Rektor Prof. Dr. Josef Kreiml: Revolution oder Kontinuität? 310

Bernhard Mihm, Stadtrat a.D.: Warum ich mich für Bischof Tebartz-van Elst einsetze 316

Prof. Dr. Konrad Löw: 75 Jahre danach 320

Katholisches Wort in die Zeit 44. Jahr November 2013

DER FELS 11/2013 305 „Wir sind an den Fragen dran“, stellte den ZDK-Präsidenten Liebe Leser, nicht zufrieden. Er hatte vor ei- ner „Kultur der Folgenlosigkeit“ ist Papst Franziskus ein „Re- gewarnt. Unter den 300 Teilneh- volutionär“, ein „Tabubrecher“, mern waren auch 35 Bischöfe. der in einem „historischen“ Konnte denn kein Verantwor- Kurswechsel den bekannten „Re- tungsträger darstellen, dass die formwünschen“ entgegenkommt? geltende Ehelehre der Kirche im INHALT Medienvertreter, Funktionäre Einklang mit der Botschaft Jesu von Laiengremien überschüt- steht und dass auch Barmher- Raymund Fobes: ten den Papst mit Lob, um ihn in zigkeit gegenüber den Kindern Der christliche Glaube – ihrem Sinn uminterpretieren zu und dem verlassenen Ehepart- Sauerteig für die Welt ...... 307 können. Das Schlüsselwort heißt ner gilt, der an der Ehe festhal- Barmherzigkeit. Den Anlass für ten möchte? Rektor Prof. Dr. Josef Kreiml: die Strategie der Uminterpretati- Revolution oder Kontinuität?...... 310 Die Verantwortungsträger der on liefert ein Interview in der Je- Kirche fürchten die Medien. Prof. Dr. Alois Epple: suitenzeitschrift „La Civilta Cat- Norbert Bolz hat in einem Inter- Credo Carnis Resurrectionem ...... 314 tolica“ mit Papst Franziskus. Die view (Tagespost 14.3.13) erklärt: zitierte Stelle lautet: „Wir kön- „Die meisten Medienvertreter Heinz Froitzheim: nen uns nicht nur mit der Frage bieten der katholischen Kirche Reformer und Wegbereiter in der Kirche: um die Abtreibung befassen, mit Niels Stensen 1638 -1686...... 315 eine Art Deal an: Ihr könnt eu- homosexueller Ehe, mit den Ver- ch aus dem Sumpf der Skandale Bernhard Mihm, Stadtrat a.D.: hütungsmethoden“. Daraus ei- retten und in Zukunft mit einer Warum ich mich für Bischof nen Kurswechsel von der Moral- anderen Öffentlichkeit rechnen, Tebartz-van Elst einsetze ...... 316 lehre der Kirche abzuleiten, ist wenn ihr euch endlich unseren schon abenteuerlich, wenn auch Erwartungen anpasst. Präsen- Prof. Dr. Hubert Gindert: im Sinne der „Reformwünsche“ Die katholische Stimme wird tiert endlich einen Reformpapst schwächer ...... 318 nachvollziehbar. Gernot Faci- … aber, wenn die Entscheidung us bezeichnet in seinem Artikel nicht auf einen Reformpapst fal- Prof. Dr. Konrad Löw: „Bewusst missverstanden“ das len sollte, dann wird sich sofort 75 Jahre danach ...... 320 als „einen exemplarischen Fall der antirömische Affekt wieder von selektiver Wahrnehmung“. einstellen“. Vor dieser Situati- Prof. Dr. Hubert Gindert: (Junge Freiheit 27.9.13) Das Märchen von den on werden wir möglicherweise glücklichen Krippenkindern ...... 324 Papst Franziskus antworte- bald stehen. Was wir also brau- te auf dem Rückflug vom Welt- chen sind die Kardinaltugenden, Bernhard Mihm, Stadtrat a.D.: jugendtag in Rio auf die Frage, insbesondere die Tapferkeit, not- Gesegneter Ehebruch...... 325 warum er zur Homoehe und Ab- wendige Entscheidungen auch treibung in Brasilien nichts ge- im Bewusstsein möglicher Fol- Jürgen Liminski: sagt habe: „Darüber habe sich Bürgerinitiativen für das Leben...... 326 gen zu treffen. Dafür gibt es ein die Kirche bereits klar geäu- historisches Beispiel: Als Mar- Franz Salzmacher: ßert.“ Wo es notwendig ist, stellt tin Luther auf dem Reichstag in Der Schatten der Demographie ...... 328 der Papst richtig und handelt Worms 1521 erklärt hatte, dass entsprechend, z.B. als er einen er nicht nur den Papst, sondern Auf dem Prüfstand...... 330 australischen Priester exkommu- auch ein Konzil als letzte Instanz Zeit im Spektrum...... 332 nizierte, weil er für die Homoehe ablehne, sagte der junge Kaiser Bücher...... 334 geworben hatte. Karl V.: „Das genügt“. Noch in Leserbriefe/Veranstaltung...... 335 Wieviel Zeit und Kraft wegen der Nacht notierte er: „Ich bin der immer neu auf die Agenda bereit, auf die katholische Kir- gebrachten „Reformwünsche“ che alles zu setzen, meine Län- Impressum „Der Fels“ November 2013 Seite 335 vergeudet werden, zeigt der Ab- der, meine Freundschaften, mei- Redaktionsschluss ist jew. der 5. des Vormonats lauf des diesjährigen Dialogpro- nen Leib, mein Leben und meine Titelbild: 2. Miniatur aus der Viviansbilbel, um 846, zesses in Stuttgart. Das gestell- Seele“. Paris Nationalbibliothek – Erläuterung siehe S. 334 te Thema war die Liturgie. Das hinderte den ZDK-Präsidenten Fotos: 307-309 R. Fobes; 311, 325 R. Gindert; 312 Joseph Kardinal Ratzinger: Aus meinem Leben, S. nicht, das vorhandene Podium 102; 313 G. Eberts: Das Zweite Vatik. Konzil, 1985, zu missbrauchen, um die „volle Wiener Verlag, 10 u. 51; 314 Martin von Wagner Mu- Teilhabe von wiederverheirate- seum der Uni Würzburg; 315 H. Froitzheim; 316 Di- özese Limburg; 320-323 L. Löw: Die Schuld, Resch- ten Geschiedenen am kirchlichen Verlag, S. 117, 120, 190, 197; 326-329 J. Liminski; Leben“, konkreter, die Zulassung Mit den zur Kommunion zu fordern. Die besten Wünschen Quelle S. 336: Thomas Scharf-Wrede in Martyrologium aus Kaufering „Zeugen für Christus“ I Seite 267 – 270 Antwort des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz: Ihr Hubert Gindert

306 DER FELS 11/2013 Referenten von links nach rechts: Generalvikar der Diözese Harald Heinrich; der evangelische Pastor Ado Greve; Mathias von Gersdorff, Journalist; Gerda Riedl, Professorin der Dogmatik

Raymund Fobes:

Der christliche Glaube – Sauerteig für die Welt

Theologische Sommerakademie 2013 in Augsburg

Wie lässt sich der christliche Glau- durch ihn ängstliche Menschen zu Tatsächlich war die Zahl der Priester, ben umsetzen, wie wird er zum Sau- begeisterten Zeugen geworden. die hier beteiligt waren, minimal – erteig für die Welt? Diese Frage stell- Und von solchen Zeugen war auch hingegen war der Vertrauensverlust te sich in diesem Jahr die Augsburger während der Tagung immer wieder zu groß. Indessen, so stellte Gersdorf Theologische Sommerakademie, die hören, etwa als der evangelische Pas- fest, habe zwar die Zahl der gläubi- wieder einmal mehr unter der fach- tor Ado Greve von seiner Tätigkeit gen Christen abgenommen, diejeni- kundigen Leitung von Prof. Anton bei „Open doors“ berichtete, einer Or- gen aber, die bei der Kirche blieben, Ziegenaus im Haus St. Ulrich vom 4. ganisation im Dienst der verfolgten seien in ihrem Glaubenszeugnis qua- bis zum 7. September stattfand. Das Christen weltweit, vor allem in den litativ stärker geworden. Thema war: „Die katholische Kirche islamischen Ländern. Die verfolgten Als eine besondere Bedrohung für IK-Augsburgauf dem Weg durch die Zeit – Der Christen bitten, so der Referent, die die heutige Zeit stellte Gersdorf die Beitrag der katholischen Kirche zur Gläubigen im sicheren Ausland vor satanistische Musik vor. Sie schü- Humanisierung Europas.“ allem darum, für sie zu beten. Sie wol- re den Hass gegen das Christentum. len in ihrem Land bleiben, damit dort Auch wenn die Früchte dieser Bedro- auch das Christentum präsent bleibt, hung weitgehend noch nicht sichtbar Mutige Zeugen und gerade deshalb ist das Gebet der seien, sei es sehr wichtig, der Ver- Mitchristen für sie so wichtig. breitung dieser Musik entgegenzu- Am Anfang der Tagung stand eine Wenn es auch hierzulande nicht wirken. „Wehret den Anfängen“, Eucharistiefeier mit der Bitte um das (oder zumindest noch nicht) wirk- sagte Gersdorf. Wirken des Heiligen Geistes wäh- lich gefährlich ist, den Glauben zu rend der Akademie. Hauptzelebrant leben, so kann man doch auch in war der Generalvikar der Diöze- Deutschland Probleme bekommen, Umstrittene Themen und se Augsburg Harald Heinrich. In wenn man sich als Christ bekennt. wie es wirklich war seiner Predigt sprach er davon, dass Das wurde im Vortrag von Mathias die Kirche im Geist Gottes heute ei- von Gersdorff von der „Deutschen Kritisiert wird die Kirche auch ne Sprache finden muss, die die Her- Vereinigung für eine christliche Kul- gern wegen ihres Verhaltens in man- zen der Menschen erreicht, was aber tur“ deutlich. Er zeigte unter ande- chen Konfliktfeldern während der nicht bedeute, dass sie Inhalte verän- rem, wie versucht wird, die Kirche in Geschichte. Zwei Themen griff die dern dürfe. Es kann nicht darum ge- Misskredit zu bringen. So gehe man Akademie auf: die Hexenverfolgung hen, einen kreuzfreien Glauben zu den Weg einer „moralischen Panik- und das Verhalten der Katholiken im schaffen. Grundsätzlich gehe es im- mache“, indem man schlecht recher- Zeitalter des Nationalsozialismus. mer darum die Wahrheit in Liebe zu chierte Statistiken ständig wieder- Zur Hexenverfolgung sprach Gerda sagen. holte – wie es etwa im Blick auf die Riedl, Professorin für Dogmatik in Zum Schluss ermutigte der Ge- Auseinandersetzung mit dem sexuel- Augsburg sowie Leiterin der Haupt- neralvikar dazu, dem Heiligen Geist len Missbrauch geschah, der vor ei- abteilung Glaube, Hochschule, Got- etwas zuzutrauen. Immerhin seien nigen Jahren die Kirche erschütterte. tesdienst beim dortigen Bischöflichen DER FELS 11/2013 307 Von links nach rechts: Politologe Prof. Konrad Löw, Benediktiner P. Martin Trieb, Äbtissin Maria Hildegard Brem, der emeritierte Professor für Christliche Soziallehre in Bonn Lothar Roos

Ordinariat. Die Referentin zeigte die Glaube und Gesellschaft – Wahrheiten bezweifle. Aus dieser tieferen Gründe des Hexenwahns auf, einst und jetzt Haltung heraus sei eine wirklich ge- der zu Beginn der Neuzeit, also von lungene Demokratie kaum möglich. 1500 bis ins 18. Jahrhundert wütete. Ein zentraler Themenblock der Zum Thema „Ehe und Familie Gestärkt wurde er zum einen durch Akademie war das Wirken der Kirche in unserer Gesellschaft“ sprach der Ängste und Unsicherheiten, wie et- in die Gesellschaft. Der Benedikti- Moraltheologe Christian Schulz, wa Pestepedemien, dann aber ging es ner P. Martin Trieb von der Abtei der als Pfarrer in der Diözese Re- auch ums Geld. Wer eine reiche Frau St. Ottilien zeigte in einem Film das gensburg tätig ist. Schulz übte hef- als Hexe denunzierte, konnte daran Wirken seines Ordens in Zentralafri- tige Kritik an der Orientierungshil- gut verdienen, weil die Prozesskosten ka. Die Benediktiner leisten hier ei- fe der EKD (Evangelische Kirche in die Verurteilte übernehmen musste. nen wichtigen Beitrag durch Ausbil- Deutschland) zu Ehe und Familie, Verfolgungen gab es sowohl in ka- dung und medizinische Versorgung die im Juni 2013 herausgekommen tholischen wie evangelischen Land- der Bevölkerung. ist. Abzulehnen seien vor allem Aus- strichen. Der Wahn wütete vor allem Äbtissin Maria Hildegard Brem sagen des Papiers, in denen behaup- in Mitteleuropa, die Länder der Or- aus der Zisterzienserabtei Maria Stern tet wird, dass weder die Ehe in der thodoxie blieben verschont, ebenso in Gwiggen bei Bregenz am Boden- Heiligen Schrift als „göttliche Stif- Rom. Die Prozesse lagen in der Hand see sprach über die Bedeutung ihres tung“ begründet sei noch sich die tra- der zivilen Gewalt, dennoch hätte die Ordens für die geistliche Entwick- ditionellen Geschlechterrollen bib- katholische Kirche – so Riedl – deut- lung in Europa. Neben entscheiden- lisch herleiten ließen. Tatsächlich sei licher ihre Stimme erheben müssen. den Reformen in der Landwirtschaft aber die exklusive und auf das ganze Über das Verhalten der Katholiken lebte der Zisterzienserorden bereits in Leben angelegte Ehe zwischen Mann im Nationalsozialismus sprach der seinen Anfängen eine gelungene De- und Frau eindeutig in der Botschaft Münchner Historiker und Politolo- mokratie. Getrennt wurden die aus- Jesu Christi verankert – die Aus- ge Prof. Konrad Löw. 1931 geboren führende und gesetzgebende Macht. richtung auf Nachkommenschaft ist hat er selbst als Kind erlebt, wie Ka- Die Exekutive kam den Äbten zu, die schon im Buch Genesis benannt. tholiken sich gegen die Nazis gestellt Legislative dem Generalkapitel. Zu- In der folgenden Diskussion wur- und auf der anderen Seite den be- dem gab es immer die Möglichkeit, de unter anderem die Notwendigkeit drängten Juden geholfen haben. Un- gegenüber dem Generalkapitel Beru- einer intensiven Ehevorbereitung von ter anderem erinnerte er auch daran, fung einzulegen. heiratswilligen Paaren angesprochen, wie positiv das Verhältnis zwischen Über ein rechtes Demokratie- vor allem auch, was die Vertiefung Katholizismus und Judentum bereits verständnis aus christlicher Sicht des Glaubens und der Gottesbezie- vor der Machtergreifung war, also in sprach der emeritierte Professor hung betrifft. einer Zeit, in der die Nationalsozia- für Christliche Soziallehre in Bonn listen – und nicht nur sie – schon das Lothar Roos. Er betonte, dass De- Judentum zur Wurzel allen Übels er- mokratie sich nie allein an Mehrhei- Die Kirche und die klärt hatten. Zum Thema Pius XII. er- ten orientieren dürfe, sondern immer Menschen innerte Löw noch einmal daran, dass an Grundsätzen und -werten. So sei der Pacelli-Papst nicht deutlicher ge- eine Demokratie dann zu bejahen, Auf das Zweite Vatikanische Kon- gen die Nazis gesprochen habe, weil wenn die menschliche Würde in ihr zil und seine Aussagen über die Kir- er sonst die Situation der verfolgten von Gott her begründet wird. Proble- che lenkte Prof. Josef Kreiml aus Juden nur noch verschlechtert hät- matisch sei hingegen das Fehlen ei- St. Pölten den Blick bei seinem Vor- te. Auch wies der Referent darauf nes Transzendenzbezugs in der Ver- trag. Vor allem machte er deutlich, hin, dass der jetzige Papst Franzis- fassung, wie etwa im laizistischen dass die Kirche kein Menschenwerk kus durchaus positiv der Person sei- Frankreich. Roos beklagte, dass heu- ist, sondern in Gott selbst, in Je- nes Vorgängers Pius XII. gegenüber- te vor allem ein Skeptizismus oder sus Christus, seinen Ursprung hat. steht, dessen Seligsprechungsprozess Agnostizismus vorherrsche, der Weil die Kirche auf Jesus Christus läuft. das Vorhandensein unumstößlicher zurückgeht und ohne ihn nicht sein 308 DER FELS 11/2013 Von links nach rechts: Moraltheologe Christian Schulz, Prof. Josef Kreiml, Prof Anton Ziegenaus, Msgr. Wilhelm Imkamp

kann, ist sie auch Sakrament, also rem Führer, dem später Papst und tor, der Vollzug des Opfers in der Zeichen und gleichzeitig Werkzeug Bischofskollegium folgten. Heiligen Messe. In diesem Sinn sei für die innerste Vereinigung des Für die Kirche von entscheiden- auch das Altarbild von Maria Ves- Menschen mit Gott – eine Aussa- der Bedeutung ist auch der Pries- perbild zu deuten, wo der gekreu- ge, die, so Kreiml, immer noch ver- ter. Über das Geheimnis des Pries- zigte Jesus auf den Tabernakel mit nachlässigt wird. tertums sprach in einer Predigt der dem Allerheiligsten deutet. Mit der Kirche in ihrem Verhält- Wallfahrtsdirektor von Maria Ves- Neben der Wallfahrt nach Maria nis zum von Christus verheißenen perbild Msgr. Wilhelm Imkamp. Vesperbild gab es auch sonst bei der Reich Gottes befasste sich das Ab- Die Teilnehmer der Sommeraka- Sommerakademie viel Zeit für Ge- schlussreferat von Prof Anton Zie- demie hatten den blühenden Wall- bet und Anbetung. Neben den inte- genaus. Jesus spricht in seiner Bot- fahrtsort bei Augsburg besucht. Nach ressanten Informationen zu theo- schaft viel von dem Reich Gottes, einem einführenden Vortrag über die logischen und kirchlichen Themen er sieht es sowohl als Verheißung Frucht der Wallfahrt für das Wohl stand so auch die Gottesbegegnung für die Zukunft, aber auch als et- der Gläubigen von Wallfahrtsseel- im Zentrum – und der bereichernde was, das bereits hier und jetzt schon sorger P. Gerhard Löffler fand die Austausch untereinander hatte eben- verborgen präsent ist. Von der Kir- heilige Messe mit dem Wallfahrtsdi- so viel Platz. q che ist in den Worten Jesu hingegen rektor statt, bei der Prälat Imkamp zwar kaum die Rede, gleichwohl hat in der Predigt an den oft vergesse- Berichtsband folgt im Frühjahr! Er- er aber bereits kirchenstiftende Ele- nen Opfercharakter der Eucharistie hältlich bei IK-Augsburg: Gerhard mente eingesetzt wie etwa den Kreis erinnerte. Wesentliche Aufgabe des Stumpf, Nordfeldstr. 3, 86899 Lands- der Zwölf Apostel mit Petrus als ih- Priesters sei, so der Wallfahrtsdirek- berg

Station an der Fatimakapelle; rechts: Wallfahrtsseelsorger P. Gerhard Löffler

DER FELS 11/2013 309 Kongress Freude am Glauben 2013

Josef Kreiml:

Revolution oder Kontinuität?

Zum rechten Verständnis des Zweiten Vatikanischen Konzils

Beginn zwei Schlaglichter: In Der Innsbrucker Liturgiewissen- Papstes Benedikt XVI. Sowohl gegen- Zu einem Gespräch mit einem bra- schaftler Josef Andreas Jungmann hat über der traditionalistischen Hermeneu- silianischen Fernsehsender anlässlich das Grundprinzip jeder liturgischen Er- tik einer ungeschichtlichen Kontinuität des Weltjugendtages in Rio de Janeiro neuerung so formuliert: „Reform der Li- als auch gegenüber der progressistischen sagte Papst Franziskus, derzeit sei das turgie kann nicht Revolution sein. Sie Hermeneutik bruchhafter Diskontinuität Konzil „noch nicht voll umgesetzt“, es muss den wirklichen Sinn und die Ge- fördert Benedikt XVI. „eine Konzilsher- inspiriere die Kirche jedoch weiterhin. samtstruktur der überlieferten Riten zu meneutik der Reform, die Kontinuität „Die Umsetzung eines Konzils dauert erfassen versuchen, und sie muss diese – mit der Tradition und Dynamik der Er- hundert Jahre, also haben wir jetzt die in behutsamer Verwertung schon vorhan- neuerung miteinander verbindet, um die Hälfte“, meinte der Papst.1 – Ein junger dener Ansätze – in der Richtung auf die Kirche aus der Herzmitte des Glaubens amerikanischer Theologe schreibt in ei- pastoralen Bedürfnisse eines lebendigen heraus zu erneuern“. 5 nem Brief Folgendes: „Die Polarisierung Gottesdienstes organisch weiterbilden.“3 ist ein Luxus, den sich die Kirche nicht Die Konstitution über die heilige Liturgie länger leisten kann, ja sie darf ihn nicht (4.12.1963) war „Teil des umfassenden Die Ansprache Papst einmal dulden. … Die Polarisierung hat Konzilsvorhabens des aggiornamento, 2. Benedikts XVI. beim die Fähigkeit der Kirche erstickt, authen- freilich nicht im Sinne einer Anpassung Weihnachtsempfang am tisch das Evangelium zu verkünden und an den Zeitgeist, sondern im Sinne einer 22. Dezember 2005 missionarisch zu sein.“2 Erneuerung der Liturgie in der großen Tradition der Kirche, um dem modernen Menschen den Zugang zum Christus- Was war an der Rezeption des Kon- Liturgiereform „kann mysterium besser eröffnen zu können“.4 zils gut, unzulänglich oder falsch? Was 1. nicht Revolution sein“ Das Zweite Vatikanum wollte nicht muss noch getan werden? Warum ist die einfach – auch und gerade in der Li- Rezeption des Konzils in weiten Teilen turgie nicht – Neues schaffen, sondern der Kirche eher schwierig gewesen? Al- Die in der Nachkonzilszeit bewusst dem verbindliche Gestalt geben, was les hängt – so Benedikt XVI. in seiner vorangetriebene Hermeneutik der Dis- im Glaubensleben der Kirche organisch Ansprache vom Dezember 2005 – von kontinuität und des Bruches ist dem gewachsen und herangereift war. Litur- einer „korrekten Auslegung“,6 von einer durchschnittlichen Katholiken nirgends gie ist eine lebendige Realität. Es gibt korrekten Deutung und Umsetzung des so nahe gekommen wie bei der nachkon- Weiterentwicklungen, aber die bleibende Konzils ab. Die Probleme der Rezeption ziliaren Liturgiereform. Die inflationär Kontinuität und die Identität dürfen nicht entspringen der Tatsache, dass zwei ge- gewordene Rede von der vorkonziliaren zerstört werden. In der Liturgiegeschich- gensätzliche Hermeneutiken miteinander und nachkonziliaren Kirche hat sich zu- te gilt das Prinzip der „organischen Ent- im Streit liegen. Auf der einen Seite gibt nächst in der Unterscheidung zwischen wicklung“ der Liturgie. Es kann Wachs- es die „Hermeneutik der Diskontinuität der sog. alten und neuen Messe einge- tum und Fortschritt, aber keinen Bruch und des Bruches“. Sie hat sich nicht sel- bürgert. Auf diesem Hintergrund kann geben. Die nach dem Konzil wirksam ten das Wohlwollen der Massenmedien es nicht erstaunen, dass der bis heute gewordene Hermeneutik der Diskonti- und eines Teiles der modernen Theologie schwelende Streit um die richtige Aus- nuität und des Bruches wurde v. a. im li- zunutze machen können, und sie hat Ver- legung des Zweiten Vatikanums auf der turgischen Leben angewandt und in den wirrung gestiftet. Auf der anderen Seite Ebene der Liturgie besonders heftig aus- Prinzipien der Kreativität und der freien gibt es die „Hermeneutik der Reform“, getragen worden ist. Die Liturgiekon- Gestaltung der Liturgie konkretisiert. der Erneuerung des einen Subjektes Kir- stitution des Zweiten Vatikanums hat Papst Paul VI. und Papst Johannes che, unter Wahrung der Kontinuität. Die- das Ziel der Liturgiereform mit folgen- Paul II. haben die Neuheit des Konzils se Hermeneutik hat Früchte getragen, den Worten umschrieben: „die gesunde und gleichzeitig die Einzigkeit und Kon- und sie trägt auch weiterhin Früchte. Überlieferung (solle) gewahrt bleibe(n) tinuität der Kirche verteidigt. Die konse- Die Vertreter einer Hermeneutik des und dennoch (solle) einem berechtigten quente und authentische Verwirklichung Bruches berufen sich vielfach auf einen Fortschritt die Tür aufgetan werde(n)“ des Zweiten Vatikanums ist auch eines grundlegenden Unterschied zwischen („Sacrosanctum Concilium“, Nr. 23). der zentralen Anliegen des emeritierten den Konzilstexten und dem Konzilsgeist.

310 DER FELS 11/2013 Prof. Dr. theol. habil. Josef Kreiml M. A., Professor für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theolo- gie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Pölten; seit 2005 auch Rektor. Außerdem Diözes- anrichter am Diözesangericht St. Pölten, Seelsorger in einer Pfarrei und Referent in der Priesterfortbil- dung. 1958 in Wolkering (Landkreis ) geboren; Abitur 1977. Von 1977 bis 1982 Studium der Kath. Theologie in Regensburg und Rom; Anschließend Studium der Philosophie in München (M. A. 1985). Promotion in Regensburg (Dr. theol. 1989). 1990 Priesterweihe; anschließend seelsorgerliche Tätig- keit. Habilitation 2001.

Die Konzilstexte seien das Ergebnis von rer Zeit entspricht. Eine Sache sind ... die den Glauben der Jahrhunderte annehmen „Kompromissen, die geschlossen wur- Glaubensinhalte, also die in unserer ehr- und darf nicht die Wurzeln abschneiden, den, um Einmütigkeit herzustellen, wo- würdigen Lehre enthaltenen Wahrheiten, von denen der Baum lebt“.10 Kardinal bei viele alte und inzwischen nutzlos eine andere Sache ist die Art, wie sie for- Lehmann hat mit Recht Folgendes fest- gewordene Dinge mitgeschleppt und muliert werden, wobei ihr Sinn und ih- gestellt: „Manche unfruchtbaren Graben- wieder bestätigt werden mussten. Nicht re Tragweite erhalten bleiben müssen“9. kämpfe zwischen Progressiven, die sich in diesen Kompromissen komme jedoch Überall, wo man eine „Hermeneutik der wenig um verbindliche Inhalte kümmer- der wahre Geist des Konzils zum Vor- Reform“ zugrundegelegt hat, ist – so Be- ten, und Traditionalisten, die sich wenig schein, sondern im Elan auf das Neue nedikt XVI. – neues Leben gewachsen um die Gegenwartsnähe der Kirche sorg- hin, das den Texten zugrunde liege: nur und sind neue Früchte herangereift. Es ten, haben dem Konzil in gleicher Weise in diesem Elan liege der wahre Konzils- geht um eine Erneuerung der Kirche un- geschadet“.11 geist, und hier müsse man ansetzen und ter Wahrung der Kontinuität. Benedikt XVI. hat in seiner Ansprache dementsprechend fortfahren. Eben weil Auch in unserer Zeit bleibt die Kirche vom Dezember 2005 deutlich gemacht, die Texte den wahren Konzilsgeist und ein „Zeichen, dem widersprochen wird“ dass auch die Anerkennung der Religi- seine Neuartigkeit nur unvollkommen (Lk 2,34). Es konnte nicht die Absicht onsfreiheit in „“ (Er- zum Ausdruck brächten, sei es notwen- des Konzils sein, diesen Widerspruch klärung über die Religionsfreiheit vom dig, mutig über die Texte hinauszugehen des Evangeliums gegen die Gefahren 7. Dezember 1965) ein Anknüpfen am und dem Neuen Raum zu verschaffen, und Irrtümer des Menschen aufzuheben. Ursprung und insofern Reform aus dem das die tiefere, wenn auch noch nicht Die Dogmatische Konstitution über die Ursprung ist: „Das Zweite Vatikanische scharf umrissene Absicht des Konzils Kirche („Lumen gentium“, Nr. 8) spricht Konzil hat mit dem Dekret über die Reli- zum Ausdruck bringe. Mit einem Wort, von den „Verfolgungen der Welt“ und den gionsfreiheit einen wesentlichen Grund- man solle nicht den Konzilstexten, son- „Tröstungen Gottes“. Das Konzil wollte satz des modernen Staates anerkannt und dern ihrem Geist folgen. Unter diesen – so Benedikt XVI. – Gegebenheiten be- übernommen und zugleich ein tief ver- Umständen entsteht natürlich ein großer seitigen, die es verhindert hätten, dass ankertes Erbe der Kirche wieder aufge- Spielraum für die Frage, wie dieser Geist den Menschen von heute der Anspruch griffen. Diese darf wissen, dass sie sich denn zu umschreiben sei“.7 Eine solche des Evangeliums in seiner ganzen Grö- damit in völligem Einvernehmen mit Interpretation verfehlt die Natur eines ße und Klarheit vor Augen tritt. Der heu- der Lehre Jesu befindet (vgl. Mt 22,21), Konzils – so Benedikt XVI. – „bereits te besonders wichtige Dialog zwischen ebenso wie mit der Kirche der Märtyrer, im Ansatz“. Ein Konzil ist keine ver- Vernunft und Glauben muss – mit großer mit den Märtyrern aller Zeiten.“12 fassungsgebende Versammlung, die ei- Offenheit des Geistes und mit der klaren Im Verlauf des Streits um das rechte ne alte Verfassung außer Kraft setzt und Unterscheidung der Geister – weiterge- Verständnis des Zweiten Vatikanums ha- eine neue schafft. Die eigentliche Kir- führt werden. ben sich zwei extreme Positionen gebil- chenverfassung kommt von Christus; sie det, die beide von einem durch wichtige wurde uns gegeben, damit wir das ewige Konzilsdokumente bewirkten Bruch mit Leben erlangen. Die Bischöfe sind durch Die „Hermeneutik der bis dahin verbindlichen Lehre der das Sakrament der Bischofsweihe „Treu- 3. der Reform“ Kirche sprechen.13 Was Traditionalisten händer der Gabe des Herrn“.8 Im Gleich- und Progressisten unterscheidet, ist le- nis vom „Verwalter“ bzw. vom „anver- diglich die Bewertung dieses behaupte- trauten Geld“ (Mt 25,14-30; Lk 19,11-27) Benedikt XVI. hat in seinem Brief „in ten Bruches. Während die Traditionalis- wird die Dynamik der Treue beschrieben. Sachen Aufhebung der Exkommunikati- ten darin einen theologisch niemals zu Auch in einem Konzil müssen Dynamik on der vier von Erzbischof Lefebvre ge- verantwortenden Widerspruch zu dem und Treue eins werden – was ein äußerst weihten Bischöfe“ gesagt: „Man kann die unantastbaren Glaubensgut der Kirche anspruchsvolles Programm darstellt. Lehrautorität der Kirche nicht im Jahre sehen, applaudieren die Progressisten Auch Papst Johannes XXIII. hat in sei- 1962 einfrieren – das muss der Bruder- angesichts – so ihre Interpretation – der ner Eröffnungsansprache zum Konzil am schaft ganz klar sein. Aber manchen von längst fälligen Räumung von Positionen, 11. Oktober 1962 von einer „Hermeneu- denen, die sich als Verteidiger des Kon- die – aufgrund der Entwicklung der mo- tik der Reform“ gesprochen: „Es ist not- zils hervortun (den sog. Progressiven; J. dernen Gesellschaft und Kultur – unhalt- wendig, die unumstößliche und unverän- K.), muss auch in Erinnerung gerufen bar geworden sind. derliche Lehre, die treu geachtet werden werden, dass das Zweite Vatikanum die Bei der Suche nach einem theologisch muss, zu vertiefen und sie so zu formu- ganze Lehrgeschichte der Kirche in sich legitimen Ausweg aus dieser Konflikt- lieren, dass sie den Erfordernissen unse- trägt. Wer ihm gehorsam sein will, muss situation mag ein Blick auf jene Erfah-

DER FELS 11/2013 311 Konzilsberater Joseph Ratzinger (1962-1965) des Kölner Erz- bischofs Kardinal Joseph Frings. Das Bild zeigt ein Gespräch bei einer Tagung von Mediävisten in Köln (1962).

rungen hilfreich sein, die die Kirche mit Die Erneuerung der Kirche neuen militanten Atheismus, der freilich bzw. nach dem Vorgängerkonzil der Jah- 4. als geistliche Aufgabe über die uralten Klischees einer vulgären re 1869/70 gemacht hat. Auch damals Aufklärung kaum hinauskommt, stellen war von Bruch die Rede. Die Gegner des die Kirche vor neue, gewaltige Heraus- Ersten Vatikanums begründeten ihren Das Zweite Vatikanum wollte verdeut- forderungen. Das „Werk der Evangeli- Widerspruch gegen die Entscheidung des lichen, dass es sich bei der Erneuerung sation“ ist eine „Grundpflicht des Got- damaligen Konzils, indem sie die Defini- der Kirche um eine geistliche Aufgabe tesvolkes“ (Missionsdekret des Zweiten tionen von Primat und Unfehlbarkeit des handelt. Kirchenreform muss auf dem Vatikanums „Ad gentes“, Nr. 35). Die Papstes in grotesker Weise übersteigernd Weg einer geistlichen Vertiefung des Kir- eigentliche Alternative zu „konserva- interpretierten. Auf diese Weise schufen cheseins aller Getauften geschehen. Am tiv“ hat beim Konzil nicht „progressiv“, die Propheten des Bruches – die späte- Ende des vierten Bändchens (1966)15, in sondern „missionarisch“ geheißen. Da ren Altkatholiken – eine überhitzte At- denen der Konzilsberater Joseph Rat- die Menschen nur das weitergeben kön- mosphäre, in der sich die Fronten immer zinger über die einzelnen Sitzungsperi- nen, wovon sie selbst zutiefst überzeugt mehr verhärteten. Zu dieser Verhärtung oden des Konzils berichtet hat, hielt er sind, setzt die notwendige missionari- trugen aber nicht nur die Gegner von gleichsam als Fazit fest: „Das Konzil hat sche Initiative unsere Selbstevangelisa- Primats- und Unfehlbarkeitsdogma bei, uns zum Bewusstsein gebracht, wie sehr tion voraus. Die wahre Kirchenreform, sondern auch deren bisweilen ebenso un- in der Tat die Kirche in einer neuen Si- die das Konzil gewollt hat und die auch besonnene und extreme Verfechter (z. B. tuation von innen her der Erneuerung heute notwendig ist, ist eine elementare der Londoner Erzbischof Henry Edward bedurfte.“16 Was Joseph Ratzinger da- geistliche Aufgabe für alle Christgläu- Manning). Indem sich die extremen Ver- mals unter Kirchenreform verstand, hat bigen. fechter der Primatslehre auf ihre Weise er so präzisiert: „Am Ende lebt die Kir- von der gesunden Überlieferung der Kir- che … zutiefst vom Glauben derer, die che entfernten, vollzogen auch sie einen einfachen Herzens sind. … Der Glaube Die größte Herausforde- Bruch, und zwar nicht zum wenigsten derer, die einfachen Herzens sind, ist der 5. rung für die Kirche: dadurch, dass ihre Übertreibungen den kostbarste Schatz der Kirche; ihm zu die- Gott gegenwärtig machen Gegnern des Konzils Grund für ihren nen und ihn selbst zu leben ist die höchs- Protest boten. te Aufgabe kirchlicher Erneuerung.“17 In dieser für die Einheit der Kirche Beim vielstrapazierten Wort „aggior- Bei einer Audienz am 27. Januar bedrohlichen Situation meldeten sich namento“ handelt es sich nicht um eine 2012 hat Papst Benedikt XVI. Folgen- Konzilsteilnehmer und Theologen in ei- leichtfertige Angleichung des Glaubens des gesagt: In weiten Teilen der Welt ner Weise zu Wort, die geeignet war, den und der Kirche an die Plausibilitäten der ist „der Glaube in Gefahr zu verlöschen Irrtümern und Angriffen der einen wie heutigen Welt; auch eine starre Abschot- wie eine Flamme, die nicht mehr ge- der anderen Seite zu begegnen. An erster tung von Glauben und Kirche von der speist wird. Wir stehen vor einer tiefen Stelle war es der österreichische Bischof säkular gewordenen Welt ist damit nicht Glaubenskrise und einem Verlust des Joseph Feßler (1813-1872), der als Se- gemeint. Bedenkenswert ist in diesem religiösen Sinnes, die für die Kirche die kretär des Konzils hierzu besonders be- Zusammenhang folgendes Wort Martin größte Herausforderung darstellen. Die fähigt war.14 Seine 1871 in drei Auflagen Bubers: „Von der Welt wegblicken, das Erneuerung des Glaubens muss daher erschienene Schrift „Die wahre und die hilft nicht zu Gott. Auf die Welt hinstar- ... in unseren Tagen Vorrang haben. Ich falsche Unfehlbarkeit der Päpste“ sowie ren, das hilft auch nicht zu ihm. Aber wer wünsche mir, dass das Jahr des Glau- sein gleich danach erschienenes Werk die Welt in ihm schaut, steht in seiner bens ... dazu beitragen wird, Gott wie- „Das Vaticanische Concilium, dessen Gegenwart.“18 der in dieser Welt gegenwärtig zu ma- äußere Bedeutung und innerer Verlauf“ Kardinal Koch fordert ein Durchwir- chen und den Menschen den Zugang ... (1871) trugen entscheidend zur Aufklä- ken des modernen Lebens mit dem Sau- zum Vertrauen zu jenem Gott zu eröff- rung und Beruhigung bei. Papst Pius IX. erteig des Evangliums. Er warnt vor ei- nen, der uns in … Jesus Christus seine zögerte nicht, seine Zustimmung zu Feß- nem Konformismus mit der Welt, der nur Liebe bis zur Vollendung erwiesen hat lers Schriften auszudrücken. So konnte noch christlich tauft, was weltlich vorge- (vgl. Joh 13,1).“19 Dem emeritierten auf der Grundlage einer sachlichen und geben ist. Der in den letzten Jahrzehnten Papst geht es darum, dass Gott „wieder korrekten Interpretation der Konzilsde- in unseren Breitengraden unaufhaltsam in unser Blickfeld tritt, der so oft ganz krete auf weite Strecken hin die Einheit vorangeschrittene Prozess der Säku- abwesende Gott, dessen wir … so sehr von Bischöfen, Klerus und Gläubigen larisierung und der Entfremdung vom bedürfen.“20 Wir müssen die Wahrneh- gewahrt bleiben. Christentum und das Aufkommen eines mungsfähigkeit für Gott wieder neu

312 DER FELS 11/2013 Links: Mit dem Federkiel setzt Papst Johannes XIII. seine Un- terschrift unter das Dokument, mit dem er das Konzil einbe- ruft. Oben: Noch wird der Papst auf der „Sedia gestatoria“, dem Tragestuhl, hereingetragen. Papst Paul VI., der lange an der Kurie gearbeitet hatte, setzte eine größere Einfachheit des Ze- remoniels durch.

entwickeln. Von Anfang seines Diens- Papst in seinem Apostolischen Schrei- Erneuerung. Das „Jahr des Glaubens“ tes als Nachfolger Petri an hat Benedikt ben „Porta fidei“, mit dem er das „Jahr ist eine Aufforderung zu einer echten XVI. an die Notwendigkeit erinnert, des Glaubens“ ausgerufen hat, – wieder Umkehr zum Herrn. Benedikt XVI. „den Weg des Glaubens wiederzuent- Geschmack daran finden, uns vom Wort wünscht sich, dass das „Jahr des Glau- decken, um die Freude und die erneute Gottes und vom Brot des Lebens zu bens“ in allen Gläubigen das Verlangen Begeisterung der Begegnung mit Chris- nähren.21 Die Kirche ist zugleich heilig weckt, den Glauben vollständig und mit tus immer deutlicher zutage treten zu und stets der Reinigung bedürftig. Sie erneuerter Überzeugung, mit Vertrauen lassen. Wir müssen – so der emeritierte geht immerfort den Weg der Buße und und Hoffnung zu bekennen. q

1 Zit. nach: Guido Horst, Wenn Franzis- 7 Papst Benedikt XVI. zur Hermeneutik war von 1865 bis zu seinem Tod im Jahr kus Klartext spricht, in: Die Tagespost Nr. (Anm. 6), 10 f. 1872 Bischof von St. Pölten. 92/01.08.2013, 5. 8 Ebd., 11. 15 Jetzt in: Joseph Ratzinger, Gesammelte 2 Zit. nach: Timothy Radcliffe, Warum 9 Zit. nach: ebd., 12. Schriften Bd. 7/1, 527-575. Christ sein? Wie der Glaube unser Leben 10 Zit. nach: Kurt Kardinal Koch, Das 16 Zit. nach: Kurt Kardinal Koch, Das Zwei- verändert. Aus dem Englischen von Sabine Zweite Vatikanische Konzil zwischen In- te Vatikanische Konzil (Anm. 10), 28. Schratz, Freiburg 2012, 274. novation und Tradition. Die Hermeneutik 17 Joseph Ratzinger, Gesammelte Schriften 3 J. A. Jungmann, in: LThK Bd. 12 (2. Aufl. der Reform zwischen der Hermeneutik Bd. 7/1, 575. 1966), 33 f. bruchhafter Diskontinuität und der Herme- 18 Zit. nach: Kurt Kardinal Koch, Das Zwei- 4 Kurt Kardinal Koch, Die Konstitution neutik ungeschichtlicher Kontinuität, in: te Vatikanische Konzil (Anm. 10), 38. über die Heilige Liturgie und die nach- Papst Benedikt XVI. und sein Schülerkreis 19 Die Erneuerung des Glaubens muss Vor- konziliare Liturgiereform. Innovation und / Kurt Kardinal Koch, Das Zweite Vatika- rang haben. Ansprache von Papst Benedikt Kontinuität im Licht der Hermeneutik der nische Konzil (Anm. 4), 21-50, hier 33. XVI. am 27. Januar 2012, in: L`Osservatore Reform, in: Papst Benedikt XVI. und sein 11 Karl Kardinal Lehmann, Kraftvoll-le- Romano. Wochenausgabe in deutscher Schülerkreis / Kurt Kardinal Koch, Das bendige Erinnerung bis heute. Zweites Va- Sprache Nr. 6/10.02.2012, 9. Zweite Vatikanische Konzil. Die Herme- tikanisches Konzil und Gemeinsame Sy- 20 Apostolische Reise Seiner Heiligkeit neutik der Reform. Hg. von St. O. Horn node als Wegweiser für die Zukunft, in: Papst Benedikt XVI. nach Berlin, Erfurt und S. Wiedenhofer, Augsburg 2012, 69- Christian Schaller u. a. (Hg.), Mittler und und Freiburg 22.-25. September 2011. Pre- 98, hier 77. Befreier. Die christologische Dimension digten, Ansprachen und Grußworte. Hg. 5 Ebd., 98. der Theologie. Für Gerhard Ludwig Mül- vom Sekretariat der Deutschen Bischofs- 6 Papst Benedikt XVI. zur Hermeneutik ler, Freiburg 2008, 609-627, hier 617. konferenz, (VApS, 189), Bonn 2011, 13 f, und Rezeption des Zweiten Vatikanischen 12 Papst Benedikt XVI. zur Hermeneutik hier 14. Konzils (Aus der Ansprache von Papst Be- (Anm. 6), 16. 21 Vgl. Apostolisches Schreiben (in nedikt XVI. an das Kardinalskollegium 13 Vgl. Walter Kardinal Brandmüller, Post- Form eines Motu proprio) „Porta fidei“ und die Mitglieder der Römischen Kurie konziliare Interpretationskonflikte, in: von Papst Benedikt XVI., mit dem das beim Weihnachtsempfang [22. Dezember L`Osservatore Romano. Wochenausgabe in „Jahr des Glaubens“ ausgerufen wird, in: 2005], in: Benedikt XVI. und sein Schüler- deutscher Sprache Nr. 7/15.02.2013, 8 f. L`Osservatore Romano. Wochenausgabe kreis / K. Kardinal Koch, Das Zweite Vati- 14 Vgl. Franz Grass, Art. Joseph Feßler, in: in deutscher Sprache Nr. 42/21.10.2011, kanische Konzil (Anm. 4), 9-19, hier 9. LThK Bd. 4 (2. Aufl. 1962), Sp. 95. Feßler 10-12. DER FELS 11/2013 313

Credo Carnis Resurrectionem - li- um er Kupferstich zeigt den Glaubenssatz „Auf- Es wurde von „Rom“ schon mehrmals angemahnt, Derstehung des Fleisches“ beim Jüngsten Ge- die unglückliche ökumenische deutsche Überset- richt. Dieser wird besonders erschütternd in der Re- zung „Auferstehung der Toten“ zu ändern, was, quiem-Sequenz und dem Tumbagebet geschildert. wie auch andere Beispiele zeigen, in absehbarer Dem Entwerfer dieses Stiches, Johann Georg Berg- Zeit nicht zu erwarten ist. In diesem Stich sieht müller (1688 – 1762), waren diese Texte bekannt, man freilich vier – die Zahl für „Welt“ wegen der und er versuchte, sie hier teilweise umzusetzen. vier Himmelsrichtungen – Verstorbene in ihren So heißt es im Tumbagebet: Quando caeli mo- Leibern aus den Gräbern steigen, jeder in einer an- vendi sunt et terra: Dum veneris iudicare saeculum dere Situation: Der Linke steckt noch weitgehend per ignem. Tremens factus sum ego, et timeo dum im Sarge. Dann folgt ein Mensch, welcher gerade discussio venerit atque ventura ira (Wenn die Himmel erschüttert werden und die Erde, während Du kommst, die Welt zu richten durch Feuer. Ich erbebe und fürch- te mich, wenn die Prüfung kommt und der kommende Zorn). Demgemäß ballen sich dunkle Wolken am Himmel zusammen. Aus diesen zucken Blitze auf die Gräber. Dem mittleren Grab entsteigt furchtsam ein Mensch. In der Sequenz heißt es: Liber scrip- tus proferetur, in quo totum continetur unde mundus iudicetur (Ein geschriebe- nes Buch wird vorgebracht, in dem alles enthalten ist, wonach die Welt gerichtet wird). Oben, in der Mitte des Stichs, sieht man dieses Buch. Weiter steht in der Sequenz: Tuba, mi- rum spargens sonum per sepulcra regio- num, coget omnes ante thronum (Die Posaune, die einen wunderbaren Ton ver- breitet über die Gräber der Gegenden, zwingt alle vor den Thron). Hier erinnert sich der versucht, das Grabtuch, welches noch über seinem Stichentwerfer aber auch an die Evangelientexte. Gesicht liegt, wegzuziehen. Der Mittlere hebt den Dort steht: Er wird seine Engel senden mit mäch- Sargdeckel und blickt entsetzt auf das Geschehen. tigem Posaunenschall, und sie werden seine Auser- Anders schaut der rechts Auferstehende. Er hat das wählten von den vier Winden, von einem Ende des Totentuch schon von seinem Gesicht genommen Himmels bis zum andern, zusammenbringen (Mt und blickt nun zuversichtlich auf das kommende 24,31). Und an einer anderen Stelle heißt es: Da- Gericht. Hinter diesen vier Personen, welche gera- nach sah ich: Vier Engel standen an den vier Ecken de ihren Gräbern entsteigen und ihrem Gericht ent- der Erde. Jeder bläst in eine andere der vier Him- gegengehen, sieht man drei – Symbolzahl für den melsrichtungen (Offb 7,1). Im Stich sieht man die- Himmel – schon Gerettete. Sie sind schon bekleidet se vier Engel. Jeder bläst seine Posaune in eine an- mit Gewändern, die sie „im Blut des Lammes weiß dere Richtung, so dass man sie auf der ganzen Welt gemacht“ haben (Offb 7,14). Sehnsüchtig und zu- hört. Um dem Betrachter deutlich zu machen, dass versichtlich blicken sie nach oben, in den Himmel. jeder Engel in eine andere Richtung bläst, ist be- Auf sie zucken keine Blitze sondern fallen himm- sonders der linke Engel in einer perspektivisch ge- lische Strahlen. Sie hören die Worte: „Kommet, ihr wagten Haltung positioniert. Gesegneten meines Vaters, nehmt das Reich in Be- Der hier abgebildete Glaubensartikel heißt, sitz, das ich euch bereitet habe“ (Mt 25, 34). Credo pot- éntem, factó- omni- rem et terrae, caeli De- um, Patrem in unum vi- si- bi wörtlich übersetzt, „Auferstehung des Fleisches“. Alois Epple 314 DER FELS 11/2013 Heinz Froitzheim: Reformer und Wegbereiter Niels Stensen 1638 -1686 in der Kirche

Am 23. Oktober 1988, vor 25 Jah- an den sichtbaren Vollkommenheiten er später selbst sagte, „die erste An- ren also, wurde von Johannes Paul den Seienden wahr« (Weish. 13,1). regung, aufrichtig nach der Wahrheit II. Niels Stensen seligge­sprochen, So konnte er über die Anatomie,­ sei- zu forschen, die Gott seiner Kirche jener Däne des 17. Jahrhunderts, ne Spezialwissenschaft, sagen: »Dies geoffenbart hat“, und er fand zur ei- der bahnbrechende Entdeckungen ist der wahre Zweck der Anatomie: nen, heiligen, katholischen­ und apos- auf ver­schiedenen Gebieten der die Zu­schauer durch das wunderba- tolischen Kirche. Für den Schatz, den Naturwissenschaften machte, dann re Kunstwerk des Körpers zur Wür- er gefunden hatte, gab er alles hin (Mt in Italien zur katholischen Kirche de der Seele und folgerichtig durch 13,14). Er lebte konsequent nach der fand, Priester und Bischof wurde, das Bewundernswerte an beiden zur er­kannten Wahrheit und suchte sie als »Apostolischer Vikar für die Kenntnis und Liebe des Schöpfers auch anderen­ in Liebe mitzuteilen, bis nördlichen Mis­sionen« nach Nord- emporzuhe­ben.« Er verlor sich nicht er 1686 heimgerufen wurde. deutschland ging und schließlich an diese Welt; er verfiel nicht dem Sein Bemühen um Wiederverei- auf einem kleinen Diaspora-Seel­ modernen Fortschrittsglauben,­ der nigung aller Christen in der einen, sorgeposten in Schwerin am 12. 6. von Wissenschaft und Technik Erlö­ heiligen, katholischen und aposto- 1686 im Alter­ von 48 Jahren starb. sung, Heil und Glück im Diesseits lischen Kirche war – so Johannes erwartet. XXIII. vor dänischen Pilgern am »Ein hervorragender Mann der 14.10.1959 – »ausgezeichnet durch Wissen­schaft und der Kirche, der zwei Züge, an denen man die wahren als Leitbild für un­sere Zeit geeignet Söhne der Kirche erkennt: eine unbe- scheint« – so Johannes Paul II. über dingte Anhänglichkeit an alle Punkte ihn im Dekret über seine Tugenden, der geoffen­barten Lehre, eine große (12. 6. 1984). Leitbild für unsere Zeit Ehrfurcht und warme Liebe gegen – das kann dieser Mann vom Anfang alle, die unsere Überzeugung nicht der Neuzeit in mancher Hinsicht teilen. Dies sind die Methoden, sein, und vielleicht wird er nun, am mit de­nen die heilige Kirche heu- »Ende der Neuzeit« (R. Guardini), te wie zur Zeit Niels Stensens da Moderne und Postmoderne mit daran arbeitet, alle Schafe Je- ihrer Weisheit am Ende sind, auch su Christi zu seinem Schafstall besser als Leitbild erkannt und an- zurückzufüh­ren ...« genommen als seinerzeit. So betete Niels Stensen: »Herr Er war der Wahrheit reinen Her- Jesus Christus! Mein Erlöser und zens zuge­tan. Als Forscher ließ er Retter! ... Lass mich danach hun- sich nicht von Ehrsucht,­ Gewinn- gern und dürsten, Deiner Ehre und sucht, Machtsucht leiten. Ge­genüber Liebe stets zu gedenken. Lass mich modischen Autoritäten war er skep­ Gleichgültige und Sünder lieben, tisch. Er ging nicht mit Ausbeuter- Leidtragende und Geschei­terte und gesinnung und nicht mit vorgefass- selbst die Feinde. Denn ich will ten Meinungen an die Dinge heran, be­denken, wie Gottes gute Hand sondern er ließ die Dinge selbst spre- Als vorurteilsfreier Denker war er sie verändern kann, und was Got- chen; er beobachtete genau und ver- offen für Gottes Offenbarung. Daheim tes Auge schon jetzt in ih­nen er- folgte sorgfältig Zusammenhänge. im lutherischen Glauben erzogen, schaut. Während sie mir zurüsten die Da er seinen Geist nicht auf das wurde er als weltläufiger Forscher Krone der Geduld, lass mich ihr Herz Sicht- und Ausnutzbare rationierte, und Wissenschaftler bald schmerzlich bereiten für den Weg der Umkehr, sprachen die Dinge dieser Welt zu ihm mit der Spaltung der Christen in ver- der zur Barmherzigkeit Gottes führt. vornehmlich auch von ihrem Schöp- schiedene Konfessionen konfrontiert. Amen« fer; er »erkannte bei der Betrachtung Das Erlebnis der Fronleichnamspro- (Quellen- und Literaturhin- der Werke den Künstler« und »nahm zession 1666 in Livorno gab ihm, wie weise siehe Seite 334)

DER FELS 11/2013 315 Warum ich mich für Bischof Tebartz-van Elst einsetze

Von Bernhard Mihm, Paderborn

vielen Jahren lebe ich ganz normal regieren wollte. Ihm Bestreben landauf, landab in diesem Seit in Paderborn. Was al- war naturgemäß die heikle Aufga- Bistum geworden war. so bringt mich dazu, mich für einen be zugefallen, das Bistum im Sinn Mann einzusetzen, der in einem an- des Genuin-Katholischen zu sanie- Und wenn derselbe Graf zu Eltz im deren Kirchensprengel Bischof ist, ren. Worum es dabei ging und noch selben Interview den geweihten Pries- dort im Klerus und bei Funktionären immer geht, wurde exemplarisch in ter egalitaristisch nur zum Gehilfen der im Laienstand offensichtlich nur we- einem Interview deutlich, das der Laien erklärte, musste ihm und seines- nige Freunde hat und derzeit von der Frankfurter Stadtdekan Johannes gleichen sauer aufstoßen, dass der neue Medienmeute gehetzt wird? Graf zu Eltz, der sich übrigens zum Bischof gut katholisch lehrte, dass nur heftigen Gegenspieler des Bischofs der geweihte Priester „Seelsorger“ im Ich habe die Hälfte meines Le- entwickeln sollte, am 15. Novem- eigentlichen Sinn sein könne. Was nun bens im Bistum Limburg verbracht: ber 2010 in der FAZ gegeben hat: mit den bisherigen Gemeindereferen- Erst als Kind und Jugendlicher in der „Mein Langzeitprojekt ist die theo- ten und vor allem -referentinnen, die in „acies bene ordinata“ vor dem II. Va- ticanum, in jener „wohlgeordneten Schlachtreihe“ einer Kirche, die in meiner liberal-protestantisch gepräg- ten Geburtsstadt wahrlich beides nö- tig hatte: gute Ordnung und kämpfe- rische Tapferkeit. Und später dann in der Aufwühlung nachkonziliarer Wir- ren in der beides verloren gegangen war. Was hatte ich angetroffen, als ich nach vielen Jahren Ende der 70er Jahre zurückgekommen war? Ein kirchliches Milieu, das sich bis zur Selbstdeformation den 68ern, wenn nicht angeschlossen, so doch selbst- zweifelnd unterworfen hatte, einen von intellektualistischer Skepsis oder geistloser Neuerungssucht zerfresse- nen Klerus und eine Bistumsleitung, die alles hinnahm, nicht mehr führen, sondern nur noch moderieren wollte. Der liberale Frankfurter oder nas- sauische Protestantismus war auch innerkatholisch Leitbild geworden. Rom wurde zum Widerpart. Die Re- nitenz des gewiss persönlich from- men und gottergebenen, aber doch skurril-eigenwillig agierenden Bi- logisch begründete Delegitimierung pseudopriesterlicher Gewandung rund schofs Kamphaus passte nicht nur in evangelischer Kirchlichkeit durch um den Altar agieren konnten, in der dieses Bild, sondern wurde als wohl- die Integration reformatorischer Ele- heiligen Messe predigen durften und tuende Bestätigung des ohnehin vor- mente in die katholische Kirche (…) denen man als „Gemeindeleiter(innen) handenen geistig-geistlichen Tohu- Mein Vorschlag, dass die katholische Funktionen des Pfarrers übertragen wabohus empfunden. Kirche den Rahmen zur Verfügung hatte? Der Schock war groß, als man stellt, damit sie (die Protestanten) in so aus der selbstgebastelten Welt lim- Und dann kam Tebartz-van Elst: Ruhe protestantisch sein können.“ burgischen Kirchentums in die Reali- Ein ganz normal regierender katho- Treffender hätte nicht beschrieben tät katholischer Kirchlichkeit versetzt lischer Bischof. Jedenfalls einer, der werden können, was das kirchliche wurde. 316 DER FELS 11/2013 Und als der neue Bischof die kirchliche Einsegnung einer homose- xuellen Verbindung missbilligte und mit Sanktionen belegte, war klar: da 4.300 Unterschriften war nichts mehr mit Anpassung an für Bischof Tebartz-van Elst! die liberale Zivilität nach dem Mus- ter jener Protestanten, in denen die katholische Kirche „den Rahmen zur Verfügung stellen“ wollte und soll- Das „Forum Deutscher Katholiken“ hat für den Limburger Bi- te, „damit sie in Ruhe protestantisch schof Tebartz-van Elst, als Zeichen der Solidarität, eine Unter- sein können“ (Graf zu Eltz). schriftenaktion initiiert. Wir halten die bekannten Vorwürfe gegen den Limburger Bischof für einen Vorwand, um einen romtreuen Kein Wunder, dass nun ein Pfarr- Bischof wegzubringen, der sich der Lehre der Kirche verpflich- gemeinderat pressewirksam vermerk- tet fühlt und danach handelt. te, es „entstehe der Eindruck, dass bei Bischof Tebartz-van Elst die Or- Obwohl sich die Solidariätsaktion nicht auf Strukturen stützen thodoxie Priorität habe, vor dem Be- konnte und einer massiven Desinformationskampagne gegen- mühen um moderne Menschen“. Als überstand, hat sie 4.300 Stimmen für Bischof Tebartz-van Elst ob das kirchliche Bemühen um Men- erbracht! Hinzu kommt, dass sich die Sprecher der 40.000 Mig- schen nicht gerade darin bestehe, sie ranten von Frankfurt mit deutlichen Worten für Bischof Tebartz- zur Wahrheit (Orthodoxie) zu führen van Elst erklärt haben. und bei ihr zu halten. Als ob die Kir- che Wellness zu verschaffen habe und Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, der Präfekt der Glaubens- ihr „Kerngeschäft“ nicht darin beste- kongregation, hat die Anschuldigungen gegen den Limburger he, die Menschen zum ewigen Heil Bischof als ein „sich selbsttragendes Lügengebäude“ bezeich- zu bringen, dass genau das jene Men- net“. Der von Papst Franziskus nach Limburg gesandte Kurien- schenfreundlichkeit wäre, die ihr vom kardinal Giovanni Lajolo äußerte nach einem einwöchigen Be- göttlichen Stifter aufgetragen ist. Kein such in einem Interview gegenüber KNA auf die Frage „Wo liegt Wunder bei solcher Mentalität, dass nach Ihren Erkenntnissen die Ursache für die Krise im Bistum ein Begehren machtvoll durch die Limburg?“: „Dass hier auch eine Medienkampagne vorliegt, ist Limburger Bistumslande zog: dieser nicht zu übersehen. Das merken auch die Gläubigen. Die Ur- Bischof muss weg! sache für die gegenwärtigen Konflikte liegen aber viel tiefer. In meinen Gesprächen konnte ich feststellen, dass die Spannun- Alles andere war und blieb bis zur gen latent schon über Jahrzehnte existieren und jetzt offen zu- Stunde nur Mittel zum Zweck. tage treten“. (Tagespost 17.9.13)

Ein noch vor Tebartz-van Elsts Bernhard Mihm, Stadtrat- und Stadtverordnetenvorsteher Amtsantritt eingeleitetes Bauvorha- von Frankfurt, der von 1978 bis 2001 in der Diözese Limburg ben geriet finanziell aus dem Ruder lebte, hält einen „großen Teil des Limburger Klerus“ verantwort- – so ähnlich wie die Elbphilharmo- lich für die Vorgänge gegen den jetzigen Limburger Bischof: „So nie dem Hamburger Senat, der Stutt- und nur so allein ist erklärbar, dass die Presse fortwährend mu- garter Hauptbahnhof der Deutschen nitioniert und instrumentalisiert wird gegen einen Bischof, den Bahn oder der Großflughafen Willy ich als katholische Befreiung für diesen unglücklichen Kirchen- Brandt dem regierenden Bürgermeis- sprengel ansehe. Die Fehlentwicklung des Limburger Diöze- ter. Und, von der Meute gehetzt, ver- sanklerus ist verursacht ganz sicher durch die Hochschule St. hedderte sich Tebartz-van Elst in der Georgen, die in den vergangenen Jahrzehnten alle Fehlwege Mediendebatte um eine Flugreise und der Gesellschaft Jesu mitgegangen ist. Große Verantwortung dem diese Debatte prägendem Inter- haben auch die Bischöfe Kempf und Kamphaus. Kempf hat die pretations-Hick-Hack. Das öffent- Zeit des II. Vatikanums dazu benutzt, um durch römische Aus- liche Getöse um beides ist gewaltig nahmegenehmigungen und ad experimentum ad infinitum eine geworden – in der Presse und auch Synodalverfassung einzuführen, wie es sie sonst in der Kirche in kirchlichen Kreisen. Und manches wohl kaum noch gibt“. mag sogar unerfreulich sein. Es ist alles aber kein Grund dafür, Persön- Weil Bischof Tebarzt-van Elst diese Fehlentwicklungen korri- lichkeiten mit oder ohne Schlips, mit gieren muss, ist er in das Kreuzfeuer der Medien und bestimm- oder ohne Kollar zu schwankenden ter Kirchenkreise gekommen und soll nun weggemobbt wer- Gestalten werden zu lassen. den.

Denn in Wirklichkeit geht es um Prof. Dr. Hubert Gindert einen Kampf in der Kirche um die Kirche. Und in diesem Kampf steht Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst auf der richtigen Seite!

DER FELS 11/2013 317 Hubert Gindert:

Die katholische Stimme wird schwächer

Erkennt die katholische Jugend ihre Aufgabe in Staat und Gesellschaft?

luge Leute, Politikwissenschaft- ziehungsleistung der Mütter hono- Jugend von heute geäußert. Das Er- Kler und Journalisten haben lan- riert etc.? „Empfindlicher Aderlass gebnis: Die Jugendlichen leben in ge vor den Wahlen zum – prominente einflussrei- Internet-Scheinwelten, in lose ver- Landtag und den Bun- che Katholiken verlassen bundenen Netzwerken von Egos. Es destagswahlen vorherge- Trendwenden den Bundestag“ ist ein sind keine Gemeinschaften, in de- sagt, Volksparteien seien sind möglich Bericht in der „Katholi- nen der Einzelne aufgeht oder sich im 21. Jahrhundert nicht schen Sonntagszeitung“ aufgehoben fühlt, weil die Online- mehr möglich. Die Ero- (27./28.7.13) überschrie- Beziehungen oberflächlich bleiben. sion der Parteienbindung, der Werte- ben. Warum? Auch deswegen, weil Jugendliche denken nicht mehr in wandel mit dem Trend zur Individu- Parteigremien solche nicht mehr ha- Gemeinschaftskategorien. Die neu- alisierung und zu unterschiedlichen ben wollten, wie beispielsweise den en Kommunikationsmedien sind Lebensstilen etc. würden solches aufrechten Norbert Geis! nicht nur Hilfsmittel, die Arbeitsvor- nicht mehr zulassen. Eine Trendwen- Der „empfindliche Aderlass“ - er gänge erleichtern und beschleuni- de sei ausgeschlossen. Die CSU hat klärt sich außerdem durch den feh- gen, sondern „überformen das gan- diese These widerlegt. Trendwenden lenden Nachwuchs. Katholische ze Leben“. „Der Bildschirm ist heute sind also möglich. Sozialverbände (Kolping etc.), die die Wirklichkeit, nicht die Realität katholische Landjugend, katholi- des gegenständlichen Lebens“. Die Wenn Partei- schen Studentenverbindungen stell- Sogwirkung der neuen Medien bleibt Empfindlicher en mit dem „C“ ten einmal kompetente und standfes- attraktiv, „weil sie immer verfügbar“ Aderlass – im Namen bei te Katholiken für die Parlamente. Die sind und weil „Beziehungen ohne Prominente Wahlen stärkste katholische Sozialethik hat so in der Vorleistungen und Verbindlichkeiten Katholiken politische Kraft parlamentarischen Arbeit ihre Spuren spontan geknüpft und aufgelöst wer- verlassen den geworden sind, hinterlassen: Im christ- den können“. (Tagespost, Bundestag heißt das noch lichen Menschenbild, in 17.8.13) nicht, dass nun der Vorstellung einer ge- Wie steht es christliche Wert- rechten Gesellschaftsord- bei den neuen Heinzelmaier spricht positionen für die Entscheidungen in nung, die dem Gemein- geistlichen allgemein von der Ju- den Parlamenten mehr beachtet wer- wohl (bonum commune) Gemeinschaften? gend. Wie sieht es bei den. Das liegt nicht nur am Koaliti- verpflichtet ist. Prof. An- religiös orientierten Ju- onspartner, der evtl. gebraucht wird, ton Rauscher SJ hat kürz- gendlichen aus? Gemeint sondern zuerst daran, dass der C-Ge- lich die „nachlassende Wirkung der ist die Jugend, die sich z.B. auf Welt- halt im Programm und bei den Ab- katholischen Soziallehre“ beklagt. jugendtagen oder in Rom mit dem geordneten der Union immer leicht- Die Blutzufuhr aus katholischen Papst trifft, ihm zuhört und begeis- gewichtiger geworden ist. Das gilt Verbänden ist weitgehend versiegt, tert applaudiert. Wie steht es mit den für Protestanten und Ka- weil sich diese selber dem Jugendlichen, die sich z.B. in neu- tholiken. Statistisch stel- Zeitgeist angepasst ha- en geistlichen Gemeinschaften zu- len die Katholiken rund Jugendliche den- ben und sich „politisch sammenfinden und Treffs und Festi- 30% der Abgeordneten ken nicht mehr in korrekt“ verhalten. Hinzu vals organisieren? Auch sie benutzen im Bundestag. Die katho- Gemeinschafts- kommt, dass die Jugend- Handys, Internet und stehen unter lische Stimme wird aber kategorien lichen generell politisch dem Einfluss der modernen Kommu- schwächer. Das „Katho- desinteressierter gewor- nikationsmedien. Was ist bei ihnen lische“ in der Union wird den sind. Gilt das auch für anders? Denken sie über die eigene vor allem durch „herausragende Re- die neuen geistlichen Gemeinschaf- Gruppe hinaus, um sich punktuell präsentanten“ garantiert, so Hermann ten, auf die manche ihre Hoffnungen für eine große Aufgabe zusammen- Kues, der bisherige parlamentarische setzen? zuschließen? Haben sie das Ganze Staatssekretär im Familienministeri- im Blick? Die Situation der Gesamt- um. Aber wo sind die Kämpfer z.B. Bernhard Heinzelmaier, Leiter des kirche, die Christenverfolgungen für den Vorrang der Kindererzie- Instituts für Jugendkulturforschung in Nordkorea, Pakistan, im Irak, in hung in der Familie statt in Kitas, in Hamburg, hat sich in einem In- Ägypten? Interessiert diese Jugend- für ein Betreuungsgeld, das die Er- terview über die Befindlichkeit der lichen zumindest die Situation der 318 DER FELS 11/2013 Kirche in Deutschland? Schließlich zu sozialem Engagement auffordert, sagt, und die Entwicklung scheint gibt es auch in unserem Land hefti- was mehr bedeutet als in einer karita- ihnen Recht zu geben. Aber wir ha- ge innerkirchliche Ausei- tiven Einrichtung mitzu- ben selbst in gleichen Milieus erheb- nandersetzungen und die arbeiten? liche Unterschiede in der Kirchen- Tatsache, dass die Kirche Ein Blick in die bindung. Wäre der negative Prozess im öffentlichen Raum im- Homepages der Korrekturen sind an- der Entchristlichung unumkehrbar, mer mehr an den Rand geistlichen gesagt und auch möglich, bräuchten wir uns über Neuevange- gedrängt wird. Beteiligen Bewegungen ist wenn die katholische Ju- lisierung nicht zu unterhalten. Aber sich diese Jugendlichen ernüchternd gend auf Papst Franzis- wir haben doch damit noch kaum be- am Marsch für das Leben kus hört und gonnen. Warum? Weil in oder überlassen sie das ihre Aufgaben den deutschsprachigen den Lebensrechtsgruppen? Rufen in Gesellschaft und Politik Korrekturen sind Ländern die Zeit und die sie ihre Mitglieder und Freunde auf, erkennt und wahrnimmt. angesagt und Kraft dafür durch die in- sich an Initiativen z.B. für „One of us Denn diese Gesellschaft auch möglich nerkirchlichen Ausein- – Einer von uns“ oder für einen be- ist auch ihre Gesell- andersetzungen um die drängten Bischof zu beteiligen? Ein schaft und dieser Staat altbekannten „Reizthe- Blick in die Homepages der neuen ist auch ihr Staat, der Gesetze macht men“ (Zölibat, Diakonat für Frauen, geistlichen Bewegungen ist eher er- und Freiräume einengt oder schafft geschiedene Wiederverheiratete), die nüchternd. Die neuen geistlichen Ge- für die dringend notwendige Neu­ mit Verbissenheit immer neu auf die meinschaften nennen sich papsttreu. evangelisierung. Theologen, Soziolo- Agenda gebracht werden, absorbiert Das wollen sie sicher auch sein. Aber gen und andere Experten haben zwar werden und der Neuevangelisierung hören sie auf den Papst, wenn er sie das Ende der Volkskirche vorherge- jeden Schwung nehmen. q

Weitergabe des Glaubens hat absolute Priorität Resolution des Kongresses „Freude am Glauben“ am 1.9.2013 in Augsburg

Im Jahr des Glaubens, das • In jedem Unternehmen ist Wein verbirgt, dass Jugendli- von Papst Benedikt XVI. aus- die persönliche Identifikation che zur Firmung geführt wer- gerufen wurde und von sei- seiner Mitarbeiter von außer- den, um sich in der Kirche von nem Nachfolger, Papst Fran- ordentlicher Bedeutung. Wir der Kirche zu verabschieden, ziskus, fortgeführt wird, müssen Wege finden, dass es und dass sich Menschen das rufen wir, die Teilnehmer des auch den Mitarbeitern unserer Ehesakrament spenden, ohne Kongresses „Freude am Glau- Kirche ein herausragendes An- zu wissen, wofür sie sich ver- ben“, alle Katholiken in unse- liegen ist, sich mit ihr zu iden- pflichten. rem Land auf, diesen Glauben tifizieren und sie zu verteidi- • Folgen wir alle, Laien und mit Leidenschaft und Freude gen, statt sie anzugreifen. Bischöfe, Papst Benedikt in an die kommenden Generati- • Wir danken den Religi- seinem Ruf nach konsequen- onen weiterzugeben. onslehrern, die unter schwie- ter Entweltlichung der Kirche! • Lasst uns entschiedene rigsten Bedingungen einen Folgen wir Papst Franziskus Jünger Jesu werden und per- unverkürzten, authentischen in seinem Kampf gegen ei- sönliche Verantwortung über- Glauben lehren. Es wäre ne „verweltlichte Kirche“, die nehmen für die Weitergabe wichtig, dass die Diözesan- krank ist und ihren Auftrag des Glaubens – auch über leitungen dafür Sorge tragen, verrät, weil sie nur noch „aus den Umkreis der Familie hin- dass der YOUCAT und andere sich und für sich selbst lebt“. aus. geeignete Lehrmittel an den • Lasst uns eine Kirche sein, • Wir wollen eine missiona- Schulen vorhanden sind und die evangelisierend „aus sich rische Umorientierung. Eine eingesetzt werden. herausgeht“, wie es Papst andere Schwerpunktsetzung • Wir können nicht weiter Franziskus fordert. in den Etats der Diözesen tatenlos zusehen, dass Kinder Glaubensweitergabe ist kein wäre von großem Vorteil. Wir getauft werden, deren Eltern Luxus, sondern heilige Pflicht sollten mit höchster Priori- den Glauben weder kennen aller getauften und gefirmten tät in Menschen investieren, noch vermitteln wollen, dass Katholiken. die dafür sorgen, dass unsere Kinder zur Erstkommunion Kinder auch morgen noch an geführt werden, die nicht wis- Prof. Dr. Hubert Gindert, Gott glauben. sen, was sich unter Brot und Forums Deutscher Katholiken

DER FELS 11/2013 319 Konrad Löw:

75 Jahre danach

Unsere Kirche und die Reichspogromnacht

Jahre wieder werden wir Juden einer derart aufgehetzten Be- land protestierten die Kirchen nicht Alle daran erinnert, wie sehr völkerung gegenüber und mussten offiziell gegen die Pogrome.“ Dann mit den Ereignissen des 9. November Schläge und Erniedrigung, Totschlag wird als Ausnahme Domprobst Bern- 1938 das „Volk der Dichter und Den- und Mord … erleiden.“ hard Lichtenberg erwähnt. Und wei- ker“ von seiner politischen Führung Die meisten Leser werden die- ter heißt es: „Von solchen Ausnahmen weltweiter Verachtung preisgege- se Behauptungen als traurige Tatsa- abgesehen herrschten der katholische ben wurde. Jeder halbwegs gebilde- chen einfach hinnehmen: Es steht ja Antijudaismus und die Angst, sich te Deutsche sollte darüber Bescheid da, schwarz auf weiß! Doch manch gegen die Mächtigen zu stellen, vor. wissen, was gleichsam aus heiterem einer möchte gerne wissen, woher … Vielleicht war auch hier mit dem Himmel im 20. Jahrhundert nach Gross seine Informationen bezieht, November 1938 eine Entscheidung Christi Geburt möglich war (und da er damals doch noch nicht gelebt gefallen, denn auch alle weiteren auch heute wohl noch ist!): Hunderte hat. Statt eines Nachweises wird das Schritte der Judenverfolgung bis hin Juden wurden ermordet, rund 30 000 Zitierte mit anderen Worten mehr- zur Shoah riefen keinerlei offiziellen kamen für Wochen oder Monate in mals wiederholt. Dabei gibt es zuver- Reaktionen der katholischen Kirche KZ-Haft, insbesondere nach Dachau. lässige Berichte aus al- Die meisten Synagogen, jüdischen len Teilen des Reiches, Gebetshäuser und Geschäfte wurden die das Gegenteil nahe- stark beschädigt, wenn nicht sogar legen. Doch hier fehlt ganz zerstört. leider der Raum, um Daher ist es nur zu verständlich, auf dieses nicht gerade dass dieser Pogrom immer wieder kirchliche Thema nä- zum Gegenstand von Untersuchun- her einzugehen. gen und Veröffentlichungen gemacht wird, auch wenn die Hauptverant- wortlichen, nämlich Hitler, Goebbels und ihr fanatischer Anhang (insbe- sondere die SA), von Anfang an fest- standen und wirklich Neues kaum noch zu erwarten ist. Eine stets wie- „Hand in Hand – Man- derkehrende Frage lautet: Wie ver- cher Bischof hat‘s hielt sich die Mehrheit des Volkes, vergessen, in der Bi- wie die katholische Kirche? Darüber bel steht es schlicht: wird immer wieder debattiert und Locken dich die bö- publiziert. Ist nicht jedermann ver- sen Buben, ei, so fol- pflichtet, falschen Anschuldigungen ge ihnen nicht.“ entgegenzutreten, wenn er glaubt, Aus: „Der Stürmer“ über die besseren Beweise und Bele- Nr. 2, 1939 ge zu verfügen?

Rechtzeitig zu diesem denkwürdi- Ein Kapitel des Buches spricht uns mehr hervor.“ Wo sind die Belege gen Jahrestag 2013 schrieb Raphael Katholiken besonders an, und ihm für diese Anschuldigungen. Wir su- Gross, Leiter des Leo Baeck Instituts wollen wir uns stellen. Es trägt die chen sie vergebens. in London, Direktor des Jüdischen Überschrift: „Reaktionen der Kir- Kein Historiker hat bisher einen Museums in Frankfurt am Main und chen in Deutschland“. Was darin ge- Anhaltspunkt dafür gefunden, dass des Fritz Bauer Instituts, ein Buch, boten wird, ist nichts Neues. Aber ist damals kirchlicherseits eine Ent- betitelt „November 1938“, in dem es schon allein deshalb richtig? scheidung gegen die verfolgten Ju- das eben Skizzierte ausführlich ge- Wir lesen: „Jedoch verzichtete der den gefallen sei. Wann, wo, wie? schildert wird. Im Prolog heißt es: Vatikan trotz des genauen Wissens Was den „Antijudaismus“ betrifft, „Niemals zuvor oder danach stan- über die Ereignisse auf eine öffentli- so würde Gross wohl auf die Kar- den Hunderttausende Jüdinnen und che Reaktion. Aber auch in Deutsch- freitagsfürbitten hinweisen, in denen 320 DER FELS 11/2013 sich auch ein Gebet „pro perfidis Ju- gleichzeitig mit der Zurückweisung Ordinariate haben die Zugehörigkeit daeis“ befand, was teils mit „für die der beantragten Novelle die wider- zu der [Hitler-]Partei für unerlaubt ungläubigen Juden“ teils mit „für die göttliche Lehre des Rassismus. Da erklärt, weil 1. Teile des offiziellen treulosen Juden“ übersetzt wurde. der Papst „allen Neid und alle Eifer- Programms derselben, so wie sie Der lateinische Text hatte eine viel- sucht zwischen den Völkern verur- lauten und wie sie ohne Umdeutung hundertjährige Tradition, in deren teilt“, heißt es da, „so verdammt er verstanden werden müssen, Irrlehren Verlauf das Wort „perfidus“ einen auch aufs schärfste den Hass gegen enthalten …“ negativen Beigeschmack annahm – das einst von Gott auserwählte Volk, „perfide“. (Man denke nur zum Ver- jenen Hass nämlich, den man allge- Am Palmsonntag des Jahres gleich an „Weibern“ im Gegrüßet mein heute mit dem Namen ‚Anti- 1937 wurde von allen Kanzeln seist du, Maria, seit Jahrzehnten er- semitismus’ zu bezeichnen pflegt“. der3. katholischen Kirche Deutsch- setzt durch „Frauen“.) Besondere Erwähnung verdient, lands eine in deutsch abgefasste En- Wegen dieser Sprachentwicklung dass die Amici Israel gerade auch in zyklika verlesen, die der Papst spezi- und auch aus grundsätzlichen Erwä- Deutschland Anhänger hatten. Kar- ell gegen Hitler-Deutschland verfasst gungen gab es massive Bestrebun- dinal Michael von Faulhaber, der hatte. Sie beginnt mit den Worten: gen, den Text dieser Fürbitte abzu- namhafteste Repräsentant der katho- „Mit brennender Sorge …“ Auch ändern, um jeden unnötigen Affront lischen Kirche in Deutschland, war sie hätte schwerlich eindeutiger sein zu vermeiden. Getragen wurde die- einer von ihnen. können. Daraus einige Sätze: se Aktion von den Amici Israel, ei- Zurück zum Buch. Richtig ist: „Wer immer die Rasse oder das ner sehr namhaften Vereinigung, der Weder der Papst noch die katholische Volk oder den Staat oder die Staats- Kirche in Deutschland form, die Träger der Staatsgewalt protestierte ausdrück- oder andere Grundwerte menschli- lich gegen den Pogrom cher Gemeinschaftsgestaltung – die 1938! – Auch nicht innerhalb der irdischen Ordnung ei- Prälat Lichtenberg. Er nen wesentlichen und ehrengebie- hat „nur“ für die Juden tenden Platz behaupten – aus dieser gebetet. ihrer irdischen Wertskala herauslöst, Wer das liest, kann sie zur höchsten Norm aller, auch der kaum umhin, wegen religiösen Werte macht und sie mit dieser Untätigkeit den Götzenkult vergöttert, der verkehrt Kopf zu schütteln, es und verfälscht die gottgeschaffene sei denn, dass er die nä- und gottbefohlene Ordnung der Din- heren Umstände kennt. ge ... Nur oberflächliche Geister kön- Hier das Allerwichtigs- nen der Irrlehre verfallen, von einem te: nationalen Gott, von einer nationalen Religion zu sprechen ...“ Auch unter der Überschrift „Rei- ner Christusglaube“ werden „Blut und Rasse“ in ihre Schranken ge- wiesen: Der im Evangelium Jesu Christi erreichte Höhepunkt der Of- fenbarung ist verpflichtend für im- mer. Diese Offenbarung kennt keine Nachträge, ... die gewisse Wortführer der Gegenwart aus dem sogenannten Mythos von Blut und Rasse herleiten Im Geiste des „Füh- wollen. rers“: Auf Juda ba- Die Ausführungen unter „Reiner sieren die Kirche und Kirchenglaube“ betonen die Gleich- der Bolschwismus. wertigkeit aller Menschen: „Un- ter ihrem [der Kirche] Kuppelbau ist Platz und Heimat für alle Völker 1928 19 Kardinäle, 287 Bischöfe und Schon die oben zitierte Ver- und Sprachen, ist Raum für die Ent- etwa 3000 Priester angehörten. Rom lautbarung des Heiligen Stuhls faltung aller von Gott dem Schöpfer hat damals noch nein gesagt mit dem vom1. Jahre 1928 negiert mit größter und Erlöser in die Einzelnen und in Hinweis auf Passagen des Alten wie Deutlichkeit ein Kernelement der die Volksgemeinschaften hineinge- des Neuen Testaments, so Psalm NS-Ideologie, den Rassismus. legten Eigenschaften, Vorzüge, Auf- 78,57 wo es heißt: „Wie ihre Väter, gaben und Berufungen.“ fielen sie treulos von ihm ab …“ Im August 1932, also fünf Mo- Um aber dem in Deutschland auf- 2. nate bevor Hitler Reichskanz- Der Papst beendete seine keimenden Antisemitismus keinen ler wurde, erließ die gesamtdeutsche 4. Weihnachtsansprache des Auftrieb zu geben, verurteilte am Fuldaer Bischofskonferenz „Richtli- Jahres 1942, nachdem er der gefalle- 25. März 1928 das Heilige Offizium nien“, in denen es heißt: „Sämtliche nen Soldaten, der Witwen und Wai- DER FELS 11/2013 321 Oben: aus: „Der Stürmer“ Nr. 15, 1938 Rechts: aus: „Der Stürmer“ Nr. 46, 1936

sen, der Flüchtlinge und Kriegsop- sie muss die ganze abendländische Wenige Wochen vor dem Novem- fer gedacht hatte, mit einem Appell, Kultur zusammenbrechen ... Jeder berpogrom 1938 schrieb die Partei- den Frieden zu suchen. „Dieses Ge- Mensch hat das natürliche Recht auf zeitung der NSDAP, der Völkische löbnis schuldet die Menschheit den Leben und die zum Leben notwen- Beobachter, klar und unmissver- Hunderttausenden, die ohne eigene digen Güter.“ ständlich: „ Der Vatikan hat die Ras- Schuld manchmal nur wegen ihrer senlehre von Anfang an abgelehnt. Nationalität oder der Abstammung Waren das keine klaren Worte, Teils deshalb, weil sie vom deut- dem Tode geweiht oder einer fort- Worte, die den Pogrom schon im Vo- schen Nationalsozialismus zum ers- schreitenden Verelendung preisge- raus mit aller Deutlichkeit verurteilt ten Mal öffentlich verkündet wurde, geben sind.“ Die Nationalsozialisten haben? Damals war allen klar, auch und weil dieser die ersten praktischen verstanden, dass sie gemeint waren. den Tätern, auch den Opfern, dass Schlussfolgerungen aus der Erkennt- die katholische Kirche diese Verbre- nis gezogen hat; denn zum National- Die deutschen Bischöfe ha- chen ebenso entschieden verurteilt sozialismus stand der Vatikan in po- ben mehrmals Hirtenbriefe wie die Euthanasie, zu der der Papst litischer Kampfstellung. Der Vatikan verfasst5. und verlesen, in denen sie auch nicht eigens Stellung nahm. musste die Rassenlehre aber auch ab- die elementaren Rechte der Men- Die Täter: Die Nationalsozialis- lehnen, weil sie seinem Dogma von schen betonen, so im März 1942 ten waren weder blind noch taub. der Gleichheit aller Menschen wider- Faulhaber: „Wir deutschen Bischöfe Längst vor 1933 und danach haben spricht, das wiederum eine Folge des werden nicht nachlassen, gegen die sie die katholische Kirche als ihre katholischen Universalitätsanspruchs Tötung Unschuldiger Verwahrung große Gegnerin angesehen und ab ist und das er, nebenbei bemerkt, mit einzulegen. Wir legen größten Wert 1933 auch physisch bekämpft. Zu Liberalen, Juden und Kommunisten darauf, nicht nur für die religiösen den ersten KZ-Insassen zählten pro- teilt.“ und kirchlichen Rechte an zuständi- filierte Katholiken, ebenso zu den Die Katholiken saßen also neben ger Stelle einzutreten, sondern auch ersten Mordopfern des Systems, so den Juden auf der Anklagebank des für die allgemein-menschlichen der Journalist Fritz Gerlich, der Vor- Regimes, was damals jedermann gottverliehenen Rechte des Men- sitzende der Katholischen Aktion im wusste. Doch die totale Abrechnung schen. An der Achtung und Erhal- Bistum Berlin Erich Klausener, der mit ihnen sollte auf die Zeit nach dem tung auch dieser Rechte ist jeder eh- Reichsführer der Deutschen Jugend- Endsieg aufgeschoben werden, um renhafte Mensch interessiert; ohne kraft Adalbert Probst. die Kriegsziele nicht zu gefährden.

322 DER FELS 11/2013 Daher nimmt es nicht wunder, dass dauern.“ 30. Oktober 1933: „Ich traf nen, die das Gebot missachten: Du sich der Pogrom 1938 nicht nur ge- auf der Bank J.; er erzählte mir, dass sollst kein falsches Zeugnis geben gen die Juden richtete. So hieß es in H. vom Protestantismus zum Katho- wider deinen Nächsten und deshalb München in einem „Aufruf an alle! lizismus übergetreten ist; er wolle ungerechte Urteile fällen. … Das nationalsozialistische Mün- nicht zweitklassiger Christ sein, weil Zurück zu den eingangs zitierten chen demonstriert heute Abend 20 seine Mutter Jüdin war.“ So geht es Anschuldigungen gegen die katholi- Uhr in 20 Massenkundgebungen … weiter durch Leid und Flucht bis zum sche Kirche. Wie erwähnt, wird kei- gegen das Weltjudentum und seine happy end, der Befreiung. nerlei Nachweis für die Richtigkeit schwarzen und roten Bundesgenos- Die Hauptsynagoge in München geboten. Dann nimmt der Autor die sen …“ Die „Schwarzen“, das waren musste auf Hitlers Geheiß bereits evangelischen Kirchen aufs Korn. die Katholiken. Parteihörige Pöbel- im Sommer 1938 abgerissen wer- Und sieh da: Er bietet eine Reihe be- massen rückten gegen das Palais des den. Wohin mit der Orgel? fragten lastender Texte. Warum nicht auch in Münchner Bischofs vor, beschädig- sich die Repräsentanten der jüdi- den Absätzen, die sich mit der katho- ten die Mauern und drohten, das Tor schen Gemeinde. Einer davon war lischen Kirche befassen? Die klare zu stürmen. Carl Oestreich. Er erinnert sich: „Am Antwort: Weil es sie nicht gibt! Nachdem der Papst in seiner Weih- nächsten Morgen rief ich das immer Manch einer mag sich fragen, wa- nachtsansprache 1942 der nur ihrer hilfsbereite katholische Ordinariat rum hat der Papst nicht noch deutli- Abstammung wegen Ermordeten ge- München an und verkaufte die erst cher gesprochen. Die holländischen dacht hatte, urteilte der NS-Sicher- einige Monate vorher eingebaute Or- Bischöfe haben noch deutlicher ge- heitsdienst: „Er [der Papst] beschul- gel um nahezu den Gestehungspreis.“ sprochen und dadurch veranlasst, digt tatsächlich das deutsche Volk der An der Spitze des immer hilfsberei- dass die jüdischen Katholiken Hol- Ungerechtigkeit gegenüber den Ju- ten Ordinariats stand kein anderer als lands unverzüglich deportiert wur- den, und er macht sich zum Sprecher Kardinal Faulhaber. den, weshalb die dortigen Bischöfe der Juden, der Kriegsverbrecher.“ Daher nimmt es nicht wunder, der Kritik ausgesetzt sind. Hitlers ir- Die Opfer: Wie haben die Juden, dass sich die katholische Kirche so- rationale Reaktionen waren unbere- insbesondere in Deutschland, die wohl bei den Westalliierten (Ernst chenbar, wie der Pogrom 1938 zur katholische Kirche und jene Katho- von Weizsäcker wurde in Nürnberg Genüge beweist. Die Enzyklika „Mit liken wahrgenommen, die treu zu wegen Verfolgung der Juden und der brennender Sorge“ beweist, dass sich Kirche und Papst standen? Katholiken angeklagt.) wie bei vielen Hitler auch durch noch so klare und Das Organ des Centralvereins Juden im Krieg und nach dem Krieg scharfe Worte nicht von seinen Zie- deutscher Staatsbürger jüdischen eines großen Respektes erfreute. Zu len abbringen ließ. Es ist überaus Glaubens verstand die zitierte Ver- den sehr namhaften Laudatores zählt erfreulich, dass es diese Enzyklika lautbarung des Vatikan: „Die höchs- Albert Einstein, der schon Ende 1940 gibt, aber einen positiven Effekt hat- te Stelle der katholischen Kirche hat bekannte: „Nur die katholische Kir- te sie damals nicht. q im Jahre 1928 ganz unzweideutig che protestierte gegen den Angriff den Antisemitismus als unchristlich Hitlers auf die Freiheit. Bis dahin gebrandmarkt. Für uns ist das Ge- war ich nicht an der Kirche interes- fühl der Verantwortung bemerkens- siert, doch heute empfinde ich gro- wert, das sich in den Kundgebungen ße Bewunderung für die Kirche, die ausspricht, einer Verantwortung ge- als einzige den Mut hatte, für geisti- genüber der inneren Wahrheit der ge Wahrheit und sittliche Freiheit zu Religion, ja auch gegenüber der kämpfen.“ Menschheit.“ Aus Bewunderung und Dankbar- Der namhafteste Chronist der keit für die unermüdliche Hilfe zu- NS-Ära ist der zum Protestantis- gunsten der verfolgten juden nahm mus konvertierte Jude Victor Klem- der römische Oberrabbiner Israel perer. Seine damaligen Erlebnisse, Zolli bei seiner Konversion zur ka- Gespräche, Eindrücke füllen acht tholischen Kirche den Vornamen Eu- Bände Tagebücher von unschätzba- genio von Papst Pius XII. an. Seine rem Wert. Wenn er von Katholiken Erlebnisse führten bei Victor Klem- spricht, dann immer voll Hochach- perer zu der Einsicht (5. Mai 1945), tung. Sie sind Gegner des Regimes „dass wir eigentlich katholisch wer- und sitzen im selben Boot wie die den müssten“. Juden. Es gibt schon zu denken, dass Am 10. März 1933 notiert er, dass nicht die Opfer als Ankläger auftre- Zur Information empfehlen wir seine nichtkatholische Frau am 5. ten, sondern Nachgeborene, die kei- hierzu das Buch von Konrad März das katholische Zentrum ge- nerlei eigene Erfahrungen, geschwei- Löw „Die Schuld“ zum verbillig- wählt habe. Sie hielt alle folgenden ge denn Heldentaten vorzuweisen ten Preis von Euro 7,50. Erhält- Jahre treu zu ihm und teilte die Schi- haben. Wie redlich ist es, alles aus- lich nur beim Verlag media maria kanen, die ihm, dem Juden, aufge- zublenden, was die damals Lebenden Illertissen, Tel.07303-95 23 31-0, bürdet wurden. Am 28. Juli 1933 no- entlasten könnte? Die Kirche ist, wie Fax 07303 – 95 23 31 – 5, buch@ tiert er: „Ich traf Beste, den jetzigen unbestritten, eine Kirche der Heili- media-maria.de Dekan … Katholik: Es kann nicht gen und der Sünder. Aber wehe de-

DER FELS 11/2013 323 Hubert Gindert:

Das Märchen von den glücklichen Krippenkindern

gibt Moden und gesell- betreut werden, auf 97% (2011) er- bei der so genannten „hohen“ Quali- Es schaftliche Strömungen, höht. Es gibt keine Obergrenze für tät der Krippe übt die Betreuung ei- die wie ein Tsunami alles überflu- die Stärke der Gruppen. Im Schnitt nen umso stärkeren Einfluss auf die ten, das sich in den Weg stellt. An- betreuen drei Erzieherinnen 29 Un- Kinder aus, je früher sie einsetzt und dere Meinungen, und seien sie noch terdreijährige. Nicht thematisiert je länger sie dauert. Aus der Nach- so begründet, oder jahrzehntelange wird in Finnland die Trennungsangst untersuchung der 15-jährigen, die Erfahrungen nimmt man nicht zur der Kinder, die zu 57% weinen, wenn als Kinder an der NICHD-Studie in Kenntnis. Die ursprünglichen Ziele sie sich morgens von der Mutter der Tagesbetreuung teilgenommen werden fanatisch weiterverfolgt. Der trennen müssen. Andere Symptome hatten, ergab sich, dass diese signi- Vorgang gleicht einer antiken grie- dieser Angst äußern sich in Hyper- fikant eher zu Alkoholkonsum, Rau- chischen Tragödie. Die Katastrophe aktivität, Schlaf- und Verdauungsstö- chen, Drogenmissbrauch, Waffen- ist vorprogrammiert, aber niemand rungen: Psychische Störungen, die gebrauch, Stehlen und Vandalismus stoppt sie. sich bis ins Erwachsenenalter fort- neigten. (Qu.: Katrin Krips-Schmid: Der Vorgang, von dem hier die setzen. 39% der 24-jährigen Frauen „Der Mythos von den glücklichen Rede ist, heißt: flächendeckende au- in Finnland zeigen depressive Symp- Krippenkindern“ in „Theologisches“ ßerhäusliche Kinderbetreuung in Ki- tome. In den vergangenen 30 Jahren Nr. 7/8 2013) tas für alle – ausnahmslos - ! Auf der haben sich die Tötungsdelikte un- In der Kinderkrippenkampag- Strecke bleibt das Recht der Eltern ter den 18- bis 20-jährigen Männern ne haben wir in der Bundesrepublik auf die Erziehung ihrer Kinder und mehr als verdoppelt (Erja Rusanen, Deutschland eine unheilige Allianz die Wahlfreiheit der Eltern zwischen Helsinki). von Marxisten, für die Ehe und Fa- Weggabe der Kinder in Kitas oder In Schweden haben in den letz- milie schon immer als das eigentli- Erziehung der Kinder zuhause. ten 20 Jahren Depressionen bei jun- che Hindernis für die Entwicklung Die Kita-Ideologen haben für ihr gen Mädchen um 1000% und Angst- zur sozialistischen Gesellschaft galt. Tun keine Entschuldigung. Die lang- störungen um 250% zugenommen. Dazu kommen die Grünen, die stärks- jährigen Erfahrungen in Norwegen, Junge Schwedinnen nehmen in der te kulturrevolutionäre Kraft seit den Schweden, Finnland und Dänemark, Suizidrate in Europa eine Spitzen- 68er Jahren. Für sie steht die Emanzi- die die Legende von den glücklichen stellung ein (Christian Sörbis Ekst- pation der Frau von allen häuslichen Krippenkindern als die große Lüge röm). Ekström sieht einen wesentli- Bindungen im Vordergrund. Die un- entlarven, müssten nur beachtet wer- chen Grund für diese Fakten in den heilige Allianz wird verstärkt durch den. Bindungsstörungen in der Kindheit die Liberalen, denen die traditionel- Das Familiennetzwerk hat Ende durch die frühe Trennung der Kinder le Familie so wenig bedeutet wie den Mai 2013, zusammen mit dem Ins- von den Eltern. In Schweden kön- Grünen und bei denen die Liberalität titut für Bindungsforschung, skan- ne sich wegen der hohen Steuerrate aufhört, wenn Eltern die Wahlfrei- dinavische Fachleute an die Goe- keine Familie mehr das „Alleinver- heit zwischen Krippe und Erstattung the-Universität Frankfurt zu einem dienermodell“ leisten: 90% der Kin- der Kosten für die Kinderbetreuung Erfahrungsaustausch eingeladen. der sind in einer Gruppeneinrich- zuhause einfordern. Zu dieser Alli- Das Ergebnis: tung „institutionalisiert“, wenn sie anz zählen schließlich die kapitalis- Psychopathie entwickelt sich durch ihren zweiten Geburtstag feiern. Als tischen Wirtschaftskapitäne, denen einen Mangel an Empathie und durch treibende Kraft dieser Entwicklung es um die „Arbeitsplatzverwertbar- Zunahme an Selbstzentriertheit. Em- sieht Ekström die extreme feministi- keit“ junger gut ausgebildeter Frau- pathie müsse durch eine liebevolle sche Bewegung, die Genderindustrie en geht denen das Wohl der Kinder Betreuung, vor allem in den ersten und den Staatsfeminismus. Ekström und auch der Frauen „wurscht“ ist. zweieinhalb Jahren als „Gefühl“ aus- schlägt vor, die Kosten der Kinder- Massiv wird die Kampagne von den gebildet werden. Das kann eine Krip- betreuung von monatlich 1650 Euro Medien unterstützt. Der Ausweg pe, bei der sich wenige Erzieher um den Eltern für die Erziehung zu ge- kann nur darin liegen, den Vorschlag viele Kinder kümmern müssen, nicht ben. des schwedischen Experten Ekström leisten (Anne Brudevolt, Norwegen). Nach Burghard Behncke ist die aufzugreifen und den Eltern die tat- In Finnland hat sich seit Verab- umfassendste Untersuchung über die sächliche Wahlfreiheit zwischen der schiedung des Kinderbetreuungsge- Auswirkungen einer frühen Fremd- Erstattung der Kosten für die Kitas setzes von 1973 die Zahl der unter betreuung die NICHD-Studie aus oder einer Fremdbetreuung zu ge- dreijährigen Kinder, die außer Haus dem Jahr 2007. Das Ergebnis: Auch ben. q

324 DER FELS 11/2013 Erklärung des „Forums Deutscher Katholiken“

Die Erzdiözese Freiburg stellt sich mit der „Handrei- Gesegneter Ehebruch chung zum praxisgerechten Umgang mit geschiede- Was man da aus der Erzdiözese samtkirche gemeint ist, erhellt ein nen Wiederverheirateten“ Freiburg hört, dürfte sowohl unter Ritual, dass man in Freiburg neu nicht nur gegen die kirch- moralischen als auch kirchenrecht- erfunden hat: Wiederverheiratete liche Ehelehre und gegen lichen Gesichtspunkten nichts we- Geschiedene sollen nach einer Ge- das Kirchenrecht, sondern niger als ein kirchlicher Skandal betshandlung einen Segen für ihr „gegen das Gesetz Got- sein. künftiges Zusammenleben erhal- tes, wie Christus es gelehrt ten. Ist man sich in Freiburg hin- hat“ (KKK1665): Wer eine vor Gott unauflösliche reichend klar, damit Sünde segnen, Wir fragen: Wo bleibt die Ehe staatlich scheiden lässt und da- dass heißt, förmlich unter Gottes Handreichung für Eheleu- nach, wiederum nur staatlich und Schutz stellen zu wollen? Ist man te, die an der Ehe festhal- nicht vor Gott gültig, heiratet und sich darüber im Klaren, was das ten wollen, für die, die sich diese Zweitehe auch vollzieht, be- Gott gegenüber bedeutet? Wie ord- nach einer Trennung nicht geht Ehebruch. Und bei Fortdauer net man die Erlaubnis zum Kom- wiederverheiraten, für die eines solchen Eheverhältnisses lebt munionempfang ein in das mah- Kinder, die unter der Schei- der Betroffene im Dauerzustand nende Wort der Schrift, wer dieses dung leiden? dieser objektiv schweren Sün- Brot unwürdig, d.h. ohne Stand Wer Aussöhnung und de. Diese Situation kann nur auf- der Gnade, empfange, esse sich einen Neuanfang in der gelöst werden durch den gültigen das Gericht? An dieser Mahnung Ehe nicht für möglich hält, Empfang des Bußsakramentes und führt doch kein noch so gut ge- traut dem Menschen auch nicht durch irgendein „Seelsorge- meintes seelsorgerliches Bemühen nicht mehr zu, zum freiwil- gespräch“. Nun mag im Rahmen vorbei! Im Gegenteil: Man macht lig gegebenen Eheverspre- eines solchen Seelsorgegesprächs sich selbst schuldig, andere zum chen zu stehen. Er macht auch die Beichte abgelegt werden. unwürdigen Kommunionempfang den Menschen nicht grö- Zu dieser aber gehören Reue und verleitet zu haben. Und das neue ßer, sondern kleiner. guter Vorsatz. Konkret für wieder- Ritual gibt dem Ganzen noch den Die Möglichkeiten der verheiratete Geschiedene heißt das, Anschein ausdrücklicher Anerken- Hinwendung zu den ge- dass der Betroffene seine eheliche nung durch jene Institution, die den schiedenen Wiederverhei- Vereinigung mit dem Zweitpartner Menschen zum Heil zu führen be- raten sind vielfältig und in vor Gott bedauert und den ernsten rufen ist. keiner Weise ausgeschöpft. Entschluss fasst, von solcher Verei- Sie können sich aber nicht nigung in Zukunft Abstand zu neh- Kirchenrechtlich wirft die Hand- über das Wort Gottes stel- men. Sollte das gemeint sein, wäre reichung mehrere Fragen auf. Die len! es überhaupt nichts Neues: Schon Erzdiözese Freiburg hat gegenwär- Mit der Freiburger Hand- bisher hat die Kirche Menschen in tig keinen Bischof. Erzbischof Dr. reichung rächt sich, dass einer kirchlich ungültigen Ehe er- Robert Zollitsch ist nur noch Ad- jahrelang unerfüllbare Er- laubt, die Sakramente zu empfan- ministrator mit eingeschränkten wartungen geweckt und gen, wenn sie zusicherten, in Zu- Rechten. Zu Neuerungen schwer- Forderungen in der Schwe- kunft „wie Bruder und Schwester“ gewichtiger oder grundsätzlicher be gehalten wurden, an- zu leben, das heißt, sich der ge- Art ist der Administrator nicht be- statt deutlich zu machen, schlechtlichen Vereinigung zu ent- fugt. Nun wird vermeldet, Zollitsch was die Botschaft Jesu zur halten. Sollte von der Erzdiözese habe das Papier nicht unterschrie- Ehe ist. Dieser Botschaft Freiburg nichts anderes gemeint ben. Dann aber handelte es sich um sieht sich die katholische sein, fragt sich, was der publizisti- einen Alleingang einer nachgeord- Kirche gegen jede Verwelt- sche Aufwand um die neue Hand- neten Stelle; in der Presse wird das lichung verpflichtet. reichung soll. Seelsorgeamt und dessen Leiter ge- nannt. Hätte der Administrator dem Prof. Dr. Hubert Gindert Dass indessen eben doch eine nicht Einhalt gebieten müssen? „Forum Deutscher Katholiken“, Abweichung von der Lehre der Ge- Bernhard Mihm 8.10.13 DER FELS 11/2013 325 Jürgen Liminski:

Bürgerinitiativen für das Leben

Der Lebensschutz ist in Europa wieder im Aufschwung

stumme Skandal der Ab- Ahnung auf, dass der millionenfache ma Rente, beim Thema Pflege (siehe Der treibung steht wieder auf Mord an den ungeborenen Kindern Artikel Seiten 328 f). der Agenda der Politik. In Deutschland durchaus mit dem demographischen In Litauen zieht man erste Kon- wird das Thema noch verdrängt und es Defizit zu tun hat. sequenzen. Dort hat das Parlament ist nicht damit zu rechnen, dass die neue Jedes Jahr wird in Deutschland durch mit großer Mehrheit ein faktisches Regierung sich diesem Thema stellen Abtreibung eine Großstadt vernich- Abtreibungsverbot beschlossen. Es wird. Aber es regt sich etwas in der Be- tet. Trier, Recklinghausen, Erlangen, verbietet die Tötung ungeborener völkerung. Die mühselige Arbeit der Nürnberg, Würzburg und viele andere Kinder nicht vollständig, begrenzt Lebensschützer, von der Bischofskon- Städte mehr, wären nach einem Jahr sie jedoch auf drei Fälle: Verge- ferenz immer als störende Nebensa- Geschichte, sagt Lukas von Hippel waltigung, Inzest, unmittelbare Le- che betrachtet trotz der unaufhörlichen in einem beeindruckenden Vortrag bensgefahr für die Mutter. Alle drei Mahnungen der Päpste in den letzten vor Rotariern (siehe Statistik). Die Möglichkeiten machen weniger als drei Jahrzehnten, trägt Früchte. Beim Kosten beziffert er auf mehr als hun- ein Prozent der Abtreibungen aus. Marsch für das Leben durch das heid- dert Millionen Euro pro Jahr. „Dass Eine ähnliche Indikationsregelung nische und hedonistische Berlin ka- die Zusammenhänge nicht so offen- gibt es in anderen europäischen Ländern, allerdings mit einer vier- ten Option: Die soziale Indikation, auf die mehr als 90 Prozent aller Abtreibungen entfallen. Litauen ist das erste europäische Land, das den Trend zur Liberalisierung von Ab- treibungen stoppt und zur Mensch- lichkeit und Vernunft zurückkehrt. Allerdings stehen diesem Zeichen noch viele EU-Bestimmungen im Weg. Der von Papst Franziskus neu ernannte Erzbischof von Wilna, Ms- gr. Gintaras Grusas, warnte auch vor diesen Bestimmungen, die er als „trojanische Pferde“ bezeichne- te, die darauf abzielten, Familie und Unabhängigkeit der Länder ideolo- gisch zu untergraben. Auch in Italien regt sich Wider- stand. Immer mehr Ärzte verweigern die Tötung ungeborener Kinder. Das geht aus einer Statistik des italieni- schen Gesundheitsministeriums her- vor. Demnach seien abtreibungswil- lige Ärzte immer seltener zu finden. In der Provinz Bari in Apulien gebe men in diesem Jahr an die fünftausend sichtlich werden, liegt daran, dass die es gar keine Ärzte mehr für diese Tat, Teilnehmer zusammen (siehe Foto). In Ereignisse in der Fläche geschehen in der Region Latium, zu der auch den Jahren zuvor waren es gerade mal und eine Abwesenheit weniger auf- Rom gehört, verweigern 91 Prozent tausend bis zweitausend, die unter Be- fällt, als eine Anwesenheit. Die ab- der Gynäkologen diesen Eingriff. In schimpfungen pöbelnder Gruppen am getriebenen Städte sind unsichtbar. Irland, wo das Parlament im Juli die Wegesrand die weißen Kreuze durch Sie haben keine Namen.” Aber die Gesetze für Abtreibung liberalisierte, die Straßen trugen. Auch diesmal wur- Folgen werden sichtbar und die Poli- trat die Europa-Ministerin Lucinda de gepöbelt, aber noch mehr am Rand. tik wird sich damit befassen müssen Creighton deswegen von ihrem Amt Denn in der Bevölkerung kommt die beim Thema Gesundheit, beim The- zurück und aus der christdemokrati- 326 DER FELS 11/2013 schen Partei Fine Gael aus. Fünf Ab- on im Europäischen Parlament, der päische Bürgerinitiative abgelaufen geordnete folgten ihr. EVP. ist. Vor allen Dingen sind die Insti- Die größten Auswirkungen aller- Die Bürgerinitiative will das so- tutionen sich auch dessen bewusst, dings wird die Bürgerinitiative gegen genannte Brüstle-Urteil des Euro- dass sie es mit 16 Mitgliedsstaaten Abtreibung mit dem Namen „One päischen Gerichtshofs von 2011 zu tun haben, die die Mindestzahl of us“ (Einer von uns) haben. Seit politisch umsetzen. Damals hatten an Unterstützern zusammenbringt“. dem Vertrag von Lissabon gibt es die die Richter entschieden, dass For- Die Große Kammer des Europäi- Möglichkeit, dass sich Bürgerinnen schung mit menschlichen Embryo- schen Gerichtshofs habe höchstrich- und Bürger direkt in die europäische nen und embryonalen Stammzellen terlich für die Europäische Union Politik einmischen. Wenn nach einem in der EU nicht patentiert werden festgestellt, dass „der menschliche bestimmten Schlüssel nämlich ei- darf. In der Begründung des Urteils Körper mit der Befruchtung im ne Million Unterschriften zu einem wurde unter anderem auch die Men- Mutterleib beginnt und dass der Thema in Europa gesammelt wer- schenwürde angeführt, und wenn menschliche Embryo ein spezielles den, dann muss sich die EU-Kom- das so ist, so die Initiatoren, dann Entwicklungsstadium des menschli- mission mit dem Thema beschäfti- sollte die EU diese Technik auch chen Körpers ist“. Das sei der Aus- gen. Das war einmal gelungen mit nicht aus Steuermitteln fördern. Eu- gangspunkt. „Wir machen jetzt im einer Petition zur Wasserversor- ropäischer Koordinator der Petiti- Grunde genommen nichts anderes, gung, das gelang jetzt zum zweiten on ist der deutsche Jungpolitiker in als mit diesem Bürgerbegehren dar- Mal mit einer Initiative zum besse- Brüssel, Tobias Teuscher. Im Ge- auf hinzuwirken, dass dieses Grund- ren Schutz von Embryonen. Die ei- spräch mit dem Autor bemerkt er, satzurteil auch in allen Perspektiven ne Million ist gut überschritten. Die dass die Initiative in Brüssel ernst umgesetzt wird.“ Initiative wird auch unterstützt von genommen werde. „Die Europäi- Das habe ganz konkrete Auswir- Politikern verschiedener Parteien, sche Kommission hat sehr wohl re- kungen. So werden EU-Gelder für etwa Hubert Hüppe, Behinderten- gistriert, dass die eine Million Min- In­stitutionen, die Abtreibung för- beauftragter der Bundesregierung, destanzahl an Unterschriften bereits dern, zurückgehalten werden. „Bei- oder Robert Antretter aus der SPD zusammengekommen ist, und zwar spielsweise sind das schon mal 144 und Peter Liese, der gesundheitspo- zwei Monate, bevor die Deadline, Millionen Euro, die im Rahmen litische Sprecher der größten Frakti- die Einreichungsfrist für diese Euro- des siebten Rahmenforschungspro-

Jedes 7. Schwangerschaft wird in Deutschland durch eine Abtreibung be- endet. Damit ist Abtreibung eine Methode zur Kinderverhütung geworden.

Jahr Lebend- Schwangerschafts Summe Schwan- Prozentsatz Medizinisch indiziert sind etwa geburten abbrüche gerschaften Abbrüche 3% aller Abtreibungen, krimino- logisch unter 50 pro Jahr (2012: 2012 673.570 106.815 780.385 13,69 27). 2011 662.685 108.867 771.552 14,11 2010 677.947 110.431 788.378 14,01 Die Mehrheit der Abtreibungen 2009 665.126 110.694 775.820 14,27 (>50%) nehmen Frauen vor, die 2008 682.514 114.484 796.998 14,36 bereits mindestens ein Kind ha- 2007 684.862 116.871 801.733 14,58 ben. 2006 672.724 119.710 792.434 15,11 Die Kosten für solche Eingrif- 2005 685.795 124.023 809.818 15,31 fe betragen etwa 500 Euro pro 2004 705.622 129.650 835.272 15,52 Eingriff plus Beratung plus in 2003 706.721 128.030 834.751 15,34 vielen Fällen Kosten für spätere 2002 719.250 130.387 849.637 15,35 Behandlung von Traumata. 2001 734.475 134.964 869.439 15,52 2000 766.999 134.609 901.608 14,93 Die mit Abtreibungen verbun- 1999 770.744 130.471 901.215 14,48 denen Kosten liegen also bei mindestens 50 mio Euro (Reine 1998 785.034 131.795 916.829 14,38 Kosten der Abtreibungen), eher 1997 812.173 130.890 943.063 13,88 bei deutlich über 100 mio Euro. 1996 796.013 130.899 926.912 14,12 01.08.2013 Dr. Lukas von Hippel 17 2.093.590 aus: Rotary, Unsichtbare Städte, 4

DER FELS 11/2013 327 Franz Salzmacher:

Der Schatten der Demographie

Gesundheit, Pflege, Rente: Was auf die neue Regierung zukommt

irtschaftliche Sicherheit war „dreißig Jahre nach zwölf“. Es ist be- Wbei der Bundestagswahl das reits mehr als eine Generation ausge- entscheidende Thema. So waren für fallen. 57 Prozent der Wähler die persönli- In der Politik tut man weitgehend che Arbeitsmarktlage und für ebenso so, als sei das eine momentane Kri- viele die gute Absicherung im Alter se, als fehlten nur ein paar Fachkräfte die ausschlaggebenden Kriterien ih- und als sei die Alterung der Gesell- Erfolgreiche Petition: Mit einer Re- rer Parteipräferenz. Hier wurde viel schaft in Wirklichkeit eine Chance. solution, die eindeutig das Recht versprochen. Die Wahrheit aber sieht Man jubelt über das neue Erfolgsmo- auf Abtreibung und pädophile Ten- anders aus. Ifo Chef Professor Sinn bil der alternden Gesellschaft, den denzen forderte, wollten Sozialisten hat erst jetzt wieder ausgerechnet, Rollator – und entwickelt immer aus- und Grüne im Europa-Parlament am dass die Rentenbeiträge um bis zu 50 gefeiltere Modelle, mit Spiegel, Klin- 22. Oktober die Bürgerpetition kurz Prozent steigen müssten, wenn man gel und Navigations-System. Mit der vor ihrem Ablauf noch unterlaufen. über die Rente Verteilungskonflikte Alterung der Gesellschaft kann man Der Versuch der Pädophilen-Lobby vermeiden wollte. Niemand glaubt gute Geschäfte machen und das ist scheiterte. es, aber ein Blick auf die einschlägi- auch nicht zu beanstanden. Aber die- gen Statistiken zeigt es. 35,5 Milli- se Alterung ist mehr als ein Geschäft. gramms eingestellt waren für For- onen Arbeitnehmer und Selbständige Sie ist eine historische Herausfor- schungsvorhaben. Die dürften dann zahlen in die staatliche Renten-Um- derung. Noch nie in der Geschichte im achten Forschungsrahmenpro- lage-Kasse ein. Ihnen haben Union stand Europa und auch die Mensch- gramm – Horizont 2020, das wir ge- und SPD, aber auch Grüne und Linke heit vor solchen Problemen. Sie sind rade beraten – nicht mehr eingestellt sorglose Jahre versprochen. Die Ren- in Deutschland besonders gravie- werden.“ Und Mittel für Organisati- te mag „sicher“ sein, ihre Höhe ist rend, weil wir Weltmeister sind, was onen, die Abtreibung als Mittel der es nicht. Und der Zeitpunkt für den die Zahl der Frauen angeht, die nie Bevölkerungsplanung fördern oder Eintritt ins Rentner-Freizeitparadies im Leben Kinder haben werden, der- zumindest nicht ausschließen, wer- auch nicht. Wir befinden uns demo- zeit fast 25 Prozent. Das liegt nicht den „eingefroren und fließen in den graphisch bereits auf dem absteigen- nur an den Kinderlosen, es liegt auch Reservehaushalt der Europäischen den Ast. Das laufende Jahrzehnt und am System. Unser Sozial- und Um- Kommission zurück“. vor allem die nächsten zehn bis 15 lagesystem prämiert die Kinderlosen Die politische Dimension die- Jahre werden einen rapiden Anstieg und benachteiligt die Eltern. ser Initiative ist noch nicht abseh- der Rentnerzahlen und ein sichtba- Die demographische Entwicklung bar. Auf jeden Fall sei hier, so Teu- res Schmelzen der Erwerbstätigen hat auch Auswirkungen auf das Ge- scher, eine rechtliche Möglichkeit sehen. sundheitssystem. Die Kosten steigen für die schweigende Mehrheit ge- Diese Schere ist auch durch Zu- exponentiell ab 65, das System ist geben, sich gegen den Skandal der wanderung nicht zu schließen, ab- gefährdet. Die künftigen Koalitions- Abtreibung zu wehren und konkre- gesehen davon, dass Zuwanderung partner haben den Namen des neuen te Maßnahmen zu veranlassen. Das je nach Herkunft auch Probleme mit Systems noch nicht gefunden. Heißt geschieht. Im November wird die sich bringt. Die Menschen sind nicht es Bürgerversicherung? Bleibt es EU-Kommission sich mit dem Er- alle gleich und kommen auch nicht beim dualen System von gesetzlicher gebnis befassen und man darf ge- alle aus dem gleichen Kulturraum. und privater Krankenversicherung? spannt sein, wie die einzelnen Re- Wenn die gegenwärtige Altersstruk- SPD, Linke und Grüne fordern die gierungen darauf reagieren. Mit tur der Gesellschaft erhalten bleiben Abschaffung des dualen Systems, sie dieser Initiative ist das Thema je- sollte, müssten jedes Jahr 3,4 Mil- haben da nur in einigen Details von- denfalls wieder im öffentlichen Dis- lionen Menschen einwandern, also einander abweichende Vorschläge. kurs und die Kirchen täten gut dar- zehnmal so viele wie es aktuell der Alle drei Parteien, die im Bundestag an, es aktiv aufzugreifen statt wie in Fall ist. Es ist schlicht zu spät, um eine knappe Mehrheit haben, wol- Deutschland sich vorwiegend mit gegenzusteuern, oder um mit dem len die Bürgerversicherung. Wird die sich selbst zu beschäftigen und wie- renommierten Bevölkerungswissen- Union die PKV, die private Kranken- der einmal zu spät die Zeichen der schaftler Herwig Birg zu sprechen, versicherung auf dem Altar der Gro- Zeit zu erkennen. q es ist nicht fünf vor zwölf, sondern ßen Koalition opfern? Wer weiß, wie  328 DER FELS 11/2013 die Mühlen in der Gesundheitspolitik Die Union will es moderat halten, kann? Bis zu welchem Alter ist wel- mahlen, der weiß auch, dass sie oft die SPD spricht von einer Erhöhung che Operation sinnvoll – und von der nicht sehr gründlich, aber immer sehr um 0,5 Prozent. Wer sich an die Dis- Allgemeinheit zu bezahlen? Wie lan- langsam arbeiten. Es kann sein, dass kussion um die Erhöhung der Mehr- ge wollen wir das Leben eines Koma- das Vorhaben in den Koalitionsver- wertsteuer zu Beginn der ersten gro- patienten verlängern und um welchen trag einer Großen Koalition kommt ßen Koalition unter Merkel erinnert, Preis? Wie viele von uns sind bereit, und dann in der Schublade erstmal dem schwant Übles. Damals wollte auf Urlaub, Zweitwagen oder Haus- liegen bleibt – oder aber dann doch die Union ein Prozent erhöhen, die eigentum zu verzichten, nicht für als Dynamitstange benutzt wird, SPD zwei. Man addierte schließlich den eigenen Vater, die eigene Mutter, um die Große Koalition zu spren- beide Forderungen und erhöhte um sondern für die Gesundheitskosten gen und mittels eines konstruktiven drei Prozent. der Alten ganz allgemein? Ab wann Misstrauensvotums in der Mitte der Auch beim Pflegepersonal sieht klingt unser Nein zur Euthanasie Legislaturperiode Kanzlerin Merkel man Handlungsbedarf. Zum einen nicht mehr so kategorisch? Sind wir abzuwählen und etwa einen Sigmar bei der Bezahlung, zum anderen bei bereit, als Unternehmer, als Politiker, Gabriel auf den Schild zu heben. der Ausbildung. Und auch hier spie- als Journalist unmessbare Größen Vielleicht wird man sich auch nur len systemische Gedankenspiele eine wie Liebe und Zuwendung, Vertrau- mit der Erhöhung der Bemessungs- Rolle. Die SPD denkt an eine Bürger- en und Verantwortung, Selbstlosig- grenze begnügen, also von heute pflegeversicherung, die Union will keit und Verzichtsbereitschaft mal 4000 Euro etwa auf das Niveau der das duale System beibehalten. Sicher in unsere Studien und Berichte oder Rentenversicherung von 5800 Eu- ist, man wird in diesem Bereich Mil- auch nur in unser Denken aufzuneh- ro, wie die Grünen es wollen, die ja liarden investieren und diese Milliar- men? auch als Koalitionspartner gehan- den aus den Taschen der Bürger zie- Solche Fragen berühren das Men- delt wurden. Sicher ist für jede Ko- hen. Und am härtesten treffen wird es schenbild und die Vorstellungen von alition, dass der Umbau der Kran- erneut die Gruppe, die schon zu den Gerechtigkeit. Viele dieser Fragen kenhausfinanzierung kommt. Denn Risikogruppen zählt, wenn es um wurden früher von der Familie be- die Krankenhausbehandlung macht die Verarmung geht, die Familie mit antwortet mit liebevoller Pflege und rund ein Drittel des jährlichen Ge- Kindern. Zuwendung bis zuletzt. Ohne Fami- sundheitsbudgets aus und immer mehr Krankenhäuser stehen vor der Insolvenz. Hier ist dringender Hand- Mehr Hochbetagte trotz Bevölkerungsschrumpfung lungsbedarf. Gut möglich ist auch eine Ausweitung der Nutzenbewer- Auf immer weniger erwerbsfäige Personen kommen tung von Arzneimitteltherapien, von künftig immer mehr Menschen im Alter von über 80 Jahren diagnostischen und therapeutischen Veränderung der Bevölkerungszahl in Deutschland in Millionen Verfahren und anderen Medizinpro- 9,2 dukten. Das streben SPD und Grü- 80 Jahre und älter 6 ne an. Was immer die neue Koalition 4,1 beschließen wird, der Kostendruck 13,7 2060 65 bis unter 80 Jahre 12,7 2020 bleibt, ob mit oder ohne Bürgerver- 12,7 2008 sicherung. Das ifo hat auch das mal 13,2 ausgerechnet und gezeigt, dass der 50 bis untrer 65 Jahre 19,3 15,5 Unterschied nur minimal ist. Zwar 16,3 haben die GKV und die PKV heute 30 bis untrer 50 Jahre 20,1 ansehnliche Rücklagen. Aber die de- 24,3 6,7 mographische Entwicklung wird die- 20 bis untrer 30 Jahre 8,7 se Rücklagen bald verschlingen. 9,9 Noch heftiger aber wird sich die 11 0 bis untrer 20 Jahre 13,7 demographische Entwicklung bei der 15,6 Pflegeversicherung niederschlagen. Datenquelle Statistisches Bundesamt: Bevölkerung Deutschlands bis 2060, 12. koordinierte Mitte Mai hatte die Zahl der Pflege- Bevölkerungsvorausberechnung, Wiesbaden 2009, S. 17 [Tabelle 2, „Mittlere“ Bevölkerung, Obergrenze]. fälle erstmals die Marke von 2,5 Mil- lionen überschritten. Vor zehn Jahren lag die Zahl der Bezieher von Leis- Wenn also, wie es jetzt schon in lie wird es in Zukunft nicht gehen. tungen aus der gesetzlichen und pri- Zeitlupe geschieht, die Demographie Der Staat zerstört das Fundament, vaten Pflegeversicherung noch gut zu Buche schlägt, also die Zahl der auf dem er sein Haus bauen will, unter zwei Millionen. Alle Parteien Rentner sich erhöht und die der Er- wenn er der Familie weiterhin Leis- haben zugesagt, für die Pflege mehr werbspersonen sinkt, stellen sich, da tungsgerechtigkeit verweigert. Das Geld ausgeben zu wollen. 2012 hat das Sozialsystem nicht darauf vor- wird die Schlüsselfrage der kom- die Pflegeversicherung rund 23 Mil- bereitet ist, viele Fragen, auf die wir menden Regierung: Wie gehen wir liarden Euro eingenommen und et- heute de facto keine Antwort haben. mit der Familie um? Wenn sie weiter was mehr als 20 Milliarden ausgege- Zum Beispiel: Gibt es die beste me- so ausgezehrt und ungerecht behan- ben. Man wird den Pflegebegriff neu dizinische Versorgung für jedermann delt wird, vernichtet der Staat die Vo- definieren und den Beitrag erhöhen. oder nur für den, der es sich leisten raussetzungen, von denen er lebt. q

DER FELS 11/2013 329 überfordert sein, wenn nach dem Die Bemühungen um Einheit Auf endgültigen Abbruch der Gespräche in der Kirche müssen auch die Katholiken, die von der Piusbruder- Katholiken, die der Priester- dem schaft kommen, wieder die Heimat bruderschaft St. Pius X. na- in der Katholischen Kirche suchen. hestehen, einschließen. Sind wir auf diesen Fall vorbereitet? Prüfstand Hubert Gindert In unserem Land gibt es vielsei- tige Anstrengungen um die Einheit der Christen. Papst Benedikt XVI. hat dies in seinen Ansprachen am 23. Sept. 2011 in Erfurt erneut zum Vorsicht: Wölfe im Schafspelz! Ausdruck gebracht und hat auch den Weg dorthin aufgezeigt …. „so ist Den Papst- und Romkritikern auch heute der in einer säkularisier- scheinen bei Franziskus die Argumen- ten Welt von innen gelebte Glaube te auszugehen. Noch stehen wichtige die stärkste ökumenische Kraft, die Personalentscheidungen und Umbe- uns zueinander führt, der Einheit in setzungen der Kurie aus, die Anlass dem einen Herrn entgegen. Und da- Katholischen Kirche den Abbruch zu Kritik sein könnten. Nun gäbe es rum bitten wir ihn, dass wir neu den der Gespräche herbeizwingen wollen zwar die Möglichkeit, an der Kon- Glauben zu leben lernen und dass wir und denen es darum geht, der ande- tinuität in theologischen Fragen, in so dann eins werden“. ren Seite den „schwarzen Peter“ zu- die sich Papst Franziskus zu seinem Rom wartet auf die Antwort der zuschieben, um sie ins Unrecht zu Vorgänger stellt – was erneut in der Priesterbruderschaft St. Pius X. setzen. Die Mitteilungsblätter der Enzyklika „Lumen Fidei – Licht des Es sieht so aus, als würden die Re- Priesterbruderschaft können darüber Glaubens“ deutlich geworden ist – präsentanten der Priesterbruderschaft Aufschluss geben. anzusetzen. Es geschieht nicht. St. Pius X. die Beschlüsse des 2. Va- Nun betrifft aber die Frage, was Die Kritiker sind auf die Medien, ticanums, eines ökumenischen Kon- nach dem ergebnislosen Abbruch der die ihre Meinung transportieren, an- zils, insgesamt nicht anerkennen. Einigungsgespräche passiert, nicht gewiesen. Sie wissen: Was sich nicht Wer die „Erklärung aus Anlass des nur die Repräsentanten der Piusbru- in Überschriften und Schlagzeilen der 25. Jahrestages der Bischofsweihen derschaft, sondern auch die einfachen Kommunikationsmittel wiederfindet, vom 30. Juni 1988“, unterzeichnet Gläubigen, die katholisch bleiben existiert in einer Mediengesellschaft von den drei Bischöfen Mgr. Bernard wollen. Sie haben sich den Piusbrü- nicht. In dieser Zwangssituation be- Fellay, Mgr. Bernard Tissier de Mal- dern zugewandt, weil sie zum Bei- finden sich auch die „Kirchenvolks- lerais und Mgr. , spiel in ihren Pfarrgemeinden keine begehrer von „Wir sind Kirche“. abgedruckt im Mitteilungsblatt der würdige Feier der Hl. Messe nach Diese hatten ihre große Zeit im Priesterbruderschaft St. Pius X. Nr. der Ordnung der Kirche erlebt haben, Jahr 1995, als sie mit einer bundes- 415 vom August 2013, zur Kenntnis oder weil sie wegen ihrer eindeutigen weiten, von den Medien massiv un- nimmt, kann zu dieser Schlussfolge- katholischen Position ausgegrenzt terstützten Unterschriftenaktion, rung kommen. Das würde bedeuten, wurden. Wenn diese den endgültigen rund 1,5 Mio. Stimmen für ihre „Kir- dass die Gespräche über die Einglie- Bruch mit der Katholischen Kirche chenreformvorschläge“ einsammeln derung in die volle Gemeinschaft der nicht mitvollziehen wollen, werden konnten. Das damalige Spiel dieser Katholischen Kirche abgebrochen sie dann heimatlos sein? Rattenfänger gelang nur aufgrund würden und die Priesterbruderschaft Wer streckt diesen Katholiken der religiösen Unwissenheit der Ka- St. Pius X. endgültig einen eigenen die offene Hand hin? tholiken, der Medienunterstützung, Weg außerhalb der Kirche nehmen Werden sie die Bischöfe willkom- der teilweisen Illoyalität von Theo- würde. Das wird ein Teil der Mitglie- men heißen und zwar öffentlich? logen und Pfarrern – und der Untä- der und Sympathisanten nicht wol- Werden die Bischöfe den Pfarrern tigkeit der Bischöfe. Sie informierten len. empfehlen auch Hl. Messen in der ihre Gläubigen nicht mit einem auf- Was wird nach einem endgülti- außerordentlichen Form des Römi- klärenden Hirtenwort, sondern lie- gen Bruch geschehen? schen Ritus anzubieten? Oder wer- ßen sie ins Messer laufen, obwohl Da wird es in der Katholischen den die Bischöfe diese Gläubigen z. sie durch das Kirchenvolksbegehren Kirche solche geben, die darüber B. auf die Priesterbruderschaft St. in Österreich im Jahr zuvor hätten nicht traurig sind, nach dem Motto: Petrus verweisen? Bleibt die Frage: gewarnt sein müssen. Die Euphorie „Endlich sind wir diese Störer und Kann die Priesterbruderschaft St. Pe- der Kirchenvolksbegehrer von 1995 Unruhestifter los“! Für solche mag trus und ähnliche Institutionen das hat sich gelegt. Ihre Sympathisanten auch, gerade in Deutschland, der ohne die Unterstützung seitens der sitzen in kirchlichen Gremien als Re- Satz eines Bischofs stehen: „Ein Pro- Bischöfe und der Ordinariate leis- formverhinderer im Namen von „Re- testant steht mir näher als die Pius- ten? form“. In der medialen Öffentlichkeit brüder“. Auch die Laienvereinigung für tauchen sie immer dann auf, wenn Es mag auch bei der Priesterbru- den klassischen Römischen Ritus aus bestimmten Anlässen im Fernse- derschaft solche geben, die mit Ma- „Pro Missa Tridentina“ wird dann hen oder Hörfunk Kritik an der Kir- ximalforderungen an die Leitung der besonders gefordert, aber vielleicht che ansteht.

330 DER FELS 11/2013 Noch rollt die Welle der Zustim- nehmen und umzusetzen? Z.B. im „Publik-Forum“ Nr. 2 vom 26. Janu- mung für Papst Franziskus rund um ‚Gesprächsprozess’ der Bischofs- ar 1996, in dem in einem vierzigsei- den Globus. Um nicht im Meinungs- konferenz oder in der Frage des Sa- tigen Dossier die Strategie der „Kir- abseits und in der medialen Bedeu- kramentenempfangs für geschiede- chenvolksbegehrer“ sehr offenherzig tungslosigkeit zu stehen, springen die ne Wiederverheiratete …“ dargelegt ist. Dort heißt es z.B. zum Kirchenvolksbegehrer von „Wir sind Doch so ganz sicher sind sich die Thema „Volle Gleichberechtigung Kirche“ auf den Sympathiezug auf, „Kirchenvolksbegehrer“ nicht, in- der Frauen“ (S. 16): „So wird der der Papst Franziskus durch die Medi- wieweit sie Papst Franziskus für ih- Gehorsam gegenüber Rom zum ei- enwelt trägt. So hat die Ausgabe von re Ziele instrumentalisieren können. gentlichen Problem für einen Dialog „Wir sind Kirche – Extra Juli 2013“ So heißt es weiter: „Doch ist auch zwischen einem demokratisch, frei- die Überschrift „Erneuern wir unse- vor zuviel Papsteuphorie zu war- heitlich gesinnten Kirchenvolk und re Kirche mit Franziskus“. In die- nen. Die Kirchenleitungskrisen sind einer hierarchischen, diktatorisch ser Schrift werden als „ausgewählte noch lange nicht überwunden. Fran- strukturierten Kirchenführung. Der Stimmen zu Franziskus“ u.a. Hans ziskus’ Vorbild und sein ‚spirituel- Wert dieses Kadavergehorsams muss Küng, Leonardo Boff, der EKD- ler Leitungsstil’ alleine werden nicht vom „Kirchenvolk“ öffentlich infra- Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider, ausreichen, die verkrusteten Struk- ge gestellt werden und gleichzeitig Sr. Lea Ackermann aufgeführt. turen wirklich aufzubrechen. Wich- seine Problematik in Bezug auf Di- Im Rundbrief des „Wir sind Kir- tige Personalentscheidungen stehen alogmöglichkeiten bewusst gemacht che-Bundesteams vom Sommer an. Und: Der neue ‚Bergoglio-Stil’ werden.“ 2013“ steht als Überschrift „Jetzt den muss nicht nur im Vatikan, sondern Dass sich „Wir sind Kirche“ bis- pastoralen Kurs von Franziskus un- auch in unseren Bistümern und Ge- her auf den Katholikentagen an In- terstützen!“ Unter „Konkrete Schrit- meinden spürbar werden, damit eine foständen und im Programm prä- te der Erneuerung“ heißt es: „In den grundlegende Erneuerung möglich sentieren konnte, belegt, dass deutschen Bistümern und Gemein- wird. Deshalb: Unterstützen sie mit Katholikentage zu religiösen Super- den ist der neue Kurs von Franzis- uns den pastoralen Reformkurs von märkten geworden sind, die nicht kus noch viel zu wenig zu spüren. Franziskus!“. der Orientierung, sondern vielfach Wann sind die Bischöfe in Deutsch- Was sind die Ziele von „Wir sind der Verwirrung und Desorientierung land endlich bereit, die Reformap- Kirche“ wirklich? Wer sich darü- dienten. pelle von Franziskus beherzt aufzu- ber informieren will, kann das tun in Hubert Gindert

Den Glauben in die Öffentlichkeit hineintragen: „Grüß Gott“ oder „Hallo“

Als ich, kurz nach der Grenzöff- Was „Hallo“ genau bedeutet weiß der Grußformel indirekt gesteuert nung, mit einer Schulklasse nach weder „google“ noch „wikipedia“. wird, gesteuert von den gleichen Per- Thüringen eine Exkursion machte, Es wurde früher hauptsächlich beim sonen, welche „Weihnachtsmarkt“ trafen wir uns dort mit einer Real- Telefonieren benutzt, ohne dass man durch „Wintermarkt“ und „Christ- schulklasse. Ein Lokalreporter war sich über den Sinn dieses Wortes Ge- baum“ durch „Winterbaum“ ersetzen auch dabei. Er titelte am nächsten danken machte. So musste der Anru- wollen. Gesteuert durch Personen, Tag dieses Treffen in der Lokalzei- fende seine Identität zuerst bekannt welche, besonders in Baden-Würt- tung mit: „Man sagt Grüß Gott“. An- geben, ehe der Angerufene aus der temberg, in Schulen das „Grüß Gott“ scheinend klang in der ehemaligen Anonymität des Hallo heraustrat. verbieten wollen, damit muslimische DDR diese Grußformel exotisch. Als Wie anders ist gegenüber „Hallo“ die Schüler nicht beleidigt werden. Ge- ich noch jung war, sagte man, um Grußformel „Grüß [dich] Gott“. Hier steuert von Personen, die meinen, sich zu bedanken „Vergelt‘s Gott“, wird die Zweierbeziehung, welche „Grüß Gott“ passt nicht mehr in un- und die Antwort war „Segne‘s Gott“. der Grüßende mit dem Begrüßten sere tolerante, liberale, aufgeklärte Wenn man sich verabschiedete, hieß aufbaut, erweitert zu einer Dreier- Welt. es „Pfüa Gott“ (Behüte dich Gott), beziehung. Gott wird in diese Bezie- Lassen wir uns jedoch nicht von und wenn man niesen musste „Helf‘ hung mit eingeschlossen. Vom Sinn solchen Personen steuern. Das ge- Gott“. Als ich gestern zum Bäcker her ist also das sinnige „Grüß Gott“ sprochene „Grüß Gott“ ist ein klei- ging und dabei fünf Leute verschie- dem unsinnigen „Hallo“ vorzuzie- nes Bekenntnis, dass man an die denen Alters traf und wir uns grüß- hen. Existenz Gottes glaubt. Es ist keine ten, sagten alle fünf als Gruß „Hal- Warum wird es dann trotzdem im- Zumutung, sich als Christ durch das lo“. Vor wenigen Jahren hätten alle mer mehr verdrängt? Bei den meisten „Grüß Gott“ zu „outen“. Überlassen fünf wohl noch mit „Grüß Gott“ ge- Menschen ist es Gedankenlosigkeit. wir nicht durch Gedankenlosigkeit grüßt. Warum ist das heute so und Ich kann mich aber des Eindrucks den oben genannten Personen das was bedeuten diese Grußformeln? nicht erwehren, dass diese Änderung Feld. Alois Epple

DER FELS 11/2013 331 ständnis übrig? Nichts, weil ihm so der Der „Große Bruder“ statt der Eltern? Zeit protestantisch-christliche Boden entzo- gen ist. Diese EKD-Studie besteht ein- „Subsidiarität und Solidarität neu ge- fach darin, dass sie nichts der Welt zu dacht“ ist der Titel des neuen Heftes der im sagen hat! Sie spiegelt die Welt, so wie Reihe „Kirche und Gesellschaft“ (Nr. sie jetzt ist, wider und sagt `Amen´ da- 402 / www.ksz.de). Ilona Ostner, Sozio- Spektrum zu.“ – Lay fragt dann nach den Folgen login und Professorin für vergleichende für die ökumenischen Bestrebungen: Sozialpolitik am Institut für Soziologie der Universität Göttingen, beschreibt Welche Konsequenzen sollte das für darin kritisch Stellung und Rolle von uns Katholiken haben? Eine Frage müs- Eltern und Kindern im „sozialinvesti- sen wir uns stellen: Kann eine Ökume- ven Wohlfahrtsstaat“, zu dem die Bun- ne noch Sinn machen mit dieser EKD? desrepublik Deutschland immer mehr Gibt es denn überhaupt noch Glaubens- umgebildet werden soll und in dem Ver- gemeinsamkeiten? Der Glaube an Jesus sorgung und Fürsorge durch den Staat Christus ist nicht mehr der Glaube der zunehmend an die Stelle elterlicher EKD! Um des christlich-jüdischen Dia- oder familialer Selbsthilfe tritt, und dies loges willen wird das Bekenntnis zu Je- schon bei der Erziehung und Bildung sus als dem Christus revoziert [wider- der Kleinkinder. Die Tendenz zeigt sich rufen]. Ja, Judenchristen wurden vom in der „Erosion der Familienkindheit“, sich vereinfacht wie folgt zusammen- letzten evangelischen Kirchentag aus- der „Erwartung gleicher elterlicher fassen. Der Staat zieht sich zurück aus geschlossen, weil die EKD jede Art von Verantwortung“, dem „Bedeutungsver- seiner Pflicht, die Leistungen der Eltern Judenmission ablehnt Damit schloss lust der Mutter“, dem „Zweifel an der für die Gesellschaft anzuerkennen und diese Kirche alle zwölf Apostel, die elterlichen Kompetenz“, der „Idee des Rahmenbedingungen zum Schutz des auch alle Judenmissionare waren, aus autonomen Kindes“, der „Entfamilia- Familienlebens und zur Wahrung einer ihrer Kirche aus! Eine Gemeinsamkeit lisierung als Strategie zur Förderung möglichst staatsfreien Ausübung der El- im christlichen Glauben gibt es so mit des Kindeswohls“, der Beschuldigung ternverantwortung zu schaffen. Somit der EKD nicht mehr! Und in ethischen der Familie und des Familialismus als würde er sich mehr und mehr von der Fragen, die man vielleicht unabhän- „Motor der sozialen Ungerechtigkeit“ Idee der der Subsidiarität verabschieden gig vom christlichen Glaubenbekennt- u.a.m. – Die Autorin kommt zu dem und den Eltern zunehmend Pflichten ge- nis behandeln könnte, müssen wir nun Schluss: genüber der Gesellschaft auferlegen. konstatieren: Die EKD verzichtet auf Elterliche Verantwortung bestände dann jede religiöse Ethik, um sich der Welt Vielen Sonntagsreden zum Trotz: vor allem in der Durchsetzung von au- anzupassen. Gibt es noch irgendwel- Das mit dem sozialinvestiven Wohl- ßen gesetzter Standards im Umgang mit che Gemeinsamkeiten? Ein Moratorium fahrtsstaat verbundene neue Leitbild sich selbst (z.B. ihrer Arbeitsfähigkeit) für den katholisch-evangelischen Dia- begreift Familien und deren Mitglieder und mit den Kindern, in einer Verant- log wäre mehr als erstrebenswert ange- in erster Linie als Wirtschaftsfaktoren wortung die zugleich fremd, von außen, sichts dieser desolaten Situation! für die Gesellschaft. Es verlangt von kontrolliert wird. den Eltern den optimalen Einsatz ihres „Humankapitals“, und zwar im doppel- „Kämpfen, nicht weichen!“ ten Sinne: erstens durch die möglichst frühzeitige und vollständige (Wieder) Ökumene mit der EKD Der „Informationsbrief“ der evangeli- Eingliederung in den Erwerbsprozess noch sinnvoll? schen Bekenntnisbewegung „Kein an- und zweitens durch Erziehung der Kin- deres Evangelium“ berichtet in Nr. 281 der zu geeigneten Mitgliedern der Ge- „Die Evangelische Kirche Deutschlands vom Oktober 2013 auf Seite 2 zu dem sellschaft. Diese Erziehung soll in hat sich abgeschafft. Ihre Todesanzei- neuen Familien-Papier dem EKD: „Verantwortungsgemeinschaft“ mit öf- ge: Das EKD-Elaborat zur Familie“ – fentlichen Einrichtungen erfolgen, d.h. Unter diesem Titel nimmt der Theolo- Ehe-Aus für Göring Eckardt. Wie unter Befolgung staatlicher Bildungs- ge Uwe Christian Lay in der Zeitschrift die Bild-Zeitung berichtet, hat sich die und Erziehungsideale, und dies in einer „Theologisches“ (9/10-2013) Stellung 47-jährige Grünen- Spitzenpolitikerin ohnehin geschrumpften Familienzeit / zu der „Orientierungshilfe“ die der Rat Katrin Göring-Eckardt, die auch Prä- Zeit für die Familie. Die Überprüfung der EKD vor kurzem zum Thema Ehe ses der EKD-Synode ist (sie ließ wäh- und Schulung der Kompetenz von El- und Familie veröffentlicht hat (Siehe rend des Wahlkampfes das EKD-Spit- tern und Kindern – auch schon der ganz dazu den „Offenen Brief an Präses Dr. zenamt ruhen), von ihrem Ehemann, kleinen – erfolgen zunehmend auf der Nikolaus Schneider“ in Nr. 8-9/2013, Pfarrer Michael Göring (61, inzwischen Basis von vorgegebenen Zielgrößen S.248). Die Selbstabschaffung sieht Ruhestandspfarrer) nach 25 Jahren Ehe und nach von außen gesetzten, bevor- Lay bei der EKD damit gegeben, dass getrennt. Pfarrer Göring war zuvor be- zugt „evidenzbasierten“ Maßstäben, die für sie die Hl. Schrift keine überzeitli- reits verheiratet und brachte drei Kinder wenig Raum für Eigensinn und Abwei- che Wahrhheit mehr verkünde, sondern mit in die Ehe; mit Göring Eckardt hatte chung im elterlichen Handeln und in der nur zeitbedingte Vorstellungen, und dies er zwei weitere Kinder. Beide sollen neue kindlichen Entwicklung lassen. Soll- auch für den Glauben an Jesus als den Partner haben. Ein badischer Theologe ten sich diese Tendenzen durchsetzen, Messias gelte. „Wenn schon das Herz- fragte: „Wurde das neue EKD-Papier et- würde das Handeln der Eltern zuneh- stück des christlichen Glaubens kein wa deshalb verfasst, um den Lebenswan- mend durch fremdgesetzte Standards Gehör mehr findet in der EKD, dann del in der Führungsetage abzusichern?“ bestimmt werden. Es wäre in diesem wundert es nicht, dass auch alles an- Erst vor wenigen Monaten musste der Sinne „fremdverantwortlich“, wenig dere in der Bibel nur noch zeitbedingte EKD-Bevollmächtigte bei der Bundesre- selbstverantwortlich im Sinne des Sub- Meinungen sind …Was bleibt dann vom publik Deutschland und der EU, Berhard sidiaritätsprinzips. Das Problem ließe reformatorischen Ehe- und Familienver- Felmberg, seinen Platz räumen, weil ihm 332 DER FELS 11/2013 Beziehungen zu Mitarbeiterinnen in der Druck GmbH, Postfach 1324, D-91535 einmal, was die griechische Mythologie Spitze der EKD nachgesagt wurden. Rothenburg/Tbr). Prof.Ziegenaus be- von den Schwierigkeiten der Sühne für ginnt mit einer Erinnerung: eine Schuld erzählt (Orest, Herkules), Dem „Informationsbrief“ ist ein Fly- können wir für die Sühne Jesu Christi am er beigelegt, in dem der Vorsitzende der Bei seinem ersten Deutschlandbesuch Kreuz nie genug danken. Bekenntnisbewegung, Pfarrer Hans- sagte Johannes Paul II. in seiner Anspra- frieder Hellenschmidt, unter dem Titel che an die Bischofskonferenz. „Ich bin „Falsche Propheten sind unter uns – Die überzeugt, dass ein Aufschwung des sitt- „Sterben ist keine Schande“ Geschäftsführer des Zeitgeistes“ vom lichen Bewusstseins und christlichen Le- Evangelium her Stellung zu den Ten- bens eng, ja unlöslich an eine Bedingung Den hl. Wolfgang (924-994) und sein denzen in der EKD Stellung nimmt und geknüpft ist: an die Wiederbelebung der Wirken als Bischof von Regensburg stell- mahnt: „Kämpfen, nicht weichen“. Es persönlichen Beichte. Setzt hier die Pri- te das „Directorium spirituale“ am 31. heißt dort u. a.: orität Eurer pastoralen Sorge.“ Oktober vor: Wurde die Beichte damals zur Priori- Wohl dem, der in dieser Zeit an Je- tät der pastoralen Sorge? Ist sie es heute, (…) Drei besondere Anliegen des sus und seinem Wort festhält und seinen im Jahr des Glaubens, im Jahr des Dia- hl. Wolfgang müssen auch uns in die- Rock nicht in den Wind der Zeit hängt. logs? Ist sie es in den Hirtenbriefen der ser Zeit, in der uns eine wirkliche Er- Tut er das, gilt ihm Jesu Zuspruch: „Weil Fastenzeit? neuerung des Glaubens aufgetragen ist, du das Wort, das dich standhaft auf mich Bischof Stimpfle führte 1982 zur Nach- ans Herz greifen. St. Wolfgang begann harren heißt, bewahrt hast, werde auch arbeit dieses Papstbesuches einen Diöze- die Reformarbeit im Blick auf das Zent- ich dich vor der Stunde der Prüfung be- sankatholikentag durch. Zur Vorbereitung rum des Glaubens, auf die Feier der Eu- wahren, die über den ganzen Weltkreis für neun Monate hatte er ein Motto ge- charistie. Sein Biograf Otloh berichtet kommen wird“ (Offb 3,10, nach der sucht und kommentiert, Für die Fasten- darüber: „Es ist unmöglich darzulegen Übersetzung von Johannes Behm). Mö- zeit wählte der Verfasser dieses Beitrags mit welcher Sorgfalt er das Geheimnis gen sich die Ereignisse überschlagen das obengenannte Wort. Berater schlugen des Leiben und Blutes Christi gefeiert und der Stand des Bekenners zusehends dem Bischof vor, es durch das Wort „Neu hat, wie er mit tiefster innerer Ergrif- schwerer werden, so muss er sich den- durch Vergebung“ zu ersetzen. Erst nach fenheit sich dem Hohenpriester als Op- noch nicht ängstigen. Denn Jesus ist der hartem Widerstand des Verfassers blieb es fergabe dargebracht hat.“ Auch auf die Herr aller Dinge, aller Geschicke und al- beim Papstwort. Hier bewahrheitet sich Spendung des Bußsakramentes legte er ler Zeiten. Es ist größer als Not, Anfech- das Wort S. Kierkegaards, dass die Chris- größten Wert. Er sagte: „Wer nur immer tung und Gefahr und mächtiger als der tusverkündigung zur „Wohlredenheit“ ge- in Schmutz der Sünde lebt, möge Gott Geist der Zeit und seine Diener. Jesus, worden sei. „Die Abschaffung der Beich- die Ehre geben und er nehme sich nicht der Herr aller Herren, steht für die Sei- te, ein Zusammenwirken von Gemeinde heraus, in frecher Weise zu einem Sa- nen ein. Seine Zusage ist fest und gilt für und Pfarrer. Die Gemeinde bekam Angst, krament hinzuzutreten, bevor er nicht alle Zeiten: „… niemand wird sie mir aus zur Beichte zu gehen; der Beichtstuhl durch Buße die Makel des Schmutzes der Hand reißen“ (Joh 10,28). brachte einem die Sache allzu nahe. Die abgewaschen hat.“ Gerade das Bußsak- Diese Verheißung gilt es zu ergreifen Pfarrer bekamen Angst, Beichte zu hören, rament ist heute in größter Gefahr, dass und fest im Herzen zu behalten. Trotz al- die Sache wird allzu ernsthaft. Und die es uns verloren gehtd. Als Drittes kam ler Anfechtungen darf der Jünger Jesu ganze Christusverkündigung wurde Re- beim Bischof Wolfgang das Bemühen nicht schweigen. Das Zeugnis des Glau- dekunst, Wohlredenheit, die ganz richtig um einen lebendigen Gebetsgeist hinzu. bens darf nicht verstummen, und dem das entscheidend Christliche ausließ: die Von ihm selbst wird berichtet, er sich Wort der falschen Propheten muss um Zueignung, den Einzelnen.“ (Tagebücher oft vom Schlaf erhob, in der Kirche, die des Gewissens willen widerstanden wer- IV,270) er sorgsam verschloss, bis zur gemein- den. Sind doch die, die dem Zeitgeist samen morgendlichen Matutin betete. dienen, die Wegbereiter eines antichrist- Nach einem Hinweis auf Martin Luther, Trotz seiner vielen Verpflichtungen hat- lichen Wesens in der Kirche und der Ge- der die persönliche Beichte schätzte, ent- te in seinem Leben das Gebet die abso- meinde. Darum gilt auch heute das Wort faltet Prof. Ziegenaus das Thema „Oh- lute Priorität. des Apostels Paulus: „Kämpfe den guten ne Beichte keine Erneuerung“ in fünf Kampf des Glaubens, ergreife das ewige Abschnitten: Beichte und Eucharistie / Als „Gedanken in den November hin- Leben, wozu du berufen bist und bekannt Sünde und Beichte / Zur Wiedergewin- ein“ bringt das Oktoberheft des „Direc- hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeu- nung der Beichte / Der Sinn der soge- torium spirituale“ letzte Worte des hl. gen.“ ( 1 Tim 6,12). Diese apostolische nannten Andachtsbeichte / Die Beichte Wolfgang: Mahnung gilt allen, die Christus ihren als Weg zur Erneuerung der übrigen Sa- Herren nennen – insbesondere aber de- kramente. Er kommt zu dem Schluss: „Öffnet die Türen und lasset alle he- nen, die ein Amt in der Kirche und er Ge- rein, die mich sterben sehen wollen. meinde haben. Wer das Bußsakrament regelmäßig Wir sind nun einmal sterbliche Men- (Das Flugblatt ist erhältlich bei: Ge- empfängt, bleibt über Wasser und wird schen. Sterben ist keine Schande. Schan- schäftsstelle Bekenntnisbewegung „Kein auch die übrigen Sakramente als Hil- de bringt nur ein schlechtes Leben. Wir anderes Evangelium“, Mehlbaumstr.148, fe zum gläubigen Leben erfahren. Eine müssen dem Tod den schuldigen Tri- D-72458 Albstadt) Erneuerung der Kirche ist, wie Johannes but zahlen, da ja Christus, der dem Tod Paul II. sagte, unlöslich an die Wieder- nichts schuldig war, sich nicht schämte, belebung der persönlichen Beichte ge- am Kreuz nackt und bloß für das Heil der Vom Ohrenkitzel wieder zum Ernst knüpft. Welt zu sterben. Es mag daher ein jeder Oft klagen die Menschen, dass man an meinem Tode schauen, was er in sei- „Ohne Beichte keine Erneuerung“ ist heute Gott so wenig erfahren kann. Nir- nem eigenen Leben zu erwarten und zu eine Abhandlung des Dogmatikers Prof. gends, so kann man wohl sagen, erlebt fürchten hat. Möge Gott mir armen Sün- Dr. Anton Ziegenaus im „Forum Katho- der Mensch Gott persönlicher und näher der gnädig sein bei meinem Tode und lische Theologie“ überschrieben (Nr. als in der Vergebung bei der Beichte. Der ebenso einem jeden, der meinen Tod mit 3/2013; Sn. 202-209; Verlag Schneider Mensch fühlt sich befreit. Bedenken wir Furcht und Zittern betrachtet.“ DER FELS 11/2013 333 Erläuterung zum Titelbild Bücher

Benedikt XVI. : „Ich habe mich nie al- lein gefühlt“. Media Maria Verlag Iller- tissen 2013. Deutsche Ausgabe der vati- kanischen Originalausgabe der Libreria Editrice Vaticana. 111 Seiten, ISBN 978- 3-9815943-2-4, Euro 12;50 (D) und E 12;85 (A) Das Büchlein bringt alle Anspra- chen, Predigten und Botschaften, die Papst Benedikt XVI. ab dem 11. Feb- ruar 2013 – dem Tag der Ankündigung seines Rücktritts – bis zum 28. Febru- ar 2013 gehalten hat. Diese Ansprachen Miniatur aus der Viviansbibel, um bilden das Vermächtnis von Papst Bene- dikt XVI. In sehr konzentrierter Form 846, Paris Nationalbibliothek spricht er seine Anliegen nochmals an. So sagte er beispielsweise beim Treffen Christus thront in einer rautenför- mit dem Klerus der Diözese Rom am 14. migen Mandorla. Umgeben ist er Februar 2013: „Wir wissen, wie dieses von zwei sich schneidenden Krei- von den Medien verbreitete Konzil allen sen, welche den Himmel und die zugänglich gemacht wurde. Es wurde al- Erde symbolisieren. So zeigt sich so vorherrschend verbreitet und hat sich Christus direkt als „Bewohner“ dadurch stärker ausgewirkt und viel Un- des Himmels und der Erde und heil, viele Probleme, wirklich viel Elend herbeigeführt; geschlossene Seminare, mehr durch und wird zur wahren Kraft, indirekt als wahrer Gott und wah- die dann auch wahre Reform, wahre Er- rer Mensch. Segnend hat er seine geschlossene Klöster, banale Liturgie ... Und das wahre Konzil hatte Schwierig- neuerung der Kirche bewirkt.“ Die Zu- Rechte erhoben. Seine linke Hand keiten, umgesetzt, verwirklicht zu wer- versicht, die Papst Benedikt emeritus be- umfasst ein Buch, das Evangelium. den. Das virtuelle Konzil trat stärker seelt, beruht auf seinem Glauben, dass Dieses wurde geschrieben von den hervor als das wirkliche Konzil. Aber die „er nie allein war.“ Es sind Texte, die vier Evangelisten. Ihre Symbole wirkliche Kraft des Konzils war gegen- Klarheit verschaffen und Mut machen. Engel (Matthäus), Löwe (Markus), wärtig und setzt sich allmählich immer Eduard Werner Stier (Lukas) und Adler (Johannes) sieht man neben den Kreisen. Die Evangelisten selbst sind in die Bil- decken gemalt, wie sie auf Christi Wort hören und es aufschreiben. In der Nacht zum weltweit begangenen Marien- In den kreisförmigen Ausbuch- sonntag, dem 13. Oktober, hat Jesus Christus Hel- tungen der Raute sind vier Pro- mut Volpert heimgeholt – für alle im IK-Augsburg und darüber hinaus völlig unerwartet. Er gehört pheten des Alten Testaments dar- zu den Gründungsmitgliedern des IK-Augsburg. gestellt: Jesaias (oben), Jeremias Über ein Jahrzehnt betreute er die Informationen (unten), Daniel (rechts) und Eze- aus Kirche und Welt, unterhielt Kontakte mit vie- chiel (links). Es sind jene Prophe- len Leserinnen und Lesern. Überzeugend und vor- ten, welche Christus ankündigten. bildhaft lebte er den katholischen Glauben in der Bei genauer Betrachtung erkennt Treue zur Kirche und zum Papst. Er engagierte man, dass der Maler jedem alttes- sich für die würdig gefeierte Liturgie und zeigte tamentlichen Propheten einen neu- zeitgeistbedingte Deformierungen auf. Dankbar sind wir für seine Freundschaft, testamentlichen Evangelisten zu- die im katholischen Glauben gründete, und für seine uneigennützigen Hilfen, auf ordnete. Dies zeigt sich besonders die wir uns stets verlassen konnten. Wir beten für Helmut Volpert, für seine Ehe- deutlich an den Gesichtern. So hat frau Waltraud, für seine Kinder und Enkel. Matthäus (oben links) den gleichen Gerhard Stumpf, Vorsitzender des Initiativkreises Bart und die gleichen Gesichtszü- katholischer Laien und Priester in der Diözese Augsburg ge wie Jesaias (oben Mitte). Eben- so entsprechen sich Ezechiel und Quellen und Literatur zu Niels Stensen Markus, Jeremias und Lukas, Da- Das Lebensbild des sel. Niels Stensen auf Seite 321 dieses Heftes ist eine Zusammen- niel und Johannes. In Christus ist fassung des Beitrages „Gott das Beste auf die beste Weise“ in den Heften 12/1986 und nach dem Zeugnis der Propheten 1-2/1987 des „Fels“. – Das Porträt des Seligen befindet sich im Nationalhistorischen und der Evangelisten das Heil ge- Museum Schloss Frederiksborg/Hillerrød. – Literatur: Max Bierbaum/Adolf Faller, kommen. Niels Stensen, Anatom, Geologe und Bischof, Münster 1979; Josef Novak, Niels Sten- AE sen – Ein Leben für Glauben und Wissenschaft, Hildesheim 1980. Leserbrief Veranstaltungen

Als Antwort auf die Diskussion zur Maria Vesperbild „Freiburger Handreichung für wieder- stimmt ein in den Advent Veranstaltungen der Initiativkreise­ verheiratete Geschiedene“ bitte ich Sie, – Aktionsgemeinschaften: folgenden Leserbrief zu veröffentlichen. Am 24. November, Christkönigssonn- Sowohl die Verfasser der „Handrei- tag, von 9.30 bis 16 Uhr, findet wieder München: chung für wiederverheiratete Geschie- der Adventsbasar in Maria Vesperbild 5. November 2013 · 18:00 Uhr · Han- dene“ als auch jene, die jetzt die Parole statt. Unter der bewährten künstlerischen sa Haus, Briennerstraße 39, 80333 Mün- ausgeben, dass alle diesbezüglich Positi- Gesamtleitung von P. G. Löffler OMI ha- chen · H. H. Prälat Ludwig Gschwind: onierten einfach wieder zur hl. Kommu- ben die Mitglieder des Wallfahrtschores „Der Pflegevater Jesu und andere Vä- nion gehen können, gehören zu jenen, und viele ehrenamtliche Helfer ein ein- ter“ und „Maria, die Mutter des Herrn die sich selbst betrügen. Keiner kommt drucksvolles Angebot an Adventskrän- und andere Mütter“ an Jesus und seinen klaren Worten zum zen, -gestecken, religiösen Geschen- Vortrag und Vorstellung der Bücher · Ehebruch vorbei. Ebenso nicht am Ka- ken und vieles mehr, zusammengestellt. Hinweise: Tel.: 089-605732 techismus der Katholischen Kirche, Ganz entscheidenden Wert legen die Ver- der eindeutig sagt, dass das eheähnli- anstalter aber auch auf familienfreundli- che Zusammenleben von nicht kirch- che Preise. Diese sowie das kulinarische Messfeiern nach dem Motu Proprio lich Verheirateten Unzucht ist. Unzucht Angebot lassen den Besuch des Advents- „“ schließt laut der Bibel vom Himmelreich basars in Maria Vesperbild jedes Jahr zu aus. Selbst ein Bischof und auch nicht einem Erlebnis der ganz besonderen Art Die Freunde der tridentinischen Mes- der Papst kann daran vorbei. Was ein- werden. se möchten wir auf nachstehende In- zig und allein möglich ist – und darauf Wallfahrtsdirektion Maria Vesperbild ternet Adresse hinweisen, dort können hat Papst Franziskus schon am Anfang Schellenbacher Str. 4, 86473 Ziemets- sie aktuelle Orte und Zeiten finden: seiner Amtszeit verwiesen ist, das Ehe- hausen, Tel.: +49 (0)8284 / 8038 gericht anzurufen und eine Möglichkeit http://www.pro-missa-tridentina. zur Annullierung der ersten Eheschlie- org/heilige-messen/regelmaessige- ßung zu finden. So wie heute viele Ehen gottesdienste.htm kirchlich geschlossen werden, dürfte es in Massen zu Annullierungen kommen. Wir bitten um Die Frage ist nur, ob die zweite dann Gebetsmeinung des unter den entsprechenden gültigen Vor- Spenden für den aussetzungen geschlossen wird. Es hilft Hl. Vaters im November 2013 nichts – wie oft bei der Taufe eines Kin- des – auf die Fragen des Priesters nach 1. Für die Priester in ihren Heraus- den kirchlichen Vorschriften mit „Ja“ zu forderungen und Schwierigkeiten, antworten und sich zu denken: „Ich ma- sie mögen Licht und Kraft in ihrer che aber das, was ich will.“ Das ist reiner Situation erfahren. Selbstbetrug. Katholisches Wort in die Zeit 2. Für Berufungen zur Mission Sofie Christoph in den lateinamerikanischen Kir- 86447 Aindling www.der-fels.de chen.

DER FELS - Katholische Monatsschrift. Gegründet 1970 von Pater Gerhard Hermes SAC Anschriften der Autoren dieses Heftes Verlag: Der Fels-Verein e.V. Herausgeber: Der Fels-Verein e.V. Verantwortlicher Redakteur: Prof. Dr. Hubert Gindert  Dr. Alois Epple Redaktion: Eichendorffstr. 17, D-86916 Kaufering, Tel.: 08191/966744, Fax: 08191/966743, Krautgartenstr. 17, 86842 Türkheim e-mail: Redaktion: [email protected] Bestellung: [email protected]  Raymund Fobes Verlagsleitung: ebendort, Grafik und Layout: Renate Gindert, Bernau; Zillenweg 8, 85051 Ingolstadt Druck: Mayer & Söhne, Druck und Mediengruppe GmbH, 86551 Aichach  Heinz Froitzheim DER FELS erscheint monatlich im Umfang von 32 Seiten. Postfach 11 08, 84495 Altötting Bestellung: An den Fels-Verein e.V., Postfach 1116, D-86912 Kaufering Einzahlung Deutschland: Konto Fels e.V.:,  Rektor Prof. Dr. Josef Kreiml Landsberg-Ammersee Bank eG, KontoNr.: 514 75 22, BLZ: 700 916 00; Wiener Straße 38, Postbank München, KontoNr.: 903 166 809, BLZ 700 100 80 A - 3100 St. Pölten Österreich: Bestellungen wie oben, Landeshypothekenbank Salzburg, Fels e.V.,  Jürgen Liminski Konto Nr.: 2 493 378, BLZ: 55 000; Neckarstr. 13, 53757 St. Augustin Schweiz: Bestellungen wie oben, Post Finance, Der Fels e.V.,  Prof. Dr. Konrad Löw Konto Nr.: 60-377132-6, (Ausland) IBAN: CH80 0900 0000 6037 7132 6; BIC: POFICHBEXXX Kirchenstr. 17, 82065 Baierbrunn Für übrige EU-Länder: Wer Spenden auf unser Konto überweisen möchte, kann dies zu In- landsgebühren erledigen, wenn er bei der Überweisung anstelle der Kontonummer die IBAN  Bernhard Mihm, Stadtrat a.D. (=Internationale Kontonummer) DE 46 7009 1600 0005 1475 22 und anstelle der Bankleitzahl Bekscher Berg 59, 33100 Paderborn die BIC (Identifikation des Kreditinstitutes) GENODEF1DSS angibt.

DER FELS 11/2013 335 DER FELS 4215 PVSt/Entgelt bezahlt/DPAG Fels-Verein e.V., Auslieferung Postfach 11 16 86912 Kaufering

Pfarrer Joseph Müller: „Mein Tod wirkt jetzt mehr für das Reich Gottes als mein Leben.“

politisch extremen Zeiten sind die katholische Kirche ständig stär- „Kann dann der Führer an mein Ster- In Priester besonders gefähr- ker. Das konnte aber Pfarrer Müller bebett kommen?“ Die Schwester ant- det. In der NS-Zeit wussten sie als nicht zu einer leiseren wortet. „Nein, das geht universal denkende Katholiken von Predigtart zwingen. nicht, aber ich brin- Anfang an, dass die nordische Ras- Nach Kriegsbeginn ge Ihnen das Bild des senlehre mit dem wahren Christen- 1939 kamen viele pol- Führers“ und sie legt tum nicht vereinbar ist. Auch Pfarrer nische Zwangsarbeiter es ihm zur rechten Sei- Joseph Müller aus der Diözese Hil- in seine weit verzweig- te auf das Kopfkissen. desheim wusste das und er sagte das te Gemeinde im Harz. Da sagt der Soldat: auch. Dafür sprach der berüchtigte Diesen polnischen Ar- „Ich gehöre zur Luft- Blutrichter Roland Freisler das To- beitern war es verbo- waffe.“ Da bringt ihm desurteil über ihn. Es wurde am 11. ten, an den katholi- die Schwester das Bild September 1944 im Zuchthaus Bran- schen Gottesdiensten des Reichsmarschalls denburg-Görden vollstreckt. teilzunehmen. Zur Göring und legt es zur Joseph Müller wurde am Tarnung lud sie Pfar- Linken. Darauf sagt 19.08.1894 im hessischen Salmüns- rer Müller deshalb in der Soldat: „So, jetzt ter geboren. Wie schon zwei ältere ihrer Freizeit zur Gar- Pfarrer Joseph Müller sterbe ich wie Chris- Brüder wurde auch er Priester. Sei- tenarbeit ein, um sie tus.“ ne Berufung verstand er so: „Pries- heimlich seelsorger- Der Parteigenosse ter sein heißt Mensch sein mit einem lich betreuen zu kön- verstand sofort, dass starken Glauben, der auch durch den nen. Auch gegen die Schließung der Christus zwischen zwei Schwerver- Widerstand der ganzen Welt nicht ir- katholischen Volksschule in Heinin- brechern gestorben war und zeigte re gemacht werden kann.“ Seine ers- gen protestierte Pfarrer Müller hef- den Pfarrer bei der Gestapo an. Die- te Anstellung als Kaplan fand Müller tig und sagte, dass Deutschland den ser Vergleich führte zur Verhaftung in Duderstadt. Dort nahm er sich sehr Krieg nicht gewinnen dürfe. Unter und zum Todesurteil, zumal gegen um die Jugend an. Dies tat er auch an den aussichtslosen politischen Be- den Pfarrer schon einiges vorlag. seinen späteren Dienstorten mit gro- lastungen erkrankte Müller an einem Dem Bischof Dr. Machens gelang es ßem Einsatz und Erfolg. Seine Pre- Magengeschwür. Nach einer schwe- noch zweimal, seinen Priester Joseph digten waren so eindrucksvoll, dass ren Operation bat er 1943 um Verset- Müller im Gefängnis zu besuchen. auch viele Taufscheinkatholiken wie- zung in die Gemeinde Groß Düngen. Er identifizierte sich mit ihm. Pfarrer der regelmäßig in die Kirche kamen. Dort entschied sich sein Schicksal. Müller konnte noch auf einen Zettel Dabei wies er immer wieder auf „das Bei einem Krankenbesuch erzählte schreiben: „Herr, ich bin dem Hass goldene Kreuz des Glaubens“ hin er nämlich einem ihm bis dahin un- begegnet, dem bleichen aller Schön- und warnte gleichzeitig vor „den bekannten Parteigenossen eine ironi- heit baren Hass auf die Wahrheit, der Schattenbildern der Zeit“ , d.h. vor sche Geschichte. morden will ….“ . Das Satanische, dem Sozialismus und vor dem neu „Ein Verwundeter liegt im Laza- das in diesem Hass sichtbar wird, ist aufkommenden Nationalsozialis- rett im Sterben und will noch wissen, inzwischen verdrängt. Aber Märty- mus. In den 30er Jahren des vorigen für wen er stirbt. Die Krankenschwes- rer wie Pfarrer Müller bleiben immer Jahrhunderts wurden die politischen ter antwortet: „Sie sterben für Füh- Glanzlichter der Kirche. Pressionen der NS-Regierung gegen rer und Volk.“ Dann fragt der Soldat: Eduard Werner

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