Ulf Pillkahn Die Weisheit der Roulettekugel Dr. Ulf Pillkahn ist Experte für Zukunftsfragen und Innova- tionen bei der AG in München. Er hat Elektro- und Informationstechnik studiert, lebte und studierte in Nor- wegen und Großbritannien und erwarb einen MBA in Lon- don. Er promovierte an der LMU in Psychologie (Titel der Dissertation: „Innovationen zwischen Zufall und Planung“) und ist seit 2011 Gastforscher und Dozent am Lehrstuhl für Innovation und Entrepreneurship der Zeppelin Universität in Friedrichshafen.

Danksagung Viele Ideen und Gedanken werden beim Schreiben verarbeitet, nicht selten entstehen diese in Diskussionen oder werden in Gesprächen angeregt. Für die Unterstützung und Motivation möchte ich mich bei Inga Bachmann, Volkmar Döricht, Karsten Ehms, Heinz Mandl, Steffen Mayer, Renate Pillkahn, Katja-­Maria Prexl, Silke Sasano, Gerhard Seitfudem, Markus Schättin, Steffi Schulz, Marco Walz und den Studenten und Dozenten des Seminars Foresight, Innovation & Design-Thinking der Zeppelin Universität bedanken. Darüber hinaus bedanke ich mich bei meiner Firma – der Siemens­ AG – für die Herausforderungen und Möglichkeiten gleichermaßen. Und: Ich bedanke mich bei allen, die mir die Gelegenheit zum Verstehen gaben und geben. Die Weisheit der ­Roulettekugel

Innovation durch Irritation

von Ulf Pillkahn Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Lektorat: Dr. Gerhard Seitfudem [email protected]

Print ISBN: 978-3-89578-393-7 ePDF ISBN: 978-3-89578-680-8 ePUB ISBN: 978-3-89578-720-1 mobi ISBN: 978-3-89578-819-2

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Printed in Germany Vorbemerkungen

In diesem Buch werden die folgenden Informationselemente verwendet:

Proposition Einige der für die Ausführungen und Untersuchungen im Buch relevanten Begriffe und Konzepte werden in der Literatur unterschiedlich definiert und verwendet. Mit der Proposition wird die Art der Verwendung des jeweiligen Begriffes im Rahmen dieses Buches definiert, außerdem werden Ausgangspunkte für die weitere Darstel- lung und persönliche Positionen dargelegt.

Hypothese Im Laufe der Ausführungen und aus dem Gang der Untersuchungen ergeben sich eine Reihe von Indizien, Argumenten, Zusammenhängen, Vermutungen und Aussagen. Diese werden als Hypothesen formuliert und soweit möglich im weiteren Verlauf auch erhärtet.

Erkenntnis Aus Beobachtungen und ihrer inhaltlichen Verarbeitung werden Schlussfolgerungen gezogen und Einsichten formuliert. Diese werden als „Erkenntnis“ hervorgehoben.

Alle Abbildungen sind handgezeichnet. Das macht zum einen Spaß und man kommt beim Zeichnen schnell in den „Innovation-Mode“. Darü- ber hinaus symbolisiert diese Vorgehensweise, dass Innovationen immer etwas mit einem „Nicht-Perfekt-Sein-Anspruch“ und mit viel Improvisa- tion zu tun haben. Sie inspirieren, so hoffe ich, zum Selberzeichnen und Kreativwerden und zeigen auch, dass man kein Powerpoint braucht, um innovativ zu sein. Weitere Informationen zum Buch und aktuelle Entwicklungen bezüglich Innovationen kann man unter www.innovation-roulette.de weiter ver- folgen.

Vorbemerkungen 5 Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkungen ...... 5

1 Einführung ...... 10

2 Die Logik von Unternehmen (und warum sie scheitern) . 17

2.1 Die Wertschöpfung im Mittelpunkt allen Tuns ...... 18

2.2 Wissensschöpfung ist Hoffnung ...... 20

2.3 Verknüpfung von Wert- und Wissensschöpfung ...... 27

2.4 Und ewig lockt der Messwert ...... 29

2.5 Die Schwierigkeit, Wissensschöpfung zu (re)animieren ... 34

3 Innovationen: Vom Mythos und dem Versuch der Bändigung ...... 37

3.1 Das Spiel beginnt ...... 38 3.2 Moderne Unternehmen managen vieles – aber nicht alles ...... 39 3.2.1 Die Dialektik der Bürokratie ...... 39 3.2.2 Management als bürokratische Disziplin ...... 40 3.2.3 Intelligente Freiheit: Schwärme und Netzwerke ...... 42 3.2.4 „Wir sind gut aufgestellt.“ Wirklich? ...... 43

3.3 Zwei Welten prallen aufeinander ...... 44 3.3.1 Die Quellen von Innovationen ...... 47 3.3.2 Innovationsmanagement als Managementdisziplin ...... 50 3.3.3 Einflussmöglichkeiten des Managements ...... 55 3.3.4 Der Innovationsprozess als strukturgebende Größe ...... 58 3.3.5 Über Risiko und Unsicherheiten ...... 68 3.3.6 Innovation zwischen Zufall und Planung ...... 73

3.4 Tendenzen im Innovationsmanagement ...... 78

3.5 Innovation als unordentliche Wissenschaft ...... 83 3.5.1 Innovation als Wissenschaft zwischen den Disziplinen ..... 83 3.5.2 Modelle und Theorien erklären die Welt ...... 85

6 Inhaltsverzeichnis 3.5.3 Wie interpretiert man ein sprechendes Schwein? ...... 89 3.5.4 Verwissenschaftlichungstendenzen ...... 91

3.6 Raum für Reflektionen ...... 92

4 Anamnese: 100 Jahre Innovationsmanagement ...... 94 4.1 Innovationsfähigkeit, Industriedynamik und ­Unternehmenserfolg ...... 94

4.2 Der Lebenszyklus von Industrien ...... 97

4.3 Fallstudien als Grundlage der Theoriebildung ...... 101 4.4 Zuordnung der Fallstudien und Identifikation von Mustern ...... 104

4.5 Der Dornröschen-Effekt ...... 105

4.6 Der Red-Queen-Effekt ...... 109

4.7 Der Pionier-Effekt ...... 113

4.8 Diskussion der Fallstudien und Effekte ...... 117

5 Diagnose: Der Trend geht zum Bohren immer dünnerer Bretter ...... 119

5.1 Alles beginnt mit einer Idee ...... 120

5.2 Die Idee auf dem Weg durch die Organisation ...... 122 5.2.1 Wenn Kleingeister über große Ideen entscheiden ...... 124 5.2.2 Entscheidungen im Innovationsmanagement ...... 126 5.2.3 Die Krawatten-Theorie ...... 130 5.2.4 Je größer und je älter Organisationen sind, desto schwerer haben es Innovationen ...... 133 5.2.5 Standardisierungen und Routinisierung ...... 135 5.2.6 Zur nachlassenden Innovationsfähigkeit durch Routinen . 142

5.3 Innovationsfähigkeit – eine Ad-hoc-Befragung ...... 148 5.3.1 Versuchsanordnung ...... 148 5.3.2 Auswertung und Ergebnisse ...... 153

5.4 Die Evolution bohrt keine Bretter ...... 157

5.5 Zwischenfazit ...... 161

6 Therapie: Stimulierung durch Irritation ...... 162

6.1 Irritation: Begriffsklärung ...... 163 6.1.1 Irritation als Impuls für Veränderung ...... 164 6.1.2 Störung, bewusste und unbewusste Irritationen ...... 164 6.1.3 Zur Dosierung von Irritationen ...... 165

Inhaltsverzeichnis 7 6.2 Bausteine der Theorie der bewussten Irritation ...... 166

6.3 Anregung durch Irritationen ...... 169 6.3.1 Irritation zur Vermeidung des Tunnelblicks (Red-Queen-Effekt) ...... 170 6.3.2 Irritationen zur Vermeidung des Dornröschen-Effekts: endogene Stimulierung ...... 170 6.3.3 Stimulierung radikaler Innovationen (Pionier-Effekt) durch Irritation des Systems ...... 171

6.4 Zur Irritierbarkeit von Organisationen ...... 173

6.5 Endogene Irritation der Organisation ...... 175 6.5.1 Innovationstrigger ...... 176 6.5.2 Innovation Labs ...... 177 6.5.3 Design-Thinking ...... 178 6.5.4 Interne Märkte ...... 180

6.6 Erhöhen der Innovationsvielfalt ...... 189 6.6.1 Trennung von Routine- und Nicht-Routine-Funktionen .. 190 6.6.2 Experiment: Innovations-Roulette ...... 191 6.6.3 Interpretation der Ergebnisse ...... 200 6.6.4 Zufall bei der Personalauswahl ...... 201

6.7 Systematische Beobachtung der Unternehmensumwelt . 202 6.7.1 Vorbereitung auf mögliche Veränderungen ...... 202 6.7.2 Foresight: Der Blick in die Zukunft ...... 203

6.8 Diskussion der vorgestellten Ansätze ...... 204

6.9 Prognose: Anwendung der Theorie ...... 205

6.10 Irritation als Chance oder Bedrohung ...... 212

7 Kritischer Ausblick ...... 213 7.1 Kernaussagen zur Innovation – die Nuggets der Irritation ...... 213 7.1.1 Wie belastbar ist die „Theorie der bewussten Irritation“? . 214 7.1.2 Der Nutzen von Umwegen ...... 215 7.1.3 Die Kultivierung des Zufalls ...... 217

7.2 Das Dilemma der Balance ...... 218

7.3 Und wie geht es weiter? ...... 219

7.4 Axiome für erfolgreiches Innovieren ...... 221

7.5 Machen wir es konkret ...... 222

7.6 Schlussgedanken ...... 224

8 Inhaltsverzeichnis 8 Fallstudien ...... 226

8.1 Fallstudie 1: Texas Instruments (TI) ...... 226

8.2 Fallstudie 2: Polaroid ...... 227

8.3 Fallstudie 3: Semco ...... 228

8.4 Fallstudie 4: Phones ...... 230

8.5 Fallstudie 5: Microsoft ...... 232

8.6 Fallstudie 6: Google ...... 235

8.7 Fallstudie 7: PARC Xerox ...... 240

8.8 Fallstudie 8: 3M ...... 243

8.9 Fallstudie 9: Edison und GE ...... 244

8.10 Fallstudie 10: Firestone Tire & Rubber ...... 246

9 Verzeichnisse ...... 249

9.1 Bilder und Tabellen ...... 249 9.2 Propositions, Hypothesen und Erkenntnisse im Überblick ...... 251

Endnoten ...... 264

Literatur ...... 271

Index ...... 290

Inhaltsverzeichnis 9 1 Einführung

„Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer trifft sie der Zufall.“ Friedrich Dürrenmatt1

Anstoß und Grundlage für dieses Buch ist meine Dissertation mit dem Titel „Innovationen zwischen Planung und Zufall – Bausteine einer Theo- rie der bewussten Irritation“. Zur Illustration des Erkenntnisfortschritts und der praktischen Relevanz werden Fallstudien verwendet. Die Auswahl von zehn Fallstudien aus einer Liste zahlreicher dokumentierter Fälle in der Literatur richtete sich im Wesentlichen nach dem beobachteten Innovationsverhalten und der verfügbaren Dokumentation. Seit mehr als 20 Jahren arbeite ich bei der Firma Siemens, ich kenne mich ziemlich gut damit aus, was sogenannte „große“ Unternehmen bewegt und umtreibt. Nicht nur bei Siemens, auch bei anderen Unternehmen (da- runter Coca-Cola, Danone, Deutsche Telekom, Volkswagen, B/S/H (Bosch Siemens Hausgeräte GmbH), BMW, Kärcher, IBM, Intel, Deutsche Bank, , HP, Amazon, aber auch Firmen wie Google oder LinkedIn) konnte ich beobachten, warum größere Organisationen sich häufig sel- ber im Weg stehen, warum gerne und viel über Innovationen gesprochen wird, aber nur in Ausnahmefällen wirkliche Innovationen entstehen kön- nen, warum so zahlreich Gründe dagegen hervorgebracht werden und nur so Wenige sich dafür einsetzen – und warum es karrieretechnisch und politisch oft besser ist, gegen Innovationen zu sein. Ich mag meine Firma, aber natürlich wünschte ich mir, sie wäre innovativer und visionärer. Warum das nicht so einfach ist, wird im Buch geschildert. Ich habe mich theoretisch-akademisch intensiv mit dem Thema ausei- nandergesetzt, eine Menge praktische Erfahrung gesammelt und mich oft unbeliebt gemacht. Meine Meinung ist gereift und unterscheidet sich deutlich von der Lehrbuchmeinung. Aus meiner Sicht hat sich gezeigt, dass Innovation weniger mit Prozessen, Instrumenten und Indikatoren zu tun hat. Es ist vielmehr eine Kunst! Wer an Innovation denkt, denkt nicht selten an Steve Jobs und an Apple. Lassen Sie uns daher mit einer der erfolgreichsten Innovationen der letz- ten Jahre beginnen: dem iPad (Bild 1). (Anmerkung: Nach Lehrbuchmei- nung bezeichnet man eine Erfindung als (erfolgreiche) Innovation genau dann, wenn es gelingt, sie zu vermarkten.)

10 1 Einführung Bild 1 Mit dem iPad entstand der Markt für Tablet Computer

Seit der Vorstellung des iPad am 27. Januar 2010 hat Apple bereits mehr als 100 Millionen Geräte – inzwischen in der 4. Generation – verkauft. Die Firma hat damit erfolgreich einen neuen Markt geschaffen: den der Tablet-Computer. Wachstumsraten von über 400 Prozent im Vergleich zum Markt für Laptops mit weniger als 5 Prozent signalisieren genau das, wovon Topmanager und Innovationsmanager aller Branchen träumen: ungesättigte Märkte mit riesiger Nachfrage. Tatsächlich gibt es (wenige) Firmen, die neue Märkte und damit neue Wachstumsfelder erschaffen, und es gibt (viele) Firmen, die möglichst schnell im Windschatten folgen wollen. Der Traditionskonzern Siemens ist nun nicht gerade für aggressives Vorpre- schen in neue Märkte bekannt. Umso erstaunlicher ist es, dass das Unter- nehmen bereits im Jahre 2001 den Versuch unternahm, mit dem SIMPad (Bild 2) einen neuen Markt für Tablet-Computer zu erschaffen. Etwa 2005 wurde jedoch die Produktion eingestellt (mit weniger als 100.000 produ- zierten Stück) und Geräte wurden als Restposten verramscht. Gerade im Hinblick auf den Erfolg des iPad stellt sich die Frage: Warum entwickelten sich die beiden Geschichten so unterschiedlich? Wieso wurde das iPad so eine Erfolgsgeschichte und wieso kann sich heute kaum mehr jemand an das SIMPad erinnern? Oberflächlich betrachtet könnte man zur Beantwortung technische Details anbringen oder konstatieren, dass der Markt einfach noch nicht reif war für Innovationen wie das SIMPad. Doch hier ist zu beachten: Ein Markt ist immer reif. Gern wird das Argument des noch nicht reifen Markts als Entschuldigung hervorge- bracht, was aber Unsinn ist. Ähnlich wie in der Kommunikationstheorie ist immer der Sender verantwortlich für Missverständnisse, nie der Emp- fänger.

1 Einführung 11 Bild 2 Das SIMPad als Beispiel dafür, wie es nicht funktioniert (hat)

Die obige Frage wird uns im Laufe des Buches beschäftigen. Sie ist auch insofern brisant, als Apple inzwischen mit dem iPad im Quartal mehr Gewinn erwirtschaftet als etwa die Medizintechnik-Sparte von Siemens im gesamten Geschäftsjahr. Spätestens jetzt sollte sich so etwas wie Weh- mut einstellen, ob der entgangenen Gewinne. Aber es ist eine verdammte Tücke im Management großer Unternehmen: Wegen entgangener Gewinne wird kaum jemand gefeuert (auch wäre die Schuldfrage in der Regel nicht so leicht zu klären), nur für realisierte Verluste. Das ist tra- gisch, da sich die Zauderer durchsetzen können. Doch dazu später mehr. Soviel ich weiß, hat sich bei Siemens inzwischen noch niemand um eine Aufarbeitung des SIMPad-Malheurs beschäftigt, und das trotz der ent- gangenen Gewinne in zweistelliger Milliardenhöhe und obwohl klar ist, dass man gerade aus solchen Missgeschicken sehr viel lernen kann oder könnte. Und was mich persönlich sehr beunruhigt, ist die Tatsache, dass solche Fälle wie das SIMPad jederzeit – nicht nur bei Siemens, auch in anderen Organisationen – wieder genauso, und zwar tatsächlich exakt so, passieren könnten und auch passieren. Schülern bescheinigt man bei der- artigem Verhalten in der Regel Lernresistenz; Lehrer empfehlen dann die Wiederholung der Klassenstufe. So etwas könnte und sollte es im Innova- tionsmanagement auch geben, es wäre durchaus wünschenswert! Im Buch geht es jedoch nicht darum, eine (vor)schnelle Antwort auf die aufgeworfene Frage zu finden (oder die berühmte Stellschraube, die dann Magie-gleich nach einer Justage durch das Management alles zum Besten wendet), sondern vielmehr sollen anhand des beschriebenen Falls eine Reihe von Indizien gesammelt und Erklärungsversuche angestellt werden.

12 1 Einführung Schauen wir uns zunächst die beiden Geräte etwas genauer an (Tabelle 1 und Tabelle 2).

Tabelle 1 SIMPad versus iPad – Vergleich der Hardware

SIMPad iPad (1. Generation)

Prozessor Intel StrongArm 206 MHz Apple A4 1 GHz

Display Touchscreen 8,6 Zoll Touchscreen 9,7 Zoll

Speicher 64 MByte RAM/ 256 MByte RAM/ 32 MByte Flash 16, 32, 64 GByte Flash

Netzanbindung WLAN (Slot)/DECT WLAN/3G

Laufzeit Max. 7 h 10 h

Gewicht Ca. 1000 g Ca. 700 g

Größe 180 × 263 × 28 mm 242,8 × 189,7 × 13,4 mm

Bedenkt man die Zeitdauer von etwa 10 Jahren zwischen den beiden Ent- wicklungen, die Technologiesprünge und den Preisverfall, verwundern die Unterschiede wenig. Im Gegenteil, die beiden Tablets sind durchaus vergleichbar, und von technischer Überlegenheit des iPad kann nicht die Rede sein.

Tabelle 2 SIMPad versus iPad – Software und Handling im Vergleich

SIMPad iPad (1. Generation)

Betriebssystem Microsoft Windows CE 3.0 Apple iOS 5.1.1

Software Office Paket Apps (AppStore)

Entwicklung Keith & Koep GmbH Apple

Fertigung Siemens Schweiz Foxconn

Vertrieb Einzelhandel Apple Shops

Marketing Siemens Apple

Beide Geräte waren bzw. sind für ihre Verhältnisse recht teuer. Die größ- ten Unterschiede sind insofern im Design und der Bedienung festzustel- len. Während das SIMPad zahlreiche Hardware-Schnittstellen besitzt und damit komplex wirkt, und das Gehäuse zwar funktional ist, aber keine

1 Einführung 13 designerische Offenbarung, kann man dem iPad hier Perfektion beschei- nigen. Einfaches, aber edles Design und edle Materialien, verbunden mit einer kompromisslosen, auf den Anwender ausgerichteten Bedienbarkeit ohne Schnickschnack machen wohl den Unterschied. Man ahnt schon jetzt, dass erfolgreiche Innovationen wenig mit Fakten und auch nicht viel mehr mit technischen Leistungsmerkmalen zu tun haben. Es geht um Leidenschaft und die Besessenheit, etwas Einzigartiges zu erschaffen. Es geht um das Gespür und die Intuition, Dinge zu tun, für die es keine der populären „Blueprints“ – Mustervorlagen – gibt. Aber es ist verrückt. Noch nie wurde so viel über Innovationen geschrie- ben und publiziert wie derzeit. Der Mythos der Innovationen lebt. Sie gelten als Grundlage für zukünftige Geschäfte von Unternehmen und genießen seit Schumpeters Beiträgen zur „schöpferischen Zerstörung“ auch wissenschaftlich eine hohe Aufmerksamkeit. Inzwischen hat das Feld eine gewisse Unübersichtlichkeit erreicht. Etliche Themen haben einen Einfluss auf den Untersuchungsgegenstand „Inno- vation“: Wissensmanagement, Kreativität, Strategieentwicklung, Techno- logiemanagement und viele weitere. Neue Konzepte wie beispielsweise „Open Innovation“, „Lean Innovation“ oder „Fast Innovation“ werden in immer kürzeren Abständen medienwirksam veröffentlicht und vom ausgehungerten Heer der Innovationsmanager und Strategen aufgesogen, in der Hoffnung, für die unendliche Aufgabe endlich ein Rezept an die Hand zu bekommen. Es läuft eine Menge schief – sowohl in der Praxis als auch in der Theorie. Ich habe die Vermutung, dass das Verständnis von Innovationen und der Entstehung selbiger nicht unwesentlich zur unbefriedigenden Situation beiträgt: Viel zu oft wird die Rolle und die Entstehung von Innovati- onen unterschätzt. Den direkten Vergleich zwischen SIMPad und iPad kann das Apple-Gerät ziemlich klar für sich entscheiden. Die Gründe für die Überlegenheit wird man nicht eindeutig bestimmen können. Aber man kann spekulieren und Indizien sammeln. Und dabei fällt insbesondere der Unterschied im Antrieb der Innovation auf. Einerseits die Besessenheit – im Wesentlichen repräsentiert durch Steve Jobs – und andererseits die großen Unterneh- men ganz eigene Systematik, bei der Innovationen oft als unangenehme Nebensache verhandelt werden. Da ist der Tablet-PC sicher kein Einzel- fall. Im Gegenteil, jede Form der Eneuerung lässt sich auf eine der drei folgenden Antriebe zurückführen: 1. Besessenheit: Sie fußt auf den Gedanken, der Überzeugung, der Lei- denschaft und der Genialität von Individuen. Die „Besessenen“ trei- ben ihre Ideen mit einer Energie voran, die sowohl Ehrfurcht und

14 1 Einführung