einer Kühlleitung festgestellt worden. gesamt, ging eine äu- Damals war erwogen worden, den Flug zu verkürzen. ßerst erfolgreiche Ära Der verringerte Kühlfluss stabilisierte sich jedoch, und in der europäischen die Mission wurde planmässig fortgesetzt. Raumfahrt zu En- Zu denken gibt der Untersuchungskommission der Um- de. Nur zwei Ariane stand, dass – entsprechend der Telemetriedaten – sich 4-Missionen schlugen Die letzte Ariane 4 beim Start Plasma im Innenraum des linken Flügels frei ausgebrei- fehl, eine davon we- am Samstag morgen. tet hat. Ein Fehlerszenario, das so etwas zulässt, kann gen menschlichen derzeit nicht konstruiert werden. Es muss ein massiver Versagens. Die letzten 74 Flüge in Folge waren allesamt Strukturbruch erfolgt sein, um so etwas zuzulassen. Das erfolgreich. Damit war die Ariane 4 das zuverlässigste kann aber kaum passiert sein, ohne dass die Besatzung Raumfahrtsystem der Welt. Insgesamt hatte die Ariane dies bemerkte. 4 über 400 Tonnen Nutzlast in den Weltraum gebracht, 182 Satelliten, um genau zu sein. Bei diesem letzten Flug Auch die Tankisolierung wird wieder genau unter die hatte die Ariane – anders als bei vielen anderen Ein- Lupe genommen. Fakt ist, dass ein größeres Stück sätzen – nur eine Nutzlast an Bord: Den 4,6 Tonnen dieser Isolierung vom Tank abgebrochen und auf den schweren Nachrichtensatelliten Intelsat 907. Flügel aufgeschlagen ist. Die Ingenieure mögen aber immer noch nicht recht glauben, dass ein Stück Schaum- Ganz anders dagegen der Nachfolger der Ariane 4, die stoff, nicht schwerer als Styropor, einen solch massiven neue Ariane 5. Dieser Träger hat bei seinen ersten Flü- Schaden anrichten kann, auch wenn es mit hoher Ge- gen eine miserable Serie hingelegt, 4 Teil- oder Vollver- schwindigkeit auf den Flügel aufschlägt. Solche Vorfälle sager bei 14 Starts. Es wird sehr viel Geld kosten, und ei- passieren nahezu bei jedem Flug, und es waren bisher nige Zeit dauern, um die Reputation des Markennamens als Folge von herab fallendem Isoliermaterial lediglich Ariane so wieder herzustellen, wie wir es von der Aria- minimale Kratzer festzustellen. So klein, dass meist nicht ne 4 gewohnt waren. Nach dem letzten Fehlstart einer einmal eine Reparatur der betroffenen Kacheln durch- neuen Version der Ariane 5 im Dezember ist die Rakete geführt worden war. für die nächste Zeit „gegrounded“. Die Arianespace will Ende März wieder einen Ver- Neben dem Hitzeschutz wird derzeit auch die Flug- such mit einer Ariane 5 in der steuerung unter die Lupe genommen, obwohl die zum Basisversion unternehmen. Boden übermittelte Telemetrie nichts Ungewöhnliches in dieser Richtung andeutete. Man muss sich vor Augen halten, dass der Orbiter beim Wiedereintritt in die

Intelsat 907. 2003 spacexpress chronik 15 Das Raumfahrtjahr 2003

Erdatmosphäre den Anstellwinkel äußerst exakt einhal- letzter Meldung. Man weiß inzwischen auch, dass sich ten muss. Eine Abweichung von mehr als einem Grad bereits vor dem Erreichen der kalifornischen Küste erste führt unweigerlich zum Verlust des Vehikels. Teile vom Orbiter ablösten. Suchmannschaften versu- chen nun, einige dieser Teile zu finden. 19. Februar Columbia verlor schon über Kalifornien Teile 26. Februar Die Columbia-Untersuchungskommission kreist mo- Columbia: Cockpit-Video gefunden mentan die Lage des Strukturbruches ein, der letztend- Wie erst jetzt bekannt wurde, hat eines der Bergungs- lich zur Katastrophe führte. Es zeichnet sich immer deut- teams vor einigen Tagen das Fragment eines Video- licher ab, dass das heiße Plasma entweder in der Gegend bandes, das die Astronautin Laurel Clark während des der inneren linken Flügelkante oder über einen Riss im Wiedereintritts in die Erdatmosphäre gemacht hat, ge- Fahrwerksschacht in das Innere des Flügels eindrang. funden. Etwa 13 Minuten des Bandes sind lesbar, aber leider sind die entscheidenden Minuten auf dem Band Gesichert scheint so beschädigt, dass diese wichtigen Daten nicht geret- auch, dass dieser tet werden können. Die Aufzeichnung beginnt um 8:35, Strukturbruch von ei- neun Minuten bevor die Columbia über Hawaii auf die ner massiven Größe oberen Ausläufer der Erdatmosphäre getroffen ist. Das gewesen sein muss. Band ist bis 8:48 Uhr lesbar, also bis vier Minuten vor Wie dieser Riss ent- dem Zeitpunkt, an dem die Schwierigkeiten begannen. standen sein kann, Auf dem Video sind Rick Husband, Willie Mc Cool und ist aber immer noch Die Unterseite der Columbia bei Kalpana Chawla zu erkennen. Zusammen mit Laurel völlig unklar. Man un- einer früheren Landung. Clark saßen sie während der Landung im Oberdeck des tersucht momentan Shuttle. Ein Stockwerk tiefer befanden sich Michael An- auch die Möglichkeit, dass sich eine Explosion im Inneren derson, David Brown und Ilan Ramon. Anders als die Pi- des Shuttle ereignet hat, und dies dann einen Riss in der loten und Calpana Chawla als Flugingenieur hatte Laurel Außenhaut verursachte. Dieser Riss muss bereits in der Clark beim Wiedereintritt keine besonderen Pflichten, ersten Phase des Wiedereintritts vorhanden gewesen und hatte deswegen wohl beschlossen, eine Videoauf- sein, wie die Telemetriedaten anzeigten. zeichnung der Landung zu machen. Auf dem Band ist Inzwischen scheinen auch wieder die letzten 32 Sekun- zu erkennen, dass die Astronauten sich keiner Fehl- den der Datenübertragung aufgetaucht zu sein, von funktionen bewusst wa- denen die Air Force zunächst behauptet hatte, dass sie ren. Die Stimmung ist verloren gegangen seien. konzentriert wie üblich bei der Landung, kleine Nach einer ersten Grob-Auswertung dieser Daten Gespräche laufen und In- scheint klar zu sein, dass der Orbiter noch fast eine Mi- formationen werden aus- nute nach der letzten Meldung von Rick Husband intakt getauscht, aber insgesamt war, bevor er endgültig auseinander brach. Sie zeigen, macht die Situation einen Taucher suchen im Toledo dass etwa fünf Sekunden nach Rick Husbands letzter heiteren und zuversicht- Bend Reservoir in Texas nach verstümmelter Meldung die Manövriertriebwerke der Teilen der Columbia. lichen Eindruck. Columbia im Einsatz waren, in einem verzweifelten Versuch, den beschädigten Orbiter auf Kurs zu halten. Der Film wird jetzt zunächst den Angehörigen der 15 Sekunden nach der letzten Sprachmeldung forderte Astronauten gezeigt und wird dann, gegen Ende der Husband vom Bordcomputer eine Roll-Reference- Woche, wahrscheinlich auch der Öffentlichkeit zugäng- Anzeige an (das bedeutet, dass er spätestens hier be- lich gemacht. merkte, dass das Raumfahrzeug seine Raumlage nicht Inzwischen wurde festgestellt, dass die meisten Funktio- mehr halten kann). Die Daten verblieben aber in einem nen des Orbiters auch dreissig Sekunden nach dem letz- Daten-Buffer, und erschienen nicht mehr auf Husbands ten Kontakt mit der Besatzung wohl noch intakt waren. Display. Um 9:00.03 war zwar die Hydraulik zum linken Flügel Allerspätestens an diesem Punkt muss der Besatzung schon komplett ausgefallen, aber die Bordelektrik funk- klar gewesen sein, dass irgend etwas schrecklich schief tionierte noch und alle drei Gasturbinen liefen normal. lief. Das vollständige Auseinanderbrechen der Columbia Derzeit wird als Unfallursache wieder verstärkt „Orbital erfolgte (mit einer Genauigkeit von +/- 5 Sekunden) Debris“ untersucht, Weltraummüll also. Man stellte gegen 09:00:30 Sekunden, 58 Sekunden nach Husbands 16 spacexpress chronik 2003 inzwischen bei der Auswertung von Radardaten fest, Raumfahrtbehörde CNES und Fiat Avio für die Modi- dass sich am zweiten Tag im Orbit irgendetwas von fikation des P80-Feststoffmotors der Ariane 5. Dieser der Raumfähre gelöst hat. Es ist aber nicht klar, was verbesserte Feststoffmotor wird nicht nur die erste das war. Stufe des VEGA-Boosters bilden, sondern auch ab etwa 2006 als verbesserter Zusatzbooster für die Ariane 5 in 26. Februar Serie gehen. Pioneer 10 antwortet nicht mehr Die VEGA ist ein kleiner Träger, der Nutzlasten bis ca. Die Signale der vor mehr als 30 Jahren gestarteten 1.500 kg Gewicht auf einen kreisförmigen äquatorialen Raumsonde Pioneer 10 können nicht mehr empfangen Orbit in 700 Kilometer Höhe bringen kann, oder etwa werden. Am 22. Januar 2003 erhielt die NASA noch die 800 kg auf einen sonnensynchronen Orbit in 1200 Kilo- letzten, schon extrem schwachen Signale der Sonde. Die metern Höhe. Leistung der mit Plutonium betriebenen Isotopenbatte- rie reicht offensichtlich nicht mehr aus, um die irdischen Der Erstflug der VEGA soll im Juni 2006 stattfinden. Antennen zu erreichen. Es ist aber anzunehmen, dass Danach werden etwa 3-4 Einsätze dieses Trägers pro das Raumfahrzeug weiter die Signale von der Erde emp- Jahr erwartet, die meisten im Dienst der ESA. fängt. Die Nasa will aber keine weiteren Bemühungen Gestartet werden soll die neue Rakete von der Start- mehr unternehmen, um Pioneer 10-Signale aufzuspüren. anlage 1 in Kourou, die seit der Außerdienststellung der

Ariane 3 im Jahre 1989 nicht mehr benutzt wurde. Damit geht eine äußerst er- folgreiche Mission zu Ende. 28. Februar Aus der ursprünglich ge- Nach Columbia: ISS bekommt Notbesatzung planten Einsatzdauer von 21 NASA-Administrator Sean O‘Keefe gab gestern be- Monaten wurden mehr als kannt, dass die Internationale Raumstation so lange mit 30 Jahre. Pioneer 10 war das nur zwei Personen besetzt sein wird, bis die Shuttles erste vom Menschen geschaf- Pioneer 10 – wieder einsatzbereit sind. künstlerische Darstellung. fene Objekt, das den Astero- idengürtel durchquerte. Die O‘Keefe kündigte an, dass die neue ISS Crew 7 aus Sonde machte die ersten Nahaufnahmen vom Jupiter, einem russischen Sojus-Comman- entdeckte dessen Magnetfeld und passierte 1983 als der und einem amerikanischen erste Raumsonde die Pluto-Bahn. Bis Ende März 1997 Besatzungsmitglied bestehen wird. schickte Pioneer 10 wertvolle Daten über die Wechsel- Diese erste Not-Crew wird Ende wirkung zwischen Sonnenwind und kosmischer Strahlung April zur ISS starten. Die bisherige in den äußeren Regionen des Sonnensystems zur Erde. Besatzung, bestehend aus den As- tronauten Bowersox und Pettit und Mittlerweile ist Pioneer 10 etwa doppelt so weit von der dem Kosmonauten Nikolai Budarin Sonne entfernt wie Pluto, der äußerste Planet – oder VEGA-Launcher. kehrt mit der derzeit an der Station 82-mal so weit wie die Erde von der Sonne. Die NASA angekoppelten Sojus-Raumkapsel verfolgte das Signal der Sonde bislang mit dem Deep Anfang Mai zurück, und wird am Fallschirm in Kasach- Space Network, um neue Kommunikationskonzepte zu stan landen. erproben. Jetzt fliegt Pioneer 10 als Geisterschiff auf den Danach werden sich zweiköpfige Besatzungen alle fünf 68 Lichtjahre entfernten Stern Aldebaran zu, den sie in bis sechs Monate ablösen, solange, bis der Shuttle wie- etwa zwei Millionen Jahren erreichen könnte. der im Einsatz ist. 27. Februar Welche Kosmonauten und Astronauten die Besatzung ESA genehmigt Entwicklung der VEGA Rakete bilden werden, wurde nicht mitgeteilt, aber die Optio- Gestern schloss die ESA mit dem so genannten ELV- nen sind nicht sehr groß. Es ist aus jetziger Sicht davon Konsortium, einer Gruppierung, die sich zur Entwicklung auszugehen, dass aus den ursprünglichen Besatzungen und zum Bau der neuen europäischen VEGA-Trägerra- der nachfolgenden ISS-Crews jeweils zwei Mitglieder kete zusammengetan hat, einen ersten Entwicklungs- zur Station aufbrechen werden. Seit der Katastrophe vertrag über 200 Millionen Euro. Das ELV-Konsortium der Columbia befinden sich die beiden Kosmonauten gehört zu 70 % der Firma Fiat Avio und zu 30 % der Malenchenko und Kaleri sowie der Amerikaner Edward italienischen Raumfahrtbehörde. Einen weiteren Ver- Lu in Moskau, und haben mit dem Sojus-Start-Training trag über 50 Millionen Euro erhielten die französische begonnen. Kurz danach ist auch Michael Foale dazu 2003 spacexpress chronik 17 Das Raumfahrtjahr 2003

gestoßen, der designierte Kommandant der ISS Crew Gesamtmasse des Shuttle ausmachen. Man muss sich No. 8, die ihren Dienst an Bord der ISS eigentlich im weiter vergegenwärtigen, dass die Crew der Columbia Sommer aufnehmen sollte. über 250 Kassetten mit Videofilm belichtet hat. Davon wurden zwar inzwischen einige gefunden, aber sie wa- Damit ist folgendes Szenario zu erwarten: Ende April ren allesamt völlig verschmort. Der während der Lan- starten Juri Malenchenko und Edward Lu mit Sojus TMA dung gedrehte Film war wohl von der Kamera geschützt, 2 zur Internationalen Raumstation. Einige Tage nach der und blieb deswegen teilweise unversehrt. Leider ist der Ankunft dieser Zwei-Mann-Crew landen Bowersox, Bu- Film ab etwa vier Minuten, bevor die Schwierigkeiten darin und Pettit mit Sojus TMA 1 in Kasachstan. begannen, unbrauchbar. Dies behauptet zumindest die Sollten die Shuttles im Oktober immer noch am Boden Untersuchungskommission. Die Aufnahmen verdeut- sein, dann wird zu diesem Zeitpunkt eine Drei-Mann- lichen aber, dass sich die Besatzung keiner Probleme Crew mit Sojus TMA 3 zur ISS starten. Sie besteht bewusst war. Die Unterhaltung zwischen den Besat- aus Michael Foale, Alexander Kaleri und dem Italiener zungsmitgliedern verlief in aufgeräumter Stimmung, alle Vittori, der eigentlich im April mit der Taxi-Crew hätte Crew-Mitglieder genossen die faszinierenden Effekte zur Raumstation fliegen sollen. Nach einigen Tagen bis des Wiedereintritts. Wochen kehren Malenchenko, Lu und Vittori dann mit Die Cockpitkamera hat ihre normale Position in einer TMA 2 wieder zur Erde zurück. Halterung direkt unterhalb des linken Cockpitfensters, Dieses Zwei-Mann-Szenario kann unbegrenzt lange auf der Seite des Piloten Willie Mc Cool. Die Aufzeich- durchgehalten werden, vorausgesetzt, dass auch min- nung begann exakt um 8:35:00, zu einem Zeitpunkt, destens fünf Progress-Transporter jährlich die Station als die Columbia 160 Kilometer über dem Zentralpa- anfliegen können. Die Russen haben die Produktion der zifik flog und sich dem so genannten „Entry-Interface“, Progress bereits beschleunigt, trotz der noch ungewis- dem Zeitpunkt des Auftreffens auf die Erdatmosphäre, sen Finanzierung. näherte. Hier fünf Einzelbilder aus dem Film: März Das erste Bild zeigt die Kamera rechts von Willie Mc Cool, dem Piloten positioniert. Es zeigt eine Szene et- 5. März wa gegen 8:46:50, also Columbia-Video knapp 13 Minuten bevor zeigt: Crew ahnte die Columbia ausein- nichts vom kom- anderbrach. Mc Cool menden Desaster blickt in die Linse. Links Wie berichtet, sties- neben ihm, auf dem Sitz sen die Bergungs- des Kommandanten Rick mannschaften bei der Husband. Er sagt: „Das S u c h e n a c h d e n Ü b e r - 1 3 ist wirklich faszinierend, r e s t e n d e s S p a c e S h u t - es ist enorm hell da tle Columbia vor draußen“. Husband ant- einigen Tagen auf wortet: „Ja, jetzt sollte ein Video, das die man wirklich nicht vor Mannschaft unmit- der Tür sein“. Kalpana telbar vor Beginn Chawla, nicht im Bild, die des Desasters ge- 2 4 in der Mitte und hinter dreht hatte. Die Husband und Mc Cool Astronautin Laurel Einzelbilder aus dem Landevideo saß, scherzt: „So wie Clark hatte es sich der Columbia. wir’s vorhin waren, nicht offensichtlich zur wahr.“ Aufgabe gemacht, den Wiedereintritt aus der Cock- pit-Sicht zu dokumentieren. Das Auffinden dieses Vi- Beim zweiten Bild hat deos ist ein nahezu unglaublicher Zufall. Um sich das 5 Laurel Clark, die hinter Ausmaß dieses Zufalls vor Augen zu halten, muss man Willie Mc Cool saß, die wissen, dass momentan etwa 23.000 Teile der Columbia Kamera aus der Halterung rechts vom Piloten genom- gefunden sind, die aber nicht mehr als 10 Prozent der men, und filmt jetzt Kalpana Chawla. 18 spacexpress chronik 2003 Im dritten Bild hat Laurel Clark die Kamera auf sich 10. März selbst gehalten. Columbia: Während letzter Datenübertragung war der Autopilot in Funktion Im vierten Bild richtet Laurel Clark die Kamera nach Die Analyse der letzten beiden Sekunden der Columbia- oben, zu einem der beiden sogenannten „Overhead- Telemetrie zeigte interessante Details. Unter anderem, Windows“. Man sieht deutlich den Strahl pulsierenden dass auch 32 Sekunden nach der letzten Sprechfunk- Plasmas außerhalb der Fähre. Dies sieht beunruhigend übertragung von Commander Rick Husband der Auto- aus, ist aber ein normales Phänomen in dieser Flug- pilot den Shuttle flog. Die Daten zeigen auch, dass einer phase. der beiden Piloten in diesen zwei Sekunden den „Hand- Das fünfte Bild entstand etwa 8:48:30, vier Minuten Controller“ betätigte, aber den bevor die Probleme begannen. Man kann Husband Autopiloten dabei nicht aus- (links) und Mc Cool (rechts) vor ihren Konsolen und schaltete. Möglicherweise ist Bildschirmen sitzen sehen. Der Wiedereintritt scheint einer der beiden versehentlich zu diesem Zeitpunkt absolut normal zu verlaufen. Die an den Joystick gekommen. Die Besatzung ist entspannt und unterhält sich in ruhigem, Rollraten waren zu diesem Zeit- heiterem Tonfall. Durch die Fenster kann man das über punkt schon exzessiv hoch und 2000 Grad heiße Plasma erkennen, das außerhalb des lagen bei über 20 Grad pro Se- Raumschiffs wabert, und das den Orbiter erleuchtet wie kunde (dem Maximum, das die das Innere einer Neonröhre. Sensoren anzuzeigen in der Lage sind). Um 8:52:17 meldete der erste Sensor im linken Fahr- werksschacht einen unnormalen Temperaturanstieg. Teil einer Hitzeschutz- Zu diesem Zeitpunkt gab es aber Das Desaster nahm seinen Lauf. kachel und ein Stück auch nichts mehr, was die Crew Reifen des Hauptfahr- noch hätte tun können, um das 7. März werks der Columbia. Desaster abzuwenden. Die Da- Shenzhou 5 startet ten zeigen auch, dass zu diesem voraussichtlich im November Zeitpunkt die linke Tragfläche entweder schon ganz ab- Chinas erster bemannter Raumflug wird derzeit vor- gerissen, oder aber zumindest erheblich beschädigt war. bereitet. Momentan deutet alles darauf hin, dass das Das gesamte Hydraulik-Öl war bereits verloren. Auf den Raumschiff Shenzhou 5 im November starten wird. Bildschirmen der Piloten wurde zu diesem Zeitpunkt Wahrscheinlich wird nur ein Astronaut (oder „Tai- eine Vielzahl von Alarmmeldungen angezeigt. Diese konaut“, wie die Chinesen sagen) an Bord sein, und der Alarme betrafen die sogenannten „OMS-Pods“ (OMS Flug wird auch nicht viel länger als einen Tag dauern. Der steht für „Orbital Maneuvering System), dem Bereich, in Astronaut, der dabei zum Einsatz kommen wird, könnte dem sich die Bahnkorrektur-Triebwerke befinden. Allein Cheng Long sein, den unterschiedliche chinesische Me- aus diesem Sektor kamen in den letzten 20 Sekunden dien schon zum „besten Mann im chinesischen Corps“ vor der endgültigen Zerstörung sechs Alarme, unter hochstilisiert haben. Cheng Long hatte beim kürzlich anderem wegen des nachlassenden Hydraulik-Druckes stattgefundenen Flug von Shenzhou 4 alle Startvorbe- und auftretender Kurzschlüsse. reitungen mitgemacht (einschließlich des Einstiegs in das Viele andere Systeme funktionierten dagegen noch ein- Raumfahrzeug zwei Stunden vor dem Start inklusive der wandfrei, wie z.B. die drei Gasturbinen, das Hydraulik- manuellen Inbetriebnahme der Systeme), als wäre es ein Kühlsystem (obwohl es nichts mehr zu kühlen gab), die bemannter Flug gewe- Kommunikations- und Navigationsausrüstung und ande- sen. Kurz vor dem Start re Komponenten. dieses letzten unbe- mannten Testfluges des Die Flugführungs-Telemetrie zeigte an, dass sich der Or- Shenzhou-Systems stieg biter bereits in einer nicht mehr steuerbaren Rollbewe- Cheng Long wieder aus. gung befand. Der Rumpf mit dem Cockpit dürfte aber Derzeit befinden sich 14 erst etwa 20 weitere Sekunden später auseinander ge- chinesische Astronauten brochen sein. Dies bestätigt auch die frühere Annahme, Taikonaut Cheng Long (links) im Training. dass die Besatzung während der letzten Minute unter und sein Ersatzmann. voller Kenntnis der aussichtslosen Lage ihrem Untergang entgegensah.

2003 spacexpress chronik 19 Das Raumfahrtjahr 2003

12. März vollkommen rund, sondern eher leicht birnenförmig Delta IV erfolgreich – ist. Mit ihm konnten erstmals Dichtebestimmungen der Militärischer Einsatz beginnt oberen Atmosphäre durchgeführt werden, und er war Der zweite Einsatz der neuen auch der erste Satellit, bei dem Solarzellen eingesetzt Delta IV-Trägerrakete verlief wurden. Dies trug mit dazu bei, dass er bis zum Jahre erfolgreich. In der Nacht von 1964 sendete. Die früheren Satelliten überlebten nicht Montag auf Dienstag brachte die länger als 20 Tage, bis ihre damals eingesetzten che- Rakete einen militärischen Kom- mischen Batterien erschöpft waren. Die Delta IV mit dem munikationssatelliten im Wert Die Orbitparameter sind übrigens so günstig, dass Van- DSCS 3A-Satelliten von 210 Millionen Dollar sicher in gard 1 noch mindestens 200 weitere Jahre die Erde beim Start. den Orbit. Der Start erfolgte um umkreisen wird. Allerdings gibt es Pläne, den Satelliten 19:59 ostamerikanischer Zeit am Montag (1:59 MEZ am in näherer Zukunft zurück zur Erde zu holen. Der nied- Dienstag) vom neuen Startkomplex 37B in Cape Cana- rigste Bahnpunkt (Peri- veral. Zum Einsatz kam die Delta IV in der so genannten gäum) von Vanguard 1 „Medium“-Variante, die trotz ihres Namens eigentlich liegt derzeit bei etwa 600 die schwächste verfügbare Version des neuen Trägers Kilometer, der höchste ist. Bahnpunkt (Apogäum) bei 42 Minuten nach dem Liftoff wurde der Satellit mit der etwa 3800 Kilometer. Bezeichnung „ADSCS 3A“ von der Rakete freigegeben. Das Aussetzen wurde von einer On-board-Kamera live 18. März aus dem Weltraum zum Kontrollzentrum übertragen. Columbia: Hat der Absturz mehr Der von Lockheed gebaute, etwa 3 Tonnen schwere als eine Ursache? DSCS-Satellit wird im geostationären Orbit über dem Die Untersuchungskom- Indischen Ozean stationiert werden. Er löst den Satel- mission für die Columbia - liten B12 ab, der dort seit 1992 Dienst tut. Katastrophe untersucht Die Unterseite der Atlantis Insgesamt will Boeing in diesem Jahr vier Delta IV Missi- momentan, ob die Zer- bei der Montage an den onen fliegen, unter anderem – im September – den er- störung des Orbiters auf Außentank. Mit diesem soll sten Einsatz einer „Delta IV Heavy“ dem neuen Schwer- mehrere Ursachen zu- im Herbst das Shuttle-Pro- lastträger der amerikanischen Streitkräfte, der die Titan rückzuführen ist, die jede gramm wieder aufgenom- IVB ablösen soll. einzeln für sich den Shut- men werden. tle nicht gefährdet hätten, Der Start von ADSCS 3A war auch der erste militä- aber im Zusammenwirken zum Untergang der Raum- rische Einsatz der neuen Trägerrakete. fähre führten. Das Szenario könnte folgendermaßen aussehen: 13. März Vanguard 1 seit 45 Jahren im Orbit 1. Die Columbia war der älteste aller Shuttles. Sie flog Heute jährt sich der Start von Vanguard 1 zum 45. Mal. 28 Einsätze und wurde häufiger auf dem Rücken des Der Satellit ist immer noch im Orbit und damit der äl- NASA Boeing 747-Transportflugzeuges von Palmdale teste im All befindliche künstliche Himmelskörper. Van- in Kalifornien oder von der Edwards Air Force Basis guard 1 war der vierte erfolgreich gestartete Erdsatellit zum Cape geflogen als jeder andere Orbiter. Diese der Raumfahrtgeschichte, aber seine Vorgänger, Sputnik Transporte und Einsätze könnten zu einer erhöhten 1 und 2 und Explorer 1 sind schon vor Jahrzehnten wie- Strukturbelastung geführt haben. der zur Erde zurückgestürzt und verglüht. 2. Die Columbia flog die strukturell und thermisch Vanguard 1 ist nicht viel grö- am höchsten belastenden Starts und Landungen des ßer als eine Pampelmuse und gesamten Shuttle-Programms. Auch beim letzten Flug wiegt keine zwei Kilo. Trotz- war sie in der 82. Sekunde nach dem Start heftigen dem machte er einige der fun- Scherwinden ausgesetzt. Nur einmal im ganzen Shut- damentalsten Entdeckungen tle-Programm war ein Orbiter höheren Windkräften der letzten fünfzig Jahre. Zum ausgesetzt gewesen, und auch das war bei einem Einsatz Beispiel wurde mit ihm nach- der Columbia der Fall. Die Columbia flog auch die drei Vanguard 1-Satellit. gewiesen, dass die Erde nicht heißesten Landungen des Shuttle-Programms. Dies

20 spacexpress chronik 2003 könnte, so die Untersuchungskommission, zu einem Endmontage. Vor einigen Wochen haben die Struk- „physical misarrangement of aerodynamic surfaces“ turtests stattgefunden, derzeit wird das Antriebsmodul geführt haben. Kurz: Die Halteschrauben der Flügelkan- eingebaut, und in wenigen Tagen folgt die Flugelektronik. ten-Kacheln könnten sich gelockert haben. Der Hitzeschild, der das Raumfahrzeug vor der enormen Sonnenstrahlung am Merkur schützen soll, wird in Kürze 3. Durch den herabfallenden Isolierschaum könnten die von der Firma Aerojet geliefert und soll danach ebenfalls Kacheln zusätzlich perforiert worden sein. am Raumfahrzeug integriert werden. 4. Zusätzlich kam auch noch die anerkannt hohe Ober- Die sieben wissenschaftlichen Experimente für die flächenrauhigkeit der Columbia, und hier insbesondere Sonde werden im Mai und im Juni eingebaut. Danach des linken Flügels, ins Spiel. Durch diese hohe Oberflä- beginnen die Tests der gesamten Flugeinheit, die bis En- chenrauhigkeit, die wackligen und beschädigten Kacheln, de September laufen werden. Dafür wird MESSENGER riss die dynamische Schockwelle, die im Hyperschallbe- zum Goddard Space Flight Center geliefert, das eben- reich den Orbiter umströmt und die große Teile der falls in Maryland liegt. Nach den Tests ist eine Periode Hitze ableitet, schon sehr früh, und machte der turbu- von bis zu drei Monaten vorgesehen, in der eventuell lenten Strömung Platz, die die Hitze auf der Außenhaut beim Testen entdeckte Fehler und Schwachstellen be- des Orbiters aufbrachte. hoben werden können. 5. Möglicherweise kam auch noch ein Steuerungsfehler Im Januar wird das Raumfahrzeug dann vom Goddard des Kommandanten dazu, der in einer frühen Phase der Space Center nach Cape Canaveral geliefert. Der Start Landung versehentlich die Handsteuerung betätigte, wird dann im März nächsten Jahres stattfinden. Träger- und den Orbiter kurzfristig aus dem optimalen Anstell- rakete wird eine Delta 2 sein. Es wird danach fünf Jahre winkel brachte. dauern, bis MESSENGER endgültig in die Umlaufbahn Alles in allem wird momentan ein Bild untersucht, bei um den Merkur einschwenkt. Um den enormen Ge- dem ein „vorbelasteter“ Shuttle durch eine Reihe un- schwindigkeitsüberschuss abzubauen, aber trotzdem glücklicher Verkettungen weiteren Schaden nahm, der mit einer kleinen Trägerrakete auszukommen, hat sich schließlich nicht mehr kompensiert werden konnte und die NASA ein komplexes Szenario von „Swingby‘s“ letztendlich zur Katastrophe führte. Wäre dem so, so ausgedacht, Manöver, bei denen das Gravitationsfeld könnte sich das Problem weitgehend auf den Orbiter der Planeten Venus und Merkur benutzt wird, die Columbia eingrenzen lassen. Es wäre dann weniger ein Bahngeschwindigkeit so weit zu reduzieren, dass dann generisches Problem der Shuttle-Flotte. Im Licht dieser im April 2009 nur noch ein kurzes Brennmanöver Betrachtung bereitet sich die NASA jetzt wieder auf die notwendig wird, um in die Umlaufbahn des Merkur Aufnahme der Flüge vor. Sie beabsichtigt, die Mission einzuschwenken. STS 114 unter dem Kommando von Eileen Collins im Während dieser „Kreuzflug-Phase“ wird MESSENGER Herbst zu fliegen. den Merkur im Jahre 2007 und 2008 schon zweimal sehr nahe, aber noch mit hoher Geschwindigkeit passieren, 19. März und dabei erste Messungen und Aufnahmen machen. Merkur-Sonde MESSENGER: Vorbeiflüge an der Venus werden im Jahre 2004 und Endmontage beginnt 2006 stattfinden. Nach der Ankunft am Merkur soll Ein Jahr vor dem Start der Raumsonde MESSENGER die Raumsonde mindestens ein Jahr lang Daten aus der zum Planeten Merkur beginnt derzeit an der John Hop- Umlaufbahn senden. kins Universität für angewandte Physik in Maryland die 25. März Datenrekorder der Columbia gefunden Ein unglaublicher Zufall bringt möglicherweise schon bald mehr Licht in die immer noch mysteriöse Katastro- phe der Raumfähre Columbia. Letzten Mittwoch wur- de, halb vergraben in einem Feld nahe der texanischen Kleinstadt Hemphill, eine Elektronik-Box gefunden, die sich möglicherweise als Rosetta-Stein zur Klärung des Rätsels um den Absturz der Raumfähre herausstellen kann. Die Box mit der Bezeichnung „Orbital Experiment Support System“ ist im wesentlichen ein Datenrekorder Künstlerische Darstellung von Messenger in der Merkur-Umlaufbahn. 2003 spacexpress chronik 21 Das Raumfahrtjahr 2003

der bei Start und Landung etwa 600 Telemetriedaten satelliten Japans. Als Träger- simultan aufzeichnet. Diese Box befindet sich nur im rakete kam eine H-2A in der Orbiter Columbia, in keiner anderen Raumfähre, und Version 2024 zum Einsatz ist Teil einer Messinstrumentierung, die aerodynamische kommen. In dieser Variante Daten im Hyperschallbereich aufzeichnen soll. Norma- ist die H-2A mit insgesamt lerweise gibt es in den sechs Feststoff-Zusatzrake- Shuttles der NASA ten ausgerüstet. keine „Black Boxes“ wie in der Luftfahrt. 31. März Jegliche Telemetrie – so Heute Abend erneut Emblem der 45. Space Wing der US Air Force, ist das System ausgelegt militärischer Weltraum- die den Start durchführt. – sollte stattdessen on- start Datenrekorder der Columbia. line und direkt zur Erde Nach dem erfolgreichen Start zweier japanischer Auf- übertragen werden. klärungssatelliten am vergangenen Donnerstag beginnt heute Abend erneut eine militärische Mission. Kurz vor Bislang wurden etwa 45.000 Teile der Columbia ent- 23:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit wird der GPS-Satel- deckt, die etwa 18 Prozent der Gesamtmasse repräsen- lit 2R-9 an Bord einer dreistufigen Delta 2-Rakete von tieren. Die allermeisten dieser Teile sind dabei nicht grö- Cape Canaveral aus auf eine hochelliptische Umlauf- ßer als eine Briefmarke. Berechnungen haben ergeben, bahn gebracht. Der niedrigste Punkt der Anfangsbahn dass etwa 60 Prozent der Gesamtmasse des Orbiters wird bei 180 Kilometern liegen, der höchste Bahnpunkt vollständig verglüht sein dürften. Umso erstaunlicher bei 20.000 Kilometern über der Erde. Der Satellit selbst der Fund dieser Box, die nahezu vollständig erhalten wird dann in den nächsten Tagen eine Kreisbahn in ist. Auch das Datenband scheint, bis auf ein paar ange- 20.000 Kilometern Höhe ansteuern. schmorte Stellen, in Ordnung zu sein. 2R-9 wird den Slot 3 in der GPS-Bahnebene D belegen. Der Datenrekorder ging zunächst zur „Imation Cor- Dort ist GPS 2-5 bereits seit Dezember 1989 im Einsatz. poration“, dem Hersteller des Gerätes. Dort wurde Bei diesem Satelliten ist vor drei Jahren eines der vier die Box auseinander genommen, das Band gereinigt Drallräder zur Lagestabilisierung ausgefallen, ansonsten und eine Prozedur erstellt, wie weiter vorzugehen ist. ist das Raumfahrzeug aber in guter Verfassung. GPS 2-5 Am heutigen Dienstag wurde das gereinigte Band zum wird nun in den Slot 1 der Bahnebene D transferiert, Kennedy Space Center gebracht, wo es zunächst kopiert und dann dort zusammen mit einem weiteren älteren wird. Erst danach beginnt die Auswertung. Satelliten, nämlich mit GPS 2-A11, gestartet im Juli 1991, Eine erste Analyse zeigte aber bereits, dass sich das Dienst tun. Die GPS-Satelliten können innerhalb ihrer Band, wie geplant, 15 Minuten vor dem Erreichen des Bahnebenen relativ leicht bewegt werden. Ein Transfer „Entry Interface“ über Hawaii eingeschaltet hat. Die von einer Bahnebene zur anderen – also ein Wechsel Menge des verbrauchten Bandes zeigt auch an, dass der der Inklination – ist aber nicht möglich. Rekorder bis ganz zuletzt gelaufen sein muss. Damit wä- Derzeit sind 27 GPS-Satelliten im Einsatz. Die Mindest- re auch die letzte halbe Minute abgedeckt, die bis- ausstattung des Systems liegt bei 24 Satelliten, die auf lang in den Telemetrie-Aufzeichnungen fehlt, sowie sechs Bahnebenen aufgeteilt sind. Der heute Abend die Periode von vier kürzeren Funkausfälle in den stattfindende Flug ist der zweite von drei in diesem Jahr Minuten davor. geplanten GPS-Missionen. Für den 24. Juli ist der Start von GSP 2R-10 vorgesehen. 27. März Japan startet zwei Aufklärungssatelliten Heute startete Japan vom Weltraumbahnhof Tane- April gashima aus zwei militärische Aufklärungssatelliten in eine niedrige Erdumlaufbahn. Die beiden Raum- 1. April fahrzeuge sind das erste Paar einer Viererkonstella- X-Price Vehicle von vor dem tion, mit der Japan hauptsächlich seinen atomar auf- Roll-out – X-Cor erprobt neues Raketentriebwerk gerüsteten Nachbarn Nordkorea im Auge behalten Es gibt in diesen Tagen Rumor, dass noch im April das H-2A/ will. Der 850 Kilogramm schwere „IGS 1a“ – ein X-Price Vehicle der Gebrüder Burt und , den 2024. Foto-Aufklärer und der 1.250 Kilogramm schwere Inhabern der Firma Scaled Composites, seinen Rollout „IGS 1b“, ein Radarsatellit, sind die ersten Militär- haben wird. Eine noch unbekannte Rolle spielt dabei das

22 spacexpress chronik 2003 namenlose, von Beo- der Fertigstellung hat. Die Nova II, wie ihr Testfahrzeug bachtern „Mystery-Pla- heißt, soll bemannt zunächst in eine Höhe von 10.000 ne“ genannte Flugzeug, Meter fliegen. Dieser Flug könnte noch diesen Herbst eine futuristisch aus- stattfinden. 1 sehende Maschine, und das brandneueste Pro- 3. April dukt von Scaled Com- Erneut militärische Satellitenstarts posites. Das „Mystery- Momentan dominiert die militärische Raumfahrt die Plane“ dürfte wohl Ereignisse auf den Startrampen weltweit. Am letzten in der Erprobung der Samstag wurden zwei Bildaufklärungssatelliten vom Mannschaftskabine für japanischen Tanegashima aus gestartet, am Montag 2 das X-Price Vehikel ei- folgte von Cape Canaveral ein neuer GPS-Satellit der ne Rolle spielen, mögli- amerikanischen Militärs. Gestern wurde mit einer cherweise auch als Trä- Molnyia M-Rakete von Plesetzk aus ein militärischer gerflugzeug dienen. Kommunikationssatellit der Russen gestartet, und am Samstag, kurz vor 10 Uhr vormittags Ortszeit, soll der Zu den Gerüchten fast fünf Tonnen schwere Milstar 6 der amerikanischen über den bevorstehen- 3 Streitkräfte vom Startkomplex 40 der Cape Canaveral den Rollout passt auch Air Force Base auf die Reise gehen. die aktuelle Meldung der Firma X-Cor, dass Mit den Milstars werden strategische und taktische Da- das neue Sauerstoff- ten der amerikanischen Streitkräfte von den Einsatzplät- 4 K e r o s i n -Tr i e b w e r k zen in die jeweiligen Hauptquartiere übertragen. Der XR-4K5 seinen ersten Start am Samstag wird mit einer Titan IV B erfolgen, erfolgreichen Testlauf der erste Einsatz eines Trägers dieses Typs seit über absolviert hat. Das XR- einem Jahr. 4K5 ist fünfmal so stark Die Häufung militärischer Starts scheint passend zum wie der mit Isopropyl- Kriegsgeschehen im Irak abzulaufen, man muss aber 5 alkohol betriebene stets bedenken, dass Satellitenstarts keinen kurzfristigen Raketenmotor, der im 1: Das „Mystery-Plane“ von Planungen unterliegen, sondern häufig Jahre im voraus vergangenen Jahr in der Scaled Composites. terminiert sind. Bei den amerikanischen Milstar- und werkseigenen Rocket- GPS-Starts liegen sogar Startverzögerungen von mehr 2: Testpilot in der „Proteus“. EZ, einem kleinen Ra- als einem Jahr vor, sie hätten also eigentlich zu einem ketenflugzeug, erprobt 3: Erster Testlauf des XR-4K5. Zeitpunkt gestartet werden sollen, als der Irak-Krieg wurde. Testpilot dieser 4: Firmensitz von X-Cor auf noch gar nicht in Sicht war. Maschine war Dick Rutan. dem Mojave-Airport. 5: Im Inneren der Werkhalle Interessant auch der 4. April von X-Cor. Blick hinter die Kulissen Columbia Desaster: Szenarien eingegrenzt – bei der Firma X-Cor. Space Station: Neue Crew startet am 26. April Es ist interessant zu sehen, mit welch einfachen Mitteln mit Sojus TMA-2 Raketenmotoren entwickelt werden können. Die Firma Die Auswertung von Radardaten des amerikanischen X-Cor residiert eigentlich in einem besseren Schuppen NORAD-Militär-Überwachungszentrums und vor allem und das Gebäude besteht aus einer einzigen großen die Auswertung des Datenbandes auf dem OEX-Rekor- Werkhalle. Die Triebwerkstests finden derzeit noch in der, den Suchtrupps vor eineinhalb Wochen gefunden einem mobilen Teststand in einer Grube auf dem Flug- haben, sowie Daten aus den Wartungsbüchern der hafengelände des Mojave Airport statt. Die Ingenieure Columbia und Service-Daten der Start-Infrastruktur von X-Cor hoffen aber, in Kürze die Freigabe des Fire- der Shuttles beginnen sich zu einem vollständigen Bild Marshal zu bekommen, um die Motortests auf dem zusammen zu fügen. Langsam zeichnet sich ein plausib- Werksparkplatz durchführen zu können. Undenkbar les Katastrophen-Szenario ab. für die „etablierten“ Raumfahrfirmen, bei denen auch Zunächst zu den Daten des OEX-Rekorders: Hier Teststände für Kleintriebwerke viele Millionen kosten. In wurden eindeutige Beweise dafür gefunden, dass die der Zwischenzeit ist zu erfahren, dass auch die Firma Columbia bereits „tödlich“ beschädigt den Abstieg in Starchaser einen Prototypen für ihr X-Price Vehikel vor 2003 spacexpress chronik 23 Das Raumfahrtjahr 2003

die Erdatmosphäre begann. Die Schäden sind also nicht nen dann große Stücke des Isolierschaums abreißen. Es durch den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre selbst gibt allerdings noch einige andere, nicht minder plausible aufgetreten. Erklärungen für das Abfallen von Isolierschaum. Grund dafür ist mit ziemlicher Sicherheit das fehlende Eines dieser Stücke muss jedenfalls mit erheblicher oder stark beschädigte „Carrier-Panel No. 6“. Auswer- Wucht auf das „Carrier-Panel“ No. 6 aufgeprallt sein. tungen des NORAD-Luftwaffenradars haben ergeben, Die Untersuchungen haben nunmehr ergeben, dass die dass die Signatur des Teiles, das sich am zweiten Missi- „Carrier-Panels“ aller Orbiter seit Beginn ihrer Welt- onstag von der Columbia löste, in etwa dem Carrier- raum-Einsätze nie ausgetauscht worden sind. Alle ohne Panel No. 6 entspricht, das sich unterhalb der Flügel- Ausnahme sind mit vielen „Pinholes“ übersät, die in der Vorderkante des Orbiters befand. Die Messversuche Regel als unkritisch betrachtet werden. Im Schnitt hat (um diesen Tatbestand zu untersuchen) wurden mit jedes der etwa 20 „Carrier-Panels“ zwischen 20 und 40 dem baugleichen Panel der Discovery gemacht, die sich dieser Pinholes. Beim Überschreiten einer bestimmten derzeit in der Grundüberholung befindet. Das Fehlen Größe eines solchen Loches, die ziemlich willkürlich dieser besonderen Verbindungskachel bewirkte, dass festgelegte Grenze liegt hier bei 1,2 Millimeter, werden der mehr als 2000 Grad heiße Plasma-Strom freien die „Carrier-Panels“ repariert. Alle diese Panels der Zugang in die Flügelstruktur des Orbiters bekam. Dies Columbia waren vielfach repariert worden. hatte aufgrund der geringen Luftdichte in großer Höhe Die Pinholes an der Columbia scheinen nun durch zunächst nur geringe Auswirkungen, mit zunehmender den Primer, also die Lackgrundierung der Startanlage, Luftdichte wurde die Abfolge der katastrophalen Ereig- ungünstig beeinflusst worden zu sein. Dieser Primer nisse aber immer schneller. hat einen hohen Anteil an Zink; dieses scheint in die Anders als alle anderen Hitzeschutzkacheln sind die so Pinholes eingeflossen zu sein, und die resultierenden genannten „Carrier-Panels“ nicht auf die Außenhaut des Oxidationsprozesse vertieften im Inneren der Kacheln Orbiters geklebt, sondern mit je einem Pin links und die Löcher. Es bildeten sich „cavities“, also Höhlen. rechts mit der Aluminiumstruktur des Flügels verbolzt. Aufgrund von Kosteneinsparungen wurden die Starttür- Die Bolzenlöcher sind mit Keramik-Pellets abgedeckt. me seit vielen Jahren weder überholt noch auch nur neu Dieses Panel scheint sich durch den Aufschlag eines gestrichen. Die Startanlagen sind im Prinzip immer noch vereisten Stücks Isoliermaterial des Außentanks so stark die alten Türme aus den Apollo-Tagen. Eine vollständige gelockert zu haben, dass es sich später im Orbit vom Überarbeitung und Überholung wurde immer mit der Shuttle löste. Der Aerodynamische Druck beim Auf- Begründung abgelehnt, dass zukünftige Raumtransport- stieg in die Umlaufbahn hielt das Panel aber zunächst systeme solche Startanlagen nicht mehr brauchen, und noch in seiner Position. Erst im Orbit löste es sich dann dies deshalb eine unnötige Investition darstelle. Immer vom Orbiter. mehr Farbe blätterte deshalb ab, und immer mehr von der Grundierung trat dadurch offen zu Tage, wurde Die Stelle, von der sich das Isoliermaterial vom Außen- bei Regenfällen abgespült, und häufig auf die Orbiter tank abgelöst hat, ist wahrscheinlich die aerodynamische gesprüht. Verkleidung der so genannten Bipod-Rampe. Das ist die Trägerstruktur, mit der das „Kinn“ des Orbiters am Und an dieser Stelle kommt wieder das Alter der Co- Tank befestigt ist. Der Isolierschaum ist hier so geformt, lumbia ins Spiel. Sie war der Orbiter, der den großen Teil dass er diese strömungstechnisch ungünstige Stelle ae- der ersten Flüge des Shuttle-Programmes absolvierte. rodynamisch verkleidet. Flüge, vor denen sie manchmal monatelang auf der An dieser Bipod-Rampe Rampe stand, und Wetter und dem abgespülten gibt es 14 offene Stel- Primer der Startrampen ausgesetzt. Insgesamt stand die len, bildhaft eher kleine Columbia während ihrer 22-jährigen Dienstzeit nicht Höhlen, in denen sich weniger als zweieinhalb Jahre auf der Rampe. im betankten Zustand Um das Szenario noch einmal zusammenzufassen: Luft verflüssigen und Die porösen, brüchigen und vorgeschädigten Kacheln dann verfestigen kann, konnten die Belastung durch den Aufprall des vereisten Die in der Meldung erwähnten und sich dann in diesen Isolierschaums in Verbindung mit dem Auftreten eines „Carrier-Panels“ befinden sich Hohlräumen ablagert. starken Scherwindes nur wenige Sekunden später nicht auf der Unterseite des Flügels Diese Vereisungen ver- verkraften. Sie brachen, blieben aber zunächst durch gleich anschließend an die dampfen in großer Höhe Leading-Edge-Panels. den aerodynamischen Druck an der Stelle. Im Orbit explosionsartig und kön- 24 spacexpress chronik 2003 lösten sie sich, was jedoch nicht bemerkt wurde. Der zusammen mit Malenchenko während der Mission STS Eintritt erfolgte dann ohne das Carrier-Panel No. 6, das 106 unterwegs. Die beiden gelten als gut eingespieltes Unheil nahm seinen Lauf. Team. Sie haben auch während ihres ersten gemein- samen Raumfluges zusammen Außenbord-Manöver Dieses Szenario dürfte nun schon nicht mehr sehr weit unternommen. von den tatsächlichen Gegebenheiten entfernt sein. Möglicherweise ist auch mehr als nur eine Kachel ab- 5. April gebrochen. Es gibt auch Hinweise, dass die ganze Reihe Start von Milstar 6 verschoben vom Panel No. 6 bis zum Panel No. 9 gefehlt hat, und Nach einer Serie von Problemen mit der Countdown- dass der Isolierschaum vielleicht keine entscheidende Software der Titan IVB-Trägerrakete wurde der Start Rolle gespielt hat, sondern die kurzzeitige Flügelver- des 800 Millionen Dollar teuren Milstar 6-Satelliten windung durch den Scherwind zum Bruch des porösen zunächst abgesagt. Die Startzählung war am Sonntag Panels geführt hat. schon zweimal bei einem Zeitpunkt von 90 Sekunden In der Zwischenzeit vor dem Lift-Off ange- wurde die nächste Be- langt, aber eine fehler- satzung der ISS offiziell hafte Kontrollsoftware bekannt gegeben. Es verhinderte jedesmal, ist dies eine zweiköp- die Flugbereitschaft der fige „Notcrew“, be- Centaur-Oberstufe zu stehend aus dem rus- bestätigen. Es konnte in sischen Kosmonauten der Kürze der Zeit nicht Malenchenko und Lu bei Vorbe- Juri Malenchenko und geklärt werden, ob le- Milstar 6 bleibt vorläufig reitungen zu ihrer ISS-Mission. dem amerikanischen diglich die Software ein am Boden. Astronauten Edward Problem hatte oder aber tatsächlich ein Defekt an der Lu. Die beiden werden von Baikonur aus mit der Raum- Oberstufe vorlag. Der Start musste daraufhin abgesagt kapsel Sojus TMA-2 zur Raumstation fliegen. Ursprüng- werden. Ein neuer Versuch wird voraussichtlich am lich hätte auch noch Alexander Kaleri diesem Team Dienstag erfolgen. angehören sollen, aber nachdem die Station nun nicht mehr durch den Shuttle versorgt werden kann, sind die 6. April Vorräte an Bord – insbesondere Wasser – wesentlich Neues vom X-Price: Starchaser Industries knapper. Eine dreiköpfige Crew kann daher langfristig stellt Raumkapsel-Protoypen vor nicht unterstützt werden. Sollte der Shuttle im Herbst Starchaser Industries, einer der Teilnehmer am X-Price immer noch nicht einsatzbereit sein, dann wird Kaleri Wettbewerb, enthüllte letzten Donnerstag ihren Nova II zusammen mit dem Amerikaner Michael Foale die näch- Kapselprototypen. Die Besatzungskabine der Nova II ste „Notcrew“ bilden und mit Sojus TMA-3 zur Raum- ist etwa drei Meter lang, 200 Kilogramm schwer und station starten. ist ein Vorläufer der Thunderbird-Kapsel, mit der das Starchaser Team den X-Price gewinnen will. Die Nova II Lu und Malenchenko sollen nach der derzeitigen Planung Rakete selbst existiert bereits und hat auch schon einen am 26. April aufbrechen. Danach findet an Bord der ersten Testflug hinter sich. Station eine etwa einwöchige Übergabe statt. Anschlie- ßend fliegt die derzeitige Besatzung, bestehend aus den Zunächst wird die Nova II-Kapsel in die USA verschifft, Astronauten Bowersox, Pettit und dem Kosmonauten wo die Landeeigenschaften erprobt werden. Dazu Budarin mit der derzeit an der Station angekoppelten wird sie aus einem C-123K-Transportflugzeug auf etwa Sojus TMA 1 zur Erde zurück. 4.300 Meter Höhe gebracht und dort – zunächst noch unbemannt – abgewor- Sowohl Lu als auch Malenchenko sind erfahrene Welt- fen, um die Flug- und raumfahrer. Malenchenko war im Jahre 1994 bereits Steuereigenschaften des einmal für vier Monate als Kommandant auf der Raum- Landefallschirms genau station Mir und flog im Jahre 2000 mit der Raumfähre zu untersuchen. Sobald Atlantis auch schon zur ISS, zu einem Zeitpunkt, als die- die Flugeigenschaften se noch unbemannt war und für die Besetzung durch ei- gesichert sind, werden ne Crew noch vorbereitet werden musste. Auch Lu hat die weiteren Drop-Tests bereits einen Aufenthalt auf der Raumstation Mir hinter bemannt stattfinden. Pi- Die Nova II-Testkapsel. sich (mit STS 84) und war dann im Jahre 2000 bereits 2003 spacexpress chronik 25 Das Raumfahrtjahr 2003

lot an Bord wird dann der gesamten Aerospace-Industrie Steven Bennett sein, enorme Beachtung finden wird, der Direktor und Grün- nachdem die Ariane 5 in ihren der von Starchaser In- vergangenen Flügen eine mehr als dustries. gemischte Erfolgbilanz aufzuweisen hat. 14 mal war die Ariane 5 bisher Im Herbst dieses Jah- im Einsatz, zweimal explodierte die res, nach Abschluss Der „Thunderbird“ von Rakete dabei kurz nach dem Start, der Drop-Tests, soll Starchaser Industries, das und zweimal steuerte sie einen zu die Nova II-Kapsel mit Nachfolgemodell der Nova II. niedrigen Orbit an. Zuletzt war im der Rakete verbunden Dezember der Erstflug der neuen Ariane 5 werden. Danach findet, wahrscheinlich in Woomera in schubverstärkten Version Ariane vor dem Start. Südaustralien, ein bemannter Testflug statt, der bis in 5 ESC-A dramatisch gescheitert, als wenige Minuten etwa 10.000 Meter Höhe gehen soll. Pilot ist auch hier nach dem Start ein Bruch in der Düsenverlängerung des Steve Bennett. Hauptmotors auftrat. Versagt die Ariane 5 auch diesmal, Parallel dazu laufen die Entwicklungsarbeiten an der dann wird sie sich für lange Zeit aus dem kommerzi- Thunderbird Rakete und ihrer Kapsel, mit der dann im ellen Geschäft verabschieden können. Dies umso mehr, nächsten Jahr der Angriff auf den X-Price erfolgen soll. als die neu entwickelten Konkurrenzmuster Delta 4 und Steve Bennett geht davon aus, dass das Vehicle im Ok- Atlas 5 bei ihren ersten Einsätzen fehlerlos waren. tober 2004 einen Wettbewerbsflug antreten kann. Die Nutzlasten an Bord der Ariane 5 sind die beiden Das wird sicherlich knapp werden, denn auch die Ge- Nachrichtensatelliten Insat 3A brüder Rutan, Besitzer der Firma Scaled Composites, und Galaxy 12. Die Startverschie- sind inzwischen auf den Plan getreten. Am 18. April bung von gestern auf heute wurde werden sie ihr X-Price Vehikel öffentlich vorstellen, und im übrigen durch ein technisches zwar bereits das endgültige Fluggerät, wie sie sagen, Problem an Bord des Indischen und keinen Vorläufer-Prototypen. Aber auch das Flug- Nachrichtensatelliten Insat 3A gerät der Rutan-Brüder wird einen längeren Testzyklus verursacht, und es ist noch nicht durchlaufen müssen. gesichert, ob dieses Problem bis heute Nacht tatsächlich beseitigt Auch das Team macht in der Zwi- Künstlerische Dar- werden kann. Der 2.950 Kilo- schenzeit gute Fortschritte. Die Brennkammer-Entwick- stellung von Insat 3A. gramm schwere Insat 3A wurde lung ihres Raketenmotors ist inzwischen abgeschlossen, von der indischen Weltraumbehörde gebaut, der 1.760 und erste Flugversuche werden in absehbarer Zeit Kilogramm schwere Galaxy 12 stammt aus der Fertigung beginnen. von Orbital Sciences und soll vom PanAmSat-Konsorti- um betrieben werden. 8. April Milstar 6 im Orbit Die Ariane 5-Rakete, mit der Nach einer zweitägigen Startverschiebung wegen nun Galaxy 12 und Insat 3A auf diverser kleinerer Probleme hauptsächlich an der die Reise gehen werden, ist üb- Countdown-Software erfolgte der Start gestern um 9: rigens genau die selbe, mit der 43 Ortszeit vom Startkomplex 40 der Cape Canaveral die europäische Weltraum- Air Force Station. Die Mission repräsentiert einen finan- behörde im Januar die Raum- ziellen Wert von 1,25 Milliarden Euro: 800 Millionen für sonde Rosetta zum Kometen den Satelliten und 450 Millionen für die Rakete. Sechs- Wirtanen schicken wollte. einhalb Stunden nach dem Lift-Off hatte der Satellit den Dieser Start wurde wegen der Künstlerische Darstel- vorausberechneten geostationären Orbit erreicht. Unsicherheiten mit dem Start- lung von Galaxy 12. gerät aber nicht durchgeführt, 9. April und das Startfenster wurde damit verpasst. Rosetta ist Ariane 5 vor entscheidender Mission seither in Kourou eingelagert. Derzeit werden neue Tra- Eine für die Reputation der Ariane 5 höchst wichtige jektorien zu Wirtanen und einigen Ausweich-Zielen be- Mission soll – nach eintägiger Startverschiebung – heute rechnet. Ein erneuter Startversuch ist aber vor Anfang Nacht über die Bühne, respektive Startanlage, gehen. nächsten Jahres nicht möglich. Man darf mit Sicherheit annehmen, dass dieser Start in 26 spacexpress chronik 2003 10. April 20:08 Eastern Daylight Time Ariane 5 erfolgreich – (EDT), die lokalen Zeitzone, Atlas 3B startbereit in der sich das Kennedy Space Europas krisengeschütteltes Ariane Center befindet. 5-Programm erzielte heute Nacht Auch der nächste Start von mit dem gelungenen Start der bei- Cape Canaveral aus wird ver- den Nachrichtensatelliten Insat 3A schoben, allerdings aus an- und Galaxy 12 einen dringend be- deren Gründen. Für den 18. nötigten Erfolg. Vier Monate nach April war der Missionsbeginn dem Absturz des ersten Modells Asiasat 4 in der Werks- von SIRTF geplant, der „Space Ariane 5 während einer schubverstärkten Version der halle bei Boeing. Infrared Telescope Facility“, des Starts. Ariane 5 (Ariane 5 ESC-A) erfolgte dem vorläufig letzten der großen Weltraumteleskope jetzt der Start einer Basisversion (Ariane 5G) ohne der NASA. Dieser Start ist jetzt auf den 26. April ver- Probleme. Ein weiterer Fehlstart hätte möglicherweise schoben worden. Bei diesem Flug wird erstmals eine sogar das Ende für die Fertigung großer Trägerraketen Delta 2 „Heavy“ zum Einsatz kommen. Es ist dies eine in Westeuropa bedeuten können. Die insgesamt 15. Ari- Spezialversion, die speziell für drei Wissenschaftsmissi- ane 5 verließ die Startrampe 3A in Kourou um 0:52 mit- onen in diesem Jahr zusammengestellt wurde, und noch teleuropäischer Zeit, und verschwand Sekunden später nie vorher geflogen ist. Um die erhöhten Nutzlastan- in einer dichten Wolkenschicht. Eine gute halbe Stunde forderungen zu bewältigen, wird die Delta 2 mit neun später hatten die Ariane 5 ihren Zielorbit erreicht, mit Feststoffboostern ausgerüstet, die eigentlich für die einem niedrigsten Bahnpunkt von 859 Kilometern über wesentlich größere Delta 3-Rakete vorgesehen waren. der Erdoberfläche und einem höchsten Bahnpunkt von Sechs dieser Booster werden beim Start gezündet, die 36.055 Kilometern. Das Aussetzen der beiden Satelliten anderen drei erst achtzig Sekunden nach dem Abheben, in dieser hochelliptischen Bahn verlief problemlos. Insat nachdem der erste Satz an Feststoffraketen ausgebrannt und Galaxy werden ihre endgültige Bahn in den näch- und abgeworfen ist. Die Delta 2 ist damit in der Lage, 13 sten Tagen selbständig ansteuern. Die nächste Ariane Prozent mehr Nutzlast in den Weltraum zu befördern. 5G soll im Juni mit den beiden Kommunikationssatelliten Um dies zu erreichen musste auch die Zentralstufe der Optus C1 und BSat-2c auf die Reise gehen. Die nächste Delta 2 verstärkt und gegen die höheren akustischen Ariane ESC-A wird – dann wahrscheinlich lediglich mit und Vibrationslasten geschützt werden. einer Dummy-Nutzlast versehen – nicht vor Frühjahr nächsten Jahres starten können. In der Zwischenzeit Das Observatorium muss längstens bis zum 7.Mai die wartet schon die nächste Großrakete auf ihren Einsatz. Startrampe verlassen haben, um Platz für die beiden Heute Nacht um 2:09 mitteleuropäischer Zeit soll ei- Mars-Rover zu machen, die ebenfalls mit je einer Delta ne Atlas 3B mit dem Kommunikationssatelliten Asiasat 2 „Heavy“ Ende Mai und Mitte Juni gestartet werden 4 von der Rampe 36 der Cape Canaveral Air Force sollen. Während SIRTF auf der Delta-Startrampe 17B Station in den Weltraum fliegen. Die Asiasat Telecom- steht, wird in diesen Tagen schon die nächste „Heavy“ munications Company hat ihren Sitz in Hongkong. Den auf der Rampe 17A errichtet. Von hier aus wird der Satelliten kaufte dieser Provider bei Boeing. Es handelt erste der beiden Mars-Rover auf die Reise gehen. Der sich dabei um ein Modell 601 HP mit 48 aktiven Trans- zweite Mars-Rover muss ebenfalls wieder von der Ram- pondern an Bord und einem Gesamtgewicht von über pe 17 B gestartet werden. Der Start der Mars-Vehikel 4.000 Kilogramm. Die Wetteraussichten für den Start kann wegen der engen Startfenster, vorgegeben durch heute Nacht sind günstig. die Konstellation der Planeten Erde und Mars, keinesfalls verschoben werden. Wird das Startfenster verpasst, be- 11. April steht erst in 26 Monaten wieder eine Startmöglichkeit Startverschiebungen bei Asia-Sat und SIRTF für die Mars-Sonden. Das „Processing“ einer Delta 2 Starke Höhenwinde haben den Start von Asiasat 4 we- „Heavy“ nimmt mindestens 6 Wochen in Anspruch. nige Minuten vor dem geplanten Lift-Off verhindert. Ein Wetterballon über dem Cape maß zehn Minuten vor 14. April dem Start eine Windgeschwindigkeit, die 30 Knoten Asiasat 4 im Orbit über dem zulässigen Limit der Atlas 3 Trägerrakete lag. Asiasat 4, ein Nachrichtensatellit, der Fernseh- und Te- Ein neuer Startversuch ist für die Nacht von Freitag auf lefonverbindungen zwischen 40 Ländern des Südostasi- Samstag vorgesehen. Das Startfenster öffnet sich dann atischen Raumes bereitstellen soll, wurde in der Nacht um 2:08 mitteleuropäischer Zeit am Samstag, das ist von Freitag auf Samstag von Cape Canaveral aus mit ei- 2003 spacexpress chronik 27 Das Raumfahrtjahr 2003

ner Lockheed Martin Atlas 3 erfolg- denn üblicherweise verglühen beim Rücksturz großer reich in den Weltraum befördert. Raumkörper zur Erde etwa 60 Prozent der Gesamtmas- se vollständig. Dem trägt auch die NASA Rechnung; sie Angetrieben von ihrem russischen will am 30. April die Suchaktion einstellen. RD 180 Haupttriebwerk verließ die Rakete um 20:47 Ortszeit die Star- Derzeit beginnt die Planung für Eileen Collins Flug trampe 36 B. Etwas über 30 Minuten Gestalt anzunehmen. Als ungefähres Datum wird der später gab die Centaur-Oberstufe, Oktober dieses Jahres angepeilt, weil dann der nächste angetrieben von einem einzelnen RL- Besatzungsaustausch an Bord der ISS stattfinden muss. 10 Triebwerk, den Satelliten in der Auf keinen Fall darf die Unterbrechung der Shuttle-Flü- Start der Altas 3 vorgesehenen Umlaufbahn frei. ge 32 Monate dauern, wie damals nach der Challenger- mit Asiasat 4. Katastrophe. Es war dies der 64. erfolgreiche Start einer Atlas Rakete in ununterbrochener Reihenfolge, und Inzwischen fanden die Suchmannschaften das suspekte der dritte Flug einer Atlas 3 überhaupt. Der letzte Fehlstart Carrier-Panel No. 6, von einer Atlas-Rakete ereignete sich im Jahre 1993. dem man bisher annahm, dass es die Katastrophe Beim nächsten Flug einer Atlas wird das zweite Exem- ausgelöst hat. Die Tatsa- plar einer Atlas 5 zum Einsatz kommen, die schwerste che, dass dieses Teil ge- Variante dieser Trägerraketen-Familie. Damit soll am funden wurde, beweist, 12. Mai ein griechischer Nachrichtensatellit in den Orbit dass dieses Panel nicht die befördert werden. Ursache für den Absturz gewesen sein kann. Man 15. April nimmt daher an, dass es Shuttle soll im Herbst wieder fliegen – eine mehr rumpfseitig ge- Neueste Ergebnisse zur Columbia-Katastrophe – legene Kachel ist, die sich Werden neue Shuttles gebaut? im Orbit ablöste. Das Für die Astronautin Eileen Fehlen eines dieser Teile Collins wird die Raumfähre hat jedenfalls bereits früh Columbia immer von ganz im Wiedereintritt dazu besonderer Bedeutung sein. Beschädigte Hitzeschutz- geführt, dass sich auch Im Jahre 1999 wurde sie mit kacheln, die nach früheren eines oder mehrere der der Columbia zum ersten Flügen ausgewechselt wurden. Flügelkantenpanele abge- weiblichen Shuttle-Komman- löst haben. Dies ist aber jetzt nur noch „Feintuning“ zur danten. Bei der damaligen vorherrschenden Theorie und es ändert das Szenario Mission brachte sie mit ihrer nicht wesentlich. Eileen Collins, designierte Crew das Chandra-Infrarot- Kommandantin der Teleskop in den Weltraum. Auch die Theorie, warum speziell bei der Columbia die nächsten Shuttle-Mission. vorderen Hitzekacheln besonders brüchig und scha- Nun sieht es so aus, als densanfällig waren, wird immer weiter durch Fakten würde Eileen Collins auch den ersten Flug in der Post- erhärtet. Die Kacheln der Columbia sind teilweise ein Columbia-Ära kommandieren. Die nächste Mission, die Vierteljahrhundert alt. Die Columbia wurde bereits im turnusmäßig ansteht, Flug STS 114 mit der Raumfähre Jahre 1978 fertig gestellt, aber wegen vieler Probleme – Atlantis, ist jedenfalls ihr Kommando. unter anderem mit dem Hitzeschutz – verzögerte sich Auf eigenen Wunsch nahm Eileen Collins mit ihrer Be- der Erstflug bis in den April 1981. Insgesamt stand die satzung in der letzten Woche an der immer noch laufen- Columbia nicht weniger als 1.208 Tage auf der Rampe, den Suchaktion nach den Überresten der Columbia teil. Wind und Wetter ausgesetzt. Am nächst längsten übri- Soichi Noguchi, japanischer Nutzlastspezialist in ihrem gens stand bislang die Discovery am Launch Pad, nämlich Team, fand dabei sogar eine der Hitzeschutzkacheln. 1.050 Tage. Pro Start waren das für die Columbia im Zuvor waren Collins und ihre Mannschaft in dem Han- Schnitt 43,1 Tage. Für den Rest der Shuttle-Flotte nur gar in Cape Canaveral gewesen, in dem die Überreste 36,6 Tage. der Columbia aufbewahrt werden. Über 50.000 Teile, Die ganze Zeit ist dabei insbesondere der linke Flügel die etwa 32 Prozent der Gesamtmasse des Orbiters der Zink-Schwefel Farbgrundierung der Service-Struk- ausmachen. Recht viel mehr wird man nicht finden, tur der Startanlage ausgesetzt, die bei Regenwetter 28 spacexpress chronik 2003 regelmäßig ausgewaschen wird. Diese Verbindung Die Reparatur wird ei- ist hochkorrosiv und hat die Kacheln wahrscheinlich ne teilweise Zerlegung im Inneren teilweise zersetzt. Eingedrungen ist diese der Rover erfordern, Flüssigkeit durch kleine Pinholes, Löcher von weniger als die bereits zu den Start- einem Millimeter Größe. Die NASA hielt diese kleinen vorbereitungen in das abgeplatzten Stellen für unwesentlich, und hat sie nie Kennedy Space Center repariert. Eine zerstörungsfreie Untersuchungsmethode gebracht wurden. 1 für das Innere der Keramik-Kacheln gibt es bislang nicht. Damit kann das ur- Um ganz sicher zu gehen, dass sie auch unbeschädigt sprüngliche Startdatum sind, müsste man sie zersägen. für die erste Raumson- Auch das heruntergefallene Stück Isolierschaum vom de nicht mehr gehalten Außentank hat in diesem Szenario eine Rolle gespielt. Für werden. Der Start war sich gesehen ein unwesentlicher Vorfall, wie er bei vielen für den 30. Mai vorge- Flügen passierte. In diesem Fall aber von entscheidender sehen und kann jetzt 2 Bedeutung. Ein unglücklicher Aufprall an einer entschei- frühestens am 6. Juni denden Stelle und an einem vorgeschädigten Teil. um 20:12 mitteleuro- 1: Künstlerische Darstellung päischer Zeit erfolgen. eines Mars Rovers auf dem Inzwischen haben sich mehrere prominente Fürsprecher Roten Planeten. Die Mission hat jeden Tag, bis einschließlich 19. 2: Einer der beiden Mars Ro- Juni, zwei so genannte ver bei abschließenden Tests „instantaneous launch am Kennedy Space Center. windows“. Dies bedeu- tet, dass es an jedem Tag in diesem Zeitraum zwei auf die Sekunde genau definierte Zeitpunkte gibt, an denen der Start erfolgen kann. Die Ankunft am Mars wird am 4. Januar 2004 erfolgen, ungeachtet des tatsächlichen Starttages innerhalb dieser Periode. Die Reparaturen werden den vorgesehenen Startzeit- Ein gewohntes Bild im Orbit – fehlende Hitzeschutz- punkt des zweiten Rovers (MER-2), den 25. Juni, nicht kacheln. Hier allerdings an relativ unkritischen Stellen. betreffen. Das Startfenster des MER-2 geht bis zum 15. Juli. Die Landung auf dem Mars wird dann am 25. Januar für eine Aufstockung der Shuttle-Flotte ausgesprochen, 2004 stattfinden. anstatt ein völlig neues System – den Orbital Space Pla- ne – zu entwickeln. Unter ihnen auch John Glenn, erster 17. April amerikanischer Astronaut und viermaliger Senator für X-Price: Thunderbird-Triebwerk den Bundesstaat Ohio. Ihre Argumentation ist es, dass erfolgreich getestet es wesentlich schneller gehen würde, eine technisch ver- Vor einigen Tagen führte einer der aussichtsreichen besserte Version des Shuttle zu bauen, als den Orbital X-Price-Wettbewerber, Starchaser Industries Ltd. in Space Plane neu zu entwickeln. Während der Orbital England, einen erfolgreichen Test des „Churchill II“- Space Plane wahrscheinlich nicht vor etwa 2010 in einer Triebwerks durch. Ausgerüstet mit diesen Triebwerken Basisversion zur Verfügung steht, könnte ein weiterer soll im nächsten Jahr der „Thunderbird“ starten, mit dem Shuttle bereits 2006 fertig gestellt sein. Steven Bennett und zwei Passagiere eine Höhe von über 100 Kilometern erreichen wollen. 16. April Mars Rover: Reparatur in letzter Minute – Schon in diesem Startverschiebung um eine Woche Herbst soll die be- Die Ingenieure der Jet Propulsion Laboratories der NA- mannte Flugerpro- SA haben ein Problem in der Verkabelung der beiden bung des „Churchill II- NASA Mars Exploration Rover (MER) entdeckt. Der Triebwerks“ begin- Start des ersten Rovers (MER-1) wird deshalb um min- nen, wenn die Nova II Das „Churchill II“-Triebwerk. destens eine Woche verschoben werden müssen. – ausgerüstet mit fünf 2003 spacexpress chronik 29 Das Raumfahrtjahr 2003

dieser Triebwerke – in Australien bis auf 10.000 Meter Auf die Frage, wie er denn die Entwicklungsmittel – Höhe fliegen soll. geschätzt werden mindestens 30 Millionen Dollar – auf- getrieben habe, antwortete Rutan: „Da gab es keine Das Triebwerk, das mit flüssigem Sauerstoff und Kerosin Schwierigkeiten. Gleich der erste, den wir gefragt haben , arbeitet, hat einen Maximalschub von etwa 3.000 Kilo- hat zugesagt“. Der Sponsor wolle aber geheim gehalten pond. Bei diesem ersten Test wurde es allerdings nur werden, meinte Rutan. mit einer Leistung von 2.200 Kilopond gefahren. Die Testdauer betrug 15 Sekunden. Rutan machte klar, dass dieser Roll-out kein Marke- ting-Gag sei. „Weder brauchen wir hier Geld, noch 22. April verkaufen wir etwas“, meinte er. „Wir sind einfach in der X-Price: Scaled Composites stellt Mitte eines Forschungsprogramms, an dessen Ende der „Space Ship One“ und „White Knight“ vor preiswerte Zugang zum Weltraum steht“. Der offizielle Roll-out des Wettbewerbsvehikels von Der ungenannte Kunde will offensichtlich nicht nur Scaled Composites dürfte ein herber Schlag für die die komplette Entwicklung bezahlen, sondern auch meisten der X-Price Wettbewerber gewesen sein. Wie den Nachweis, dass Weltraumfahrzeuge routinemäßig kaum anders zu erwarten war, stellten die Gebrüder gestartet werden können. Rutan gab bekannt, dass er Rutan ein technisch ausgereiftes, hochwertiges und auch nach Absolvierung der X-Price-Wettbewerbsflüge überzeugendes Produkt vor, gegen das die Wettbe- plane, jede Woche mindestens einmal zu starten, um werbsfahrzeuge der meisten anderen Konkurrenten wie eine Datenbasis für zukünftige regelmäßige Raumflüge planlose Amateur-Basteleien aussehen. zu gewinnen. Anders als die Konzepte der meisten Wettbewerber Zunächst aber beginnen die Tests. Sie werden in in- stellten die Rutans ein krementellen Schritten ablaufen. Schon in sehr kurzer vollständiges System Zeit werden „Captive Carry“-Tests durchgeführt, bei vor, bestehend aus dem das „Space Ship One“ unter dem Rumpf des Trägerflugzeug, dem „White Knight“ durch eine Reihe von Flugmanövern Raumfahrzeug, dem und Höhenbereichen geführt wird. Diese Flüge dienen Triebwerk, den Bo- dazu, aerodynamische Daten für das Raumfahrzeug zu 1 denanlagen und den gewinnen, denn verzichtet vollständig auf Trainingseinrichtungen. teure Windtunnel-Tests. Burt Rutan bezeichne- te es als „komplettes Nach den Captive-Carry-Tests beginnen die Drop- bemanntes Raumfahrt- Tests, bei denen das Raumfahrzeug vom Mutterflugzeug programm mit allen abgeworfen wird und selbständig landet. Diese Tests unterstützenden Ele- sollen nach und nach bis in 15.000 Metern Höhe durch- 2 menten“. geführt werden, die Einsatzhöhe für den realen Drop.

1: „Space Ship One“. Was anderen Firmen Nach den Drop-Tests beginnen die Testflüge mit dem Schwierigkeiten macht, Raketenmotor. Zunächst wird er nur für wenige Sekun- 2: „Space Ship One“ unter dem scheint für die Rutans den getestet, die Geschwindigkeit wird dabei kaum über Rumpf der „White Knight“. ein Leichtes zu sein. In Mach 1 steigen. Nach und nach wird aber das normale seiner Ansprache beim öffentlichen Roll-out am ver- Einsatzflugprofil erreicht, das dann Flughöhen von mehr gangenen Samstag verkündete Burt Rutan, dass die als 100 Kilometern und Geschwindigkeiten von 4.000 Arbeiten am „Space Ship One“ bereits seit zwei Jah- Stundenkilometern vorsieht. ren hinter verschlossenen Werkstoren laufen. Lediglich die ersten Testflüge des Trägerflugzeuges, des „White 23. April Knight“, die seit August letzten Jahres betrieben wer- Expedtion Crew 7 in Baikonur eingetroffen den, konnten nicht geheim gehalten werden. Sie hatten Die beiden Männer, die den ersten Raumflug seit der in interessierten Kreisen schon zu erheblichen Spekula- Columbia-Katastrophe unternehmen werden, sind vor- tionen geführt. Allein dieses Flugzeug ist eine technolo- gestern in Baikonur eingetroffen. Dort beginnen die gische Meisterleistung für sich. Auch die Finanzierung, abschließenden Vorbereitungen für den Start zur Inter- die alle anderen Wettbewerber vor fast unlösbare Pro- nationalen Raumstation mit dem russischen Raumschiff bleme stellt, scheint für die Rutans problemlos abgelau- Sojus TMA-2. Der russische Kommandant Juri Malen- fen zu sein. chenko und der amerikanische Bordingenieur Edward

30 spacexpress chronik 2003 Lu – sie bilden offiziell die „Ex- 25. April pedition Crew 7“ – sollen am Drei Starts in drei Tagen Samstag in den frühen Mor- Ein in diesen Zeiten eher sel- genstunden (5:54 MEZ) ihre tenes Raumfahrtereignis findet Reise in die Umlaufbahn antre- zwischen Samstag morgen, ten. Diese beiden Astronauten 5:54 und Dienstag früh 0:15 werden inoffiziell auch als mitteleuropäischer Zeit statt: Roll-out der Sojus Rakete. „Caretaker-Crew“ bezeichnet. Drei Weltraumstarts innerhalb Ihre einzige Aufgabe wird es von drei Tagen. Wenn alles nach Plan läuft, wird eine So- sein, die Raumstation instand jus FG mit dem bemannten Raumschiff Sojus TMA-2 den zu halten, bis entweder eine Reigen eröffnen. Am kommenden Montag, um 14:00 weitere „Caretaker-Crew“ – MEZ, wird dann über der Eastern Test Range, etwa 50 bestehend aus ebenfalls nur Kilometer östlich von Cape Canaveral, eine Pegasus XL zwei Besatzungsmitgliedern – in 12.000 Metern Höhe von ihrem Stargazer-Startflug- eintrifft, oder aber der Shuttle zeug aus freigegeben, und bringt den 300 Kilogramm die Flüge wieder aufnimmt, 1: Sojus TMA-2 wird in schweren NASA-Forschungssatelliten GALEX in eine und die normale Besatzungs- die Nutzlast-Fairing 675 Kilometer hohe Umlaufbahn. Das Akronym „GA- rotation der Raumstation eingepasst. LEX“ steht für „Galaxy Evolu- wieder aufgenommen werden 2: Malenchenko und tion Explorer“. Und weitere 10 kann. Lu kommen in Bai- Stunden und 15 Minuten später konur an. soll der dritte Start in Baikonur An Bord der ISS befindet sich erfolgen. Dann wird eine Pro- momentan die Expeditionscrew 6, bestehend aus dem ton „Breeze“ den Nachrichten- amerikanischen Kommandanten Kenneth Bowersox, satelliten AMC 9 in den Orbit dem Flugingenieur Nikolai Budarin und dem Wissen- bringen. schaftsastronauten Donald Pettit. Diese drei sollen nach einer einwöchigen Übergabephase am 3. Mai mit der 28. April derzeit an der Station angedockten Raumkapsel Sojus Expeditionscrew 7 erreicht TMA-1 in Kasachstan landen. ISS – Galex gestartet – AMC 9 Start verschoben 24. April Zwei Tage und zwei Stunden Russland bringt militärischen nach dem Start in Baikonur Frühwarn-Satelliten in den Orbit hat die Expeditionscrew 7 am Heute morgen, um 6:23 mitteleuropäischer Zeit, star- heutigen Montagmorgen um teten die russischen Streitkräfte einen militärischen Früh- 7:56 mitteleuropäischer Zeit an warnsatelliten von Baikonur aus in einen geostationären der Internationalen Raumstati- Orbit. Dabei wurde eine Trägerrakete vom Typ Proton on angelegt. Annäherung und K eingesetzt. Eine genauere Beschreibung des Satelliten Docking des Raumschiffs Sojus wurde nicht freigegeben, lediglich die für militärische TMA-2 verliefen problemlos. Satelliten übliche generische Bezeichnung „Kosmos“, die Neunzig Minuten später öff- seit den ersten Tagen der sowjetischen Raumfahrt läuft, neten die beiden Neuankömm- und im Grund nichts anderes ist, als eine fortlaufende linge, der Amerikaner Edward Nummer. Demnach lautet die 1: Foto der automati- Lu und der Russische Komman- Bezeichnung des neuen Satelliten schen Rendezvous- dant Juri Malenchenko die Luke. „Kosmos 2397“. Der Start heute Kamera von Sojus Nach einer kurzen Empfangs- früh ist bereits der zweite militä- TMA-2 während feier begannen die Übergabe- rische Weltraum-Einsatz Russlands Anflugsan die ISS. Aktivitäten, die bis zum 3. Mai in den letzten vier Wochen. dauern werden. An diesem Tag 2: TMA-2 hat am Pirs- wird die Expeditionscrew 6, Dockung-Modul. die seit einem halben Jahr an Bord der Station ist, mit Sojus 3: Pressekonferenz Proton K beim Start. TMA-1 zur Erde zurückkeh- nach der Ankunft ren. Ursprünglich hätte diese 2003 spacexpress chronik 31 Das Raumfahrtjahr 2003

logramm schweren Satelliten auf eine 200 Kilometer hohe Umlauf- bahn zu bringen, oder einen 80 Ki- logramm schweren Satelliten auf eine sonnensynchrone, 98 Grad gegen den Äquator geneigte 800- Kilometer-Umlaufbahn. „Sollte“ deswegen, weil die beiden bisher stattgefundenen Startversuche am 2. November 1997 und am 11. Dezember 1999 fehlschlugen und die Rakete jeweils kurz nach dem Start gesprengt werden musste. Schnittzeichnung durch eine Pegasus XL. VLS-Trägerrakete. Für den 7. Mai ist nun der dritte Mannschaft, bestehend aus den Amerikanern Bowersox Versuch geplant, mit dem inzwischen über 300 Millio- und Pettit sowie dem russischen Kosmonauten Budarin, nen US-Dollar teuren Programm einen Satelliten in den schon Anfang März mit der Raumfähre Atlantis zurück- Orbit zu befördern. kehren sollen. In der Folge der Columbia-Katastrophe vom 1. Februar sind aber alle Shuttle-Flüge bis auf wei- Nachdem die ersten beiden Satelliten (SDC, ein meteo- teres suspendiert. rolgischer Forschungssatellit und SAC, ein Technologie- Satellit) in tausend Stücke gerissen wurden, wird für den Pünktlich auf die Sekunde startete auch Galex, der neuen Anlauf der nur 57 Kilogramm schwere Unosat neue Astronomie-Satellit der NASA. Die Freigabe der zum Einsatz kommen, gebaut von der „Universidade Pegasus XL vom Trägerflugzeug erfolgte um 13:59:54 Norte do Parana“. Auch er ist ein Technologie-Satellit. Sekunden mitteleuropäischer Zeit 50 Kilometer östlich von Ca- pe Canaveral über dem Meer in Mai der „Eastern Test Range“. Sechs Sekunden später erfolgte die 5. Mai Zündung der ersten Stufe, und 11 Gefährliche Landung – weit abseits vom Ziel Minuten und 2 Sekunden später Die Expeditionscrew 6 – Kenneth Bowersox, Donald wurde der Satellit in einer Hö- Pettit und Nikolai Budarin – beendete ihre fast sechs he von 700 Kilometern von der künstlerische Monate dauernde Mission mit einer hochdramatischen dritten Stufe der Trägerrakete Darstellung Galex Landung. Nach dem Ausfall des primären Steuerungs- freigegeben. Astronomie-Satellit. systems der Sojus TMA-1 Kapsel ging das Raumfahrzeug in einer ballistischen Freiflugbahn nieder. Die Besatzung Der Start von AMC-9, der in der kommenden Nacht wurde dabei einer Belastung von 9 g ausgesetzt, dem hätte stattfinden sollen, wurde dagegen vertagt. We- Neunfachen der normalen Schwerkraft. Zum Vergleich: gen Problemen in der dritten Stufe der Trägerrakete Eine normale Sojus-Landung belastet die Besatzung mit kann diese Mission jetzt frühestens Mitte Mai gestartet 4 g. Eine Landung im Shuttle mit maximal 1,5 g. Durch werden. Die Rakete wurde wieder in die Montagehalle den wesentlich steileren Abstiegswinkel verfehlte die zurückgerollt und muss demontiert werden. Sojus das vorgesehene Landegebiet um 460 Kilome- ter und ging in der Nähe des Aral-Sees in Kasachstan 30. April nieder. Neuer Versuch für Brasiliens Trägerrakete Was kaum jemandem bekannt ist: Brasilien versucht Es ist dies die dritte Landung im gesamten drei Jahrzehnte seit Jahren, eigene Satelliten mit eigenen Raketen in den dauernden Sojus-Programm, die mit einer ballistischen Weltraum zu bringen. Zu diesem Zweck hat das südame- Landung durchgeführt wurde, und der fünfte ernsthafte rikanische Land den VLS-Träger entwickelt, das „Veiculo Zwischenfall bei einer Landung mit einer Sojus. Bei Sojus Lancador de Satelites“, einen Kleinträger, der aussieht 1, dem Erstflug des wie eine Mischung aus einer maßstäblich verkleinerten Sojus-Systems, öff- chinesischen CZ-2F und einer japanischen H-2A Trä- neten sich die Lan- gerrakete. Die VLS hat eine Startmasse von knapp 50 defallschirme nicht Tonnen und sollte in der Lage sein, einen etwa 380 Ki- korrekt und Kos- 32 spacexpress chronik 2003 Sojus TMA-1 noch angedockt an ISS. monaut Komarov kam ums Leben. Bei Sojus 11 öffnete viele Beobachter äußerten schon schlimmste Befürch- sich ein Druck-Ausgleichsventil vorzeitig, und die Kos- tungen. Dann kam, zwei Stunden und fünf Minuten nach monauten Dobrovolski, Patzajew und Wolkov starben. dem Landezeitpunkt, der Anruf eines Suchflugzeuges. Sojus 5 erlebte einen ballistischen Wiedereintritt und Die Kapsel war 460 Kilometer vom vorgesehenen landete im Ural, in der Nähe der Stadt Oranienburg, und Landepunkt gesichtet worden. Sie war bei der Landung Sojus 23 landete – ebenfalls nach einem rein ballistischen umgekippt, etwa 10 Meter weit geschleift worden, und Wiedereintritt – in einer stürmischen Nacht im Tengis- hatte dabei die Funkantennen unter sich begraben. Der See, nicht weit von der Landestelle von Sojus-TMA 1. Besatzung war es gelungen, auszusteigen. Sie stand ne- Die Besatzung wäre damals beinahe ertrunken. ben der Kapsel und winkte dem Suchflugzeug zu. Die Sojus TMA-1 war das erste Raumfahrzeug seiner Die Suchhubschrauber kamen erst weitere vier Stunden Art. Es handelt sich hierbei um eine Weiterentwick- später an. Aufgrund der langen Flugstrecke hatten sie lung der bisherigen Sojus-Kapseln. Sojus-TMA-1 sollte in der kasachischen Stadt Astana eine Zwischenlandung eigentlich von einer erfahrenen Sojus-Crew gelandet machen müssen, um nachzutanken. werden. Stattdessen musste nun, nach dem Columbia- Budarin und insbesondere Bowersox zeigten sich in ex- Desaster, die Expeditionscrew 6 mit dem neuen, noch zellenter Verfassung. Trotz unerprobten Raumfahrzeug zur Erde zurückkehren. der immensen Belastung Budarin hatte allerdings in dem neuen Fahrzeug bereits beim Wiedereintritt und trainiert. Die Sojus TMA unterscheidet sich im Hand- des Umstandes, dass sie ling allerdings nicht sehr von der alten Version, und die sich selbst aus der umge- Astronauten hatten von der Expeditionscrew 7 eine stürzten und engen Kapsel Einweisung erhalten. Die meisten Funktionen laufen hatten befreien müssen, ohnehin automatisch ab. waren sie bei hervorra- Die Anspannung im Kontrollraum war immens. 16 Mi- Commander Bowersox gender Gesundheit. Beide nuten vor der vorgesehenen Landung hatte sich die Be- nach der Landung, im waren sofort in der Lage satzung zuletzt gemeldet. Budarin, der den Funkkontakt Flugzeug auf dem Weg herumzugehen, eine seltene herstellte, gab dabei an, dass die Besatzung wohlauf sei. nach Baikonur. Ausnahme nach lang dau- Dann brach der Kontakt ab. Zum vorgesehenen Zeit- ernden Raumflügen. Beide punkt der Landung kam keine Meldung von der Sojus. sind allerdings auch erfahrene Astronauten und ausge- Die Suchmannschaften, die mit Hubschraubern im vor- bildete Testpiloten in Hochleistungskampfflugzeugen gesehenen Zielgebiet kreisten, konnten nichts von der und kennen den Umgang mit extremen Andruckbela- Raumkapsel sehen. Die Minuten vergingen, und langsam stungen und die körperlichen Reaktionen, die nach der kam eine Stimmung im Kontrollzentrum auf, die an die Landung auftreten, genau. Donald Pettit hatte dagegen Columbia-Katastrophe erinnerte. Auch damals, am 1. einige Schwierigkeiten. Die enormen g-Kräfte und die Februar, hatte 16 Minuten vor der vorgesehenen Lan- harten Bedingungen nach der Landung hatten ihm sicht- dung der letzte Kontakt mit der Mannschaft bestanden. lich zugesetzt. Er musste nach der Rettung von Helfern getragen werden, war allerdings einige Stunden später Erste Meldungen, etwa eine viertel Stunde nach der bereits in der Lage, mit etwas Hilfe selbst zu gehen. vorgesehenen Landung, gaben bekannt, dass die Kapsel möglicherweise etwa 20 Kilometer außerhalb der Lan- Die Sojus-Kapsel wird jetzt nach Moskau gebracht und dezone niedergegangen sein müsse. Nach weiteren 15 genau inspiziert. Minuten wurde diese auf 30 Kilometer erweitert. Nach über einer Stunde bestand immer noch kein Kontakt 6. Mai zum Raumfahrzeug. Zu diesem Zeitpunkt lagen bereits Sojus-Besatzung: die ersten Bahnverfolgungsdaten vor, und die Abwei- Nicht den falschen Knopf gedrückt chung zum Zielpunkt wurde nun schon mit „mehr als Der mysteriöse Landezwischenfall mit der Sojus TMA-1 200 Kilometern“ angegeben. gibt den Experten derzeit Rätsel auf. Russische Ingeni- eure vermuten, dass die Besatzung möglicherweise auf 90 Minuten nach dem vorgesehenen Landezeitpunkt den falschen Knopf gedrückt hat. Tatsächlich gibt es in bestand nach wie vor keinerlei Kontakt. Es wurde der Sojus TMA einen „Emergency-Button“, der alle bekannt gegeben, dass die Landezone möglicherweise automatisierten Funktionen abschaltet und das Raum- um mehr als 400 Kilometer verfehlt worden sei. Alle fahrzeug in einer ballistischen Freifallbahn sich selbst Offiziellen und die Angehörigen der Astronauten waren überlässt. Der Schwerpunkt der Sojus ist so ausgelegt, in dieser Zeit in einen Nebenraum geführt worden, und 2003 spacexpress chronik 33 Das Raumfahrtjahr 2003

dass sich die Raum- ster für Mars Express ist bis zum 23. Juni offen. kapsel in jedem Fall Einige Tage vor dem Einschwenken in die Umlaufbahn von selbst stabili- soll Mars Express einen Lander mit Namen „Beagle 2“ siert und eine eine absetzen. Die Landesonde wird dann auf der Oberflä- sichere Landung che des Mars eine unabhängige Mission durchführen. durchführt. Aller- Sie wird aber trotzdem auf Mars Express im Orbit um dings unter Inkauf- den Mars angewiesen sein, denn die Orbitsonde dient nahme enormer An- Noch guter Dinge – Expeditions- für Beagle 2 als Funkrelais. Die Funksignale des Landers druckbelastungen crew 6 vor Einstieg in Sojus TMA 1. sind so schwach, dass sie direkt auf der Erde nicht zu für die Besatzung. empfangen sind. Diese Funktion ist eine Sicherheitseinrichtung für den Fall, dass es zu einem Komplettausfall der Bordelektro- 8. Mai nik kommt. Projekt Prometheus beginnt Bowersox, Budarin und Pettit bestreiten das aber. Sie Im Rahmen des „Projekt Prometheus“ hat die NASA in gaben an, dass sie sich sogar extra vor diesem Knopf, den vergangenen Tagen die ersten Aufträge vergeben. der überdies durch einen Sicherungsbügel geschützt Es handelt sich dabei um Studien über Möglichkeiten zur ist, in acht genommen haben. Die Sojus ist inzwischen Verbesserung von Radio-Nuklidbatterien, die Strom auf nach Moskau geliefert worden und wird dort unter- der Basis des Zerfalls radioaktiver Element gewinnen. sucht. Es muss ausgeschlossen werden, dass hier ein Im Einzelnen geht es dabei um Verbesserungen bei system-immanenter Fehler vorliegt, denn auch die der thermoelektrischen Energieumwandlung (im we- nächste Besatzung muss mit ihrer Sojus TMA zur Erde sentlichen das einzige derzeit angewandte Prinzip), bei zurückkommen. der Thermo-Fotovoltaik, dem Sterling-Motor und dem Bowersox und Budarin haben sich inzwischen gut von Brayton-Motor. den Strapazen erholt. Budarin war bereits in der Sauna Die Thermo-Elek- und im Schwimmbad. Pettit hat allerdings noch mit der trische Umwandlung, irdischen Schwerkraft zu kämpfen und wirkt noch etwas eingesetzt seit den desorientiert. 60er Jahren, hat den Die Landung am Sonntag war die erste Landung ame- großen Vorteil, keine rikanischer Astronauten in einer Raumkapsel seit 1975 beweglichen Teile zu und die erste, die auf Land erfolgte. Allerdings war der verwenden. Nachteil ist Bezieht Energie aus der amerikanische Weltraumtourist Dennis Tito bereits im die schlechte Energie- Zerfallswärme von Plutonium: letzten Jahr mit einer Sojus zur Erde zurückgekehrt. Ausbeute. Raumson- Raumsonde Cassini. den wie zum Beispiel 7. Mai Cassini müssen für eine Energie-Ausbeute von wenigen Mars Express startet am 2. Juni Kilowatt etwa 30 Kilogramm Plutonium mitführen. Mit Mars Express, Europas erste Planetensonde zum Mars, dem Einsatz neuer Materialien könnte die Energieaus- soll am 2. Juni seine sechs Monate dauernde Reise an- beute verdoppelt werden, oder die gleiche Energie mit treten. Der Lift-Off ist für 19:45 geplant. Startort ist der der Hälfte an spaltbarem Material erzielt werden. russische Weltraumbahnhof Baikonur. Als Trägerrakete Thermo-Fotovoltaik ist eine weitere Methode, mit der wird eine Sojus-Fregat eingesetzt. Am 26. Dezember Strom ohne bewegliche Teile gewonnen wird. Mit dieser soll Mars Express in eine Umlaufbahn um den Roten Methode könnte die bisherige Energie-Ausbeute ver- Planeten eintreten. dreifacht bis vervierfacht werden. Der Start hätte eigent- Der Sterling-Motor arbeitet mit beweglichen Teilen. lich schon am 23. Mai Er könnte eine Verdreifachung der bisherigen Energie- stattfinden sollen, aber ausbeute aus der gleichen Menge Plutonium erzielen. dann wurde in einem Sterling-Motoren werden auch heute schon in der der Elektronikmodu- Raumfahrt angewendet, allerdings sind diese dann mit le der Raumsonde ein chemischen Batterien, Brennstoffzellen oder Solargene- Defekt entdeckt, der Mars Express mit Beagle 2 – ratoren betrieben. erst behoben werden künstlerische Darstellung. musste. Das Startfen- 34 spacexpress chronik 2003 Das technisch anspruchsvollste Prinzip ist das des Bray- Einsatz. Beim letzten Einsatz im Februar 2000 versagte ton-Cycle-Engines. Mit ihm könnte die Energieausbeute die Rakete und der 100 Millionen Dollar schwere Satellit vervielfacht, oder aber die eingesetzte Menge an spalt- stürzte wieder zur Erde zurück. barem Material um eine ganze Größenordnung redu- Dieses Mal aber scheint alles geklappt zu haben, und ziert werden. Insgesamt wurden 10 Forschungsaufträge MUSES-C steuert nun den 300 Millionen Kilometer ent- im Wert von 43 Millionen Dollar vergeben. fernten Asteroiden 1998 SF36 an, den sie in etwa zwei Energiegewinnung aus Radio-Nuklidbatterien ist aber Jahren erreichen soll. Der Asteroid ist unregelmäßig nur eine der Entwicklungslinien für das Projekt Prome- geformt und etwa 500 Meter groß. Es ist vorgesehen, theus. Sie werden für kleinere Raumsonden, stationäre dass die Raumsonde auf dem Himmelskörper landet, Meßstationen und Rover benötigt, und liefern bis ma- eine Bodenprobe entnimmt und damit wieder zur Erde ximal 10 KW an Leistung. Für den Hochleistungsbedarf fliegt. Die Landung der Rückkehrkapsel mit der etwa bis zu 100 KW und darüber, wie sie leistungsfähige ein Gramm schweren Probe soll im Sommer 2007 in Ionen- und Hall-Effekttriebwerke brauchen, werden im Australien erfolgen. Projekt Prometheus fortschrittliche und kompakte Fis- sions-Reaktoren entwickelt. Aufträge dafür sind bislang 14. Mai aber noch nicht vergeben worden. Olympia goes to Space Der gestrige Start einer Atlas 5 mit dem griechischen 9. Mai Nachrichtensatelliten Hellas Sat war mehr als nur eine Zwei Raumfahrterfolge für der üblichen Satelliten-Transportmissionen, wie wir sie Asien innerhalb von 18 Stunden alle paar Wochen einmal sehen. Zum einen ist Grie- Gestern um 13:28 mitteleuropäischer chenland mit diesem Satelliten zum ersten Mal im Welt- Zeit (16:58 Ortszeit) brachte die in- raum repräsentiert, zum anderen wurde gestern zum dische Weltraumbehörde ISRO mit ersten Mal in der amerikanischen Raumfahrtgeschichte der neuen GSLV-Trägerrakete den ein Satellitenträger an ein und demselben Tag zur Start- fast zwei Tonnen schweren experi- plattform gefahren und auch gestartet. Um 0:10 mittel- mentellen Kommunikationssatelliten europäischer Zeit heute Morgen hob die Rakete von GSAT 2 in einen gestationären Trans- GSLV vor Start. der mobilen Startplattform am Komplex 41 ab, genau 9 ferorbit. Es war dies der zweite Ein- Stunden und 30 Minuten nachdem sie aus der Montage- satz der GSLV und der erste mit ver- halle gerollt war. stärkten Zusatzraketen. Ausgangspunkt der Mission war – Nach einer kurzen wie bei allen indischen Starts in den Orbit – das Rake- U n t e r b r e c h u n g tentestzentrum Sathish Dhawan auf der kleinen Insel Sri- des Schlusscount- harikota, die zum Bundesstaat Andhra Pradesh gehört. downs (ein Schiff Indien befindet sich damit in einem exklusiven Club. Sa- war in das Sperr- telliten dieser Gewichtsklasse können neben Indien nur gebiet vor der noch die USA, Russland, Europa, Japan und China in den Küste Cape Cana- geostationären Transferorbit bringen. Nach dem nächs- Atlas 5 rollt zur Rampe. verals gefahren) ten Start einer GSLV will Indien die Erprobungsphase für erwachte das in diesen Träger für beendet erklären,und die Rakete auf Russland produzierte RD-180-Triebwerk zum Leben dem kommerziellen Markt anbieten. und wuchtete die über 60 Meter hohe und mehr als 350 Weniger als einen Tag später, nämlich heute morgen um Tonnen schwere Rakete in den Himmel. 6:29 mitteleuropäischer Zeit (13:29 japanischer Orts- 31 Minuten später wurde der Nachrichtensatellit in zeit), startete vom Raketenstartgelände Kagoshima die einem so genannten „Supersynchronen Orbit“ abge- Raumsonde MUSES-C an liefert. Eine Flugbahn wird so bezeichnet, wenn das Bord einer M-5 Rakete. Apogäum, also der bahnhöchste Punkt, über dem Le- Der Start verlief einwand- vel des geostationären Orbits liegt. Aus einer solchen frei, die Funktionsfähigkeit Bahn können Inklinationswechsel mit weniger Treibstoff der Raumsonde muss aber durchgeführt werden. Bei Starts von Cape Canaveral noch bestätigt werden. gilt es, eine Bahnneigung von 28,5 Grad zum Äquator Die M-5 kam bei diesem auf Null zu reduzieren. Supersynchrone Orbits sind des- Start zum fünften Mal zum Raumsonde MUSES-C. halb bei allen Abschüssen, die nicht direkt am Äquator

2003 spacexpress chronik 35 Das Raumfahrtjahr 2003

erfolgen, eine Option, die dem Satelliten Vorteile bringt. Fracht sicher auf die Oberfläche des Planeten zu brin- Der Anfangsorbit lag bei einem Perigäum (bahnniedrigs- gen. tem Punkt) von 320 Kilometern und einem Apogäum Der Großteil der Geschwindigkeit wird zunächst mit- von 85.000 Kilometern. tels eines untertassenförmigen Hitzeschildes abgebaut. Bei dem von Astrium gebauten Hellas Sat handelt es Der Schild schützt den Lander auch vor der enormen sich um ein Eurostar 2000-Modell. Der Satellit trägt 30 Reibungshitze beim Eintritt in die Atmosphäre. Sobald Ku-Band-Transponder. Die gesamten Missionskosten in- die Geschwindigkeit nur noch wenige hundert Meter klusive Satellit, Trägerrakete und Versicherung betrugen pro Sekunde beträgt, wird ein Fallschirm ausgeworfen, 178 Millionen Dollar. der zunächst noch gerefft ist. Die Reffs werden nach einer Weile gekappt, und die Geschwindigkeit wird auf Der nächste Start einer Atlas 5 soll am 17. Juli erfolgen. etwa 100 Meter pro Sekunde abgebremst. Die Lande- Dann wird die Version 500 ihren Erstflug haben. Diese plattform mit dem Rover hängt dann unter dem Schirm. Variante hat eine wesentlich größere Payload Fairing Ein Radargerät stellt fest, wann die Kombination nur – gebaut von der schweizerischen Firma Contraves noch etwa 30 Meter über dem Mars ist. Dann feuern – und wird beim Start von zwei Feststoff-Zusatzraketen drei Bremsraketen, Airbags werden aufgeblasen, der unterstützt. Fallschirm abgetrennt und die in die Airbags einge- schlossene Plattform mit dem Rover rollt auf dem Mars 15. Mai aus. Wenn alles zum Stillstand gekommen ist, werden All systems go: die Airbags eingezogen. Bei diesem Vorgang richtet sich NASA‘s Mars Rover sind einsatzbereit die Sonde dann auch so auf, dass der auf der Plattform Nach einigen Modifikationen in letzter Minute sind die montierte Rover nach oben zu stehen kommt. beiden Mars Exploration Rover der NASA, MER-A und MER-B, nunmehr startbereit. Der Start von MER-A In den nachfolgenden vier bis fünf Tagen wird der Rover ist für den 5. Juni vorgesehen. MER-B soll am 25. Juni durchgecheckt und in Betrieb genommen. Etwa am folgen. In beiden Fällen wird jeweils eine Delta 2 von fünften Tag nach der Landung beginnt die Mission des Lockheed Martin eingesetzt. Im Falle von MER-A genügt Fahrzeugs zur Erkundung der Oberfläche. die Standard-Ausführung der schwersten Delta 2. Für MER-B aber muss, wegen des späteren Startdatums und 16. Mai der dadurch bedingten ungünstigeren Trajektorie, ein Columbia-Katastrophe: Sondermodell eingesetzt werden, die Delta 2 „Heavy“, Ursache wird vielleicht nie gefunden die bei diesem Start ihren Erstflug NASA-Chef Sean O‘Keefe sagte, dass die Ursache der erleben wird. Columbia-Katastrophe vom 1.Februar möglicherweise nie gefunden werden wird. Wenn alles glatt geht, dann wird MER-A am 4. Januar 2004 den Mars Während der Ablauf der Katastrophe inzwischen erreichen, MER-B am 25. Januar. Der minutiös bekannt ist, ist die Frage, warum eine der Hit- erste Rover soll dabei im Gusev-Kra- zeschutz-Kacheln an der Flügelvorderkante brach, nach ter landen, der zweite auf der ande- wie vor ungeklärt. Die führende Theorie ist in der Zwi- ren Seite des Mars, in einer Gegend, schenzeit, dass sich ein eisverkrustetes Stück der Tank- die Meridiani Planum heißt. verkleidung 81 Sekunden nach dem Lift-Off oberhalb des Orbiters löste, danach auf die Flügelvorderkante Das Landeverfahren für die beiden schlug und diese schwer beschädigte. Rover ist ähnlich wie bei Mars Path- finder/Sojourner im Jahre 1997. Vom Das Problem ist, dass sich diese Theorie in den bislang ersten Kontakt mit der Atmosphäre durchgeführten Versuchen nicht erhärten ließ. Auch des Roten Planeten bis zum Stillstand unter der Annahme, dass das Schaumstoffstück nach 1: In diese nach der Landung werden nicht mehr der Ablösung durch den Luftstrom schlagartig auf Ge- Airbags ist die als sechs Minuten vergehen. In dieser schwindigkeit Null heruntergebremst wurde (was bei Landesonde Zeit wird aber eine Geschwindigkeit einem eisverkrusteten Stück, dessen spezifisches Ge- eingehüllt. von über 35.000 Stundenkilometern wicht recht hoch wäre, unwahrscheinlich ist), und der 2: Die Bremsra- abgebaut; und üngefähr 50 pyro- zu diesem Zeitpunkt fast zweifach schallschnelle Orbiter keten zünden – technischer Vorgänge müssen auf die somit mit der Flügelkante auf ein gleichsam ruhendes Künstlerische Hundertstelsekunde genau klappen, Objekt geprallt wäre, wären die Schäden an den Ka- Darstellung. um die Sonde mit ihrer wertvollen cheln minimal gewesen. Inzwischen wurden Versuche 36 spacexpress chronik 2003 erten Trajektorie. Die Besatzung, Kenneth Bowersox, Nikolai Bu- darin und Donald Pettit war bei dieser Landung einem Andruck von fast 9g ausgesetzt ge- wesen. Erst mehr als zwei Stunden nach der Diese gewaltige Druckgas-Kanone benutzt die Landung war die Crew NASA für ihre Einschlagtests. entdeckt worden, und unternommen, bei denen Schaumstoffteile mit 1600 es dauerte über vier Stundenkilometern auf Kacheln der Raumfähre Dis- Stunden, bis die ersten covery geschossen wurden. Es zeigten sich nur leichte Bergungshubschrauber Kratzer. Der Orbiter hätte nach einen solchen Vorfall am Landeort eintrafen. problemlos landen können. Die Untersuchung der 1: Budarin (stehend), rechts Derzeit wird eine weitere Theorie untersucht, wonach Kapsel im Korolev- sitzend Astronaut Pettit. das vereiste Schaumstoffteil schnell rotiert hätte. Be- Raumflugzentrum in 2: Untersuchung der Kapsel rechnungen haben ergeben, dass bei 30 Umdrehungen Moskau hat nun erge- im Korolev-Raumfahrtzent- pro Sekunde die Schäden am Orbiter tatsächlich sub- ben, dass ein Software- rum in Moskau. stanziell sein könnten. Ob allerdings ein großes Schaum- Problem die Ursache stoffteil derart schnell rotieren könnte, wird für nicht für das Fehlverhalten war. Dies ist auch für die Landung sonderlich wahrscheinlich gehalten. der gegenwärtigen ISS-Besatzung wichtig, die im Ok- tober mit Sojus TMA-2 zur Erde zurückkehren muss. Möglich wäre auch noch, dass es in einer späteren Phase TMA-2 ist derzeit an der Raumstation angedockt und des Starts, nachdem der Orbiter schon außerhalb der dürfte denselben Systemfehler aufweisen wie TMA-1. Sicht der Kameras war, zu irgendeinem Vorfall gekom- Die russischen Ingenieure haben bekannt gegeben, dass men ist, der die Flügelvorderkante beschädigt hat. Etwa die Astronauten Malenchenko und Lu die Kapsel per beim Abtrennen der Feststoffbooster oder bei der Handsteuerung landen müssen, um diesen Fehler zu Abtrennung des Außentanks. umgehen. In der selben Stellungnahme, in der O‘Keefe bekannt gab, dass die Unfallursache vielleicht nie gefunden wird, 22. Mai sagte der NASA-Administrator auch, dass die Orbiter Space Ship One: Flugtests beginnen weiterhin notwendig sein werden, um die Internationale Space Ship One, das wieder verwendbare suborbitale Raumstation zu komplettieren. Tendenziell werde man Raumfahrzeug der Firma Scaled Composites, unternahm aber zukünftig mit kleineren Crews fliegen, und es wird vorgestern seinen ersten “Captive-Carry-Testflug”. Be- sogar erwogen, zumindest bei einigen Einsätzen die richte über das Handling der Kombination aus “White Raumfähren unbemannt zu starten. Knight”-Trägerflugzeug und “Space Ship One” liegen noch nicht vor, doch konnten Beobachter am Mojave- 21. Mai Flugplatz keine Anomalien irgendwelcher Art beobach- Sojus-Landung: Kein Fehler der Besatzung ten. Um seine Wettbewerbssituation gegenüber den Die Untersuchung der Sojus TMA-1 Raumkapsel, mit der die 6. Crew der Internationalen Raumstation am 3. Mai zur Erde zurück kehrte, hat ergeben, dass für die Abweichung vom vorgesehenen Landepunkt nicht die Besatzung verantwortlich war. Zunächst war eine Fehl- bedienung vermutet worden. TMA-1 war fast 500 Ki- lometer vom vorgesehenen Landeort niedergegangen, nachdem sich während der Landung völlig überraschend ein Notprogramm aktiviert hatte, das die Raumkapsel in einer freien ballistischen Rückkehrbahn zur Erde zu- „White Knight“ und „Space Ship One“ rück brachte, anstatt in einer kontrollierten und gesteu- beim „Captive Carry“ Flug.

2003 spacexpress chronik 37 Das Raumfahrtjahr 2003

anderen X-Price-Bewerbern nicht zu verschlechtern, bekam dafür die Endmontage geben sich die Gebrüder Rutan, Inhaber von Scaled der Satelliten zugesprochen. Composites, mit Berichten zum Testfortgang bedeckt. Zuletzt ging es noch um den Das hatten sie auch beim öffentlichen Rollout von White spanischen Anteil am System. Knight und Space Ship One am 18. April zum Ausdruck Die Partnerländer wollten gebracht. Es sollen nur etwa einmal monatlich Berichte 1 Spanien 9 Prozent zubilligen, zum Testfortschritt auf der Homepage von Scaled Com- Spanien selbst wollte 11 Pro- posites erscheinen. Das ist bislang noch nicht erfolgt. zent. Der genaue Einigungs- Mit diesem Test haben die Flugversuche des Space Ship betrag ist noch unbekannt, One begonnen. Es werden jetzt eine ganze Reihe dieser aber die Gesamtaufteilung Captive Carry Tests stattfinden, die bis in immer grö- scheint jetzt – nach infor- ßere Höhe führen werden. Zunächst ist das Space Ship mellen Quellen wie folgt zu One noch unbemannt. Bei späteren Captive Carry Tests sein: Frankreich, Deutschland, 2 wird auch eine Besatzung an Bord sein. Nach Abschluss Italien und England jeweils 1: Galileo-Satellit. dieser ersten Testserie beginnen die Gleitflüge. Dabei 17,25 Prozent, Spanien 10,25 wird Space Ship One vom Trägerflugzeug abgeworfen. Prozent und Belgien 4,75 Pro- 2: Schematische Auch diese Versuche beginnen zunächst in geringerer zent. Darstellung der Galileo-Konstellation. Höhe (etwa 4000 Metern) und werden dann bis zur Der vollen Entwicklung des Einsatz-Abwurfhöhe von 15.500 Metern ausgedehnt. Systems steht jetzt nichts mehr im Wege. Ein erster ex- Sind diese Tests erfolgreich abgeschlossen, beginnen perimenteller Galileo-Satellit soll 2005 starten, bis 2008 die raketenunterstützten Flüge. Zunächst mit Brenn- soll das gesamte, 30 Satelliten umfassende System im dauern von nur wenigen Sekunden, gerade genug um Orbit sein. Überschallgeschwindigkeit zu erreichen, bis zu späteren Einsatzversuchen über das volle Flugspektrum. 28. Mai Finanzspritze für das Ariane-Programm 26. Mai Die Minister für Raumfahrtangelegenheiten der fünf- China startet Navigationssatelliten zehn ESA-Mitgliedstaaten und Kanadas sind gestern zu Am Samstag um 18:34 mitteleuropäischer Zeit (0:34 einem eintägigen Treffen in der Hauptverwaltung der Ortszeit) startete die Volksrepublik China ihren dritten ESA in Paris zusammengekommen. Die von den Mini- Navigationssatelliten vom Typ „Bei Dou“. 20 Minuten stern gefassten Beschlüsse sind ausschlaggebend für die nach dem Start in Xichang mit einer Trägerrakete vom Aufrechterhaltung des garantierten Zugangs Europas Typ Long March 3A wurde der Satellit in der vorgese- zum Weltraum. Sie helfen der ESA, die Wettbewerbs- henen Umlaufbahn ausgesetzt. Zwei andere „Bei Dou“ fähigkeit des europäischen Trägersystems wiederher- – Satelliten waren schon im Jahr 2000 gestartet worden. zustellen, den Trägersektor umzustrukturieren und die Der Start in der Nacht zum Samstag war der 70. Flug einer künftige Trägergeneration vorzubereiten. Darüber hi- Long March-Rakete insgesamt, und der 26. erfolgreiche naus haben die Minister beschlossen, Mittel für den Ein- Start in ununterbro- satz der Internationalen Raumstation (ISS) freizugeben. chener Reihenfolge. Im Einzelnen sind sie übereingekommen, Europas kom- merziellen Raketenbetreiber, Arianespace, bei der 26. Mai Wiederaufnahme der Produktion der Ariane-5 in ihrer Und es bewegt Grundausführung unter die Arme zu sich doch: greifen, um die Kontinuität der Start- Bei Dou-Satellit. Satellitennavigati- dienste zu sichern. Gleichzeitig wurde onssystem Galileo beschlossen, die neue, leistungsstär- endlich abgesegnet kere Ausführung ESC-A (Startkapa- Nach langwierigen und zähen Verhandlungen ist das zität: 10 Tonnen) durch zwei Flüge europäische Satellitennavigationssystem Galileo jetzt im Jahr 2004 zu qualifizieren und die endverhandelt. Die Einigung hatte sich um Monate ver- Produktionskosten weiter zu senken. schoben. Zunächst ging es um die Frage, welches Land Um Europas garantierten Zugang in Europa die Führungsrolle übernimmt, Italien oder Ariane 5 Rakete. zum Weltraum zu erhalten, verein- Deutschland. Hier setzte sich Deutschland durch, Italien barten die Minister außerdem, von 38 spacexpress chronik 2003 2005 bis 2009 ein Sonderprogramm durchzuführen, das und nur Minuten später meldete die institutionelle Nutzung der Ariane-5 verstärken soll. sich Mars Express bei der ESA-Tie- fraumüberwachung in Australien. Neben diesen Sofortmaßnahmen zur Überwindung der gegenwärtigen Schwierigkeiten im Trägersektor, der Kurz darauf wurden auch die So- weltweit in einer schweren Krise steckt, wurden struk- largeneratoren entfaltet, somit turelle Maßnahmen getroffen, um den europäischen ist auch die Stromversorgung der Trägersektor als Ganzes robuster zu gestalten. Sonde gesichert. Alle Systeme an Bord arbeiten einwandfrei. Ferner beschlossen die Minister, die Entwicklung der 1 nächsten Generation von Raumfahrzeugträgern vorzu- In den nächsten Tagen finden wei- bereiten, um Europas Wettbewerbsfähigkeit auf diesem tere Manöver statt: Ein „Collision Gebiet zu verbessern und eine internationale Zusam- avoidance maneuvre“, bei dem menarbeit aufzubauen. Diese Zusammenarbeit – zu- die Sonde den Kurs leicht ändern nächst mit Russland – schließt den Einsatz der russischen wird, um einen möglichen Zusam- Sojus durch Arianespace vom europäischen Raumflug- menstoss mit der in der Nähe trei- hafen in Kourou, Französisch-Guayana, ab 2006 ein. benden, nunmehr ausgebrannten 2 Oberstufe zu vermeiden. Und eine Die finanziellen Verpflichtungen der ESA für das Träger- Kurskorrektur der Fregat, wodurch 1: Trägerrakete raketenprogramm sind wie folgt: die – allerdings extrem kleine – Sojus-Fregat ist Gefahr vermieden wird, dass die startbereit. 72,5 Millionen als finanzielle Beihilfe für die Beschaffung nicht sterilisierte Oberstufe auf der des nächsten Produktionsloses der Ariane 5-Raketen. 2: Mars Express Marsoberfläche aufschlägt. Danach auf der Fregat- 42,5 Millionen Euro als Entwicklungsbeitrag für die De- werden die Transportsicherungen Oberstufe – sign-Änderung des Vulcain 2 Triebwerks, das im vergan- des Beagle-Landers abgesprengt. Künstlerische genen Dezember beim Erstflug einer Ariane 5 ESC-A Noch ist der Lander durch starke Darstellung. versagt hat, 60 Millionen Euro für Verbesserungen an Halteklammern auf dem Orbiter der ESC-A-Oberstufe, und 228 Millionen Euro für die gesichert. Diese Vorrichtung verhinderte, dass er sich Durchführung von zwei Qualifikationsflügen für das beim Start durch die starken Vibrationen versehentlich neue ESC-A Modell. lösen konnte. Nach dem Absprengen der Klammern besteht die Verbindung nur noch über eine strukturell wesentlich schwächere pyrotechnische Halterung. Nach Juni der Überprüfung der Instrumente wird sich die Sonde bis zur Ankunft am Mars in eine Art Winterschlaf bege- 3. Juni ben. Alle Instrumente werden dann deaktiviert, und le- Nach erfolgreichem Start – diglich einmal täglich wird sie einen kurzen Statusbericht Mars Express auf dem Weg zum Roten Planeten zur Erde senden. Im September wird sie einige Tage „ge- Mars Express ist auf dem Weg. Der erfolgreiche Start weckt“. Dann steht ein größeres Kurskorrekturmanöver am gestrigen Abend bildete die Voraussetzung für die an, und ein weiterer Generalcheck der Bordsysteme Durchführung der Mission, die mit dem Abstieg des wird durchgeführt. Beagle-Landers auf die Marsoberfläche am 25.12. und am gleichen Tag mit dem Einschwenken der Raumsonde 4. Juni selbst in eine Umlaufbahn um den Roten Planeten ihren Invasion in den Weltraum Höhepunkt finden soll. Wenn alles planmäßig verläuft, dann wird es im Verlauf Der Lift-Off erfolgte auf die Sekunde pünktlich um der kommenden Woche einen wahren Ansturm in den 19:45 mitteleuropäischer Zeit (23:45 Uhr kasachischer Weltraum geben. Es ist dies die dichteste Abfolge von Ortszeit). Alle Stufen arbeiteten einwandfrei, und 9 Mi- Starts seit langem. Sieben verschiedene Flüge mit acht nuten später war eine erste Übergangsbahn in einem Satelliten oder Raumsonden in acht Tagen. Im Einzelnen niedrigen Erdorbit erreicht. Knapp 85 Minuten nach handelt es sich um folgende Missionen: dem Einschuss in den Orbit zündete die Fregat-Ober- Noch für heute Nacht ist der Start eines russischen stufe ein zweites Mal und beschleunigte die Raumsonde Navigationssatelliten von Plesetzk aus vorgesehen. Am auf Fluchtgeschwindigkeit. 92 Minuten nach dem Start Freitag soll der Nachrichtensatellit AMC 9 von Baikonur war der Einschuss in die Transferbahn geglückt. Auch das aus an Bord einer Proton M auf die Reise in den Or- Abtrennmanöver von der Oberstufe verlief reibungslos, 2003 spacexpress chronik 39 Das Raumfahrtjahr 2003

bit gehen. Am Sonntag bricht das un- 11. Juni bemannte Versorgungsschiff Progress AMC 9, Progress M1-10, Thuraya 2 M1-10 zur Internationalen Raumstati- und Mars Rover „Spirit“ sind unterwegs. on auf, und am selben Tag soll in Ca- In der Nacht vom 6. auf den 7. Juni gab es ein kleines Ju- pe Canaveral eine Delta 2 den ersten biläum in Baikonur. An diesem Tag startete zum 300. Mal der beiden amerikanischen Mars-Rover eine Trägerrakete vom Typ Proton in den Weltraum. Bei (MER-A) auf den Weg zum Roten Pla- der Mission wurde der Nachrichtensatellit AMC 9 er- Macht den neten bringen. Am kommenden Diens- folgreich im Orbit abgeliefert. Die Proton K mit ihrer Anfang des tag ist der Start einer Zenith SL von Breeze M Oberstufe verließ die Reigens – der Odyssey Startplattform südlich von Startrampe um 0:15 mitteleu- Kosmos 3M. Hawaii aus vorgesehen. Nutzlast: Der ropäischer Zeit. Nicht weniger Kommunikationssatellit Thuraya 2. Am als fünf Brennperioden dieser 11. Juni soll eine Ariane 5G von Kourou aus die beiden Oberstufe waren notwendig, um Nachrichtensatelliten Optus C1 und BSAT-2C in den nach neun Stunden einen Orbit Orbit bringen, und nur einen Tag später eine Pegasus mit einem höchsten Bahnpunkt XL über der Eastern Test Range den Erdbeobachtungs- von 35.736 Kilometern, einem satelliten Orbview 3. niedrigsten Bahnpunkt von 6.661 Start der 300. Proton. Kilometern und einer Inklination von 17.43 Grad zu er- 5. Juni reichen. Die Bahnangleichung auf die Kreisbahnhöhe von Russland startet GPS-Satelliten 35.736 und das Einschwenken in die Inklination 0 wird Wie gestern angekündigt, starteten die russischen das Bordtriebwerk des Satelliten vornehmen. Diese An- Streitkräfte vom Kosmodrom in Plesetzk in der Nacht triebseinheit wurde von Astrium in München gebaut. zum Donnerstag einen militärischen GPS Satelliten Am Sonntag startete – ebenfalls von Baikonur aus – ein mit einer Kosmos 3M-Rakete. Der Satellit trägt die unbemannter Frachter, voll gepackt mit lebenswichtigen Bezeichnung Kosmos 2398. Der Start verlief offenbar Gütern für die Besatzung der Internationalen Raumsta- erfolgreich, nähere Verlautbarungen gab es wegen des tion. Nachdem alle amerikanischen Shuttle-Flüge auf militärischen Charakters der Mission aber nicht. Der unbestimmte Zeit ausgesetzt sind, ist die Versorgung Satellit hat eine Design-Lebensdauer von 8-10 Jahren. der ISS ausschließlich auf die russischen Lieferungen an- Der Start heute Nacht war die dritte militärische Missi- gewiesen. on Russlands in diesem Jahr. Neun weitere sollen noch Progress M1-10 hob um 12:34 mitteleuropäischer Zeit bis zum Ende des Jahres stattfinden. an der Spitze einer Sojus U von der Rampe ab. 10 Mi- nuten nach dem Lift-Off war der Anfangsorbit erreicht. 6. Juni Danach begann ein dreitägiges Rendezvous-Manöver, Mars Express überwindet erste Hürde um zur Raumstation aufzuschließen. Große Erleichterung gestern im ESA Mars-Express Kontrollraum, als von der Raumsonde die Meldung kam, Das Anlegemanöver an der ISS erfolgte heute Mittag dass sich die Transportsicherungen für den Beagle 2- um 13:17 mitteleuropäischer Zeit. Progress M1-10 ist Lander vorschriftsmäßig gelöst haben. das insgesamt 11. Progress-Raumfahrzeug, das zur Inter- nationalen Raumstation startete. Die Klammern sind notwendig gewesen, um den auf der Raumsonde befestigten Lander wegen des hohen Vibra- Die Progress bringt etwa 2,5 Tonnen Versorgungsgüter tionsniveaus beim Start zu sichern. Beagle 2 wird jetzt für den Kommanten der ISS, Yuri Malenchenko, und den nur noch von einer letzten pyrotechnischen Sicherung NASA-Wissenschaftsoffizier Ed Lu. Die beiden leben in- am Orbiter festgehalten. Diese zwischen die siebte Woche an Bord der Station. Halterung soll am 19. Dezem- Am gestrigen Dienstag, um 15:56, startete eine Zenith ber dieses Jahres mittels explo- 3SL mit dem Kommunikationssatelliten Thuraya 2 von siver Bolzen durchtrennt wer- der Sea-Launch Startplattform südlich der Hawaii-Inseln. den. Der Lander ist dann frei 1 Stunde und 40 Minuten nach dem Lift-Off wurde der und bewegt sich selbständig zur Satellit von der dritten Stufe der Trägerrakete freigege- Oberfläche des roten Planeten, ben, weitere 20 Minuten später meldete sich der Satellit während die Sonde in eine Um- bei der Bodenstation. laufbahn einschwenkt. Mars Express, zerlegt. Der Beagle 2-Lander Und nur vier Stunden danach erfolgte der Lift-Off sitzt auf der oberen 40 spacexpress chronik 2003 Abdeckung. des ersten der beiden amerikanischen Marsrover mit Kilogramm schwere militärische Namen „Spirit“ auf einer Delta 2 von Cape Canaveral Kommunikationssatellit wurde aus. Der Beginn der siebenmonatigen Reise zum Roten von NPO Prikladnoy Mekhaniki Planeten verlief völlig problemlos. gebaut und ist der zweite Satellit dieses Typs, der in diesem Jahr Heute abend geht es schon weiter; kurz vor Mitternacht in den Orbit kommt. Molniya soll eine Ariane 5 den australischen militärischen Kom- Satelliten umkreisen die Erde in munikationssatelliten Optus 1C und den japanischen hochelliptischen Bahnen mit stei- Kommunikationssatelliten BSAT 2c in eine geostationäre Molniya 3 Satellit. len Inklinationen. Das Apogäum Transferbahn bringen. liegt dabei über den nördlichen Breiten. Das Perigäum dieser Bahnen ist nur etwa 650 19. Juni Kilometer hoch, das Apogäum 40.500 Kilometer. Diese SOHO in Trouble eigenartigen Umlaufbahnen ermöglichen den Empfang Die europäische Sonnensonde SOHO ist in ernsten nördlich des Polarkreises auch im Winter. Mit geostatio- Schwierigkeiten. Seit gestern funktioniert der Stellmotor nären Satelliten ist das nicht möglich. für die Antenne zur Datenübertragung mit hohen Sen- deraten (High Gain Antenna) nicht mehr. Die Antenne Der Start am Donnerstag war die vierte militärische blockiert bei Bewegungen in der horizontalen Achse. Mission Russlands bisher in diesem Jahr, und der 1.680. Einsatz eines Trägers der Sojus-Familie. Der Fehler liegt offensichtlich in einem Defekt in dem von der Firma Moog gebauten 23. Juni mechanischen Stellmotor, mit „Spirit“ korrigiert Kurs dem die Antenne bewegt wird. Gestern führte die NASA Marssonde „Spirit“ ihr er- Die Ingenieure sind sich nicht stes Kurskorrekturmanöver durch. Zunächst vollführte sicher, ob der Fehler behoben das Raumfahrzeug eine Kalibrierungszündung aller acht werden kann. Versuche laufen Lageregelungstriebwerke und feuerte danach die Trieb- derzeit. werke, um die Flugbahn zum Mars „fein zu tunen“. Das Problem ist umso schlim- Schematische Die Gesamtsumme der Zündimpulse erhöhte die Darstellung von SOHO. mer, als die blockierte Antenne Geschwindigkeit der Raum- unglücklicherweise auch noch eine weitere Übertra- sonde um etwa 50 Stunden- gungsantenne, die „Low Gain Antenna“ für niedrige kilometer. Übertragungsraten, teilweise abschattet. Damit bleibt derzeit für die Funkverbindung mit dem Raumfahrzeug 26. Juni nur die Omni-Antenne, die nur sehr niedrige Bitraten Shuttle soll in „weni- zulässt gen Monaten“ wieder fliegen SOHO, gebaut von Astrium, ist derzeit in ihrem achten Nach Aussagen von Mitglie- Betriebsjahr. Ursprünglich ausgelegt war die Sonde nur dern der Columbia-Unter- Künstlerische Darstellung für zwei Missionsjahre. SOHO ist am Lagrange-Punkt 1 suchungskommission gibt des Mars Rovers „Spirit“ stationiert, etwa 1,5 Millionen Kilometer von der Erde es keinen Grund, warum nach der Trennung von der entfernt. die verbliebenen drei Shut- Endstufe der Trägerrakete. tles nicht in wenigen Monaten wieder eingesetzt werden 20. Juni könnten. Die empfohlenen technischen Modifikationen Russischer Militärsatellit gestartet würden jedenfalls innerhalb eines relativ kurzen Zeitrah- Heute starteten die russischen Streitkräfte von der mens realisierbar sein. Die NASA geht davon aus, dass militärischen Startanlage in Plesetzk den Kommunikati- die Mission STS 114 möglicherweise schon im Dezem- onssatelliten Molniya 3-53, der für militärische Datenü- ber, spätestens aber bis zum März durchgeführt werden bertragung vorgesehen ist. Als Träger wurde eine Molni- kann. ya-M-Trägerrakete eingesetzt, eine vierstufige Variante der bewährten Sojus. Für die ersten Shuttle-Flüge nach der Katastrophe vom 1. Februar wird es allerdings einige strikte Auflagen ge- Der Start war um 22 Uhr mitteleuropäischer Zeit er- ben. So dürfen diese Flüge nur bei Tageslicht gestartet folgt, und weniger als eine Stunde später wurde der werden und müssen ausnahmslos zur ISS gehen, denn Satellit im vorgesehenen Orbit abgesetzt. Der 1.600 2003 spacexpress chronik 41 Das Raumfahrtjahr 2003

die Raumstation könnte eine meter westlich der Küstenli- gestrandete Shuttle-Besatzung nie, drehte dann exakt nach notfalls monatelang aufnehmen Süden und gab die Pegasus oder aber eine geeignete Infra- um 20:53 mitteleuropä- struktur für eine Reparatur be- ischer Zeit in einer Höhe von reitstellen. Vor allen Dingen aber 12.000 Metern frei. können die Hitzeschutzkacheln Schematische Dar- Fünf Sekunden nach dem Ab- OrbView 3 bei den der Shuttles an der Raumstation stellung der Mission wurf zündete das Triebwerk Startvorbereitungen. genau inspiziert werden. STS 114 an der ISS. der ersten Stufe, und der 10- Allerdings wird es bereits für ei- minütige Aufstieg in den Orbit begann. Alle drei Stufen nen der ersten Flüge eine Ausnahme geben, denn die arbeiteten einwandfrei. Nach der Freigabe des Satelliten Hubble-Service-Mission No. 4 wird in eine Inklination über dem Südpazifik, außerhalb der Reichweite von Tra- von 28,5 Grad und eine Bahnhöhe von 600 Kilometern cking-Stationen, konnte erst nach einer Erdumkreisung gehen, von der aus die Raumstation nicht zu erreichen der Erfolg oder Misserfolg des Starts festgestellt werden. ist. Dieser Reparatureinsatz am großen Weltraumtele- Zur Erleichterung der Kontrollmannschaften meldete skop soll etwa Mitte 2005 stattfinden. sich OrbView 3 aber wie vorgesehen pünktlich bei einer Bodenstation in Alaska und bestätigte die Funktionsfä- Die Mission von STS 114 unter dem Kommando von higkeit aller Systeme. Eileen Collins wird ein reiner Versorgungsflug zur Raumstation, bei dem keine neuen Bauelemente ge- Der gestrige Start war die 20. erfolgreiche Mission liefert werden. Erst beim Flug STS 115, der dann Mitte einer Pegasus in Folge und der 34. Start einer Pega- nächsten Jahres stattfinden könnte, wird mit dem Bau sus überhaupt. In den nächsten Tagen wird sich der der Zentralstruktur weiter gemacht. Der Aufbau der Satellit selbständig in seinen Arbeits-Orbit begeben, Struktur erfordert danach noch vier weitere Shuttle- eine kreisförmige Bahn von 470 Kilometern mit einer Einsätze. Danach kommt der Verbindungsknoten 2 Neigung von 97 Grad zum Äquator. Der nächste Start (Node 2), ein bewohnbares Modul und danach beginnt einer Pegasus mit einem Forschungssatelliten der NASA der weitere Ausbau der Solarzellen-Anlage. Noch spä- und der kanadischen Weltraumorganisation soll am 2. ter werden dann das europäische und japanische Modul August stattfinden, ebenfalls von Vandenberg aus. zur Station gebracht. 30. Juni 27. Juni X-Price: Pegasus mit Canadian Arrow Team wählt Flugbesatzungen aus OrbView 3 erfolgreich Das „Canadian Arrow“ Team, einer der heißen Favo- Gestern Mittag amerikanischer Westküstenzeit wurde riten für den X-Price, hat am 26. Juni die Namen der ein US-Erdbeobachtungssatellit erfolgreich in einen po- sechs Besatzungsmitglieder bekannt gegeben, welche laren Orbit geschickt. OrbView-3 unternahm seinen Ritt die Wettbewerbsflüge durchführen sollen. Neben Pi- in den Weltraum unter der Nutzlastverkleidung einer loten und Ingenieuren ist unter den sechs Männern so- Orbital Sciences Pegasus XL Rakete bei einer Mission, gar ein ehemaliger Kosmonaut, der bereits für eine ak- die von der Vandenberg Airforce tuelle Weltraummission trainiert hatte, dann aber nicht Basis in Kalifornien aus begann. zum Zuge kam. Es war genau 20:00 Uhr mittel- Die Männer sind: Larry Clark, Verkehrspilot mit über europäischer Zeit, als der geflü- 4000 Stunden Flugerfahrung, David Ballinger, ehema- gelte Pegasus-Träger unter dem liger Kampfflieger Bauch der „Stargazer“ – dem der kanadischen Pegasus-Trägerflugzeug der Or- Luftwaffe, Jason bital Sciences Corporation – von Paul Dyer, Luft- und der Runway in Vandenberg abhob. Raumfahrtingenieur Bei der „Stargazer“ handelt es sich der NASA, Way- um einen modifizierten Jumbo-Jet ne „Terry“ Wong, vom Typ Lockheed L 1011 Tristar. ehemaliger Pilot der Das „Stargazer-Mutterschiff“ flog Kanadischen Luft- Die sechs Canadian-Arrow- dann zu einem Punkt 100 Kilo- Drop vom Starga- waffe, Marvin Ed- Astronauten. zer-Mutterflugzeug 42 spacexpress chronik 2003 und Zündung. ward Gow, Helikopterpilot, und schließlich Dr. Jaroslaw zwischen einem und drei Kilo- Pustovil. Er war Ersatzastronaut für die Shuttle-Mission gramm freigegeben. Drei davon STS 87im Jahre 1997 und arbeitet derzeit für die ukrai- stammten von der Universität nische Weltraumbehörde. Toronto, der vierte ist der ame- rikanische „Quakefinder“, ein Für die beiden Wettbewerbsflüge werden jeweils zwei Mikrosatellit, dessen Aufgabe Mann Besatzung benötigt. Somit steht dem Canadian die Früherkennung von Erdbe- Arrow Team auch noch eine Reservebesatzung zur ben ist. Verfügung. Schließlich trug die Breeze noch Obwohl das Canadian Arrow Team momentan bei der das Mock-Up eines neuen rus- Triebwerksentwicklung auf einige Schwierigkeiten trifft, sischen Erdbeobachtungssatel- gehen die Teamleader davon aus, dass die Testflüge liten mit Namen „Monitor“. Die noch in diesem Jahr aufgenommen werden können. Es Rockot wird von der in Bremen besteht sogar die Hoffnung, bis zum Ende des Jahres mit beheimateten Firma „Eurockot“ den Wettbewerbsflügen begin- 1: Start einer Rockot vermarktet, die zu 51 % EADS nen zu können. (Archivbild). Space Transportation gehört Derzeit in Führung liegend wird und zu 49 % der russischen Fir- 2: Anordnung der Satelliten auf der allgemein das Team um Burt Rutan ma Chrunitschev. Breeze-Oberstufe. mit SpaceShip One betrachtet. Er will in jedem Fall bis zum Jahres- 2. Juli ende mit den Wettbewerbsflügen X-Price: Wettbewerb nimmt Fahrt auf Künstlerische Darstel- beginnen und führt derzeit ein Ein neuer Wettbewerber ist zu den bisherigen 24 X-Price lung der „Canadian recht erfolgreich laufendes Test- Teams gestoßen: Die Firma Vanguard mit dem „Eagle“, Arrow“ beim Start. programm durch. einem recht komplexen dreistufigen Vehikel. Die Chancen für den Eagle, den Preis zu gewinnen, dürften wohl eher gering sein. Noch ein weiteres Team wollte sich anmel- Juli den, sein Konzept (Umlenkung von Gravitationswellen !! ) wurde aber als zu abenteuer- 1. Juli lich und spekulativ zurückge- Rockot bringt neun Satelliten in den Orbit wiesen. Eine modifizierte russische Interkontinentalrakete brachte gestern um 16:15 mitteleuropäischer Zeit ei- Der amerikanische Shuttle- ne kleine Armada wissenschaftlicher Satelliten auf eine Commander Richard Searfoss sonnensynchrone Umlaufbahn. Die Mission wurde vom wurde als vorsitzender Schieds- deutsch-russischen Eurockot-Konsortium durchgeführt. Vanguard „Eagle“. richter ins Gremium der X-Pri- ce-Direktoren berufen. Dennis Der Rockot-Träger brachte die Breeze-Oberstufe mit Tito, erster amerikanischer Weltraumtourist, der zur den neun Satelliten zunächst in eine elliptische Über- ISS flog, wurde als Kurator des X-Price gewonnen. Das gangsbahn mit einem Apogäum von 820 Kilometern, kanadische Team „“ hat den Startplatz einem Perigäum vom 320 Kilometern und einer Inklina- für sein Wettbewerbsfahrzeug ausgewählt: den Ort Kin- tion von 96,8 Grad. dersley in Saskatchewan. In dieser Bahn wurde der von Tschechien gebaute, 66 Und Kilogramm schwere Satellit „MIMOSA“ abgesetzt. Dann beginnt diese Woche mit zündete die Breeze-Oberstufe erneut und brachte die Abwurftests von einem verbliebene Kombination in eine Kreisbahn in 820 Ki- Hubschrauber, um das Lan- lometern Höhe. In dieser Bahn wurde zunächst die 52 desystem seines Wettbe- Kilogramm schwere Astronomie-Plattform „MOST“ werbsvehikels zu erproben. Astronaut Richard Searfoss. abgesetzt (Microvariability and Oscillation of Stars), das Peter Diamondis, Chef des kleinste Weltraumteleskop, das jemals gestartet wurde. X-Price-Vorhabens rechnet damit, dass der Preis inner- Danach wurden zwei japanische Universitätssatelliten halb der nächsten 12-18 Monate gewonnen wird. freigegeben: „CubeSat XI“ und „Cute-1“. Und schließ- lich wurden noch vier Nanosatelliten mit einer Masse 3. Juli

2003 spacexpress chronik 43 Das Raumfahrtjahr 2003

tanous Launch Windows“ verfügbar, das heißt, zwei auf die Sekunde definierte Start- zeitpunkte, in denen sich das Bahnfenster zum Mars öff- nete. Das erste Startfenster Dennis Tito. war um 22:35 verfügbar, und es sah bis sieben Sekunden vor Mars Express hat DaVinci – Wettbewerbsvehikel. dem Lift-Off so aus, als wären Energieprobleme alle Systeme für den Startver- Eine fehlerhafte Verbindung zwischen den Solargene- such zu diesem Zeitpunkt in ratoren und der „Power Distribution Unit“ wird der Ordnung. Dann aber schloss europäischen Raumsonde Mars Express 30 % der zur sich das Betankungsventil, mit Verfügung stehenden Energie kosten. Der Fehler wurde Der Rover „Opportunity“, dem der Flüssigsauerstoff- während der derzeit laufenden „Check-out-Phase“ fest- eingekapselt in seinem Vorrat der Rakete bis zur letz- gestellt. Wie alle Systeme an Bord ist auch die Energie- Hitzeschild, wird auf die ten Sekunde aufgetoppt wird, versorgung mit gewissen Sicherheitsmargins versehen. dritte Stufe der Trägerra- nicht richtig, und der Start- kete montiert. Das bedeutet hier in der Praxis, dass in der Regel der computer musste abbrechen. Betrieb aller Instrumente sicher gestellt ist. In Ausnah- Die Techniker versuchten fieberhaft die Fehlerursache mefällen kann es aber zu Energieproblemen kommen, herauszufinden, um zumindest das zweite Startfenster was bedeutet, dass dann einzelne Instrumente abge- 53 Minuten später zu treffen. Wie sich herausstellte, ge- schaltet werden müssen. Zunächst besteht aber keine nügte es, das Ventil einige Male zu recyclen, damit es Gefahr für die Mission. Der Transfer zum Mars, das wieder einwandfrei funktionierte. Abtrennen des Beagle 2-Landers und das Einbremsen in die Marsumlaufbahn sind dadurch nicht gefährdet. Zwei Sekunden vor dem T 0-Zeitpunkt zündete der Hauptmotor der Delta 2, zum Zeitpunkt 0 wurden Ein zweites Problem betraf den Massenspeicher der sechs der neun Zusatzbooster aktiviert. Diese Zu- Sonde, der eine Fehlfunktion zeigte. Dieser Fehler wird satzbooster sind es, welche diese Delta 2-Variante zur aber wahrscheinlich durch eine Änderung in der Be- „Heavy“ machen. Sie stammen nämlich aus dem Delta triebssoftware behoben werden können. Morgen und 3-Programm, sind an sich für die Delta 2 überdimensio- übermorgen beginnt der Check-out des Beagle 2-Lan- niert und wurden bei diesem Flug zum ersten Mal an der ders, ebenfalls eine kritische Aktivität in dieser frühen „kleinen“ Delta eingesetzt. Flugphase. Begleiten wir den Beginn der Marsmission mit einem 8. Juli kurzen Bericht der Abläufe in den ersten 90 Minuten. „Opportunity“ auf dem Weg zum Mars 45 Sekunden nach dem Abheben von der Rampe Auch der zweite amerikanische Rover ist endlich auf überschritt der Träger die Schallgeschwindigkeit. Nach dem Weg zum Roten 90 Sekunden waren die ersten sechs Feststoffbooster Planeten. In einem ausgebrannt und wurden abgeworfen. Danach zünde- wahren „Cliffhanger“, ten die drei verbliebenen Booster. Zwei Minuten und wie die Amerikaner 40 Sekunden nach dem Abheben war auch der zweite „haarige“ Situationen Boostersatz ausgebrannt. gerne bezeichnen, ver- ließ die Delta 2 „Hea- 4 Minuten und 35 Sekunden nach dem Lift-Off wurde vy“ 40 Minuten vor das RS-27A Triebwerk der ersten Stufe stillgelegt, und Raumsonde Mars Express. Mitternacht Ortszeit Sekunden später erfolgte die Stufentrennung. 4 Minu- die Rampe 17B in Cape ten und 45 Sekunden in der Mission nahm das Aerojet Canaveral. Beim Aufstieg in den wolkenlosen Nachthim- AJ118-K Triebwerk der zweiten Stufe seinen Dienst auf. mel erleuchteten die Flammenstrahlen der Rakete die 5 Minuten nach dem Abheben wurde die Nutzlastver- Umgebung über Dutzende von Meilen hinweg. kleidung abgeworfen. Der Rover, eingekapselt in seinem Der Start war in den letzten Tagen schon fünfmal aus Hitzeschild, war danach erstmals dem freien Weltraum den unterschiedlichsten Gründen verschoben worden. ausgesetzt. Für diesen Starttag waren zwei so genannte „Instan- Nach 9 Minuten und 30 Sekunden erfolgte der erste 44 spacexpress chronik 2003 Brennschluss. Die Rakete hatte damit die Parkbahn um die zweite Stufe ein drittes Mal. Dieses Mal für den so die Erde erreicht und begann eine Driftphase, in der sie genannten Depletion-Burn. Dabei werden alle noch an sich antriebslos dem Raumsektor näherte, in dem der Bord befindlichen Treibstoffe verbrannt, und die Rakete Einschuss in die interplanetare Bahn zum Mars stattfin- bewegt sich in eine Bahn, die in einiger Zeit zu einem den sollte. Wiedereintritt in die Erdatmosphäre führen wird. Dies ist eine Maßnahme um unnötigen „Weltraummüll“ zu 12 Minuten und 30 Sekunden nach dem Start meldete verhindern. sich die Rakete bei der Antigua Tracking Station und lieferte Telemetriedaten zur Erde. 22 Minuten und 30 Opportunity ist unterwegs, aber der gefährlichste Teil Sekunden nach dem Start bekam Ascencion Island einen der Reise, der Abstieg zur Oberfläche des Mars, die weiteren Bericht. Danach war die Rakete über vierzig Landung und die Inbetriebnahme des Rovers stehen Minuten außerhalb der Reichweite einer Bahnverfol- noch bevor. gunsstation. 9. Juli 67 Minuten und 20 Sekunden nach dem Start meldete Columbia Desaster: Beweis geführt – sich der Träger bei der Army Station auf dem Kwajalein- Schaumstoffteil Atoll im Westpazifik, und 72 Minuten und 20 Sekunden verursachte Absturz nach dem Start begann das Orbit-Fluchtmanöver mit Es war wohl doch der Isolierschaum! Lange Zeit hatte es der zweiten Zündung der zweiten Stufe. niemand geglaubt, nicht einmal die zuständigen Ingeni- 73 Minuten nach dem Lift-Off, die Brennphase der zwei- eure bei der NASA. Nun aber ist der Beweis geführt. ten Stufe lief gerade, meldete sich der Träger bei einer Vorgestern wurde mit einem Airforce-Station auf dem Johnston-Atoll. 800 Gramm schweren Stück 75 Minuten und 2 Sekunden in der Mission fand der dieser Tankverkleidung ein zweite Brennschluss der zweiten Stufe statt. Die zwei- entscheidender Test durch- te Stufe richtete sich jetzt mit ihrer Nutzlast auf den geführt. Beschleunigt in einer Einschusspunkt für die Marssonde aus und begann sich Spezialkanone auf etwa 800 „aufzuspinnen“. Sie versetzt sich selbst in eine schnelle Stundenkilometer, prallte der Drehung – etwa 60 Umdrehungen pro Minute – um Schaumstoff auf die Flügelvor- den weiteren Flug der dritten Stufe mit Opportunity derkante, die von der Raum- zu stabilisieren. fähre Atlantis abmontiert worden war. Damit sollten die 76 Minuten nach dem Start gab die zweite Stufe die Bedingungen simuliert werden, dritte Stufe frei. 35 Sekunden später erfolgte die Zün- die 82 Sekunden nach dem dung der dritten Stufe. 77 Minuten und 57 Sekunden Start der Raumfähre Columbia nach dem Start war der Feststoffmotor der dritten Stufe geherrscht hatten, als Stücke ausgebrannt. Zu diesem Zeitpunkt bestand kein Funk- von der Tankisolierung losbra- kontakt zur Erde, eine Radaranlage auf Hawaii hatte das chen und auf die Flügelvorder- Objekt jedoch auf dem Schirm. kante des Shuttle aufschlugen. In dieser Zeit führte die dritte Stufe mit der Sonde das Damals hatten die Ingenieure Filmsequenz – „De-spin-maneuver“ durch. Es werden Gewichte an lan- dem Ereignis keine besondere Einschlag des Schaum- gen Schnüren ausgefahren, um die Drehrate der Kombi- Bedeutung zugemessen. stoffteils und das da‑­ nation wieder zu reduzieren. raus resultierende Loch. Der Einschlag auf die Hitzeka- 83 Minuten in der Mission erfolgte cheln war so heftig, dass ein die Trennung der Marssonde von der Aufschrei durch die etwa 100 Zuschauer ging, und die dritten Stufe. Linse einer der Beobachtungskameras zerbrach. Danach klaffte ein 40 cm durchmessendes Loch im Hitzeschutz. 85 Minuten nach dem Start meldet Bei der Columbia, das haben die Ermittlungen ergeben, sich der Mars Rover „Opportunity“ muss das Loch etwa 25 Zentimeter groß gewesen sein. erstmals selbst. Er gab einen kurzen Statusbericht an die Empfangsanlage 10. Juli Goldstone in Kalifornien. Am Tag vor dem X-Price: Start-die Delta 100 Minuten in der Mission zündete Armadillo Aerospace führt Landetests durch 2 „Heavy“ mit Opportunity auf der Rampe. 2003 spacexpress chronik 45 Das Raumfahrtjahr 2003

Einer der aussichtsreicheren durchzuführen. Einer der Satelliten wird im zweiten Kandidaten für den Gewinn Halbjahr 2005 gestartet und dient hauptsächlich dazu, des X-Price-Wettbewerbs, die Frequenzen zu sichern, die für das Galileo-Sys- Armadillo Aerospace, führte tem reserviert wurden. Werden diese Frequenzen in den letzten Tagen Landever- nämlich nicht bis zum Juni 2006 in Anspruch genom- suche mit der Rückkehrkabine men, dann verfallen sie, und die „International Tele- 1 ihres Space-Vehikels durch. communications Union“ kann sie erneut zuweisen.

Dabei wurde das Mock-Up des Einer der Verträge, im Wert von 27,9 Millionen Euro, Wettbewerbsfahrzeugs mit wurde mit der britischen Firma Surrey Space Techno- einem Hubschrauber in große logy Limited abgeschlossen. Die Hauptaufgabe dieses Höhe gebracht. In der Kabine Testsatelliten, der eine Startmasse von 400 Kilogramm befanden sich Sandsäcke im haben wird, wird es sein, Galileo-spezifische Signale aus Gesamtgewicht von 273 Kilo- einem der Galileo-Orbits zur Erde zu senden. 2 gramm, welche die drei Passa- giere simulieren sollten. Dieser Satellit wird zusätzlich auch verschiedene, für das Gesamtsystem kritische Technologien erproben, wie Der Test war weitgehend zum Beispiel den Signalgenerator und die Rubidium- erfolgreich, die Öffnung von Atomuhr. Er wird außerdem die physischen Parameter Stabilisierungs- und Haupt- und die spezielle Umgebung der Bahn vermessen, in fallschirm funktionierte ein- der die zukünftige Konstellation arbeiten soll. Es ist wandfrei, und die verformbare dies der erste europäische Satellit, der in einen der 3 Nasenstruktur der Rakete, strahlungsintensiven mittleren Erdorbits platziert wird. eigens so konstruiert, um

1: Die Besatzungskabine wird den Landeschock aufzuneh- Um das Risiko von Verzögerungen und Fehlstarts zu von einem Hubschrauber in men, funktionierte ebenfalls die Höhe geschleppt. reduzieren, wurde ein weiterer Vertrag, ebenfalls für wie vorgesehen. Diese Na- den Bau eines Testsatelliten, unterzeichnet. Der Wert 2: Unter dem Fallschirm. senstruktur wird nach jeder dieses Vertrages beträgt 72,3 Millionen Euro, und Landung ausgetauscht. Noch 3: Die „crushable structure“ dieses Raumfahrzeug soll von Astrium gebaut werden. abzustellen ist allerdings das nach der Landung. starke Pendeln der Rakete un- Dieser Satellit, mit einer Masse von 525 Kilogramm beim ter dem Schirm. Start, wird eher repräsentativ sein für die vier Proto- Das Wettbewerbsfahrzeug ist eine einstufige Rakete, die typen-Satelliten, mit denen die Orbitalerprobung des mit Wasserstoffperoxid angetrieben wird. Die Tests mit Galileo-Systems erfolgen soll. Die Nutzlast dieses Satel- den Triebwerken sind ebenfalls schon im Gange, und die liten wird daher schon nahezu einem der späteren Ga- ersten Flüge werden bei Armadillo Aerospace, ähnlich lileo-Satelliten entsprechen, und er wird auch bereits in wie bei den anderen aussichtsreichen Wettbewerbern, der System-Validierungsphase mit genutzt werden. Das im Spätherbst oder im Winter beginnen. vollständige Galileo-System wird 30 Satelliten umfassen: 27 operationelle Einheiten und drei Reservegeräte. Sie Armadillo Aerospace ist eine kleine Firma, die eigens für werden in drei verschiedenen kreisförmigen Umlauf- den Zweck der Durchführung des X-Price Wettbewerbs bahnen in 23.616 Kilometern Erdentfernung mit einer gegründet wurde. Besitzer der Firma ist John Carmack, ein Internet-Tycoon, der das Unternehmen – sozusagen als Hobby – aus eigener Tasche finanziert.

14. Juli Galileo – Erste Satellitenverträge unterzeichnet Die ersten Galileo-Satellitenverträge wurden am letzten Freitag bei der ESTEC in Noordwijk, dem Technologie- zentrum der ESA, unterzeichnet. Die Verträge sind für zwei experimentelle Satelli- ten bestimmt, Vorläufer des Galileo-Systems, deren Aufgabe es ist, Orbit-Tests für die Konstellation Künstlerische Darstellung von Galileo-Satelliten im Orbit. 46 spacexpress chronik 2003 Bahnneigung von 56 Grad zum Äquator stationiert. Empfangsschüsseln von nur 35 Zenti- Zwei Kontrollzentren werden das Satellitensystem von metern Durchmesser. Europa aus überwachen. Der Start am Donnerstagabend in Cape Canaveral wird der Erstflug für 15. Juli die Version 521 der neuen Atlas 5. Da- X-Price: Negev 5 greift ein... bei wird erstmals die riesige, 5 Meter Ein weiterer Wettbewerber meldet seine Ambitionen durchmessende und 20 Meter lange für den Gewinn der X-Price-Prämie an: IL Aerospace Nutzlastverkleidung der schweize- Technologies mit ihrem Wettbewerbsvehikel „Negev rischen Firma Contraves zum Einsatz 5“. Anlässlich der Unterzeichnung eines Sponsorenver- Atlas 5-21 auf kommen. In dieser Nutzlastverkleidung trages mit der „WEBAIR Internet Development Inc.“ der Rampe. wird erstmals nicht nur der Satellit gab das Team seine Anwartschaft bekannt. Das Team selbst eingeschlossen, sondern die komplette Oberstu- hält aber den bislang erzielten Entwicklungsfortschritt fe inklusive des Satelliten. geheim. Gewaltig viel Zeit hat es nicht mehr, denn die Trotz ihrer Größe ist di- ersten Wettbewerbsflüge werden bereits für den Jah- ese Nutzlastverkleidung reswechsel 2003/2004 erwartet. Die Gebrüder Rutan aber nur die kleinste von haben jedenfalls vor einer Woche nicht nur einen wei- drei Versionen, die für die teren Captive-Carry-Testflug ihres Star Ship One durch- Atlas 5 zur Verfügung ste- geführt, sondern auch eine Sondergenehmigung bei der hen. Die „Medium“-Vari- Staatsregierung von Kalifornien beantragt, mit einem ante dieser Verkleidung, Raketenflugzeug von Edwards Luftwaffenbasis zum Mo- Künstlerische Darstellung fast 4 Tonnen schwer, hat jave-Flughafen zu fliegen. Das Negev 5-Konzept funkti- von Rainbow 1. eine Länge von 22 Metern oniert so, dass eine runde Druckkabine mit einem Stra- und die noch in Entwicklung befindliche „Large“-Versi- tosphärenballon auf 25 Kilometer Höhe gebracht wird. on ist fast 25 Meter lang. Es sind dies die mit Abstand Dann zünden die Raketen und bringen das Fahrzeug auf größten „Payload-Shrouds“ weltweit. Zwei On-Board- 100 Kilometer Höhe. Der Abstieg ist rein ballistisch, und Kameras an Bord der Atlas werden das Trenn- und dürfte – ausgehend von der Form des Vehikels – für Abwurfverhalten der Verkleidung genau unter die Lupe die Insassen etwas anstrengend werden. Die Landung nehmen. Wichtig ist eine saubere Trennung, damit die schließlich soll an einem Fallschirm erfolgen. tonnenschweren Teile nicht mit der Rakete kollidieren und diese möglicherweise aus der Bahn bringen. 16. Juli Rainbow 1 startet auf Zusätzlich kommen auch erstmals zwei der speziell für neuer Atlas Rakete das Atlas 5 Programm entwickelten Zusatzbooster von Testflug einer neuen Atlas Aerojet zum Einsatz. Es handelt sich dabei um die größ- 5-Variante in der Nacht vom ten monolithischen Feststofftriebwerke der Welt. Mo- Donnerstag zum Freitag am nolithisch bedeutet hier, dass sie aus einem einzelnen Cape Canaveral. Die erste gegossenen Segment bestehen, und nicht, wie etwa die Atlas 521 soll den 4.328 kg Booster des Shuttle, aus mehreren Einzel-Segmenten schweren Nachrichtensa- Die High-Altitude-Launch- zusammengesetzt sind. Jeder dieser Booster ist 20 Me- telliten „Rainbow 1“ in den Platform für das Negev ter lang und wiegt 50 Tonnen. Sie werden während der Orbit transportieren. Das 5-Wettbewerbsfahrzeug. ersten 90 Flugsekunden dem Träger einen zusätzlichen Startfenster öffnet sich um Schub zwischen 130 und 180 Tonnen pro Booster ge- 1:20 Mitteleuropäischer Zeit (19:20 am Donnerstag Ca- ben. Die Atlas 5 kann mit bis zu fünf dieser Zusatzan- pe Canaveral Ortszeit) und schließt sich um 3 Uhr MEZ triebe ausgestattet werden. (21:00 Cape Canaveral Ortszeit). 17. Juli Bei dem Satelliten handelt es sich um ein Lockheed Columbia-Absturz: Crew lebte noch über A2100 AX Modell mit einer nominellen Lebensdauer eine Minute nach der letzten Übertragung von 18 Jahren. Der Satellit hat 36 aktive Transponder Die Untersuchungen des Columbia Accident-Investi- und 22 einzeln steuerbare Spot-Beams. Der Satellit gation-Board haben ergeben, dass die Besatzung der soll im Wesentlichen Fernsehprogramme und Internet- Raumfähre mit Sicherheit erst mehr als eine Minute dienste übertragen und ist auf hohe Abstrahlleistung nach dem letzten Sprechfunk-Kontakt ums Leben ge- ausgelegt. Zum Empfang der Satellitendaten genügen kommen sein muss. Zu diesem Zeitpunkt war der Or- 2003 spacexpress chronik 47 Das Raumfahrtjahr 2003

biter bereits in seine Hauptkomponenten zerbrochen, Der Flügel scherte um das Besatzungsmodul aber war noch weitgehend intakt. 9:00:03 ab. Die Be- Die Crew starb erst, als das Modul, malträtiert durch schleunigungen, die da- die immer stärker werdenden aerodynamischen Kräfte bei auftraten, waren aber und die immense Reibungshitze, schließlich ebenfalls moderat. Tatsächlich war auseinanderbrach. Die Trümmer der Besatzungskabine es mehr so, als ob der wurden in einem relativ eng beieinander liegenden Be- Flügel „abgeschnitten“ 1 reich gefunden, und sie waren auch von allen Teilen am worden wäre. Sofort weitesten geflogen. danach begann der rest- liche Orbiter zu taumeln Die Columbia wurde am 1. Februar zerstört, als super- und sich zu drehen. Für heißes Plasma in die beim Start beschädigte Flügelvor- mehr als dreißig Sekun- derkante eindrang und sich eine Bahn in die Struktur den aber blieben die des Flügel hinein schmolz. Die ersten Telemetriedaten, Hilfsgasturbinen intakt die andeuteten, dass irgendetwas mit dem Orbiter nicht 2 und im Einsatz und lie- stimmte, wurden um 8:48:39 zur Erde übertragen, ferten weiter Strom; die viereinhalb Minuten nachdem die Columbia den ersten 1: Crew der Mission STS 107. Crew-Kabine, der Rumpf Kontakt mit der Erdatmosphäre nördlich von Hawaii und der rechte Flügel 2: STS 107 Commander hatte. Rick Husband. blieben zusammen, und Die nächsten 10 Minuten hielt der Bordcomputer den die Verbindungen unter- Shuttle auf Kurs, obwohl die Schäden immer größer einander bestanden weiterhin. Um 9:00:17 brach das wurden, und der Orbiter bereits über Kalifornien, Kühlsystem zusammen, und um 9:00:18 endete die Da- Nevada und Texas Teile des Flügels verlor. Schließlich tenaufzeichnung des Rekorders. Dies dürfte damit der hatte sich der Plasmastrahl bis zum Fahrwerk durchge- Zeitpunkt gewesen sein, zu dem der Orbiter in weitere schmolzen und einen Sensor zerstört, der Angaben zum Teile auseinanderbrach (der Datenrekorder befand sich Reifendruck auf das Display von Commander Husband im Rumpf). Da jedoch die Crew-Kabine das strukturell weiterleitete (zu diesem Zeitpunkt des Fluges, weniger stärkste Teil ist, dürfte sie am längsten vor dem Ver- als eine Viertelstunde vor dem Aufsetzen in Cape Ca- glühen bewahrt worden sein. Bis zu diesem Zeitpunkt naveral, hatte Husband einen Anzeigemodus gewählt, waren in der Kabine keine Kräfte aufgetreten, die groß der speziell Angaben zur bevorstehenden Landung auf genug gewesen wären, jemanden zu verletzen oder gar dem Display anzeigte). zu töten. Um 8:58:40 meldete sich Rick Husband in Houston mit Aus den vorliegenden Daten ergibt sich damit, dass die den Worten: „Und – äh – Houston...“. Dann brach die Crew keineswegs auf der Stelle tot war, wie lange Zeit Verbindung ab, kein Wunder, denn die Columbia flog berichtet worden ist, sondern etwa 70 bis 80 Sekunden mit einer Geschwindigkeit von 20.000 Stundenkilome- lang ihrem unabänderlichen Schicksal ins Auge sah. tern noch mitten in einem Kanal hoch ionisierter Gase, und die Antenne zum TDRS-Satelliten war durch das 18. Juli Leitwerk abgeschattet. Die Daten, die Husband auf Atlas 5 erfolgreich mit Rainbow 1 seinem Display hatte, wurden aber auch in Houston Reibungslos verlief gestern Abend am Cape Canaveral angezeigt, und so meldete sich der Astronaut Charles der Erstflug der Atlas 5, Version 521. Insgesamt war es Hobaugh, der als CapCom Dienst tat, dreissig Sekunden schon der dritte Flug dieses neuen Trägers von Lock- später bei Husband: „Columbia, wir sehen eure Reifen- heed Martin, doch war der Launcher bei den beiden druck-Daten, haben aber eure Meldung von vorhin nicht vorausgegangenen Flügen in den leichteren Versionen verstanden“. 501 und 502 eingesetzt worden. Um die Verwirrung bei diesem Nummernspiel zu klären: 521 bedeutet: 5 Husband meldete sich mit: „Roger, äh, aber...“ Er klang Meter-Nutzlastverkleidung (gemeint ist hier der Durch- ruhig, aber auch hier brach das Signal sofort weg. Da- messer, nicht die Länge), 2 Feststoff-Zusatzbooster und nach gab es keine Meldungen mehr von der Crew. Ein die Centaur-Oberstufe mit 1 RL-10 Triebwerk ausge- Datenrekorder aber, der bei den Bergungsarbeiten ge- stattet (es gibt auch eine Variante mit 2 Triebwerken). funden wurde, zeichnete auf, dass die meisten Systeme selbst dann noch funktionierten, als der linke Flügel be- Um den Nummernsalat zu komplettieren: Die Mission reits weg gebrochen war. trug die Lockheed-interne Bezeichnung AV-003 (Atlas 5, Mission 3) und es war der 66. erfolgreiche Flug einer 48 spacexpress chronik 2003 Atlas in den Versionen 2-5, und dies bedeutet eine 100 nen ständigen „X-Price %-Erfolgsquote, denn mehr Missionen der neuen Atlas- Cup“ einrichten, eine Variante haben seit 1992 nicht stattgefunden. Veranstaltung entspre- chend den Air Races, Der Start war um 19:45 Ortszeit erfolgt, die Abtren- die jährlich in Reno, Ne- nung des Satelliten von der Oberstufe erfolgte genau vada stattfinden oder 100 Minuten später. Der erreichte Transferorbit hatte dem Americas Cup für ein Apogäum (höchster Bahnpunkt) von 35.843 Kilo- Hochsee-Segeljachten. metern und ein Perigäum von 3.790 Kilometern, er war Hohe Preisgelder für damit fast exakt im Ziel. Auch die vorgesehene Bahnnei- diesen Cup sollen die gung zum Äquator wurde genau erreicht: 17.54 Grad. Teams, die zunächst leer ausgegangen sind, moti- 23. Juli vieren weiterzumachen. Noch 100 Tage bis zum ersten Außerdem soll es ein bemannten chinesischen Raumflug Ansporn sein, die dann Der lange erwartete historische Start des chinesischen existierenden Fahrzeuge Raumschiffes Shenzhou 5 dürfte nur noch rund 100 zu vervollkommnen und Tage entfernt sein. Dies berichtete die in Belangen der technisch zu verbessern. chinesischen Raumfahrt in der Regel gut informierte Hongkonger Tageszeitung „Wen Wei Po“. An anderer Peter Diamondis ist der- Stelle drückte sich die Zeitung etwas weniger genau zeit auf der Suche nach Artwork zum X-Price. aus, und bezeichnete den Startzeitpunkt als im „Herbst, einem Spaceport, der noch vor dem Winteranfang“. Nach weiteren Informati- diese regelmäßige Veranstaltung sponsort und durch- onen aus diesem Artikel wurden auch bereits der oder führt. Zunächst sind fünf Kategorien geplant, in denen die „yuhangyuans“, also der oder die Astronauten des der Wettbewerb durchgeführt werden soll: historischen Fluges, ausgewählt. Nach wie vor ist nicht • die schnellste Turn-around-Zeit zwischen dem ers- bekannt, ob nur einer oder aber mehrere Astronauten ten Start und der zweiten Landung. Zur Erinnerung: an Bord von Shenzhou 5 sein werden. Das System kann Vorgeschrieben für den Gewinn des X-Price ist eine jedenfalls bis zu drei Besatzungsmitglieder aufnehmen. Turn-around-Zeit von maximal zwei Wochen. Anders als bei den Erprobungsflügen soll der Start of- • die maximale Anzahl von Passagieren bei einem Start fensichtlich bei Tageslicht stattfinden. Zum Stand der (X-Preis: 3) Startvorbereitungen meinte die Zeitung, dass die Haupt- baugruppen der CZ-2F bereits im Startzentrum in Jiquan • die maximale Anzahl von Passagieren während der sind, und die Endmontage der Rakete im Gang sei. Vor beiden Wettbewerbswochen (X-Preis: 6) allem das Rettungssystem für die Astronauten für den • Maximal erreichte Höhe (X-Preis: 100 km) Fall eines Startabbruches sei komplett installiert. Dieses Rettungssystem funktioniert ähnlich wie das russische • Maximal erzielte Geschwindigkeit (Keine Vorgabe für Escape-System und wie die Rettungstürme der Apollo- X-Preis. Typischerweise sind zum Erreichen einer Hö- und Mercury-Ära bei den Amerikanern. Es handelt sich he von 100 Kilometern je nach Flugbahn und Starthö- dabei um eine über dem Raumfahrzeug montierte Fest- he zwischen 3.500 und 4.200 Kilometern pro Stunde stoffrakete, welche die Besatzungskapsel im Falle einer nötig). Explosion der Trägerrakete in Sicherheit bringt. Der X-Price Cup würde dann jedes Jahr am selben Platz stattfinden und zwei Wochen dauern. 24. Juli Peter Diamondis plant all- jährlichen X-Price Cup Peter Diamondis, Grün- der der X-Price Foundation, denkt schon an die Zeit nach dem Gewinn des X-Preises. Vor allem denkt er dabei an die 23 Teams, die den X-Price nicht ge- winnen können. Dafür will er ei- CZ-2F mit Shenzhou in der Montagehalle. 2003 spacexpress chronik 49 Das Raumfahrtjahr 2003

28. Juli 31. Juli Nächster Shuttle-Start für Raumstation seit 1001 11. März 2004 geplant – ISS Crew 8 nominiert Tagen permanent besetzt Die STS 114 Logistik-Mission zur Internationalen Raum- Am gestrigen Dienstag erlebte station soll nach Angaben der NASA am 11. März 2004 die Internationale Raumstation auf die Reise gehen. Die Wahl dieses Zeitpunkts wird einen bemerkenswerten Mei- von unterschiedlichen Kriterien bestimmt. Zum einen ist lenstein: den 1.000 Tag in un- Die Raumstation im es ein Zeitpunkt, an dem die NASA die in der Folge des unterbrochener Folge, an dem November 2000. Columbia-Unfalls notwendig gewordenen technischen Menschen an Bord sind. Änderungen durchgeführt haben dürfte, zum anderen Seit am 2. November 2000 die erste permanente ist es der Beginn eines Startfensters, das bis zum 9. April Crew eintraf (zuvor war die Station schon von einigen den Start des Shuttle bei Tageslicht erlauben würde. Astronauten für kurze Abstecher besucht worden), ist Die NASA hatte bekannt die Größe der ISS beträchtlich gewachsen. Die bislang gegeben, Raumfähren-Starts letzten Bauelemente sind im Dezember 2002 zur Stati- in der absehbaren Zukunft on gebracht worden. Durch den Absturz der Columbia nur noch am Tage durch- ist der weitere Ausbau der ISS allerdings zur Zeit ins zuführen. Ein dritter Punkt Stocken geraten. An Bord befinden sich gegenwärtig wäre, dass die Einsatzzeit nur so genannte „Caretaker-Crews“, zwei-Mann Be- der ISS Crew 8 dann ge- satzungen, die lediglich die Betriebsbereitschaft der ISS rade beendet wäre und die aufrecht erhalten. übliche Besatzungs-Rotation Alexander Kaleri (links) Sieben Expeditionscrews waren bislang auf der ISS sta- durchgeführt werden muss. und Michael Foale. tioniert. 10 Amerikaner und 10 Russen. Sie haben von Die Besatzungsstärke der Bord der Station aus 12 Außenbordmanöver unternom- Raumstation könnte dann wieder auf drei Personen er- men, haben 11 Besuche von Shuttles bekommen, 10 mal höht werden und vor allen Dingen könnten die inzwi- haben in dieser Zeit Progress-Raumfahrzeuge angelegt schen schon recht knappen Wasservorräte der Station und vier Sojus-Taxi-Crews sind eingetroffen. aufgefrischt werden. Die derzeit an Bord befindliche Expeditionscrew 7, beste- Luftwaffenoberst Eileen Collins und ihre Crew sind hend aus Kommandant Yuri Malenchenko und dem NASA bereits seit längerem in Training für diese Mission.Am Astronauten Edward Lu, beging gestern diesen 1.000 Tag Wochenende wurde auch die Crew festgelegt, die im menschlicher Präsenz an Bord der ISS mit einer Fernseh- Oktober die derzeit an Bord der ISS befindliche Besat- Sondersendung, die von NASA TV ausgestrahlt wurde. zung ablösen soll. Diese zweite „Notbesatzung“ soll An- fang Oktober von Baikonur aus mit Sojus TMA 3 auf die Reise gehen. Kommandant ist der Amerikaner Michael Foale, der damit zu seinem sechsten Raumflug startet. Bei seinen fünf vorangegangenen Flügen hat Foale 178 Tage im Weltraum verbracht. Mit ihm fliegt Alexan- der Kaleri, ein Veteran noch aus den Tagen der alten Raumstation Mir. Kaleri hat bei drei Raumflügen bereits nicht weniger als 416 Tage im All verbracht. Mit von der Partie, wenngleich nur für 10 Tage ist der Spanier Pedro Duque. Er wird mit den Astronauten Edward Lu und Juri Gegenwärtiger Ausbauzustand der ISS. Malenchenko in der derzeit an der Station angedockten

Sojus TMA 2 zur Erde zurückkehren. Für Duque ist es 31. Juli der zweite Flug. X-Price: Im Vorfeld der Wettbewerbsflüge Wenn diese neuesten Planungen eingehalten werden immer mehr bemannte Flugtests können, dann bedeutet dies, dass Foale und Kaleri mit In den nächsten Wochen werden mehrere bemannte dem Shuttle zur Erde zurückkehren und die nächste ISS Tests von X-Price Vehikeln oder von Vorläuferfahrzeu- Crew – unter dem Kommando eines russischen Kosmo- gen stattfinden. Auch die Landetests einiger Wettbe- nauten – mit der Atlantis zur ISS starten werden. werber laufen inzwischen schon in der bemannten Pha- se. Vor wenigen Tagen fand der 2. Droptest der Nova

50 spacexpress chronik 2003 II Starchaser-Kapsel statt. Um ein Haar hätte Pilot Ted Der Start wird der 300. Ein- Strong übrigens mit dem Fallschirm abspringen müssen, satz einer Delta-Rakete sein, weil sich die Leinen des Parafoils der Kapsel zunächst der dritte einer Delta 4; verwickelt hatten. Nach einigen Sekunden entwirrten sie wird den 65. und letz- sie sich aber von selbst, und Ted Strong konnte die ten Satelliten des „Defense Kapsel zu einer sicheren Landung steuern. Satellite Communications Systems“ (DSCS) in den Das X-Price Team von American Astronautics plant den Weltraum bringen. Start eines raketenbetriebenen Prototypen im Herbst. Der Flug wird mit einer Person an Bord stattfinden und Der erneute Startversuch DSCS 3-B6 Satellit. „etliche“ Kilometer hoch gehen. von der Rampe 37B wird um 19:00 Uhr Ortszeit erfolgen. 42 Minuten nach dem Der Chef des Starchaser Teams, Steve Bennett, will sich Start soll die zweitstufige Trägerrakete dann DSCS 3-B6 selbst in seine Nova II setzen und ebenfalls noch diesen im geostationären Transferorbit aussetzen. Herbst in Australien auf 10 Kilometer Höhe fliegen. Die Nova II ist ein Vorläufer des Thunderbird-Wettbe- Die Ära der Delta begann im Mai 1960 mit einem Fehl- werbsfahrzeuges. start, als die Lageregelung der zweiten Stufe versagte und der Ballonsatellit Echo 1 im Atlantik versank. Ins- Und „Rocket-Guy“ Bri- gesamt ist die Delta aber eines der erfolgreichsten Trä- an Walker will in seiner gersysteme überhaupt geworden, mit einer Zuverlässig- „Half-Size-Rocket“ auf 5 keitsquote von 95 %. In Zahlen bedeutet das, dass von Kilometer Höhe fliegen. den bislang 299 Starts 283 erfolgreich waren. Die „Half-Size“ ist der Vorläufer der „Earth- Das Pentagon betreibt eine Konstellation von DSCS Star“, mit der Walker Satelliten für den störungssicheren Ultrahochfrequenz- auf 50 Kilometer Höhe Bereich. Das System unterstützt die amerikanischen Ted Strong steigt aus der kommen will. Walker Truppen weltweit am Boden, in der Luft und auf dem Kapsel aus. nimmt nicht am X-Price Wasser. Das System ist das Rückgrat der Kommunikati- teil und will seinen 50-Kilometer-Flug auf jeden Fall vor on der US-Regierungsstellen weltweit. den X-Price Wettbewerbsflügen durchführen. Die DSCS Satelliten der ersten Generation wogen etwa Der Wettbewerb wird jetzt wirklich spannend, jeden 50 Kilo und hatten einen Durchmesser von 90 Zenti- Tag kommt es zu neuen Entwicklungen, und in den USA metern. Ford Aerospace baute diese Satelliten und ihre läuft inzwischen eine regelmäßige Fernsehsendung, die Einsatzlebensdauer betrug drei Jahre. Sie wurden in den sich speziell mit der Entwicklung im X-Preis auseinan- Jahren 1966 bis 1968 mit Titan 3C-Raketen im Sechser- dersetzt. oder Achterpack gestartet. Einer der Starts ging schief; acht Satelliten auf einmal wurden zerstört. August Das DSCS 2 Programm begann im Jahre 1971. Diese Satelliten waren erheblich leistungsfähiger, aber auch 4. August wesentlich größer. Sie wogen bereits 600 Kilogramm Historischer Delta 4 -Start verschoben und waren zylindrisch mit einem Durchmesser von drei Der Start einer Boeing Delta 4 Rakete von Cape Cana- Metern. Ihre Lebensdauer betrug fünf Jahre. Sechzehn veral mit dem militärischen Nachrichtensatelliten DSCS Raumfahrzeuge dieser Serie wurden auf Titan 3C und 3-B6, der ursprünglich gestern früh um 0:59 mitteleu- Titan 34D Raketen gestartet, vier von ihnen erreichten ropäischer Zeit (18:59 Ortszeit) hätte stattfinden sol- aber wegen Versagens der Trägerrakete nie den Orbit. len, wurde auf kommenden Mittwoch verschoben. Als Die gegenwärtige Generation von Lockheed Martin Grund für die Verschiebung wurde ein Fehler in der DSCS 3 begann im Jahre 1982 mit den Starts, überlap- Empfangsantenne des Selbstzerstörungssystems der pend mit der DSCS 2 Serie. Die ersten 10 DSCS 3 Rakete angegeben. hatten ein „Trockengewicht“ von 950 Kilogramm, Dieser Start stellt einen historischen Meilenstein die vier letzten in der Serie waren noch mal in der Geschichte der Delta-Trägerraketen etwa 50 Kilogramm schwerer. Ihre Solarge- dar und bedeutet gleichzeitig den Endpunkt neratoren hatten eine Spannweite von einer langen Serie US-amerikanischer 12 Meter. Als Trägerfahrzeuge dienten Militär-Nachrichtensatelliten. Titan 34D, der Shuttle, Atlas 2 und 2A 2003 spacexpress chronik 51 Das Raumfahrtjahr 2003

and nun die Delta 4. Interessant die Angabe des „Tro- des Mars zu finden. Ziel Nummer zwei ist die Suche ckengewichtes“. Das ist bei zivilen Nachrichtensatelliten nach einer möglichen Lebenszone für Mikroorganismen, unüblich, wird aber im militärischen Bereich wohl des- die im Grenzbereich zwischen Eis und Marsboden exis- wegen angewendet, um Rückschlüsse auf die eventuelle tieren könnten. Lebensdauer oder Orbit-Manövrierfähigkeiten nicht zuzulassen. „Nass“, also mit allen Consumables ausge- 6. August stattet, dürfte der Satellit damit mindestens doppelt so Russischer ISS-Kommandant will heiraten viel wiegen. Das nun schon einige Wochen andauernde Sommer- theater um die geplante „Space Wedding“ des russi- 5. August schen Kosmonauten Yuri Malenchenko beginnt groteske Phönix fliegt zum Mars Formen anzunehmen. Im Mai 2008 wird die Wie- Malenchenko und seine 26-jährige Freundin Ekateri- dergeburt einer vor zwei Jah- na Dimitriev – Tochter russischer Einwanderer, aber ren schon aufgegebenen US- waschechte Texanerin – wollten an sich nach der Mission in der Nordpolregion Rückkehr Malenchenkows aus dem Weltraum, derzeit des Mars landen und dort nach geplant für den 28. Oktober, heiraten. Seit einiger Zeit Wassereis und nach Mikro- betreiben die beiden aber den Plan, sich bereits am 10. ben suchen. Die NASA gab Phönix-Lander. August mittels einer Ferntrauung zu vermählen. gestern bekannt, dass sie die Universität von Arizona ausgewählt hat, um das Projekt Während die amerikanische Öffentlichkeit von diesem „Phönix“ durchzuführen. „Phönix“ – benannt nach dem Plan begeistert ist und auch die amerikanischen Offi- mythologischen Vogel, der aus seiner eigenen Asche ziellen dies als eine hochwillkommene Publicity-Aktion wiedergeboren wird – wird die erste Mission der „Mars- sehen, ist die Haltung der russischen Vorgesetzten gegen- Scout-Serie“ sein, eine Programmposition im Marsfor- über Malenchenkows Ansinnen ausgesprochen grämlich. schungsprogramm der amerikanischen Weltraumagen- Sergej Gorbunov, Chef der russischen Weltraumagen- tur, in der relativ „billige“ Missionen mit eng begrenztem tur, meinte dazu: „Malenchenko hat uns versprochen, Aufgabengebiet zum Roten Planeten starten sollen. Eine erst nach seiner Rückkehr zu heiraten. Ein Kosmonaut der Vorgaben ist es, dass die gesamten Programmkosten sollte sich nicht wie ein Filmstar benehmen“. Malen- 325 Millionen Dollar nicht übersteigen dürfen. chenko hat erst nach seiner Ankunft in der Raumstation Der Phönix Lander wurde eigentlich als Teil des Mars seine Vorgesetzten von der Änderung seiner Pläne in Surveyor 2001 Programms gebaut. Dieses Programm Kenntnis gesetzt. wurde aber eingestellt, nachdem 1999 der Mars Polar Gorbunov meinte weiter: „Malenchenko ist Oberst der Lander bei der Landung in der Nähe des Mars-Südpo- russischen Streitkräfte. Als solcher ist er in Staatsge- les verloren ging. Seit dieser Zeit ist die Raumsonde heimnisse eingeweiht und darf laut russischem Gesetz in einem Cleanraum bei Lockheed Martin in Denver nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Regierungsor- gelagert. gane heiraten“. Das könnte allerdings Jahre dauern. Und Dieser bereits fertige Roboter wird nun umgebaut, mit so lange will Malenchenko wohl nicht warten. verbesserten Panorama-Kameras ausgestattet sowie Vor wenigen Tagen wurde auch bekannt, dass es Malen- einem thermischen Gasanalysator, einem Robotarm chenko gelungen ist, seinen Frack und seinen Trauring mit einem kleinen Bagger. Außerdem beinhaltet die mit dem letzten Progress-Frachter zur ISS bringen zu wissenschaftliche Nutzlast einen „Descent Imager“, mit lassen. Er muss also auch einige Leute beim Bodenper- dem der Abstieg zur Marsoberfläche gefilmt werden sonal schon vor seinem Start in seine Pläne eingeweiht soll, eine Stereo-Panorama-Kamera, ein Massenspek- haben. trometer, zwei Mikroskope, ein chemisches Labor, um Bodenproben zu untersuchen, elektrische und thermi- Der Staat Texas hat sche Sensoren und eine ganze Palette meteorologischer den beiden Braut- Instrumente, unter anderem ein Laser-System, mit dem leuten inzwischen atmosphärische Phänomena einschließlich der marsiani- prompt und ohne schen Staubteufel studiert werden können. Die Mission Probleme eine Son- hat zwei Ziele. Das eine ist es, die geologische Geschich- d e r g e n e h m i g u n g te des Wassers auf dem Mars zu studieren und den ausgestellt, nach der Schlüssel zu den Klimaänderungen in der Vergangenheit Juri Malenchenko (links) und die beiden heiraten Edward Lu bei einer gemeinsa‑ 52 spacexpress chronik 2003 men Mahlzeit an Bord der ISS. dürfen, ohne dass beide Parteien körperlich anwesend tungen zwischen zwei Starts werden am Cape jeweils sind. Die Zeremonie wird telefonisch und per Video- einige Tage benötigt. Datenleitung über Houston laufen. Das russische Kon- trollzentrum wird nicht eingeschaltet. 11. August X-Price: SpaceShip One fliegt Ekaterina Dimitriev hat inzwischen Sergej Gorbunov zu Am späten Donnerstagnachmittag führte Burt Rutans der Zeremonie eingeladen, der hat aber abgelehnt, zu X-Price Wettbewerbsvehikel „SpaceShip One“ einen kommen. Die Stimmung gegenüber Dimitrievs und Ma- erfolgreichen ersten Gleitflug durch. Dies bestätigte er- lenchenkos Plan beginnt sich allerdings auch in Russland neut, dass Rutan mit seinem Projekt weiterhin vor allen aufzuweichen. Angesichts des extrem positiven Echos anderen Wettbewerbern liegt. Auch die am weitesten in den USA zu diesem Vorhaben bleibt den dortigen fortgeschrittenen X-Price-Bewerber experimentieren Offiziellen auch gar nichts anderes übrig als gute Miene noch immer mir reinen Testfahrzeugen. SpaceShip zum guten Spiel zu machen. Gestern meinte Gorbunov One dagegen ist das aktuelle X-Price Modell, mit dem bereits ein wenig patzig: „Er will es, also soll er es haben. bereits in wenigen Monaten die Raketenflugerprobung Sein Problem“. beginnen soll. 8. August SpaceShip One wurde von seinem „White Knight“-Trä- Zenith SL erfolgreich gerflugzeug auf 14.000 Meter Höhe getragen und dann Ganz gleich ob man die Homepages von „Loral Sky- freigegeben. Am Steuer des kleinen Raketenflugzeugs net“ oder „Echostar Communications“ konsultiert, auf saß Scaled Composite-Testpilot Mike Melville. Der beiden wird man heute vom erfolgreichen Start eines Gleitflug zum Mojave-Flughafen in Kalifornien dauerte Kommunkationssatelliten unterrichtet. Loral berichtet 17 Minuten. Die Handling-Qualitäten des Vehikels er- über Telstar 13, Loral über Echostar 9. Es handelt sich wiesen sich als einwandfrei, und Melville hatte keine grö- aber nicht um zwei, sondern nur um einen einzigen Sa- ßeren Probleme das Vehikel zu steuern und zu landen. telliten, den sich die beiden Unternehmen teilen, den sie Rutan hält sich über die weitere Vorgehensweise im aber unterschiedlich benannt haben. Testprogramm bedeckt, doch wird angenommen, dass Eine Sea Launch Zenith 3 startete gestern am späten dieser Gleitflug der Nachmittag Ortszeit mit besagtem Satelliten von erste von etwa 4 bis der Meeresstartplattform 5 solchen Flügen sein „Odyssey“, die zur Zeit wird. Dabei wird das südlich von Hawaii vor An- Flugzeug mit einem ker liegt. 66 Minuten nach weiteren Piloten flie- dem Start wurde der Sa- gen, und vor allem soll tellit sicher im Transferorbit der so genannte „Fea- White Knight Trägerflugzeug Start einer Zenith SL von ausgesetzt und meldete sich ther-Mechanismus“ mit SpaceShip One, begleitet von der Odyssee Startplattform Minuten später bei einer Bo- erprobt werden, eine einer Beechcraft Starship 2000A. im Zentralpazifik. denstation in Westaustra- Vorrichtung, mit der lien. Es war dies bei 10 die Flügel hochgeklappt werden können, um beim spä- Starts der neunte Erfolg einer Zenith 3SL. Der 4.750 teren Wiedereintritt in die Erdatmosphäre besonders Kilogramm schwere Satellit, gebaut von Space Systems günstige Schwerpunkt- und Widerstandswerte zu erzie- Loral, hat eine Design-Lebensdauer von 15 Jahren. len. Schließlich wird dann – voraussichtlich im Spätherbst – der Raketenantrieb montiert. In inkrementellen Schrit- In der Zwischenzeit wurde der für Mittwoch dieser Wo- ten will sich Rutan dann dem Ziel des X-Preis-Wettbe- che vorgesehene Start einer Delta 4 mit einem militäri- werbs nähern: Einem Flug bis auf 100 Kilometer Höhe. schen Nachrichtensatelliten erneut verschoben, diesmal Dazu muss SpaceShip One auf 4.000 Stundenkilometer auf den 28. August. Die Delta 4 könnte auch einige Tage beschleunigt werden. eher starten, wenn zumindest eine von zwei weiteren Orbitmissionen am Cape Canaveral Verzögerungen erfahren. Für den 17. August steht in Florida der Start eines militärischen Aufklärungssatelliten auf einer Titan 4 an, und am 23. August der Start des „Space Infrared Telescope Facility“ auf einer Delta 2. Für die Umrüstung Pilot Mike Melville (Mitte) der Bahnverfolgungs- und optischen Tracking-Einrich- und Burt Rutan (rechts davon).

2003 spacexpress chronik 53 Das Raumfahrtjahr 2003

13. August in Plesetzk zwei Satelliten mit der nicht sagenden Be- Startplätze Baikonur und Vandenberg aktiv: zeichnung Kosmos 2400 und Kosmos 2401 in den Orbit. Sojus und Pegasus erfolgreich Zu den Satelliten wurden, wie im militärischen Bereich Im Abstand von nur wenigen Stunden sind heute Russlands üblich, keinerlei Angaben gemacht, zwei Erdsatelliten in den Orbit gebracht wor- doch dürfte es sich um zwei je 225 Kilogramm den. Zunächst startete in Baikonur, Kasach- schwere Mobilfunk-Satelliten vom Typ Strela 3 stan, eine Sojus U und brachte einen 6.700 handeln. Der Start erfolgte um 12:50 mittel- Kilogramm schweren Spionagesatelliten der europäischer Zeit. Es war dies der 1.955. Start Yantar-Klasse in die Umlaufbahn. Für Insider: der seit der Inbetriebnahme des Kosmodroms Es handelt sich dabei wahrscheinlich um 11694 Plesetzk vor etwa 40 Jahren erfolgte. Yantar 2KS, einen sehr tief fliegenden Fotoaufklä- rer der neuesten (voll-digitalen) Kategorie. Wie üblich erhielt dieser Satellit – wie übrigens fast alle russischen 23. August Militärsatelliten – nach dem Start eine nichts sagende Brasilianische Rakete Bezeichnung und firmiert jetzt offiziell als Kosmos 2399. explodiert auf der Rampe – viele Tote Es war dies bereits der siebte Start einer Sojus in diesem Bei einem grauenhaften Unfall im Alcantara-Startzen- Jahr, und der 1.681. einer trum in Nordbrasilien sind am Freitag mindestens 21 Sojus überhaupt. Menschen ums Leben gekommen. Auf der Startanlage Nur wenig später wurde waren die Vorbereitungen für den für Montag geplanten von einer Orbital Sciences Start der VLS-Trägerrakete (für: Veiculo Lancador de Pegasus XL der Atmo- Satelites) im Gange als – wohl aufgrund eines Kurz- sphären-Forschungssa- schlusses in der Rakete – einer der Feststoffbooster des SciSat 1 im Orbit – tellit SciSat 1 in einem Trägers explodierte und in einer Kettenreaktion auch Künstlerische Darstellung. kreisförmigen Orbit in alle übrigen explosiven Teile der Rakete zündete. 700 Kilometern Höhe Die Rakete mit den beiden bereits an Bord befindlichen ausgesetzt. Der Satellit wiegt 260 Kilogramm, kostet Satelliten, die 36 Meter hohe Startrampe sowie eine 26 Millionen Dollar und soll neben der Ozonschicht in Reihe nahe gelegener Anlagen wurden vollständig zer- hohen Breitengraden auch die Aerosol-Belastung der stört. Die an der Rampe befindlichen Arbeiter wurden Atmosphäre bestimmen. Der Start war der vierte und buchstäblich, wie amerikanische Quellen beschreiben, letzte Pegasus-Start in diesem Jahr. Der nächste Start „desintegriert“. Es gibt derzeit erst wenige verschwom- eines Trägers dieses Typs wird Anfang nächsten Jahres mene Bilder von dem Unglück, doch noch aus vielen über dem Kwajalein-Atoll im Südpazifik stattfinden. Kilometern Entfernung war die Rauchsäule klar zu er- Dann soll ein militärischer Satellit der US-Air Force ge- kennen. Warum der Booster explodieren konnte und startet werden. Insgesamt war es schon der 35. Start dann in der Folge die ganze Rakete in die Luft sprengte, einer Pegasus und der 21. erfolgreiche in ununterbro- ist ebenfalls unklar. In der gesamten westlichen Welt chener Reihenfolge. werden Fest-Treibstoffe ver- Die Startanlagen in Vandenberg kamen dabei nicht zum wendet, die sehr unempfindlich Einsatz, wohl aber die Vandenberg Tracking Range. gegen Feuer sind. Es bedarf Bekanntlich ist die Pegasus Trägerrakete der einzige eines ausgeklügelten Zündme- Satellitenträger weltweit, der von einem Flugzeug aus chanismus‘, um die volle Ener- startet. In diesem Fall hob das „Stargazer“-Mutterflug- gie dieser Booster zu entfalten. zeug mit der Rakete an Bord eine Stunde vor dem Start Die Nachrichtenlage über das 1 vom Flughafen des Vandenberg-Stützpunkts ab und flog Unglück – das drittschwerste in dann auf den Pazifik hinaus. In einer Höhe von 12.000 der Geschichte der Raumfahrt Metern wurde dann die Pegasus XL abgeworfen, die un- – ist noch unklar. Das brasilia- mittelbar darauf ihren Feststoffmotor zündete und sich nische Militär hat eine totale auf den Weg in die Umlaufbahn machte. Nachrichtensperre verhängt. Die 19 Meter hohe, 50 Tonnen 19. August schwere VLS-Rakete ist von Russland startet zwei Kosmos-Satelliten 2 Anfang an vom Unglück ver- Erneuter militärischer Satellitenstart in Russland inner- folgt. Die Rakete soll eigentlich halb weniger Tage: Diesmal brachte eine Kosmos 3M 1-2: Alcantara Start- Brasiliens Entree in den Club zentrum vor und 54 spacexpress chronik 2003 nach Unglück. der Weltraum-Nationen sein, doch kam es bereits in sehr ungewöhnliche Bahn eingeschossen, einen Sonne- der Entwicklungsphase zu langwierigen Verzögerungen. norbit außerhalb des Schwerefeldes der Erde, in dem Der Erststart war im Jahre 1997 erfolgt, aber schon SIRTF unserem Planeten auf seinem Weg um die Son- wenige Sekunden nach dem Liftoff musste die Rakete ne in einigen Millionen Kilometern Abstand nachfolgt. damals gesprengt werden, weil eines der vier Booster- In dieser Bahn sind die Beobachtungen von SIRTF nicht Triebwerke nicht gezündet hatte. durch die hell leuchtende Erde beeinträchtigt, und die Raumsonde, denn das ist SIRTF nun, nachdem sie das Im Jahre 1999 unternahm Brasilien einen weiteren Schwerefeld der Erde hinter sich gelassen hat, kann sich Startversuch; in diesem Fall zündete die zweite Stufe auch besser gegen die Einstrahlungen der Sonne abschir- nicht, und die Rakete fiel kurz nach dem Start in den men und die für Infrarot-Beobachtungen notwendige Atlantik. Die jetzt in das Unglück verwickelte Rakete ist Abkühlung der Beobachtungsinstrumente vornehmen. an sich eine völlig überarbeitete Version des VLS. Zwei ähnlich schwere Unfälle ereigneten sich 1960 und 1980 26. August in der damaligen Sowjetunion. Dabei kamen 90 bzw. 50 CIAB-Report veröffentlicht Menschen ums Leben. Das „Columbia Accident Investigation Board“ (CIAB) veröffentlichte gestern seinen lang erwarteten Bericht 25. August zur Untersuchung der Columbia Katastrophe am 1. SIRTF sicher in „Hybridbahn“. Februar dieses Jahres. Er machte für das Unglück die Das vierte und letzte der großen Weltraumobservato- bürokratische Trägheit der NASA, schludrige interne rien der NASA wurde mit einer Boeing Delta II „Heavy“ Kommunikation und ineffektives Management in den vom Startkomplex 17 in Cape Canaveral gestartet. oberen Management-Ebenen der NASA verantwortlich. Obwohl erst der zweite Einsatz einer „Heavy-Version“ Der scharfe und pessimistische Tonfall des Reports lässt dieses Trägers, war es doch insgesamt schon der 300. keinen Zweifel an der Meinung des Board, dass die so Start einer Delta 2. genannte „NASA-Kultur“ in hohem Maße mit Mängeln Das 950 Kilogramm schwere, 1,2 Milliarden Dollar teure behaftet ist und erheblicher Umstrukturierungen bedarf, Teleskop, gebaut von Lockheed Martin, besteht aus um einen Unfall wie die Columbia-Katastrophe in Zu- einem 85 Zentimeter durchmessenden Spiegelteleskop kunft zu verhindern. Der mit drei bis fast zum absoluten Nullpunkt herunter ge- Inhalt des Reports stellte kühlten Instrumenten, die von der Firma Ball Aerospace, allerdings keine über- der Cornell Universität und dem Harvard-Smithsonian mäßige Überraschung Zentrum für Astrophysik gefertigt wurden. mehr dar, nachdem er in „Draft“-Versionen schon Der geplante Einsatzzeitraum für SIRTF beträgt 30 in den vergangenen Mo- Monate. In dieser Zeit soll das Teleskop Bilder im Infra- naten nach und nach in rotbereich anfertigen. Forschungsziel sind Objekte, die NASA Administrator Sean die Öffentlichkeit gekom- entweder zu kalt oder zu sehr von kosmischem Staub O’Keefe nimmt den CIAB- men war. eingehüllt sind, um mit herkömmlichen optischen Tele- Report entgegen. skopen erfasst werden zu können. Weitere „Targets“ 28. August sind Objekte, die bereits im sichtbaren Spektrum von Progress M 48 zur ISS gestartet Hubble, im Gammastrahlen-Spektrum von Compton Mit einer neuen Ladung Versorgungsgüter, von Schuhen oder im Röntgenbereich von Chandra in den Jahren hin bis zu Raketentreibstoff – startete in den frühen 1990-99 beobachtet wurden, und die sich auch als im Morgenstunden des Freitag ein unbemannter Progress- Infrarotbereich interessante Ziele herausgestellt haben. Frachter vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur Objekte von besonderem zur Internationalen Raumstation. Interesse für SIRTF werden Die dreistufige Sojus U hob pünkt- auch die so genannten „Pla- lich um 3:48 Uhr von der Rampe ab. netaren Konstruktionszo- Zu diesem Zeitpunkt befand sich die nen“ sein, Staubscheiben um ISS gerade 400 Kilometer hoch über nahe gelegene Sterne, in de- dem Atlantik, östlich der südamerika- nen man nach erdähnlichen nischen Küste. Neun Minuten nach Planeten suchen kann. dem Start hatte das Frachtraumschiff SIRTF im Weltraum – Start von Künstlerische Darstellung. Anders als seine drei Vor- den Erdorbit erreicht, und begann mit Progress M-48. läufer wurde SIRTF auf eine dem zweitägigen Anflug auf die Stati- 2003 spacexpress chronik 55 Das Raumfahrtjahr 2003

on. Voll gepackt mit über zwei Tonnen Gütern ist Pro- die nächste Crew dabei, gress M-48 inzwischen schon das zwölfte Versorgungs- die ab Ende Oktober an fahrzeug, das im Rahmen der russischen Beteiligung am Bord der Raumstation Programm der Internationalen Raumstation gestartet Dienst tun wird. wurde. Die Progress dockte Progress M-48 versorgt die derzeit an Bord befindliche um 5:40 mitteleuropä- Expeditionscrew 7, bestehend aus dem russischen Kom- ischer Zeit automatisch mandanten Yuri Malenchenko und dem amerikanischen am russischen „Zvesda“ Ein Techniker belädt Progress Wissenschaftsoffizier Edward Lu. Service-Modul der ISS M-48 vor dem Start. an. Der Endanflug des 29. August Transporters wurde an Bord der Station vom Komman- Delta 4 startet den letzten danten der Expeditionscrew 7, Yuri Malenchenko, und DSCS Satelliten für die US Air Force dem NASA ISS Wissenschaftsoffizier Ed Lu überwacht. Nach vier Jahrzehnten und zwei Dutzend Starts erhielt Zum Zeitpunkt des Anlegemanövers flog die Station ge- das am längsten währende Satellitenprogramm der Air rade über Zentralasien in einer Höhe von 385 Kilome- Force ihr letztes Mitglied. Obwohl dies der abschließen- tern. Nach dem Prüfen der Dichtigkeit der Verbindung de Start im Rahmen dieses Systems war, wird das DSCS zwischen der Progress und der ISS öffneten Malenchen- Space Network (für: Defense Satellite Communications ko und Lu die Luke und begannen mit dem Entladen der System Network) für eine ganze Reihe von Jahren noch Versorgungsgüter. im Dienst sein, bevor es dann, gegen Ende der Dekade, nach und nach von einer neuen Konstellation, den so September genannten „Wideband Gapfiller“ Satelliten, abgelöst werden wird. Bei dieser Mission kam die neue Delta 4 4. September Trägerrakete zu ihrem dritten Einsatz. Titan IV startet geheime Nutzlast Der 210 Millionen Dollar teure Satellit mit der vollstän- Mit einer Schubkraft von über 1500 Tonnen, erzeugt digen Bezeichnung „Defense Satellite Communications von ihren beiden Feststoffboostern, brachte am Diens- System 3-B6“ erreichte nach dem Abheben um 1:13 tagmorgen eine Titan 4B-Trägerrakete eine massive mitteleuropäischer Zeit am Freitag (ostamerikanische Nutzlast für das amerikanische National Security Office Ortszeit 19:13) planmäßig den geostationären Trans- in den Weltraum. ferorbit. Der Start war vom neu erbauten Launch Pad Der Start war um 6:29 Uhr mitteleuropäischer Zeit 37B der Cape Canaveral Air Force Station erfolgt. Be- (0:29 Uhr Cape Canaveral Ortszeit) vom Startkomplex obachter im Kontrollzentrum konnten jede Phase des 40 erfolgt. Zwei Minuten nach dem Liftoff waren die Starts am Bildschirm live verfolgen. Der Träger war mit beiden Zusatztreibsätze ausgebrannt, und die eigent- insgesamt drei On-Board liche erste Stufe der Titan zündete. Weitere vier Minu- Kamers der Firma Ecliptic ten später hatte auch diese Stufe ihre Arbeit verrichtet Enterprises ausgestattet. und die Centaur-Oberstufe übernahm Auch die Freigabe des Sa- den weiteren Transport in den Orbit. telliten vom Träger, 42 Mi- Nach insgesamt neun Minuten hatte nuten nach dem Start über die Kombination eine erste Über- Madagaskar, konnte direkt gangsbahn erreicht. Videobild von der übertragen werden. Trennung des Satelliten Die Centaur machte bei diesem Ein- von der Oberstufe. 30. August satz, nach drei Jahrzehnten auf diesem Frachtschiff legt sicher Launcher, ihren letzten Flug auf einer an der Raumstation an Titan. Sie hatte bei dieser Mission drei Die vorgestern in Baikonur gestartete Versorgungsfäh- Zündungen durchzuführen, um die re Progress M 48 legte heute abend erfolgreich an der Nutzlast auf ihren vorgesehenen Orbit Internationalen Raumstation an und brachte annähernd zu befördern. drei Tonnen an Nahrungsmitteln, Treibstoff, Wasser und Die Mission liegt weitgehend unter wissenschaftlichen Experimenten zur ISS. Die Güter sind dem Schleier der Geheimhaltung. für die gegenwärtige Mannschaft an Bord des Außen- Start der Titan IVB. Grund dafür: Das National Reconnais- postens bestimmt, es sind aber auch bereits Güter für 56 spacexpress chronik 2003 sance Office, kurz NRO, wird den Satelliten betreiben. Die Ergebnisse der Galileo- Das NRO unterhält eine ganze Reihe so genannter „ea- Mission sind für die Erfor- vesdropping satellites“, also „Lauscher“, die hoch auflö- schung unseres Sonnensy- sende Bilder von „Feinden“ (und wahrscheinlich auch stems und insbesondere des Freunden) Amerikas machen, den weltweiten Funk- und Jupiters und seiner vier groß- Faxverkehr abhören, Raketenstarts weltweit überwa- en Monde von erheblicher chen oder militärische Kommunikation übermitteln. Bedeutung. So konnten Er- kenntnisse über die Beschaf- Ganz in diesem Sinne gab die Behörde weder die Be- fenheit der Jupiteratmosphä- zeichnung noch die Aufgabe des neuen Himmelsspions re und der Oberfläche seiner bekannt. Den Bahn- und Massenparametern zufolge Monde gewonnen werden. Galileo-Sonde, dürfte es sich allerdings um einen Späher der „Ad- Ein wichtiger Aspekt ist die künstlerische Darstellung. vanced ORION“-Serie handeln, ein Raumfahrzeug mit Entdeckung eines Ozeans un- einer gigantischen „Mesh-Antenne“ (einem Schirm aus ter dem Mond Europa. In diesem Ozean könnte orga- Metallgewebe), mit dem gegnerische Kommunikation, nisches Leben entstanden sein. Telemetrie und elektronische Daten aufgenommen und in die Kommandozentralen der USA übertragen Trotz des großen Erfolges muss die Galileo-Mission nun werden. beendet werden. Der Treibstoff in den Tanks der Raum- sonde ist fast vollständig aufgebraucht. Ohne Treibstoff Die Daten des heutigen Starts stimmen mit ähnlichen können jedoch die Triebwerke für die Lageregelung Missionen aus dem Mai 1995 und dem Mai 1998 überein. nicht mehr betrieben werden, die Sonde ist somit nicht Auch damals war eine Titan 4B im Einsatz, der Start- mehr steuerbar. Um eine Kontaminierung des Eismon- Azimuth betrug 98 Grad Ost, es wurde eine Centaur- des Europa für den extrem unwahrscheinlichen aber Oberstufe verwendet und die größte im Inventar von immerhin möglichen Fall eines Absturzes auf diesen Lockheed Martin befindliche Nutzlastverkleidung. Allein Himmelskörper zu vermeiden, entschied die NASA, sie ist fast 30 Meter lang. den noch vorhandenen Treibstoff dafür einzusetzen, um Jetzt verbleiben noch drei Titan 4 Raketen im Bestand die Raumsonde gezielt auf den Jupiter zu stürzen. der US Air Force. Sie werden im nächsten und über- nächsten Jahr eingesetzt, und auch hier ist das National 22. September Reconnaissance Office für zwei dieser drei Trägerrake- Galileo: Bis zuletzt im Dienst der Wissenschaft ten der Kunde. Nach dieser Zeit werden die schweren Die amerikanisch-deutsche Raumsonde Galileo voll- Nutzlasten des amerikanischen Militärs mit der Delta endete am Sonntag ihre Mission mit einem gezielten 4 Heavy oder der Atlas 5 Heavy in den Weltraum Absturz in die Atmosphäre des Jupiter. Damit endete gebracht. eine epische Forschungsreise, die vor 14 Jahren begon- nen hatte. Die letzten Signale von Galileo erreichten die 18. September Erde um 21:43 mitteleuropäischer Zeit. Minuten später Historische Galileo-Mission zerbrach das Raumfahrzeug in der Jupiteratmosphäre nähert sich dem Ende und verglühte. Kurz davor hatte das Raumfahrzeug noch Noch zieht die Raumsonde Galileo 900 Millionen seine letzte wissenschaftliche Aufgabe erledigt. Galileo Kilometer von der Erde entfernt ihre Bahnen und richtete dabei seinen Sternensensor auf den Kleinmond liefert über Funk Informationen aus den Tiefen unse- Amalthea und suchte damit nach einem Meteoriten- res Sonnensystems. Aber am 21. September wird die schwarm, der in der Nähe des Mondes vermutet wird. Raumsonde wie geplant auf den Jupiter stürzen und Das Raumfahrzeug war absicht- nach 14jähriger Forschungsmission in der Atmosphäre lich in die Jupiter-Atmosphäre des Planeten verglühen. Galileo wurde am 18. Oktober gesteuert worden. Der Manö- 1989 an Bord des Space Shuttles Atlantis gestartet. Im vriertreibstoff war nahezu auf- Auftrag der NASA lieferte MBB, Vorläufer der EADS gebraucht und die NASA hatte Space Transportation, aus Deutschland das komplette Befürchtungen, dass Galileo ir- Antriebssystem für die Sonde. gendwann in ferner Zukunft mit Die Galileo-Mission sollte eigentlich bereits 1997 be- dem Jupitermond Europa zusam- Galileo verglüht in der endet sein. Aufgrund der vollen Funktionsfähigkeit der menstoßen könnte. Von diesem Atmosphäre des Jupiter – meisten Systeme konnte das Raumfahrzeug aber sechs Mond wird angenommen, dass er künstlerische Darstellung. Jahre über diesen Zeitpunkt hinaus betrieben werden. einen Ozean unter seiner eisigen 2003 spacexpress chronik 57 Das Raumfahrtjahr 2003

Oberfläche beherbergt, der möglicherweise Leben tra- Nutzlast Nummer sechs ist eine südkoreanische De- gen könnte. Die Wissenschaftler hatten die Befürchtung monstrationsplattform, auf der neuartige Satellitensyste- geäußert, dass terrestrische Bakterien Galileos ausge- me getestet werden sollen, auf der sich aber auch noch dehnte Reise überlebt haben könnten und dann mögli- fünf weitere Experimente eines internationalen Teams cherweise diesen Mond kontaminieren. von Forschern befinden. Die Plattform trägt den Namen STSAT-1(Science and Technology Satellite-1), aber auch 27. September die Bezeichnung KAISAT (Korea Advanced Institute of Kosmos 3M befördert Science & Technology Satellite) wird verwendet. sechs Satelliten in den Orbit Ein halbes Dutzend Kleinsatelliten wurden am Sams- 28. September tagmorgen mit einer russischen Trägerrakete vom Typ Ariane 5 bringt Europa dem Mond näher Kosmos 3M vom Kosmodrom Plesetzk aus in den Welt- Am frühen Sonntagmorgen startete Europa seine er- raum gebracht. ste Raumsonde zum Mond. Das kleine Raumfahrzeug mit der Bezeichnung „SMART-1“ Die knapp dreißig Meter hohe, zweistufige Rakete – (für Small Mission for Advanced eine Ableitung der Interkontinentalrakete SS-5 – Research in Technology)“ teilte startete um 8:12 Uhr mitteleuropäischer Zeit und setzte sich den Platz unter der Payload- nur wenige Minuten später Fairing der Ariane 5G mit den ihre Nutzlast erfolgreich in beiden Kommunikationssatelliten einem polaren Orbit ab. INSAT 3E und e-BIRD. Der Start An Bord des Trägers be- vom Guayana Startzentrum in fanden sich folgende Nutz- Kourou war um 1:14 Uhr mit- lasten: Ein russisches Kom- teleuropäischer Zeit erfolgt. munikationsexperiment SMART-1 ist die erste europä- Nutzlast-Integration mit der Bezeichnung „Ru- ische Mondmission überhaupt, vor dem Start. bin-4 DSI“. Diese Nutz- und es ist das erste Mal seit über last ist kein eigenständiger Vorbereitungen zum vier Jahren, dass wieder eine Raumsonde zum Mond Satellit, sondern bleibt an Start der Kosmos 3M. gesandt wurde. Zuletzt war das die experimentelle der zweiten Stufe befe- amerikanische Raumsonde „Clementine“. Die ESA war stigt (die aber ebenfalls in einer stabilen Umlaufbahn im allerdings bereits direkt oder indirekt an einer ganzen Weltraum verbleibt). Die Vorrichtung überträgt Tele- Anzahl interplanetarer Missionen beteiligt. Dies ist aber metrie zur Bodenstation und benutzt dabei Standard das erste Mal, dass sich Europa sozusagen im „Vorgar- eMail über die Orbcomm Kommunikationssatelliten. ten“ der Erde umsieht. Ein russischer Technologie-Demonstrationssatellit na- Ausgerüstet mit einem Ionentriebwerk wird die mens „Mozhayets-4“, der von Studenten der „Mozhaisk Raumsonde etwa 16 Monate brauchen, um auf ver- Militär Weltraumakademie“ gebaut worden ist. Er soll schlungenen Bahnen den Mond zu erreichen, wo Hardware testen, die in zukünftigen Versionen der russi- sie dann ein mindestens sechs Monate dauerndes schen Glonass Navigationssatelliten benutzt wird. Forschungsprogramm absolvieren soll. Die Instru- Drei Raumfahrzeuge, die Teil einer weltweiten „Disas- mente an Bord der in Schweden gebauten SMART-1 ter Monitoring Constellation (DMC)“ sind, einer Grup- werden Detailaufnahmen der Mondoberfläche machen pe kleiner Erdbeobachtungssatelliten. Es handelt sich und weitere Indizien zusammentragen, um das Geheim- hier um BILSAT-1, NigeriaSat-1 und UK-DMC. nis der Entstehung des Erdtrabanten zu lösen. Im Falle von BILSAT-1 ist es das erste Mal, dass Teile eines Satellitenexperimentes in der Türkei hergestellt worden sind. Der Satellit selbst, wie auch die beiden an- deren DMC-Satelliten, wurden von der britischen „Sur- rey Satellite Technology, Ltd“ konstruiert und gebaut. Ähnlich verhält es sich bei „Nigeriasat-1“. Hier haben nigerianische Institute Teile der Instrumentierung gelie- fert. Gleichzeitig ist es überhaupt der erste Satellit, der im Auftrag dieses afrikanischen Staates startet.

58 spacexpress chronik 2003 In 16 Monaten erreicht SMART 1 den Mond – künstlerische Darstellung. Weitere Instrumente an Bord sollen eventuelle Wasser- Weiterhin haben die chinesischen Offiziellen Spekulati- vorkommen, insbesondere in der Region der Mondpole, onen zurück gewiesen, dass der oder die Astronauten feststellen. Hinweise dafür haben bereits frühere Mond- für den Flug bereits ausgewählt worden seien. Sie gaben missionen erkundet, eine Bestätigung dafür gibt es aber lediglich bekannt, dass die Endauswahl aus einer Gruppe bislang nicht. Ebenfalls einen Grund zum Feiern hatten von drei Kandidaten unmittelbar vor dem Flug erfolgen die beiden Betreibergesellschaften, deren Kommunikati- werde. onssatelliten mit an Bord der Ariane waren. 2. Oktober Als erster löste sich INSAT 3E vom Träger, ein Satellit Nachrichtensatellit im Pazifik gestartet der von der indischen Raumfahrtagentur entworfen und Eine Sea Launch Zenith 3SL brachte gestern früh um gebaut worden war. INSAT 3E ist bereits der 11. indische 6:03 mitteleuropäischer Zeit den Nachrichtensatelliten Satellit, der von einer Ariane-Trägerrakete in den Welt- Galaxy 13/Horizons 1 in den Orbit. raum gebracht wurde. Er wird Indien mit Nachrichten- diensten versorgen und hat 36 C- Der Start der in der Ukraine gefertigten Trägerrakete Band-Transponder an Bord. von der Startplattform im Zentralpazifik verlief exakt nach Plan. Eine Stunde nach dem Start war der knapp Das zweite Raumfahrzeug, das die vier Tonnen schwere Satellit in der vorgesehenen geo- Rakete freigab, war e-BIRD, ein Sa- stationären Transferbahn abgeliefert. tellit für Eutelsat, gebaut von Boeing. Seine 20 Ku-band Transponder sind In den kommenden Tagen wird sich der Satellit selbst dafür bestimmt, einen Breitband- in den geostationären Orbit ma- INSAT 3E. Internet-Service für Europa und die növrieren, und dann auf Position Türkei zur Verfügung zu stellen. e- 127 Grad West stationiert sein. BIRD ist der 20. Eutelsat-Satellit, Er wird gemeinsam von dem in den Arianespace gestartet hat. Connecticut angesiedelten Pro- vider PanAmSat und der in Tokio Der Start der Ariane 5 verlief in al- befindlichen JSAT Corporation len Phasen perfekt. INSAT 3E wur- betrieben. Seine Aufgabe ist es, de 29 Minuten nach dem Start frei- digitale Video-, Internet und Da- gegeben, e-BIRD nach 34 Minuten tenübertragungsdienste zwischen und SMART-1 nach 42 Minuten. Der Zenith 3SL Nord- und Zentralamerika, sowie Start war der vierte in diesem Jahr beim Start.Start Alaska und Hawaii durchzuführen. für Arianespace und der 150. kom- e-BIRD. merzielle Start einer Ariane. Der Satellit, ein Boeing Modell 601, trägt 24 C-band und 24 Ku-band Transponder. Galaxy 13/Horizons 1 wird in seiner künftigen orbitalen Position den Satelliten Gala- Oktober xy 9 ersetzen. Dieser wird dann nach 74 Grad West transferiert, und dient zukünftig als PanAmSat als Re- 1. Oktober servesatellit. Bemannter chinesischer Raumflug zwischen 11. und 17. Oktober zu erwarten Die nächste Sea Launch Mission, die vierte und letzte in Aufregung und Spannung baut sich in Fachkreisen diesem Jahr, soll im November durchgeführt werden. Im langsam auf, nachdem der erste bemannte chinesische nächsten Jahr plant Sea Launch fünf Einsätze. Raumflug nur noch wenige Tage entfernt zu sein scheint. Immer mehr Daten deuten darauf hin, dass die histo- 6. Oktober rische Shenzhou-5 Mission in der Zeitspanne zwischen ESA vergibt die ersten dem 11. und 17. Oktober erfolgen wird. Die Startvorbe- Aurora-Verträge reitungen für die CZ-2F Rakete verlaufen offensichtlich Mit der Vergabe der ersten normal und ohne größere Probleme. Die Integration der Aufträge an die Industrie hat Startrakete mit dem Raumschiff ist wohl abgeschlossen. „Aurora“, das ESA Langzeit- Die chinesischen Offiziellen halten sich weiter bedeckt programm zur Erforschung über die Länge des Fluges, die Größe der Crew oder des Sonnensystems, einen andere Angaben. Fachkreise halten es am wahrschein- neuen Meilenstein passiert. lichsten, dass nur ein Astronaut fliegen wird und dass Für zwei unbemannte Mis- der Flug nicht länger als einen Tag dauert. Galaxy 13 / Horizons 1 sionen wurden jetzt jeweils im Orbit – künstlerische Darstellung. 2003 spacexpress chronik 59 Das Raumfahrtjahr 2003

zwei Phase A-Verträge vergeben. Diese Vorhaben laufen Der EVD soll im Jahre 2007 im Wettbewerb; der Gewinner wird dann den Auftrag gestartet werden. Die geplante auch für die Folgephase bekommen und die Konstrukti- Auslegung besteht aus einem on sowie den Bau der Raumfahrzeuge durchführen. Die Trägersatelliten und einer klei- Vorhaben, um die es geht, sind die Mission „ExoMars“, nen Wiedereintrittskapsel. Die eine Marsmission bestehend aus einer Kombination von Baseline-Mission sieht einen Orbiter, Lander und Rover, sowie die Mission „EVD“ hochelliptischen Erdorbit vor. (für: Earth re-entry Vehicle Demonstrator). Um den Anflug aus einer Mars- Mars Sample Return bahn auf die Erde zu simulieren, Alenia Spazio (Italien), Alcatel Space (Frankreich) und Mission – künstlerische wird die Kapsel dann von ihrem Darstellung. EADS Astrium (Frankreich) führen die drei Teams an, Satelliten vom Scheitelpunkt der die das Missionsdesign für die ExoMars Mission durch- Bahn herunter zur Erde auf eine Geschwindigkeit von führen. Gleichzeitig wurden zwei Teams ausgesucht, 45.000 Stundenkilometer beschleunigt und mit dieser welche die Vorentwicklungsphase (Phase A) für die Geschwindigkeit in die Atmosphäre eintreten. Die Ber- EDV-Mission durchführen sollen. Die Teams werden gung der Kapsel wird dann so erfolgen, wie es für die von EADS Launch Vehicles in Frankreich geführt und Mars Sample Mission geplant ist. von Surrey Satellite Technology Ltd. in Großbritannien. ExoMars soll im Jahre 2009 auf einer Ariane 5 auf die 9. Oktober Reise gehen. Es ist dies die erste der so genannten Volksrepublik China vor Russland „Flaggschiff-Missionen“ im Aurora-Programm. Der erste bemannte chinesische Raumflug steht un- Die zweite Aurora Flaggschiff-Mission ist die „Mars mittelbar bevor. Alle Anzeichen deuten jetzt darauf Sample Return Mission (MSR)“, die derzeit für 2011 ge- hin, dass die Mission „Shenzhou 5“ am 15. Oktober um plant ist. Ihr Hauptziel ist das Einsammeln von Oberflä- 03:00 mitteleuropäischer Zeit (9:00 Uhr Ortszeit) vom chenproben des Mars, ihr Transport zur Erde und die Raketentestgelände in Jiuquan starten wird. anschließende Analyse. Bei diesem historischen Flug wird nur ein Astronaut an Bord sein. Die Mission soll 21 Stunden dauern und 14 Erdumkreisungen umfassen. Die Landung soll am 16. Oktober um 6:00 Uhr morgens in der Savanne von Síziwang Qi, in der Inneren Mongo- lei, erfolgen. Diese Region befindet sich 100 Kilometer nördlich von Hohot, der Hauptstadt der Inneren Mon- golei. Es sieht danach aus, als ob alle wesentlichen Missions- Meilensteine vom chinesischen Fernsehen direkt über- tragen werden, einschließlich Start und Landung. China Central TV wurde von der Staatsführung angewiesen, am 15. und 16. Oktober Vorsorge zu treffen, um min- destens 10 Stunden Live-Berichterstattung zu ermögli- chen. Exo-Mars Orbiter und Rover – künstlerische Darstellung. Zur gleichen Zeit laufen in Baikonur die Startvorberei- tungen für die Mission TMA-3 zur Internationalen Raum- Um den Erfolg dieser anspruchsvollen Mission zu ge- station planmäßig. währleisten, müssen aber noch eine Reihe von Tech- nologien erprobt werden. Die Tests finden im Rahmen kleiner, so genannter „Arrow“-Missionen, statt. Eine dieser Missionen ist der „Earth Re-entry Vehicle De- monstrator (EVR)“, bei dem die Mars Sample Return Kapsel einem realen Eintrittstest unterzogen wird. Eine ähnliche Kapsel soll im Jahre 2013 die Bodenprobe vom Mars auf die Erde bringen.

Die Astronauten Foale, Kaleri und 60 spacexpress chronik 2003 Duque (von links). Der amerikanische Astronaut Michael Foale, der ESA Pilot des Raumfahrzeugs Astronaut Pedro Duque und der russische Kosmonaut ist der ehemalige Kampf- Alexander Kaleri sind inzwischen am Startgelände ein- pilot Yang Liwei, 38 Jahre getroffen. Am 18. Oktober soll die Sojus zur ISS starten alt. Er ist Oberstleutnant und dort zwei Tage später andocken. Foale und Kaleri in der Nationalen Volksbe- sollen danach 200 Tage an Bord der Station verbringen. freiungsarmee und stammt Duque kehrt nach 10 Tagen mit dem amerikanischen aus dem nordöstlichen Teil Astronauten Edward Lu und dem russischen Kosmo- Chinas. Liwei wird als her- nauten Juri Malenchenko zur Erde zurück. Diese beiden vorragender Eisläufer und bilden derzeit die so genannte Expeditionscrew 7, die Schwimmer geschildert. Er Taikonaut Yang Liwei. sich seit fünf Monaten in der Station befindet. ist der Sohn eines Lehrers und der Managerin einer landwirtschaftlichen Produk- Solange der Shuttle nicht einsatzbereit ist, sind die rus- tionsgenossenschaft. Mit Sicherheit wird Liwei zu einem sischen Flüge die einzige Möglichkeit, Besatzungen und Nationalhelden werden. Innerhalb von Stunden nach Güter zur ISS zu bringen. dem Start war er praktisch jedem Chinesen ein Begriff. 15. Oktober Damit wurde China die erst dritte Nation auf der Erde, Ich fühle mich gut – die in der Lage ist, einen ihrer Bürger unabhängig von wir sehen uns morgen... der Unterstützung anderer Nationen in den Orbit zu Nach einer Vorbereitungs- bringen. Als erster Mensch gelangte im April 1961 der zeit von über einem Jahr- Sowjetbürger Juri Gagarin in den Orbit. Im Februar 1962 zehnt und mehr als 40 Jahre folgte der Amerikaner John Glenn. Insgesamt ist Yang nach der Sowjetunion und allerdings schon der 431. Mensch, der seit Juri Gagarins den Vereinigten Staaten historischem Flug die Erde verlässt. Zwei andere Kandi- von Amerika wurde China daten waren bis zuletzt auf der Liste der ursprünglich 14 heute morgen um 9:00 Uhr Kandidaten für diesen Flug. Eine letzte psychologische Ortszeit zur dritten Nation, und physische Untersuchung ergab dann, dass Yang in die aus eigenen Mitteln ei- der besten Verfassung sei. Nur wenige Stunden vor dem nen bemannten Raumflug Start wurde er für die Mission ausgewählt. Die Landung unternimmt. An Bord des Shenzhou 5 bei Endmontage. ist für morgen früh um 6:25 Ortszeit geplant. Das ist um Raumschiffes Shenzhou 5 0:25 mitteleuropäischer Zeit. befand sich ein einzelner Taikonaut, wie die Chinesen ihre Astronauten nennen. Der Name des Mannes: Yang Liwei. Vor dem Start verabschiedete er sich von den Of- fiziellen und den Technikern mit den Worten: „Ich fühle mich gut, wir sehen uns morgen“. Die fünf Triebwerke der ersten Stufe lieferten einen Schub von über 500 Tonnen, als die zweistufige Long March 2F Rakete von der Startrampe 9 des Jiuquan Startzentrums am Rande der Wüste Gobi abhob. Der Startplatz liegt etwa 1.500 Kilometer westlich von Peking. Es war der 71. Flug einer Rakete vom Typ „Long March“, und der 29. erfolgreiche Start in un- unterbrochener Reihenfolge seit 1996. Bis zuletzt waren die Vorbereitungen Shenzhou 5 im Orbit – künstlerische Darstellung. im Geheimen abgelaufen. Zu sehr fürchteten die chinesischen Offiziellen 16. Oktober einen möglichen Fehlschlag, der dann Yang Liwei sicher zur Erde zurück gekehrt womöglich live über die Fernsehkanä- Nach 14 Erdumkreisungen und 21 Stunden nach Missi- Start der Long le liefe und die beabsichtigte Wirkung onsbeginn wurde über Südafrika automatisch die Retro- March 2F mit ins Gegenteil umschlagen lassen wür- zündung des chinesischen Raumschiffs Shenzhou 5 einge- Shenzhou 5. de. Zuviel stand auf dem Spiel. Der leitet. Zuvor hatte Taikonaut Yang Liwei das Orbitmodul 2003 spacexpress chronik 61 Das Raumfahrtjahr 2003

abgetrennt, das jetzt für mehr als 17. Oktober ein halbes Jahr eine autonome Indien startet Erdbeobachtungssatelliten Mission durchführen wird. Kurz Die indische Weltraumbehörde brachte heute um 6:52 danach trennte sich die Wieder- mitteleuropäischer Zeit einen Erdbeobachtungssatelli- eintritts-Einheit vom Service- ten in eine polare Umlaufbahn. Modul und wenig später – Der Start der achten PSLV-Trägerrakete mit dem Sa- um 0:23 Uhr MEZ, 12:23 Uhr in telliten IRS-P6 erfolgte vom Satish Dhawan Raumfahrt- Peking – ging Shenzhou 5 sicher Shenzhou 5 am Fall- zentrum auf der Insel Sriharikota, gelegen in der Bucht am Fallschirm im vorgesehenen schirm kurz vor der von Bengalen. Landung. Landegebiet in der Region Sizi- wang, etwa 300 Kilometer nörd- Das Wetter auf Sriharikota war zur vorgesehenen Start- lich von Peking nieder. Yang landete nur 4,8 Kilometer zeit alles andere als vorteilhaft. Trotzdem entschieden vom vorgesehenen Zielpunkt entfernt. Minuten nach sich die Offiziellen zu einem „go“, um das enge Start- der Landung waren die Bergungshelikopter bei ihm. Kurz fenster nicht zu verpassen. Die PSLV startete daher danach stieg Yang ohne fremde Hilfe aus der Kapsel. Er inmitten eines heftigen Wolkenbruchs, ein Beweis für wirkte ein wenig benommen. Eine erste medizinische das Vertrauen der indischen Techniker in die Funktions- Untersuchung ergab aber, dass er in guter körperlicher fähigkeit ihrer Rakete. Nirgendwo sonst auf der Welt Verfassung war. wäre ein Start bei derart widrigen Wetterbedingungen durchgeführt worden. Nach dem erfolgreichen Abschluss dieses Fluges Es dauerte 18 Minuten, bis die vierstufige, 43 Meter haben sich führende hohe Rakete den geplanten sonnensynchronen Orbit in Raumfahr t-exper ten 500 Kilometern Höhe erreichte und den Satelliten frei- Gedanken darüber gab. Die erzielte Inklination, also die Bahnneigung zum gemacht, wie es wohl Shenzhou 5 nach der Landung. Erdäquator, wurde mit 98,7 Grad angegeben. mit dem chinesischen Raumfahrtprogramm weiter gehen wird. Sie kamen da- bei zu der Meinung, dass ein zweiter bemannter Flug in etwa einem Jahr erfolgen kann. Dieser zweite Flug wird mit Sicherheit über einen länge- ren Zeitraum laufen, wahrscheinlich vier bis sechs Tage. Möglich ist auch, dass bereits versuchsweise ein Rendez- vous mit dem Orbit-Modul durchgeführt wird, das Yang Künstlerische Darstellung von ResourceSat im Orbit. Liwei in der Umlaufbahn zurück gelassen hat. Für die nähere Kurz darauf wurde das Raumfahrzeug in seinen wich- Zukunft dürfte die tigsten technischen Funktionen geprüft. Die Instru- Flugrate danach mente an Bord werden in den nächsten Tagen in Betrieb bei etwa 2-3 be- genommen. mannten Raum- Der 1.460 Kilogramm schwere ISR-P6, der auch den et- flügen jährlich lie- was eingängigeren Namen „ResourceSat“ trägt, soll die gen. China muss Erdbeobachtungssatelliten IRS-1C und IRS-1D ablösen. in diesen Flügen Diese beiden Satelliten funktionieren allerdings nach wie die Fähigkeiten vor, obwohl sie ihre Design-Lebensdauer bereits erheb- entwickeln, über Triumphale Rückkehr nach Peking. lich überschritten haben. welche die beiden Weltraum-Supermächte schon verfügen: Rendezvous „ResourceSat“ soll die Natur- und Landwirtschaftsres- und Docking, Weltraumspaziergänge, Bahnänderungen sourcen Indiens erkunden bzw. überwachen. Weitere und ähnliches. Das erste Nahziel der bemannten chine- Aufgaben sind Landvermessung, Desaster-Monitoring, sischen Raumfahrt wird dann die Errichtung einer klei- Land Management und Überwachung und Erkundung nen Raumstation bis zum Spätsommer 2008 sein, dem der Wasservorkommen in Indien. „ResourceSat“ soll Zeitpunkt, zu dem in Peking die Olympischen Spiele mindestens fünf Jahre lang im Einsatz bleiben. Bereits stattfinden werden. im nächsten Jahr wird der indischen Flotte von Erdü-

62 spacexpress chronik 2003 berwachungssatelliten ein neues Mitglied hinzugefügt. von der schon Juri Gagarin im Jahre 1961 zu seinem hi- Dann soll IRS-P5 in die Umlaufbahn gehen. IRS-P5 wird storischen Flug aufgebrochen war. dabei ausschließlich Aufgaben in der Landvermessung Der amerikanische Astronaut Ed Lu und sein russischer übernehmen. Kollege Yuri Malenchenko, die seit April an Bord der Der Start am Freitag war Indiens 18. Versuch seit 1979, Raumstation sind, werden ihren Nachfolgern Foale und eine Rakete in einen Erdorbit zu bringen. ResourceSat Kaleri in den nächsten Tagen eine Einweisung geben, be- war allerdings schon der insgesamt 37. Satellit, der in vor sie dann am 28. Oktober, zusammen mit Duque, an Indien gebaut wurde. Die weiteren 19 Satelliten wurden Bord einer anderen, bereits an der Station angedockten mit Trägerraketen anderer Nationen in die Umlaufbahn Sojus zur Erde zurückkehren werden. gebracht. Duque, der bereits im Jahre 1998 einen ersten Raumflug Indien plant, in den kommenden 12 Monaten zwei wei- mit der Raumfähre Discovery unternahm, damals zu- tere Raketen zu starten. Zum einen soll mit der nächs- sammen mit dem amerikanischen Senator John Glenn, ten PSLV-Rakete der schon erwähnte IRS-P5 in die wird in den acht Tagen seines Aufenthaltes an Bord der Umlaufbahn gebracht werden, zum anderen wird mit Station eine Serie von Experimenten ausführen. der größeren GSLV-Rakete (für „Geostationary Satellite Launch Vehicle“) ein Nachrichtensatellit in den geosta- 19. Oktober tionären Orbit gebracht werden. Das weitere indische Militärischer Wettersatellit gestartet Raumfahrtprogramm ist äußerst ambitioniert. Schon für Eine Titan 2-Trägerrakete der amerikanischen Luftwaffe, das Jahr 2007 ist die Entsendung einer Raumsonde zum eine modifizierte Interkontinentalrakete, die jahrzehn- Mond geplant. telang in einem der Nuklearsilos der amerikanischen Streitkräfte Dienst tat, hat am Samstag einen militäri- 18. Oktober schen Wettersatelliten vom kalifornischen Weltraum- Sojus bringt neue Crew zur Raumstation bahnhof Vandenberg aus in eine polare Umlaufbahn Ein Sojus-Raumfahrzeug mit einem gebracht. Russen, einem Amerikaner und Der 450 Millionen Dollar teure Schuss in den Weltraum einem Spanier an Bord startete markierte den unwiderruflich letzten Einsatz einer am Samstag um 7.38 Uhr vom Titan 2 Rakete. Die Mission stellte auch einen Negativ- russischen Kosmodrom in Baiko- Rekord auf hinsichtlich der Startverschiebungen. Schon nur in Kasachstan. Neun Minuten vor dreieinhalb Jahren war der Satellit auf der Rampe später hatte das Raumfahrzeug die gestanden, danach waren immer wieder technische Umlaufbahn erreicht. Schwierigkeiten aufgetreten, die den Abschuss ein ums Der Start erfolgte drei Tage nachdem andere Mal verhindert hatten. China dem Club der Raumfahrtnationen bei-trat, die in Der Liftoff vom Startkomplex 4 der Vandenberg Air der Lage sind, mit eigenen Mitteln Astronauten in den Force Basis erfolgte um 18:18 Uhr mitteleuropäischer Orbit zu bringen. Es war auch der zweite bemannte Zeit. Nur sechseinhalb Minuten später hatte die Rakete Start von Baikonur aus, seitdem am 1. Februar dieses den Orbit erreicht und der Satellit trennte sich von der Jahres die amerikanische Raumfähre Columbia beim zweiten Stufe des Trägers. Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verglühte und da- mit das bemannte amerikanische Raumfahrtprogramm Alle Zweige des amerikanischen zum Stillstand brachte. Militärs werden die Dienste des neuen DMSP-Satelliten zukünf- Die dreiköpfige Besatzung, bestehend aus dem tig einsetzen. Vor allem die Fä- U.S.-Astronauten Michael Foale, dem russischen Kos- higkeit, Wetterdaten direkt an monauten Alexander die Truppen im Feld zu senden, Kaleri und dem Spa- macht diesen Wettersatelliten so nier Pedro Duque wertvoll für die amerikanischen werden die Raum- Streitkräfte. station nach einem zweitägigen Anflug Das Raumfahrzeug umkreist die erreichen. Die Be- Erde in einem sonnensynchronen Start der Titan 2 mit dem DMSP-Satelliten satzung startete von Orbit in 800 Kilometern Höhe. an Bord. Michael Foale, gefilmt während derselben Rampe, Das bedeutet, dass der Satellit des Liftoff in der Sojus-Kapsel. 2003 spacexpress chronik 63 Das Raumfahrtjahr 2003

den Äquator immer zur selben lokalen Zeit auf jedem Orbit passiert. Mit seiner Fähigkeit, einen Bereich von 1.800 Kilometer Breite zu beobachten, ist der DMSP- Satellit in der Lage alle 12 Stunden die gesamte Erdober- fläche komplett zu fotografieren. Beim Start am Samstag kam der insgesamt 16. Satellit dieser Baureihe zum Einsatz. Die Nummer 15 war im Dezember 1999 gestartet worden und der nächste wird auf einer Boeing Delta 4 im nächsten Jahr in den Orbit gehen. Mit dem Start am Samstag ist auch die Ära der Titan 2 endgültig zu Ende gegangen.

Dutzende dieser Raketen taten jahrzehntelang in den Sojus TMA-3, unmittelbar vor dem Andocken. Raketensilos der USA Dienst als Teil der amerikanischen Abschreckungsstreitmacht gegenüber der UDSSR. Zwi- Station begrüßen, den Amerikaner Edward Lu und den schen 1964 und 1966 kam die Titan 2 als Trägerrakete Russen Yuri Malenchenko. Der Start der Sojus am Sams- des Gemini-Programms bei zwei unbemannten und tag von Baikonur aus war nur drei Tage nach dem erfolg- insgesamt 10 bemannten Flügen zum Einsatz. reichen ersten chinesischen Raumflug erfolgt. Foale und Die modernere Minuteman ersetzte die Titan 2 schließ- Kaleri lösen Lu und Malenchenko ab und werden bis lich bei den Streitkräften, und zwischen 1982 und 1987 April 2004 an Bord der Station bleiben. wurden alle 54 Raketen aus den Silos entfernt und zum Duque sollte eigentlich schon im April zur ISS fliegen, größten Teil zerstört. 1986 erhielt Lockheed Martin aber er musste nach der Columbia-Katastrophe zurück- aber von der Luftwaffe den Auftrag, 14 dieser Interkon- stehen, weil die für ihn bestimmte Sojus die Ersatzcrew tinentalraketen in Satellitenträger umzubauen. 13 von zur ISS bringen musste. Die Europäische Raumfahrt- ihnen wurden tatsächlich eingesetzt, die letzte am heu- behörde ist einer der Hauptpartner im Programm der tigen Tag. Die 14. war als Reserverakete vorgesehen, für Internationalen Raumstation, zusammen mit den Russen den Fall eines Fehlstarts. Sie wurde aber nicht gebraucht und den Vereinigten Staaten im insgesamt 16 Nationen und soll nun dem Smithsonian Museum zum Geschenk umfassenden Projekt. Duque ist seit 1992 im Astronau- gemacht werden. tencorps der ESA. Er war bereits im Jahre 1998 an Bord eines amerikanischen Space Shuttle im Weltraum. Mit 20. Oktober seinem jetzigen Flug wurde er der sechste Europäer und Sojus TMA-3 erreicht Raumstation der erste Spanier, der die Internationale Raumstation Die Expeditionscrew 8 erreichte am Montag die In- besucht. ternationale Raumstation. Das Anlegemanöver der russischen Raumkapsel Sojus TMA-3 gelang reibungslos. 21. Oktober Mit an Bord war auch der Europäische Astronaut Pedro China startet brasilianischen Satelliten Duque, der erste Europäer, der nach der Columbia-Ka- Weniger als eine Woche, nachdem China seinen histori- tastrophe in den Weltraum fliegt. Er wird nur während schen ersten bemannten Raumflug unternommen hatte, der Übergabezeit zwischen Expedtionscrew 7 und 8 an fand heute bereits der nächste, diesmal allerdings un- Bord sein, und dann in der kommenden Woche mit So- bemannte, Weltraumstart statt. Die Nutzlast bestand jus TMA-2 zur Erde zurückkehren. Sojus TMA-3, neben diesmal aus dem zweiten Teil eines chinesisch-brasiliani- Pedro Duque noch besetzt mit dem Amerikaner Micha- schen Gemeinschaftsprojektes. el Foale und dem Russen Alexander Kaleri, legte um 09: 11 mitteleuropäischer Zeit an der ISS an. Der Liftoff von CBERS 2 (für China-Brazil Earth Re- sources Satellite) fand um 05:16 mitteleuropäischer Zeit Das erfolgreiche Docking-Manöver wurde im Flug- statt. Als Startfahrzeug wurde die insgesamt sechste kontrollzentrum in Moskau mit Applaus begrüßt. Auf Long March 4B eingesetzt. Startort war das Taiyuan den Bildschirmen dort war eine Direktübertragung des Raumfahrtzentrum in der Provinz Shanxi. Anlegemanövers zu sehen, gefilmt von den Astronauten an Bord der Raumstation. 12 Minuten nach dem Abheben erreichte CBERS 2 ei- nen sonnensynchronen Orbit mit einer Inklination von Drei Stunden nach der Koppelung wurde die Luke geöff- 98,5 Grad in einer Bahnhöhe von 780 Kilometern. net und die Crew konnte die bisherigen Residenten der

64 spacexpress chronik 2003 Sofort nach der Trennung vom Träger wurden die biet, etwa 35 Kilometer Solargeneratoren entfaltet und die Satellitensysteme in südlich der Stadt Arkalik, Betrieb genommen. den Boden. Eine erste me- dizinische Untersuchung CBERS 2 wird nach einer intensiven Check-out-Phase, der Astronauten ergab, etwa 80 Tage nach dem Start, mit dem normalen Be- dass sich alle drei in her- trieb beginnen. Die geplante Lebensdauer des knapp 1,5 vorragender Verfassung Tonnen schweren Satelliten soll mindestens zwei Jahre befinden, und eine weiter betragen. gehende medizinische Ver- Die drei an Bord befindlichen Kameras, jede mit einem sorgung neben der üblichen anderen Auflösungsvermögen, bilden die Hauptnutzlast Routinekontrolle nicht des Satelliten. Die stärkste Kamera hat ein Auflösungs- nötig ist. Danach wurden vermögen von 20 Meter pro Bildpunkt. Ein weiteres die Astronauten mit dem Instrument sammelt Infrarot-Daten mit einer Auflösung Hubschrauber und dem von 80 und 160 Metern, und ein so genannter „Wide Flugzeug nach Chkalovsky Field Imager“ bildet ganze Regionen mit einer Größe in der Nähe von Moskau von bis zu 900 Kilometern Seitenlänge ab, um die gebracht. Detailaufnahmen in den regionalen Kontext stellen zu Der Flug war die erste können. Weltraummission für einen CBERS 2 wird die Rolle ausfüllen, die CBERS 1 bis zu europäischen Astronauten seiner Außerdienststellung im August hatte. CBERS 1 seit dem Absturz der Co- hatte seine Design-Lebensdauer von zwei Jahren erheb- lumbia im Februar. Die Teil- lich übertroffen. Der Start war im Oktober 1999 erfolgt. nahme des Spaniers Duque Ein dritter und ein vierter Satellit dieser Baureihe sind an diesem Flug wurde als in Vorbereitung. Auch diese Satelliten werden von der wichtiger Motivationsfak- Volksrepublik China in den Orbit gebracht werden. tor für das europäische Weltraumprogramm be- Die Vorbereitungen der CBERS 2 Hardware begann trachtet. im Jahre 2000. Komponenten des Satelliten wurden von einem internationalen Während seiner 10-tägigen Team sowohl in Brasilien Mission führte Duque eine als auch in China gebaut und Reihe von Experimenten getestet. Neben CBERS 2 auf den Gebieten Biologie, war noch ein weiterer Sa- Physik, Erdbeobachtung, tellit mit an Bord: CX-1, Bildung und Technologie ein 100 kg schwerer ex- durch. perimenteller Kommuni- Malenchenko und Lu, die kationssatellit, entwickelt sechs Monate an Bord der und gebaut in China. CBERS 2 Satellit – Raumstation verbracht künstlerische Darstellung. hatten, wurden durch den Amerikaner Michael Foale

und den Russen Alexander 28. Oktober Kaleri ersetzt. Die beiden ISS Crew landet sicher in Kasachstan werden bis April 2004 an Die russische Raumkapsel Sojus TMA-2 mit dem ame- Bord der Station bleiben. rikanischen Astronauten Edward Lu, Yuri Malenchenko aus Russland und dem Spanier Pedro Duque landete heute morgen sicher in der Steppe von Kasachstan. Die Landung erfolgte etwa drei Stunden, nachdem die Sojus von der Internationalen Raumstation abgelegt hatte. Das Raumfahrzeug berührte genau nach Plan, um 04:41 mitteleuropäischer Zeit, im vorgesehenen Landege- typischer Verlauf einer Sojus-Landung – Computer-Animation. 2003 spacexpress chronik 65 Das Raumfahrtjahr 2003

30. Oktober Kodama hat die Datenü- Massive Sonnenstürme zerstören Satelliten bertragung nach dem Flare Zweimal innerhalb von nur 48 Stunden schickte die vom Mittwoch eingestellt. Sonne gigantische Flares in Richtung Erde. Die Parti- Bei diesem Satelliten sind kelstürme, bei denen es sich um Masseneruptionen lebenswichtige Sensoren aus der Sonnenkorona handelt, wurden Dienstag und ausgefallen. Insbesondere am Mittwoch sowohl vom amerikanischen Satelliten ADEOS (ein Akronym GOES als auch der europäischen Raumsonde SOHO für ADvanced Earth Ob- gemeldet. Nur Stunden später trafen die Partikel aus servation Satellite) stellt den beiden Sonnenfackeln auf der Erde ein, und führten einen herben Verlust dar. Im Sonnenzentrum die hier zu gigantischen Nordlicht-Erscheinungen, die bis Der äußerst leistungsfä- Eruption der elektrisch nach Mitteleuropa gesehen werden konnten, so weit hige Satellit war erst vor geladenen Partikel, die in südlich wie sonst nie. 10 Monaten gestartet Richtung Erde abgestrahlt worden. Auch Kodama ist werden. Aufnahme der erst etwas über ein Jahr im ESA-Raumsonde SOHO. Orbit. Geplant war eine nutzbare Lebensdauer von 15 Jahren.

31. Oktober Rockot bringt SERVIS-1 in den Orbit Heute Nachmittag wurde von Nordrussland aus Japans neuester Satellit in den Weltraum gebracht. Bei dieser Mission soll eine ganze Anzahl moderner Raumfahrt- technologien erprobt werden. Der Start der Träger- rakete vom Typ „Rockot“ des deutsch-russischen Eu- Ein Sonnensturm kann immer nur dann sein volles Potenti- rockot-Konsortiums fand um 15:43 mitteleuropäischer al entfalten, wenn seine Feldlinien nach Süden ausgerichtet sind, und damit entgegengesetzt zum nach Norden ausge- Zeit vom Kosmodrom Plesetzk aus statt. Der Liftoff war richteten schützenden Magnetfeld der Erde. wegen starker Höhenwinde um 24 Stunden verschoben worden. Eine ganze Reihe von Satelliten geriet durch den mas- 90 Minuten nach dem Start wurde der Satellit mit der siven Strahlensturm in Schwierigkeiten, unter anderem Bezeichnung „Space Environment Reliability Verifica- die europäische Mondsonde SMART 1 und die beiden tion Integrated System“, kurz SERVIS, des japanischen japanischen Satelliten ADEOS-2 und Kodama. Wäh- „Institute for Unmanned Space Experi- rend die beiden letzteren wohl als Totalverluste ab- ment Free Flyer“ von der Oberstufe geschrieben werden müssen, scheint das Problem der Rakete freigegeben. SERVIS 1 bei SMART 1 nicht ganz so ernst zu sein. Bei der wurde in einem Orbit in 1000 Ki- europäischen Sonde wurde durch den heftigen lometern Höhe ausgesetzt, wo er Strahlenschauer der „Star-Tracker“ für einige die Anwendbarkeit einer großen Stunden gesättigt, und das Raumfahrzeug verlor Zahl kommerzieller Standard- vorübergehend die Orientierung. Ein eilig von der komponenten und -Technologien Erde herauf gesandter Software-Patch beseitigte für die Raumfahrt über die näch- dieses Problem. sten zwei Jahre erproben soll. Die beobachteten Sonneneruptionen sind die stärksten, Der 850 Kilo schwere Satellit wird im Or- die in den letzten drei Jahrzehnten beobachtet wurden. bit um das Jahr 2006 Gesellschaft bekommen, wenn ein Dies ist extrem ungewöhnlich, denn derzeit sollte sich weiterer SERVICE-Satellit mit einer ähnlichen Aufga- die Sonne eigentlich in einem Ruhezyklus befinden. benstellung in den Orbit geschossen wird. Ziel beider Bekanntlich schwankt die Sonnenaktivität in einem 11- Missionen ist es, zukünftig billigere, kommerziell erhält- jährigen Rhythmus. liche Bauteile für Satelliten zu verwenden und nicht die bisherigen extrem teuren Spezial-Komponenten.Das ADEOS-2, einer der weltweit größten Erdbeobach- Eurockot-Konsortium plant auch im nächsten Jahr zwei tungssatelliten, hat offensichtlich einen Schaden im Starts: Den „Cryosat“ der ESA und den koreanischen elektrischen System erlitten. Der Nachrichtensatellit „KOMPSAT 2“ Erdbeobachtungssatelliten. 66 spacexpress chronik 2003 6. November November Voyager 1 am Rand des Sonnensystems Die altgediente amerikanische Raumsonde Voyager 1 4. November könnte das Ende unseres Sonnensystems erreicht ha- Erneut Satellitenstart in China – ben. In diesem Bereich jenseits des Planeten Pluto trifft Yang Liwei in Hongkong begeistert empfangen der von der Sonne ausgehende Teilchenwind auf das Am Montag startete die Volksrepublik China an Bord interstellare Plasma. Dadurch wird ein Teil des Impulses einer Long March 2D-Trägerrakete einen Forschungssa- des Sonnenwinds auf die Teilchen des interstellaren telliten, der nach einem begrenzten Aufenthalt im Welt- Raums übertragen und die im Jahre 1977 von der ame- raum wieder zur Erde zurückkehren soll. Dieser Satellit rikanischen Raumfahrtbehörde Nasa gestartete Sonde wird, wie es in der Verlautbarung der Nachrichtenagen- könnte dies nun beobachtet haben. tur Xinhua heisst, wissenschaftliche Untersuchungen und andere Aufgaben erfüllen. Ob Voyager 1 in einer Entfernung von etwa 13 Mil- liarden Kilometern von der Erde die Grenze un- Das Raumfahrzeug wurde um 9:20 mit- seres Sonnensystems schon erreicht hat oder die- teleuropäischer Zeit vom Jiuquan Raum- ser Durchbruch kurz bevorsteht, ist in der Fachwelt fahrtzentrum aus gestartet. Alle Funkti- noch umstritten. Zwei amerikanische Forschergrup- onen an Bord des Satelliten sind normal, pen kommen nach dem Durchforsten mithilfe eines wie Xinhua berichtet. Der Start erfolgte Teilchendetektors an Bord der Sonde gesammel- von genau derselben Startrampe, von der ter Daten zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen. am 15. Oktober Yang Liwei als erster Chi- nese in den Weltraum geschossen wurde. Die schnell aufeinander folgenden Raum- fahrtmissionen – es ist dies jetzt der dritte Start in ebenso vielen Wochen – sind ein deutlicher Hinweis auf die rasch steigende Leistungsfähigkeit der chinesischen Raum- fahrt. Der Flug am Montag ist auch schon Long der 18. Einsatz einer Rückkehrkapsel. Das March 2D. Fahrzeug wird voraussichtlich 18 Tage im Orbit bleiben, und dann zur Erde zurückkehren. Der Flug war der 73. Start einer Rakete der Typenreihe „Lan- ger Marsch“ seit dem Jahre 1970. Und es war der 31. erfolgreiche Start in ununterbrochener Serie für diese Baureihe. In der Zwischenzeit befindet sich Chinas erster Mann Künstlerische Darstellung der Position der beiden Voyager- Raumsonden im Bezug zu den Außenbereichen unseres im Orbit weiterhin auf einer Promotionstour durch ganz Sonnensystems. China. Letzten Freitag war Yang Liwei in Hongkong, am Montag besuchte er Macao. In Hongkong warteten hun- derte von Schaulustigen vor dem Wissenschaftsmuse- An der Grenze unseres Sonnensystems trifft der von um auf den ersten chinesischen Astronauten, der am der Sonne mit Überschallgeschwindigkeit wegfliegende 15. Oktober mit dem Raumschiff Shenzhou 5 die Erde Sonnenwind aus geladenen Teilchen – zumeist Protonen 14 mal umrundet hatte. In und Alphateilchen – auf das interstellare Plasma auf. Je diesem Museum wurde am tiefer der Wind in das Plasma eindringt, umso mehr En- Samstag durch Yang Liwei ergie wird auf dieses übertragen. An einem bestimmten eine Ausstellung zur chine- Ort innerhalb der verschmierten Grenze unseres Son- sischen Raumfahrt eröffnet. nensystems verringert sich daher die Geschwindigkeit In seiner Eröffnungsrede des Sonnenwinds schlagartig auf Unter-Schallgeschwin- bedankte sich Yang für den digkeit. An dieser als Terminations-Schock bezeichneten warmherzigen Empfang Grenze bilden sich Schockwellen in dem Plasma aus, in durch die „große chinesische Analogie zu der Schockwelle eines Überschallflugzeugs. Familie“ und verkündete, Da der Plasmadetektor von Voyager 1 allerdings leider dass er „tief bewegt“ sei. Chinas erster „Taikonaut“, Yang Liwei. 2003 spacexpress chronik 67 Das Raumfahrtjahr 2003

schon seit längerer Zeit nicht mehr funktionstüchtig ist, auch an bislang unzu- mussten die Wissenschaftler auf Daten eines Teilchen- gänglichen Stellen eine detektors zurückgreifen. Schadensinspek tion durchführen zu können. Zur eindeutigen Klärung der Frage, wann genau Voyager Astronauten werden 1 durch die Grenzen unseres Sonnensystems wandert, bei einem Außenbord- müssen noch weitere Datenanalysen durchgeführt wer- Manöver mit Repair- den. Klar ist jedoch: Voyager 1 befindet sich an einem Kits in der Nutzlast- hoch interessanten Punkt in seiner langen Reise. Das 1 bucht des Shuttle eigentliche Wunder liegt zudem darin, dass Voyager experimentieren. Ei- 1 immer noch Daten senden kann – schließlich ist die nige Aufgaben an der vorhergesagte Lebensdauer der Sonde schon seit Jahr- Raumstation werden zehnten abgelaufen. allerdings trotzdem durchgeführt, inklusive 10. November der Lieferung von Aus- Shuttle-Programm: rüstungsgegenständen „Return-to-flight“ – Crew vollständig und Versorgungsgütern 2 Zwei erfahrene Astronauten und ein Weltraumneuling mittels eines in Italien sind zu der Crew gestoßen, die sich bereits im Training gebauten Moduls. Die- für den ersten Shuttle Flug nach der Columbia-Kata- se Einheit wird zum strophe befindet. Dieser Flug, die Mission STS 114, ist Entladen der Güter derzeit für den kommenden September angesetzt. an das Unity-Modul Kommandantin Eileen Collins, Pilot Jim Kelly und die der Raumstation an- beiden Missionsspezialisten Steve Robinson und Soichi gedockt. Für die Zwe- Noguchi bereiten sich bereits seit 2001 auf diesen Flug cke der Raumstation vor. Sie sollten eigentlich einen Monat nach der Landung werden zwei weitere 3 der Columbia zur Internationalen Raumstation aufbre- Weltr aum-Ausf lüge chen. Die Shuttle-Katastrophe verhinderte diesen Plan durchgeführt. Bei dem 1: Die „Stamm-Mannschaft“ jedoch. einen wird ein defekter von STS 114, von links nach rechts: Pilot Jim Kelly, Steve Lageregelungs-Kreisel STS-114 war ursprünglich als Versorgungsflug für die Robinson, Soichi Noguchi, ersetzt, beim ande- Raumstation geplant. Außerdem sollte ein Mannschafts- Commander Eileen Collins. ren wird eine externe austausch vorgenommen werden. Es war beabsichtigt, Plattform installiert an 2: Links Charles Camarda, dass die Expeditionscrew 7 mit der Atlantis zur Raum- der Ersatzteile für die rechts: Andrew Thomas. station gebracht werden sollte, und danach Eileen Col- Raumstation gelagert 3: Wendy Lawrence. lins mit ihrer Crew die Astronauten der Expeditions- werden können. Zur crew 6 wieder zur Erde zurück bringen sollte. Besatzung: Eileen Collins war als Pilotin bei den Missi- Wenn nun im nächsten Jahr die „neue Mission“ STS 114 onen STS-63 im Jahre 1995 und STS-84 im Jahre 1997 startet, dann werden neben den ursprünglichen vier eingesetzt. 1999 flog sie als Kommandantin die Mission Mannschaftsmitgliedern noch zusätzlich die Astronau- STS-93. Kelly war Pilot bei der Mission STS-102 im Jahre ten Andrew Thomas, Wendy Lawrence und Charles 2001. Robinson war bei STS-85 im Jahre 1997 und bei Camarda als Missionsspezialisten mit dabei sein. Dies STS-95 im Jahre 1998 eingesetzt. gab die NASA am Freitag bekannt. Thomas, noch ein Veteran mit einem Langzeitaufenthalt STS-114 war von vorneherein als eine Mission für sieben auf der russischen Raumstation Mir flog mit STS-77 im Besatzungsmitglieder ausgelegt. Aber nun werden alle Jahre 1996, STS-89 und 91 zu und von der Mir im Jahre Mannschaftsmitglieder nur Aufgaben der „Return to 1998, und STS-102 im Jahre 2001. Wendy Lawrence, Flight Mission STS-114“ durchführen. Der revidierte hat Flugerfahrung von STS-67 im Jahre 1995, STS-86 im Flugplan sieht vor, hauptsächlich Inspektions- und Re- Jahre 1997 und STS-91 im Jahr 1998. paraturtechniken für das Thermalschutzsystem des Noguchi und Camarda, beide als Astronauten im Jahre Orbiters zu erproben. 1996 ausgewählt, werden mit STS-114 ihren ersten So wird zum Beispiel eine lange Stange eingesetzt, als Raumflug unternehmen. Verlängerung des Manipulatorarms des Shuttle, um 68 spacexpress chronik 2003 12. November Bahnpunkt 212 Kilometer, höchster ESA kürzt Bepi-Colombo Bahnpunkt 41.981 Kilometer. In den und streicht nächsten Tagen wird sich der Satellit Beim Treffen des „Science selbst in einen geostationären Orbit Programme Committee“ der in 36.000 Kilometer Höhe bringen, europäischen Weltraumbe- und dann über dem Äquator bei hörde wurden entscheidende 103 Grad östlicher Länge statio- Kürzungen in den Wissen- niert werden. schaftsprogrammen getrof- Eddington – Der 2,3 Tonnen schwere Zhong- fen. Aufgrund der finanzielle Künstlerische Darstellung. xing 20 wurde von der chinesischen Long March 3A. Notlage und der fehlenden Akademie der Weltraumwissen- Aussicht einer Budgeterhöhung wurde die Mission „Ed- schaften hergestellt. Der Start war der 73. Einsatz einer dington“ gestrichen. Vom Vorhaben „BepiColombo“ Long March seit 1970 und der 32 erfolgreiche Start seit wurde der Merkur-Lander eliminiert. dem Oktober 1996 in ununterbrochener Reihenfolge. Eddingtons Aufgaben wäre zum einen die Suche nach Für China war es der vierte Start innerhalb eines Mo- erdähnlichen Planeten außerhalb unseres Sonnensys- nats. Noch nie haben in China Weltraumstarts so dicht tems gewesen zum anderen sollte das Raumfahrzeug aufeinander stattgefunden. mit Hilfe von astroseismischen Untersuchungen den inneren Aufbau von Sternen untersuchen. 21. November Chinesischer Forschungs‑ Aber auch der Verlust des Oberflächensegments der satellit wieder gelandet „BepiColombo“-Mission ist gravierend. Zwei Merkur- Die Wiedereintrittskapsel Orbiter sollen im Rahmen des Projektes aber nach wie eines chinesischen Forschungs- vor gebaut werden, nämlich der „Merkur Planetary Or- satelliten, der am 3. November biter“ und der „Merkur Magnetospheric Satellite“. gestartet worden war, landete Die Gründe für die prekäre Finanzsituation der ESA gestern wohlbehalten wieder sind im Absturz der ersten Ariane 5 ESC-A im letzten auf der Erde. Es war dies der Dezember, und die 18. chinesische Satellit mit einer Die Landung des chi- in der Foge verspä- Landekapsel und zuverlässige nesischen Forschungs- teten bzw. verscho- Quellen wollen wissen, dass satelliten erfolge offen- sichtlich in bewohntem ben Starts, die zu es sich dabei um einen militä- Gebiet. erheblichen Mehr- rischen Fotoaufklärungssatel- kosten führten. liten vom Typ Jian Bing 4 handelte und nicht um einen Materialforschungs- und Erdbeobachtungssatellit der FSW-Serie, wie die Chinesen kund taten.

Die beiden Rosetta Merkur 23. November Oribiter – Künstlerische Darstellung. ISS Expeditionscrew 9 benannt Der amerikanische Astronaut William McArthur, ein 14. November ehemaliger Oberst der US-Army und der russische China bringt Kommunikations- Luftwaffenoberst Valery I. Tokarev werden die nächs- satelliten in den Orbit te Stammbesatzung der internationalen Raumstation China hat am Samstag um 0:01 Uhr Ortszeit (Freitag, bilden. McArthur und Tokarev haben bereits als Ersatz- 18:01 mitteleuropäischer Zeit) einen Nachrichtensatelli- mannschaft für die gegenwärtige Crew der ISS trainiert. ten in einen geosynchronen Transferorbit transportiert. Sie sollen im April nächsten Jahres mit einer russischen Trägerfahrzeug war eine Long March 3A Rakete. Sojus-Kapsel zur Raumstation transportiert werden, und bilden dann die so genannte Expeditionscrew 9. Das Raumfahrzeug mit der Bezeichnung „Zhongxing Ihr Aufenthalt an Bord der Station ist für sechs Monate 20“ startete vom Raumfahrtzentrum Xichang in der angesetzt. Provinz Sichuan in Südwest-China. McArthur wird in Personalunion als Stationskommandant 25 Minuten nach dem Liftoff hatte der Satellit die vorge- und als NASA Wissenschaftsoffizier Dienst tun. Tokarev ist sehene Bahn erreicht. Die Parameter waren: Niedrigster Sojus-Commander und Flugingenieur der Station. 2003 spacexpress chronik 69 Das Raumfahrtjahr 2003

Für einige Tage mit von der Dezember Partie ist der ESA Astronaut Andre Kuipers. Er startet mit 1. Dezember Tokarev und McArthur zur Japanischer Satellitenstart scheitert Raumstation, verbringt dort Das zweite paar japanischer Spionagesatelliten, dafür acht Tage mit der Abwicklung bestimmt, die militärischen Aktivitäten des Nachbarn Im Bild von links nach eines wissenschaftlichen Pro- Nordkorea genau unter die Lupe zu nehmen, musste rechts: Andre Kuipers, Bill gramms und kehrt dann zu- am 29. November nach einem gescheiterten Start zu- McArthur, Valerij Tokarev. sammen mir der derzeit in der sammen mit der Trägerrakete zerstört werden. Station befindlichen Crew, be- Die Mission begann zunächst planmäßig um 6:33 MEZ stehend aus Commander Michael Foale und Sojus-Pilot am Yoshinobu Startkomplex auf der Insel Tanegashima. Alexander Kaleri wieder zur Erde zurück. 11 Minuten später musste die Bodenstation aber das Ersatzmann für Kuipers ist übrigens der deutsche ESA Zerstörungssignal zur Rakete senden, als klar wurde, Astronaut . McArthur war bereits bei dass der Träger nicht in der Lage sein würde, einen drei Shuttle Missionen dabei: STS-58 im Jahre 1993; sicheren Orbit zu erreichen. Die Ingenieure gaben ei- STS- 74 im Jahre 1995 und STS-92, ein Montageflug zur nige Stunden nach dem Start bekannt, dass sich einer Raumstation im Jahre 2000. Tokarev hat bislang einen der beiden ausgebrannten Zusatzbooster nicht von der Flug absolviert, und zwar die Shuttle-Mission STS 96 im Rakete gelöst hatte. Jahre 1999. Die Zusatzraketen, 15 Meter hoch und 2,5 Meter im Die Ersatzmannschaft für die Expeditionscrew 9 – die Durchmesser geben der Rakete in den ersten 100 wiederum die Hauptcrew für die Exepedition 10 sein Sekunden des Fluges zusätzlichen Schub. Planmäßig wird, sind der NASA-Astronaut Leroy Chiao und der sollen sie 1 Minute und 50 Sekunden nach dem Liftoff russische Kosmonaut Salizhan S. Sharipov. Mit dabei abgeworfen werden. sein wird bei diesem Start, voraussichtlich im Oktober nächsten Jahres, auch Gerhard Thiele. Mit dem zusätzlichen Gewicht des mächtigen, mehr als 15 Meter langen Boosters, war die H-2A nicht mehr in 26. November der Lage erfolgreich einen Erdorbit anzusteuern. Die Proton startet Rakete befand sich in einer Höhe von 422 Kilometern zweimal Yamal und war bereits weit über dem Pazifik in der Nähe von Eine russische Proton K mit Indonesien, als der Sprengbefehl kam. einer „Block DM“ Oberstu- Vor dem Unfall hatte die H-2A eine Erfolgsquote von fe brachte am 24. November fünf erfolgreichen Flügen in zwei Jahren. um 8:22 Uhr mitteleuropä- 1 ischer Zeit zwei Kommuni- Die Rakete hat zwei Stufen, die jeweils mit flüssigem kationssatelliten vom Typ Sauerstoff und flüssigem Wasserstoff betrieben werden. „Yamal 200“ in den Orbit. Dazu kommt noch eine vom Missionstyp abhängige, va- Nachrichtensatelliten dieses riable Anzahl von Feststoff-Boostern. Die verbesserte Typs dienen russischen In- Version H-2A ersetzte die H-2 im Jahre 2001, bei der es landskunden für Kontakte zu einer Reihe kostspieliger Fehlstarts gekommen war. mit dem restlichen Europa, Die beiden militärischen Aufklärer, einer ausgestattet dem asiatischen Teil Russ- mit optischen Beobachtungsinstrumenten, der andere lands und mit Südostasien. 2 mit Radarbild-Kapazitäten, sollten zu zwei Satelliten Die beiden je 1.330 Kilo- stoßen, die schon seit dem 28. März im Orbit sind. Die 1: Die beiden Yamal-Satelliten, für gramm schweren Satelliten Satelliten operieren im Tandem und passieren Nordko- den Start miteinander verbunden. wurden von der Trägerrake- rea jeweils in den späten Vormittagsstunden und in den te direkt im geostationären 2: Die Yamal-Satelliten kommen späten Nachtstunden jeden Tages. Jeden vierten Tag Orbit abgesetzt, und nicht, auf die Proton Oberstufe vom fliegen sie dabei direkt über Pjöngjang, der Hauptstadt wie bei westlichen Trägern Typ „Block DM“. Nordkoreas. üblich in einem Transferor- bit. Es war dies der dritte Die beiden Satelliten operieren in einem Orbit in 492 Kilo- Proton-Start des Jahres. Zwei weitere sollen im De- metern Höhe, der Radarsatellit fliegt dabei 37 Minuten vor zember noch folgen. dem optischen Satelliten jeweils über das Zielgebiet.. 70 spacexpress chronik 2003 Das neue Duo sollte den so genannten „Nachmittags- kurz NOSS, sind. In den Jahren orbit“ abdecken, und damit die Anzahl der täglichen 1971 bis 1996 fanden insgesamt Beobachtungsmöglichkeiten verdoppeln. elf NOSS Missionen statt. Allen war gemeinsam, dass jeweils drei Die nächste H-2A-Mission war für Anfang nächsten Jah- Satelliten abgesetzt wurden, die res geplant. Dabei sollte der so genannte „Multi-functio- danach stets in einer Dreiecks- nal Transport Satellite 1R (MTSAT 1R – das „R“ steht für Formation flogen. „Replacement“)“ in den Orbit gebracht werden. Wie der Fehlschlag vom Samstag diesen Zeitplan beeinflusst Im Jahre 2001 wurden von der ist noch nicht klar. Der von Space Systems/Loral gebaute Atlas aber nur zwei Satelliten MTSAT 1R wird vom japanischen Ministerium für Trans- freigegeben. Es ist möglich, dass Nächtlicher Start portwesen für Luftraumüberwachung und Wetterbeo- es damals zu einem Fehler beim in Vandenberg. bachtungen eingesetzt werden. Er bildet den Ersatz für Absetzen der Satelliten kam, und „MTSAT 1“, der beim Fehlstart einer H-2 im Jahre 1999 einer der Satelliten nicht von der Trägerrakete freige- verloren ging. geben wurde. Die Dreier-Kombination arbeitet zusammen, um die Position der beobachteten Schiffe metergenau festlegen zu können. Die Rampe, die an diesem Morgen in Vandenberg benutzt wurde, wird nunmehr ausgedehnten Umbau- Arbeiten unterworfen, um sie auf die wesentlich grö- ßere Atlas 5 umzurüsten. Die Starts dieser Rakete in Vandenberg sollen ab 2005 beginnen. Unter anderem muss die Rampe dabei um 10 Meter erhöht werden, und es muss ein wesentlich größerer Flammenschacht Fand nicht statt: Die Trennung des Boostermotors. Dies hier ist ein Archivbild von einem früheren Start. gebaut werden.

3. Dezember 2. Dezember STS 121-Besatzung bestimmt Geheimmission startet im Schutz der Dunkelheit Vier NASA Astronauten wurden gestern für die Mission Eine Lockheed Martin Atlas 2AS startete heute morgen STS-121 nominiert. Dieser Flug wird die zweite Shuttle- zu einer geheimen Mission. „Gewöhnlich gut unterrich- Mission nach der Columbia-Katastrophe sein. Erst nach tete Kreise“ nehmen an, dass es dabei um den Transport dieser Mission werden die regulären Flüge zum Aufbau von zwei oder drei Meeres-Überwachungssatelliten der Internationalen Raumstation wieder aufgenommen. geht. Nach derzeitiger Planung wird STS 121 im November des nächsten Jahres starten. Im September soll, als erste Der Start erfolgte um 12:04 mitteleuropäischer Zeit (2: Mission nach Columbia, STS-114 unter dem Kommando 04 amerikanischer Westküstenzeit) als der 16 Stock- von Eileen Collins in den Orbit gehen. Erst im Januar werke hohe Träger langsam von der östlichen Rampe oder Februar 2005 soll dann, entsprechend der NASA- des Startkomplexes 3 der Vandenberg Luftwaffenbasis Planung mit STS 115 das normale Flugprogramm wieder in Kalifornien abhob. Es war dies der insgesamt dritte aufgenommen werden. und zugleich letzte Start einer Atlas 2AS von der ameri- kanischen Westküsten-Basis. Die Flug-Nummer STS 121 wurde gewählt, weil dies die Etwa 74 Minuten nach dem Start wurde die geheime nächste Missionsnummer ist, Nutzlast von der Centaur-Oberstufe freigegeben. Die der noch keine Besatzung Atlas kann damit 67 erfolgreiche Starts in ununterbro- zugeordnet war. Die Besat- chener Reihenfolge verzeichnen. zungen für STS 114 bis STS Zuletzt hatte ein Atlas-Start von Vandenberg aus am 120 standen bereits vor der 8. September 2001 stattgefunden. Dabei wurde eine Columbia-Katastrophe fest. ähnliche Nutzlast wie am heutigen Morgen in den Or- Kommandant für STS 121 wird bit transportiert. Man nimmt an, dass die Satelliten Teil der Luftwaffenoberst Steven STS 121-Commander Steven Lindsey. des so genannten „Naval Ocean Surveillance System“, W. Lindsey sein. Pilot ist Fre- 2003 spacexpress chronik 71 Das Raumfahrtjahr 2003

gattenkapitän Mark E. Kelly. Marine-Corps Oberstleut- befestigt ist, soll auf der Oberfläche des Roten Planeten nant Carlos I. Noriega und der Zivilist Michael E. Fossum landen. Mars Express war am 2. Juni dieses Jahres an fungieren als Missionsspezialisten. Drei weitere Besat- Bord einer Sojus Fregat vom russischen Weltraumbahn- zungsmitglieder werden später noch benannt. hof Baikonur aus in Richtung Mars gestartet worden. Die von Astrium gebaute Raumsonde trägt sieben Die Mission STS-121 wurde eingefügt, nachdem die wissenschaftliche Experimente, sowie die Landesonde Liste der Konstruktionsänderungen und Hardware-Mo- Beagle 2, benannt nach dem Forschungsschiff von Char- difikationen die in der Folge des Columbia-Absturzes les . geplant werden, immer länger wurde. Schließlich konn- ten sie nicht mehr alle im Flug STS 114 untergebracht Am Weihnachtsabend soll Mars Express in einen Orbit werden, und eine zusätzliche Mission musste eingefügt um den Roten Planeten einschwenken. Fast zur gleichen werden. Auch STS-121 wird, wie schon STS-114 an der Zeit, zu der das Einbremsmanöver in die Marsumlauf- ISS anlegen und im begrenzten Maße Versorgungsgüter bahn beginnt, soll Beagle 2 auf dem Roten Planeten lan- dorthin transportieren. den. Das Landefahrzeug wird bereits am 19. Dezember vom Orbiter freigegeben und fliegt die letzten fünf Tage Hauptaufgabe wird aber der Test von neu entwickelter allein in Richtung Mars weiter. Hardware für das Shuttle-Programm sein, sowie die Er- probung neuer Prozeduren um die Raumfähren sicherer Die Berichtung über Erfolg oder Misserfolg der beiden zu machen. Operationen wird zunächst nicht ganz einfach. Als erstes wird eine Bestätigung eingehen, ob das so ge- Lindsey hat bereits drei Shuttle-Flüge absolviert. Er war nannte „Orbit Insertion Maneuvre“ von Mars Express im Jahre 2001 Kommandant der Mission STS-104. Kelly funktioniert hat. Diesen Bericht wird die Raumsonde war einmal im Weltraum, Noriega zweimal. Fossum (hoffentlich) selbst abgeben. Sollte es Mars Express wird seinen ersten Flug machen. gelungen sein, sich erfolgreich in den Mars Orbit zu bewegen, dann wird es aber trotzdem eine ganze Weile dauern, bis er sich in eine Bahn manövriert hat, von der er die Meldungen des Beagle-Landers aufnehmen kann. Das bedeutet, dass die Flugkontrolle auf der Erde auf andere Mittel zurückgreifen muss, um festzustellen, ob Beagle gelandet ist oder nicht. Die ersten Signale des Beagle-Landers werden im Laufe des ersten Weih- nachtsfeiertages erwartet, entweder direkt von der Bodenkontrolle mit der 70Meter-Antenne in Jodrell Banks oder über die Mars Odyssey Raumsonde, die als Relais fungieren wird. Ab den ersten Januartagen wird Mars Express Beagle 2 regelmäßig überfliegen und kann dann Bilder und Daten zur Erde übertragen. Die ersten Bilder sowohl von Bea- Der Mars aus 5.5 Millionen Kilometern Entfernung. gle 2 als auch von Mars Express werden in den letzten Tagen des alten, bzw. in den ersten Tagen des neuen 4. Dezember Jahres erwartet. Erstes Bild von Mars Express Die europäische Raumsonde Mars Express hat am 1. 11. Dezember Dezember ihr erstes Bild vom Roten Planeten gemacht. Proton startet drei Navigationssatelliten Entfernung: 5.5 Millionen Kilometer. Für dieses Bild wur- Eine Proton Trägerrakete mit einer Breeze M Oberstu- de die so genannte „High Resolution Stereo Camera“ fe brachte gestern Abend um 19:42 Uhr ein Trio von (HRSC) verwendet, für deren Entwicklung Prof. Ger- Uragan-Navigationssatelliten in den Orbit. Startort hard Neukum von der DLR zuständig war. Die Bildbear- war das Kosmodrom von Baikonur in Kasachstan. Die beitung wurde vom DLR Institut für Planetenforschung Satelliten werden das Glonass-Navigationssatelliten- und von der Freien Universität erstellt. Netz verstärken. Die Breeze M gab die drei jeweils 1,5 Tonnen schweren Satelliten heute früh um 1:25 Uhr frei. Mars Express nähert sich seinem Ziel, und wird in gut Die Raumfahrzeuge erhielten die Bezeichnung Kosmos zwei Wochen die Umlaufbahn ansteuern. Die Lande- 2402, Kosmos 2403 und Kosmos 2404. sonde Beagle 2, die derzeit noch an der Raumsonde 72 spacexpress chronik 2003 Glonass ist im Prinzip dem amerikanischen Global Der Einsatz der Na- Positioning System ähnlich. Wie dieses ist Glonass vor- turkräfte funktionierte wiegend militärisch geprägt, kann aber auch zivil genutzt wie geplant, aber das werden. Bei den drei gestern gestarteten Satelliten war zusätzliche Brennma- auch ein Fahrzeug neuerer Generation dabei, der sich növer war ein Desa- vor allen Dingen durch eine weit höhere Lebensdauer ster. Ein Absperrventil als die bisherigen Uragan-Satelliten auszeichnet. in einer Treibstofflei- tung klemmte, und Der Start gestern ist der zweite von insgesamt drei Pro- die Raumsonde verlor ton-Starts die innerhalb von vier Wochen stattfinden viel Treibstoff, ohne Es bleibt bei der Vorstellung des sollen. Am 24. November brachte eine Proton zwei Künstlers – Nozomi im Mars-Orbit. die notwendige Ge- Yamal 200-Satelliten erfolgreich in den Orbit. Am 29. schwindigkeit zu erreichen. Dadurch konnte das Trieb- Dezember soll der Start eines Kommunikationssatelliten werk nicht den nötigen Impuls erzielen, und die Sonde mit der Bezeichnung Express AM-22 erfolgen. endete in einer heliozentrischen Bahn, die nicht zum Mars führte. Die Abweichung von der ursprünglich vor- 13. Dezember gesehenen Bahn war aber nicht so groß, als dass die Mis- Nozomi am Mars gescheitert sion damit schon vollständig verloren gewesen wäre. Ein letztes Mal in der wechselvollen Geschichte der japanischen Marssonde Nozomi sollte der Name zum Das Flugkontrollzentrum konnte eine neue Trajektorie Symbol werden. Aber dieses eine Mal reichte es nicht berechnen, die drei Jahre später zwei weitere Erd- mehr. Der Mars hat wieder ein Opfer gefordert, wie Swingby‘s beinhaltete. Diese wurden im letzten Dezem- schon so oft zuvor. ber und im Juni erfolgreich ausgeführt. Nozomi, zu deutsch „Hoffnung“ verlor seine letzte Zu diesem Zeitpunkt war die Sonde aber schon schwer Chance auf einen Erfolg am Dienstag. Dies war die angeschlagen. Nicht nur das Treibstoffsystem war de- „Deadline“ um die notwendigen Software-Korrekturen fekt, zu allem Überfluss war das Raumfahrzeug im April für die technischen Probleme an Bord der Raumsonde 2002 auch noch in einen heftigen Partikelsturm geraten, zu übermitteln. Der Termin kam und ging, ohne dass der neben anderen Schäden schwere Verwüstungen im eine Lösung gefunden werden konnte, obwohl sich Energieversorgungssystem und im S-Band-Kommunika- die japanischen Flugcontroller bis zuletzt zuversichtlich tionssystem anrichtete. gezeigt hatte. Nozomi nähert sich inzwischen weiter Der Strahlenschauer, ausgelöst durch einen Sonnen- dem Mars, wird ihn aber morgen, am 14. Dezember, mit Flare, beschädigte wesentliche Teile des elektrischen hoher Geschwindigkeit passieren, ohne in eine Umlauf- Systems. Während der Sommer- und Herbstmonate bahn um den Roten Planeten einschwenken zu können. versuchten die Flugcontroller durch Software-Änderun- Gestartet wurde die 540 Kilogramm schwere Raum- gen und geänderte Schaltungen im Energieversorgungs- sonde Juli 1998. Das Raumfahrzeug verblieb zunächst system die volle Energie-Erzeugung wiederherzustellen. in einem hochelliptischen Erdorbit. Vorgesehen war Dies wäre die Voraussetzung gewesen um in den Mars- es, dass Nozomi unter Ausnutzung der Erdschwerkraft Orbit einschwenken zu können. Der Strommangel hatte durch ein so genanntes Swingby-Manöver auf eine unter anderem dazu geführt, dass der Treibstoff der Fluchtbahn zum Mars gelangen, und im Oktober 1999 in Sonde gefroren war. eine Umlaufbahn um den Roten Planeten einschwenken sollte. Von Anfang an wurde die kleine Sonde aber von Hätte Nozomi sein Ziel erreicht, dann wären seine Missgeschicken heimgesucht. Hauptaufgaben gewesen, das Magnetfeld des Planeten zu studieren, die Zusammensetzung der oberen Atmos- Die Swingby-Methode war zuvor für eine Marssonde phäre des Mars zu ermitteln sowie ihre Interaktionen noch nie verwendet worden. Die Japaner entschlos- der Atmosphäre mit dem Sonnenwind unter die Lupe sen sich zu diesem Vorgehen, um Treibstoff und damit zu nehmen. Gewicht zu sparen. Die Raumsonde befand sich zu- nächst auf einem extrem hochelliptischen Orbit und Ein besonderes Augenmerk hätte der fotografischen näherte sich im Dezember 1998 der Erde um durch Untersuchung der beiden Marsmonde Phobos und die Beschleunigung mittels der Anziehungskraft unseres Deimos gegolten. Jetzt wird Nozomi den Mars mit Heimatplaneten und durch ein zusätzliches Antriebsma- hoher Geschwindigkeit in einer Entfernung von 1000 növer genügend Geschwindigkeit aufzunehmen, um den Kilometern passieren, und im heliozentrischen Orbit Mars erreichen zu können. verbleiben. Trotz des Fehlschlags der Mission sind die 2003 spacexpress chronik 73 Das Raumfahrtjahr 2003

japanischen Projektwissenschaftler der Meinung, viele dem Weg zum Roten Planeten sind, und dort in einigen Lektionen für die Durchführung künftiger Planetenmis- Tagen oder Wochen eintreffen. Alle drei Sonden sind sionen gelernt zu haben. auf einer Direkt-Anflugbahn und können nicht in eine Umlaufbahn um den Mars einschwenken, wo sie dann Es verbleiben jetzt drei Lander und ein weiterer Orbiter möglicherweise das Abklingen des Sturmes abwarten die im Laufe der nächsten Wochen am Mars eintreffen könnten. Wenn eine Landesonde in einen Staubsturm sollen. Zunächst soll die europäische Raumsonde Mars gerät, könnte dies die Kommunikation mit dem Raum- Express und Beagle 2, die im Juni gestartet worden wa- fahrzeug gefährden. Außerdem würden innerhalb ren, in der Weihnachtsnacht den Mars erreichen. kürzester Zeit die Solargeneratoren verstauben und Die beiden NASA-Rover Spirit und Opportunity wer- unbrauchbar werden. den am 4. und am 25. Januar auf dem Mars landen. Beagle 2, die Europäische Landesonde, trifft am 25. Japan musste in den letzten Monaten mehrere Rück- Dezember um 3:15 morgens auf dem Mars ein, die schläge in der Raumfahrt hinnehmen. Zunächst fiel im amerikanische Sonde Spirit am 3. Januar und der zweite Oktober nach nur neunmonatiger Dienstzeit ein 587 amerikanische Lander, Opportunity, am 24. Januar. Millionen Dollar teurer Erdbeobachtungssatellit aus, im Staubstürme haben schon einige frühere Missionen Monat darauf musste eine H-2A Rakete mit zwei Satelli- beeinträchtigt oder zum Scheitern gebracht. Im Jahre ten an Bord kurz nach dem Start gesprengt werden, weil 1969 kamen fast gleichzeitig die Sonden Mariner 9, Mars sich einer der Feststoffbooster nach Beendigung seiner 1 und Mars 2 am Roten Planeten an. Die beiden sow- Brennphase nicht von der Rakete gelöst hatte. jetischen Mars-Sonden waren Lander, die in den damals herrschenden Staubsturm gerieten und nur wenige Se- kunden lang Daten übertrugen, bevor sie ausgeschaltet wurden. Mariner 9, als Orbitsonde konzipiert, konnte dagegen das Ende des Sturms abwarten und übertrug danach 7.329 Bilder aus der Umlaufbahn. Gestern hat Mars Observer eine Kurskorrektur vor- genommen um Beagle 2 gegen Freitagmittag auf einer präzisen Anflugbahn zum Mars abzusetzen. Damit ist sichergestellt, dass der Lander innerhalb einer Ellipse von 200 Kilometern Breite und 50 Kilometern Länge im vorgesehenen Landegebiet niedergeht. Mars Express wird etwa 24 Stunden nach der Freigabe von Beagle 2 den Kollisionskurs verlassen, und sich für den so genannten „Orbit Insertion Burn“ am 24./25. Eine nicht ganz genaue künstlerische Darstellung der Tren- Dezember positionieren, der die Raumsonde dann in nung von Beagle 2 und Mars Express. In Wirklichkeit wird die Trennung mehrere 100.000 Kilometer von Mars entfernt einen Orbit um Mars bringen soll. stattfinden, und nicht unmittelbar über der Oberfläche. 17. Dezember Space Ship One durchbricht Schallmauer – danach Bruchlandung 16. Dezember Absolute Dramatik zum 100. Jahrestag des ersten Staubstürme auf dem Mars Motorfluges durch die Gebrüder Wright und ein be- gefährden Beagle, Spirit und Opportunity deutender Meilenstein auf dem Weg zum Erringen Die Astronomen beobachten momentan mit einiger des X-Prices für die Gebrüder Rutan und ihre Firma Sorge die Entwicklung einer Reihe lokaler Staubstürme Scaled Composites. „SpaceShip One“, das Wettbe- in der nördlichen Hemisphäre des Mars. Die Stürme werbs-Vehikel Rutan‘s flog am 17. Dezember erstmals kombinieren sich offensichtlich zu einem großen re- mit Überschallgeschwindigkeit und erreichte Mach 1.2 gionalen Staubsturm und die Erfahrungen der letzten unter dem nur kurz dauernden aber vollen Schub ihres Jahrzehnte haben gezeigt, dass daraus sehr schnell ein Raketenmotors. wochenlang andauernder globaler Sandsturm entstehen kann. Ein solcher globaler Sturm wäre mit einiger Sicher- Dieser Testflug – der achte insgesamt im Programm – heit tödlich für die drei Landesonden, die derzeit auf war der erste Flug überhaupt mit Raketenantrieb. Bei

74 spacexpress chronik 2003 den anderen Einsätzen hat- gewichtslos. Binnie konnte damit schon die Flugcharak- te es sich um Gleitflüge ge- teristiken simulieren, die das Fahrzeug bei seinen spä- handelt, bei denen zunächst teren ballistischen Raumflügen erfahren wird, wenn die die Flugeigenschaften von Phasen der Schwerelosigkeit über drei Minuten dauern SpaceShipOne erprobt werden. wurden. Es war dies übri- Nach einem einminütigen freien Fall im so genannten gens das erste Mal in der „feathered Status“, bei dem die Flügel des Space- Geschichte der Luftfahrt, ShipOne hochgeklappt sind, rekonfigurierte Binnie das dass ein privat finanziertes Fahrzeug wieder in die konventionelle Form zurück Luftfahrzeug die Schallmau- und kehrte in einem 12-minütigen Gleitflug zurück zum er durchbrach. Mojave-Flughafen. Die „White Knight“, das Bei der Landung kam es aber zu einem dramatischen Trägerflugzeug des Space- SpaceShipOne durchbricht Zwischenfall, als das linke Fahrwerk kollabierte und das ShipOne, geflogen von Test die Schallmauer. Vehikel von der Landebahn abkam, nach links in die Pilot brachte Böschung rutschte und dabei eine große Staubwolke das kleine Raumfahrzeug auf 15.000 Meter Höhe über aufwirbelte. Glücklicherweise überschlug sich Space- der Mojave-Wüste von Kalifornien. Um 8:15 Pazifik-Zeit ShipOne aber nicht und blieb unverletzt. drückte Cory Bird, der Flugingenieur des „White Knight“ auf den „Release-Knopf“ der SpaceShipOne freigab. Wie Burt Rutan kurz darauf bekannt gab, blieb auch SpaceShipOne mit Ausnahme von Beschädigungen am Testpilot Brian Binnie brachte das Vehikel dann zunächst Fahrwerk und Kratzern am Rumpf weitgehend unver- in einen stabilen Fluglage mit einer Geschwindigkeit von sehrt. Die Testflüge können in zwei bis vier Wochen Mach 0,55. Danach zog er die Maschine steil hoch und wieder aufgenommen werden. feuerte den Hybrid-Raketenmotor. Aus Anlass dieses historischen Fluges wurde auch die Die Beobachter am Boden konnten die fulminante Identität des geheimnisvollen Sponsors enthüllt, der das Beschleunigung des kleinen Vehikels beobachten. Nach ganze Unternehmen finanziert. Es ist niemand anders dem Hochziehmanöver war die Geschwindigkeit fast auf als der Mitbegründer der Firma Microsoft, der Milliardär Null gefallen, aber nur neun Sekunden nach der Zün- . dung des Raketentriebwerks durchbrach SpaceShipOne die Schallmauer und stieg weiter mit über 60 Grad in 18. Dezember den Himmel. Die Vorwärtsbeschleunigung betrug weit Atlas fliegt für die US-Navy über 3g. Einhundert Jahre, 10 Stunden und 55 Minuten nach Bei Stilllegung des Motors, 15 Sekunden nach der Zün- dem historischen Flug der Gebrüder Wright kam es am dung betrug die Geschwindigkeit etwa 1.500 Stunden- 17. Dezember zu einem weiteren Raumfahrtereignis, kilometer. Binnie stieg danach antriebslos auf eine Höhe wenngleich dieses Mal – anders als bei Brian Binnies von etwa 22.500 Metern, bevor er den Scheitelpunkt historischem „zivilen“ Raketenflug nur Stunden vorher der Parabel erreichte. – eindeutig mehr dem „Raumfahrtalltag“ des beginnen- den 21. Jahrhunderts zugewandt. Am Gipfel der Bahnkurve war SpaceShip One nahezu Um 3:30 Uhr morgens mitteleuropäischer Zeit am 18. Dezember (21:30 Uhr amerikanischer Ostküstenzeit) brachte eine Lockheed Martin Atlas 3B den „Ultra- High- Frequency (UHF) Follow-On F11“ Nachrichten- satelliten der US-Navy in den Orbit. Das Raumfahrzeug wurde von der Trägerrakete in einem elliptischen Übergangsorbit mit einem bahn- höchsten Punkt von 36.000 Kilometern und einem niedrigsten Bahnpunkt von 300 Kilometern abgeliefert. Die Inklination betrug 27 Grad, was einem fast genau östlichen Einschuss des Satelliten von Cape Canaveral aus entspricht.

Der Landezwischenfall. 2003 spacexpress chronik 75 Das Raumfahrtjahr 2003

Die Raumfahrtmission am Mittwoch – im Wert von 193 darauf übermittelte Mars Express auch ein Foto welches Millionen Dollar für Rakete und Satelliten – markierte die Trennung der beiden Flugkörper zeigte. den 68. erfolgreichen Flug einer Atlas in ununterbroche- Die Trennung erfolgte durch die Zündung eines Spreng- ner Reihenfolge seit dem Jahre 1993. bolzens, der den Haltestift löste, die elektrischen Ver- Der Satellitenbus ist ein für die Belange der Navy stark bindungskabel durchtrennte, und gleichzeitig einen Fe- modifiziertes Boeing 601 Modell, das sich in den nächs- dermechanismus aktivierte. Dieser Federmechanismus ten Tagen selbst in die endgültige Bahn über dem Äqua- bewirkte, dass die kleine Sonde sanft von Mars Express tor bringen wird. Die Parkposition wird bei 172 Grad weggestoßen und gleichzeitig in Drehung versetzt wur- östlicher Länge liegen. UHF 11 ist der 11. und letzte de, um dadurch eine Drall-Stabilisierung zu erfahren. Satellit dieser Serie. Der erste Satellit dieser Reihe war Anfang der Woche hatten die Flugkontroller in Darm- im Jahr 1993 gestartet worden. Neun Einheiten davon stadt Mars Express für dieses Freigabemanöver exakt sind derzeit noch in Betrieb. Ab dem Jahre 2009 wer- ausgerichtet. Beagle hat kein eigenes Lageregelungssys- den die Hochfrequenz-Satelliten der Navy durch eine tem und wird in den nächsten Tagen dem Mars auf einer völlig neue Konstellation einer neuen Generation von Freiflugbahn entgegen fallen. Wäre das Absetzmanöver Satelliten ersetzt. nicht äußerst präzise verlaufen, dann hätte die Gefahr Die Besonderheit der UHF-Satelliten ist ihr Arbeitsmo- bestanden, dass die Sonde am Mars vorbeifliegt. dus im Ultrahochfrequenz-Band. In diesem Sendeband Damit musste sich Mars Express logischerweise auf können Einsatzsoldaten auch tief im Dschungel, bei den gleichen „Kollisionskurs“ begeben, auf dem auch extremen Wetterbedingungen oder in den Straßen- Beagle 2 abgesetzt wird. Aus diesem Kollisionskurs schluchten der Großstädte einwandfrei erreicht wer- sollte sich Mars Express spätestens am Samstag wieder den. befreien, will sie nicht in Gefahr geraten, auf dem Mars Dieser Atlas-Flug ist insofern interessant, als es das zu zerschellen. erste Mal ist, dass eine amerikanische Militärnutzlast mit Beagles Landegebiet liegt im „Isidis Planitia“, einem Bas- einem russischen Triebwerk in den Orbit gebracht wur- sin in der Nähe des Marsäquators. de. Die vorangegangenen sechs Flüge der Atlas 3 und 5 Familie, die beide das russische RD-180 Triebwerk Die Landung soll am Weihnachtmorgen um 3:54 mit- benutzen, trugen kommerzielle Nutzlasten. teleuropäischer Zeit erfolgen. Die amerikanische Raum- sonde Mars Odyssey wird Beagle um 6:15 mitteleuropä- Bei der nächsten Atlas-Mission, geplant für den 5. Feb- ischer Zeit überfliegen. Dies wäre die erste Möglichkeit ruar, wird eine Atlas 2AS den kommerziellen Nachrich- der Kontaktaufnahme nach der Landung und die erste tensatelliten AMC 10 in den Orbit bringen. Möglichkeit für Beagle 2 Daten zu übermitteln. 19. Dezember 21. Dezember Mars Express gibt Beagle 2 frei GPS Konstellation erweitert Sechs Tage vor der Ankunft von Beagle 2 und Mars Um 9:05 mitteleuropäischer Zeit (2:50 Ortszeit) hob Express am Roten Planeten gab die Muttersonde heute am heutigen Sonntag eine Delta 2 mit dem GPS-Satelli- den kleinen britischen Beagle 2-Lander frei. ten 2R-10 von der Startrampe 17A der Cape Canaveral Während Mars Express in den frühen Morgenstunden Air Force Station ab. Die dreistufige Trägerrakete setzte des 25. Dezember in eine Umlaufbahn um Mars ein- den Satelliten in einem Orbit mit einem bahnhöchsten schwenken soll, wird zur buchstäblich selben Minute Punkt (Apogäum) von 20.300 Kilometern und einem Beagle 2 auf der Marsoberfläche niedergehen. niedrigsten Bahnpunkt (Perigäum) von 185 Kilometern ab. Die Bahnneigung betrug 39 Grad zum Äquator. Die physische Trennung zwischen den beiden Raum- fahrzeugen, die seit dem Start am 2. Juni miteinander Der Satellit wird in einigen Tagen seine Umlaufbahn in verbunden waren, erfolgte exakt nach Plan um 9:31 22.000 Kilometern Höhe zirkularisieren und die Inklina- mitteleuropäischer Zeit. tion auf 55 Grad erhöhen. Zunächst war keine Telemetrie verfügbar um über den Das 45 Millionen Dollar teure Raumfahrzeug wird die Erfolg oder Misserfolg des Trennmanövers Auskunft Slot-Position 2 der Bahnebene E des GPS-Netzwerks zu geben. Es dauerte zweieinhalb Stunden bis Daten einnehmen. Dienstbeginn für die neue Einheit wird nach von Mars Express hereinkamen, die bestätigten, dass den üblichen In-Orbit-Checks etwa Mitte Januar sein. die Trennung auch tatsächlich stattgefunden hat. Kurz Der neue Satellit ersetzt GPS 2A-10, der am 26. No- 76 spacexpress chronik 2003 vember 1990 gestartet Die erste Gelegenheit zur Kontaktaufnahme mit dem worden war. Der alte Lander wäre dann über die amerikanische Raumsonde Satellit ist weiterhin voll Mars Odyssey möglich gewesen, welche die geplante funktionsfähig und wird Landezone von Beagle 2 gegen 6:30 Uhr überflog. Die- auf der Konstellations- se Gelegenheit kam und ging, ohne dass ein Signal von ebene E als Reserve- Beagle aufgefangen worden wäre. satellit Dienst tun.Das Auch das nächste Kommunikationsfenster, diesmal über amerikanische GPS- die 76 Meter Tiefraum-Überwachungsantenne von Jo- Start des GPS-Satelliten 2A-10. System verfügt über 24 drell Banks verstrich, ohne dass ein Signal die Antenne aktive Satelliten in sechs erreichte. verschiedenen orbitalen Bahnneigungen, also jeweils vier Einheiten pro Ebene. Bei normaler Sollstärke ist auf Es verbleiben jetzt noch eine ganze Reihe von Möglich- jeder Bahnebene zumindest ein Satellit als Reserveein- keiten zur Kontaktaufnahme. Zum einen über die US- heit vorgesehen. Diese Rate ist momentan nicht ganz Raumsonde Mars Odyssey und die Antenne von Jodrell erreicht, denn die Gesamtkonstellation verfügt derzeit Bank, zum anderen aber auch über Mars Express selbst, nur über 28 statt 30 aktiver Satelliten. der etwa ab dem 4. Januar in eine günstige Position zur Kontaktaufnahme mit dem kleinen Lander kommt. Der Start am Sonntag war der 10. von insgesamt 21 Starts in der von Lockheed Martin gebauten GPS 2R- Eines ist in jedem Fall sicher: Beagle 2 ist gelandet. Ob Serie, deren Aufgabe es ist, nach und nach die Satelliten der Landeverlauf auch tatsächlich erfolgreich war, oder der ersten Generation zu ersetzen. Im Jahre 2004 sind ob nach erfolgreicher Landung möglicherweise Hinder- vier weitere Starts mit Satelliten dieses Typs geplant. nisse auf dem Boden eine geregelte Funkübertragung verhindern, ist eine andere Sache. Das „Targeting“ durch 26. Dezember „Mars Express“ am 19. Dezember, als der Lander abge- Mars Express in Umlaufbahn setzt wurde, war jedoch hochpräzise. um Mars aber kein Kontakt mit Beagle 2 Mars Express selbst funktioniert dagegen brilliant. Mit Die weltumspannende Gemeinde der Planeten-Wissen- der Orbitsonde besteht auch ständiger Funkkontakt. schaftler war in den Morgenstunden des ersten Weih- Die Raumsonde ist derzeit noch in einer hochellipti- nachtsfeiertages hin und her gerissen zwischen Freude schen Umlaufbahn um Mars mit einem bahnhöchsten und Enttäuschung. Der britische Mars-Lander Beagle 2 Punkt von 180.000 Kilometern über dem Planeten. verschwand spurlos auf dem Mars, während die Mutter- sonde Mars Express erfolgreich in eine Umlaufbahn um Am 30. Dezember wird diese lange Ellipse verringert. den Roten Planeten einschwenkte. Nach diesem weiteren Brennmanöver des 400 Newton Haupttriebwerkes soll der Orbit nur noch einen bahn- Die berechnete Landezeit für Beagle 2 war um 3:54 höchsten Punkt von 10.000 Kilometern aufweisen, und mitteleuropäischer Zeit am 25. Dezember gewesen. einen niedrigsten Bahnpunkt von 300 Kilometern. Die Zur selben Minute lief bereits das Brennmanöver von Inklination zum Marsäquator soll dann 86 Grad betra- „Mars Express“ für das Einschwenken in den Orbit um gen, also fast polar sein. den Roten Planeten. Die Aktivierung der wissenschaftlichen Nutzlast von Das fast 400 Millionen Euro teure Duo war am 2. Juni Mars Express wird nach den abschließenden Bahn- dieses Jahres an der Spitze einer Sojus-Fregat Träger- rakete von Kasachstan aus aufgebrochen. Die beiden Raumfahrzeuge führten danach ihre 400 Millionen Kilo- meter lange Reise gemeinsam durch, bevor am 19. De- zember die Bolzen und Verbindungsleitungen gekappt wurden und sich die beiden Einheiten getrennt auf den Rest der Reise machten. Nach der Landung im Isidis Planitia Tiefland in der Nähe des Mars-Äquators sollte Beagle die Luft aus seinen schützenden Airbags ablassen und die muschelförmigen Solargeneratoren ausklappen. Dabei wären gleichzeitig künstlerische Darstellung der Landung von Beagle 2, auch die wissenschaftlichen Instrumente und die Kom- wie sie hätte erfolgen sollen. munikationsanlage aktiviert worden. 2003 spacexpress chronik 77 Das Raumfahrtjahr 2003

korrekturen erfolgen. Die schwierigkeiten mit anderen Ariane-Nutzlasten musste volle Einsatzbereitschaft der der Start jedoch relativ kurzfristig von Starsem abgewi- Raumsonde dürfte dann ckelt werden. Es ist genau diese Flexibilität, warum sich etwa ab Anfang Februar er- Arianespace finanziell an Starsem beteiligt hat. reicht sein. Das 1.370 Kilogramm schwere Raumfahrzeug hat 11 aktive Ku-Band Transponder an Bord und drei passive 27. Dezember Reserveeinheiten. Die erwartete Lebensdauer des Sa- Sojus bringt israelischen telliten beträgt 12 Jahre. Nachrichtensatelliten in den Orbit Insgesamt war der Start am Samstag der 1.684 Flug ei- Eine russische Sojus-Fregat ner Sojus und der 10. Sojus-Flug in diesem Jahr. Trägerrakete brachte am Samstag einen israelischen 28. Dezember Nachrichtensatelliten erfolg- Express AM-22 gestartet reich in den Orbit. Aufgabe Die erste Einheit einer neuen Reihe russischer Kom- des Satelliten wird die Über- munikationssatelliten, Express AM-22, startete Sonntag tragung von TV-Sendungen nacht erfolgreich an Bord einer Proton Rakete. Der AMOS 2 bei Bodentests. und Internet-Daten zwischen Lift-Off erfolgte exakt um Mitternacht mitteleuropäi- den Vereinigten Staaten und scher Zeit vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur Israel sein. Die Sojus startete in Kasachstan. auf die Sekunde pünktlich um 22:30 mitteleuropäischer Zeit vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan. Neun Minuten nach dem Lift-Off hatte die Sojus eine niedrige Erdumlaufbahn erreicht. Im Laufe der nachfolgenden sechseinhalb Stunden führte die Fre- gat-Oberstufe zwei weitere Brennmanöver durch, um einen hochelliptischen Geostationären Transferorbit zu erreichen. 6 Stunden und 47 Minuten nach dem Start wurde AMOS 2 auf der vorgesehenen Bahn freigegeben. Der Start am Samstag war der insgesamt 12. Start, den Proton beim Start. eine Sojus für das Starsem Konsortium durchführt. Das Raumfahrzeug wird nach Indienststellung von der Dieses Russisch-Europäische Joint-Venture war im Jahre „Russischen Satelliten Kommunikationsgesellschaft 1996 gegründet worden mit dem Ziel die Sojus-Rakete (RSCC)“ betrieben werden. Der neue Satellit wird auf international zu vermarkten. Einer der größten Anteils- 53 Grad östlicher Länge befinden. eigner an Starsem ist die europäische Trägerraketenfir- ma Arianespace. Es war dies außerdem die ersten Star- Express AM-22 ist der erste von fünf Satelliten der sem-Mission, die in einen geostationären Transferorbit Express AM Serie die bis zum Jahre 2005 im den Orbit führte. Frühere Nutzlasten waren beispielsweise die gebracht werden. Diese neuen Satelliten sind wesentlich Globalstar-Satelliten, die vier europäischen Cluster-For- leistungsfähiger und haben eine längere Lebensdauer als schungssatelliten und zuletzt Mars Express. die alten Modelle der russischen Express-Serie. AMOS 2 wurde in Israel bei der Space Divsion von ‚Is- Nach Abschluss der üblichen „Commissioning-Phase“, in rael Industries‘ gebaut. Das Antriebssystem für der das Raumfahrzeug ausführlich getestet wird, beginnt den Satelliten kam von der EADS Space Transportation Express AM-22 mit der Übertragung digitaler Fernseh- in Ottobrunn und Lampoldshausen in Deutschland. Der programme, mit Videokonferenz-Diensten, Datenüber- Satellit wird auf 4 Grad West stationiert werden. Dort mittlung und Internet-Betrieb. befindet sich schon AMOS 1, der im Jahre 1996 mit einer Der Satellit wurde gemeinsam von der russischen Firma Ariane 4 Rakete in den Orbit befördert worden ist. NPO PM and der französischen Alcatel Space gebaut. AMOS 2 sollte eigentlich von einer europäischen Ariane Er trägt 24 Ku-band Transponder, zwei feste Antennen, 5 Rakete gestartet werden. Aufgrund von Planungs- zwei bewegliche Spotbeam-Antennen und ist für eine

78 spacexpress chronik 2003 Schematische Darstellung der Umlaufbahnen der beiden Express AM-22 vor dem Start. Double-Star Missionen.

Lebensdauer von 12 Jahren ausgelegt. Die Kommuni- Akademie der Wissenschaften und acht europäischen kationsnutzlast wurde von Alcatel Space produziert wissenschaftlichen Einrichtungen gebaut. Die euro- und im Werk in Cannes integriert und getestet. päische Raumfahrtbehörde hat einen finanziellen Danach wurde sie nach Shelesnogorsk in Si- Beitrag von acht Millionen Euro zu dem Vor- biren geliefert, wo sie in die Satellitenstruk- haben geleistet. Double Star ist in der Zwi- tur eingebaut wurde. Der nächste Start schenzeit nicht mehr das einzige euro- eines Express-Satelliten ist im Frühling päisch-chinesische Vorhaben. Erst am vorgesehen. Die heutige Mission 30. Oktober entschloss sich Chi- war die fünfte und letzte des na beim Vorhaben des Galileo Jahres 2003 für die schwere Navigationssatellitenprojektes russische Proton Rakete. Drei mitzumachen, und wird eine fi- dieser Starts haben allein im ver- nanzielle und technische Beteiligung gangenen Monat statt gefunden. im Wert von 200 Millionen Euros an dem insgesamt 3.3 Milliarden umfassenden 30. Dezember Vorhaben leisten. Der heutige Start war der Chinesisch-Europäische insgesamt 75. erfolgreiche chinesische Satelliten- „Double-Star“-Mission beginnt start seit 1970 und der 33. in ununterbrochener Die erste Chinesisch-Europäische Raumfahrtmission, Reihenfolge seit 1996. ein Satellit mit der Aufgabe das Magnetfeld der Erde zu studieren, wurde am Dienstag erfolgreich von der Ein Beitrag von Eugen Reichl. Xichuang Basis in der südchinesischen Provinz Sichuan Der Autor arbeitet bei der EADS Space Transpor- gestartet. Das Fahrzeug mit der Bezeichung „Explorer tation GmbH in München. Er ist seit acht Jahren 1“ wurde um 20:06 mitteleuropäischer Zeit (03:06 Uhr Vorstandsrat im Verein zur Förderung der Raumfahrt am Montagmorgen Ortszeit) mit einer Long March 2C/ e.V. und dort unter anderem für den Inhalt der re- SM Trägerrakete in einen hoch elliptischen äquatorialen gelmäßig erscheinenden Raumfahrtnachrichten der Orbit geschickt. Die Mission, die erste bei der europä- Spacexpress News zuständig. Eugen Reichl ist stän- ische Experimente in einem chinesischen Satelliten inte- diger Raumfahrt-Berichterstatter des Star Observer, griert wurden, ist eines von zwei Elementen in einem ge- schreibt in Fachpublikationen über Raumfahrt und meinsamen Chinesisch/Europäischen Vorhaben mit der hält Vorträge. Bezeichnung „Double Star“. Der zweite Satellit, der in einen polaren Orbit geschickt werden soll, wird in etwa sechs Monaten auf die Reise gehen. Das Unternehmen Hauptquellen für diese Meldungen: wurde im Jahre 1997 von chinesischen Wissenschaftlern ESA News, NASA News, SSC´s Space Diary, Space vorgeschlagen. Die „Double Star“ Satelliten werden ge- Chronicle, Space Today by Florida Today, CNN Space meinsam vom „Space Technology Institute“ der „China News, Spacer Online Space News und VFR-Quellen. Aerospace Technology Corporation“, der chinesischen 2003 spacexpress chronik 79 Das Raumfahrtjahr 2003

Orbitalstarts und Raumsonden 2003

No. Datum Satellit/Sonde Betreiber Hersteller Trägerfahrzeug Bemerkungen 1 06.01.03 Coriolis (P98-2) US Air Force Spectrum Astro Titan 2 Start von Vandenberg AFB 2 13.01.03 ICESAT & NASA Ball Aerospace/ Delta 2-7320 Start von Vandenberg CHIPSAT Space Dev. AFB 3 16.01.03 Shuttle Columbia NASA Rockwell Shuttle STS 107, Micro-g-Mission 4 25.01.03 SORCE NASA Orbital Sciences Pegasus XL Start von Vandenberg AFB 5 30.01.03 GPS 2R-8/XSS-10 US Air Force Lockheed Martin/ Delta 2-7925- Start von Cape Canaveral US Air Force 9.5 6 02.02.03 Progress M1-9 Rosaviakosmos RKK Sojus U ISS Nachschub Mission 7 15.02.03 Intelsat 907 Intelsat Space Systems Loral Ariane 44L Letzte Ariane 4 8 28.03.03 IGS 1A & IGS 1B JIDF Mitsubishi Electric H-2A Japanische Militärsatelliten 9 29.03.03 GPS 2R-9/ProSeds US Air Force/ Lockheed Martin/ Delta 2 Start von Cape Canaveral NASA NASA 10 02.04.03 Molnija 1T 26 TsSK-B Progress NPO Prikladnoy Molnija M Start von Plesetzk Mechaniki 11 08.04.03 Milstar 2-F 4 US Air Force Lockheed Martin Titan 4B Start von Cape Canaveral 12 09.04.03 Insat 3A/Galaxy 12 ISRO/Panamsat ISRO/Orbital Ariane 5G Start von Kourou Sciences 13 11.04.03 Asiasat 4 Asiasat (China) Boeing Space Atlas 3B Start von Cape Canaveral Systems 14 24.04.03 Kosmos 2397 Russisches Militär NPO Lavotchkin Proton K Start von Baikonur (VKS) 15 26.04.03 Sojus TMA-2 Rosaviakosmos RKK Energia Sojus U ISS Besatzungstransport 16 28.04.03 Galex NASA Orbital Sciences Pegasus XL Astronomie-Satellit 17 08.05.03 G-Sat 2 „Gramsat“ ISRO (Indien) ISRO (Indien) GSLV Start von Sriharikota 18 09.05.03 Muses C ISAS NEC M-5 Start von Kagoshima (Hayabusa) 19 13.05.03 Hellas Sat 2 Hellas Sat Astrium Atlas 5 Start von Cape Canaveral Consortium 20 24.05.03 Chinasat 3B China Aerospace Chinese Academy of Long March 3A Start von Xichang (Beidou 1C) Corporation Spaceflight 21 02.06.03 Mars Express/ Astrium/Open ESA Sojus Fregat Start von Baikonur Beagle 2 University of GB 22 04.06.03 Kosmos 2398 Russisches Militär NPO Prikladnoy Kosmos 3M Start von Plesetzk Mechaniki 23 07.06.03 AMC 9 SES Americom Alcatel Space Proton K/DM 3 Start von Baikonur 24 08.06.03 Progress M1-10 Rosaviakosmos RKK Energia Sojus U ISS Nachschub Mission 25 10.06.03 Thuraya 2 Thuraya Satellite Boeing Satellite Zenith 3SL Start von Odyssee Communic. Systems Plattform/Haw. 26 10.06.03 Mars Rover „Spirit“ NASA Lockheed Martin Delta 2H-7920 Start von Cape Canaveral 27 11.06.03 B-Sat/Optus Optus/BSSC Mitsubishi/OSC Ariane 5G Start von Kourou 28 19.06.03 Molnija 3-53 Russisches Militär NPO Prikladnoy Molnija M Start von Plesetzk (VKS) Mechaniki 29 26.06.03 Orbview 3 Orbimage Orbital Sciences Pegasus XL Air-Launch/Komm. Beob-Sat.

30 30.06.03 9 Kleinsatelliten Diverse Diverse Rockot Start von Plesetzk

80 spacexpress chronik 2003 militärisch Forschung kommerziell

No. Datum Satellit/Sonde Betreiber Hersteller Trägerfahrzeug Bemerkungen 31 18.07.03 Mars Rover „Op- NASA Lockheed Martin Delta 2H-7920 Start von Cape Canaveral portunity“ 32 18.07.03 Rainbow Cablevision Lockheed Martin Atlas 5 Start von Cape Canaveral 33 08.08.03 Echostar 9 Echostar Satellite/ Space Systems Loral Zenith 3SL Start von Odyssee Loral Plattform/Haw. 34 12.08.03 Kosmos 2399 Russisches Militär TsSKB Progress Sojus U Start von Baikonur (Yantar 2KS) (VKS) 35 13.08.03 SCISAT 1 Canadian Space Bristol Aerospace Pegasus XL Air-Launch/ Agency Komm. Beob-Sat. 36 19.08.03 Kosmos 2400 & Russisches Militär NPO Prikladnoy Kosmos 3M Start von Plesetzk 2401 (VKS) Mechaniki 37 25.08.03 SIRTF NASA Lockheed Martin Delta 2H-7920 Start von Cape Canaveral 38 28.08.03 Progress M1-11 Rosaviakosmos RKK Energia Sojus U ISS Nachschub Mission 39 29.08.03 DSCS-3-B6 US Air Force Lockheed Martin Delta 4 Start von Cape Canaveral 40 08.09.03 Mentor 3 (NRO L19) NRO Lockheed Martin Titan 4B Start von Cape Canaveral 41 27.09.03 Sechs Kleinsatel- Diverse Diverse Kosmos 3M Start von Plesetzk liten 42 27.09.03 e-Bird 1/Insat Eutelsat/ISRO/ESA Boeing/ISRO/SSC Ariane 5G Start von Kourou 3E/SMART 1 43 01.10.03 Galaxy 13 PanAmSat Boeing Zenith 3SL Start von Odyssee Plattform/Haw. 44 25.10.03 Shenzhou 5 China Great Wall Chinese Academy Long March 2F Bemannter Start Industry of Spaceflight von Jiuquan 45 17.10.03 IRS P6 Resurcesat ISRO (Indien) ISRO (Indien) PSLV Start von Sriharikota 46 18.10.03 Sojus TMA-3 Rosaviakosmos RKK Energia Sojus U ISS Besatzungstransport 47 18.10.03 DMSP US Air Force Lockheed Martin Titan 2 Start von Plesetzk 48 21.10.03 Zi Yuan 1B China Great Wall Chinese Academy CZ- 4B Start von Taiyuan (CBERS-2) Industry of Spaceflight 49 30.10.03 Servis 1 USEF Misubishi Electric Rockot Start von Plesetzk 50 03.11.03 Jian Bing 4 China Great Wall Chinese Academy of Long March 2D Start von Jiuquan Industry Spaceflight 51 14.11. 03 Zhongxing 20 China Great Wall Chinese Academy Long March 3A Start von Jiuquan Industry of Spaceflight 52 24.11. 03 Yamal 201 & 202 AO GasCom RKK Energia Proton K/DM 3 Start von Baikonur

53 02.12.03 Libra Main & NRO Lockheed Martin Atlas 2AS Start von Vandenberg Subsatellite AFB 54 11.12 . 03 Kosmos 2402 KNITS NPO Prikladnoy Proton Start von Baikonur - 2404 Mechaniki K/Breeze M 55 18.12.03 UHF F11 US Navy Boeing Atlas 3B Start von Cape Canaveral 56 21.12.03 GPS 2R-10 US Air Force Lockheed Martin/ Delta 2 Start von Cape Canaveral NASA 57 27.12.03 AMOS 2 Israel IAF/Astrium Sojus Fregat Start von Baikonur

58 28.12.03 Express AM 22 RSCC NPO Energia/ Proton K Start von Baikonur Alcatel Space 59 30.12.03 Explorer 1 China Great Wall / Chinese Academy Long March 2C Start von Xichang ESA of Spaceflight

Ein Beitrag von Eugen Reichl. 2003 spacexpress chronik 81 Vorschau auf 2004 Raumfahrt-Kalender 2004

Diese Auflistung beruht auf einer Internet- Mai – IRDT-3, Volna – Start Recherche und erhebt keinerlei Anspruch auf Mai – Superbird 6, Atlas 2AS – Start Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben. Sobald wir von neuen interessanten Veranstal- 11. Mai – MESSENGER (NASA Merkur Orbiter) tungen erfahren, berichten wir darüber aktuell Delta 2 – Start unter www.vfr.de. Wenn Sie selbst Veranstal- 17. Mai – DMSP-17, Delta 4 – Start tungsinfos beitragen können, schreiben Sie uns bitte eine eMail an [email protected]. 25. Mai – Progress M-50, Sojus U – Start (ISS 16P) Juni – Solar Terrestrial Relations Observatory – Start Raumfahrt-Ereignisse Juni – Lunar TrailBlazer, Dnepr – Start Januar – Stardust – Vorbeiflug am Zielkometen Wild-2 (Kommerzieller Mond-Orbiter) Januar – Deep Impact – Start Juni – Double Star 2, Long March 2C (China) – Start Februar – Progress M-49, Sojus U – Start (ISS 14P) Juni – ALOS 1, H-2A (Japan) – Start Februar – NFIRE, Minotaur – Start Juni – Cosmos Glonass M-3, Fregat – Start Februar – FSW-31, CZ-2D – Start Juni – Amazonas 1, Proton M/Breeze M – Start Februar – Sich 1-M, Tsyklon 3 – Start Juni – XTAR-EUR Ariane 5-ECA – Test-Start Februar – C/NOFS, Pegasus XL – Start Juni – Express AM-11, Proton K – Start März – Intelsat 10 F-2, Proton M – Start Juni – MightySat-II F-2/Space Tech 5, Minotaur – Start März – Telstar 8, Zenit 3SL – Start Juni – GPS 2RM-1, Delta 2 – Start März – Chuang Xing 1, CZ-4B (China) – Start Juni – NROL-22, Delta 4 Medium – Start März – TWINS-A, Pegasus XL – Start Juli – Estrela do Sul 1, Delta 4M – Start März – Cartosat 1, PSLV (India) – Start Juli – /Yamsat, Strela – Start März – Anik F-2, Ariane 5 – Start Juli – Insat 4-B, Ariane 5 – Start 25. März – Progress M1-12, Sojus FG – Start (ISS Juli – Spainsat, Ariane 5 – Start 15P) Juli – Tansuo KT-1 (China) – Start April – Dialog 1, Rockot-Breeze – Start Juli – GALS R16, Proton K – Start April – Feng Yun 2-3, CZ-3A (China) – Start 1. Juli – Cassini – April – AMC-12, Proton K – Start Einschwenken in eine Saturnumlaufbahn April – 4, F-1 Atlas 5 – Start 22. Juli – Progress M1, Sojus – Start (ISS 17P) 25. April – TMA-4, Sojus FG – Start (ISS 8S) 30. August – Lunar-A (Japanische Mondsonde) – Start 29. April – SWIFT, Delta 2 – Start September – M2A, Delta 4 – Start Mai – Spaceway 1, Zenit 3SL – Start September – NSS-8, Zenit 3SL – Start Mai – AMC -11, Atlas 2AS – Start September – Radarsat 2, Delta 2 – Start Mai – Luch 3, Proton K – Start September – Globalstar-9, Delta 2 – Start Mai – Delta 4 Heavy – Demo-Start September – XM-3, Zenit 3SL – Start Mai – AMC-13, Ariane 5 – Start September – Eros B-1, Start-1 – Start 82 spacexpress chronik 2003 September – Cosmos-Glonass M N4-6, Relevante Veranstaltungen & Ausstellungen Proton K – Start 12. Februar – 16:00 Uhr, September – Inmarsat 4 F-2, Atlas 5 – Start „40 Jahre Luft- und Raumfahrtforschung in Oberpfaffenhofen“ – Dr. Franz Schlude, ehem. September – NROL-23 (MLV-15), Atlas 3B – Start Leiter des Zentrums DLR/Oberpfaffenhofen – TU 12. September – STS-114 „RTF“, München, Garching, Boltzmannstr. 15, Hoersaal Space Shuttle Atlantis – Start (ISS) MW1250 – www.lrt.mw.tum.de/lehrbetrieb/seminar/ 15. September – NOAA-N, Delta 2 – Start 16. bis 20. Februar – „5th Integral Workshop: 27. September – Automated Transfer Vehicle The Integral Universe“ – München (ATV-1), Ariane 5 – Start (ISS) 28. Februar bis 6. März – „Symposium: September – Genesis – Rückkehr der Materialprobe The Future of Life and the Future of Oktober – Mars Global Surveyor – Missionsende Our Civilization“ – Thessaloniki, Griechenland Oktober – TMA-5, Sojus FG Start (ISS 9S) 12. März bis 29. August – Oktober – Cryosat, Rockot-KM – Start Einstein-Ausstellung Ulm – ist mit seinen Oktober – XSS -11, Minotaur – Start Forschungen auch für die Raum- Oktober – Agrani 2, Ariane 5 – Start fahrt eine wichtige Persönlichkeit. Die aufwendig gestaltete kulturhi- Oktober – NRO B-30, Titan 4B – Start Ausstellungslogo. storische Schau schildert auf drei Oktober – Vietnam DMC/Thai-Paht 2/China DMC, Stockwerken und 1000qm die Cosmos 3M – Start wechselvolle Lebensgeschichte des Genies und Welt- bürgers. Sie eröffnet außerdem anschaulich, konkret Oktober – ETS VIII, H-2A (Japan) – Start und verständlich Einblicke in sein physikalisches Denken Oktober – Cosmos Angara 1-1 – Start (Jungfernflug) und zeigt anhand ausgewählter Ausstellungsstücke besonders interessante Aspekte des Einstein-Mythos – Oktober – ICO A-2, Atlas 2AS – Start www.einstein.ulm.de/ November – Helios 2A/Essaim 1-4, Ariane 5 – Start November – Cosmos/Rus, Sojus 2 – Test-Start November – Yamal 203/204, Proton K – Start November – IP-Star 1, Ariane 5 – Start November – DSP-23, Delta 4 Heavy – Start 27. November – Cassini – Landung der Sonde Huygens auf Titan Dt. Filmmuseum Frankfurt a.M. „Mein Gott – Es ist voller Sterne!“ –

ESA Filmfoto aus „2001-Odysse im Wetall.

31. März bis 11. Juli – „Stanley Kubrick“ – Eine Ausstellung des Deutschen Filmmuseums und des Deutschen Architektur Museums – Erstmals können Besucher Primärmaterialien aus dem Nachlass des Regisseurs besichtigen: ikonografische Objekte aus allen Filmen, Kostüme, Tricktechnik, Kameraequipment sowie umfangreiche Arbeits- und Rechercheunterlagen zu seinen Projekten. – Frankfurt am Main – www.stanleykubrick.de Huygens trennt sich von Cassini – künstlerische Darstellung.

2003 spacexpress chronik 83 Vorschau auf 2004

30. März bis 2. April – „Meeting on Magnetosphe- 19. bis 21. Mai – re, Ionosphere and Solar-Terrestrial, UK Solar „ESO Workshop: Planetarische Nebel Physics 2004“ – Edinburgh, Schottland jenseits der Milchstraße“ – Garching bei München 30. März bis 2. April – 13. bis 19. Juni – „21. Internationale Konferenz über „5th Internatinal Conference on Space Optics Neutrino-Physik und Astrophysik“ – Paris, Frankreich (ICSO 2004)“, – Toulouse, Frankreich 14. bis 18. Juni 2004 – 30. März bis 1. April – „Aerospace Testing Expo“ – „16. IFAC Konferenz über automatische Hamburg – www.aerospacetesting-expo.com Kontrolle im Weltraum“ – St. Petersburg, Russland

13. bis 17.April – „Internationale Konferenz: 14. bis 19. Juni – „3. Internationale Konferenz TITAN – von der Entdeckung zur Begegnung“ – über die Grenzen der Wissenschaft: Physik Noordwijk, Niederlande und Astrophysik im All“ – Rom & Frascati, Italien 20. April bis 25. Mai – 21. bis 25. Juni – „MPA/ESO/MPE/USM gemein- „DLR - ASTROSEMINAR 2004“ , Köln-Porz schaftliche Astronomie-Konferenz: Wach- sende Schwarze Löcher: Zunahme in einem 20. bis 23. April – „35th Annual Meeting of the kosmologischen Kontext“ – Garching bei München American Astronomical Society – Division on Dynamical Astronomy“ – Cannes, Frankreich 23. bis 25. Juni – „4th Int.Workshop on Planning and Scheduling for Space (IWPSS)“ – Darmstadt 10. bis 16. Mai – „ILA‘2004, Internationale Luft- & Raumfahrtausstellung“ – Berlin – www.ila-berlin.de – 23. bis 25. Juni – „Sechster europäischer Besuchen Sie den VFR e.V. auf der ILA! Workshop über Tief-Temperatur-Elektronik, WOLTE- 6“ – Noordwijk, Niederlande

5. bis 9. Juli – „13. Cambridge Workshop über kalte Sterne, Stellare Systeme und die Sonne“ – Hamburg

19. bis 25. Juli – „Farnborough International 2004 Air Show“ – www.farnborough.com 11. bis 19. September – „20. Tage der Raumfahrt in Neubrandenburg“ – Der Neubrandenburger Tag der Raumfahrt wird 2004 zum Jubiläum von einer einwöchigen Ausstel- lung, beginnend am 11. September und endend am 19. September, begleitet. Die traditionelle Konferenz findet am 11. und 12. September statt. Unter dem Thema „Raritäten der Raumfahrt – Seltenes, Kurioses und Ungewöhnliches“ wird es im nächsten Herbst ein ausgefallenes Tagungs-Programm mit Festcharakter geben. Veranstalter ist die Initiative 2000 Plus, die auch die VFR-Vereinszeitschrift „Raumfahrt Concret“ herausgibt. 20. bis 23. September – „Deutscher Luft- und Raumfahrtkongress“, DGLR – Dresden – www.dglr.de

11. bis 15. Oktober 2004 – „18th international symposium on spaceflight dynamics“ – München

84 spacexpress chronik 2003 3. März – 35. Jahrestag (1969), – Start 5. März – 25. Jahrestag (1979), Voyager 1 – Jupiter-Vorbeiflug 14. März – Albert Einsteins 125. Geburtstag (1879)–

Rappich Systembau siehe „Veranstaltungen“ 8. April – 40. Jahrestag (1964), Gemini 1 – Start (Unbemannt) 18. Mai – 30. Jahrestag (1969), – Start 29. Mai – 30. Jahrestag (1974), Luna 22 – Start (Sowjetischer Mond Orbiter) 24. Juni – 30. Jahrestag (1974), Salyut 3 – Was wohl in dieser Mondkugel zu sehen ist? Start (Sowjetische Raumstation) 2003 bis 2005 – „Abenteuer Weltraum 3D“ – 4. Juli – 950. Jahrestag(1054) Krebsnebel – Supernova Aufwändige Raumfahrt-Wanderausstellung, die in verschiedenen Einkaufszentren als Attraktion gastiert. 9. Juli – 25. Jahrestag (1979), Voyager 2 – Jupiter-Vorbeiflug 8. bis 24. Januar – Hessen-Center Frankfurt/M. 12. bis 28. Februar – Sachsen-Allee Chemnitz 11. Juli – 25. Jahrestag (1979), Skylab – Wiedereintritt in die Erdatmosphäre 15. April bis 1. Mai – Rhein-Neckar Zentrum Viernheim 6. bis 22. Mai – Oder-Center Schwedt

27. Mai bis 12. Juni – Elbe-Einkaufszentrum Hamburg NASA 17. Juni bis 3. Juli – Löhr-Center Koblenz 5. bis 28. August – Potsdamer-Platz Arkaden Berlin 2. bis 18. September – Saarpark-Center Neunkirchen 23. September bis 8. Oktober – Thüringen-Park Erfurt 14. bis 30. Oktober – Stern-Center Lüdenscheid Jupiters „großer roter Fleck“ – gesehen von Voyager I.

16. Juli – 35. Jahrestag (1969), – Raumfahrt-Jahrestage Start (Ziel:1. bemannte Mondlandung) 2. Januar – 45. Jahrestag (1959), Luna 1 – 20. Juli – 35. Jahrestag (1969), Landung „Eagle“– Start (1. Mond „Vorbeiflug“) 1. Mann auf dem Mond (Apollo 11) 5. Januar – 35. Jahrestag (1969), 5 – 28. Juli – 40. Jahrestag (1964), Ranger 7 – Start (Sowjetische Venus Sonde) Start (Ziel: Aufschlag auf dem Mond) 10 Januar – 35. Jahrestag (1969), Venera 6 – 8. August – 35. Jahrestag (1969), Zond 7 – Start (Sowjetische Venus Sonde) Start (Sowjetische Mondmission) 25. Januar – 10. Jahrestag (1994), Clementine – 12. September – 45. Jahrestag (1959), Luna 2 – Start (USA Mond Orbiter) Start (Sowjetische Mondaufschlagsmission) 1. Februar – 1. Jahrestag (2003), 4. Oktober – 45. Jahrestag (1959), Luna 3 – Space Shuttle Columbia – Unfall Start (Mond-Vorbeiflug) 1. Februar – 5. Jahrestag (1999), Galileo – 12. Oktober – 40. Jahrestag (1964), Voskhod 1 – Start Europa-Vorbeiflug 1. November – 10. Jahrestag (1994), Wind – Start 5. Februar – 30. Jahrestag (1974), – Venus-Vorbeiflug Ein Beitrag von 9. Februar – 5. Jahrestag (1999), STARDUST – Start Albert Gruber und Stefan Schiessl.

2003 spacexpress chronik 85 Vorschau auf 2004

Astronomische Höhepunkte im Jahr 2004

Mondfinsternisse im Mai und Oktober mit dem Eintritt unseres Trabanten in den Kernschatten der Erde. Die totale Verfinsterung des Mondes hält von Der Mond, das hellste Gestirn nach der Sonne, hat die 21.52 Uhr – 23.08 Uhr an. Danach bewegt sich der Tra- Menschen schon seit Jahrtausenden in seinen Bann gezo- bant wieder aus dem Kernschatten heraus. Um 0.12 Uhr gen. Können doch auf seiner Oberfläche schon mit dem ist die visuelle Beobachtung der Verdunkelung, um 01.10 bloßem Auge markante Gebilde wie Krater und dunkle Uhr die Mondfinsternis mit dem Austritt des Mondes Flächen, die sogenannten Mare, erkannt werden. Fernglä- aus dem Halbschatten ganz beendet. ser und Teleskope ermöglichen dem Erdbeobachter einen visuellen Mondspaziergang, der bei jedem Optikschwenk Der Finsternisverlauf am 28. Oktober ist dagegen zu neue Einblicke offenbart. Letztendlich die Raumsonden „unsittlicher Zeit“ mitten in der Nacht. Eintritt des Mon- und Mondlandungen entlocktem dem Erdtrabanten die des in den Halbschatten (unbeobachtbar) ist um 02.06 letzten Geheimnisse. Uhr. Eintritt in den Kernschatten (beobachtbar) um 03.14 Uhr. Totale Verfinsterung von 04.23 Uhr – 05.45

Uhr. Austritt aus dem Kernschatten ist auf 06.54 Uhr Wenn die Wolken nicht die Sicht verhüllen terminiert und der Austritt aus dem Halbschatten und Am Abend des 04. Mai und am Morgen des 28. Oktober damit das Ende der Mondfinsternis ist 08.03 Uhr 2004 werden diese Geheimnisse für einige Zeit wieder

in Dunkelheit gehüllt. Es findet jeweils eine totale Mond- Fotografie finsternis statt, deren Verlauf von Mitteleuropa aus beobachtet werden kann. Wer die Mondfinsternis nicht nur visuell, sondern auch fotografisch festhalten möchte, sollte zu längeren Brennweiten greifen. Faustregel ist: 1 Meter Brennweite bildet auf dem Negativ oder Dia den Mond etwa 1cm ab. Doch ist das nur sinnvoll, wenn der Fotograf eine Möglichkeit zur Nachführung der Kamera besitzt. Der

Wolfgang Meirich Grund liegt darin, dass der dunkle Mond während der totalen Verfinsterungsphase, je nach Filmempfindlich- Totoale Mondfinsternis vom 9.1.2001. keit, ca. 15 Sekunden belichtet werden muss. Wer diese Möglichkeiten hat, dem winkt als Lohn ein wunderbar Entstehung einer Mondfinsternis rot gefärbtes Mondfinsternisbild. Mondfinsternisse entstehen, wenn Vollmond ist und die Erde sich zwischen Sonne und Mond schiebt. Unsere Venus wandert nach 122 Jahren Erde wird, wie alle anderen Himmelskörper in unse- wieder vor der Sonnenscheibe entlang. rem Sonnensystem auch, vom Zentralkörper Sonne In den Vormittagsstunden des 8. Juni 2004 findet auf der angestrahlt und wirft dabei zur anderen Seite einen Himmelsbühne ein äußerst seltenes Himmelsereignis Schatten. Beim Durchgang des Mondes durch diesen statt: In seiner unteren Konjunktion wandert der Planet Erdschatten verschwindet dieser aber nicht vollständig Venus so genau zwischen Erde und Sonne durch, dass von der Himmelsbühne, sondern erscheint während er über die Sonnenscheibe zieht. Kein heute lebender der Totalität meist in rötlicher Färbung am Himmel. Ist Mensch hat jemals einen Venustransit gesehen. unsere Erdatmosphäre stark mit Staub belastet, wie das 1991 nach dem Ausbruch des Vulkans Pinatubo der Fall war, sind Mondfinsternisse sehr dunkel beobachtbar.

Finsternisverlauf (Alle Zeiten in MESZ) Der Finsternisverlauf am 04. Mai ist zu angenehmer Abendstunde. Die Finsternis beginnt um 19.51 Uhr mit Wolfgang Meirich dem Eintritt des Mondes in den Halbschatten der Erde. Dies ist allerdings auf der Erde nicht erkennbar. Sichtbar wird die Verdunkelung des Mondes erst ab 20.48 Uhr Vergleich:bar Merkur-Transit & Sonnenfleck am 7. 5. 2003. 86 spacexpress chronik 2003 Historie gert, muss auch hier vor das Objektiv ein Sonnenfilter montiert werden. Man kann den gleichen Filtertyp wie Venus, auch Morgen- oder Abendstern genannt, der bei der Beobachtung verwenden. Um die Belichtungs- zweite Planet nach der Sonne, gibt auch nach der Er- zeiten aber kurz zu halten, sollte hier möglichst auf eine findung des Fernrohres keinen Blick auf die wolkenver- fotografische Sonnenfilterfolie mit der Dichte ND 3,8 hangene Oberfläche frei. Erst den Raumsonden gelang zurückgegriffen werden. Auch diese gibt es im Fach- es, die bis dahin verborgenen Oberflächendetails unter handel. Um das Venusscheibchen nach der Aufnahme der aus Kohlendioxyd und Wasserdampf bestehenden auch auf dem Foto zu sehen, ist eine Brennweite von Atmosphäre zu erkunden. Die letzten Venustransite, 600mm-1000mm auf dem Fotostativ montiert sinnvoll. so nennt man das Vorüberziehen des Planeten Venus Mit Fernglas, Kamera und Sonnenfilter ausgerüstet vor der Sonnenscheibe, datieren auf den 09.12.1874 kann eigentlich nichts mehr schief laufen, es sei denn, und 06.12.1882 zurück. Der erste schriftlich überlieferte das Wetter am Transittag macht einen Strich durch die Venusdurchgang wurde u.a. von dem Engländer Jerimias Rechnung. Horrocks am 04.12.1639 beobachtet. .

Beobachtungstipp Beobachtung Wer wettermäßig auf Nummer sicher gehen will, unter Im Gegensatz zum Merkurdurchgang im Jahre 2003, www.astronomy-travel.com wird eine Venusbeobach- kann ein Venustransit ohne jegliche optische Instrumen- tungsflugreise nach Muscat im Oman angeboten. An te schon mit dem bloßem Auge beobachtet werden. diesem klimatisch begünstigtem Ort steht die Venus Wer ein Fernglas sein eigen nennt, sollte dieses, der zur Transitmitte hoch am Himmel. Der Flieger startet Bequemlichkeit wegen, auf ein Fotostativ montieren am 07. Juni, die Rückkehr ist am 08. Juni. Genauere Infos und vor beide Objektive spezielle Sonnenfilter der erhalten sie unter oben genannter URL. Dichte ND 5 befestigen. Wer dieses unterlässt riskiert in Sekundenbruchteilen sein Augenlicht. Komet im Anflug Achtung: Niemals mit dem ungeschütztem Auge in die Sonne schauen. Zum Schutz der Nach langer Pause lassen Kometenbahnberechnungen Augen müssen spezielle Qualitäts- Sonnenfilter vermuten, das Anfang Mai wieder ein Komet freisichtig am aus dem Fachhandel verwendet werden. Himmel zu sehen sein wird. Freisichtig heißt, ohne jegliche optische Mittel, nur mit dem bloßem Auge zu beobachten.

Da es bei Kometen innerhalb kurzer Zeit zu Änderungen Beobachtungsverlauf (Alle Zeiten in MESZ) kommen kann, möchte ich an dieser Stelle auf www.vds- Der Venusdurchgang beginnt um 07.19 Uhr mit dem astro.de und www.astronomie.at hinweisen. 1. Kontakt (Venus berührt den äußeren Sonnenrand). Um 07.39 Uhr ist die Venus mit ihrer gesamten Fläche vor die Sonnenscheibe getreten, man spricht vom 2. Kontakt. Die Mitte der Finsternis wird um 10.11 Uhr erreicht. Der 3. Kontakt, das Venusscheibchen berührt den inneren Sonnenrand auf der gegenüberliegenden Eintrittsseite, ist auf 13.03 Uhr terminiert. Das Ende des Transites, die Venus berührt wieder den äußeren Sonnenrand, findet um 13.23 Uhr statt. Teleskopbeo- bachter, die mit höherer Vergrößerung dieses Ereignis beobachten, haben kurz nach dem 2. und kurz vor dem 3. Kontakt die Möglichkeit das Phänomen des „schwar- Beeindruckendes Erlebnis: Komet Hale-Bopp 1997. zen Tropfens“ zu erleben. Ein Beitrag von Wolfgang Meirich. Fotografie Der Autor interessiert sich seit 1967 für Astro- nomie. Er leitet seit den 80er Jahren an der ört- Was für die Beobachtung mit bloßem Auge gilt, nicht lichen Volkshochschule Astronomiekurse. Seit ungeschützt in die Sonne zu schauen, gilt selbstver- 1993 Besitzer einer Privatsternwarte. Mehr unter ständlich auch bei der Fotografie. Da das Venusscheib- http://Astro-Stammtisch.Korn-Deele.de chen die Sonneneinstrahlung in keinster Weise verrin- 2003 spacexpress chronik 87 Schwerpunktthemen Columbia-Katastrophe

Columbias letzte Rückkehr Protokoll einer Katastrophep

Es ist Samstagmorgen, am 1. Februar 2003, 08:15:30 ostamerikanischer Zeit. Die Columbia fliegt mit dem Rücken nach unten und dem Heck voraus über dem Indischen Ozean als Commander Rick Husband und Pilot Willie McCool die beiden Triebwerke des „Orbital Maneuvering System“ für zweieinhalb Minuten feuern. Der Rücksturz zur Erde ist eingeleitet, es gibt kein Zurück mehr. Am 26. Januar hatten die Astronauten an Bord der Co-

lumbia eine kleine Gedenkfeier abgehalten. An diesem NASA Tag vor 17 Jahren war es zum schwersten Unfall in der In diesem Bild ist die Kamera rechts von Willie Mc amerikanischen Raumfahrtgeschichte gekommen, als Cool, dem Piloten positioniert. Es zeigt eine Szene die Raumfähre Challenger 73 Sekunden nach dem Start etwa gegen 8:46:50, also knapp 13 Minuten bevor die über Cape Canaveral explodiert war. Diese Zeremonie Columbia auseinanderbrach. Mc Cool blickt in die Lin- lag nun vier Tage zurück, und nach insgesamt 16 Tagen se. Links neben ihm, auf dem Sitz des Kommandanten im Weltraum war es an der Zeit für die Columbia und Rick Husband. Er sagt „Das ist wirklich faszinierend, ihre Crew, wieder heimzukommen. Die Zündung der es ist enorm hell da draußen“. Husband antwortet: Bremstriebwerke verringerte die Geschwindigkeit um „Ja, jetzt sollte man wirklich nicht vor der Tür sein“. 320 Kilometer pro Stunde. Nicht viel, aber doch genug, Kalpana Chawla, nicht im Bild, die in der Mitte und hin- um den niedrigsten Punkt des Orbits bis in die oberen ter Husband und Mc Cool saß, scherzt: „So wie wir’s Schichten der Atmosphäre abzusenken. Nach der Zün- vorhin waren, nicht wahr“. dung waren die Astronauten zunächst wieder schwere- los. Die Columbia fiel der Erdoberfläche in einem sehr flachen Winkel entgegen. Es dauerte noch einmal fast ei- der Nase des beträgt die Temperatur bis zu 2.000 Grad ne halbe Stunde und eine drittel Erdumkreisung bis der Celsius. Shuttle die obersten Ausläufer der Lufthülle erreichte. 08:52:05 – James Hartsfield: „Columbia nähert sich jetzt 08:44:09 – Mission Control Sprecher James Hartsfield nördlich von San Francisco der kalifornische Küstenlinie.“ meldet sich: „Hier ist Mission Control, Houston. Colum- 08:52:17 – Der Temperatursensor D in den Bremsen bia befindet sich 134 Kilometer über dem Pazifischen des linken Fahrwerks meldet steigende Temperaturen. Ozean, nördlich von Hawaii, und erreicht in diesem Mo- Der Sensor liegt rumpfseitig innen im linken Fahrwerks- ment die äußeren Ausläufer der Erdatmosphäre. Alles schacht. Dies ist der erste Hinweis darauf, dass in der läuft planmässig für eine Landung am Kennedy Space Columbia etwas nicht stimmt. Center um 9:16 ostamerikanischer Zeit.” 08:52:39 – Temperatursensor A in der linken Fahr- 08:50:03 – James Hartsfield: „Columbia befindet sich werksbremse zeigt einen steilen Temperaturanstieg. jetzt in einer Höhe von 80 Kilometern und beginnt mit Dieser Sensor liegt in der Mitte des Fahrwerksschach- dem ersten einer Serie von vier Rollmanövern. Der tes. Auch Sensor C meldet steigende Temperaturen. Shuttle nähert sich der amerikanischen Westküste.“ Dieser Sensor liegt etwa 30 Zentimeter vor dem Tem- Anmerkung: Bei diesen Rollmanövern (Fachbe- peratursensor D. griff „Roll reversals“) kippt der Shuttle entweder nach 08:52:59 – Je ein Temperatursensor an den linken Lan- rechts oder links um bis zu 70 Grad über dem Flügel deklappen und am Hydraulik-System 3 fallen aus. ab, und stellt sich damit schräg in die Flugrichtung, um Geschwindigkeit abzubauen. Zu diesem Zeitpunkt ist die 08 : 53 :11 – Der Temperatursensor für das Hydraulik- Columbia der maximalen Hitzebelastung ausgesetzt. An System 1 fällt aus. Der Sensor liegt vor der inneren der Unterseite des Shuttle, an den Flügelkanten und an Landeklappe. 88 spacexpress chronik 2003 08:53:30 – Mission Control Sprecher James Hartsfield: 08:56:20 – Die Temperatursensoren für die linke Flü- „Der Shuttle befindet sich jetzt in einer Höhe von 75 geloberseite und Unterseite fallen aus. Kilometern, die Geschwindigkeit beträgt 24.400 Stun- 08:56:46 – Mission Control Sprecher James Hartsfield: denkilometer.“ „Columbia‘s Kurs verläuft jetzt über Arizona nach New 08:53:31 – Ein weiterer Sensor im Hydraulik-System 1 Mexico. Sie wird in Kürze Albuquerque überqueren. fällt aus. Fünf Sekunden später fällt auch der erste Sen- Die Flughöhe beträgt derzeit 68 Kilometer, die Ge- sor im Hydraulik-System 2 aus. schwindigkeit beträgt 23.000 Kilometer pro Stunde und die Entfernung zur Runway am Kennedy Space Center Anmerkung: Beobachter in Sacramento, Kaliforni- beträgt noch 2.875 Kilometer.“ en, bemerken um diese Zeit, dass sich aus dem hell leuchtenden Meteor hoch über ihnen glühende Partikel 08:57:54 – Der Sensor am Ventil des Reservesystem herauslösen. der linken Bremse zeigt einen Temperaturanstieg von einem Grad alle vier Sekunden an. Die Drücke in den 08:54:00 – Jeff Kling, Mission Control Officer und linken Fahrwerksreifen steigen rapide. verantwortlich für die Kontrollsysteme an Bord des Orbiters ruft von seinem Kontrollpult zu Flug Direktor 08:58:03 – Die Ruderausschläge, um den Orbiter auf Leroy Cain hinüber: „Ich habe vier Temperatursensoren Kurs zu halten, verstärken sich. Die Widerstandswerte auf der linken Seite des Fahrzeugs verloren. Es betrifft am linken Flügel nehmen stetig zu. den Fahrwerksschacht und die Klappen.“ 08:58:32 – Beide Reifendrucksensoren des linken 08:54:13 – Auch Temperatursensor B in den Bremsen Fahrwerks fallen aus. Zwei Sekunden später fallen beide des linken Fahrwerks zeigt zunehmende Temperaturen. Reifentemperatursensoren ebenfalls aus. Weitere vier Der Sensor liegt in der Mitte des Fahrwerksschachtes. Sekunden später fallen auch die Reservesensoren für Die aerodynamischen Widerstandswerte am linken Reifendruck und Reifentemperatur aus. Flügel sind etwas erhöht. Der Bordcomputer setzt die 08:58:39 – Das Flugkontrollsystem löst eine Warnung Seitenruder ein, um den Orbiter wieder auszurichten. an die Besatzung aus mit dem Wortlaut: „Verlust der 08:54:20 – Flugdirektor Leroy Cain an Jeff Kling: „Gibt Reifendruck-Telemetrie.“ Dieser Wortlaut wird auf Rick es da eine Gemeinsamkeit… oder sowas? Ich meine, Sie Husbands Display angezeigt und auch nach Houston erzählen mir hier, dass sie alle gleichzeitig ausgefallen sind.“ gesendet. 08:54:22 – Der Temperatursensor in der linken 08:58:45 – Columbia, Commander Rick Husband: Rumpfseite der Columbia, oberhalb des Flügels zeigt „Und, oh, Houston...“ (Verbindung bricht ab) steigende Temperaturen an. Der Sensor befindet sich 08:58:47 – Mission Control Sprecher James Hartsfield auf der linken Rumpfseite. Alle vorherigen Ereignisse „...Geschwindigkeit 21.250 Kilometer pro Stunde. Ent- haben sich im linken Flügel abgespielt. Dies ist erstmals fernung zum Aufsetzpunkt 2.250 Kilometer. Der Shut- ein Indiz dafür, dass nun auch der Rumpf von den myste- tle ist derzeit nach links gerollt, mit einer Flügelneigung riösen Vorgängen betroffen ist. von 57 Grad zur Horizontalen.“ 08:54:27 – Der Temperatursensor an der linken Fahr- 08:58:55 – Mission Control Officier Mike Sarafin, werksstrebe zeigt einen Temperaturanstieg von einem zuständig für die Überwachung von Flugführung und Grad alle fünf Sekunden. Auch die Temperatur an der Navigation, ruft Leroy Cain zu: „Die Widerstandswerte Fahrwerksverriegelung und an den Bremsventilen steigt am linken Flügel steigen erheblich.” jetzt schnell. 08:59:00 – Flugdirektor Leroy Cain: „Gibt es sonst 08:54:30 – Kling: „Nein, nicht genau gleichzeitig. Sie sind noch was Ungewöhnliches?“ im Abstand von vier oder fünf Sekunden ausgefallen.“ 08:59:05 – Mike Sarafin: „Nein, nichts sonst“. 08:54:40 – Leroy Cain an Jeff Kling: „Ok, wo liegen die genau? Wo exakt sind diese Sensoren?“ 08:59:18 – Mission Control Officier Kling „Jetzt haben wir auch die Reifendrucksensoren außen und innen ver- 08:54:50 – Kling: „Alle vier liegen im hinteren Teil des lin- loren. An beiden Reifen.” ken Flügels, vor den Aktuatormotoren der Flügelklappen.“ Anmerkung: Astronaut Charles Hobaugh fungiert 08:55:35 – Der Temperatursensor am linken Rad des während der Landung der Columbia als so genannter linken Hauptfahrwerks fällt aus. „CapCom”. Er sitzt wie Cain, Sarafin, Kling und viele 08:56:15 – Die Columbia leitet planmäßig das Rollma- andere an einer Konsole im Missionskontrollzentrum in növer nach links ein. 2003 spacexpress chronik 89 Schwerpunktthemen Columbia-Katastrophe

Houston. Seine Aufgabe ist es, die Verbindung mit der ter funktionieren. Es zeigt aber auch, dass sich an Bord Besatzung aufrecht zu halten. des Orbiters keinerlei Hydraulikflüssigkeit mehr befin- det, und kein Druck mehr in den Leitungen besteht. Die 08:59:21 – Mission Control Spacecraft Communicator, linke Tragfläche ist zu diesem Zeitpunkt entweder schon Astronaut Charles Hobaugh: „Columbia, wir sehen hier zerstört, oder so beschädigt, dass die dreifach redun- die Telemetrie über den Reifendruck, aber wir haben danten Hydraulikleitungen gerissen sind. eure letzte Meldung nicht verstanden.“ 09:01:13 – Mission Control Sprecher James Hartsfield: 08:59:25 – Flugdirektor Leroy Cain (insistierend): „Die Kommunikation mit der Columbia ist zur Zeit „Besteht wirklich keine Gemeinsamkeit zwischen all unterbrochen. Noch 14 Minuten bis zur Landung am diesen Reifendruck-Informationen und den Ausfällen in Kennedy Space Center. Die Flug-Kontroller versuchen den Hydraulik-Sensoren?” derzeit, die Verbindung wieder herzustellen…” 08:59:30 – Kling: „Ah, nein Sir. Jetzt haben wir auch den 09:03:12 – Mission Control Spacecraft Communicator, Bugradsensor und den rechten Fahrwerkssensor verloren.” Astronaut Charles Hobaugh: „Columbia, Houston, 08:59:32 – Die Ruder können die Linksdrift alleine Kommunikations-Check.“ nicht mehr ausgleichen. Zwei Raketentriebwerke in der 09:03:39 – Astronaut Charles Hobaugh: „Columbia, Nase der Orbiter feuern zusätzlich, um den Orbiter auf Houston, Kommunikations-Check über UKW.“ Kurs zu halten. Die Ruder haben ihren maximalen Aus- schlagwinkel erreicht. 09:03:44 – Mission Control Sprecher James Hartsfield: „CAPCOM Charlie Hobaugh ruft derzeit die Columbia auf 08:59:32 – Columbia, Commander Rick Husband: „Roger, einer UKW-Frequenz, während sich das Raumfahrzeug dem ah, vorher…“ (die Verbindung bricht mitten im Wort ab). Bereich der Merrit Island Tracking Station in Florida nähert. Anmerkung: Dies ist die letzte Stimm-Übertragung Zwölf Minuten und dreissig Sekunden bis zur Landung, ent- von der Columbia. Es ist aber nicht ungewöhnlich in sprechend der Uhr im Missions Kontroll Zentrum“. dieser Flugphase, dass der Kontakt ab und zu für einige Anmerkung: Die Stimme des Kommentators beginnt Sekunden unterbrochen ist. Man muss sich vor Augen etwas unsicher zu werden. halten, dass der Orbiter in diesen Minuten durch einen Kanal hoch ionisierter Gase pflügt und das Fahrzeug 09:04:03 – MCC Mission Control Spacecraft Com- während der Rollmanöver überdies ständig seine Lage municator, Astronaut Charles Hobaugh: „Columbia, ändert. Gerade in diesen Sekunden ist die Funkantenne Houston, Kommunikations-Check über UKW.“ auch noch durch das Leitwerk des Shuttle abgeschattet. 09:04:40 – Astronaut Charles Hobaugh: „Columbia, 08:59:35 – Die Steuertriebwerke feuern jetzt fast Houston, Kommunikations-Check über UKW.“ ständig, um den Orbiter auf Kurs zu halten. 09:04:53 – Mission Control Sprecher James Hartsfield: Anmerkung: Die nächsten 25 Sekunden wird keine „Die Flugleitung versucht weiterhin, die Kommunikation Telemetrie mehr empfangen. Erst danach kommen wie- mit der Columbia wieder herzustellen, während sich der Daten für einige Sekunden. Die sind aber beschä- der Shuttle dem Empfangsbereich der Merritt Island digt, und werden in Houston nicht mehr auf den Bild- Tracking Station nähert. schirmen angezeigt. Im Mission Control-Zentrum bleibt 09:05:25 – MCC Mission Control Spacecraft Com- von nun an das Bild auf allen Schirmen auf dem jetzigen municator, Astronaut Charles Hobaugh: „Columbia, Stand eingefroren. An der großen Bildschirmwand an Houston, Kommunikations-Check über UKW.“ der Stirnseite des Kontrollzentrums steht der helle Punkt der Columbia unbeweglich südlich von Dallas. 09:05:48 – Mission Control Sprecher James Hartsfield: „Zehneinhalb Minuten bis zur geplanten Landung.“ 09:00:02 – 09:00:04 – Für einige Sekunden wird noch einmal Telemetrie empfangen. Die Daten sind Anmerkung: Die Stimme des Kommentators ist jetzt aber so beschädigt, dass sie nicht nach Houston geleitet deutlich zögernd und drückt erhebliche Verunsicherung werden, sondern in einem Buffer in einer Facility der aus. NASA in White Sands gespeichert werden. Ihre Re- 09:07:06 – MCC MCC Mission Control Spacecraft staurierung erfolgt erst Tage später. Sie zeigen, dass alle Communicator, Astronaut Charles Hobaugh: „Colum- Flugführungssysteme an Bord der Columbia zu diesem bia, Houston, Kommunikations-Check über UKW.“ Zeitpunkt noch arbeiten. Alle drei Gasturbinen laufen, der Rumpf ist intakt, alle Brennstoffzellen und Compu- 09:08:05 – Mission Control Sprecher James Harts-

90 spacexpress chronik 2003 NASA

Die letzten Sekunden über Texas – vom Verlust des Funksignals bis zum Auseinanderbrechen des Orbiters.

field: „Acht Minuten auf der Lande-Uhr für Columbia, Befürchtung ignorieren, dass die Besatzung der Colum- die Flugkontroller versuchen weiterhin, Verbindung mit bia verloren ist. Sie müssen alle Daten in ihren Compu- dem Raumschiff aufzunehmen.“ tern sichern, sie müssen ihre Berichte schreiben und ihre persönlichen Wahrnehmungen festhalten von dem was 09:10:05 – James Hartsfield: „Hier ist die Missionskon- sie sahen, hörten und dachten an diesem Morgen des 1. trolle in Houston. Mission Control versucht derzeit Da- Februar 2003. ten von der Columbia über die Merritt Island Tracking Station zu bekommen.“ Der Verlust der Raumfähre Columbia ereignete sich 17 Jahre und 4 Tage nach dem tragischen Unfall der Raum- Anmerkung: Die Merritt Island Tracking Station be- fähre Challenger. Die Columbia war das erste geflügelte, findet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kennedy wieder verwendbare Raumfahrzeug. Mit ihr wurde im Space Center in Florida. In der Missionskontrolle ist es April 1981 eine neue Ära der Raumfahrt eröffnet. Ihr 28. jetzt sehr still geworden. Die meisten Controller sind Einsatz, der 113. Flug eines Space Shuttle, war ihr letzter. aufgestanden. 09:12:32 – Mission Control Sprecher James Hartsfield: Ein Beitrag von Eugen Reichl. „Hier ist die Missionskontrolle in Houston. Kein Kontakt zur Columbia. Sie müsste jetzt über dem Cape sichtbar sein. Die letzte Verbindung bestand gegen 9:00 Uhr.“ Anmerkung: Die Pausen zwischen den Meldungen werden immer länger, während der die Befürchtung zur Gewissheit gerinnt. Dann sagt Leroy Cain den Satz, der im Shuttle-Programm bisher nur einmal gesprochen werden musste: 09:14: 00 – Flugdirektor Leroy Cain: „Schließt die Türen.‘‘ 1. Februar 2003, 9:04 ostamerikanischer Zeit. Anmerkung: Niemand darf jetzt mehr das Missions- Dieses Radarbild des Nationalen Wetterdienstes der Kontrollzentrum verlassen. Niemandem ist es jetzt USA zeigt die Trümmerwolke der Columbia, die sich gerade gestattet, zu telefonieren. In den nächsten Stunden südlich der Stadt Shrevport ausbreitet. Zu diesem Zeitpunkt hat noch keines der Trümmer den Boden erreicht. müssen die Flugkontroller die zur Sicherheit werdende 2003 spacexpress chronik 91 Schwerpunktthemen Internationale Raumstation ISS

Die Internationale Raumstation auf Sparflamme NASA

Die ISS in ihrer gegenwärtigen (2003 unveränderten Ausbaustufe).

Ausbaupläne Die Columbia-Katastrophe und ihre Auswirkungen Ursprünglich sollte das Jahr 2003 ganz im Zeichen des Aus- und Aufbaues der Kernstruktur der Internationalen Am 27. Januar unterhielt sich die sechste Stammbesatzung Raumstation (ISS) stehen. Im Verlauf von fünf Space Shuttle kurzzeitig mit einem Teil der Besatzung des Space Shuttle Missionen sollten mehr als 36 Tonnen an Versorgungsgü- Columbia, die sich seit dem 16. Januar im Rahmen der tern, Ausrüstungsgegenständen und Experimenten sowie Mission Space Transportation System (STS) 107 in der sechs neuen Elementen der Integrated Truss Structure Erdumlaufbahn befanden. Am 27. und 28. Januar jährten (ITS), dem gewaltigen strukturellen Rückgrates der ISS, sich der Brand in Apollo 1 (1967) beziehungsweise die in die Erdumlaufbahn transportiert werden, deren Länge Explosion des Space Shuttle Challenger (1986). Doch von vormals 41 Metern auf 95 Meter ausgeweitet werden tragischerweise blieb es in diesem Jahr nicht nur bei dem sollte. Die Kapazität der stromerzeugenden Systeme sollte Gedenken an vergangene Raumfahrtkatastrophen. Am sich während den kommenden zwölf Monaten nahezu 01. Februar brach die Columbia beim Wiedereintritt verdreifachen, was es in den kommenden Jahren ermög- aufgrund eines beschädigten Hitzeschildes auseinander, lichen sollte, die wissenschaftlichen Experimente an Bord nachdem beim Start ein Stück Isolierschaum, das sich der ISS auszudehnen wobei alle vorherigen Forschungs- vom External Tank (ET) gelöst hatte, auf die linke Trag- fähigkeiten in der Erdumlaufbahn bei weitem übertrof- flächenforderkante aufschlug und einen Bruch in den fen werden sollten. Am 15. Januar führten Kommandant dort befindlichen Hitzeschutzkacheln hinterließ. Die Bowersox und Bordingenieur Pettit ihre erste 411minü- siebenköpfige Besatzung kam ums Leben. Die Auswir- tige Extravehicular Activity (EVA) durch, die der Vor- und kungen dieser Katastrophe waren über das ganze Jahr Nachbereitung von Space Shuttle Missionen diente. Die hinweg zu spüren, da für die verbleibenden Space Shut- wissenschaftliche Forschung konzentrierte sich hauptsäch- tles Discovery, Atlantis und Endeavour ein Flugverbot lich auf das Experiment Foot/Ground Reaction Forces Du- erteilt wurde. Am 02. Februar erfolgte jedoch zunächst ring Spaceflight (FOOT), das zeigt, wie sich die Gelenke der Start des Versorgungsraumschiffes Progress M-47 in den verschiedenen Körperteilen bei fehlender Schwer- mit Ausrüstungsgegenständen, Versorgungsgütern und kraft bewegen und welche Veränderungen in ihren Kno- Treibstoffen vom Baikonur Kosmodrom in Kasachstan. chen und Muskeln während eines Raumfluges stattfinden. Folglich wurden auch die Planungen für den bemannten Betrieb geändert, die nun vorsahen, dass die siebte 92 spacexpress chronik 2003 Stammbesatzung an Bord von Sojus TMA-2 startet und die sechste Stammbesatzung an Bord von Sojus TMA-1

zurückkehrt. Die Partnernationen kamen währenddes- NASA sen zu der Übereinstimmung, dass die Herstellung von Progress Raumschiffen beschleunigt werden müsse um die dringend benötigten Versorgungsgüter und Ausrüs- tungsgegenstände zur ISS transportieren zu können. Denn ohne zusätzliche Progress Raumschiffe könnte die ISS nicht länger als bis zum Ende des Jahres betrieben werden. Stellvertretend für alle in diesem Jahr im Rah- men des Experimentes Amateur Radio On The Inter- nationale Space Station (ARISS) zustande gekommenen Funkkontakte sie an dieser Stelle der 11minütige Funk- „Selbstportrait“ des Astronauten Donald R. Pettit. kontakt von Pettit mit 16 Schülern und Schülerinnen aus Man beachte die Spiegelung der ISS in seinem Helm. den Klassenstufen 10 bis 13 des Hochwald Gymnasiums in Wadern im Saarland am 27. Februar erwähnt. Am 24. enischen Kommunikationssatelliten MegSat 0 zu manö- März wurde die Mikrogravity Science Glovebox (MSG), vrieren. Am 08. Juni startete vom Baikonur Kosmodrom die eine abgeschlossene Experimentierumgebung für in Kasachstan das Versorgungsraumschiff Progress M1- empfindliche Mikrogravitationsexperimente zur Verfü- 10 mit Ausrüstungsgegenständen, Versorgungsgütern gung stellt, darunter solche mit Flüssigkeiten, Dämpfen und Treibstoffen. Am 25. Juli wurde die achte Stamm- oder Flammen, nach einer Ausdauerüberprüfung wie- besatzung – Kommandant Foale und Bordingenieur der für den normalen Betrieb freigegeben. Kaleri – offiziell nominiert. Zusammen mit der achten Stammbesatzung würde die fünfte Besuchsbesatzung – Am 01. April wurde die siebte Stammbesatzung – Kom- Bordingenieur Duque – zur ISS starten, deren Rückkehr mandant Malentschenko und Bordingenieur Lu – offiziell mit der siebten Stammbesatzung erfolgen würde. Am nominiert. Ihre zweite 386minütige EVA führten Bo- 29. Juli konnte der 1.000. Tag gefeiert werden, den sich wersox und Pettit am 08. April durch, in deren Rahmen die ISS im bemannten Betrieb befand. Am 10. August sie unter anderem an der ITS arbeiteten. fand die erste Hochzeit in der Erdumlaufbahn statt, als Am 26. April startete die siebte Stammbesatzung an Malentschenko seine Braut vor Familienangehörigen und Bord von Sojus TMA-2 vom Baikonur Kosmodrom in Freunden heiratete, die sich im Johnson Space Center Kasachstan. Die Landung von Bowersox, Budarin und (JSC) in Houston versammelt hatten. Malentschenko Pettit an Bord von Sojus TMA-1 erfolgte am 04. Mai nahm per Videokonferenzschaltung an der Trauung teil, etwa 440 Kilometer südwestlich der vorgesehenen Lan- während der Lu als Trauzeuge diente und sogar den destelle in der Nähe von Arkalyk, womit für die sechste Hochzeitsmarsch auf einem Keyboard spielte. Stammbesatzung eine 161tägige Mission endete, die am Unterdessen zeichneten sich die ersten konkreten Plä- 24. November des vergangenen Jahres begann. Ursache ne zur Wiederaufnahme der Space Shuttle Missionen für diese Abweichung war ein ballistischer anstelle des ab, die nicht nur hinsichtlich der Versorgung mit allem vorgesehenen aerodynamischen Wiedereintritts, der Lebensnotwendigen sondern auch mit Ersatzteilen von irrtümlich vom Flugkontrollsystem aktiviert worden großer Bedeutung wären, da einige Ersatzteile zu groß war. sind um in Progress Raumschiffen verstaut werden zu Am 30. Mai wurden die Triebwerke von Progress M-47 können. Und selbst kleinere Ersatzteile können wertvol- gezündet, um die ISS aus der Erdumlaufbahn des itali- len Platz einnehmen, der zum Beispiel für Nahrungsmit- tel und Wasser benötigt würde. Gemäß ihren Planungen sah die National Aeronautics and Space Administration (NASA) einen Start der Atlantis zur Mission STS-114 bereits für den 11. März des kommenden Jahres vor. Jedoch legte am 26. August das Columbia Accident In- vestigation Board (CAIB) seinen Abschlussbericht vor, in dem fünf vorbereitende Empfehlungen enthalten waren, deren Durchführung eine Wiederaufnahme der Space

NASA Shuttle Missionen im ersten Quartal 2004 unrealistisch erscheinen ließ. Demnach soll die Atlantis nun am 12. Die Astronauten Bowersox unt Pettit bei einem „Weltraumspaziergang“ im April. 2003 spacexpress chronik 93 Schwerpunktthemen Internationale Raumstation ISS NASA

Hauptthema 2003: Die Versorgung der ISS. Hier Commander Bowersox beim Entladen von Versorgungsgütern von Progress 9.

September des kommenden Jahres starten, wobei ei- Die wissenschaftliche Forschung an Bord der ISS kon- nige Missionsziele der zusätzlichen Mission STS-121 zu- zentrierte sich schließlich auf das Experiment Renal gewiesen wurden, deren Start am 15. November des Stone Risk During Space Flight. Dazu nahmen Foale und kommenden Jahres erfolgen soll. Kaleri entweder Kaliumzitrat oder ein Placebo ein und zeichneten ihre Nahrungsmittel-, Wasser- und Medi-

kamenteneinnahme auf. Vorangegangene Experimente Endspurt zum fünften Jahrestag in der Erdumlaufbahn hatten ein gesteigertes Risiko Am 29. August startete das Versorgungsraumschiff Pro- bezüglich der Bildung von Nierensteinen während und gress M-48 mit Ausrüstungsgegenständen, Versorgungs- unmittelbar nach Raumflügen gezeigt. Am 20. Novem- gütern und Treibstoffen vom Baikonur Kosmodrom in ber konnte der fünfte Jahrestag des Aufbaubeginnes Kasachstan. Das Hauptaugenmerk der wissenschaftli- der ISS gefeiert werden. Am 21. November wurde die chen Forschung galt dem Experiment Pore Formation neunte Stammbesatzung – Kommandant McArthur und and Mobility Investigation (PFMI) in der MSG. Es Bordingenieur Tokarew – offiziell nominiert. Zusam- untersucht, wie sich Bläschen in einem geschmolzenen men mit der neunten Stammbesatzung wird die sech- durchsichtigen Material bilden und wie sie aufeinander ste Besuchsbesatzung – Bordingenieur Kuipers – zur ISS wirken. An Bord von Sojus TMA-3 starteten die achte starten. Am 08. Dezember überbot Foale die Raum- Stammbesatzung und die fünfte Besuchsbesatzung am flugerfahrung von Walz, die sich auf 230 Tage beläuft 18. Oktober vom Baikonur Kosmodrom in Kasachstan. und schrieb damit amerikanische Raumfahrtgeschichte. Duque führte das spanische Wissenschaftsprogramm Cervantes durch, das eine Reihe von physikwissen- Ausblick schaftlichen, geisteswissenschaftlich physiologischen, bi- ologischen und pädagogischen Experimenten umfasste. Im Jahr 2004 sollen bekanntlich die Space Shuttle Mis- Am 28. Oktober landete Sojus TMA-2 etwa 40 Kilome- sionen nach einer Unterbrechung von fast 20 Monaten ter südlich von Arkalyk, womit für Malentschenko und wieder aufgenommen werden. Die Missionen STS-114 Lu eine 185tägige Mission sowie für Duque eine 10tägige und STS-121 dienen vornehmlich dem Transport drin- Mission endete. gend benötigter Ausrüstungsgegenstände und Ver- 94 spacexpress chronik 2003 NASA Astronaut Pettit bei einem Experiment an der Microgravity Science Glovebox (MSG). sorgungsgüter zur ISS. Zudem soll am 27. September Raumfahrer.net das Automated Transfer Vehicle (ATV) 1 Jules Verne Raumfahrer.net ist ein Internetportal zur Raumfahrt und starten. Außerdem sind zunächst auch vier Starts von Astronomie. Es wird täglich mit den neuesten Nachrichten Progress Raumschiffen beziehungsweise zwei Starts von und wöchentlich mit frischen Artikeln aktualisiert. Neben Sojus Raumschiffen vorgesehen. Am 19. April soll So- zahlreichen Berichten zu allen Bereichen der Raumfahrt gibt jus TMA-4 mit der neunten Stammbesatzung und der es Sonderseiten zu wichtigen aktuellen Themen, wie z.B der sechsten Besuchsbesatzung, die das niederländische chinesischen Raumfahrt oder den MarsMissionen 2003. Wö- Wissenschaftsprogramm Dutch Expedition For Life Sci- chentlich veröffentlicht die Raumfahrer.net Redaktion das „In ence, Technology And Atmospheric Research (DELTA) Space“-Magazin – ein Raumfahrtmagazin, welches man unter durchführen wird, starten. Die achte Stammbesatzung www.Raumfahrer.net kostenlos abonniert kann und per EMail wird dann zusammen mit der sechsten Besuchsbesat- zugestellt bekommt. Dazu gibt es noch das Raumfahrt Radio zung am 29. April nach einer 194tägigen Mission zurück- „In Sound“, ein Internetradio, das man on demand jederzeit kehren. Schließlich soll am 09. Oktober Sojus TMA-5 anhören kann. Das Projekt Raumfahrer.net wird größtenteils starten und im Gegenzug die neunte Stammbesatzung von Schülern und Studenten ehrenamtlich betrieben – jeder ist am 19. Oktober nach einer 183tägigen Mission zurück- herzlich dazu eingeladen, mitzuwirken. kehren. Ob sich an Bord von Sojus TMA-5 zwei der drei Mitglieder oder die gesamte zehnte Stammbesatzung befinden werden, deren verbleibendes Mitglied dann mit STS-121 folgen würde, ist abhängig davon, wann die Space Shuttle Missionen wieder aufgenommen werden und den Transport von Ausrüstungsgegenständen und Versorgungsgütern in einem solchen Ausmaß gewähr- leisten können, dass die ISS wieder mit dreiköpfigen Stammbesatzungen betrieben werden kann.

Ein Beitrag von Michael Schumacher. Der Autor beschäftigt sich auf seinen Internetseiten nasa-statistik.de und rka-statistik.de mit Über- sichten bemannter Raumflüge und berichtet für Raumfahrer.net wöchentlich von den Geschehnissen an Bord der Internationalen Raumstation.

2003 spacexpress chronik 95 Schwerpunktthemen Internationale Raumstation ISS

Mikrogravitation auf der Raumstation – Historie und Zukunftsperspektiven – und Hochschule, sowie Regierung und NASA diskutiert . Aussichtsreiche An- DLR wendungen sah man damals bereits u.a. in folgenden Bereichen: • Züchtung großer störungsfreier Kristalle für die Halbleiterindustrie • Schwebeschmelzen von reaktiven Materialien • Nutzung der freien Oberflächenspan- nung zur Formgebung aus Schmelzen • Herstellung von Schaummaterialien mit homogener Porosität • Entwicklung chemischer Prozesstech- nologien, die durch die Schwerkraft negativ beeinflusst werden. Als wichtigste Voraussetzung zum Erfolg solcher Projekte wurde der kostengün- stige Zugang zum Weltraum gesehen, zur damaligen Zeit mit etwa 1000 $ pro kg berechnet. selbst schätzte eine Reduktion der Ko- sten durch den Einsatz von wiederver- Bild 1: Spacelab. wendbaren Shuttles um einen Faktor 10-15, also auf 60-100 $ als realistisch Im abgelaufenen Jahr 2003 hatte die deutsche Raumfahrt ein. Der Bau einer Raumstation war für die Jahre 1979- gleich mehrere Jubiläen zu feiern: vor 30 Jahren wurden 83 in der Planung. Aufgrund die geringen Umlaufzeiten in Europa die ersten Ideen zur Nutzung der Schwere- der Raumfähren (max. 1 Woche) waren bis zu 90 Flüge losigkeit diskutiert, vor 20 Jahren startete erstmals das zur Raumstation im Jahr vorgesehen. europäische Spacelab mit dem deutschen Astronaut Ulf Merbold, und vor 10 Jahren fand die Deutsche D-2 Mis- Die amerikanische Industrie war begeistert. Zwar sion statt (Bild 1). Diese Ereignisse dienten vorwiegend wusste zu jener Zeit kaum jemand, wie sich die Vor- zur Vorbereitung der zukünftigen Forschung auf der teile beim Wegfall des Auftriebs, der Konvektion und Raumstation. des hydrostatischen Drucks auf die Qualitätssteigerung von Materialien und die Verbessung von Produkti- Es ist weithin in Vergessenheit geraten, dass Überle- onstechnologien auswirken würden, aber die Aussicht gungen zur kommerziellen Nutzung der bemannten auf die Überwindung irdischer Grenzen brachte die Raumfahrt im Bereich des „Space Processing“ bereits einschlägigen Forscher in Euphorie. Um die Ergebnisse kurz vor der Mondlandung ernsthaft diskutiert wurden. bereits vor Fertigstellung der Raumstation so schnell als Bereits im November 1968 hatte Wernher von Braun zu möglich in der Hand zu haben, wurde ein zusätzliches einem internen Workshop im Marshall Space Flight Cen- Programm gestartet, mit der Möglichkeit in Falltürmen, ter der NASA eingeladen und um Vorschläge gebeten, Parabelflügen und unbemannten Raketen bereits erste wie eine zukünftige Raumstation als Nachfolgeprojekt Aufschlüsse über die zu erwartenden Vorteile, aber der Apollo-Missionen sinnvoll durch die Industrie ge- auch für die Entwicklung der Experimentiertechnolo- nutzt werden könne. Bereits ein Jahr später, am 21./22. gien zu gewinnen. Oktober 1969, wiederum unter der Leitung von Wern- her von Braun, wurden erste Konzepte in einem Folge- Erste Demonstrationsexperimente fanden 1973 und symposium mit mehr als 250 Teilnehmern aus Industrie 1974 im „Skylab“ statt, einer umgebauten Saturn-Trä- 96 spacexpress chronik 2003 2a gerstufe aus dem Apollo-Programm. Man kann das trem kurzen Vorbe- Skylab als erste Raumstation betrachten obwohl sie reitungszeit äußerst nur zeitweise von Astronauten besucht wurde. Die beliebt und brachten NASA Experimente bestätigten qualitativ die in den Studien den Großteil des bis vorausgesagten Effekte der Schwerelosigkeit auf Flüssig- heute erworbenen keiten, brachten aber auch bahnbrechende Erkenntnis- Kenntnis über den Ein- se, wie z.B. die Züchtung eines InSb-Halbleiter-Kristalls fluss der Schwerkraft (Bild 2a) mit deutlich verringerter Zahl von störenden auf Fluide, und deren Wachstumsstreifen (Striations) . Zum Teil konnten die- mögliche Nutzung zur se Ergebnisse in einer gemeinsamen Mission „Apollo- Verbessung irdischer Sojus“ der NASA mit der damaligen UDSSR im Jahre Prozesstechnologien. 1975 bestätigt und in Raketenexperimenten wiederholt Über 40 solcher Rake- werden (Bild 2b). tenflüge gab es bisher. Für die europäischen Raumfahrtagenturen ergab sich Die erste europä- die Möglichkeit, endlich auch in die bemannte Raum- isch-amer ikanische fahrt einzusteigen. Das Angebot an die NASA, ein Spacelab-Mission fand Labor für den Mitflug im Shuttle zur Durchführung von dann im Jahre 1983 Experimenten zu bauen und in gemeinsamen Space- statt, mit dem deut- lab-Missionen zu nutzen stieß bei den Amerikanern schen Astronauten 2b auf fruchtbaren Boden. Daraufhin ließ die damalige Ulf Merbold. Viele der deutsche „Gesellschaft für Weltraumforschung“, ein vorgeschlagenen und Vorläufer der Deutschen Agentur für Raumfahrtange- durchgeführten Expe- legenheiten (DARA) eine auf die europäischen Belange rimente befassten sich zugeschnittene Studie durch den deutschen Ableger auch mit dem Verhal- der Firma Battelle durchführen, die in etwa die gleichen ten des Menschen im Aussagen über die zu erwartenden Anwendungsvortei- Weltraum, um das ge- le der Schwerelosigkeit erbrachte. Die positive Reaktion wonnene Wissen und führte zur Einrichtung von Arbeitskreisen, unter Leitung die Entwicklung ge- von Experten aus der Industrie, in denen die Ideen im eigneter Technologien Detail ausgearbeitet wurden. für bemannte Lang- zeitmissionen (z.B. Auf europäischer Ebene wurden innerhalb der neu- zum Mars) nutzbar zu gegründeten ESA die ersten Symposien über Mate- machen. Dabei zeigte rialforschung im Weltraum 1974 und 1976 in Frascati sich, dass eine Reihe durchgeführt, in Deutschland wurden seit 1975 jährliche von Theorien über die Statusseminare mit den geförderten Forschern aus Wirkung der Schwer- Industrie und Hochschule abgehalten. Die Programme Bild 2: Kristallzüchtung im Weltraum. kraft, bzw. deren Eli- standen unter der Leitung von Dr. G. Seibert (ESA) a: InSb Kristall (Skylab). minierung, z.B. auf den und Prof. G. Greger (BMFT, jetzt BMBF), die sich beide b: Ge-Kristall (oben µ-g, unten 1-g). Gleichgewichtssinn um die Programme in hohem Maße verdient gemacht korrekturbedürftig sind. Überdies erwiesen sich die für haben. die Überwachung der Astronauten entwickelten Geräte Ende 1976 ergab sich für europäische Wissenschaftler auch auf für den irdischen Gebrauch als äußerst nützlich erstmals die Möglichkeit, auf breiter Ebene Vorschläge und konnten z.T. erfolgreich vermarktet werden. für Spacelab-Missionen einzureichen. Gleichzeitig wurde Die Spacelab-Missionen waren ein großer Erfolg. in Deutschland ebenfalls ein Vorbereitungsprogramm Deutschland hatte seine eigenen Missionen D1 und D2 (TEXUS) gestartet, bei dem automatisch ablaufende Ex- in den Jahren 1985 und 1993. Daneben gab es noch US- perimente unter Schwerelosigkeit mit einer Dauer von Missionen und internationale Spacelab-Flüge, die meist ca. sechs Minuten in unbemannten Höhenforschungsra- unter einer bestimmten Thematik stattfanden. Mehr keten durchgeführt werden konnten. Diese Raketenmis- und mehr wurden ausgewählte Bereiche der Lebens- sionen, später zweimal pro Jahr geflogen und durch Flüge wissenschaften zu einem weiteren Schwerpunkt der mit längerer Dauer (MAXUS) bis zu 15 Minuten ergänzt, Schwerelosigkeitsforschung. waren wegen der unkomplizierten Aufbaus und der ex-

2003 spacexpress chronik 97 Schwerpunktthemen Internationale Raumstation ISS

Auch die russische Mir-Station

wurde für fast ein Jahrzehnt von ESA westlichen Wissenschaftlern inten- siv mitgenutzt. Daneben standen unbemannte Rückkehrkapseln für weitere Langzeit-Missionen zur Verfügung. Sie brachten eine Reihe interessanter Ergebnisse mit dem Potential für eventuelle industrielle Anwendungen. Sie wurden kürzlich in einer Dokumentation der ESA zusammengefasst . Das Buch gibt eine umfassende Übersicht über die bisher erzielten Ergebnisse und einen guten Ausblick auf die zu- künftigen Forschungsmöglichkeiten. Highlights der gegenwärtigen For- schung sind u.a. die Ermittlung ther- mophysikalischer Daten metallischer Bild 3: Experiment Rack („Biolab“) für die ISS. Schmelzen über „Containerless Processing“, die Ermittlung des Einflusses der Schwer- Spacelab-Missionen, sowie der Ausfall von Geräten kraft auf grundlegende biologische Vorgänge und ihrer unter den ungewohnten Bedingungen im Shuttle/ Anwendung im Rahmen der „Nanobiotechnologie“ und Spacelab-System für eine wesentlich geringere Aus- die Untersuchung dreidimensionaler Plasmen als Mo- beute an Ergebnissen als ursprünglich erwartet. dell für Kristallisation und Ordnungsvorgänge in Natur Die ersten Vorbereitungen der Europäer zur Nutzung und Technik. Dagegen hat die Züchtung von perfekten der zukünftigen Raumstation hatten um 1984 begonnen. Proteinkristallen, einst als Zugpferd der Mikrogravitation Geplant war, im Jahre 1992 ein eigenes Forschungsmo- favorisiert, nach der erfolgreichen Gewinnung in Gelen dul an die amerikanische Station anzudocken, dieses deutlich an Bedeutung verloren. Modul erhielt in Anlehnung an den fünfhundertsten Obwohl zu Beginn der Forschung unter Weltraumbedin- Jahrestag der Entdeckung Amerikas den Namen „Co- gungen die Tendenz zur industriellen Nutzung deutlich lumbus“. In mehreren Workshops mit interessierten im Vordergrund stand, entwickelte sich die eigentliche Wissenschaftlern auf nationaler und europäischer Forschung relativ rasch in Richtung hochqualifizierter Ebene wurden die erwarteten Schwerpunkte der For- Wissenschaft mit anwendungsorientierter Perspektive. schung identifiziert und Pläne für die dazu notwendige Dafür waren mehrere unterschiedliche Gründe verant- Infrastruktur, sowohl für die Raumstation als auch in den wortlich: Bodenlabors, erarbeitet. • zum einen entwickelten sich die Kosten der bemannten Um die Raumstation nutzerfreundlich zu betreiben, Raumfahrt entgegen den Erwartungen deutlich nach wurde angestrebt, eine Ausrüstung bereit zu stellen, oben, was zu einem erhöhten Rechtfertigungsdruck, die der Forschung im Labor möglichst nahe kommt, insbesondere bei der Planung des Baus der Raumsta- d.h. mit Wissenschaftsastronauten und Versorgung mit tion führte und zu kritischen Stellungnahmen von füh- Energie, Vakuum, etc. Die Schnittstellen zu den Anlagen renden Wissenschaftlern gegenüber der bemannten sollten standardisiert werden, was den Betrieb nicht Raumfahrt führte; nur anwendungsspezifischer Experimentierschränken („Racks“, s. Bild 3) sondern auch eigenentwickelter • weiterhin brachten die erwarteten Ergebnisse der Ex- Versuchsaufbauten mit qualifizierter Experimentier- perimente unter Schwerelosigkeit z.T. nur marginale und Messtechnik nach dem letzten Stand der Technik Verbesserungen, verstärkt durch die Tendenz, durch erlauben würde. intelligente Versuchsaufbauten und numerische Simu- lation auch auf der Erde die Einflüsse der Schwerkraft Die Konzepte sahen vor, ein flexibles System von tech- zu minimieren; nischen Zentren auf der Erde zu errichten, die für die Planung und die Kontrolle der Experimente zuständig • schließlich sorgten die Verzögerungen in den Raum- sein sollten, während die Forscher zu Hause an Monito- fahrtprogrammen, die relativ geringe Anzahl von 98 spacexpress chronik 2003 ESA ren den Ablauf ihrer Experimente kontrollieren und per nen lediglich dem Aus- Fernbedienung die Parameter über das Internet ändern tausch der Besatzung, könnten. Die Vorstellungen gingen ursprünglich von ca. die wissenschaftliche 650 sogenannter „User Home Bases“ aus, die rund um Arbeit beschränkt sich die Uhr mit der Beobachtung der Experimente auf der im Wesentlichen auf die Raumstation beschäftigt gewesen wären. Das würde die medizinische Kontrolle Anwesenheit der Experimentatoren in Kontrollzentren, der Besatzung. wie bei den Spacelab-Missionen, nicht erforderlich ma- Nachdem die Industrie chen und für eine hohe Ausbeute an Experimentdaten nicht für die Forschung führen. Bild 4: Internationale Raumstation. auf die Raumstation Dieses Szenario erwies sich jedoch aus unterschiedli- zu bewegen war, hat chen Gründen als unrealistisch. Die erwarteten hohen die ESA seit einigen Jahren versucht, auch die Möglich- Kosten wurden durch die sinkenden Raumfahrt-Budgets keiten kommerzieller Nutzung der ISS, z.B. für Marke- nicht mehr gedeckt. Zudem stiegen die Sicherheitsan- ting und Werbung zu untersuchen. Dazu würde sich forderungen ständig an, was auch die Möglichkeiten der die publikumswirksame Mitwirkung von Astronauten Forschung weiter einschränkte. Trotz der anfänglich oder der Mitflug selbstzahlender Besucher anbieten. hohen Zahl von Interessenten nahm das Interesse der Fernsehshows, in denen als Hauptgewinn ein Flug zur Wissenschaftler ständig ab, da die Kosten für die Vor- Raumstation winkt, und Fernsehübertragungen bieten bereitung der Experimente durch die Agenturen nicht sich an. Allerdings hat die ESA direkte Produktwerbung mehr zu finanzieren waren. mit ihren Astronauten ausgeschlossen um das Image der ISS als Forschungsstätte mit hohem Niveau nicht zu ver- Deshalb wurden zunehmend Anstrengungen unter- wässern. Diese Einstellung mag sich ändern, sobald erst nommen, zumindest die auf der Erde anfallenden Kos- einmal das Columbus-Modul angedockt ist, jedoch ist ten für die Wissenschaftler aus anderen europäischen dieser Zeitpunkt wegen der unklaren Situation mit der und nationalen Forschungsetats beizusteuern. Auch die Wiederaufnahme der Shuttle Flüge unsicher. Industrie war angehalten, durch Eigeninvestitionen in an- gewandte Forschung zur Finanzierung beizutragen. Das Nach dem Shuttle-Unglück scheint das weitere Schick- anwendungsnahe Forschungsprogramm der Europäi- sal der ISS (Bild 4) und ihrer Nutzung ungewisser denn schen Kommission bot dazu den geeigneten Rahmen. je. Die Mehrheit der ursprünglichen Wissenschaftler ist bereits im Pensionsalter. Die positiv begutachteten Alle diese Versuche erwiesen sich jedoch als nicht Projekte zur Nutzung liegen auf Eis. Aufrufe für neue erfolgreich, insbesondere weil ein direkter Beitrag der Experimentvorschläge gibt es wegen der unklaren Situ- Forschung unter Schwerelosigkeit zur Lösung irdischer ation nicht. Die privaten Initiativen zur Promotion der Probleme und zur Entwicklung terrestrischer Techno- industriellen Nutzung sind zum großen Teil eingestellt logien nicht zu erkennen war. Auch waren z.B. gutge- worden. Die Japaner haben aus finanziellen Gründen meinte Ansätze, die Forschung unter Schwerelosigkeit ihr Forschungsmodul zurückgezogen. Die russischen als Schlüsseltechnologie in EU-geförderte Vorhaben ISS-Flüge sind von der Bezahlung durch die westlichen im Bereich der Material- und Energieforschung oder Agenturen abhängig. Nachdem in absehbarer Zeit nicht Biotechnologie einzubinden nicht erfolgreich, weil es mit der Aufnahme der Shuttle-Flüge zu rechnen ist, nicht gelang die notwendigen Mikrogravitationsexperi- scheint sich das Interesse der Agenturen mehr und mehr mente innerhalb der Laufzeit der Vorhaben (3-4 Jahre) auf unbemannte Flügen zum Mars oder zu Kometen zu unterzubringen. konzentrieren. Weitere Einschränkungen kamen in den letzten Jahren dazu. Da die NASA, zusammen mit den Russen die Oberhoheit über die inzwischen Internationale Raum- Ein Beitrag von Heinz Sprenger. station (ISS) besitzt, bleibt der Einfluss der Europäer ge- Der Autor war langjähriger wissenschaftlicher Mana- ring, wenn es um weitere Kürzungen geht. So wurde die ger bei der Firma Intospace, Hannover. Er war verant- ständige Besatzung der ISS von ursprünglich sieben auf wortlich für die private Nutzung des Weltraums für drei Astronauten herunter geschraubt, nach dem Ab- Forschung und Entwicklung, mit den Schwerpunkten sturz des Shuttles „Columbia“ im Februar 2003 ist auch Strategie, wissenschaftliches Marketing und die Vor- die Transportkapazität für den weiteren Ausbau der Sta- bereitung von Nutzungsprojekten mit industrieller tion stark reduziert. Die gelegentlichen Besuche durch Zielsetzung. russische Missionen (bezahlt durch NASA und ESA) die- 2003 spacexpress chronik 99 Schwerpunktthemen Mars

Fünf Raumsonden im Wettlauf zum Mars Zum Jahreswechsel 2003/04 fand eine wahre Invasion von irdischen Raumsonden auf dem Mars statt. Am Morgen des 25. Dezember 2003 trafen sowohl Mars JAXA Express als auch dessen Tochtersonde Beagle 2 am Mars ein. Während sich das Mutterschiff mittels einer 37-minütigen Raketenbremsung in eine elliptische Bahn um den Mars einschoss, trat die Landesonde Beagle 2 di- rekt in die Marsatmosphäre ein, wurde erst vier Minuten durch Hitzeschild und Bremsfallschirm und anschließend 100 Sekunden durch den Hauptfallschirm abgebremst. Schließlich landete die Sonde nach 100 m freiem Fall auf ihren Airbags. Nach erledigter Aufgabe sollten die Air- bags abgetrennt werden und die Sonde sich aufklappen. Nozomi nähert sich dem Mars – künstlerische Darstellung. Während allerdings Mars Express auf seiner Umlaufbahn mit dem Kontrollzentrum in Darmstadt gleich Funkkon- onen wichtig sein könnten. takt hatte, hörte man von Beagle 2 bis zum 31.12.2003 nichts. Diese Sonde sendet wie die beiden Mars-Rover Mars Express (Orbiter), Europa – Start: 2.6.2003 – der NASA, die im Januar 2004 ankamen, Töne aus, die Ankunft: 25.12.2003 – Radarsuche nach Wasser bis zu dadurch auf einfache Weise ein Lebenszeichen zur Erde einer Tiefe von 100 m mit MARSIS, Kartographierung funken. Bei Beagle ist das eine 9-Tonfolge, die Rover der gesamten Oberfläche in Farbe und 3D bei 20 m benutzen Einzeltöne, um über ihren Status während des Auflösung in die Streifen hoher Auflösung (2 m) ein- Landeanfluges Meldung zu geben. gebettet werden können (dadurch erstmalig genaue Lagebestimmung der hochauflösenden Bilder) mit Nachdem die Umlaufbahn von Mars Express Ende HRSC, Analyse der Marsoberfläche vor allem hinsicht- Dezember 2003 durch vier Raketenzündungen von lich Wasser-, Eisen-, Kohlenstoff- und Nitratgehalt mit einer starken äquatorialen Ellipse mit 400 km x 188.000 OMEGA. PFS, SPICAM und ASPERA untersuchen die km auf eine polare 250 km x 11.500 km Umlauf-Ellipse Marsatmosphäre und deren Wechselwirkung mit dem gebracht wurde, war es ab 4.1.2004 möglich die Suche Sonnenwind. nach Signalen von Beagle 2 zu intensivieren und das Wissenschaftsprogramm zu beginnen. Beagle 2 (Lander), Europa – Start: 2.6.2003 hucke- An diesem Tag landete der Erste der beiden Mars- fahrzeuge der USA, Spirit, erfolgreiche auf dem Mars. Kurz nach der Landung kam das erste Panoramafoto im NASA-Kontrollzentrum an. Folgende Missionen waren 2003 auf dem Weg

zum Mars, mit Angabe der wissenschaftlichen ESA Ziele und Geräte: Nozomi, Japan – Start: 3.7.1998 – Ankunft: 14.12.2003 (Vorbeiflug) – Untersuchung der Mars-Atmosphäre inkl. deren Wechselwirkung mit dem Sonnenwind, Suche nach Staubringen um Mars und dessen Monde (Phobos und Deimos) – Staub Detektor der TU München Aufgrund wiederholter Probleme mit der Triebwerks- zündung konnte weder der ursprünglich geplante An- kunftstermin 1999 erreicht, noch die später geplante Ankunft der Sonde Mitte Dezember 2003 nach zwei zusätzlichen Swing-By-Manövern an der Erde erreicht werden. Die Sonde soll nun in ihrer Umlaufbahn um die Sonne Umwelt-Daten gewinnen, die für andere Missi- Mars Express mit Beagle 2 (oben) – 100 spacexpress chronik 2003 künstlerische Darstellung. ESA

Beagle 2 bei der Entnahme von Bodenproben – künstlerische Darstellung. pack auf Mars Express – Landung: 25.12.2003 in Isidis – Landung: 25.1.2004 im Meridiani Planum – weitere Planitia (Nähe Syrtis Maior Planum) – Biochemie & Geo- Daten wie Spirit. Beide Rover senden während des logie mittels zweier Kameras für Aufnahmen der Ober- Landanflugs Töne über Funk direkt zur Erde, um Aus- fläche, einem Roboterarm an dessen Ende (genannt kunft über ihren „Gesundheitszustand“ zu geben. PAW, die Pfote) zahlreiche Meßinstrumente, einen Ge- Mit den beiden am Mars bereits operierenden Orbitern steinsreiniger, einen Bohrer und einen „Maulwurf“ zur Mars Global Surveyor (MGS) und Mars Odyssey sind Entnahme von Bodenproben (Radius 3 m, Bohrtiefe bis ab Januar 2004 drei Satelliten und Lander am Mars. Alle zu 1 m) und einer Reihe von Spektrometern zur Analyse drei Satelliten funktionieren, obwohl die Lebensdauer des Gesteins und der Bodenproben. von MGS sich langsam dem Ende zuneigt. Ob die beiden Aufgrund der stark begrenzten Geldmittel und Masse ist Lander Beagle 2 und Opportunity funktionieren, stand die Beagle-Mission hoch-riskant. Besonders der Landan- zum Redaktionsschluß noch nicht fest. flug und das Auftreffen auf dem Boden birgt viele Risi- ken, die zu einem Scheitern führen können. Ein Beitrag von Raimund Scheucher. Spirit (Mars-Rover), USA – Start: 10.6.2003 – Lan- Der Autor, Diplom-Physiker, ist als Software-Ingenieur im Luftfahrtbereich tätig. Herr Scheucher ist seit 1982 Mitglied der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft NASA für Raketentechnik und Raumfahrt (WARR) und ist Gründungsmitglied der Mars Society Deutschland e.V. Er hat seit 1999 zahlreiche Artikel und Vorträge über die Erforschung des Mars verfasst.

Die Mars Society – eine Gemeinschaft für Jedermann Die Mars Society ist eine internationale Ver- einigung von Menschen aller Couleur und US-Mars-Rover auf dem Mars – künstlerische Darstellung. Ausbildung, die sich für die Erforschung des Mars interessieren. Am 15. August 1998 wurde die Mars dung: 4.1.2004 im Gusev-Krater – Geschichte des Mars- Society in den USA (Boulder, Colorado) gegründet. Die klimas und -wassers durch Untersuchung des Gesteins. Gründungsmitglieder waren samt und sonders Marsforscher Hierzu sind insgesamt 9 Kameras (für sichtbares Licht und Marsenthusiasten aus allen Herren Länder. Dabei auch und Infrarot) an einem senkrechten Mast und am Ende Wissenschaftler und Ingenieure aus der NASA und Uni- eines Roboterarms angebracht, an dem eine schwenk- versitäten. Den Vorsitz übernahm der Raumfahrtingenieur bare Geräteeinheit sitzt. Diese enthält eine Fräse, die Dr. Robert Zubrin. Inzwischen hat die Mars Society ca. 3800 eine Scheibe von 5 cm Durchmesser und 5 mm Tiefe Mitglieder in 43 Ländern. Eine der Sektionen ist die Mars So- ausschneidet. Nach dem Umklappen der Geräteeinheit ciety Deutschland e.V., die neben ihrer Öffentlichkeitsarbeit kann die ausgefräste Stelle mit einem Mikroskop oder und Kontakten zur Politik auch technische Projekte verfolgt, einem der beiden Spektrometer (Mössbauer & Alpha-/ wie die Mars-Ballon-Mission ARCHIMEDES und die Mars- Röntgen-Strahl) untersucht werden. Simulations-Station EuroMars. Opportunity (Mars-Rover), USA – Start: 8.7.2003 Näheres unter www.MarsSociety.de

2003 spacexpress chronik 101 Schwerpunktthemen Mars

Zum Mars – mit leichtem Gepäck Ressourcennutzung vor Ort erleichtert bemannte Marsmissionen

1989 startete Präsident Bush Senior die “Space Explo- re das Jet Propulsion Laboratory (JPL), will auf Nummer ration Initiative”. Diese Initiative blies zum Großangriff sicher gehen: die beiden Missionen dürfen nicht fehl- auf alle Ziele im Sonnensystem; von Raumstationen war schlagen, Vorsicht steht an erster Stelle. Diese Vorhaben da die Rede, bemannte Basen auf dem Mond, auf dem wurden allerdings postwendend vom Chef des europä- Mars, an den Lagrange-Punkten. Raumkreuzer sollten ischen Landerprojektes „Beagle 2“ bereits als „Besichti- sich aufmachen, um Asteroiden und andere ferne Ziele gungstour“ bezeichnet, welche bei höheren Kosten (500 im Sonnensystem zu erkunden. Das Ganze hatte natür- Mio. US$) einen geringeren wissenschaftlichen Output lich seinen Preis, und so lagen die geschätzten Gesamt- erwarten ließen als der vergleichsweise kleine europä- kosten dieser gigantischen Unternehmungen auch bei ische Lander (40 Mio. US$), welcher zusammen mit 400 bis 500 Mrd. US$. So aggressiv wie die Initiative war seinem ebenfalls recht preiswerten Mutterschiff „Mars dann auch die Reaktion des Kongresses: das Programm Express“ auch beinahe den Mars erreicht hat. war tot, bevor es richtig begonnen hatte. Niemand war Während die kurz- und mittelfristige Planung der NASA bereit, der NASA Summen in dieser Größenordnung sich insbesondere in Sachen Mars also momentan eher zur Verfügung zu stellen. Die „Geld spielt keine Rolle“ - etwas diffus gestaltet, beschäftigen sich die Planer des Ära der „goldenen“ Sechziger war definitiv Geschichte. NASA Exploration Office bereits mit der Entsendung Nur langsam erholte sich die Raumfahrtbehörde von von Menschen zum Roten Planeten. Als erster Schritt diesem Schock. Unter dem neuen Administrator Goldin bei der Ausarbeitung der besten Strategie für bemannte wurde die neue Philosophie “Faster, Cheaper, Better” Marsmissionen ist dabei immer ein Blick in die Vergan- („Schneller, Billiger, Besser“) ausgerufen – zunächst mit genheit. Ziel ist es, aus den Erfolgen und Fehlschlägen beachtlichen Resultaten: die Mars Pathfinder Landung vergangener Unternehmungen zu lernen. am 4. Juli 1997 war ein voller Erfolg und zugleich das Ein wesentlicher Grund für den Erfolg des Apollopro- größte Internetereignis aller Zeiten. Auch der Mars Cli- gramms waren die Reserven in den Subsystemen sowie mate Orbiter konnte (trotz eines Problems mit einem die Fähigkeit, auch den gleichzeitigen Ausfall von mehre- der Solarpanele) sein Missionsziel übererfüllen. ren Systemen noch verkraften zu können. Beim Mond Doch dann kamen die Rückschlage: innerhalb von we- war dabei die Strategie immer „Abort to Earth“, d.h. nigen Monaten gingen gleich zwei Sonden verloren – im Falle eines schwerwiegenden Problems wird ver- der Mars Climate Orbiter sowie der Mars Polar Lan- sucht, die Crew so schnell wie möglich zurück zur Erde der – dann, Anfang 2002, das Columbia Unglück. Mars rückte damit wieder in weite Ferne. Das ehrgeizige Mars Surveyor Programm, welches weitere Lander- und Orbitermissionen sowie das Rückholen von Ge- steinsproben vorsah, stand vor einem Scherbenhaufen. Der für 2001 geplante Lander wurde erst einmal auf unbestimmte Zeit verschoben – er war im Wesentlichen baugleich mit dem verunglückten Modell – daher erschien das Risiko zu groß. Auf dem Weg zum roten Planeten sind nun stattdessen zwei Rovermissionen, welche mit Hilfe der erprobten Airbag- Technologie gelandet werden sollen. Die NASA, insbesonde- Die „Lewis & Clark“-Analogie. 102 spacexpress chronik 2003 NASA

Erkundungsfahrzeug einer künftigen Mars-Mission, mit marsianischem Treibstoff betrieben – künstlerische Darstellung. zu bringen (wie bei Apollo 13 auch geschehen). Beim was sie für die Durchführung der Mission sowie auch für Mars hingegen stellt sich hier ein Problem: aufgrund der etwaige Notfälle benötigt, bevor sie sich auf den Weg Himmelsmechanik der Planeten gibt es diese Möglichkeit macht. Diese Strategie der Vorausentsendung von Mate- nicht. Nach dem Einschuss in die Marstransferbahn gibt rial („Predeployment“) ermöglicht es, die notwendigen es kein Zurück mehr – die Crew kann frühestens nach Kosten für eine solche Mission drastisch zu reduzieren. 900 Tagen zur Erde zurückkehren und ist damit auf Ge- Entscheidend für diese Kostenreduktion sind die gewal- deih und Verderb auf sich selber angewiesen. tigen Masseneinsparungen, die sich aus einem solchen Die Missionsplaner der NASA bevorzugen daher im Fal- Missionsprofil ergeben. Verantwortlich dafür ist die so- le des Roten Planeten die Strategie des „Abort to Mars“ genannte „Multiplikationskette“, eine Tatsache, die sich bei der im Wesentlichen versucht wird, den Mars für die aus der Raketengrundgleichung ergibt. Für jedes Kilo- Astronauten zum zweitsichersten Ort im Sonnensystem gramm Nutzlast, dass aus der Erdumlaufbahn zum Mars zu machen. Einer der Väter dieser Idee ist Dr. Robert geschickt wird, müssen dazu erst einmal gewaltige Men- Zubrin, Präsident der Mars Society), einer internationale gen Treibstoff und entsprechend große und komplizierte Vereinigung mit ca. 3800 Mitgliedern in über 30 Nati- Raketenstufen in die Erdumlaufbahn geschickt werden. onen, welche sich der Förderung der Marserforschung Deren Massen sind wiederum nicht nur von der Nutz- und von bemannten Marsmissionen verschrieben hat. Im lastmasse selbst abhängig, sondern insbesondere auch Falle einer bemannten Marsmission wird in sogenann- von den Massen der Raketenstufen und Treibstoffe für ten „Split Sprint“ Szenarien geplant, zwei Jahre vor der die Manöver am Mars (Orbit Injektion, De-Orbit, Lan- ersten bemannten Mission, eine Maschine zum Mars zu dung) sowie auf dem Weg dort hin (Bahnkorrekturma- starten, welche vor Ort Treibstoffe, sowie auch Ver- növer). Das Fatale ist also, dass sich die Massen im Endef- brauchsstoffe (wie Wasser und Atemsauerstoff) produ- fekt nicht aufsummieren, sondern aufmultiplizieren, man ziert. Auf dem Mars angekommen, nutzt sie die Zeit bis spricht von einer Multiplikationskette. Je mehr Manöver zum Aufbruch der Crew von der Erde, um die für de- ein Missionsszenario umfasst, desto länger wird auch ren Aufenthalt und Rückkehr notwendigen Substanzen die Multiplikationskette. Genau diese Tatsache führt bei zu produzieren. Nur wenn die Produktion erfolgreich Rückkehrmissionen (und dazu gehören bemannte Missi- abgeschlossen ist, bekommt die erste Besatzung das Si- onen unweigerlich) zu sehr langen Multiplikationsketten gnal zum Aufbruch zum Mars. Auf diese Weise kann die und damit zu horrenden Gesamtmassen. Das war auch Crew sicher sein, dass sie auf dem Mars alles finden wird, der Grund für die unerhörte Größe der Mondrakete Sa-

2003 spacexpress chronik 103 Schwerpunktthemen Mars

welchen man erneut für die Sabatierreaktion verwenden kann, und andererseits Sauerstoff, welcher in flüssiger Form wie bereits erwähnt als Oxidator dienen kann. Mit NASA einem Kilogramm Wasserstoff können auf diese Weise bis zu 20kg Methan und Sauerstoff erzeugt werden. Die vergleichsweise geringe Menge Wasserstoff, die anfangs benötigt wird, muss allerdings von der Erde importiert werden. Bei späteren Missionen könnte der Wasserstoff vor Ort aus Wassereis gewonnen werden, das unter der Mars-Oberfläche vermutet wird. Am Johnson Space Center der NASA in Houston sind solche Technologien zur Produktion von Sauerstoff und Methan bereits bis hin zu Flugeinheiten entwickelt und getestet worden. Dazu wurden unter anderem auch die Bedingungen ISRU-Konzept – Treibstoffproduktion auf dem Mars. auf dem Mars, wie Atmosphäre-zusammensetzung und -druck, Temperaturzyklen, Staub etc., detailgetreu in turn V (sowie N1 der Sowjets). Die Konstrukteure und Simulationskammern nachgeahmt. Zwei für 2001 und Missionsdesigner der Mondmission konnten immerhin 2003 geplante Experimente fielen allerdings den ein- einen Teil der erforderlichen Massen durch die Strategie gangs erwähnten Änderungen des Mars Explorations des „Lunar Orbit Rendezvous“ wieder einsparen. Denn Programms zum Opfer (obwohl das erstere bereits die bei dieser Strategie verbleiben die für den Rückflug er- Flight Acceptance Tests bestanden hatte). forderlichen Massen im Mondorbit und müssen nicht auf Ein weiteres Anwendungsgebiet für Methan sind Ro- die Mondoberfläche hinab und wieder zurück transpor- ver. Der während den Apollomissionen verwendete tiert werden. Erst dieser Trick brachte die Mondmission Rover war batteriebetrieben. Mit ihm entfernten sich in den Bereich des Machbaren. Auch Treibstoffproduk- die Astronauten höchstens soweit vom Lander, dass tion vor Ort “zerschlägt” die Multiplikationskette und sie zur Not den Rückweg zu Fuß zurücklegen konnten. ermöglicht so die Reduzierung der Gesamtmasse. Für die wenige Tage andauernden Aufenthalte auf der Der am besten geeignete Treibstoff für die Produktion Mondoberfläche war dies eine gute Strategie. Bei einer auf dem Mars ist Methan. Methan ist ein hervorragender Marsmission halten sich die Astronauten über 500 Tage Raketentreibstoff; zusammen mit Flüssigsauerstoff ist er lang auf der Planetenoberfläche auf. Deshalb werden effizienter als jeder Feststoffmotor und die meisten Fahrzeuge mit Reichweiten von mehreren hundert Kilo- Flüssigtreibstoffkombi-nationen. Lediglich Wasserstoff metern benötigt, um die weitere Umgebung erkunden übertrifft ihn – im Gegensatz zu diesem ist Methan zu können. Bemannte Rover größerer Reichweite wären jedoch einfacher zu speichern. viel zu schwer, wenn sie batteriebetrieben wären. Als Alternative kommen nur Radio-isotopengeneratoren Der chemische Prozess, der die Methanproduktion auf und chemische Antriebe (wie wir sie hier auf der Erde dem Mars ermöglicht, ist alles andere als revolutionär auch in Autos und Flugzeugen verwenden) in Betracht. – er wurde im 19. Jahrhundert vom Franzosen Sabatier Politisch durchsetzbar erscheinen dabei nur letztere entdeckt, von dem er auch seinen Namen hat. Er ge- – denn es ist fraglich, ob der NASA jemals wieder das horcht der einfachen Formel: Starten von größeren Mengen Plutonium (wie z.B. bei

CO2 + 4H2 • CH4 + 2H2O Cassini) gestattet werden wird. Für den Mars technisch machbar sind chemische (nicht-nukleare) Antriebe d.h. zusammen mit dem Kohlendioxid der Marsatmos- ebenfalls. Bereits auf Planet Erde im Einsatz befindli- phäre reagiert Wasserstoff zu Methan und Wasser. Die- che Erdgasautos machen dies deutlich (Erdgas besteht se Reaktion findet in einem mit kleinen Katalysatorkü- im Wesentlichen aus Methan). Auf dem Mars kommt gelchen gefüllten Rohr statt, welches man auf ca. 330°C allerdings erschwerend hinzu, dass man zusätzlich den erhitzen muss. Nach dem Start der Reaktion heizt sich Oxydator (Sauerstoff) mitführen muss, da die Atmos- die exotherme Reaktion selber, es wird also Energie in phäre des Roten Planeten keinen Sauerstoff, sondern Form von Wärme freigesetzt. Lässt man dieser Reaktion fast ausschließlich CO enthält. die gewöhnliche Wasserelektrolyse: 2 Das Wasser, das man in der Sabatierreaktion produziert, 2H O • 2H + O 2 2 2 sowie der Sauerstoff, der bei der Elektrolyse anfällt, lässt folgen, so erhält man einerseits wiederum Wasserstoff, sich aber noch auf ganz andere Weise nutzen: z.B. als 104 spacexpress chronik 2003 Notreserve für Das Prinzip „In Situ Ressource Utilization“ lässt die Besatzung. sich aber durchaus auch auf andere Himmelsobjekte Sollten nämlich anwenden. In Zukunft, wenn sich der Mensch erst z.B. sämtliche Le- einmal auf dem Mars und auf anderen Himmelskörpern benserhaltungs- etabliert hat, wird er sicherlich noch eine Vielzahl von und Energiever- weiteren Wegen finden, die reichhaltigen Ressourcen sorgungssysteme vor Ort zu seinem Vorteil zu nutzen. Denn im Rückblick ausfallen, so böte ist diese Technologie nichts Neues. Die Geschichte der sich die Möglich- Exploration ist immer auch eine Geschichte der Anpas- keit, das Über- sung an und der Nutzung von Gegebenheiten vor Ort leben der Crew gewesen. mit Hilfe des vor Ort produzierten Substanzen si- ESTA – Demonstrationsanlage. c h e r z u s t e l l e n , ohne dabei diese aufwendig von der Erde importieren zu müssen (wäh-

rend des Aufenthaltes auf der Marsoberfläche benötigt NASA die Crew über 10 Tonnen Luftsauerstoff und Trinkwas- ser). Auf diese Weise kann Treibstoff-produktion vor Ort nicht nur die Kosten einer bemannten Marsmission, sondern auch das Risiko für die Crew verringern. Auch die europäische Weltraumagentur ESA interessiert sich mittlerweile für ISRU – im Rahmen ihrer 2001 gestar- teten „Aurora Solar System Exploration Initiative“ – ein guter Zeitpunkt, um gegenüber der NASA Boden gut zu machen. Zwar ist die Expertise in Sachen ISRU in Europa eher dünn, jedoch sind die Prozesse, die in Lebenserhal- tungssystemen verwendet werden, dieselben (Sabatier,

Elektrolyse, Pyrolyse, CO2 -Absorption). Und in diesem Feld braucht sich Europa (insbesondere Astrium Fried- richshafen) im internationalen Vergleich vor den Ameri- kanern nicht zu verstecken. Menschen am Viking-Lander – künstlerische Darstellung. Die Möglichkeiten der Ressourcen-nutzung vor Ort ist weder auf den Mars noch auf die hier erwähnten Op- tionen beschränkt, sondern nahezu unbegrenzt. Viele Ein Beitrag von Dr.-Ing. Kristian Pauly. Himmelskörper bieten nutzbare Ressourcen, die ge- Der Autor beschäftigte sich im Rahmen von Diplom- nutzt werden können ; aber von jenen die wir in abseh- und Doktorarbeit von 1998 bis 2001 am NASA Johnson barer Zeit erkunden werden, hat der Mars bei weitem Space Center mit Modellierung, Auswahl und Erprobung das interessanteste und reichhaltigste “Angebot”. Mars von Technologien für die Treibstoffproduktion auf dem hat alles, um das Überleben der Besatzung garantieren Mars. Nach seinem NASA Forschungsaufenthalt war zu können: Wasser, Kohlenstoff, Stickstoff, u.v.m. . Zu er Koordinator des European Academia Networks on möglichen Anwendungen zählen auch die Produktion Space Exploration Technology, einem Netzwerk von von Kunststoffen sowie Bau-, Isolations- und Strahlen- über 20 technischen Universitäten, welche im Bereich schutzmaterialien, etc. – alles Dinge, die beim Aufbau der Raumfahrtforschung tätig sind. Er ist Träger des ESA einer Marsbasis benötigt werden. Die Atmosphäre des ExploSpace Award 1998 sowie des Willy Messerschmid Roten Planeten und sein 24,6 Stunden-Tag ermöglichen Preis 2003; ferner ist er ein Alumni der International zudem den Betrieb von Treibhäusern auf seiner Ober- Space University, Mitbegründer des dt. Ablegers der fläche. Angesichts der Möglichkeit, evtl. Spuren von fos- internationalen Mars Society, sowie Mitglied der ESA silem (oder sogar noch existierendem) Leben zu finden, Human Spaceflight Vision Group. Zur Zeit ist Dr. Pauly ist der Mars sicherlich mit Abstand das interessanteste als Projektleiter eines Kleinsatellitenprojekts tätig. Ziel für die bemannte Raumfahrt dieses Jahrhunderts.

2003 spacexpress chronik 105 Schwerpunktthemen Raumtransportsysteme

Wiederverwendbare Raumtransportsysteme – Wie sehen die Lösungen für die nächsten Jahre aus?

Der Verlust einer Ariane 5 ECA im Dezember 2002 und Die westlichen Entwicklungen unter dem Einfluss des viel schlimmer der Absturz des bemannten Columbia- kalten Krieges fanden ohne jeglichen Kostendruck statt. Orbiters im Februar 2003 verlangen nach Entschei- Auf diese Weise entstand eine große und „schwerfäl- dungen im Bereich des Raumtransports die schon zu lige“ Trägerindustrie und Fortschritte sind heute kaum lange aufgeschobenen worden sind. Die europäischen mehr erkennbar. Die Einführung des Space Shuttles mit kommerziellen Träger müssen wieder wettbewerbsfähig der Technologie der 70er Jahre im April 81, verbunden werden und die bemannte westliche Raumfahrt benöti- mit der Entscheidung, die amerikanischen nicht wieder- gt insgesamt ein funktionierendes Konzept. verwendbaren bzw. ballistischen Träger einzustellen, ermöglichte Ariane 4 einen erfolgreichen Markteinstieg. Die Fertigstellung der Internationalen Raumstation ist Die europäische Trägerfamilie offerierte günstige Preise auf die Wiederaufnahme von Shuttleflügen angewiesen, und Bedingungen für kommerzielle und staatliche Nut- gleichzeitig muss ein Nachfolger für dieses Shuttle ent- zer zu einer Zeit, da Amerika nur begrenzte kommerzi- wickelt und auch gebaut werden. Die NASA plant seit elle Nutzlast auf dem Space Shuttle und keine weiteren zwei Jahren für die Nachfolge ein sogenanntes Orbital ballistischen Träger anbot. Space Plane. Dabei soll ein kleiner Orbiter oder auch eine Kapsel auf eine kommerzielle Atlas- oder Titan- Der Challenger Unfall im Jahre 1986 schloss dann Rakete gesetzt werden. Hiervon verspricht man sich das Space Shuttle vollends aus dem kommerziellen einen einfacheren und kostengünstigeren Zugang für Markt aus, und die Wiedereinführung amerikanischer die bemannte Raumfahrt. Der jetzt entstandene Zeit- ballistischer Träger entwickelte sich nur langsam und druck, das neue Gerät soll in zehn Jahren einsatzfertig kostspielig. Seit dem Zerfall der Sowjetunion erschienen sein, verweist dabei eher auf eine Kapsel. Diese letzte inzwischen weitere Konkurrenten wie „Proton“ und Lösung brächte aber auch praktische Einschränkungen. „Zenit“ aus der russischen Föderation oder der „lange So hätte eine Kapsel beispielsweise eine geringere Nutz- Marsch“ aus China. lastkapazität bei der Rückkehr, also beispielsweise beim Lockheed Martins wiederverwendbares Konzept, Austausch oder der Reparatur größerer Elemente, wie Venture Star, wurde dagegen ein zu wagemutiger dies auch schon bei Hubble durchgeführt wurde. Nicht Entwurf. LM hatte sich das Ziel gesetzt den wieder- zuletzt rührt man mit einer solchen Entwicklung an ei- verwendbaren Raumtransporter so zu definieren, dass ner wichtigen Eigenschaft der Raumfahrt, der sichtbaren Kunden mit weniger als $3000 pro Kilo Nutzlast in eine Demonstration technologischer Zukunft. Ist sie aber niedrige Erdumlaufbahn (LEO) belastet werden sollten. wenigstens eine kostengünstigere Alternative? Die gegenwärtigen Kosten variieren zwischen $15000 Die Antwort ist von einem sogenannten integrierten und $30000 pro Kilo Nutzlast. Dass die NASA Lock- Programm abhängig. Also abhängig von den Aufgaben, heed Martin für ein Entwicklungsprogramm auswählte die die künftige Raumfahrt definiert. Es geht nicht allei- zeigt, dass das anspruchsvollste Konzept die Phantasie ne darum einen Träger zu planen, sondern ein ganzes der amerikanischen Raumfahrtbehörde und Regierung Raumfahrtprogramm zu beschreiben, in dem sich die überzeugt hatte. Die Versprechen von Venture Star einzelnen Entwicklungen ergänzen müssen. Welche Al- passten wohl am besten zur Aufgabe der NASA, zu ternativen bieten sich dabei für den Raumtransport an? neuen Ufern in der Luft- und Raumfahrttechnologie zu führen. Ein sogenanntes ELV, ein „expendable lauch vehicle“ oder auch einfacher ballistischer Träger ist für geringe Flugra- Im Gegensatz zu mehrstufigen Fahrzeugen muss aber je- ten günstigerer bereitzustellen und auch viel schneller des Kilo der Struktur eines Einstufers (SSTO) in die Um- mit meist schon verfügbaren Komponenten zu konstru- laufbahn gebracht werden. Einer der Hauptnachteile ist, ieren. Ein RLV, ein reuseable launch vehicle, ein wieder- dass jegliches Gewichtswachstum im Design die Fähigkeit verwendbares Transportfahrzeug wird dagegen erst die erwünschte Nutzlast in eine Umlaufbahn zu bringen mit regelmäßigen und häufigen Einsätzen wirtschaftlich direkt beeinflusst. Beispielsweise wird eine 1%ige Zu- und nur so kann auch der dafür höhere Entwicklungs- nahme des Trockengewichts die mögliche Nutzlast um aufwand amortisiert werden. Das Konzept wiederver- 3,4% verringern und bei einer 30%igen Nettogewichts- wendbarer Raumtransporter besteht seit Eugen Sänger. zunahme würde die Nutzlast völlig wegfallen oder gar Die Verwirklichung kommt aber nur mühsam voran. negativ werden. Ein neuer und überzeugender Versuch

106 spacexpress chronik 2003 Hartmut E.Sänger

2003 spacexpress chronik 107 Schwerpunktthemen Raumtransportsysteme

tisiert werden kann. Eine große Anzahl von Flügen? Die Internationale Raum- NASA station wurde noch zur Zeit des kalten Krieges geplant. So erfordert sie ob ihrer entsprechenden Auslegung beträchtlichen Unterhalt. Die erwünschte Kommerzi- alisierung findet zugleich nicht statt, da der Transport einfach zu teuer ist. Die Flüge zu dieser Raumstation werden sich also weiter auf das notwendige Minimum beschränken. Was für andere Aufgaben kann es geben? Ein Observa- torium auf dem Mond? Eine bemannte Marsmission? Ein aktiver Schutz vor kosmischen Geschossen? Eines Tages eine neue Raumstation, vielleicht kompakt und aus einer Legierung die sich bei Erwärmung nicht ausdehnt, mit einer Bahn parallel zur Ekliptik und viel weiter außerhalb der Atmosphäre aber noch innerhalb der van Allen- Das Projekt Venture Star – künstlerische Darstellung. Gürtel? Nur wenn diese Fragen beantwortet sind, wenn Menge und Eigenschaft des künftigen Transportguts den Preis des Raumtransports zu reduzieren muss mit bekannt sind, können die notwendigen Parameter für der Definition einiger wesentlicher Grundlagen und einen passenden Transporter bestimmt werden. vernünftiger Annahmen beginnen. Beginnen mit prakti- kablen und naheliegenden Beschränkungen bei der Ver- Anfang der 90er präsentierte beispielsweise die rus- wendung der Technologie, der Designwerkzeuge und von Anwenderschnittstellen. Zur Erinnerung sei gesagt,

dass die Grundlage für ein Niedrigkostenkonzept hohe MAKS Einsatzfrequenzen und schnelle und günstige Wartungs- interwalle sind. Diese Voraussetzungen würden prak- tisch zu einer zweistufigen Raumtransporterentwicklung führen welche die Startkosten drastisch reduzieren könnte. Im Lauf der letzten 40 Jahre hat die Raumfahrt- forschung und -industrie Entwicklungen gesammelt, ge- testet und Flugdaten über alle benötigten Technologien erstellt. Die Bemühungen der NASA schienen dabei 1 bisher nur auf die Anwendung fortschrittlichster Tech- 1 nologien ausgerichtet zu sein. Ballistische Träger haben derzeit einen Nettomassenan- teil von 10% bis 13%. Ohne die Einführung von neuen Technologien, muss die Summe der Verbesserungen für eine Wiederverwendbarkeit einige zusätzliche Prozent beitragen. Ein zweistufiges Fahrzeug, das für die Unter- stufe LOX/Kerosin und für die Oberstufe LOX/LH2 Antriebe verwendet, würde für die einzelnen Stufen Nettomassenanteile zwischen 15% und 16% erlauben. Aber auch der einfachste Entwurf eines zweistufigen wiederverwendbaren Raumtransporters ist eine He- rausforderung an Designer und Ingenieure obwohl viele der Schlüsselkomponenten schon vorhanden sind. Derzeit weisen Berechnungen aber immerhin auf eine 2 Kostenreduktion für einen Zweistufer mit LOX/LH2 1: MAKS im Modell. Orbiter- und LOX/Kerosin Unterstufe um den Faktor 3 gegenüber den aktuellen ballistischen Trägern hin, wenn 2.: Mögliche Konfigurationen für MAKS. die Hardware über eine große Anzahl von Flügen amor- 108 spacexpress chronik 2003 Hartmut E.Sänger

Aufbau eines Staustrahltriebwerks. zierte Routine sich lieber entfernteren Zielen anzuneh- sische Fa. NPO Molniya mit MAKS einen kostengün- men. Die mehr theoretisch orientierten Entwicklungen stigen Vorschlag. Aufgebaut auf einer Antonow AN-225, sind um vieles einfacher auszuführen als die direkte Aus- dem derzeit überhaupt größten Flugzeug, sollte ein Or- einandersetzung mit der Physik von Raketenantrieben biter gestartet werden und mit Hilfe eines zusätzlichen und Trägerstrukturen. Also steht zu befürchten, dass Außentanks und eines Dreistofftriebwerks etwa 10t bemannte Raumfahrt weiter sporadisch und zu den Nutzlast in eine niedrige Umlaufbahn bringen können. Fixkosten der „expandable launcher“ stattfinden soll. Die technologischen Komponenten dafür waren weitge- Europa setzt dies gerade konsequent um. Anstatt mit hend fertig und das Konzept beschreibt die derzeit wohl entsprechenden erfolgreichen Entwicklungen eigene preiswerteste Möglichkeit für wiederverwendbaren Ressourcen erfolgreich zu entwickeln, damit Kompetenz Raumtransport. zu schaffen und den Nachwuchs zu animieren, will man die Träger künftig lieber komplett einkaufen. Die gerade erfolgte Ausschreibung der DARPA für einen Hyperschall-Aufklärer beweißt aber auch, dass Warum aber machen wir denn Raumfahrt? Nicht nur luftatmende Hyperschallantriebe noch jenseits der um unseren Lebensraum zu erkunden und verstehen zu Raumfahrt von Interesse sind. Künftige Technologien, lernen, sondern auch um unsere Wissenschaft, Techno- bis zu magneto-plasmadynamischen Antrieben werden logie und Wirtschaft herauszufordern! Hat Europa dies dabei ebenso untersucht werden und die insgesamt nicht mehr nötig? Können wir es uns leisten die Raum- großzügigere finanzielle Ausstattung militärischer For- fahrt an die virtuelle Welt der Cineasten oder als pure schung wird weitere Entwicklungsschritte erlauben Subventionstitel an die Technologieforschung und -ver- und langfristig auch der Raumfahrt wieder einmal neue waltung verlieren? Die Raumfahrt ist nicht nur Maßstab Technologien zur Verfügung stellen können. der Leistungsfähigkeit, sondern auch ein wesentlicher Antrieb für Wissenschaft und Wirtschaft und damit ein Wie günstig aber müssten die Flüge tatsächlich werden, Fundament unserer Gesellschaft geworden. Also sind dass sich auch Industrie oder Tourismus dafür interes- wir gegenüber uns selbst in der Verantwortung, einer sieren? Wie regelmäßig müssten diese Flüge stattfinden, Verantwortung die wir auch ausüben müssen! damit wiederverwendbare Systeme sich entsprechend rechnen und damit kommerzialisieren lassen? Ließe sich Ein Beitrag von Hartmut E. Sänger. diese Anzahl dann auch tatsächlich im kommerziellen und wissenschaftlichen Betrieb vermarkten? Das schei- nen für Industrie, Politik und Forschung bisher zu viele offene Fragen zu sein. Dazu kommt die gerne prakti- 2003 spacexpress chronik 109 Schwerpunktthemen Raumtransportsysteme Orbital Space Plane Die Zukunft des bemannten amerikanischen Zugangs zum Weltraum Zur Zeit ist das Orbital Space Plane Programm (OSP) um einen geflügelten Körper der anfangs in der Shuttle- der NASA in aller Munde. Doch was genau verbirgt sich ladebucht ins All gebracht werden soll. Dort ausgesetzt eigentlich dahinter? soll er unbemannt einen Wiedereintritt durchführen. Dabei sollen, ab etwa 2006, verschiedene Wiederein- Mit diesem Programm sollte ursprünglich langfristig der trittstechnologien und Versuche bei Geschwindigkeiten Nachfolger für das Space Shuttle entwickelt werden. bis Mach 25 durchgeführt werden. Spätere Versuche Nach dem Absturz der Columbia jedoch, erhielt dieses sehen einen Start durch eine normale Rakete wie der Programm eine ganz neue Bedeutung. Die Probleme Delta vor. Lockheed beteiligt sich mit dem Pad Abort mit dem Space Shuttle waren jedermann schlagartig vor Demonstrator (PAD) an diesem Programm. Dieses Augen geführt worden und verliehen dem OSP beson- dient dem Test verschiedener Technologien für Notfall- deren Nachdruck. Der Begriff verwirrt hierbei leicht, da und Crewrettungsszenarien. bei der Programmausschreibung keine Aussage getrof- fen wurde, ob es sich um einen geflügelten Körper, also Orbital Science arbeitet an Demonstration of Auto- quasi ein Flugzeug, Plane, handelt oder nicht. nomous Rendezvous Technology, kurz DART. Hierbei wird der Demonstrator mit einer Pegasus-Rakete ge- Die Grundanforderungen an dieses System lassen sich in startet und soll komplett eigenständige Rendezvou- wenigen Punkten zusammenfassen: soperationen testen. Der erste Flug hiervon wird be- • Wichtigster Punkt ist die Sicherheit der Besatzung; reits 2004 erwartet. Diese Demonstratoren dienen als Grundlage für die benötigten Technologien der verschie- • Es soll eine Crew von mindestens vier Astronauten denen Raumfahrzeugdesigns. Eine Entscheidung welches befördert werden können; Design verwirklicht werden soll, wird für Ende 2004 • Ab 2010 soll eine reine Crewrettungsfähigkeit, ab erwartet. Den ganzen Vorschlägen liegt jedoch eine 2012 der komplette Transport von Astronauten ganz elementare Frage zugrunde: Soll es ein geflügelter durch dieses System für die ISS möglich sein; Körper wie das Space Shuttle oder alt bewährte Kap- seltechnologie, wie bei Apollo werden? Es mag einem • Es soll ein gewisses Maß an Manövrierbarkeit gewährleistet sein, über die das Shuttle nicht verfügt; • Start soll auf einer gewöhn- lichen Rakete wie der Delta NASA 4 oder Titan 5 erfolgen; • Der Orbitaufenthalt soll bis zu neun Monate dauern. Dieser Herausforderung ha- ben sich mehrere Firmen mit verschiedensten Vorschlägen gestellt. Die ersten Technolo- giedemonstratoren der NASA befinden sich auch schon in der Entwicklung, beziehungs- weise im Einsatz. Hauptak- teure dabei sind Boeing Phan- tom Works mit ihrer X-37, Lockheed- Martin mit PAD und der Orbital Science Grup- pe mit DART. Bei der X-37 handelt es sich Verschiedene OSP Designs. 110 spacexpress chronik 2003 richtet sich, auch bei Ausfall aller Bordsysteme, die 1 Kapsel durch ihre Aerodynamik selbst aus. Dies hat schon Gagarin das Leben gerettet. Eine Shuttlelandung benötigt diverse funktionierende Untersysteme für eine sichere Landung. Das zweite Shuttleunglück, die Columbiakatastrophe, wurde durch einen Schaden am Hitzeschutzschild ausgelöst. Dieser ist bei einem geflügelten Körper we- sentlich größer und dieser dadurch störanfälliger. Durch die Einteilung einer Kapsel in Service- und Kommando- modul, wie bei Apollo, ist der Hitzschutzschild während der gesamten Mission, bis kurz vor dem Wiedereintritt 2 durch das Servicemodul geschützt. Dies ist vor allem interessant, wenn das Raumfahrzeug als Rettungsboot über Monate an der Raumstation angedockt bleibt und ständigem Beschuss von (Weltraum- schrott) ausgesetzt ist. Durch die fehlenden Subsysteme wie Fahrwerk, Trag- flächen usw. handelt es sich bei einer Kapsel um ein wesentlich leichteres und weniger komplexes Raumfahr- zeug. Dies schlägt sich natürlich wesentlich in den Kosten und der Dauer für die Entwicklung nieder. Im Bereich der Kapseltechnologie existiert durch Mer- 3 cury, Gemini und Apollo ein großes Maß an Know-How. Alle geflügelten Projekte außer dem Shuttle, wie der Dyna Soar, HL-20, die X-33 oder auch die X-38, kamen nie bis zur Einsatzreife. Für eine neuartige Aerodynamik wäre somit der Forschungsaufwand wesentlich höher als bei einer Kapsel. Die Kosten einer in Serie produzierten Kapsel dürften auch weit unter denen einer wenige Male hergestellten, geflügelten Version liegen, was ebenfalls für eine Kapsel spricht. 1: Kapselkonzept (A. Kruselburger). Ein großer Vorteil ist dann noch in der leichteren 2: Kommandokapsel (A. Kruselburger). Modifikation für zukünftige Missionen denkbar. Durch 3: Kapselvorschlag, mit Rettungsrakete (A. Kruselburger). Zusatzmodule sind dabei Missionen über den Erdorbit hinaus, beispielsweise zum Mond oder den Lagrange- Punkten denkbar. komisch erscheinen, dass nach über 20 Jahren Shuttle- flügen wieder überlegt wird Kapseln zu bauen. Doch bei genauerem Hinsehen erweist sich eine Kapsel als we- sentlich praktikablere Lösung oben genannter Require- ments und gewinnt mehr und mehr an Zustimmung. Der wichtigste Vorteil von Kapseln sind die Rettungs- Ein Beitrag von Andreas Kruselburger. möglichkeiten während einer Mission. Während der Der Autor studiert an der TU München Luft- und Startphase kann durch eine einfache Rettungsrakete Raumfahrttechnik mit den Schwerpunkten Raum- an der Spitze der Kapsel eine Fluchtmöglichkeit im fahrttechnik und Umweltverträgliche Energiesysteme. Falle eines Unglückes gewährleistet werden. Die Chal- Zur Zeit ist er im VFR e.V. im Vorstand tätig und für lengerbesatzung hätte durch ein solches System unter die Energieversorgung an einem Kleinsatelliten der Umständen überleben können. Beim Wiedereintritt TUM verantwortlich.

2003 spacexpress chronik 111 Schwerpunktthemen Raumtransportsysteme

DFG Grundlagenforschung für zukünftige Raumtransportsysteme

Bild 1: Zweistufiges Raumtransportsystem.

Ein Verbund von Sonderforschungsbereichen stemen sind eine starke Reduzierung der Kosten, die volle Wiederverwendbarkeit, eine erhebliche Steige- Im Jahr 1989 hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft rung der Flugsicherheit und Zuverlässigkeit, eine deut- (DFG) drei Sonderforschungsbereiche an der Rheinisch- liche Verbesserung in der Umweltverträglichkeit sowie Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, der eine signifikante Erhöhung der Orbitflexibilität. Technischen Universität München und der Universität Stuttgart eingerichtet, um Grundlagenforschung auf dem Die Förderung und Ausbildung des wissenschaftlichen Gebiet zukünftiger Raumtransportsysteme zu betreiben. Nachwuchses mit gezielten Maßnahmen bildet eine Die Bezeichnungen der drei Sonderforschungsbereiche weitere wichtige Aufgabe für die Sonderforschungsbe- sind „Grundlagen des Entwurfs von Raumflugzeugen“ reiche. Als besonders erfolgreiches Beispiel sind hier die (RWTH Aachen), „Transatmosphärische Flugsysteme“ „Space Courses“ zu nennen, die als aufeinander abge- (TU München) und „Hochtemperaturprobleme rückkehr- stimmte Lehrgänge zu speziellen Themen für Studenten, fähiger Raumtransportsysteme“ (Universität Stuttgart). junge Wissenschaftler und Vertreter von Behörden und Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Industrie an den drei Universitätsstandorten Aachen, ist mit mehreren Forschungsvorhaben an den Sonder- München und Stuttgart durchgeführt wurden. forschungsbereichen beteiligt. Die Deutsche Forschungs- Die Internationalisierung ist ein anderer Aspekt, der für gemeinschaft hat – zusammen mit Baden-Württemberg, die drei Sonderforschungsbereiche eine große Bedeu- Bayern und Nordrhein-Westfalen sowie (bis 1994) der tung hat. Hier sind vielfältige Kontakte und Kooperati- Bundesregierung – Mittel in Höhe von rund 60 Millionen € onen mit ausländischen Wissenschaftlern entstanden, für die Sonderforschungsbereiche zur Verfügung gestellt. auch sind Studenten aus mehreren Ländern gezielt auf Die Forschungsaktivitäten der drei Sonderforschungsbe- die Sonderforschungsbereiche zugegangen. Wie die reiche enden mit Ablauf des Jahres 2003, im 15. Jahr ihres Erfahrungen mit den drei Sonderforschungsbereichen Bestehens. zeigen, führt die verstärkte Kompetenz, die die Bildung Von Anfang an bestand zwischen den drei Sonderfor- eines Verbundes von Sonderforschungsbereichen in schungsbereichen eine enge Koordination und Zusam- Forschung und Lehre ermöglicht, zu einer größeren menarbeit, die von großer Bedeutung für den wissen- internationalen Sichtbarkeit. So fanden die Forschungs- schaftlichen Erfolg ist. Diese Zusammenarbeit ist in der aktivitäten der Sonderforschungsbereiche, insbeson- Organisationsform eines Verbundes angelegt, der von dere auch unter dem Gesichtspunkt der Bildung eines dem aus den drei Sprechern bestehenden Sprecherrat Verbundes, weltweit Beachtung. Aus Europa, den USA geleitet wird. und Japan ergingen seit 1991 mehrfach Einladungen, einen Überblick über die deutsche Hochschulforschung Die Erfahrungen mit den drei Sonderforschungsbe- auf dem Gebiet des Hyperschalls zu geben. reichen zeigen, dass die universitäre Grundlagenfor- schung substantielle Beiträge auf dem Hochtechnologie- Ein weiterer Aspekt betrifft die Mitwirkung der Son- gebiet „Raumtransportsysteme“ leisten kann. Ziele der derforschungsbereiche an wichtigen nationalen und in- Entwicklung von zukünftigen, neuen Raumtransportsy- ternationalen Forschungsprogrammen als Partner von 112 spacexpress chronik 2003 außeruniversitärer Groß- getragenen Konzertierten Aktion „Internationales forschung und Industrie. Marketing für den Bildungs- und Forschungsstandort Dies betrifft das deutsche Deutschland“ in mehreren Staaten präsentiert. Erste Forschungsprogramm TE- Station war Rio de Janeiro, danach folgten Bangkok und TRA (Technologien für zu- Seoul. Weitere Stationen sind Moskau und Novosibirsk. künftige Raumtransport- Im Folgenden wird der Münchener Sonderforschungs- systeme), das deutsche bereich vorgestellt, an dessen Beispiel Struktur und Ar- For schungspr ogr a mm beitsweise der drei Sonderforschungsbereiche deutlich ASTRA (Ausgewählte werden. Technologien für zukünf- tige Raumtransportan- wendungen) und auch das Sonderforschungsbereich „Transatmo- europäische Forschungs- sphärische Flugsysteme“ an der TU München programm FESTIP (Future Der Sonderforschungsbereich „Transatmosphärische European Space Trans- Flugsysteme“ an der TU München konzentriert sich in portation Investigations Bild 2: Ausstellungsplakat. seiner Thematik auf die Gebiete Aerothermodynamik, Progamme). Hier sind Antriebssysteme sowie Flugmechanik und Gesamtsy- die drei Sonderforschungsbereiche mit wissenschaftlich stem, auf denen mit einem hohen Grad an Interdiszipli- anspruchsvollen Forschungsprojekten beteiligt. Auch narität und Kooperation der beteiligten Wissenschaftler für das zukünftige europäische Forschungsprogramm Grundlagenforschung betrieben wird. Damit sind Kern- FLPP (Future Launcher Preparatoy Programme) ist ei- felder für zukünftige Raumtransportsysteme erfasst, die ne Mitwirkung der Sonderforschungsbereiche geplant. eine zentrale Bedeutung für die Bewältigung der hier bestehenden Herausforderungen haben. Am Sonder- Der Neue Weg ins All – forschungsbereich „Transatmosphärische Flugsysteme“ Raumtransporter der sind Wissenschaftler der TU München und der Universi- nächsten Generation tät der Bundeswehr München beteiligt. Außerdem wirk- Die Forschungsaktivi- täten der drei Sonderfor- schungsbereiche haben zu einer Ausstellung geführt,

die die DFG unter dem DFG Titel „Der Neue Weg ins All – Raumtransporter der nächsten Generation“ zeigt. Nach der Eröffnung am 3. September 2002 im Wissenschaftszentrum in Bonn war die Ausstellung in einer Reihe von Städten zu sehen, darunter Stuttgart, München, Berlin, Aachen, Bremen und Dresden. Eine internationale Versi- on der Ausstellung – auch dies ein Beitrag zur Inter- nationalisierung – wird im Rahmen der vom Bundes- ministerium für Bildung und Forschung und von Bild 3: Für die Untersuchung der Umströmung des Raumflugzeugs in Windkanälen wurden mehrere den Ländern sowie von Modelle bis zu einer Länge von sechs Metern gebaut. Hier ist das Modell ELAC des Sonderforschungs- weiteren Organisationen bereiches der RWTH Aachen gezeigt.

2003 spacexpress chronik 113 Schwerpunktthemen Raumtransportsysteme DFG ten Wissenschaftler des Deutschen Zen- trums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Universität Greifswald mit. Als Referenzkonfiguration wird für die Forschungsarbeiten das Konzept eines zweistufigen Raumtransportsystems verwendet, das aus einer Trägerstufe mit luftatmendem Antrieb und einer Orbitalstufe mit Raketenantrieb besteht (Bild 1). Beide Stufen besitzen Flügel und können daher einen aerodynamisch getragenen Flug ausführen. Der luftat- mende Antrieb erlaubt eine verbrauchs- günstige Vortriebserzeugung. Mit einer solchen Flugsystem-Konfiguration sind horizontale Starts und Landungen mög- lich. Bild 4: Separationsmanöver von Orbital- und Trägerstufe. Der Sonderforschungsbereich gliedert nung sowie die Beherrschung der großen Hitzebela- sich in die folgenden drei Projektbereiche: stung. Eine große Rolle spielen eine gute Gemischbildung • Projektbereich A Aerothermodynamik von Brennstoff und Luft sowie ein kontrollierter und stabiler Verbrennungsprozess mit hoher Effizienz. Ein • Projektbereich B Antriebssysteme Teil der Forschungsarbeiten betrifft Untersuchungen • Projektbereich C Flugmechanik und Gesamtsystem zum Leistungsvermögen der Antriebe, zu denen auch der Betrieb im Teillastbereich zählt. zählt. Ein weiterer Der Projektbereich A Aerothermodynamik widmet Forschungsgegenstand ist das Verhalten bei Störungen sich Untersuchungen auf dem Gebiet der Strömungs- im Lufteinlauf erforscht. vorgänge. Der aerodynamisch getragene Flug bei den hier interessierenden hohen Geschwindigkeiten führt Der Projektbereich C Flugmechanik und Gesamt- auf grundlegende Probleme, die für die Auslegung von system ist mit Problemen der Flugmechanik, Flugrege- zukünftigen Raumtransportsystemen von maßgeblicher lung und Flugführung sowie mit Fragen des Gesamtsys- Bedeutung sind. tems befasst. Hierzu erfolgen aufwendige numerische Simulationen Die maximale Nutzung des Leistungsvermögens von und Windkanalversuche, um die erforderlichen Kennt- zukünftigen Raumtransportsystemen erfordert die op- nisse über die komplexen Hyperschall-Strömungsvor- timale Steuerung der Aufstiegsbahn. Ein anderes wich- gänge zu gewinnen. Gegenstand der Forschungsarbeiten tiges Thema ist die Erhöhung der Flugsicherheit, da das ist ferner die Separation von Träger- und Orbitalstufe betrachtete Raumtransportkonzept deutliche Vorteile (Bild 4), bei dem aerodynamische Interferenzeffekte zu im Vergleich zu den herkömmlichen Trägersystemen gravierenden Änderungen in den Kräften und Momenten aufweist. Ein weiterer Forschungsgegenstand sind die führen können. Auch für den Antrieb im Hyperschallflug Flugeigenschaften im Hyperschallflug, da sich hier grund- kann die Strömungssimulation wichtige Erkenntnisse lie- sätzliche Unterschiede im Vergleich zum konventio- fern, die Thema eines weiteren Forschungsprojektes ist. nellen Geschwindigkeitsbereich zeigen. Die Separation von Träger- und Orbitalstufe bei Hyperschall-Geschwin- Grundlagenarbeiten auf dem Gebiet von Triebwerken, digkeit (Bild 4), ebenfalls Gegenstand der Forschungsar- die für den Hyperschallflug geeignet sind, werden im beiten, ist völliges technisch-wissenschaftliches Neuland. Projektbereich B Antriebssysteme durchgeführt. Für Die Forschungsarbeiten zum Gesamtsystem betreffen die hohe Fluggeschwindigkeit im Hyperschallflug sind die Bewertung von Entwurf und Konfiguration zukünf- Staustrahltriebwerke erforderlich, da hier herkömm- tiger Raumtransportsysteme. Diese Arbeiten, in die liche Flugtriebwerke nicht genug Schub liefern bzw. so- Ergebnisse aus den einzelnen Teilprojekten einfließen, gar nicht mehr arbeitsfähig sind. bilden ein integrierendes Element für den gesamten Von zentraler Bedeutung für die Triebwerke im Hyper- Sonderforschungsbereich. In den Forschungsprojekten schallflug sind die Erzielung einer effizienten Verbren- werden theoretische und numerische Untersuchungen

114 spacexpress chronik 2003 NASA

Bild 4: Separationsmanöver von Orbital- und Trägerstufe.

Bild 5: Forschungsflugzeug SR-71 des NASA Dryden Flight Research Center.

sowie experimentelle Arbeiten durchgeführt. Der mit dem Institut für Theoretische und Angewandte Me- Sonderforschungsbereich verfügt über leistungsfähige chanik der Russischen Akademie der Wissenschaften in Versuchseinrichtungen, die neu beschafft oder durch Novosibirsk. Hier erfolgten Windkanalversuche über geeignete Ausbaumaßnahmen auf einen modernen die Separation von Träger- und Orbitalstufe im Hyper- Stand gebracht worden sind. Hervorzuheben ist auch schallbereich. die enge Zusammenarbeit von Mathematik und Ingeni- eurwissenschaften, die ein besonderes Kennzeichen des Münchener Sonderforschungsbereiches ist. Ein Höhepunkt der internationalen Kooperationen bil- Ein Beitrag von: det die Zusammenarbeit mit der NASA. Dadurch ist • Prof. Dr.-Ing. Gottfried Sachs, Direktor des Lehr- es möglich, die weltweit einzigartigen Versuchseinrich- stuhls für Flugmechanik und Flugregelung, TU München. tungen des NASA Dryden Flight Research Center in Ed- wards, Kalifornien, für die Forschungsarbeiten zu nutzen. • Dipl.-Ing. Florian Holzapfel, Wissenschaftlicher Hierzu zählt mit der SR-71 das schnellste Flugzeug der Mitarbeiter, Lehrstuhl für Flugmechanik und Flugrege- Welt (Bild 5), das mehr als dreifache Schallgeschwindig- lung, TU München. keit erreichen kann und das aufgrund flugdynamischer Ähnlichkeiten zwischen Über- und Hyperschall auch für die Untersuchung von Problemen des Hyperschall- fluges verwendet werden kann. Auch die Mitwirkung von NASA-Testpiloten, die über umfangreiche Erfah- rungen im Höchstgeschwindigkeitsflug verfügen, ist von besonderem Wert für die experimentellen Arbeiten. Ein weiterer Höhepunkt betrifft die Zusammenarbeit

2003 spacexpress chronik 115 Schwerpunktthemen China im All

sich der Astronaut in der ersten Startphase samt sei- Solo für ner Kapsel im Falle einer Explosion der Trägerrakete in Sicherheit bringen kann. Vier Minuten und neun Sekun- den nach dem Liftoff war die erste Stufe ausgebrannt. Yang Liwei Danach zündete die zweite Stufe für eine Brennzeit von 4 Minuten 55 Sekunden. Gut neun Minuten nach dem „Ich werde mein Mutterland nicht enttäuschen. Abheben war Yang Liwei im Orbit. Ich werde der Volksbefreiungsarmee und der Die Bahnparameter waren nahe an den vorausberech- Chinesischen Nation Ehre bereiten“. Dies wa- neten Werten: Apogäum 350 Kilometer, Perigäum 200 ren die Worte mit denen sich Chinas erster Kilometer, Inklination 42,4 Grad. Sieben Stunden nach Astronaut, Luftwaffen-Oberstleutnant Yang dem Start wurde der elliptische Orbit in eine kreisför- Liwei unmittelbar vor dem Start von Shenzhou mige Bahn umgewandelt. Die Bahnhöhe betrug danach 5 verabschiedete. Nach einer Vorbereitungszeit 343 Kilometer. von über einem Jahrzehnt und mehr als 40 Jahre nach der Sowjetunion und den Vereinigten Staa- Die Mission am 15. Oktober war der 71. Flug einer Rake- ten von Amerika wurde China am 15. Oktober te vom Typ „Long March“, und der 29. erfolgreiche Start 2003, um 9:00 Uhr Ortszeit zur dritten Nation in ununterbrochener Reihenfolge seit 1996. Die Long die aus eigenen Mitteln einen bemannten Raum- March 2F selbst wurde zum fünften Mal eingesetzt. flug unternahm. Bis zuletzt waren die Startvorbereitungen im Geheimen An Bord des Raumschiffes Shenzhou 5 befand sich, wie abgelaufen. Der Start sollte zunächst eigentlich live schon lange zuvor vermutet, nur ein einzelner Taikonaut, im chinesischen Fernsehen übertragen werden, aber wie die Chinesen ihre Astronauten nennen: Yang Liwei. wenige Stunden vor diesem Termin wurde diese Idee Die Wahl war erst einen Tag vor dem Start auf ihn gefallen. Zuletzt waren mit ihm noch zwei weitere Kan- didaten in der engeren Auswahl: Zai Zhigang und Nie

Haiseng. Westliche Beobachter stellten sich die Frage, XINHUA warum diese erste bemannte chinesische Orbitmission als Soloflug durchgeführt wurde. Die Shenzhou ist in der Lage, bis zu drei Astronauten aufzunehmen. Der Grund, neben Sicherheitserwägungen, liegt wohl darin, dass China einen einzelnen „Space Hero“ haben wollte. So wie die Russen Juri Gagarin und die Amerikaner John Glenn. Vor dem Start verabschiedete er sich von den Offiziel- len und den Technikern mit den Worten: „Wir sehen uns dann morgen wieder“. Knapp zwei Stunden vor dem Start bestieg er sein Raumfahrzeug. Die Long March 2F Trägerrakete stand da bereits an der Rampe 1 der Start- anlage „Süd“ des Jiuquan Startzentrums in der südlichen Mongolei. Der Startplatz liegt etwa 1.500 Kilometer nord-westlich von Peking. Insgesamt gibt es dort fünf Startanlagen. Weitere sind derzeit im Bau. Exakt um 9:00 Uhr Ortszeit erwachten die vier Boos- tertriebwerke und der Motor der ersten Stufe zum Le- ben. Angetrieben von Stickstofftetroxid und Hydrazin lieferten diese Einheiten einen Schub von 604 Tonnen, bei einem Startgewicht der Rakete von 464 Tonnen. Zwei Minuten und acht Sekunden nach dem Abheben waren die Zusatzraketen ausgebrannt und wurden ab- geworfen. Zwei Minuten und zwanzig Sekunden nach Chinas erster „Taikonaut“, der 38-jährige dem Start wurde auch der Fluchtturm abgesprengt. Yang Liwei besteigt sein Shenzhou 5 Raumschiff. Dieser „Fluchtturm“ ist eine Rettungsrakete mit der 116 spacexpress chronik 2003 431. Mensch, der seit Juri Gagarins historischem Flug die Erde verlässt. Alle aber, ganz gleich aus welcher Nation Orbitalmodul, sie auch stammen, sind bisher entweder mit einem rus- enthält wissenschaftl. sischen oder einem amerikanischen Raumschiff in den Ausrüstung, eigen- Weltraum geflogen. ständig navigierbar Alles verläuft normal – ich fühle mich gut Mit diesen Worten, den ersten, die je ein Chinese aus

Felix Korsch dem Weltraum zur Erde richtete, teilte Yang Liwei der Missionskontrolle in Peking mit, dass alles nach Plan verläuft. Diese erste Funkübertragung erfolgte 34 Mi- nuten nach dem Start. Nach der Übertragung erklärte Start- und Wieder- der Chinesische Raumfahrtadministrator den Start zum eintritts-Modul „vollständigen Erfolg“. Hochrangige chinesische Offizielle aus Regierung, Militär und Parteiapparat waren beim Start in Jiuquan dabei, einschließlich Präsident Hu Jintao, der dem Astronauten Versorgungsmodul, vor dem Besteigen des Raumschiffs persönlich seine enthält elektronische Glückwünsche für die Mission überbrachte. Daneben Ausrüstung und Rake- war noch eine kleine Gruppe von Journalisten an- tentriebwerk wesend, ausschließlich Angehörige staatlicher Nach- richtenorganisationen. Interessanterweise fehlte aber der ehemalige Regierungschef Jiang Zemin der für die fallen gelassen. Begründung: „Die Raumfahrtexperten Existenz des bemannten Raumflugprogramms verant- in Jiuquan hätten darum gebeten“. Zu sehr fürchteten wortlich war. die chinesischen Offiziellen einen möglichen Fehlschlag, Schon Wochen vor der Mission hatten die chinesischen der dann womöglich live über die Fernsehkanäle laufen Projektverantwortlichen den Flug als reine „Enginee- würde. Die beabsichtigte positive Propagandawirkung ring-Mission“ bezeichnet. Yang Liwei hatte während wäre damit ins Gegenteil umgeschlagen. Für die Chine- der Mission nicht wesentlich mehr zu tun, als die In- sen stand einfach zu viel auf dem Spiel. Immerhin wurde strumente zu beobachten, alle Systeme zu überprüfen aber schon Minuten nach dem erfolgreichen Abheben und im Falle des Versagens einer der automatisierten das reguläre Fernsehprogramm unterbrochen und eine Funktionen die Handsteuerung zu übernehmen. Eine Aufzeichnung des Starts landesweit übertragen. besondere wissenschaftliche Aufgabenstellung gab es Der Pilot des Raumfahrzeugs ist der 38 Jahre alte Mili- für diesen ersten Flug nicht. tärpilot Yang Liwei. Er hat 1.350 Flugstunden auf Hoch- Das Shenzhou-Raumschiff gleicht im Wesentlichen der leistungsjets absolviert. Yang ist Oberstleutnant in der russischen Sojus. Es besteht aus drei Baugruppen. Ganz Nationalen Volksbefreiungsarmee, und stammt aus dem vorne befindet sich das zylindrische Orbitalmodul. Im nordöstlichen Teil Chinas. Er ist der Sohn eines Lehrers und der Managerin einer Landwirtschaftlichen Produkti- onsgenossenschaft. Er wird als hervorragender Eisläufer und Schwimmer geschildert. Seit 1998 bereitete er sich XINHUA auf diese Mission vor. Innerhalb von Stunden nach dem Start war sein Name jedem Chinesen ein Begriff. Viele bezeichneten ihn spontan als den „Chinesischen Gagarin“. China ist erst die dritte Nation, die in der Lage ist, einen ihrer Bürger unabhängig von der Unterstützung anderer Nationen in den Orbit zu bringen. Als erster Mensch gelangte im April 1961 der Sowjetbürger Juri Gagarin in den Orbit. Im Februar 1962 folgte der Amerikaner Yang Liwei während einer TV-Übertragung aus dem Orbit. John Glenn. Insgesamt ist Yang allerdings schon der 2003 spacexpress chronik 117 Schwerpunktthemen China im All

Vergleich dazu ist diese Ein- ab aber, dass Yang in guter körper-

heit bei den Sojus-Raumfahr- XINHUA licher Verfassung war. zeugen kugelförmig. Danach kommt das Start- und Wie- Wie geht es weiter? dereintritts-Modul, in dem der Führende Raumfahrtexperten Astronaut während des Starts haben sich in der Zwischenzeit und der Landung liegt. Dieses Gedanken darüber gemacht, wie Segment ist zwar von sehr es wohl mit dem chinesischen ähnlichem Design wie das rus- Raumfahrtprogramm weiter ge- sische Wiedereintritts-Modul, hen wird. Sie kamen dabei zu der allerdings um etwa 12 Prozent Meinung, dass ein zweiter be- größer. Danach kommt das mannter Flug in etwas über einem Service-Modul, das wichtige Jahr, wahrscheinlich im Spätwinter Bordsysteme wie den Antrieb, 2005 erfolgen dürfte. die Energieversorgung, Sauer- Die Zielsetzung bei diesem Flug stoff und Treibstoffe enthält. wird „Leben im Weltraum“ sein. Insgesamt ist das Shenzhou- Yang hatte bei seinem Einsatz fast System etwa 600 Kilogramm nichts gemacht. Offensichtlich hat schwerer als die russische er noch nicht einmal seinen Raum- Sojus und die gesamte Ausle- anzug abgelegt, was allerdings für gung, insbesondere die Instru- einen einzelnen Astronauten in mentierung an Bord der Start- der Schwerelosigkeit auch ein und Wiedereintritts-Kapsel schwieriges Unterfangen ist. Bei ist wesentlich moderner. Das diesem Flug wollte die chinesische Energieversorgungssystem ar- Raumfahrtagentur auf Nummer beitet mit zwei paarweise an- sicher gehen, und jegliche mög- geordneten Solarzellenpanel- Start der Long March 2F Trägerrakete. liche Fehlerquelle vermeiden. Also en und bringt eine elektrische wurde auch so wenig wie irgend Leistung von 1.500 Watt. Das ist fast dreimal soviel wie möglich gemacht was nicht unmittelbar mit den Funkti- bei der russischen Sojus. onen des Raumfahrzeugs zu tun hat. Während der Mission gab es mehrere Fernsehschal- All diese Dinge stehen jetzt für den zweiten Flug an. Eine tungen mit dem Raumschiff unter anderem mit Vertei- gewisse Wahrscheinlichkeit spricht übrigens dafür, dass digungsminister Cao Gangchuan. Auch mit seiner Frau erneut Yang Liwei zum Einsatz kommt, zusammen mit Zhang Yumei, die ebenfalls im chinesischen Raumfahrt- einem oder zwei weiteren Taikonauten. Das Shenzhou- programm beschäftigt ist, konnte er sprechen, und für Raumschiff kann bis zu drei Personen aufnehmen. Die- ein paar Minuten auch mit seinem achtjährigen Sohn. ser zweite Flug wird mit Sicherheit über einen längeren Zeitraum laufen, wahrscheinlich vier bis sechs Tage. Nach 13 Erdumkreisungen, 21 Stunden nach Missions- Mittelfristig wird sich die Flugrate danach bei etwa 2-3 beginn, wurde über Südafrika automatisch die Retro- Missionen pro Jahr einpendeln. zündung eingeleitet. Zuvor hatte Yang das Orbitmodul abgetrennt, das jetzt für mehr als ein halbes Jahr eine au- China muss in diesen Flügen die Fähigkeiten entwickeln, tonome Mission durchführen wird. Kurz danach trennte über welche die beiden Weltraum-Supermächte schon sich die Wiedereintritts-Einheit vom Service-Modul und verfügen: Rendezvous und Docking, Weltraumspazier- wenig später – um 0:23 Uhr mitteleuropäischer Zeit, gänge, Bahnänderungen und ähnliches. Das erste Nah- 12:23 Uhr in Peking, ging Shenzhou 5 sicher am Fall- ziel der bemannten chinesischen Raumfahrt wird dann schirm im vorgesehenen Landegebiet in der Region Sizi- die Errichtung einer kleinen Raumstation bis zum Spät- wang, etwa 300 Kilometer nördlich von Peking, nieder. sommer 2008 sein, dem Zeitpunkt zu dem in Peking die Olympischen Spiele stattfinden werden. Yang landete nur 4,8 Kilometer vom vorgesehenen Ziel- punkt entfernt. Minuten nach der Landung waren die Ein Beitrag von Eugen Reichl. Bergungshelikopter bei ihm. Kurz danach stieg Yang ohne fremde Hilfe aus der Kapsel. Er wirkte ein wenig benommen. Eine erste medizinische Untersuchung erg- 118 spacexpress chronik 2003 In kleinen Schritten auf langem Marsch Die Geschichte der Taikonautik

Als China im Jahre 1992 der International Astronauti- Führung in Beijing gefiel die Vorstellung eines Chinesen cal Federation (IAF) einen Entwurf für ein eigenes be- im All offenbar sehr, wobei hierbei propagandistische manntes Raumschiff präsentierte, wurde man von so Überlegungen – man bedenke die eher feindseligen mancher Seite mild belächelt. Niemals traute man der Beziehungen zur Sowjetunion – den entscheidenden Volksrepublik einen solch ökonomischen Kraftakt zu, Ausschlag gegeben haben mögen. Auf jeden Fall wur- der wohl nötig gewesen wäre, um tatsächlich ein eigenes den entsprechende Ressourcen bereit gestellt, die zur bemanntes Raumfahrtprogramm zu initiieren. Noch we- Schaffung eines kleinen, rückführbaren Satelliten führen niger aber glaubte man die Positionen von US-Amerika- sollten. Auf diesem sollte ein späteres Raumschiff basie- nern und Sowjets antastbar, die zu jenem Zeitpunkt be- ren. Zu jener Zeit wurden andere Konzepte, also Wis- reits einen gut drei Jahrzehnte umfassenden Vorsprung senschaft- und Anwendungssatelliten, wie sie sich auch gegenüber dem „Reich der Mitte“ vorweisen konnten. die Militärs gewünscht hätten, hinten angestellt. Alle Kritiker irrten – dies zeigte sich mit Shenzhou 5 un- Die Pläne waren hochtrabend und im Juni 1966 gründe- übersehbar im Jahre 2003. Weniger bekannt war jedoch te sich ein eigenständiges Konstrukteursteam innerhalb für lange Zeit, dass die Chinesen bereits in den 70‘er des Design Institute of Satellite Development (DISD). Jahren Anstrengungen unternahmen, den Pfaden von Damit übernahm gleichzeitig das Militär die Federfüh- Wostok und Mercury zu folgen. Dieser Gedanke wur- rung, zumal die zivilen wissenschaftlichen Institutionen de erstmals 1966 im Rahmen einer Fachkonferenz der keinen Zugriff auf deren Trägertechnologie besaßen. Chinesische Akademie der Wissenschaften aufgegriffen. Kaum einen Monat später, so hoffte man, würde ein Am Rande des zweimonatigen Gipfeltreffens, welches Hund auf einem suborbitalen Flug ins All gelangen kön- zur Festlegung des chinesischen Raumfahrtprogramms nen und nach der Fertigstellung eines Lebenserhaltungs- für die folgenden zehn Jahre initiiert wurde, stellte sich system sollte, ebenfalls noch im gleichen Jahr, ein Affe als dem ausgewählten Wissenschaftlerkreis auch die Frage, Vorhut eines Menschen folgen. ob und inwieweit ein eigener bemannter Raumflug von In jene Zeit fiel Maos Kulturrevolution. Der staatliche Ter- Nöten sei. Die gesamte Konferenz brachte als Ergebnis ror traf auch führende Köpfe des Raumfahrtprogramms. ihrer Arbeit einen gerade mal 20 Seiten umfassenden Es ist unklar, inwieweit die Entwicklungen tatsächlich ge- Bericht hervor. diegen waren. Jedenfalls befand sich das Equipment für Bereits enthalten wa- den chinesischen Laika-Flug zu jenem Zeitpunkt bereits ren Konzepte wie etwa auf den Weg ins Kosmodrom Jiuquan. Das gesamte Pro- die einer kleinen Kapsel jekt wurde zwar nicht gestoppt, eingedenk der staatli- im Stil des sowjetischen chen Repression kam es jedoch zu keinem solchen Flug. Pendants Wostok, bis Der Entwurf für das spätere Raumschiff konnte im Sep- hin zu einem eigenen tember 1967 fertiggestellt werden. Es sollte sich nun- astronautix.com kleinen Raumgleiter. Der mehr um eine vielseitige Plattform handeln, die statt mit FSW-Kapsel beim Flug im All. 2003 spacexpress chronik 119 Schwerpunktthemen China im All

einem Menschen auch offizielle mit Kamerasystemen Projekt 714 Bezeichnung: oder einem Nuklear- sprengkopf bestückt inoffizielle Shuguang Yi Hao werden konnte. Mit dem Bezeichnung: („Morgenröte“) Befehl der Führung im Hersteller: chinesische Luftwaffe April 1968, die Arbeiten wieder im vollen Um- Gesamtmasse: 1,8 t fang aufzunehmen, wur- Länge: 4,6 m de das gesamte Projekt militärischen Instituten max. Durchmesser: 2,2 m übergeben. Beteiligte Einzelmodule: 1 Wissenschaftler, Tech- niker und Ingenieure Crew: 1 wurden kurzerhand in Treibstoffmasse: 4.146 kgf Uniformen gesteckt. Es ist davon auszugehen, max. Brenndauer 280 s dass bis Anfang 1970 (prim. Triebwerk): die wesentlichen Subsy- max. Delta v: 340 m/s Yuhangyuan im Shuttle-Skaphander, steme für ein bemanntes Datum unbekannt. Raumschiff existierten. Stromversorgung: Silber-Zink-Batterien Dieses erhielt den Na- men Shuguang („Morgenröte“), wobei keine weiteren offizielle Projekt 921-1 technischen Daten bekannt wurde. Alle Angaben in der Bezeichnung: bekannten Literatur darüber sind also rein spekulativ. inoffizielle Shenzhou Am 1. Mai selbigen Jahres erklärte Mao großmündig, Bezeichnung: („Göttliches Schiff“) der nächste ruhmreiche Schritt seines Landes sei nun der bemannte Weltraumflug. Am 5. Oktober begann SAST (Shanghai Academy of Agentur: unter Guo Rumao, dem Leiter einer Forschungsanstalt Spaceflight Technology) der chinesischen Luftwaffe, die Auswahl von Aspiranten SAST (Shanghai Academy of für eine solche Mission. Die Kriterien orientierten sich Hersteller: Spaceflight Technology) an denen der Sowjets und Amerikaner Ende der 50’er, wobei wiederum nur erfahrene Piloten in Betracht ge- Gesamtmasse: 7,8 t zogen wurden und eine „saubere“ Parteiakte obligato- Länge: 8,65 m risch war. Bis 1971 wurden 19 zukünftige Yuhangyuans rekrutiert. In der Gunst der Staatsführung wurde für maximaler 2,80 m diese sogar ein eigenes Trainingszentrum geschaffen und Durchmesser: 500 Luftwaffenangehörige wurden zum Betrieb dessen Spannweite: 19,40 m abgestellt. Die Ressourcen waren jedoch stets knapp: Trainingsgerät wurde aus Turnhallen verschiedener Einzelmodule: 3 Schulen ausgeliehen und dem gesamten Raumfahrer- Crew: 3 oder 4 korps stand genau ein PKW und ein Telefon zur Ver- fügung. Der Befehl zur Schaffung dieses Zentrums bei Solarpaneele: 4 (24 m²+12 m²) = 1,3 kW Beijing, von Mao höchstpersönlich angeordnet, wurde festgehalten als das eigentlich „Projekt 714“. Dieser Titel wurde damit verworfen. Schlimmer noch: die Zahl „714“ wurde dem gesamten Vorhaben letztlich zum Verhäng- bezeichnete im trockenen Politjargon jener Jahre den nis. Nach dem mysteriösen Tod des Verteidigungsmi- Fall einer bewaffneten Revolte, und unglücklicherweise nisters Lin Biao am 13. September 1971 witterte Mao erhielt das Taikonautenprogramm eben diese Bezeich- eine Verschwörung. Er sah im Flugzeugabsturz Lins den nung. Groteskerweise wurde deshalb genau an dieser Versuch der Flucht in die UDSSR. Eine neuerliche Säu- Stelle – welch absurde Anekdote staatlicher Paranoia! berungswelle brach herein. Das Raumfahrtprogramm – eine Verschwörung vermutet. verlor alsbald einige führende Köpfe. Das Ziel eines bemannten Raumfluges noch vor Ende des Jahres 1973 Was folgte, war der schrittweise Entzug von Ressour- 120 spacexpress chronik 2003 cen und des Personals. Improvisieren war angesagt: ein ne neuartige, leistungsstarke Trägerrakete wurde schon Trainingsmodell des Raumschiffes musste vom übrig 1993 gestrichen. Statt dessen entstand, quasi nach dem gebliebenen Personal des Projekts selbst angefertigt Baukastenprinzip, die CZ-2F auf Basis des bewährten werden und „Weltraumnahrung“ wurde eigenhändig CZ-2E („Langer Marsch“). Im gleichen Zuge wurde ein in Zahnpastatuben gefüllt. Erst mit zeitlicher Verzöge- neues Flugleitzentrum im Nordosten Beijings für die Be- rung erging die Anordnung, das Zentrum im Mai 1972 lange bemannter Raumflüge erbaut.Der entscheidende letztlich ganz aufzulösen. Einige Institute befassten sich Schritt zur Realisierung all jener Pläne war ein im März weiterhin mit Forschungen auf diesem Gebiet. Es ent- 1995 mit Russland geschlossener Kooperationsvertrag. standen Raumanzüge und Lebenserhaltungssysteme für Der Ausverkauf der Raumfahrt des einstigen Feindes nie geflogene Missionen. Einziges Überbleibsel all diese ermöglichte den Erwerb des Navigations-, Lebenser- Bemühungen war der Erststart eines rückführbaren haltungs- und androgynen Kopplungssystems des Sojus- Satelliten unter dem Namen FSW-0 (Fanhui Shei We- Raumschiffes sowie des Sokol-Skaphanders. Ob auch ixing) am 26. November 1975 – sechs Jahre nach dem die Blaupausen des gesamten Raumschiffes gekauft wur- ursprünglich veranschlagten Termin. den, ist unbekannt. Auffallend ist freilich die Ähnlichkeit des chinesischen Shenzhou-Raumschiffes („Göttliches Noch ungeklärt sind die Vorgänge in den darauf fol- Schiff“) zum Sojus-Gerät, wobei beide Konzepte in ihrer genden Jahren: im Februar 1978 verkündeten die Staats- bestechenden Ähnlichkeit einem logischen Konzept fol- medien, dass ein bemannten Raumfahrtprogramm in gen und gleichsam Unterschiede aufweisen. Zeitweise vollem Gange sei. Wirkliche Belege gab es hierfür nie. weilten 1996/97 auch zwei Chinesen für etwa ein Jahr Im Januar 1980 tauchten dann erstmals Fotos von Tai- im russischen Kosmonautenausbildungszentrum „Juri konauten im Raumflugsimulator auf, den man mit einiger A. Gagarin“ im Sternenstädtchen bei Moskau. Sie fun- Phantasie als Cockpit eines Shuttles identifizieren kann. gierten fortan als Ausbilder eines insgesamt zwölfköp- Der Knackpunkt: zu jenem Zeitpunkt existierte schon figen Taikonautenkorps. Das Mockup des Raumschiffes lange kein Taikonautenkorps mehr und die Entwicklung konnte schließlich im Mai 1998 vollendet werden und eines Raumgleiters war niemals Gegenstand der Ent- nach vier erfolgreichen unbemannten Testflügen kam wicklungsarbeiten gewesen. Die Indienststellung einer es schließlich zur chinesischen Kosmospremiere im Ok- kleinen Flotte von Bergungsschiffen und die widersprüch- tober 2003. Ein jahrzehntelanger Weg fand damit sein lichen Angaben seitens der Chinesen nährte im Westen Ende im Erdorbit. Doch der Blick der Chinesen reicht noch weiter...

Yuanwang 1 das erste chinesische Bahnverfolgungsschiff.

den Irrglauben, es stünde tatsächlich ein bemannter Flug bevor. Bekanntlich fand ein solcher nicht statt. Erst das „Nationale bemannte Raumflugprogramm“ – alias „Projekt 921“ – führte die Chinesen auf stei- Chinsesisches Mondlande-Szenario im Modell. nigem Weg zum Erfolg. Inhalt war die Schaffung einer Raumkapsel in Anlehnung an frühere Studien und das bewährte Design des russischen Pendants Sojus sowie Ein Beitrag von Felix Korsch. die Entwicklung einer kompatiblen Trägerrakete bis ins Der Autor, 17, ist Schüler am Ostwald-Gymna- Jahr 2000 (921-1), später auch der Betrieb einer kleinen sium in Leipzig. Schon seit Jahren interessiert Raumstation (921-2) und schließlich ein eigener Raum- er sich für die Raumfahrt. Er ist Mitglied der gleiter (921-3). Die Entwicklung eines eigenen Shuttles Dt. Raumfahrtausstellung in Rautenkranz und Redak- wurde alsbald aus Kostengründen auf Eis gelegt. Auch ei- teur bei Raumfahrer.net.

2003 spacexpress chronik 121 Schwerpunktthemen NASA-Programm zur Erforschung des Sonnensystems

Flaggschiff zu neuen Horizonten

Von dieser strengen Vorgabe gab nur eine Ausnahme: die Raumsonde Cassini/Huygens, die zum Zeitpunkt des

NASA Mars Observer Vorfalls schon fast fertig war. Sie war noch eine der klassischen Großraumsonden. 15 Jahre Planung und Bau, drei Milliarden Dollar teuer, sechs Ton- nen schwer und mit nicht weniger als 19 Experimenten ausgerüstet. Gestartet wurde sie am 15. Oktober 1997, und sie wird im Juni nächsten Jahres den Saturn errei- chen.

Discovery-Missionen Als erstes Raumfahrzeug des neuen Missionstyps ging am 17. Februar 1996 die Raumsonde NEAR auf die Die Sonde Mars Observer veschwand spurlos im All. Reise, und sie war ein grandioser Erfolg. Ein naher Vorbeiflug am Asteroiden 253 Mathilde im Januar 1997. In ihrer wechselvollen Geschichte von Triumphen und Fast das Scheitern der Mission, als zwei Jahre darauf Tragödien wird die NASA den 21. August 1993 stets als das Einschwenken in den Orbit um den Asteroiden einen ihrer dunkelsten Tage in Erinnerung behalten. Nur 433 Eros misslang. Der zweite Versuch, am 14. Januar 72 Stunden bevor der milliardenteure Mars Observer in 2000 schließlich erfolgreich. Nach mehr als einjähriger eine Umlaufbahn um den Roten Planeten einschwenken Orbitmission gelang dann am 12. Februar 2001 sogar die sollte, verschwand er spurlos im Weltraum und meldete Landung auf EROS. sich nie wieder.

Kurz darauf trat ein sichtlich 1 erschütterter NASA-Admi- NASA nistrator Dan Goldin vor die Presse: Raumsonden vom Typ „Battleship Galactica“, wie er es grimmig nannte, werde es künftig nicht mehr geben. Es könne doch wohl nicht sein, dass eine Welt- Ex-NASA-Administra- raummission erst Jahr- tor Dan Goldin. zehnte lang geplant werde und Kosten von mehr einer NASA Milliarde Dollar verursache, nur um sich dann spurlos in 2 die Weiten des Weltraums zu verabschieden. Mit Fehlschlägen sei in der Raumfahrt immer zu rech- nen. Man dürfe aber nicht alle Eier in einen Korb legen. Sprach‘s, und tat sein neues Mantra kund: „Better, cheaper, faster“. Besser, billiger und schneller. Keine Raumsonde dürfe ab jetzt mehr als 350 Millionen Dollar kosten, so seine Anweisung. Die NASA erstellte eine komplett neue Strategie, der sie den Titel „Solar System Exploration Programme“ gab. Darin gibt es zwei separate Missionsstränge. Zum einen die Missio- nen zum Planeten Mars, zum anderen die so genannten 1: NEAR in der Nähe des Astereoiden EROS. „Discovery-Missionen“ zu allen anderen Destinationen 2: Die Aufschlagsstelle von NEAR auf EROS. im Sonnensystem. 122 spacexpress chronik 2003 Als fünfte Discovery-Mis- NASA sion startete „Genesis“ am NASA 8. August 2001. In einem so genannten Halo-Orbit um den Librationspunkt 1, 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, öffnete das Raumfahrzeug einen Partikel-Kollektor, mit des- Mars-Rover Sojourner, noch auf der Landesonde sen Hilfe sie noch bis zum April 2004 Material aus In den Augen der Öffentlichkeit ein womöglich noch dem Sonnenwind einfan- größerer Triumph war die Mission von „Mars Pathfin- gen wird. Im September der“, gestartet am 4. Dezember 1996. Pathfinder war 2004 soll Genesis eine die einzige Marsmission im Rahmen des Discovery- Rückkehrkapsel ebenfalls „Stardust“ beim Kometen P/Wild 2 – Programms, und ihre Hauptaufgabe bestand darin, ein über der Utah Test und künstlerische Darstellung. neues Landekonzept zu testen und erstmals einen Rover Training Range absetzen. auf dem Mars zu erproben. Die Landung erfolgte am 4. Die Raumsonde „Con- Juli 1997, und zwei Tage später rollte der Rover Sojour- tour“ war der bislang ein- ner von der Rampe der Landesonde. NASA zige Fehlschlag in diesem Programm. Gestartet am 3. Juli 2002 um die Ko-

NASA meten Encke, Schwass- mann-Wachmann 3 und d‘Arrest unter die Lupe Raumsonde „Genesis“ – zu nehmen nahm sie ein künstlerische Darstellung. unglückliches Ende. Am 15. August 2002 sollte der Feststoffmotor der Sonde gezündet werden, um „Contour“ auf seine endgültige Bahn zu bringen. Dabei kam es zu einer Explosion an Bord des Fahrzeugs, und die Raumsonde zerbrach in mehrere Teile.

Lunar Prospector – künstlerische Darstellung. NASA Die dritte Discovery-Mission war der kleine „Lunar Pro- spector“, die erste amerikanische Mondmission nach 25 Jahren. Sein Start erfolgte am 6. Januar 1998. Fünf Tage später schwenkte er in eine Umlaufbahn um den Mond ein. Auch er war in seiner 22-monatigen Dienstzeit höchst erfolgreich, denn er lieferte die ersten Hinweise über mögliche Wasservorkommen auf dem Mond. Am 7. Februar 1999 ging „Stardust“ auf die Reise zum Kometen P/Wild 2, aus dessen Schweif die Raumsonde eine Staubprobe entnehmen und mit zur Erde bringen soll. Der Vorbeiflug am Nukleus des Kometen, in nur 150 Kilometern Entfernung, erfolgte am 2. Januar 2004. Seitdem ist „Stardust“ wieder auf dem Weg zurück zur Erde. Am 15. Januar 2006 wird sie über der Wüste von Utah eine Landesonde aussetzen, die den eingefange- nen Kometenstaub zur Erde bringt. „Contour“ – künstlerische Darstellung.

2003 spacexpress chronik 123 Schwerpunktthemen NASA-Programm zur Erforschung des Sonnensystems NASA NASA

Das „Deep Impact“-Projektil schlägt auf Tempel 1 ein. „Messenger“ nähert sich Merkur – künstlerische Darstellung.

Alles in allem aber ist das Discovery-Programm höchst New Horizons erfolgreich, und die NASA wird es weiter führen. Neue Das Discovery-Programm war und ist höchst erfolg- Discovery-Raumsonden werden bereits in Kürze auf reich. Es zeigte aber auch seine Grenzen auf. Extrem die Reise geschickt. „Deep Impact“ im Januar 2004 anspruchsvolle, lang dauernde und komplexe Missionen wird eine Einschlagsonde zum Kometen Tempel 1 brin- sind mit einer finanziellen Demarkationslinie bei 350 gen. „Messenger“ wird im August nächsten Jahres zum Millionen Dollar nicht durchführbar. Für manche For- Merkur aufbrechen. schungsflüge ist ein ganzes Orchester von Apparaturen „Dawn“ wird sich notwendig, um Messungen in den richtigen Kontext zu

mit einem Ionenan- NASA stellen. Das ist mit den im Schnitt nur 3-5 Instrumenten, trieb im Mai 2005 die Discovery-Raumsonden aus Kostengründen typi- auf den Weg zu den scherweise tragen, nicht immer möglich. Asteroiden Ceres und machen Und nachdem die NASA auch in anderen Programmen und „Kepler“ ist als erkennen musste, dass „schneller“ und „billiger“ keines- erstes Raumfahr- wegs auch automatisch „besser“ ist, und nachdem auch zeug dafür ausge- Dan Goldin die NASA verlassen hatte, war die Chance rüstet, erdähnliche für einen neuen Missionstypus in der Erforschung des exosolare Planeten Sonnensystems gegeben. Ihr Name: „New Horizons“. aufzuspüren. „Kepler“ – künstlerische Darstellung. New Horizons-Missionen müssen schwierige astro- nautische Aufgabenstellungen bewältigen. Sie sind in jedem Einzelfall „cutting- edge-technology“, wie

NASA die Amerikaner sagen: Technologie am Rande des Machbaren. Un- begrenzt teuer dürfen allerdings auch sie nicht sein. Ihre Kostengrenze liegt bei 700 Millionen Dollar. Damit kann sich auch die mächtige NASA nicht jedes Jahr eine lei- sten. Während man bei den Discovery-Missionen davon ausgeht, dass min- destens alle 18 Monate „Dawn“ im Astereoiden-Gürtel – künstlerische Darstellung. ein Raumfahrzeug dieses Typs in die Weiten des

124 spacexpress chronik 2003 Sonnensystems aufbricht, rechnet die NASA damit, Folge Karten und Spektra anfertigen. Der geschäftigste dass New Frontier Missionen nur etwa alle drei Jahre Teil des ganzen Fluges aber wird nur einen vollen Erdtag durchgeführt werden. dauern. Die Konzepte für die ersten fünf Raumfahrzeuge liegen Dann rast der Pluto-Kuiper Belt Explorer in einer Ent- schon mehr oder weniger fest. Noch nicht klar ist die fernung von nur 6000 Kilometern am Pluto und in einer Reihenfolge ihrer Starts, mit einer Ausnahme, dem… Entfernung von 27.000 Kilometern an Charon vorbei. Während der dreißig Minuten in denen das Raumfahr- zeug Pluto und seinem Mond am nächsten ist werden Pluto-Kuiper Belt Explorer Bilder im sichtbaren und im Infrarotbereich gemacht. Die Auflösung wird dabei 60 Meter pro Bildelement Als bislang einziges New Horizon Raumfahrzeug be- betragen. findet sich der „Pluto-Kuiper Belt Explorer“ bereits in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium. Sein Nach dem Vorbeiflug wird sich die Sonde ausschließlich Ziel ist die erste Erkundung des Planeten Pluto, seines auf die Objekte des Kuiper-Gürtels konzentrieren und Mondes Charon sowie der geheimnisvollen Objekte des noch jahrelang Daten über diese geheimnisvollen Klein- Kuiper-Gürtels. welten zur Erde übermitteln. Der Pluto-Kuiper Belt Explorer wird im Januar 2006 an Lunar South Pole – der Spitze einer Atlas 5 starten. Diese mächtige Rakete Aitken Basin Sample Return Mission gibt der Sonde eine so gewaltige Fahrt mit, dass sie nur In diesen Tagen läuft die zweite Ausschreibung im Rah- 13 Monate später, im Februar 2007 den Jupiter erreicht. men des New Horizon Programme. Aus den verblie- Dort nutzt die Sonde die ungeheure Schwerkraft des benen vier Programmvorschlägen der NASA steht der Riesenplaneten um zusätzliche Geschwindigkeit zu ge- Nächste zur Verwirklichung an. Eine ganze Anzahl von winnen. Dabei nimmt sie auch den Jupiter selbst und Firmen werden der NASA am 1. Februar ihre Angebote einige seiner Monde genauer unter die Lupe. Viel Zeit ist vorlegen. Und momentan sieht es nach einem leichten dafür aber nicht, denn die Sonde durchrast das System Vorteil für die Mission mit dem sperrigen Namen aus: des Jupiter mit mehr als 50.000 Kilometern pro Stunde. der „Lunar South Pole – Aitken Basin Sample Return Nun kommen sieben ruhige Jahre für die Sonde. Mission“. Zwölf Monate bevor sie ihr Ziel erreicht richtet der Automatische Landungen und die Bergung von Mond- Pluto-Kuiper Belt Explorer seine Kameras auf sein Ziel. material waren vor Jahrzehnten eine Spezialität der frü- Zunächst werden nur Helligkeitsänderungen auf der heren Sowjetunion. Luna 16 führte die erste robotische Oberfläche erkennbar sein. Aber etwa drei Monate vor Sample-Mission im Jahre 1970 durch. Sie verbrachte 26 der Ankunft, wenn die Sonde weniger als 100 Millionen Stunden auf dem Mond und startete dann zurück zur Kilometer von Pluto entfernt ist, werden die ersten Erde. Die letzte dieser Sonden war Luna 24 im Jahre Oberflächendetails sichtbar. 1976. Im Juli 2015 erreicht der Pluto-Kuiper Belt Explorer Die Südpol-Sample-Return Mission wird aber tech- schließlich Pluto und seinen Mond Charon. nologisches Neuland betreten. Nach der Landung In den letzten beiden Pluto-Tagen vor dem Vorbeiflug, wird ein mit Plutonium betriebener Rover großer das sind 11 bis 12 Erdtage, wird das Team in schneller Einsatzreichweite und weit reichender Fähigkeiten auf die Mondoberfläche rollen. Dieser Rover wird Mona- te, womöglich Jahre im Einsatz sein, und Dutzende,

NASA vielleicht sogar hunderte von Kilometern zurücklegen. Dank eines Relaissatelliten in einer Mondumlaufbahn wird der Rover auch Abstecher auf die Mondrückseite unternehmen können und trotzdem mit der Erde in Verbindung bleiben. Dieser Mission wird aus zwei Gründen große Bedeu- tung zugeordnet: Zum einen bietet sie die Gelegenheit für die noch komplexere Mars-Sample-Return-Mission Erfahrungen zu gewinnen, zum anderen ist das Aitken- „Pluto-Kuiper Belt Explorer“ – künstlerische Darstellung. Becken am Mondsüdpol von besonderer wissenschaft-

2003 spacexpress chronik 125 Schwerpunktthemen NASA-Programm zur Erforschung des Sonnensystems

licher Bedeutung. Hier können möglicherweise wichtige liegt bei weniger als 50 Grad. Dann ist Zeit, in einem Fragen zur Entstehung des Sonnensystems und des Mikro-Labor eine Detailanalyse des gefundenen Mate- Erde-Mond-Systems gelöst werden. rials durchzuführen. Der in hohem Maße autonome Rover wird das Mond- Gleichzeitig setzt die Sonde ihre Mission nun als Ballon- material vor Ort untersuchen. Er nimmt Altersbestim- Aufklärer fort und lässt sich in der Atmosphäre der mungen vor und macht chemische Analysen. Von den Venus treiben, unternimmt atmosphärische Messungen interessantesten Mineralien und Gesteinen wird er Pro- und macht möglicherweise auch Aufnahmen von der ben entnehmen und sie zur kombinierten Lande- und Oberfläche mittels eines Radars. Die technische Anfor- Aufstiegsstufe zurück bringen. derung in der Höhe sind nun nicht mehr die Hitze und der Druck, sondern die extrem aggressive Atmosphäre. Etwa ein Jahr nach der Landung wird die Rückkehrstufe Sie besteht dort nämlich aus konzentrierter Schwefel- mit etwa 10 Kilogramm ausgewählter Proben zur Erde säure. starten. Der Rover dagegen setzt seine Mission fort.

Comet Surface Sample Return Mission Jupiter Polar Orbiter and Deep Probes Mission Ebenfalls eine schwierige Mission, die vor allem enor- Diese Mission erinnert in ihren Grundzügen an die me Anforderungen an die Fähigkeit zu Geschwindig- äußerst erfolgreiche Galileo-Mission. Während des keitsänderungen stellt. Diese Mission ist auf einen Anflugs zum Jupiter wird das Raumfahrzeug drei At- leistungsfähigen Ionenantrieb angewiesen und benötigt mosphärensonden freigeben, die „Deep Probes“, die Nuklearenergie. Ziel ist die Landung auf dem Kern eines sich simultan aber weit voneinander entfernt in die Ju- Kometen. Dies muss in seiner inaktiven Phase gesche- piter-Atmosphäre stürzen. Sie werden in der Lage sein, hen, also weit außerhalb des Asteroidengürtels. wesentlich tiefer in die Atmosphäre einzudringen, als die Atmosphärensonde, die Galileo im Dezember 1995 Die Sonde bleibt eine Weile auf diesem Kometen, absetzte. Sie werden auch noch bei Temperaturen von möglicherweise mehrere Jahre, während dieser in Rich- über 500 Grad Celsius und bei Drücken von über 100 tung inneres Sonnensystem stürzt. In der Zeit werden bar arbeiten können. Bodenanalysen gemacht und Proben im Gesamtgewicht von einem Kilogramm in einer Rückkehrkapsel verstaut. Das Mutterfahrzeug selbst bringt sich dann in eine pola- re Umlaufbahn um den Riesenplaneten und wird dann in Bevor der Komet aktiv zu werden beginnt verlässt ihn einer mehrjährigen Forschungsmission Magnetosphäre die Sonde wieder und begibt sich auf den Rückweg zur und die Atmosphäre des Jupiter untersuchen. Erde. Kurz bevor die Erde erreicht ist, gibt die Sonde die Landekapsel frei, die dann auf der Erde niedergeht und geborgen wird. Neben den enormen astronautischen Anforderungen Die Durchführung der „Venus In Situ Explorer-Mission“ an diese Mission gibt es noch ein weiteres Problem: Die wollte sich die NASA eigentlich erst um das Jahr 2015 Materialprobe sollte bei möglichst niedrigen Tempera- leisten, zu groß schienen ihr derzeit die technischen turen zur Erde gebracht werden. Am besten mit der Probleme für die Verwirklichung. Inzwischen drängt Temperatur, die sie auf dem Kometen selbst hatte, also aber eine wachsende Gemeinde von Wissenschaftlern bei etwa minus 230 Grad Celsius. Die Jahre dauernde darauf, diese technisch extrem anspruchsvolle Mission Reise ins innere Sonnensystem zur Erde und vor allen vorzuziehen und möglicherweise schon als dritte „New Dingen die Landung auf der Erde selbst, wobei sich das Horizon“-Mission zu starten. Äußere der Sonde auf mehrere tausend Grad aufheizt, stellen hier große Anforderungen an die Technik. Das gegenwärtige Missionsszenario sieht eine Landung auf der Oberfläche der Venus vor. Die Oberflächen- temperatur beträgt dort ca. 500 Grad Celsius und der Flaggschiff zu neuen Horizonten Druck über 90 Bar. Innerhalb von ein- bis zwei Stunden nach der Landung sollen Bodenproben entnommen Nachdem man schon die Finanzvorgabe von 350 Mil- werden. Dann bläst die Sonde einen Stratosphären- lionen Dollar im Discovery-Programm gekippt, und ballon auf, der sie in die höheren Schichten der Atmos- sich durchgerungen hatte, Missionen von bis zu 700 phäre bringt: etwa 50 Kilometer hoch. Dort beträgt der Millionen Dollar zuzulassen, war es nur noch ein kleiner Druck nur wenige Atmosphären und die Temperatur Schritt zur Erkenntnis, dass es auch Missionen geben 126 spacexpress chronik 2003 könnte, die selbst diese Kostenvorgabe übersteigen. den in den leistungsfähigsten Ionen-Antrieb aller Zeiten Diese Missionen bezeichnet die NASA als „Flagship-Mis- fließen, mit Triebwerken auf der Basis des Hall-Effektes. sions“, nichts anderes als die Reinkarnation von Goldins Dieser Ionen-Antrieb wird JIMO aus der Erdumlaufbahn „Kampfstern Galactica“. Der Preis der „Flagships“ ist heraus zum Jupiter bringen und es dort ermöglichen, nach oben offen, und per Definition legte die NASA dass die Sonde nacheinander in Umlaufbahnen um Cal- fest, dass sie sich im Schnitt alle 10 Jahre eine solche listo, Ganymed und Europa einschwenkt. Supersonde leisten kann. Das erste Flaggschiff befindet sich schon in intensiver Auf den Geschmack gekommen Vorbereitung. Es heißt JIMO, „Jupiter Icy Moon Or- biter“. Der Start in Richtung Jupiter soll im Jahre 2011 Mit diesem Angebot sind die Wissenschaftler auf den erfolgen, ein allerdings recht optimistischer Termin, Geschmack gekommen. Bei der NASA wurde vom angesichts der technischen Durchbrüche, die bis dahin Forschungsbeirat nämlich für die Zeit nach 2015 bereits noch geschafft sein wollen. JIMO ist Forschungs- und Interesse an zwei weiteren Großmissionen angemeldet, Technologiemission zugleich. In ihr sollen erstmals dem „Titan Explorer“ und der „Neptun Orbiter/ alle Programmbestandteile des Projektes Prometheus Triton Lander-Mission“. erprobt werden. Im Rahmen dieses Technologiepro- Der Titan Explorer soll nicht nur die Monde und Ringe grammes werden nuklear-elektrische Energieversor- des Saturn-Systems eingehend unter die Lupe nehmen, gungs- und Antriebssysteme entwickelt. Diese Systeme und eine Sonde in der Atmosphäre des Saturn platzie- erlauben Instrumente von bisher nie gekanntem Ener- ren, er soll sich vor allen Dingen intensiv dem Mond Titan giedurchsatz und Flugbahnen, die mit herkömmlichen widmen. Zu diesem Zweck wird dort eine Art Luftschiff chemischen Antrieben unmöglich sind. abgesetzt, das in der Lage ist, wiederholte Landungen Der „Jupiter Icy Moon Orbiter“ wird ein wahrer an den verschiedensten Stellen dieses Mondes durch- Raumsonden-Gigant sein. Mehr als 20 Meter lang, über zuführen, und intensive Analysen des Bodens und der 20 Tonnen schwer. Er wird mit einem Fissions-Reaktor Atmosphäre durchzuführen. Das andere Robotschiff ausgerüstet sein, der für die wissenschaftliche Nutzlast ist der „Neptun Orbiter/Triton-Lander“, eine große bis zu 45 Kilowatt zur Verfügung stellt. Zum Vergleich Forschungsmission deren Muttersonde eine ausge- dazu verfügt die Raumsonde Cassini, eine Flaggschiff- dehnte, mehrjährige Tour im Mondsystem des Neptun Mission unserer Tage, nur über wenige hundert Watt unternehmen soll, die zwei Atmosphärensonden in die elektrischer Leistung. Weitere 50 bis 100 Kilowatt wer- Gashülle des Neptun entsendet, und eine dritte Sonde auf dem Neptunmond Triton absetzt. Diese beiden Missionen wer- NASA den bereits Ableger der JI- MO-Mission sein, denn dann sind die neuen nuklearen Strom- und Antriebsquellen ausgereift und voll einsatzfä- hig. Und dann gibt es schon Planungen für Robotsonden, die heute noch unerreich- bare Distanzen durchfliegen und völliges Neuland erfor- schen werden. Und auch dafür gibt es bei der NASA schon ein Projekt: Die „In- terstellar Probe“.

Ein Beitrag von Eugen Reichl.

Vor den nächsten Sternen wäre zunächst die „Heliopause“ ein interessantes Forschungsfeld für eine interstellare Raumsonde. 2003 spacexpress chronik 127 Schwerpunktthemen X-Prize X-Prize Foundation

Der X-Price: Geburtshelfer der privaten Raumfahrt

Der tragische Verlust des Space Shuttle Columbia könnte Scaled Composites würde man hierzulande als mittel- eine unerwartete Rolle in der Öffnung des Weltraums für ständischen Betrieb bezeichnen. Die Rutans bauen zwar alle Menschen spielen. Die staatlich geführten Programme Flugzeuge für jedermann, aber es sind keine Allerwelts- der bemannten Raumfahrt sind jetzt so geschwächt, dass Flugzeuge. Und manchmal bauen sie so ein Ding auch nur die Zeit für den Durchbruch von Privatunternehmen reif für sich selbst, so wie vor Jahren die „Voyager“. Das Flug- ist. Der X-Price bietet hier Starthilfe. Wer ihn erringt be- zeug in dem Dick Rutan und Jeannie Yeager im Jahre 1986 kommt Ruhm und Ehre. Und 10 Millionen Dollar. 25 Teams im Nonstop-Flug die Welt umrundeten. Sechs Tage und kämpfen derzeit darum. sechs Nächte in der Luft, ohne zu landen und aufzutanken. Vor einiger Zeit zogen sie wieder so ein Gerät aus dem Hangar. Ein großes, fragil aussehendes Vehikel. Den “White Die Gebrüder Rutan Knight“. Dieses Flugzeug öffnet das Tor zur privaten be- mannten Raumfahrt, denn es kann mit zwei Tonnen Nutz- 100 Kilometer nördlich von Los Angeles, im südöstlichen last über 15 Kilometer hoch fliegen. Und diese Nutzlast ist Kern County, am Rande der sonnenflirrenden Mojave das möglicherweise erste private Raumschiff der Welt, das Wüste liegt eine Kleinstadt der die Wüste ihren Namen „StarShip One“. gegeben hat: Mojave. Dieses Städtchen hat nur 3.700 Einwohner, protzt aber mit einem Flugplatz, der in seiner Ausdehnung dem Franz-Josef-Strauss Airport in München Peter Diamondis I nicht nachsteht. Dieser abgelegene Ort ist die Heimat ei- ner ganzen Reihe eigenbrötlerischer Luft- und Raumfahrt- Aus der Sicht von Dr. Peter Diamondis sind die Brüder Firmen. Eines dieser Unternehmen, die sich entlang der Rutan weniger innovative Unternehmer, als vielmehr Hauptrollbahn aufreihen, ist Scaled Composites LLC. Sie „Wettbewerber“ oder noch kürzer, eines der „Teams“. gehört den beiden Ex-Militärpiloten Dick und Burt Rutan, Diamondis ist Gründer und Vorsitzender der „X Prize und gilt in der Aerospace-Gemeinde als ein Tempel inno- Foundation“, einer Organisation, die es sich zum Ziel vativer Technologien und eigenwilliger Konstruktionen. Die gemacht hat, die private Raumfahrt zu fördern. Sie tut Firma der Gebrüder Rutan hat beispielsweise den Rumpf dies aber auf eine heutzutage völlig unübliche Weise. Die des „Delta Clipper“ gebaut, der ersten Rakete die senk- Grundidee von Peter Diamondis geht zurück in die ersten recht starten und auch wieder senkrecht landen konnte. Tage der Luftfahrt.

128 spacexpress chronik 2003 Die wichtigsten Wettbewerbsregeln Die bedeutendsten Entwicklungssprünge machte die Der Regeln des X-Price sind sehr einfach strukturiert. Nach Luftfahrt immer dann, wenn große Anreize vorhanden Hinterlegung von 1000 Dollar Teilnahmegebühr müssen waren. Das waren zum einen Kriege, in Friedenszeiten insgesamt 12 Vorschriften eingehalten werden. Hier die aber waren es die Geldpreise, die von großzügigen Magna- wichtigsten fünf. ten für das Erreichen von Erstleistungen gestiftet wurden. Der britische Zeitungs-Zar Lord Northcliffe vergab im 1. Die Raumfahrzeuge müssen privat finanziert und gebaut Oktober 1908 einen Preis von 1000 Pfund Sterling für werden. Regierungsorganisationen dürfen nicht teilneh- denjenigen, dem es als ersten gelänge, den Ärmelkanal men. Es darf kein Gerät benutzt werden, das ganz oder teil- mit einem Flugzeug zu überqueren. Zu diesem Zeitpunkt weise mit Regierungsgeldern entwickelt wurde. Ausnahme hatte noch kein britisches Flugzeug überhaupt den Boden von dieser Regel: Wenn dieses Gerät allen Teilnehmern am verlassen, und eine Überquerung des Kanals lag außerhalb Wettbewerb zu ähnlichen Bedingungen zugänglich ist. jeglicher Vorstellung. Im gleichen Jahr stiftete die Daily Mail 2. Das Schiff muss innerhalb von 14 Tagen zwei Flüge un- einen Preis von 10.000 Pfund für den ersten Flug zwischen ternehmen. Bei jedem der beiden Flüge muss mindestens London und Manchester. Eine Strecke von 300 Kilometern. eine Person auf eine Höhe von mindestens 100 Kilometern Mit beliebig vielen Zwischenlandungen, versteht sich. Und transportiert werden. Das Schiff muss die Kapazität haben, im Jahr darauf stifteten Champagner-Häuser wie Mumm, mindestens drei erwachsene Personen von 188 Zentime- Roederer, Veuve Cliquot und andere Preise für das Errei- tern Körpergröße und 90 Kilogramm Gewicht aufzuneh- chen neuer Rekorde bei den großen Flugwettbewerben in men. Wenn bei den Wettbewerbsflügen die Anzahl von Reims. Diese Magnaten gibt es heute nicht mehr. Aber es Personen an Bord kleiner ist als drei, muss für die fehlenden Der X-Price: gibt Leute wie Dr. Peter Diamondis. Und ihm ist es gelun- Personen Ballast befördert werden. Geburtshelfer der gen, aus unterschiedlichsten Quellen 10 Millionen Dollar aufzutreiben. Dieses Geld wird derjenige erhalten, dem es 3. Zwischen den beiden Flügen darf nicht mehr als 10 % der privaten Raumfahrt als erstem gelingt, mit einem privat gebauten Raumschiff Masse des Fahrzeugs ausgetauscht werden, mit Ausnahme drei Menschen an die Grenze zum Weltraum zu bringen des Treibstoffs. – mindestens 100 Kilometer hoch – und sicher wieder 4. Die Besatzung muss in zufrieden stellendem gesundheitli- zurück. Und es muss ihm gelingen, diese Tat innerhalb von chem Zustand von beiden Flügen zurückkehren. zwei Wochen mit demselben Vehikel zu wiederholen. 5. Spätestens dreissig Tage vor einem Rekordversuch muss der Bewerber um den X-Price dies dem Wettbewerbsko- Jim Benson mitee melden. Zusätzlich den Start- und den Landeort und das genaue Datum. Nicht weit von Mojave entfernt, in Poway, in Südkalifornien, hat die Firma Space Dev ihren Sitz. Ihr Gründer und Vorsit- Boeing oder Lockheed. Aber in diesem Fall besteht auch zender Jim Benson lässt dort Raumfahrtzubehör fertigen, nicht die Anforderung einen Erdorbit zu erreichen. Ziel hauptsächlich mechanische Teile, aber auch Avionik und sind 4000 Stundenkilometer und 100 Kilometer Höhe. Mikrosatelliten. Und er entwickelt Raketenmotoren. Auch Und dafür tut es auch ein schlichter Hybridmotor. Jim Benson hat einen Traum, genau wie die Gebrüder Rutan. Er hat die Firma erst vor sechs Jahren gegründet, weil er, wie er sagt, eine Vision hat. Er will der kommerziel- Der X-Price len Raumfahrt den Weg ebnen. Sein Slogan lautet „make commercial space happen”. Für das SpaceShip One der Der X-Price hat ein ganz erstaunliches Interesse gefunden. Gebrüder Rutan entwickelt SpaceDev den Raketenmotor. Nicht nur die Gebrüder Rutan, die zu den Wright Brothers Das ist keiner dieser ultrasensiblen, astronomisch teuren des Raketenzeitalters werden wollen, nehmen an diesem und hochgefährlichen Triebwerke die mit den extrem auf- Wettbewerb teil. Es haben sich bislang noch 24 weitere wändig herzustellenden kryogenen Treibstoffen arbeiten. Teams gemeldet, aus sieben Nationen. Unter diesen Teams Diese Dinger überlässt Jim Benson der darauf spezialisier- gibt es einige chancenlose Spinner, wie die Discraft Cor- ten Großindustrie. Jim Benson hat einen Motor entwickelt poration, die den Preis mit einer fliegenden Untertasse der mit Lachgas und Reifengummi läuft. Billig, völlig unge- mit Pulsdetonations-Antrieb gewinnen will. Manche fährlich, einfach in der Handhabung, nicht explosiv und werden sich an zu groß gestrickten Projekten überheben, man kann mit das Zeug bei Raumtemperatur bearbeiten. wie zum Beispiel die Lone Star Access Corporation mit ihrer Cosmos Mariner, ein Fahrzeug, so komplex, dass es Zugegeben, die Leistungsparameter dieses Motors, der sich nicht mal die NASA leisten könnte. Manche haben „spezifische Impuls“ wie die Fachleute sagen, liegen erheb- Außenseiter-Chancen, wie die beiden britischen Teams lich unter den Leistungen der Raketenmotoren von EADS, 2003 spacexpress chronik 129 Schwerpunktthemen X-Prize

von Bristol und Starchaser Industries und Die Gebrüder Rutan einige sind „gesetzt“, heiße Favoriten auf den Preis wie Im Mai haben die Rutans mit ihren Testflügen begonnen. zum Beispiel das Kanadische „Canadian Arrow“-Team, Zunächst kombinierte Flüge bei denen White Knight und und die – trotz des englischen Namens – russische Firma SpaceShip One verbunden blieben. Am 7. August began- „Suborbital Corporation“ oder eben die Gebrüder Rutan nen die Gleitflugversuche mit SpaceShip One. Dabei wur- mit ihrer Firma Scaled Composites. Und damit kommen de das kleine Raumschiff jeweils von der White Knight in wir zu dem Punkt, der Peter Diamondis wichtig ist. Dia- etwa 15.000 Metern Höhe ausgeklinkt. Der Gleitflug zum mondis liebt griffige Schlagworte und das passende hier Mojave-Flughafen dauerte dabei, je nach durchgeführten heißt „Affordability“. Private Raumfahrt wird es nur geben, Flugmanövern, zwischen 15 und 17 Minuten. Die ersten wenn man sie sich auch leisten kann. Natürlich könnte man beiden Flüge verliefen weitgehend problemlos, beim drit- sich für immer darauf beschränken, mit dem Shuttle in den ten Flug, am 23. September kam es zu einem gefährlichen Weltraum fliegen. Aber das Ding ist nicht nur gefährlich, Flugzustand, einem „Pitch hangover“ bei dem das Flugzeug es ist auch unpraktisch, fliegt extrem selten und jeder ein- in einem unkontrollierten Flugzustand festhing. Scaled zelne Flug ist vor allen Dingen astronomisch teuer. Peter Composites Testpilot Mike Melville, der schon die ersten Diamondis Ziel ist es, Raumfahrzeuge eines Tages einzu- beiden Freiflüge des SpaceShip One durchgeführt hatte, setzen wie Flugzeuge. Es darf nicht 5000 Menschen und 4 bekam das Flugzeug nach einer Weile aber doch wieder Monate Zeit und 500 Millionen Dollar an Geld erfordern, unter Kontrolle. Die Einführung der danach notwendigen ein Raumschiff für den nächsten Flug flott zu machen. technischen Änderungen an der Maschine dauerten aber Diamondis hat die heutigen Verkehrsflugzeuge vor Augen. fast einen Monat, so dass es erst am 17. Oktober wieder Sechs Leute können einen Airbus A 320 in 20 Minuten für zum nächsten Testflug kam. Am 4. Dezember wurde erst- den nächsten Flug herrichten. So meint er, muss das auch mals das gesamte Antriebssystem durchgecheckt, inklusive mit Raumfahrzeugen sein. des Oxidatorflusses durch die Ventile. Vom Boden aus machte das optisch schon den Eindruck, als hätte das Triebwerk gezündet. Inzwischen haben drei Piloten das Pete Diamondis II SpaceShip One im Gleitflugbetrieb erprobt: Mike Melvil- Die Schiffe, die sich um den X-Preis bewerben, haben le, Pete Siebold und Brian Binnie. Diese drei haben gute einen wesentlich einfacheren Job als der Space Shuttle. Chancen, die ersten zivilen Astronauten in der Geschichte Aber dafür werden sie auch von kleinen Teams entwickelt der Raumfahrt zu werden. und gebaut. Gruppen von 15, 20 oder 30 Leuten. Die Aber wir dürfen die anderen Bewerber um den X-Price Geschwindigkeit der X-Price Vehikel wird zwischen 3.800 nicht unterschätzen. Eine ganze Reihe von Teams bereitet und 4.500 Stundenkilometer betragen, abhängig von der ebenfalls schon die Wettbewerbsflüge vor, und vielleicht Starthöhe. Das ist etwa ein sechstel der Geschwindigkeit, gewinnt auch jemand anderes, und nicht die Gebrüder die der Shuttle braucht, um in die Umlaufbahn zu gelangen. Rutan. Interessant ist es aber schon, dass genau 100 Jahre Damit brauchen diese Raketen auch nur etwa ein sechs- nach den Gebrüdern Wright wieder ein Brüderpaar und undreissigstel der Energie, die der Shuttle für seinen Ritt in wieder ein paar talentierte Bastler und nicht die etablieren die Umlaufbahn braucht. Aber trotzdem fliegen sie fliegen Großkonzerne das nächste Jahrhundert des Menschenflu- in den Weltraum, wenn auch nur für wenige Minuten. ges einläuten. Peter Diamondis geht davon aus, dass in den „Incremental Steps“ nennt das Peter Diamondis. Wieder kommenden 12 Monaten eines der Teams den X-Preis ab- eines seiner Schlagworte. Wenn diese frühen Raumschiffe räumen wird. Wenn in diesem Jahr die Wettbewerbsflüge auch nur begrenzte Möglichkeiten haben, so werden sie stattfinden, wird sich das Bild klären. Es wird ein spannen- trotzdem wichtige Märkte bedienen. Sie sollen als Höhen- des Jahr in Mojave und anderswo. forschungsgeräte für wissenschaftliche Zwecke eingesetzt werden, sie sollen als Startstufe für Mini-Satellitenträger Ein Beitrag von Eugen Reichl. dienen, und somit den Universitäten einen preisgünstigen Zugang zum Orbit bieten, und sie sollen vor allen Dingen den Markt des Weltraumtourismus eröffnen. Original- Eine alphabetisch geordnete Auflistung der Teams . Raumflüge mit allem drum und dran. Raketenstart, Steigen Der Autor schätzt die jeweiligen Chancen so ein: mit einem Mehrfachen der Erdbeschleunigung, Schwerelo- sigkeit für drei, vier Minuten und schließlich den Rücksturz • Dunkelgrau: Chancenlos zur Erde: fast 100 Kilometer freier Fall, bis sich eine der • Hellgrau: Außenseiter teilweise exotischen Landevorrichtungen der Wettbe- • Weiss: Heißer Kandidat werbsvehikel öffnet. 130 spacexpress chronik 2003 Nr. Team Vehikel Start- und Landeverfahren Web-Adresse/Nationalität

1 Acceleration Engineering Lucky Seven Vertikaler Start vom Boden, Gesteuerter www.xprize.org/teams/ Parafoil zur vertikalen Landung badgero.html, USA 2 Advent Launch Services Advent Vertikaler Start aus dem Ozean, horizontale www.ghg.net/jimakkerman/, Landung im Gleitflug auf dem Wasser USA 3 Aeronautics and Cosmo- Orizont Vertikaler Raketenstart, Landung an einem www.xprize.org/teams/ nautics Romanian Ass. Fallschirm arca.html, Rumänien 4 American Astronautics Spirit of Vertikaler Start, Landung an einem Fallschirm www.xprize.org/teams/ Liberty ins Wasser americanastro.html, USA 5 Armadillo Aerospace Black Ar- Vertikaler Start, Landung an einem Fallschirm www.armadilloaerospace.com, madillo plus Bremsraketen USA 6 Ascender Horizontaler Start vom Flughafen, Horizontale www.bristolspaceplanes.com, Landung auf dem Flughafen Grossbritannien 7 Canadian Arrow Canadian Vertikaler Start, Vertikale Landung an einem www.canadianarrow.com. Arrow Fallschirm im Wasser Kanada 8 De León & Associates Gauchito Vertikaler Start, Landung an drei Fallschirmen www.pablodeleon.com, im Wasser Argentinien 9 Discraft Corporation The Space Horizontaler Start vom Flugplatz, Horizontale www.xprize.org/teams/ Tourist Landung auf dem Flughafen discraft.html, USA 10 Earth Space Transportati- Exo-Clipper Horizontaler Start, Horizontale Landung www.xprize.org/pdfs/ on Systems xprize_teamsummaries.pdf , USA 11 Flight Exploration The Green Vertikaler Start, Vertikale Landung am www.xprize.org/teams/ Arrow Fallschirm flight.html, Grossbritannien 12 Fundamental Technology Aurora Horizontaler Start vom Flugplatz, Horizontale www.funtechsystems.com, Systems Landung im Gleitflug auf dem Flughafen USA 13 IL Aerospace Technologies Negev 5 Aufstieg am Heliumballon, dann Raketenstart, www.xprize.org/teams/ Vertikale Landung am Fallschirm ilat.html, Israel 14 Interorbital Systems Solaris X Vertikaler Start, Horizontale Landung www.interorbital.com, USA 15 Kelly Space Noch ohne Schleppflug in große Höhe, dann Raketenstart, www.kellyspace.com, Namen Landung im Gleitflug USA 16 Lone Star Space Access Cosmos Horizontaler Start mit Turbojets, in großer www.lonestarspace.com, Mariner Höhe Raketenantrieb, Landung mit Turbojets USA 17 Micro-Space, Inc. Crusader X Vertikaler Start, Landung an einem Parafoil www.microspace.com, USA 18 PanAero SabreRocket Horizontaler Start, Horizontale Landung www.tour2space.com, (Umgebauter Business-Jet) USA 19 Pioneer Rocketplane Pioneer XP Horizontaler Start mit Turbojets, in großer www.rocketplane.com, Höhe Raketenantrieb, Landung mit Turbojets USA 20 Scaled Composites SpaceShip Start unter Trägerflugzeugs, In großer Höhe www.scaled.com, One Raketenstart, Landung im Gleitflug USA 21 Starchaser Industries Thunderbird Senkrechter Start, Landung an einem steuer- www.starchaser.com, baren Parafoil Grossbritannien 22 Suborbital Corporation Cosmopolis 21 Start auf dem Rücken eines Trägerflugzeugs, www.xprize.org/teams/ Feststoff-Rakete, Landung im Gleitflug cosmopolis.html, Russland

23 TGV Rocket MICHELLE B Vertikaler Start, Landung mittels Ballute und www.tgv-rockets.com, Raketenunterstützung USA 24 The Da Vinci Project Wild Fire Aufstieg unter einem Helium Ballon, Raketen- www.davinciproject.com, start, Landung mittels Ballute und Fallschirm Kanada 25 Vanguard Spacecraft Eagle Konventionelle dreistufige Rakete, Landung www.vanguardspace.com, der Passagierkapsel am Fallschirm USA

2003 spacexpress chronik 131 Schwerpunktthemen Weltraumtourismus

Touristenattraktion Schwerelosigkeit – künstlerische Darstellung. Weltraumtourismus Ausgedehnte Reisen von Touristen und Ge- Parabelflüge. Suborbitale Flüge mit einigen schäftsleuten auf dem Luft-, See- und Landweg Minuten Schwerelosigkeitserfahrung werden gehören mittlerweile zum Alltag. Im Gegensatz wahrscheinlich der nächste natürliche Entwick- dazu sind Reisen in den Weltraum bisher nur ei- lungsschritt des Weltraumtourismus sein. ner kleinen Gruppe von Astronauten vorbehal-

ten, die in staatlichen Programmen erstklassig Was sind suborbitale Flüge? trainiert werden. Die öffentliche Meinung dazu ist, dass dies nicht anders sein kann. Die Ent- Suborbitale Flüge für Touristen können definiert werden wicklung eines Weltraumtourismusgeschäfts als ein Ereignis, für das Kunden einen anfangs sehr hohen hat jedoch bereits begonnen; erste Schritte Preis zahlen (Schätzungen variieren zwischen $5000 sind z.B. Themenparks, Weltraumlager und und $1,1 Millionen), um auf einem ballistischen Flug in

132 spacexpress chronik 2003 einem Raumfahrzeug in den Weltraum zu gelangen Wie groß ist die Nachfrage nach suborbitalen Flügen? (100km Apogeehöhe), einige Minuten Schwerelosigkeit Obwohl noch keine verbindlichen Starttermine fest- erfahren und dann zur Erde zurückkehren ohne diese zu gelegt wurden, sind bei der größten Reiseagentur für umkreisen. Diese Weltraumausflüge sind sehr ähnlich zu Weltraumtourismus bereits 25 Tickets für suborbitale den Rundflügen mit Flugzeugen in den 20er Jahren, die Flüge zu $100 000 vollständig bezahlt und 130 suborbi- den ersten kommerziellen Luftfahrtmarkt bildeten. tale Flüge zu $6000 angezahlt. Marktstudien prognos- tizieren, dass die jährliche Nachfrage bei einem Ticket- Wie sieht der Reiseverlauf aus? preis von $100 000 bis zu 20 000 Passagiere betragen kann. Als Vergleich: Ein Tauchausflug zur Titanic kostet Ein suborbitaler Flug für Touristen besteht aus einem derzeit $36 000. einwöchigen Aufenthalt an einem Weltraumbahnhof. In den ersten drei Tagen findet ein Sicherheitstraining, Si- mulatorflüge, Parabelflüge und eine Fahrt in der Zentri- Wie groß ist das Angebot an Raumfähren? fuge statt. Am vierten Tag nimmt der Passagier an dem Weltweit wurden über 50 verschiedene suborbitale suborbitalen Flug teil, der abhängig von der Flugsequenz Raumfährenkonzepte für Weltraumtouristen vorge- ½ bis 3 Stunden dauert. Danach werden die sogenann- schlagen. Einige sind schon in der Testphase, andere sind ten „Astronaut Wings“ verliehen, als Auszeichnung für noch (oder für immer) in der Vorentwurfsphase. Die einen Aufenthalt im Weltraum. Die letzten Tage sind meisten Konzepte wurden in den USA und Russland gedacht, um die Eindrücke und neuen Erfahrungen mit- entwickelt, einige aber auch in Argentinien, Indien und einander auszutauschen. Rumänien. Der mit $10 Millionen dotierte „X Prize“ für die erste erfolgreich betriebene wiederverwendbare Welche Touristenattraktionen gibt es im Weltraum? suborbitale Raumfähre animiert insbesondere sehr klei- ne „start-up“ Unternehmen zu der Realisierung solcher Marktstudien haben gezeigt, dass die meisten Menschen Konzepte. im Weltraum „nur“ die Erde betrachten wollen. Es scheint eine besondere Faszination zu sein, die verschie- denen Länder ohne sichtbaren Grenzen vorbeigleiten Sind die geplanten Raumfähren wirtschaftlich? zu sehen. Auch den Weltraum zu betrachten ist ein Eine große Schwierigkeit ist dabei, Raumfähren so zu Genuss, da die Sterne viel klarer und heller ohne die konstruieren, dass sie wirtschaftlich und zuverlässig be- Atmosphäre dazwischen erscheinen. Weiterhin bietet trieben werden können, da die benötigte Technologie die Nahrungsaufnahme, z.B. Trinken von einer frei im sehr komplex ist. Wenn beim Losfahren mit dem Auto Raum schwebenden Wasserkugel ohne jegliches Gefäß, an der grün gewordenen Ampel der Motor plötzlich viel Experimentierfreude. versagt ist das vielleicht peinlich aber (meistens) un- gefährlich. Wenn bei einem Flugzeug beim Start ein Düsentriebwerk versagt reichen die übrigen Triebwer- ke aus um sicher zu starten, da man vorsichtshalber die Schubleistung sehr großzügig bemessen hat. Bei Raumfähren kann man sich den Luxus von Reserven leider nicht leisten. Jedes extra Kilogramm an Masse wird in der Raumfahrt sehr viel stärker durch höhere Betriebskosten „bestraft“ als in der Luftfahrt. Also sollte man, bevor man die Raumfähren produziert und betreibt, vorher schon einmal überprüfen, ob sie über- haupt wirtschaftlich fliegen können. Diese Überprüfung lässt sich am preiswertesten und schnellsten durch eine Computersimulation realisieren. Eine Untersuchung der wirtschaftlichen Realisierbarkeit durch Bestimmung der minimal notwendigen Flugscheinpreise für ein realisti- sches Szenario in naher Zukunft wurde durchgeführt. Die berechneten Flugscheinpreise variieren, abhängig vom jeweiligen System, zwischen $0,3 Million und Bristol Spaceplanes Ltd.

Raumfährenkonzept „Ascender“ – künstlerische Darstellung. 2003 spacexpress chronik 133 Schwerpunktthemen Weltraumtourismus

$1,1 Million. Um rentabel zu sein muß die momentan Zum Thema Weltraumtouris- praktizierte Verkaufsstrategie, Flugscheine für $100 000 mus wurden von Dr. Goehlich oder weniger anzubieten, geändert werden. zwei Bücher veröffentlicht, die bei www.Amazon.de unter Wann geht es endlich los? dem Suchbegriff „Space Tou- rism“ zu finden sind und dort Bereits 1969, nach dem Erfolg der Apollo-Mission, be- bestellt werden können. Wei- gann die Fluggesellschaft Pan Am unverbindliche Ticket- tere Informationen auch unter reservierungen für Mondflüge entgegenzunehmen, die www.robert-goehlich.de oder aber bis heute noch nicht stattgefunden haben. Jedoch in [email protected]. Anbetracht der seit einigen Jahren intensiven Forschung in den USA und der weiteren Kommerzialisierung der Raumfahrt erscheint ein Betrieb von wiederverwend- Ein Beitrag von Robert A. Goehlich. baren suborbitalen Raumfähren bis zum Jahr 2015 als Der Autor wurde 1975 in Berlin geboren, hat an der TU realistisch. Wer so lange nicht warten möchte, kann Berlin Luft- und Raumfahrttechnik studiert und promo- ähnlich wie die Multimillionäre Dennis Tito oder Mark viert. Seit vier Jahren beschäftigt er sich mit Weltraum- Shuttleworth, einen einwöchigen Aufenthalt in einer tourismus und hat dazu auch Forschungsaufenthalte Raumstation für $20 Millionen buchen. am Technion (Israel), University of Washington (USA), National Aerospace Laboratory (Japan) und Kourou Weltraumbahnhof (Franz. Guyana) gemacht. Seit dem 5. November bietet er an der Keio Universität in Japan eine Vorlesung „Weltraumtourismus“ an. Dies ist die weltweit erste regelmäßige offizielle Veranstaltung zu diesem neuen Thema. Anzeige

134 spacexpress chronik 2003 Das All für Alle – ein Traum wird wahr

In acht Tagen 120 Mal um die Erde – für 20 Mil- lionen Dollar ein wahrlich exklusives Vergnü- gen, dem ein spezielles Astronauten-Training im legendären Gagarin-Kosmonauten-Center in Moskau vorausgeht. Bereits 2005 soll die die erste rein private Weltraum-Mission SA-1 star- ten. An Bord einer Sojus TMA Rakete bringt ein erfahrener russischer Kosmonaut zwei Tou- risten zu einem fünftägigen Aufenthalt zur In- ternationalen Raumstation ISS.

Der Spezialist dafür ist „Space Adventures“, das einzige Sojus-Start: Weltraumtourismus mit Hilfe der russischen Raumfahrt. private Unternehmen, das bereits Erfolge im orbitalen Weltraum-Tourismus vorweisen kann. Es hat die ersten beiden erfolgreichen „Privatflüge“ der Millionäre Dennis Tito (April 2001) und Mark Shuttleworth (April 2002) in Zusammenarbeit mit der russischen Raumfahrtbe- hörde geplant, organisiert und durchgeführt. Auch für 2004 und 2005 hat die amerikanische Organisation wieder die einzigen beiden freien ‚Plätze’ für Touristen reserviert. Space Adventueres hat auch großen Anteil an der Ent- wicklung und am Bau neuer Low-Cost-Shuttles, ohne die es keine Zukunft für ‚bezahlbare’ Raumflüge geben wird. Ab 2005 sollen damit Sub-Orbital-Flüge, ins All Der südafrikanische Weltraumtourist Mark Shuttleworth in der Kapsel. durchgeführt werden. In 100 Kilometer Höhe erleben dann die sechs Weltraumtouristen dieser Mission die Schwerelosigkeit und können unseren blauen Planeten aus dem All aus bewundern. Ein einmaliges Erlebnis. In Deutschland ist „Cape Horn Expeditions“ der Part- ner von Space Adventures. Die Agentur wurde 1991 gegründet und ist auf Expeditionsreisen spezialisiert. Begonnen hat es mit Flügen zum Nord- und Südpol, sowie Expeditionen mit russischen Eisbrechern in die Arktis und Antarktis. Diese ermöglichten es, Ziele anzusteuern, die zuvor für den Tourismus undenkbar waren. Ab 1998 wurden dann die beiden russischen Tiefseetauchboote MIR 1+2 unter Leitung von Deep Sea Expeditions unter Vertrag genommen. James Ca- Angedockt am ersten Weltraumhotel – der ISS. meron hatte sie für seinen Titanic-Film genutzt. Nun konnten erstmals auch normale Menschen zum legen- dären Wrack in die Tiefsee abtauchen. Weitere Ziele in den letzten Jahren waren die Tiefseevulkane bei den Azoren und im Pazifik. Höhenpunkt war 2001 der erste Tauchgang mit Menschen zum Wrack der Bismarck im Atlantik. Nun ist der Weltraum die neue Herausforde- rung für die Münchener Agentur.

Ein Beitrag von Ulla Hodapp.

2003 spacexpress chronik 135 Schwerpunktthemen Astronomie

Bild 1: Epsilon Eridani – Künstlerische Darstellung, S. Schiessl. Exoplaneten –

Die Planetensuche Die nächstgelegenen Exoplaneten

Exo-Planeten, also Planeten außerhalb unseres Sonnensy- Epsilon Eridani (siehe Bild 1) stems waren bis vor einigen Jahren noch eine bloße Ver- mutung. Zwar wusste man bereits seit den 70er Jahren von ist ein heller, 10,5 Lichtjahre entfernter K-Stern, d.h. Staubscheiben um andere Sterne, die man als Vorstufe zur geringfügig kleiner, masseärmer und kühler als unsere Planetenentstehung deutete, doch erst 1992 wurde von Sonne. Weil man schon früh eine Staubscheibe um den den Astronomen Alex Wolszczan und Dale Frail ein Pla- Stern entdeckt hatte, galt er noch vor der Entdeckung netensystem um den Neutronenstern PSR 1257+12 ent- des ersten extrasolaren Planeten als heißer Kandidat deckt. Spätestens seit 1995 die Astronomen Michel Mayor für die Existenz eines planetenreichen, in Entstehung und Didier Queloz mit 51 Pegasi bden ersten Planeten um begriffenen Sonnensystems. einen sonnenähnlichen Stern entdeckten, begann eines der IL Aquarii, auch als GJ 876 bekannt (siehe Bild 2) spannendsten Forschungsgebiete der Astronomie. Der 15,3 Lichtjahre entfernte rote Zwergstern wird Viele der entdeckten Planetensysteme unterscheiden von zwei Planeten umkreist. Dieses Planetensystem ist sich drastisch von dem unserem. Überraschend sind ungewöhnlich, weil die beiden Planeten in Resonanz mit- häufig exzentrischeUmlaufbahnen, die Existenz von Pla- einander stehen. Sie umkreisen den Stern mit Perioden neten innerhalb von Doppelsternsystemen, sowie „Hot von 61,02 Tagen (b) bzw. 30,1 Tagen (c). Das heißt, dass Jupiters“ in sehr sternnahen Umlaufbahnen um ihr Mut- der innere Planet in fast der gleichen Zeit zweimal die rote tergestirn. Zum Stichtag 1.1.2004 waren insgesamt 119 Zwergsonne umkreist während der äußere Planet einen Exo-Planeten um 103 Sterne bekannt, 13 dieser Sterne Umlauf durchführt. Es ist das erste System, bei dem eine sind Multi-Planeten-Systeme. Laufend werden weitere 2/1 Bewegungsresonanz entdeckt wurde. Planetensysteme entdeckt. Die Suche nach Exo-Plane- ten gestaltet sich schwierig, da Planeten für gewöhnlich kein eigenes Licht emittieren und von ihren Mutterge- stirnen überstrahlt werden. Bisher konnten Exo-Pla- neten nur indirekt über die Einflüsse der Planeten auf ihre Sterne nachgewiesen werden, weshalb den For- schern die größten Planeten als erstes ins Netz gehen. :

Bild 2: IL Aquarii – Künstlerische Darstellung, S.Schiessl. 136 spacexpress chronik 2003 Nachweismethoden würde weitere Aufschlüsse liefern. Am Deutschen Kom- petenzzentrum für Exo-Planeten Jena/Tautenburg wird intensiv daran gearbeitet, erstmals auch Exo-Planeten Radialgeschwindigkeitsmethode direkt zu beobachten. Die bis heute erfolgreichste Suchmethode nach substel- laren Begleitern ist die Messung der Radialgeschwindig- Astrometrie keit. Mit ihr wird die leichte Geschwindigkeitsänderung in Bezug auf den Beobachter auf der Erde gemessen, Wie bei der Radialgeschwindigkeitsmethode dient die wenn sich der Stern und der – natürlich unsichtbare – Bewegung des Sterns zum Nachweis eines Planeten. Begleiter um ihr gemeinsames Massezentrum (Baryzen- Der Stern verschiebt sich periodisch am Himmel entlang trum) bewegen. Diese Informationen können aus dem einer elliptischen Bahn. Spektrum des Sternes entnommen werden. Wenn sich der Stern auf uns zu bewegt, dann verschiebt sich das Pulsar Timing Licht zum blauen Ende des Spektrums hin. Bewegt sich der Stern von uns weg, dann bewegt sich das Licht in Ähnlich wie die Radialgeschwindigkeitsmethode. Hier den roten Bereich. Aus diesen Informationen können wird die Ankunftszeit der Radiopulse des Pulsars (z.B. die Wissenschaftler auf die Masse und den Orbit des Neutronenstern) gemessen. Bewegt sich der Pulsar auf Planeten schließen. Je größer der Planet ist und je näher den Beobachter zu, kommen die Radiopulse mit einer Die Suche nach neuen Welten

höheren Frequenz. Entfernt er sich vom Beobachter, so ist die Frequenz der Pulse niedriger. Durch die hohe Zeitmess- genauigkeit können mit diesem Verfahren sogar erdähn- liche Körper um Pulsare herum detektiert werden. schiessldesgn

Microlensing Hier kommt der relativistische Gravitationslinseneffekt zum Einsatz. Microlensing ist geeignet, planetare Beglei- ter bis hinunter zur Erdmasse zu detektieren. Besonders Durch die Bewegung des Sterns um das Massenzentrum tritt weit entfernte Sterne können damit auf substellare eine periodische Dopplerverschiebung im Sternspektrum auf. Begleiter hin untersucht werden. Einige Programme überwachen bereits tausende Sterne in Richtung auf er an seinem Mutterstern steht, desto schneller bewegt das galaktische Zentrum, bisher konnte damit aber noch sich der Stern um das gemeinsame Massezentrum, und kein Begleiter eindeutig nachgewiesen werden. umso besser kann dieser Effekt gemessen werden.

Interferometrie Transits Hier wird das Licht mehrerer Teleskope kombiniert, Kommt der Begleiter zwischen Beobachter und Stern, um die Wirkung eines einzelnen, wesentlich größeren so bedeckt er einen kleinen Teil der sichtbaren Ster- Teleskops zu erzielen. Interferometer können auch so nenoberfläche (Ringförmige Sternenfinsternis). Der angepasst werden werden, dass das Licht des Zentral- Rückgang der Sternenhelligkeit wird gemessen. sterns ausgeblendet wird („Nulling“). Das Licht aus der Randregion um den Stern, also der Bereich, in dem man

Planeten sucht, kann dadurch genauer unter die Lupe Direkte Beobachtung genommen werden. Die direkte Beobachtung von substellaren Begleitern ist heute bereits möglich für sog. Braune Zwerge, die Satellitenmissionen – Beispiel DARWIN im infraroten Bereich detektiert werden können. Die direkte Beobachtung auch von Planeten wäre ein gro- Die Atmosphäre begrenzt das erzielbare Auflösungsver- ßer Fortschritt, denn eine Spektralanalyse des Objekts mögen von erdgebundenen Teleskopen. Deshalb ist es

2003 spacexpress chronik 137 Schwerpunktthemen ESA nahe liegend, die Erde zu Hinweis für das Vorhandensein von Leben auf einem verlassen und außerhalb exosolaren Planeten sein. Auch die Aufnahmen im Infra- der Atmosphäre die Su- rotbereich sind keine Kleinigkeit. Ein Teleskop würde bei che nach Exo-Planeten Raumtemperatur die eigenen Beobachtungen mit selbst fortzusetzen. Viele produzierter Infrarot-Strahlung überfluten. Es wäre ver- entsprechende Astro- gleichbar, als wollte man mit einem normalen optischen nomie-Satelliten sind Teleskop Beobachtungen machen, wenn gleichzeitig derzeit in Planung. Eines ein Flutlicht darauf gerichtet ist. Darwin wird daher der ambitioniertesten bei Temperaturen von -233 Grad Celsius arbeiten. Projekte ist DARWIN Seine Detektoren werden sogar noch weiter herunter Die geplante „DARWIN“-Satelliten- (ESA), geplant für 2014. gekühlt: Auf -265 Grad Celsius. Nur noch 8 Grad über Flotte – Künstlerische Darstellung. Es wird auf der Daten- dem absoluten Nullpunkt. basis der vorangegangenen Missionen aufbauen, denn zu Die NASA plant übrigens eine sehr ähnliche Mission. diesem Zeitpunkt werden (so hofft man) bereits zehn- Sie trägt den Namen „Terrestrial Planet Finder“ (TPF). tausende von Planeten entdeckt sein, darunter mehre- Angesichts der enormen technischen Schwierigkeiten re tausend Gesteinsplaneten. Darwins Aufgabe wird es und der damit verbundenen hohen Kosten dieser Missi- dann sein, die viel versprechendsten erdähnlichen Pla- onen ist es sehr gut möglich, dass ESA und NASA eine neten genau unter die Lupe zu nehmen. Darwin ist eine gemeinsame Mission durchführen. Auch andere Länder, Mission von enormer Komplexität. Ihre Realisierung liegt wie Japan und Russland haben schon Interesse an einer derzeit noch außerhalb dessen, was technisch machbar Beteiligung angemeldet. ist. Aus diesem Grund wird es zur Erprobung der ein- gesetzten Technologien eine Vorläufermission geben müssen. Es wird dies die Mission SMART 2 sein, bei der die Fähigkeit von Raumfahrzeugen zu äußerst präzisem, autonomen Verbandsflug getestet wird. Denn Darwin ist nicht ein einzelnes Raumfahrzeug, sondern eine Flot- te von nicht weniger als acht Raumsonden. Sechs dieser Raumfahrzeuge werden Weltraumteleskope sein, aus- gerüstet mit je einem starken Cassegrain-Teleskop, das siebte Raumfahrzeug wird das gesammelte Licht seiner sechs Kompagnions konzentrieren wie ein gigantischer Spiegel und das achte Raumfahrzeug dient dazu, diese Flottille genau ausgerichtet zu halten und mit der Erde zu kommunizieren. Die Teleskop-Satelliten werden etwa 100 - 500 Meter voneinander entfernt sein, der Steuer- und Übertragungssatellit wird einige Kilometer entfernt Der Autor gibt ein informatives Exoplaneten-Poster sein. Der Abstand der Teleskop-Satelliten muss unfass- heraus, an dessen Erstellung die Thüringer Landessternwar- bar genau geregelt sein. Sie dürfen nicht mehr als 1/100 te Tautenburg (www.tls-tautenburg.de) beratend mitgewirkt Millimeter voneinander abdriften. hat. Es enthält u.a. eine dreidimensionale Darstellung aller Sterne im Umkreis von 20 Lichtjahren sowie eine 3D-Karte Darwin arbeitet mit der Methode der Nulling-Interfe- der bis zum 1.1.2004 entdeckten Exoplaneten. Das Plakat rometrie und wird seine Beobachtungen im Infraroten wird vom der Sternwarte zur Öffentlichkeitsarbeit und von Spektrum machen. In diesem Wellenbereich hinterlässt Stefan Schiessl zur Kundenaquise eingesetzt. Interessierte Leben am ehesten seine Spuren. Auf der Erde beispiels- Privatpersonen können das Poster für 2,50 € Schutzgebühr weise produziert biologische Aktivität Gase, die sich mit zzgl. Versand bei [email protected] bestellen. der Atmosphäre vermischen. Pflanzen beispielsweise produzieren Sauerstoff und Tiere Kohlendioxid und Ein Beitrag von Stefan Schiessl. Methan. Diese Gase, und andere Substanzen wie zum Der Autor studierte Kommunikations-Design an der Beispiel Wasser, hinterlassen im planetaren Spektrum FH Augsburg und machte sich 2003 mit „schiessldesign“ ihre „Fingerabdrücke“. Sie erzeugen bestimmte Spek- selbständig. Von Kindheit an Raumfahrt-Fan, leistet er als trallinien. Darwin wird nach solchen Absorptionslinien Designer und Webmaster des VFR e.V. sowie als Mitbe- suchen. Wenn die Absorptionslinien ähnliche Muster gründer des Diskussionsforums RaumCon (siehe Seite aufweisen, wie die irdischen, dann könnte das ein 151) auf seine Weise einen Beitrag zur Raumfahrt.

138 spacexpress chronik 2003 Anzeige

2003 spacexpress chronik 139 VFR e.V. Gestern

Die Geschichte des VFR e.V. Verein zur Förderung der Raumfahrt in Deutschland e.V. Die Idee 1987 • Vorhaben der Weltraumforschung allgemeinver- ständlich dargestellt werden, „Chancen und Nutzen im Weltraum“ – so lautete das Thema einer Veranstaltung, zu der der Vorstand der • auf internationaler Ebene deutsche Raumfahrtinter- Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank Akti- essen stärker vertreten werden, engesellschaft am 20.11.1987 bevorzugte Bankkunden • kleine und mittelständische Unternehmen an Raum- eingeladen hatte. Der Referent, Prof. Dr. Reinhard fahrtprojekten besser beteiligt werden Furrer, schilderte in seiner mitreißenden und sehr an- schaulichen Art eindrucksvoll seine Erlebnisse bei der • und der Gedankenaustausch zwischen Geistes- und D1-Mission mit dem Spaceshuttle im Jahre 1985. Bei Naturwissenschaften gefördert wird. diesem Vortrag wurde mir klar, dass wir Laien viel zuwe- Diese Zielrichtung sollte auch in unserem ersten Ver- nig wissen über die Möglichkeiten, die uns die Forschung einslogo zum Ausdruck kommen. Die zündenden Ideen im All bietet. Von der Erdbeobachtung bis zur Zucht sollten wie die Schubkraft einer Rakete dazu beittragen, von Kristallen, von der Gleichgewichtsforschung bis zur unseren beschränkten Horizont aufzubrechen. Vegetation in der Schwerelosigkeit, von kostengünstigen Kommunikationslösungen für arme Länder bis zur Wet- Die Veröffentlichung unserer Ideen in der Presse verhalf terbeobachtung und Ernteprognose. Noch am selben uns zu guten Kontakten zu Industrie und Politik und zu Abend wurde die Idee geboren, ein Forum zu bilden, einer von Fachleuten nicht erwarteten Resonanz bei der auf dem in einer für Laien verständlichen Art dargestellt Bevölkerung. werden sollte, warum die Erkundung und Eroberung des

Weltalls für uns Menschen – speziell auch in Deutsch- Unserer erste öffentliche Veranstaltung: land – sinnvoll ist. Auf der Suche nach einer derartigen Plattform stellte ich zusammen mit Freunden fest, dass Mit Unterstützung von Professor Dr. Reinhard Fur- es nur sehr fachlich ausgerichtete Vereinigungen gab, rer und Dr. Walter Rathjen vom Deutschen Museum die für Experten wichtig waren, sich aber nicht an den konnten wir am 16.2.1989 auf der Münchner Praterin- Informationsbedarf von Laien ausrichteten. So wurde sel unsere erste öffentliche Veranstaltung durchführen nach ausgiebigen Recherchen und Strategiediskussionen zum Thema „Der Schritt ins All – Chancen und Nut- der VFW Verein zur Förderung der Weltraumforschung zen der Weltraumfahrt“. In der vollbesetzten Luft- und in Deutschland entwickelt, dessen Gründungsprotokoll Raumfahrthalle des Deutschen Museums berichtete am 22.11.1988 22 Personen im König-Ludwig-Saal des Professor Furrer vor über 200 Zuhörern von seinen Franziskaners in München unterzeichneten. Erlebnissen im All und zeigte auf, welche Entwicklungs- möglichkeiten sich für die Menschen ergeben könnten.

Im Anschluß daran rezitierte der bekannte Bayerische Gründungsversammlung 22.11.1988 Mundartdichter und Pädagogik-Professor Dr. Helmut Zöpfl Gedichte und Anekdoten zu Sonne, Mond und Die Mitglieder setzten sich aus den unterschiedlichsten Sterne und vor allem zu unserem Planeten Erde. Es war Berufsgruppen (vom Studenten der Betriebswirtschaft ein außerordentlich beeindruckender Abend, der bei bis zum Oberstudienrat der Physik, vom Banker bis zum Rechtsanwalt und vom Staatsbeamten bis zur Hausfrau) zusammen. Den Vereinsvorstand bildeten Günther Seefelder (Rechtsanwalt), Heimo Gnilka (Studienrat für

Physik und Mathematik) und ich (Firmenkundenbetreu- VFR e.V. er der HYPO-BANK). Mit dieser Vereinsgründung wollten wir dazu beitragen, dass:

• die Akzeptanz der Raumfahrt in der Bevölkerung gefördert, • der Nutzen der Raumfahrt aufgezeigt wird, Feierliche Stimmung bei der Gründungsversammlung. 140 spacexpress chronik 2003 den Besuchern sehr gut angekommen ist und bei dem Herausragende bisherige Aktionen: ich am liebsten den Wunsch geäußert hätte „geh wei- • 22.11.1988: Gründungsversammlung des Vereins zur da Zeit bleib steh“. Zöpfl und Furrer waren sich einig: Förderung der Weltraumforschung (VFW) Die Beobachtung der Erde ist eine Überlebensfrage • 16.02.1989: „Der Schritt ins All – Chancen und Nut-

zen der Weltraumfahrt“ (Beschreibung siehe oben) Unsere weiteren Aktivitäten: • 1989: Podiumsdiskussion „Raumfahrt – Nutzen für Wir versuchten, unseren Vereinsmitgliedern einen unsere Forschnung und Wirtschaft“ – mit MdB Mayer, abwechslungsreichen Mix aus Informationsveranstal- Dr.Meyer-Kramer, Harry O.Ruppe, v.Tein, Prof.Wild tungen, Diskussionen, Besichtigungen, Kunst und Kultur anzubieten (siehe untenstehende Übersicht). Unter • 1. – 4.11.1989: Informationsfahrt nach Paris zum The- verschiedenen Titeln informierten wir in eigenen, mit ma „Europäische Raumfahrt“ mit Besuchen bei der einfachsten Mitteln und mit viel Engagement erstellten ESA sowie bei den Firmen Aerospatiale und S.E.P. Publikationen unsere Mitglieder über neueste Entwick- • 1989: Premiere des Filmes „For all Mankind“, lungen in der Raumfahrt und über unsere Aktivitäten. VFR eingeladen durch Sat1 Leider war die Vereinskasse immer zu knapp, um unse- ren hohen Ansprüchen an Inhalt und Layout vollends ge- • 1990: Erstellung eines Videos mit Schülern zum The- recht zu werden. Aufgrund der technischen Entwicklung ma „Fernerkundung“ bei der GAF, München, für eine (Internet) haben wir das kostspielige und oft nerven- regionale Lehrerfortbildung in Kombination mit einer aufreibende Erstellen einer regelmäßig erscheinenden Ausstellung zum ersten Umweltsatelliten ERS-1 gedruckten Mitgliederzeitschrift aufgegeben. Inzwi- • 4.–6.5.1990: Garchinger Weltraum-Tage mit Beiträ- schen bringen wir unsere Mitteilungen als „Spacexpress gen von Prof. Dr. Trümper, Hans Dodel, Prof. Dr. Lüst, News“ auf www.vfr.de und per eMail über unseren Prof. Dr. Schmucker, Prof. Dr. Messerschmid, u.a. „Spacexpress Newsletter“ heraus. Im Print-Bereich haben wir zusammen mit anderen Raumfahrt-Vereinen • 1.–4.4.1991 Informationsfahrt zur DLR nach Köln und „Raumfahrt Concret“ als Mitgliederzeitschrift gewählt zur ESTEC in Noordwijk (NL) mit Referaten, Filmen und sind dort durch VFR-Beiträge präsent. und Besichtigungen Um auch nach außen deutlich zu machen, dass wir die • 22.4.1991 Diskussionsveranstaltung mit einem Vor- Raumfahrt fördern wollen, hat die Mitgliederversamm- trag von Prof. Dr. Otto Baumhauer in München zum lung 1992 beschlossen, den Vereinsnamen in VFR Verein Thema „Ist Raumfahrt eine denkbare Antwort auf zur Förderung der Raumfahrt in Deutschland e.V. zu än- Krisen unserer Zeit?“ dern. 1996 schließlich ließen wir „Deutschland“ weg, da • 21.10.1991: Gesprächsrunde „Raumfahrtantriebe ges- inzwischen auch Mitglieder aus anderen deutschsprachi- tern-heute-morgen“ und „Der Feststoffantrieb am gen Ländern dabei waren. Mit dem VFR-Space-Award Beispiel des Ariane V Boosters“ wollen wir Persönlichkeiten auszeichnen, die sich im besonderen Maße für die Förderung des Raumfahrtge- • 15.11.1990: TU-München: 20 Jahre nach dem ersten dankens in der Öffentlichkeit eingesetzt haben. Bisher Schritt auf dem Mond erhielten diesen Preis der Journalist Helmut Hornung, • 29.11.1990: Präsentation des Buches „Europäische Prof. Harry O. Ruppe und der ESA-Astronaut Thomas Raumfahrt“ im Dt. Museum in Zusammenarbeit mit Reiter. dem Bertelsmann Verlag und dem Verlag Förster & Schwingenstein, Vorstände seit 1988 • seit 1992: regelmäßige VFR-Präsenz auf der ILA Berlin • 1988 – 1990: • 6.–8.11.1992: Münchner Weltraumtage im Forum der Hans Rauch Technik beim Deutschen Museum. • 1990 – 1992: • 5.3.1993: Life dabei bei der D2-Mission im DLR Ober- Günter Seefelder pfaffenhofen, • 1992 – 1996: • 4.5.1993: Besuch des Raumfahrtkontrollzentrums Andreas Kolb GSOC der DLR in Oberpfaffenhofen während der • 1996 – Heute: D2-Mission mit Besichtigung, Vorträgen und Filmen Bernhard Schmidt Das VFW-Logo. 2003 spacexpress chronik 141 VFR e.V. Gestern

• 11.10.1993: Sendung Life aus dem Nachtwerk mit „Ab- • 10.4.2000 Forum Raumfahrt München: Vortrag gespaced – Visionen von Fachleuten zum Thema Raum- „Menschen zum Mars“ mit Dr. Robert Zubrin in fahrt“ (u.a. Puttkamer, Kuczera (DASA), Andi Kolb) Zusammenarbeit mit der Mars Society im Forum der Technik • 5.5.1994: „Perspektiven der deutschen Raumfahrt- Politik“ in der IHK München mit Göhner (MAN), • 21.7.2000 Discovery Channel – VFR SPACE AWARD Klett (Kayser-Threde), Denker (DASA) 2000 Verleihung an Thomas Reiter, im Rahmen der Roadshow „Erlebnis Raumfahrt“ im Stadtpark in Re- • 9.11.1994: Besuch bei der Dornier-Luftfahrt GmbH, gensburg. Oberpfaffenhofen, Besichtigung der Produktion des Regionalflugzeugs Do-328 • 23.9./24.9.2000 Tag der Raumfahrt: VFR präsentiert sich beim DLR in Oberpfaffenhofen und Braunschweig • 2.3.1995 Besuch bei der MAN Technologie AG, Mün- chen, Besichtigung der Arianefertigung • 9.5.2003 Vortrag „Die Dimensionen der Raumfahrt“ von Bernhard Schmidt, Volkssternwarte München • Februar 1995, Mitwirkung bei der Wanderausstellung „Bayern im All“ • 14.-21.06.2003 Siebentägige Reise durch Frankreich Besucht wurden unter anderem der Aerosalon Le • September 1995: Vorpremiere des Filmes „Apollo 13“ Bourget, Astrium und Airbus • 16.2.1996: Besuch bei Kaiser-Threde, München, Be-

sichtigung des Unternehmens und Vorträge Sieben verschiedene Vereinszeitschriften • 18.4.1996: „10 Jahre europäische Kometenmission • „Mitteilungen des VFW Deutschland e.V.“ Giotto“, im Bankhaus Reuschel, München, Referent : 2 Ausgaben (Jan, April 1989), Hochglanz Dr. Weishaupt • „PARSEC“, Juli 1989 • 10.9.1997: Marstag im Forum der Technik, München, Vorträge und Besichtigungen zu Projekten der Mars- • „VFW Journal“ (Jan 91, April 91, Okt 91, Jan 92, Apr mission. Gäste:Puttkammer, Neukum, Ruppe, Keller 92, Sonderausgabe ILA Juni 92 • 2.2.1998 VFR e.V. online: Unser eigener Webserver • Namensänderung: „VFR-Journal“, März 93 www.vfr.de geht ans Netz. • „VFR-Mitteilungen“ (Nov 93, Dez 93,Feb 94, April 94, Juni • 16.–24.5.1998 Internationale Luft- und Raumfahrtau- 94, August 94, Okt 94, Dez 94, Mär 95, Jul 95, Aug 95, stellung (ILA) Berlin (eigener Stand) Nov95, Dez 95, Feb 96, Jun 96 Sep 96, Dez 96, Feb 97, Apr 97, Aug 97, Okt 97, Dez 97, Mai 98, Aug 98, Okt 98) • 12.9.1998 Sommerfest in Starnberg bei München • „spacexpress“ (August 2000, Januar 2001) • 22.11.1998 Space-Brunch „10 Jahre VFR“ und Dia- Show „Kosmovision“ von Helmut Hornung im Forum • seit 2002: Spacexpress News und Newsletter Online, der Technik, München „Raumfahrt Concret“-Kooperation im Print-Bereich • 29.6.1999: „voll mond“, Veranstaltung mit dem Discove- ry Channel zu 30 Jahre Mondlandung mit Prof. v. Puttka- Ich möchte mit dem Ausblick schließen, dass die Er- mer, Prof. Ruppe u.v.m. im Kulturzentrum Gasteig. oberung des Weltalls, die Erkundung unserer Erde und anderer Planeten weiterhin eine spannende und • 7.7.1999: Raumfahrt-Biergarten im Parkcafe München hochinteressante Angelegenheit sein wird, die wir mit • 20. – 24.7.1999: Ausstellungsstand auf dem Space Night kritischer Begeisterung weiterhin beobachten und Event, Reithalle Schwabing, München kommentieren werden. Hierzu laden wir Sie und unsere Mitglieder sehr herzlich ein mit der Bitte, unseren Vor- • 13.12.1999: Vergabe des DiscoveryChannel/VFR stand und den Vorstandsrat bei seiner Arbeit tatkräftig Space Award 1999 an Prof. Harry O. Ruppe im zu unterstützen. Es ist höchst anerkennenswert, was der Rahmen des 1. Münchner SpaceTalks im Forum der jetzige Vorstand unter Leitung von Bernhard Schmidt Technik, Dt. Museum München. trotz extremer beruflicher Belastung für den VFR auf • 25.2.-5.3.2000: 10-tägige Reise zum Kennedy Space die Beine stellt. Center, Cape Canaveral, in Florida, USA. Mit vielen Besichtigungen und Spezial-Touren (z.B. Shuttle War- Ein Beitrag von Hans J. Rauch, tungshalle mit Shuttle Atlantis) ehemaliger 1. Vorstand des VFR e.V.

142 spacexpress chronik 2003 VFR e.V. Heute Faszination Raumfahrt erleben! Viele von uns waren noch gar nicht auf der Welt, da war der Mensch schon auf dem Mond. Viele von uns wuchsen mit Büchern über ferne Welten auf und ein Raumschiff namens Enterprise flog für die nächste Generation. Heute, im frühen 21. Jahrhundert werden die Weichen für die Raumfahrt im nächsten Jahrtausend gestellt. Es gibt viele gute Gründe, wissenschaftliche, wirt- schaftliche und kulturelle, die dafür sprechen, dass die Raumfahrt in der Zu- kunft eine noch größere Rolle spielen sollte als bisher. Unser Ziel im VFR e.V. ist es, die Raumfahrt als faszinierende Herausforderung für die Menschheit zu propagieren und unseren Teil zu ihrer Weiterentwicklung beizutragen. Wir VFR-Highlight `03: möchten die Spannung, die Begeisterung und das Interesse an dieser Le Bourget neuen Grenze den Menschen durch unsere Aktionen und Informationen weitervermitteln. Dabei richten wir uns vor allem an die »interessierten Laien« in allen Bevölkerungsgruppen sowie an die Entscheidungsträger in der Politik, den Medien und im Bildungswesen. Unsere besondere Aufmerksamkeit gilt der Jugend. Wir bringen Raumfahrt-Insider mit der Öffentlichkeit zusammen, organi- sieren Ausstellungen, Vorträge in Schulen, Filmpremieren, Studienfahrten und vieles mehr. Getreu unserem Motto »Faszination Raumfahrt Erleben!« tragen wir durch diese Öffentlichkeitsarbeit selbst etwas zum Fortschritt der Raumfahrt bei. Statt nur passiv die Medien zu konsumieren, sind wir als Raumfahrt-Fans damit Teil dieses grössten aller Abenteuer geworden. Das Potenzial des VFR e.V. sind seine Mitglieder mit ihrem Engagement, ihren Ideen und Begabungen. Nehmen Sie also Kontakt mit uns auf, wenn Sie zum Thema Raum- fahrt einen kompetenten Ansprechpartner suchen oder sich selber engagieren wollen. Vielleicht gibt es auch bereits eine Geschäftsstelle in Ihrer Nähe. Verein zur Förderung der Raumfahrt e.V. Postfach 801966 • 81619 München www.vfr.de • eMail: [email protected]

2003 spacexpress chronik 143 VFR e.V. Morgen FÜNF SCHRITTE INS ALL Plädoyer für ein weitreichendes deutsches Raumfahrtprogramm

Im Jahre 1988 – dem Gründungsjahr des VFW – ohne Ende in Wort, Bild und Film. Raumfahrt ist prak- herschte in der deutschen Öffentlichkeit überwiegend tisch für jedermann mit Internetanschluss zugänglich. geringes Interesse, wenn nicht gar Ablehnung, gegenü- Barrieren und Blockaden existieren höchstens dort, wo ber dem deutschen Raumfahrt-Engagement. Die Infor- geopolitische, industrielle oder strategische Interessen mation über Raumfahrtprojekte war eher bescheiden. im Spiel sind. Damals gab es weder das Internet noch die deutsche So gesehen hat der VFR e.V. sein ursprüngliches Ziel Raumfahrtorganisationen DARA (Deutsche Agentur erreicht: Raumfahrt ist populär. Damit verliert er aber für Raumfahrtangelegenheiten) und DLR (Deutsche auch an Bedeutung und Profil. Im Wettbewerb mit den Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt) Stattdessen gab Öffentlichkeitsbudgets der Raumfahrtorganisationen es deren Vorläuferorganisation DFVLR (Deutsche For- oder den medialen Möglichkeiten der Fernsehsender schungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt), kann der VFR e.V. als Informationsquelle immer weni- deren Kommunikation sich eher auf die Fachwelt als auf ger bestehen. Während eines Strategieworkshops auf die breite Öffentlichkeit richtete. Auch die ESA (Euro- der vergangenen Mitgliederversammlung in Berlin am pean Space Agency) wirkte kaum in der europäischen 22. November 2003 wurde dieses Dilemma diskutiert Öffentlichkeit. und Lösungen gesucht. Ausgangspunkt war dabei die Es war in dieser Zeit also schwer für Laien, an aktuelle Zukunft der Raumfahrt. Informationen zu kommen. Für Lehrer, die Raumfahrt Trotz breiter öffentlicher Zustimmung und auch Begeis- in ihren Physikklassen behandeln wollten, gab es nur terung steckt die globale Raumfahrt in einer schwieri- wenige geeignete offizielle Informationsquellen. In die- gen Orientierungsphase. Nach dem Ende des kalten ser Phase wurde der VFW gegründet, der Verein zur Krieges haben die USA den lang erkämpften globalen Förderung der Weltraumforschung e.V., der Jahre 1997 Spitzenplatz erreicht, Russland hat den technologischen in VFR e.V. umfirmierte, um der inzwischen erfolgten Anschluss verloren, Europa sucht ein eigenes Profil und gesamtheitlichen Behandlung der Raumfahrt Rechnung China bemüht sich, Anschluss zu finden, wenn auch zu tragen. In all den Jahren verfolgte der Verein die scheinbar getrieben durch die Motivationselemente der Absicht, das Informationsdefizit zu verringern und sich Raumfahrt-Pionierzeit: Prestige sowie militärische und für die Popularisierung der Raumfahrt in Deutschland strategische Überlegenheit. Angesichts der ambitionier- einzusetzen. ten Ziele der chinesischen Raumfahrt scheint der alte, in Dieses Ziel ist inzwischen nicht mehr im Vordergrund. den USA scheinbar verloren gegangene Pioniergeist nun Die Raumfahrt nimmt heute in unserem Leben und der im Reich der Mitte eingekehrt zu sein. öffentlichen Wahrnehmung einen viel bedeutenderen Trotz der kürzlichen Erfolge der NASA mit dem Platz ein als noch vor 15 Jahren. Sie ist insbesondere Marslander SPIRIT sowie dem Kometenstaubsammler in den Medien ständig präsent. Die Fernsehsender STARDUST sowie immenser Ausgaben für militärische wetteifern geradezu mit Raumfahrt-Dokumentationen Raumfahrtprojekte ist die US Raumfahrt im Grundsatz und Berichterstattungen über aktuelle Raketenstarts orientierungslos. Ihre zwei Kernelemente ISS und Shut- und Missionen wie die Marslandungen von BEAGLE tle haben an Tragfähigkeit und Bedeutung verloren; 2 und SPIRIT vergangenen Dezember. Praktisch jede der Shuttle aus Gründen technischer Veralterung und Woche bringt ein Sender irgendeine Dokumentation immenser Betriebskosten, die ISS aus Gründen ihrer über Raumfahrt. Auch die Werbung hat Raumfahrt eingeschränkten Nutzungspotenziale und der unge- entdeckt: „Space“ assoziiert Faszination und Leistung, liebten Abhängigkeit von russischer Technologie und und hebt sich damit wohltuend von der aktuellen „Billig- Transportkapazität. Welle“ ab. Leute wie Robert Zubrin beklagen öffentlich ISS und Schier unbegrenzt ist auch die Raumfahrt-Informa- Shuttle als Sackgasse und fordern eine Neuorientie- tionsflut im Internet. Praktisch alle westlichen Welt- rung hin in Richtung einer bemannten Eroberung des raumorganisationen, etliche Forschungsministerien und Sonnensystems. Laut Zubrin war Apollo erfolgreich, Forschungs-einrichtungen, unzählige Vereine und eben- weil damit ein klares Ziel verfolgt wurde, das wiederum so viele Anbieter privater Webseiten bieten Raumfahrt bei ISS und Shuttle fehlt. Er glaubt, ein neues Ziel wie 144 spacexpress chronik 2003 der Mars könne wieder die nationalen Energien und Fä-

higkeiten mobilisieren wie zu den Apollo-Zeiten in den ESA 60iger Jahren. Es gibt auch Stimmen, die sogar die Ein- stellung des ISS- und des Shuttle-Programms zugunsten eines Marsprogramms empfehlen. Europa ist ebenfalls auf der Suche nach einer neuen Raumfahrtidentität. Zu viele Hoffnungen wurden in die ISS gesetzt, zumal in Deutschland. Zu groß nun auch die Enttäuschung, zusehen zu müssen, wie sich der Aufbau aufgrund technischer und finanzieller Pro- bleme der Amerikaner und Russen verzögert und eine vollständige wissenschaftliche Nutzung in weite Ferne rückt. Die einst als herausragendes Beispiel für inter- nationale Raumfahrtkooperation gepriesene Station Wie geht es mit der ISS weiter? Soll erdnahe Weltraum ist für den Juniorpartner Europa vorerst ohne Nutzen. wirklich die Grenze bemannter Raumfahrt bleiben? Die in Deutschland seit Jahrzehnten mit SPACELAB und COLUMBUS aufgebaute Expertise bei Raumstationen • Strategische Unabhängigkeit beim Zugang zum Welt- droht ins Leere zu laufen. Ohne Weiterentwicklung raum über Ariane oder Nutzung des vorhandenen Know-hows wäre • Stärkung des Know-how bei Raumfahrt-Wissenschaft COLUMBUS eine Fehlinvestition. • Schaffung eines Wettbewerbs-orientierten Umfeldes Insgesamt scheint sich Europa auf die eher praktischen zur Stärkung der Raumfahrtindustrie und Nutzungsnahen Raumfahrtvorhaben auszurichten. Dies wird deutlich im ersten europäischen Raumfahrt- • Förderung internationaler Partnerschaften strategiepapier der EU Kommission, dem „White Paper All diese Ziele und Programme dienen letztlich der Space: a new European frontier for an expanding Union positiven Entwicklung der Europäischen Union und ihrer – An action plan for implementing the European Space Mitgliedsstaaten in Bezug auf: policy“. Dieses Papier beschreibt die zukünftige Rolle der Raumfahrt in und für Europa. Alle Europäischen • Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und Wettbe- Staaten waren eingeladen, an diesem Papier mitzuwir- werbsfähigkeit ken, das irgendwann in diesem Jahr offiziell vorgestellt • Erweiterung der Union wird. Ein vereintes Europa braucht konsequenterweise auch eine einheitliche Raumfahrtstrategie. Natürlich • Nachhaltiges Wachstum sind die vorgeschlagenen Empfehlungen noch nicht • Sicherheit/Verteidigung bindend sondern eher ein Orientierungsrahmen, der erst langsam und dann auch nicht vollständig in der • Verminderung der Armut EU umgesetzt werden wird. Aber er beinhaltet klare Dies ist aus Sicht des VFR e.V. ein sinnvolles und not- Aussagen zum Stellenwert der Raumfahrt in und der wendiges Raumfahrtprogramm für Europa und verdient Bedeutung für Europa. Raumfahrt ist darin ein Mittel zur die volle Unterstützung. Es ist vernünftig, orientiert sich Unterstützung der Umsetzung elementarer politischer, am Nutzen und bleibt im finanziellen Rahmen. Aber es kommerzieller und gesellschaftlicher europäischer Inter- hat auch einen großen Nachteil: mit diesem Programm essen. Die Haupt-Elemente dieser Strategie sind: wird die Beschränkung der Raumfahrt auf die Erde • Globale Überwachung der Erde zum Schutz der Um- festgeschrieben. Raumfahrt im eigentlichen Wortsinn welt und der europäischen Sicherheit im Rahmen des und nach dem Verständnis der Pioniere war immer GMES-Programms (Global Monitoring of Environ- die Befahrung und Eroberung des Weltraums durch ment & Security) Menschen: Astronauten, Wissenschaftler, aber auch „Goldsucher“, Auswanderer und Neugierige. Und damit • Flächendeckender Internet-Zugang für alle Europäer verfolgt Europe einen anderen Weg als den die USA zur Förderung der europäischen Integration, der und vermutlich auch China einzuschlagen beabsichtigen, Chancengleichheit und des Bildungsniveaus (Digital auch wenn dies derzeit noch nicht sicher ist. Vielleicht Divide) sieht das Zukunftsszenarium so aus: China zum Mond, • Galileo: das europäische Pendant zu GPS USA zum Mars und Europa bleibt auf der Erde?

2003 spacexpress chronik 145 VFR e.V. Morgen NASA

Erkundung der Marsmonde – künstlerische Darstellung.

Der VFR e.V. ist davon überzeugt, dass auch Europa Unternehmung per se aber nicht. Das Ziel des VFR e.V. langfristig die bemannte Eroberung des Planetensystems ist es nun, gerade diese Diskussion um die Ausrichtung in Angriff nehmen sollte aus mehreren Gründen: der Raumfahrt wieder anzustoßen. Die ISS ist für den VFR nicht die Endstation der globalen Raumfahrt, son- • Trotz oder gerade wegen der etwas ernüchternden dern eine Zwischenstation auf dem Weg ins All. Erfahrungen mit internationaler Kooperation bei der ISS ist es sinnvoller, die Raumfahrtnationen dieser Der VFR stellt dafür das Raumfahrtprogramm Welt auf ein ambitioniertes Ziel einzuschwören als „Fünf Schritte ins All“ zur Diskussion und lädt wieder einmal in einen Wettlauf um Prestige und alle Interessierten ein, sich damit kritisch aus- Technologie einzutreten. einanderzusetzen und gemeinsam mit dem VFR weiterzuentwickeln. Schreiben Sie dazu • Der Gewinn an Wissen und Erfahrung bei der be- an [email protected] oder beteiligen Sie sich an der mannten Erforschung unseres Sonnensystems und entsprechenden Diskussion in unserem Forum der Bewältigung der sich stellenden technischen und „www.raumcon.de“, siehe rechter Kasten. menschlichen Herausforderungen ist nicht unerheb- lich, wenn auch nicht vorab abschätzbar „FÜNF SCHRITTE INS ALL“ • Die Kosten eines solchen Programms sind für sich genommen hoch, aber relativ gering im Vergleich zu Das VFR-Raumfahrt-Programm für den Kosten die während der gleichen Zeit ander- Deutschland und Europa weitig „verschwendet werden, z.B. für ausschließlich Schritt 1: prestigeträchtige Ziele. Fertigstellung der Internationalen Raumstation. • Stillstand bedeutet Rückschritt, auch in der Raum- Die Internationale Raumstation ist das erste multi- fahrt. Apollo hat gelehrt: nur ein ambitioniertes Ziel disziplinäre, internationale Forschungszentrum der spornt eine Nation zu Höchstleistungen an. Menschheit im Weltraum. Sie ist Erprobungsstation und Ausgangspunkt für die weitere Erkundung des • Schließlich lehrt die Erdgeschichte, dass die Gefahr Weltraums durch den Menschen. Dort werden Ver- der Auslöschung des Lebens auf der Erde durch kos- fahren, Materialien und Technologien entwickelt und mische Ereignisse real ist. Nur eine Erdbevölkerung verifiziert, die dann an ihren Bestimmungsorten fernab mit ausreichenden Raumfahrtkenntnissen wäre in der von der Erde eingesetzt werden. Sie ist Schulungs- und Lage, eine solche Gefahr abzuwenden. Testzentrum für Astronauten und Ausrüstung, und sie Diese Sammlung von Gründen ist natürlich subjektiv ist Forschungslabor für jegliche Anwendung, welche und bietet Raum für kontroverse Diskussionen, gerade Schwerelosigkeit benötigen. weil die bemannte Raumfahrt sich nicht mit rationalen wirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Argumenten Schritt 2: schlüssig begründen lässt. Raumfahrt als Hilfsmittel im Forschungsflüge zu den Librationspunkten 1 und 2. täglichen Leben ist weitgehend akzeptiert, Raumfahrt als An diesen für wissenschaftliche Zwecke äußerst vorteil-

146 spacexpress chronik 2003 haften Positionen sind schon heute – und werden in Zu- kunft noch mehr – Forschungssonden stationiert sein. Die Librationspunkte 1 und 2 sind vom wissenschaftli- chen Standpunkt hoch interessant, an diesen Punkten wird Wartungsbedarf für teure Raumsonden bestehen, sie sind nur wenige Reisetage von der Erde entfernt, energetisch leichter erreichbar als eine Mondumlauf- bahn und bieten dem Menschen ein erstes Testfeld für Tiefraum-Einsätze. Der Verein zur Förderung der Raumfahrt befürwortet daher die Errichtung je einer Screenshot des Online-Forums. „Man-tended-Facility“ an jedem der beiden genannten Librationspunkte.

Schritt 3: RaumCon Das Forum der Raumfahrtfans Erkundung der Marsmonde – künstlerische Darstellung. Die Rückkehr zum Mond. Errichtung einer permanent besetzten Forschungsstation im Das virtuelle Treffpunkt „www.raumcon.de“ soll den Aitken-Basin am Mondsüdpol. Austausch der Raumfahrtfans untereinander fördern Erprobung der Mars-Architektur in der Mondumlauf- und Einsteiger zum Engagement für die Raumfahrt er- bahn und auf der Mondoberfläche. Rückkehr und wis- mutigen. Bereits seit Anfang 2002 steht den Besuchern senschaftliche Untersuchung zu mindestens einer der eine Vielzahl interessanter und teilweise kontroverser Landestellen von Apollo 15, 16 oder 17 . Durchführung Diskussionsrunden zur Auswahl. So können Raumfahrt- von Forschungsmissionen zur Aitken-Station mit Besat- fans erstmal unverbindlich in den Foren stöbern und sich zungsrotation im Rhythmus von 4-6 Monaten. Errich- umschauen. Jeder Benutzer kann spielend leicht selbst tung Astronomischer Beobachtungsplattformen speziell eine Diskussionsrunde zu einem neuen Thema ins Leben für die Zwecke der Radioastronomie hinter dem Erdho- rufen. RaumCon ist außerdem ein einfacher Weg, weit rizont, in geringer Entfernung von der Aitken-Basis. verstreute Projektgruppen zu koordinieren. Ein erstes Beispiel war das studentische ZERO-G-SICKBAY-Pro- Schritt 4: jekt zur Verbesserung der Erste-Hilfe-Möglichkeiten bei Forschungsmissionen zu erdnahen bemannten Raumflügen. RaumCon diente hier zur Ab- Asteroiden und den beiden Marsmonden. sprache der Studenten untereinander und zum Dialog In Vorbereitung auf die Marslandung den Flug zu und nach außen. Ein weiterer Vorteil ist die Aktualität. Da die Landung auf erdnahen Asteroiden. Forschungsmis- neue Diskussionsrunden bei Bedarf sofort eröffnet und sionen von neun bis zwölf Monaten Dauer. Errichtung die Teilnehmer darüber per EMail informiert werden, ist strahlungssicherer Unterkünfte auf Phobos. Erkundung es möglich sehr schnell auf neue Themen zu reagieren. des Deimos. So gab es bereits wenige Stunden nach dem Columbia- Unglück eine entsprechende Diskussionsrunde. Für den Schritt 5: Sommer 2004 ist nun erstmals eine „reale“ RaumCon Landung auf dem Mars in Planung. Die Raumfahrtfans sollen so die Möglichkeit und Erforschung seiner Oberfläche. erhalten, von Angesicht zu Angesicht Kontakte zu knüp- Schaffung einer zunächst unbemannten Infrastruktur fen und einen intensiven Einblick in die Raumfahrt-Szene auf Basis des „Mars-Direkt-Planes“ von Robert Zubrin. zu erlangen. Ins Leben gerufen wurde das Raumcon- Danach auf dieser Basis die Errichtung einer permanent Projekt vom Verein zur Förderung der Raumfahrt (VFR von Menschen besetzten Forschungsstation. e.V.) und Raumfahrer.net. Seit Februar 2003 beteiligt sich auch die Mars Society Deutschland an unserem Projekt. Ein Beitrag von Bernhard Schmidt, Weitere Initiativen und Einzelpersonen sind herzlich ein-

1. Vorstand des VFR e.V. geladen, mit uns zu diskutieren, sich zu verlinken oder bei der Organisation mitzuwirken. Schauen Sie einfach mal vorbei unter „www.raumcon.de“

Ein Beitrag von Stefan Schiessl und David Langkamp.

2003 spacexpress chronik 147 VFR e.V. Geschichte

Verein für Raumschiffahrt (VfR) e.V. – Chronik unseres historischen Namensvetters –

Beschäftigt man sich mit die „Deutsche Jugendzeitung“ heraus, die u.a. auch ei- der Geschichte des Ver- nige Aufsätze zu Raumfahrtthemen heraus. Schon bald eins für Raumschiffahrt, wurde aus diesen vereinzelten Raumfahrtartikeln, eine ist es notwendig die da- eigene Beilage namens „Die Rakete“. Auch diese Form malige Zeit näher zu be- währte nur wenige Ausgaben und schließlich erschien trachten. Im Jahre 1923 die Zeitschrift ausschließlich unter dem Titel „Die Ra- war Hermann Oberths kete“. Dies war deshalb möglich geworden, da sich die Werk, „Die Rakete zu Zeitschrift, entgegen den Erwartungen ihres Heraus- den Planetenräumen“ im gebers, eines rasch wachsenden Leserkreises erfreute. R. Oldenbourg Verlag in München erschienen. Gründung des Vereins für Raumschiffahrt e. V. Dieses Büchlein, eine von der Universität Heidel- Eine Anregung Valiers, berg abgelehnte Disser- bewog Johannes Wink- tation, beschrieb die Mög- ler, am 5. Juli 1927 in der Hermann Oberths Klassiker. lichkeiten von Raketen Breslauer Wirtschaft – Mehrstufenraketen – bis „Goldener Zepter“ hin zu bemannten Raketen. Es bildete die wissenschaft- den Verein für Raum- lich-technische Grundlage für die Durchführbarkeit des schiffahrt e. V. zu grün- Raketen- und Raumfluges. 1924 erschien Max Valiers den. Sein erster Vorsit- „Der Vorstoß in den Weltenraum“ in der ersten Auf- zender wurde ebenfalls lage, eine populärwissenschaftlichen Abhandlung des Johannes Winkler. Oberth’schen Buches. 1925 wird Walter Hohmann’s Hierdurch wurde schon

Buch „Die Erreichbarkeit der Himmelskörper“ verlegt. bald der Name Winkler New Mexico Museum of Space History Hohmann’s wissenschaftlich gehaltenes Buch hat die in einem Atemzug mit Fahrtrouten zu den Planeten zum Hauptthema. 1926 den etablierten Herren erscheint Willy Ley’s Büchlein „Aufbruch ins All“, ei- Oberth, Valier und ne allgemeinverständliche Abhandlung der Ideen der Hohmann genannt. Weltraumfahrt. In diesen Jahren erschienen ebenfalls Soweit zur Vorge- verschiedene sehr populäre Romane zum Thema Welt- schichte des Vereins raumflug, sowie einige sporadische Zeitschriften-Artikel. Johannes Winkler, Gründer des für Raumschiffahrt. Die Weiter warben Oberth und Valier in Vorträgen für die Vereins für Raumschiffahrt e.V. . Ziele des Vereins kön- Idee der Weltraumfahrt in der Öffentlichkeit. Die bis- nen seiner Satzung, veröffentlicht in der Zeitschrift „Die herigen gemeinsamen Versuche Oberths und Valiers, Rakete“ am 15. Juli 1927, ab Seite 82 entnommen werden. für die Realisierung der Weltraumfahrt, finanzkräftige Hier steht unter §1 zu lesen „Der Verein hat den Zweck, Personen, Gesellschaften bzw. öffentliche Stellen zu den Raumfahrtgedanken zu verwirklichen.“ Weiter kann gewinnen waren bisher alle gescheitert. Das öffentliche dieser Ausgabe die Eröffnungsrede des Versammlungs- Interesse an der Idee der Weltraumfahrt war zwar ge- leiters Johannes Winkler entnommen werden: „das kei- weckt, konnte aber in keiner Weise befriedigt werden. ne Vereinigung von Phantasten gegründet werden soll, So wurde aus interessierten Kreisen um Max Valier, der die nur mit Zukunftsplänen spielt, sondern ein Verein, Wunsch nach einer Vereinigung für Weltraumfahrt laut. der die für den Flug in den leeren Raum notwendigen Vorarbeiten leisten soll.“ Weiter ist zu lesen, „Die Auf- „Die Rakete“ – Die erste Raumfahrtzeitschrift gabe der Vereinigung wird es sein, aus kleinen Anfängen allmählich jene gigantischen Raumschiffe zu entwickeln, Der Breslauer Johannes Winkler, Candidat der Theolo- die uns sicher und jedem Wink des Führers (Anm. d. gie, hatte Das obengenannte Informationsvakuum hatte Red.: heute würde man wohl eher „Pilot“ sagen) gehor- den großen unbefriedigten Informationsbedarf erkannt chend zu den Sternen emportragen sollen.“ Wie dies und brachte ab 1927 eine kleine Zeitschrift, zunächst praktisch umgesetzt werden soll, ist zu entnehmen, „Als 148 spacexpress chronik 2003 erstes Ziel beabsichtigt Herr Valier, in ein Leichtflugzeug Jahre 1930 bis 32 zeigen. Die Mitgliederzahlen sanken verhältnismäßig einfache Raketen einzubauen und – deutlich. Im Dezember 1932 hatte der VfR nur noch ca. vielleicht noch in diesem Sommer – durch einen neuen 115 Mitglieder. Höhenrekord für Flugzeuge die Brauchbarkeit des Reak- Die geplante Finanzierung von Experimenten aus dem tionsprinzips der Öffentlichkeit zu beweisen. Außerdem Vereinsvermögen war deshalb nicht möglich. Bis zur Jah- hat sich Herr Neubert, München, bereit erklärt, als er- reswende 1928/29 hatte sich ein Fond von 1250,- RM ster mit einem reinen Raketenapparat aufzusteigen. Da für Versuchzwecke angesammelt. Laut Rundschreiben solche Aufstiege große sensationelle Ereignisse darstel- vom 5. Januar 1929 an die Vorstandschaft sollte Her- len, hat ein großer Zeitungsverlag davon gesprochen, bei mann Oberth ein entsprechendes Arbeitsprogramm Gelingen gegebenenfalls bis zu 200.000,– RM für wei- erstellen, was auf deutlichen Widerstand von Max Valier tere Versuche zur Verfügung zu stellen. Die Finanzierung stieß, der zu bedenken gab, dass nach seiner Erfahrung der Aufstiege würde allerdings auch einige tausend Mark mindestens 2.000 RM zusammen kommen müssten, um erfordern, es stellt dies aber eine durchaus lohnende ein vernünftiges Versuchsprogramm durchführen zu Aufgabe des Vereins dar. Nach den ersten Erfolgen ist können. Da man sich über diesen Punkt nicht einigen auch sonst auf den Zustrom von Mitteln aus der breiten konnte, verblieb das Geld im Vereinsvermögen und Öffentlichkeit für die Verwirklichung der großen Ziele wurde letztlich sicherlich zur Zahlung der aufgelaufenen des Vereins zu rechnen.“ Forderungen der Zeitschrift „Die Rakete“ verwendet. Man erhoffte sich damals, mit wenigen tausend Mark die Daher stellen alle Versuche und Experimente, die in ersten wichtigen Schritte realisieren zu können, die eine den Jahren 1927 bis 1929 durch Mitglieder des Ver- Lawine zugunsten der Verwirklichung des Raumfluges eins durchgeführt wurden, Eigenversuche und nicht auslösen sollte. Die erste wirkliche Aufgabe des Verei- Vereinsversuche dar. Dies trifft z.B. auch auf die ersten nes bestand nun darin, das Geld für diese ersten Versu- Versuche Winklers mit Pulverraketen zu. Er, der zur Jah- che Valiers zu beschaffen. Dies glaubte man durch ein reswende 1926/27 noch ein unbeschriebenes Blatt war, rasches Anwachsen der Mitgliederzahlen zu erreichen. sollte dank seiner Leistung als Autor und Herausgeber Hierfür wurden Prämien für die Werbung neuer Mitglie- der Zeitschrift „Die Rakete“, später gepaart mit dem der ausgesprochen. Wer drei neue Mitglieder wirbt, be- Vereinsvorsitz, in die Riege der großen drei (Oberth, kam ein signiertes Bildnis des populären Max Valier, ab Valier und Hohmann) vorstoßen. Durch die Vereins- 5 neuen Mitgliedern erhielt man einen Sonderdruck von gründung hatte Winkler die Zeitschrift „Die Rakete“ Valiers „Die Fahrt ins All“ und ab 10 neuen Mitgliedern auch inhaltlich verändern. So brachte er nun eine Viel- Valiers „Der Vorstoß in den Weltenraum“. zahl von technisch-wissenschaftlichen Abhandlungen zu Der September-Ausgabe der von „die Rakete“ ist zu Einzelfragen der Weltraumfahrt, während Valier mehr entnehmen, dass der Verein täglich wachse und zu rund populärwissenschaftliche Artikel besteuerte. Als Folge 20% aus Ingenieuren bestehe. Nach Oberth (August) sei seiner wissenschaftlich-technischen Artikel sollte Johan- nun auch Hohmann in den Verein eingetreten, so dass nes Winkler von der Münchner Direktion der Dynamit alle namhaften deutschsprachigen Experten, die Bücher A.G., durch Herrn Direktor Neumayr, für ca. 2.000 RM geschrieben haben, dem Verein angehören. Da sich die Pulver für Versuche erhalten. Mitgliederzahlen aber nicht so rasch wie gewünscht Zwar fanden Ende 1927 bis Mitte 1928 Versuche, mit entwickelten, schrieb man 2 Preise von je 2.000 RM für durch Feststoffraketen angetrieben, kleinen schwanz- diejenigen Mitglieder aus, die bei Erreichen von 10.000 losen Flugzeugmodellen des Breslauer Modell- und Se- Mitgliedern, die meisten Mitglieder geworben hätten. gelflugvereins Schlesischer Adler e.V. auf Anregung des Zum einjährigen Bestehen des VfR vermeldete Johan- Vereins statt, aber auch hier handelte es sich um eine nes Winkler voller Stolz, dass der Verein schon weit Anregung Winklers und nicht um ein, durch Vorstands- über 500 Mitglieder habe. Beachtenswert ist, dass der beschluss, herbeigeführtes Versuchprogramm. enorme Mitgliederzuwachs von 1928 im September zur unterhalb von 600 Mitgliedern einbricht und es in der Folge 4 Monate dauern sollte bis die 600 Hürde Das Raketenauto von Opel überstiegen werden konnte. Bis die Marke von 700 Johannes Winkler war im Grunde auch der einzige, Mitgliedern überschritten werden konnte sollte beina- der die Leser der Zeitschrift „Die Rakete“ an seinen he 1 ½ weitere Jahre vergehen. Im Juni 1930 war auch Fortschritten teilhaben ließ. Von den anderen Großen, der Höchststand erreicht. In der Folge sollten sich die wurde diese Möglichkeit kaum genutzt. So erfährt man Auswirkungen der nahenden Weltwirtschaftskrise der auch weit mehr aus der Tagespresse über die Versuche 2003 spacexpress chronik 149 VFR e.V. Geschichte Gartmann

Publikumswirksam: Opels Raketenwagen Nr.3. von Fritz von Opel, Max Valier und Friedrich Wilhelm Hermann Noordung (Pototnik) „Das Problem der Be- Sander, die Johannes Winkler in der „Rakete“ als wich- fahrung des Weltraums – Der Raketen-Motor“. Waren tigen Durchbruch ansieht. In der Folge verdreifachten diese Bücher, bis auf das Buch Scherschewskys, alle eher sich zwar die Mitgliedszugänge, aber der erhoffte Schritt populärwissenschaftlich geschrieben, sollte Oberths vom Raketenauto zum Weltraumschiff zeichnete sich „Wege zur Raumschiffahrt“ 1929 einen neuen Standard nicht ab. Dies war auch bald nicht mehr zu erwarten, in wissenschaftlich-technischer Hinsicht setzten. Dieses denn schon vor Fritz von Opels historischer Avus-Fahrt Buch erhielt auch den Ruf, die „Bibel“ der Astronau- am 23. Mai 1928 hatten sich dieser von Max Valier ge- tik, zu sein. Die Zeitschrift „Die Rakete“ konnte jetzt trennt. Schon bald wurde klar, dass es Fritz von Opel eigentlich nur noch über die praktischen Ergebnisse der mehr auf sensationelle Ersttaten und Rekorde ankam, Versuche berichten, hier aber war sie der Tagespresse als um die Idee einer Weltraumfahrt. in Aktualität deutlich unterlegen. Auch von dieser Seite war ihr Untergang eigentlich vorprogrammiert. Für die Von Oberths Mitarbeit bei dem Film „Die Jahre 1927 bis 1929 war die Zeitschrift „Die Rakete“ ein Frau im Mond“ der Universum Film AG (UfA) und dem nicht wegzudenkendes notweniges Bindeglied, so be- geplanten Aufstieg einer kleinen Flüssigkeitsrakete am zog sie Mitte 1928 Stellung gegen Prof. Lorenz, brachte Premierentag, dem 15. Oktober 1929, erhoffte sich die Raumfahrtgemeinschaft „goldene Berge“, insbeson-

dere einen weiteren deutlichen Zulauf an Mitgliedern UFA und auch großzügige finanzielle Unterstützung. Das Scheitern von Oberths Versuchen bei der UfA stellte auch für den Verein für Raumschiffahrt einen herben Rückschlag dar. Was nun die technisch-wissenschaftlichen Artikel in der Zeitschrift „Die Rakete“ anbetrifft, so haben diese das Informationsdefizit der Jahre 1927 bis 1929 überbrückt. Hatte es 1927 kein neues Buch über die Weltraumfahrt gegeben, erschienen 1928 gleich vier neue Bücher – Wil- ly Ley’s Sammelband „Die Möglichkeit der Weltraum- fahrt“, Max Valiers „Raketenfahrt“, Alexander Boris Scherschewsky „Die Rakete für Fahrt und Flug“ und Fritz Langs „Die Frau im Mond“ – Von diesem Film erhoffte 150 spacexpress chronik 2003 sich der VfR einen großen Mitgliederzuwachs. wissenschaftlich fundierte verständliche Arbeiten wie Wasserflugzeuge stark eingebunden. Im Grunde stand Winklers „Einführungen in das Raumfahrtproblem“ und die Vereinsführung des VfR, die zu diesem Zeitpunkt Pirquet’s „Fahrtrouten“. hauptsächlich aus Winkler und Oberth bestand, vor einem „Trümmerhaufen“. Oberth war gescheitert und überlegte sogar kurzfristig, die ganze Raketensache an Gründung der Geschäftsstelle Berlin den Nagel zu hängen und Winkler stand aufgrund der hohen Verschuldung durch die Zeitschrift „Die Rakete“ War die erste Phase des Vereins für Raumschiffahrt vor dem finanziellen Ruin. In dieser prekären Lage von hauptsächlich durch Johannes Winkler geprägt, ist dies Herbst 1929 zu Frühjahr 1930 war die Geschäftstelle in der zweiten Phase die Geschäftsstelle Berlin. Berlin ins Leben gerufen worden. Die neuen Kräfte Johannes Winkler war durch seine Doppelfunktion als neben Johannes Winkler sollten von nun an Patentan- Herausgeber und Vorsitzender des Verein für Raum- walt Dipl.-Ing. Erich Wurm und Dipl.-Ing. Rudolf Nebel, schiffahrt doch zeitlich erheblich belastet. So hatte er Oberth Assistent bei der UfA, werden. Die ersten Mo- z.B. selbst kaum noch Zeit für eigene Experimente. Ab nate des Jahres 1930 waren von zwei Themen bestimmt; 19. September 1929 fand er bei Junkers in Dessau eine zum einen der Suche nach eines neuen Verlegers für die ständige Anstellung, die es ihm gestattete, nun dauer- Zeitschrift „Die Rakete“ und zum anderen, dem Ankauf haft am Raketenproblem zu arbeiten, auch wenn diese der Oberth-Rakete der UfA durch den Verein. Anstellung eine finanzielle Einbuße zu seiner bisherigen

Anstellung in der evangelischen Kirchenverwaltung von „Die Rakete“ wird eingestellt Breslau bedeutete. Daher hatte er schon zu einem früheren Zeitpunkt Oberth gebeten, ihm hier unter die Nachdem Johannes Winkler die Zeitschrift „Die Rake- Arme zu greifen. Oberth war es gelungen in Berlin zwei te“ aus finanziellen Gründen einstellen musste, wurde Patentanwälte für die Eröffnung einer Geschäftsstelle eifrig versucht für die Zeitschrift einen neuen Verleger Berlin zu gewinnen. Letztlich sollte diese Geschäftsstelle zu finden, der auch bereit war, die Verbindlichkeiten bei Patentanwalt Dipl.-Ing. Erich Wurm ab dem 1. Sep- der Zeitschrift zu übernehmen. Diese waren vor allem tember 1929 eingerichtet werden. dadurch entstanden, daß viele Vereinsmitglieder ihre laufenden Mitgliedsbeiträge nicht bezahlt hatten. Das

Einstellen der Zeitschrift war eine zwangsläufige Konse- Der VfR in der Krise quenz, die aus kaufmännischer Sicht schon sehr viel frü- Ende 1929 waren die einstmals gemeinsamen Bemü- her hätte erfolgen müssen. Auch der Leiter der Berliner hungen der Gründungstage, in mehrere Gruppen zer- Geschäftstelle des VfR, Erich Wurm, hatte sich bemüht, splittert. Johannes Winkler war bei Junkers, Oberth mit einen neuen Verlag zu finden. Als er jedoch am 9. April seinem Mitarbeitern A. B. Scherschewsky und Rudolf 1930 von den Verbindlichkeiten der Zeitschrift (ca. Nebel bei der UfA, Max Valier sollte ab Januar 1930 bei RM 3.000,-) erfuhr, sah Wurm die Suche nach einem Heylandt sein, und Fritz von Opel und Fr. W. Sander neuen Verleger als gescheitert an. Um nun wenigstens hatten am 30. September 1929 einen erfolgreichen die Verbindlichkeiten in den Griff zu bekommen setzte Raketenflug, mit einem Raketengleiter des Flugzeugkon- Johannes Winkler Rudolf Nebel ab dem 4. Mai 1930 für strukteurs und –fliegers Julius Hatry, absolviert. zwei Monate befristet als Geschäftsführer ein, um die ausstehenden Mitgliedsbeiträge einzutreiben. Auch hatte Opel eine eigene „Studiengesellschaft für Weltraumfahrt“ mit Sitz in Frankfurt a. M. für die Ver- Winkler hatte in seiner Not die bereits eingegangenen wertung der Raumfahrt, 1928 gegründet. Fritz von Opel Mitgliedsbeiträge des Jahres 1930 zur Deckung der war zwar Ehrenmitglied des VfR, unterstützte diesen Verbindlichkeiten eingesetzt. Diese Maßnahme stieß aber in keiner Art und Weise mehr. Auf eine Aufforde- auf heftigen Widerspruch von Seiten Wurms. Letztlich rung seine Mitgliedbeitrag 1930 zu zahlen, antwortete wurde von Seiten der Berliner Geschäftstelle und auch er, dass er kein Mitglied des Vereins sei. Max Valier hatte Rudolf Nebels keine Mittel an Winkler aus den Mit- sich nicht nur mit Oberth schon vor Jahren überwor- gliedsbeitragsrückständen der Vorjahre übergeben. In fen, auch Winkler war zunehmend zu ihm auf Distanz der Folge sollte es zu einer heftigen Auseinandersetzung gegangen, so dass er doch sehr isoliert im Verein war. zwischen Wurm und Winkler kommen, wobei Wurm Oberth hatte sich nach dem Scheitern seiner Versuche letztlich Winkler zur Niederlegung des Vereinsvorsitzes bei der UfA Ende 1929 nach Rumänien zurückgezogen zwang. Gezwungenermaßen und der Sache überdrüssig und Winkler war durch seine Arbeit bei Junkers an willigte Winkler unter der Vorraussetzung ein, dass Starthilfsraketen für schwerbeladene Flugzeuge bzw. sein Nachfolger werden sollte. Dies

2003 spacexpress chronik 151 VFR e.V. Geschichte

geschah mit einiger Verzögerung im Oktober 1930. statt. Nach einer Einführung durch Erich Wurm wurden Vorträge von Johannes Winkler „Probleme der Raum-

schiffahrt“ und Rudolf Nebel „Abschuss der Oberth- Die Oberth-Rakete wird verkauft Rakete“ gehalten. Hierbei wurde auch die Oberth-Ra- Das andere Thema der ersten Monate drehte sich um kete erstmals der Berliner Öffentlichkeit gezeigt. den Ankauf der Oberth-Rakete von der UfA. Oberth Der Verein beteiligte sich bei der Ausstellung im Rah- war von seinem Erstlingswerk nicht sonderlich begeis- men der Luft-Werbewoche des Deutschen Luftfahrt- tert, da es alle Fehler einer Erstkonstruktion habe und verbandes vom 25. – 31. Mai 1930. Hierfür wurde eigens außerdem während seiner Abwesenheit im November ein Model der Oberth’schen Höhenrakete gefertigt und / Dezember 1929 von Rudolf Nebel doch etliche Ver- auf dem Leipziger Platz in Berlin gezeigt. Aufgrund von änderungen an der Rakete vorgenommen wurden, Regen wurde die Ausstellung ins Kaufhaus Wertheim für die er sich nicht Verbürgen wollte. Daher wollte verlegt. Hier erklärte u.a. der junge Wernher von Braun Oberth dem Angebot von Herrn Horstmann,- seine der Berliner Hausfrau, warum die Weltraumfahrt in Rakete auf der IPA (Internationale Pelzausstellung) in einigen Jahren schon Realität sein werde. Leipzig für RM 2.000,- zu zeigen, zustimmen. Da sich das IPA-Vorhaben zerschlug, wollte Horstmann die Unter dem Titel „Mitteilungen“ erschien seit 1930 als Rakete nun bei anderen Gelegenheiten ausstellen und Ersatz für „die Rakete“ ein behelfsmässiges Vereinsblatt. wollte hierfür, für gleiches Geld, die Ausstellungsrechte Da die Rechnung der Nr. 3 in Höhe von nicht ganz RM für 1930. Mit diesem Geld glaubte Oberth, eine neue 60,- nicht sofort gezahlt werden konnte, leistete Rudolf und bessere Rakete bauen zu können. Dieses Vorhaben Nebel in seiner Funktion als Geschäftsführer den Of- Oberths stieß auf größtes Unverständnis in Berlin. fenbarungseid für den Verein für Raumschiffahrt und Winkler hielt die Idee, dass Ausstellungsrecht an einen hielt dies für ca. ein Jahr geheim. Ley hatte gerade eine Privatmann zu verkaufen, als dem Verein gegenüber für Spende in dieser Höhe erhalten. äußerst schädlich. Oberth legte seine Beweggründe dar Alleine diese Tatsache zeigt, dass trotz all dieser An- und riet von einem Ankauf der Rakete für RM 1.000,- strengungen und Erfolge in der Öffentlichkeit, keine durch den Verein ab. Am 2. März hatte in Berlin eine Besserung der Finanzen eingetreten war – „Man lebte Besprechung stattgefunden, wo beschlossen wurde, die von der Hand in den Mund“. Rakete durch den Verein in Bitterfeld gegen eine Zah- lung von RM 1.000,- auszulösen. Der Betrag sollte durch ein 4-wöchiges zinsloses Darlehen durch Herrn Wurm Erste Vereins-Experimente aufgebracht werden. Hierfür bürgten die Herren Nebel, In diese Zeit fallen aber auch die ersten durch den Ver- Wurm, Goslich, Ley und Winkler am 6. März. Dies war ein finanzierten Experimente. Es war Rudolf Nebel über Notwendig geworden, da es am 4. März Oberths Assis- die Notgemeinschaft Deutscher Wissenschaftler ge- tenten Dipl.-Ing. Rudolf Nebel gelungen war, Dr. Becker lungen, eine Vorführung eines Raketenmotors, zwecks vom Heereswaffenamt zu bewegen, für den Abschuss Gutachten, bei der Chemisch-Technischen Reichsanstalt der Rakete RM 5.000,- zu zahlen, wenn diese am 12. zu erhalten. Hiervon unterrichtete man Oberth und März dem Waffenprüfamt vorgeführt werden würde. dieser kam am 20. Mai 1930 in Berlin an. Da er eine Am 12. März unterrichtete Winkler Oberth, dass der Vortragsreise unterbrochen hatte, die ihm pro Abend Verein die Rakete für RM 1.000,- erworben habe. ca. RM 200 einbrachte, erbat er sich ein Tagegeld von RM 20. Dies entsprach ca. RM 400 pro Monat, den Der Verein wird aktiv gleichen Betrag, den Oberth in den UfA-Tagen seinem Assistenten Nebel bezahlt hatte und den auch Nebel Am 4. März fand die ersten öffentliche Mitgliederver- von Winkler für seine Tätigkeit als Geschäftsführer pro sammlung des Vereins im Saal III des Pschorrbräus an Tag erhielt. Johannes Winkler sprach sich entschieden der Gedächtniskirche in Berlin um 20.°° Uhr statt. gegen eine derartige Vergütung aus, da der Verein sich Vorträge von Willy Ley: „Die internationale Entwicklung dies absolut nicht leisten könne. Laut Vereinbarung vom der Rakete“ und Rudolf Nebel „Die Entwicklung der 28. Mai sollte Oberth die Spalt- und Kegeldüse, sowie OBERTH-RAKETE“ mit Lichtbildern und Modellvorfüh- das Triebwerk der 2 m Rakete zum Arbeiten und die rung wurden vor 85 Teilnehmern gehalten. Mirak (Minimumrakete von Nebel) zum Abschluss brin- Am 11. April fand ein weiterer öffentlicher Vortrags- gen. Die Versuche dauerten 2 Monate, wobei am 23. Juli abend mit ca. 200 Teilnehmern im Posthörsaal des 1930 eine Vorführung vor Oberregierungsrat Dr. Ritter, Postamtes Nr. 24 in der Artilleriestraße 10 in Berlin Leiter der physikalischen Abteilung der Reichsanstalt,

152 spacexpress chronik 2003 stattfand, über die das erste amtliche Gutachten über wurden erst einmal die Gebäude und das Gelände so- das Funktionieren eines Rückstoßraketenmotors erstellt weit hergerichtet, bevor man mit der Arbeit beginnen wurde. Dieses Gutachten war für die Raketensache von konnte. Nebel und Riedel zogen in einen Teil der Büro- großer Bedeutung, da hiermit erstmals von amtlicher baracke, Kurt Heinisch und Paul Ehmayer in das Werk- Seite, die Durchführbarkeit eines Raketenfluges bestä- stattgebäude ein. Bald kamen weitere Mitarbeiter hinzu. tigt wurde. Während dieser Arbeiten hatte sich die Eine Mirak 2 wurde gebaut und am 12. März konnte der Gruppe gebildet, die später auf dem Raketenflugplatz neue „große Prüfstand“ erstmals in Betrieb gehen. Am die Arbeiten fortführen sollte. 21. Februar war in der Kölnerschen Illustrierten Zeitung ein 4seitiger Artikel über den Raketenflugplatz erschie- Oberth der diese Versuche mit seinem Geld der Vor- nen mit einer Menge „getürkter“ Bilder. Ersichtlich je- tragsreise finanziert hatte reiste Ende Juli nach Rumä- doch war, dass z.B. die Werkstatt schon eingerichtet nien zurück, da die Schulferien zuende gingen und er war. sonst seine Anstellung als Lehrer gefährdet hätte. Rudolf Nebel, Klaus Riedel und Kurt Heinisch reisen in die Fe- Die offizielle Leitung der Versuche lag noch immer bei rien nach Bernstadt in Sachsen um die Versuche mit der Oberth. Er wurde jedoch nur sehr mangelhaft und auch Mirak fortzusetzen. Oberth war zwar Verantwortlich falsch über die Ereignisse und Ergebnisse informiert. für das Versuchsprogramm, doch abermals zeigten sich Noch regierten Nebel und Wurm in diese Führung Leys Schwierigkeiten bei einer Zusammenarbeit mit Nebel. stark mit hinein, so dass Oberth am 10. April 1931 hier- Letztlich explodierte die Mirak am 9. September 1930 aus die Konsequenzen zog und seinen Vorsitz niederleg- und sie kehrten nach Berlin zurück. te und dem Verein für immer den Rücken kehrte. Obwohl das Jahr 1930 das in punkto Öffentlichkeits- arbeit in der ersten Jahreshälfte das aktivste Jahr war, zeigte die nur wenig Auswirkung auf die Mitgliederzah- len des Vereins und an seiner desolaten Finanzsituation hatte sich auch nichts geändert.

Hermann Oberth wird 1. Vorsitzender des VfR Gartmann Die offizielle Übergabe des Vereinsvorsitz sollte sich noch bis in den Oktober hineinziehen, ab dann war Oberth offiziell erster Vorsitzender. Eine seiner ersten offiziellen Handlungen war, am 12. Oktober Erich Wurm Prüfstand des Raketenflugplatzes Berlin von der Leitung der Geschäftsstelle zu entbinden. Diese 1933 mit Vierstab-Repulsor. Aufgabe wurde zukünftig von dem neuen 2. Vorsitzen- den, Willy Ley, übernommen, der nun die Geschäfte des VfR führte. Raketenflugplatz und VfR Nebel war es gelungen, ein Gelände für die Versuche in In der Mai-Mitteilung des VfR wird der Austritt Oberths Berlin zu bekommen. Hierbei handelte es sich um einen bekannt gegeben. Es wurde auch mitgeteilt, dass die Teil des Geländes der ehemaligen Luftschifferkaserne an Stelle des 1. Vorsitzender einstweilen nicht neu besetzt der Tegeler Straße in werden würde. Am 21. Februar 1931 war es Winkler, Reinickendorf. Dieser der Privatperson Winkler, erstmals gelungen eine kleine Teil, der als Munitionsla- Rakete einige Meter in die Luft steigen zu lassen. Der

Gartmann gerstätte gedient hatte, erste „richtige“ Aufstieg fand am 14. März 1931 statt. wurde am 27. Septem- Zwei Monate später, am 14. Mai, erfolgte dann der erste ber 1930 „bezogen“. Am Start einer Rakete vom Typ Zweistaber (Repulsor I) 1. November wurde die auf dem Raketenflugplatz. Im August flog erstmals ein Geschäftstelle in die neu Achsenstaber. In der Raketenbilanz 1931 ist von 270 eingerichteten Bürorä- Brennversuchen am Prüfstand, 87 Starts von Flüssig- ume des Raketenflug- keitsraketen, 32 Vorführungen, darunter 9 öffentliche, platzes verlegt. zu lesen. In den ersten Monaten André Hirsch ans Frankreich und G. Edward Pendray des Raketenflugplatzes aus Amerika hatten den Raketenflugplatz am 4. April Hermann Oberth – Kurze Zeit der erste Vorsitzende des VFR e.V.. 2003 spacexpress chronik 153 VFR e.V. Geschichte

Dennoch sollte man die ersten 1 ½ Jahre des Raketen- flugplatzes noch mit als eine Teilleistung des VfR sehen. Die Versuche wurden zumindest nicht in Unkenntnis des Vereins durchgeführt. Ab spätestens Frühjahr / Mit- te 1932 muss man jedoch die beiden Teile trennen. Im Dezember 1932 hatte der Verein noch 115 Mitglieder.

Ende im Streit Die Quellenlage zum finalen Akt des VfR ist leider sehr spärlich. Im Frühjahr 1933 entbindet der 1. Vor- sitzende, Major Hanns-Wolf von Dickhuth-Harrach, Raketen Pioniere des VfR, von links im Vordergrund: Dipl.-Ing. Rudolf Nebel von der Geschäftsführung Nebel, Ritter, Oberth, Riedel und von Braun. des VfR, im September 1933 schließt er Nebel Nebel wegen vereinsschädlichen Verhaltens vom Verein aus. bzw. 12. April 1931 besucht. Willy Ley, der seit Ende Am 1. November erscheint die Nr. 1 und auch einzige 1930 2. Vorsitzender war, übernahm die Vereins-Kor- Ausgabe der Mitteilungen des VfR unter dem neuen respondenz mit dem Ausland. Für Amerika sollte dieser Titel „Raketentechnik“, mit dem Untertitel „Korres- Besuch den Anstoß zu eigenen Versuchen bilden, wobei pondenzblatt für alle Fragen des Rückstoßantriebes die deutschen Raketen anfangs mehr oder minder nach- und des Raumfahrtproblems“. Herausgeben wurde sie gebildet wurden. Zwei Amerikaner wurden Ehrenmit- durch den Vorstand des VfR. Die Schriftleitung hatte glieder des Vereins. Willy Ley. Diese Mitteilung stellt den letzten Versuch dar, den VfR zu retten. In seinem Leitartikel „Saubere Das Jahr 1931 stellt einen ersten Höhepunkt im jungen Wirtschaft“ schildert der 1. Vorsitzende die Lage in der Leben des Raketenflugplatzes dar. Dennoch war die Vorstandschaft seit seiner Übernahme des Amtes und Mitgliederzahl im April 1931 bereits auf 550 gesunken. kündigt an, bei der nächsten Mitgliederversammlung Ab Dezember 1931 wurde Major a.D. Hanns-Wolf von mehr über dieses schwebende Verfahren zu sagen. Die- Dickhuth-Harrach, aus Berlin, 1. Vorsitzender. se Versammlung fand am 17. November 1933 im „Roten Haus“ am Nollendorfplatz statt. Major Hanns-Wolf von Die Wege trennen sich Dickhuth-Harrach, Berlin und Willy Ley, Berlin, teilen mit, dass sie vom Vorstand des VfR zurückgetreten Das Jahr 1932 brachte anfangs kaum Neues, es war im seien (nach R. Nebel sollen beide einstimmig aus dem Wesentlichen eine Wiederholung des Versuche von Verein ausgeschlossen worden sein), wie auch weitere 1931. Im Sommer, am 22. Juni 1932 kam es zu einer Vorstandsmitglieder, da ihr Strafantrag gegen Nebel Vorführung eines vergrößerten Achsenstabers auf dem abgelehnt worden ist. Beide übernehmen in gleicher Gelände der Heeresversuchsanstalt in Kummersdorf. Funktion wie beim VfR die Vorstandschaft des 1920 In den Augen des Waffenamtes erreichte die Rakete gegründeten „Eingetragenen Vereins für Fortschrittliche nicht die geforderte Höhe, womit für sie der Versuch Verkehrstechnik“. Als Geschäftsführer ist Herr Patent- gescheitert war. Wichtiger für uns ist jedoch, dass von anwalt Dr. Otto Steinitz, Berlin, bestellt worden. den Militärs gefordert wurde, dass beim Fallschirmaus- wurf auch eine rote Leuchtkugel herausgeschleudert In der Folgezeit wird der VfR zwar noch mehrmals er- werden sollte. Über diese zusätzliche Extraarbeit wähnt, tritt aber nicht mehr aktiv in Erscheinung. hatte sich einer der Mechaniker vom Raketenflugplatz beschwert. Auf diese Weise erfuhr der Vorstand des Ein Beitrag von Karlheinz Rohrwild, VfR von der ganzen Sache, von der er nicht informiert Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum, war. Bei dieser Gelegenheit kam heraus das Nebel zwar www.oberth-museum.org 100% Geschäftsführer des VfR war, jedoch Alleininha- ber des Raketenflugplatzes.Daraufhin versuchte der erste Vorsitzende eine Trennung dieser Ämter in einer Die Bilder entstammen u.a. einer Internet-Recherche Einzelperson bei einer Vorstandssitzung im August 1932 der Redaktion, bei sich leider z.T. die Bildquellenangaben herbeizuführen, scheiterte aber mit diesem Versuch. widersprechen. Als Quelle diente auch das Buch „Träu- mer, Forscher, Konstrukteure“ von Heinz Gartmann, Unter diesem Gesichtpunkt erscheint die Beurteilung ECON, 1955. Hier haben wir „Gartmann“ notiert, um VfR und Raketenflugplatz in einem ganz neuen Licht. evtl. weitere Nachforschungen zu erleichtern. 154 spacexpress chronik 2003