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Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie

Rationalität und Emotionalität in der Musik unter besonderer Berücksichtigung der “bounded rationality“

vorgelegt von

Kristin Bauer

Karl-Franzens-Universität Graz Institut für Philosophie Betreuer: Univ.-Prof.i.R. Dr.phil. Johann Götschl Graz, am 26.09.2014

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Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe ver- fasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländi- schen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung ent- spricht der eingereichten elektronischen Version.

Graz, am 26.09.2014

Kristin Bauer

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Danksagung

Ich möchte mich als erstes bei Herrn Univ.-Prof.i.R. Dr.phil. Johann Götschl für die Betreuung, wichtige Denkanstöße und die fachliche Unterstützung, bedanken.

Weiters möchte ich mich herzlich bei all meinen Interview Partnern, ganz speziell bei Boris Bukowski, Christian Kolonovits, Michael Vatter, Michael Zuzanek und meiner ehemaligen Gesangslehrerin Simone Kopmajer, nicht nur für dieses Interview sondern auch für frühere Unterstützungen, bedanken. Ohne euch alle wäre meine Arbeit in dieser Form nicht möglich gewesen!

Ich bedanke mich auch bei meiner Familie und meinen Freunden, die mich in der Zeit des Studiums und bei der Erstellung der Arbeit tatkräftig unterstützt haben. Insbesondere bei Oana Mihaela Iusco und Johannes Orthacker für die moralische und fachliche Un- terstützung, Margot Orthacker für die Korrektur der Formatierung, Stefanie Schmidt, Sandra Re- genfelder und Lisa Wagner für das Korrekturlesen und natürlich bei meiner Mutter Erna-Maria Bauer für ihre moralische Unterstützung und meine Existenz.

Auch möchte ich mich bei Silke Fraidl bedanken für die hilfreichen Ratschläge und interessanten Gespräche während des Studiums.

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Zusammenfassung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Suche nach der Bedeutung von Emotionalität und Rationalität, im Besonderen der bounded rationality in der Musik. Dazu werden die musikalischen Wirkungsweisen auf den Menschen erörtert, in Bezug auf den Intel- lekt, die Physis, die Psyche und die Geschichte der Musik und der Gesellschaft. Die enorme Beein- flussung der Musik auf die Menschheit wird mit Hilfe der Hintergründe und Anfänge der Musik er- läutert, um zu verdeutlichen, wie weitreichend und umfassend diese Thematik ist. Die bounded rati- onality, als neuerer, pragmatischer Rationalitätstyp, begründet von Herbert. A. Simon, soll den Zu- gang schaffen zu einem grenzüberschreitenden Zusammenspiel der rationalen und emotionalen As- pekte in musikalischen Kontexten. Da die bounded rationality unter anderem besagt, dass der Mensch nur begrenzt rationale Entscheidungen treffen kann und sich somit von der klassischen Rationalität unterscheidet, ermöglicht dies in der Musik unbegrenzte, empirisch realisierbare Spielräume. Es wur- den Interviews mit 11 Musiker/innen und 11 Nicht-Musiker/innen geführt, um aufzuzeigen welchen Stellenwert Musik im Leben der Probanden/innen spielt, und um genauer zu erfahren, wo es Unter- schiede und Grenzen von Rationalität und Emotionalität in der Musik gibt. Gerade in der Musik kommt eindeutig hervor, dass sich Emotionalität und Rationalität immer mehr in eine Art Kontinuum verwandeln, mit stetig stärker werdenden wechselseitigen Korrespondenzen.

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Abstract

This diploma thesis is focusing on the meaning of emotionality and rationality in music, with a special focus on the bounded rationality. Thereto the musical modes of action of humans will be debated in connection with the intellect, the physicalness, the psyche and the history of music and society. The enormous influence of music on the human society will be illustrated with the background and beginning of music. In order to clarify how extensive and comprehensive this issue is. The term bounded rationality as a new, pragmatical type of rationality, founded by Herbert A.Simon, is said to create a new approach, which is charac- terized to bridge the gap between the rational and emotional aspects in musical contexts. Bounded rationality implies that the human being can only make a limited amount of rational decisions; this differs from the conception of classical rationality. Therefore the theory of bounded rationality is focusing on the possibility of infinite, empirical-possible scopes. An empirical analysis was conduc- ted with 11 musicians and 11 non-musicians. The qualitative interviews aim to highlight the signifi- cance of music in their personal life. Furthermore this analysis tries to reveal the differences and limits of rationality and emotionality within music. Precisely in music emotionality and rationality become transforming in a kind of continuum with continual stronger getting mutual correspondence.

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Inhaltsverzeichnis 1.0 Einleitung ...... 8 2.0 Rationalität ...... 11 2.1 Klassische Rationalität ...... 11 2.2 Wandel und Entwicklung der Rationalität ...... 12 2.3 Bounded rationality ...... 13 2.4 Kurt Gödels Begriff der Unschärfe ...... 16 2.4.1 Der Irrtum ...... 17 2.4.2 Das unvollständige Wissen nach Frank Jackson ...... 18 2.4.2.1 What it´s like to be Fred: ...... 18 2.4.2.2 Mary´s Room ...... 19 2.5 Rationalität in der Musik...... 20 2.6 Problem der Rationalisierung im Mittelalter in Bezug auf Musik ...... 21 3.0 Emotionalität ...... 22 3.1 Der Emotionsbegriff ...... 23 3.2 Emotionalität in der Musik ...... 24 3.3 Erlebnis Musik ...... 25 3.4 Versagensängste bei Musikern/innen ...... 27 4.0 Anthropologie der Musik ...... 31 4.1 Grundmusikalität ...... 31 4.2 Wirkungsbereiche der Musik ...... 32 4.3 Einflüsse beim Musikhören ...... 33 4.4 Die Wahrnehmung des Selbst und der Außenwelt ...... 35 5.0 Musik und Intelligenz ...... 37 5.1 Der Mozart – Effekt ...... 37 5.2 Mozart: Genie oder Erziehungssache ...... 39 5.2.1 Musik als Ausdruck von Kreativität und Genialität ...... 39 5.2.2 Die Emergenz ...... 42 5.3 Erhöhte Gedächtnisvorteile durch Musikerziehung ...... 44 5.4 Lernschritte eines Musikers ...... 46 6.0 Wissenschaft und Musik ...... 48 6.1 Wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich der Gedächtnisleistungen ...... 49 6.2 Ein neuer Zugang zur Rationalität und Emotionalität ...... 52 6.3 Die Grenzen der Wissenschaft von Musik ...... 54 7.0 Die Ur-Musik ...... 56 7.1 Musikalische Ursprünge ...... 56 7.2 Musik in Ritualen ...... 57 6

7.2.1 Klagelieder ...... 58 7.2.2 Funktionalität von Musik und Ritualen ...... 59 8.0 Sprache und Musik...... 62 8.1 Sprache und musikalische Sprache ...... 63 8.2 Schöne und „böse“ Musik ...... 64 8.3 Das böse Instrument – Die Orgel ...... 67 8.3.1 Die katholische Orgel ...... 68 9.0 Musik als Ausdrucksmittel und Mittel zur Manipulation ...... 70 9.1 Interpretation durch Musik...... 71 9.1.1 Verwirklichung des vorgestellten Bildes ...... 72 9.2 Musik als Massenware ...... 73 9.3 Reizüberflutung durch Musik ...... 75 9.4 Hintergrundfunktion der Musik ...... 76 10.0 Zur individuell – existentiellen Bedeutung von Musik ...... 77 10.1 Erklärung des Interviewverlaufs mit 22 Befragten ...... 77 10.1.1 Philosophische Erörterung einiger Interviewfragen ...... 80 10.2 Inhaltsanalyse der Interviews ...... 82 10.2.1 Bedeutung und Einfluss von Musik ...... 82 10.2.2 Rationalität und Musik ...... 85 10.2.3 Musikhass und Musikliebe...... 88 10.2.4 Musikalität und praktische Auslebung der Musik bei Nicht-Musikern/innen ...... 93 10.2.5 Ist Musikalität und Talent in jedem Menschen vorhanden? Aus Sicht der Musiker/innen ...... 94 10.2.6 Bevorzugte Musikrichtungen der Musiker/innen ...... 95 10.2.7 Berufsleben und Musikerleben in Kombination ...... 95 10.2.8 Versagensängste als Musiker/in ...... 95 10.3 Diskussion der Interviews ...... 97 11.0 Schlusswort ...... 99 12.0 Literaturverzeichnis ...... 101 12.1 Abbildungsverzeichnis ...... 105 12.2 Vorlesungen und Seminare ...... 106 12.3 Webliographie ...... 106 13.0 Anhang ...... 107 13.1 Interviews mit 11 Nicht-Musikern/innen ...... 107 13.2 Interviews mit 11 Musikern/innen ...... 112

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1.0 Einleitung

Der Mensch ist ständig auf der Suche nach seiner Sinngebung und neuen Erlebnissen, die ihn erfüllen, doch das definitive Endziel ist meistens unbekannt. Er glaubt zwar zu wissen, wohin ihn die Reise des Lebens führt, doch wird erst mal ein kleines Ziel erreicht, so beginnt das Streben nach mehreren und höheren Destinationen. Prinzipiell strebt der Mensch, als ewig Suchender, nach Glück, Erfolg, Gesundheit und Liebe. Da es so etwas nicht im Supermarkt zu kaufen gibt und die Spezies Mensch oft nicht einmal weiß, wie es zu diesen befriedigenden Attributen kommen soll, ist solch ein Streben größtenteils nicht mit einem zufriedenstellenden Ergebnis beendet, sondern führt zur Kompensation dieser unterdrückten Wünsche und endet gewöhnlich mit Unzufriedenheit oder materiellen Kurzzeitbefriedigungen. Dem suchenden Menschen innewohnend ist ein unruhiger Geist, dessen Hin- und Hergerissenheit des Öfteren nach Beruhigung und Ordnung schreit. Die universelle Musik, die für jeden Menschen zugänglich ist, kann positiv auf den unruhigen Geist wirken und ist ein wichtiger Teil unseres Daseins. Der menschliche Körper in seiner Gesamtheit, als weitgehend komplexes System, ermöglicht dem Menschen vieles zu vollbringen, zu lernen, auszuhalten und zu erleben. Das Musikerlebnis ist eines von vielen Ereignissen, das einen Menschen durch das gesamte Leben begleitet, weil es ein Teil unserer Kultur ist. Die Fähigkeit zu hören ist uns, kurz gesagt, durch das Trommelfell, die physiologische Zusammensetzung von Härchen und Nervenzellen in unseren Ohren und ihrer Form gegeben. Doch für das Hörerlebnis an sich ist die Fähigkeit Emotionen zu empfinden zu einem großen Teil verantwortlich. Das rationale Denken darf man in diesem Zusammenhang natürlich nicht außer Acht lassen, vor allem wenn man bedenkt, wie wichtig dies für Komponisten/innen ist, um die Noten in einem Stück so anzuordnen, dass die Botschaft die der/die Musiker/in vermitteln will auch bei den Hörern/innen ankommt. So etwas ist natürlich nicht willkürlich, sondern auch der/die Komponist/in verfolgt mit seinem/ihren Musikstück ein Ziel, und auch wenn er/sie es nur für sich selbst schreibt, wird mit jeder gespielten Melodie etwas übermittelt. Denn Musik ist eine Sprache die keinen bekannten wissenschaftlichen Regeln folgt aber doch in sich ihre eigenen Regeln und ihre Ordnung hat. Musik hat ihre eigene Sprache, die weder als richtig noch falsch beurteilt werden kann, und mit der Emotionen ausgedrückt werden. Sei es eine moll-lastige Symphonie um Trauer zu repräsentieren beziehungsweise bei dem/r Hörer/in zu erzeugen oder ein fröhliches Lied, das Leute dazu anregt Freude zu empfinden und sogar zum Tanzen bewegen kann. Die Musik, in ihrer unendlichen Vielfältigkeit, hat unzählige Wirkungsbereiche und erfüllt für den einzelnen Menschen und auch für die Menschheit als Gesellschaft viele „Aufgaben.“ Wir befinden uns in einer sehr schnelllebigen Zeit, die von fortschrittlichen Wissenschaften und Technologien 8 geprägt wird, wofür großartigen Wissenschaftlern und Forschern auch Anerkennung zu zollen ist. Dies bringt den Menschen oft dazu Inne zu halten und für sich selbst kurzzeitig aus diesem Globalisierungsprozess auszusteigen, um sich eine Erholungsphase zu gönnen oder sich neu zu orientieren. Eine Möglichkeit zur Entspannung bietet die Musik, mit herrlichen Klängen und wunderschönen Kompositionen kann ein schön gespieltes Stück, zum Beispiel in einem Konzert, eine Wohltat für Körper und Geist sein. Allerdings ist das nur einer der vielen Wirkungsbereiche der Musik, in einem der folgenden Kapitel werden diese Bereiche genau aufgelistet. Diese Macht, welche die Musik auf die Menschen ausüben kann, ist kein neuzeitliches Phänomen, denn sie besaß diese schon immer. Bei den Urvölkern und Hochkulturen wurde Musik bei diversen Riten verwendet um Götter anzubeten oder wurde auch von Schamanen genutzt um Heilkräfte zu aktivieren und um die Urahnen anzurufen. Der Musik wurde immer eine Art Magie zugeschrieben und indirekt ist das auch noch heute so, obwohl wir nun in einer aufgeklärten Zeit leben und die Musik sich natürlich über die Jahre verändert und vervielfältigt hat, so verbirgt sich dennoch etwas latent Magisches in ihr, auch wenn es oft nur in der Vorstellung der Hörer/innen geweckt werden kann, ist sie ein Phänomen. Unabhängig von diesem Zauber der Musik, zeigt sie natürlich auch ganz andere Seiten auf. Somit beschränkte sich früher das Musizieren nicht nur auf Riten und Feste, sondern es entwickelte sich auch eine Musikgeschichte mit diversen Instrumenten. Es gibt sogenannte „böse“ Instrumente, wie zum Beispiel die Orgel. Hierbei handelt es sich ebenso um Diskrepanzen mit der Kirche und so kam es 1527 zur Verbrennung sämtlicher Orgeln, die als Teufelsinstrument dargestellt wurden, wodurch später auch die negativ behafteten Figuren entstanden, wie das Phantom der Oper oder der Zusammenhang von Vampiren mit Orgeln. Eine faszinierende Zwiespältigkeit bringt die Musik zu Tage, einerseits ist die Orgel ein Instrument, das in fast allen Kirchen zu finden ist, andererseits wird sie dem Teufel zugeschrieben, was in Kapitel 8 „Die Sprache der Musik“ genauer analysiert wird. Wie soll man die Musik verstehen oder zumindest einordnen? Das ist natürlich nicht so einfach möglich. Dies ist wohl einer der vielen Beweise dafür, dass die Musik frei von jeder Wertigkeit existiert und es neben wahr und falsch auch nicht wirklich möglich ist, sie als gut oder böse zu bewerten. Natürlich gilt das nur objektiv gesehen, denn subjektiv kann man sehr wohl sein Urteil über bestimmte Musikstücke bilden und dies auch kundtun. Doch geht man nur in einem Gedankenexperiment davon aus, dass man Musik objektiv bewerten kann, so ist auch eine negative Potentialität der Musik, dass sie oft als Instrument für Manipulation verwendet wird. Einerseits ist es klar, dass Musik entspannend wirken kann, wenn man gerne Ruhe haben möchte, doch Musik wirkt auch beruhigend und entspannend, wenn man das nicht zwingend möchte und eigentlich auch nicht aktiv zuhört, denn Musik wirkt gleichermaßen ganz unbewusst. Beim Einkaufen zum Beispiel, ist diese Art der indirekten Beeinflussung keinem Supermarktbesitzer fremd, da beim Kunden durch die 9 entspannende Hintergrundmusik ein Wohlgefühl aufkommen kann und er dadurch vielleicht gewillt ist länger zu bleiben, um noch mehr einzukaufen. Genauso läuft es natürlich in der Werbung ab, denn kaum ein Produkt wird im Fernsehen ohne Hintergrundmusik beworben. Sogenannte Werbejingles, die wegen ihrer eingängigen Melodie als ein ewiger Ohrwurm in Erinnerung bleiben und irgendwann meistens zum Kauf des beworbenen Produktes führen oder zumindest dazu, dass man dieses Produkt einfach nicht vergisst und mit dem dazu erklingenden Lied assoziiert, wenn es gespielt wird. Es scheint als wäre hier ein richtiger Plan dahinter, sozusagen ein rationales Konstrukt, das im Hintergrund die Fäden zieht um Menschen emotional zu beeinflussen. Diese Potentiale der Musik sind nichts Neues, sie wurden bereits seit Jahren von Psychologen, Musikwissenschaftlern, Philosophen und auch anderen Forschern analysiert und darüber wurden unzählige Statistiken veröffentlicht. Doch spannend sind die Wirkungsbereiche der Musik, die tiefer in die Psyche gehen und natürlich auch die Rationalität betreffen. Eines der folgenden Kapitel bearbeitet die Fragen wie Musik auf das Gehirn wirkt und ob sie sogar schlau machen kann. Trotz unzähliger Studien, die dies bejahen und zu beweisen versuchen, gibt es andererseits wieder Studien die genau dieses bezweifeln, weil bis heute noch nicht genau herausgefunden wurde, warum und welche Musik konkret die Intelligenz steigern soll. Der Mensch ist einerseits ein rationales Wesen. Vor allem wurde die Rationalität beim Menschen durch den besseren Wissenszugang über die Zeit hin gesteigert, das bedeutet, dass der Mensch sich vom übertriebenen Glauben, im Sinne von Aberglauben, wegbewegte und den Zugang zu fundiertem Wissen, durch den Fortschritt der Wissenschaft, erlangte. Doch andererseits ist auch die Emotionalität ein wichtiger Teil des Menschen und er möchte die Dinge fühlen und erleben. Um den Zusammenhang zwischen Rationalität und Musik begreiflicher zu machen ist eine gute Beschreibung, dass die Rationalität in der Musik emotionalisiert wird. Denn diese Art von Rationalität, wie sie in der Musik erlebt werden kann, ist kaum anders besser zu beschreiben. Von vier Rationalitätstypen: klassische-, common sense-, evolutionäre- Rationalität und bounded rationality ist letztere die modernste Variante und lässt sich wahrscheinlich auch am ehesten als in der Musik vorkommend bezeichnen und wird somit in der folgenden Arbeit schwerpunktmäßig analysiert. Doch um bounded rationality und Emotionalität in den musikalischen Kontexten aufzuzeigen, ist es vorteilhaft von vorne zu beginnen und diese beiden Begriffe im ersten Kapitel zu charakterisieren und zu erklären, allen voran die klassische Rationalität und René Descartes als Grundinformation und Einführung.

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2.0 Rationalität

2.1 Klassische Rationalität

René Descartes gehörte zu den klassischen Rationalisten, die davon ausgingen, dass sicheres Wissen, soweit dies in unserer Welt überhaupt irrtumsfrei möglich ist, ausschließlich aus der logisch– rationalen Deduktion gewonnen werden kann. Eine seiner berühmtesten und bekanntesten Erkenntnisse war wohl: „cogito ergo sum “, ein Satz, der auch von Nicht - Philosophen sofort als eine Art „Akzidenz“ bei Descartes angehaftet erkannt wird und eine Weisheit, die die Philosophie in jeglicher Hinsicht prägte beziehungsweise bis heute prägt.

„Indem wir so Alles nur irgend Zweifelhafte zurückweisen und für falsch gelten lassen, können wir leicht annehmen, dass es keinen Gott, keinen Himmel, keinen Körper giebt; dass wir selbst weder Hände noch Füsse, überhaupt keinen Körper haben; aber wir können nicht annehmen, dass wir, die wir solches denken, nichts sind; denn es ist ein Widerspruch, dass das, was denkt, in dem Zeitpunkt, wo es denkt, nicht bestehe. Deshalb ist die Erkenntnis: „Ich denke also bin ich,“ von allen die erste und gewisseste, welche bei einem ordnungsmässigen Philosophiren hervortritt.“ (Kirchmann 1870: René Descartes´ philosophische Werke S. 5/6)

Indem, dass ich fähig bin zu denken, bin ich auch fähig zu zweifeln, nach Descartes, ist es somit sehr fraglich ob es überhaupt etwas gibt, das sicher ist oder ob ich, als „Zweifelträgerexistenz“ als einziges unbezweifelbar bin.

„…das Denken (=Bewusstsein) ist es; es allein kann von mir nicht abgetrennt werden; Ich bin, Ich existiere, das ist gewiß. Wie lange aber? Offenbar solange ich denke, denn es ist ja auch möglich, dass ich, wenn ich überhaupt nicht mehr denken würde, sogleich aufhörte zu sein. Ich lasse jetzt nichts gelten als was notwendig wahr ist; demnach bin ich genaugenommen lediglich ein denkendes Ding, d.h. Geist bzw. Seele bzw. Verstand bzw. Vernunft; lauter Bezeichnungen, deren Bedeutung mir früher unbekannt war. Ich bin nun ein wirkliches und wahrhaft seiendes Ding. Was denn für ein Ding? Ich sagte ja: ein denkendes.“ (Descartes 2010: Meditationen über die erste Philosophie S. 83)

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2.2 Wandel und Entwicklung der Rationalität

Die Rationalität machte im Laufe der Jahrzehnte eine große Entwicklung durch. Der Lauf der Zeit brachte in jeglicher Hinsicht einen enormen Wandel mit sich, der natürlich viel Fortschrittliches beinhaltet. Sei es in der Gesellschaft an sich, in der Politik, in der Wissenschaft oder auch im Bereich des Glaubens und der Kirche. Somit musste ein Umdenken stattfinden, damit uns die Rationalität in einem anderen Blickwinkel in Erscheinung tritt.

„Die achtziger Jahre und die unmittelbare Gegenwart sind dadurch gekennzeichnet, dass eine Reihe von Entwicklungen stattgefunden hat, die zur Herausbildung eines neuen Rationalitätsverständnisses führen, welches am Ausgang des 20. Jahrhunderts als „Rationalität mit Unsicherheit“ bezeichnet werden könnte.“ (Götschl 1992: Politik in Österreich. Die zweite Republik S. 651)

Es gibt zumindest vier große Rationalitätstypen, die folgendermaßen genannt werden: Die klassische Rationalität, „common sense“ Rationalität, evolutionäre Rationalität und bounded rationality. Welche möglichen Entwicklungen kennzeichnend für diesen kategorialen Wandel sind, werden folglich aufgelistet:

• Einsicht in den Tatbestand, dass zunehmende Komplexität und Dynamik der Gesellschaft mit den Kategorien des klassischen wissenschaftlich-rationalen Denkens nicht mehr verstanden bzw. auch nicht mehr bewältigt werden können. Denn die Sozialstrukturen moderner Gesellschaften sind zunehmend von Technologie durchdrungen, und dies erzwingt die Entwicklung von „wissenschaftlich–technischer Rationalität“. Die technologische Dimension ergibt sowohl eine neue Qualität der Sicherheit wie auch eine Unsicherheit.

• Einsicht in den Tatbestand, dass zunehmende Komplexität und Dynamik der Gesellschaft zu einer prinzipiellen Begrenztheit ihrer Voraussagbarkeit führen. Dies zeigt uns die moderne Wissenschaft der komplexen und dynamischen Systeme. Die Gesellschaft „spürt“, bedingt durch die Diffusion von Wissen über Ereignismöglichkeiten auf verschiedenen und vernetzten Ebenen, dass das gesellschaftliche System nicht mehr voraussagbar ist, dass wir zunehmend über ein Wissen von Nicht –Wissen –Können verfügen. Dieses repräsentiert eine neue, höhere Form von Rationalität bzw. eine „Rationalität der Unsicherheit.“ […]

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• Einsicht in den Tatbestand der wissenschaftlich-technischen Transformation von Deformation der ökologischen Dimension. Dieses Faktum hat die klassische Rationalitätsform in die Ebene der „Rationalität mit Unsicherheit“ verlagert. Diese neue Rationalitätsform enthält auch die Zweifel an zwei bestens bekannten Imperativen, erstens, wonach die durch Wissenschaft und Technik überzeugten ökologischen Deformationen nur wieder durch Wissenschaft und Technik behoben bzw. gelöst werden können. Zweitens verstärken sich Zweifel an der These, wonach es quasi naturnotwendig eine Symbiose von Ökonomie und Ökologie geben müsse. […] (Götschl 1992: Politik in Österreich, die zweite Republik S. 651/652)

2.3 Bounded rationality

Der amerikanische Sozialwissenschaftler, Politikwissenschaftler und Ökonom Herbert A. Simon (1916-2001) führte diesen Begriff ein um aufzuzeigen, dass Entscheidungen nur begrenzt rational getroffen werden können, da eine vollkommene Rationalität die menschlichen Fähigkeiten überschreiten würde.

„The term was introduced about thirty years ago to focus attention upon the discrepancy between the perfect human rationality that is assumed in classical and neoclassical economic theory and the reality of human behaviour as it is observed in economic life. The point was not that people are consciously and deliberately irrational, although they sometimes are, but that neither their knowledge nor their powers of calculation allow them to achieve the high level of optimal adaptation of means to ends that is posited in economics. (Simon 1992: Economics, Bounded Rationality and the Cognitive Revolution S. 3)

Grundsätzliche wichtige Punkte bei der Rationalität sind Deutlichkeit und Begründbarkeit. Die Sätze müssen eine grammatikalische Richtigkeit aufweisen und logisch klar sein, darüber hinaus müssen sie mathematisch – logisch und empirisch begründbar sein. Hier werden folglich Beispiele angeführt, die zeigen, wie dasselbe Phänomen in Bezug auf die klassische Physik und die Quantenmechanik unterschiedlich beurteilt werden kann:

 Mit Hilfe von Erklärungen der Quantentheorie kann man theoretisch durch eine feste Wand gehen, obwohl unser logischer Verstand dem nicht beipflichten kann. Ein Beispiel dafür ist 13

der Tunneleffekt in der Physik. Beim Tunneleffekt geht es darum, dass ein atomares Teilchen eine Barriere auch dann überwinden kann, wenn seine Energie geringer als die Höhe der Barriere ist. Das wäre durch Erklärungen der klassischen Physik nicht möglich aber nach der Quantenmechanik schon. Mit Hilfe des Tunneleffekts wird unter anderem der Alpha-Zerfall von Atomkernen erklärt. Wenn man einen Kupferdraht durchschneidet und die Enden danach zusammenknotet, kann durch ihn Strom hindurchfließen obwohl die Drahtenden von einer dünnen, isolierenden Kupferoxidschicht bedeckt sind, so können die Elektronen diese dennoch aufgrund des Tunneleffekts durchgehen. (vgl.: Halliday, Resnik 1994: Physik 2, S.1526)

 Die Messung einer Tischlänge mit einem normalen Messstab führt zu einem anderen Ergebnis als die Messung mit einem quantenmechanischen Messgerät, da das zweite Messinstrument genauer ist.

 Die Ökonomie wird heute zunehmend mit bounded rationality betrachtet, als Beispiel ist die Spieltheorie zu nennen: Das Leben ist nur annähernd wie ein Schachspiel, es bekommt eine Eigendynamik und generiert Regeln die die Grenzen bezeichnen. (vgl. Götschl 2013: SE wissenschaftliche Rationalitätstypen)

In der klassischen Rationalität wird natürlich angenommen, dass alles rational begründbar ist, somit erhebt diese Art von Rationalität einen verborgenen Universalitätsanspruch, der für die Wissenschaft durchaus von Vorteil sein kann, zum Beispiel bei Statistiken oder Messungen, der aber dennoch nicht immer umsetzbar ist. Die bounded rationality hebt diesen Universalitätsanspruch auf, ist aber somit zumindest in der Beschreibung genauer. Nach Herbert A. Simon folgt bounded rationality induktiven Regeln:

„Contrary to the traditional concept of rationality, bounded rationality follows inductive rules and is restricted to specific domains. It has the advantage of including the innovative power of humans. This concept of bounded rationality opposes the received view that a computer can never be innovative. For Simon, the gaining of knowledge and the process of discovery are practical, inductive processes, and inductive processes can be innovative.”(Götschl 1995: (Introduction) Revolutionary changes in understanding man and society S.9/10)

Die bounded rationality ist eine neue Form der Rationalität die realistischer ist und gute theoretische

14 und empirische Begründungen anstrebt, die die Ungewissheit beim rationalen Denken nicht außer Acht lässt, denn nicht alles in der Physik oder Mathematik ist genau zu bestimmen oder statistisch zu evaluieren. Dazu gibt es ein interessantes Gedankenexperiment, welches im Seminar „wissenschaftliche Rationalitätstypen“ erwähnt wurde, um diese Form der Rationalität besser zu versinnbildlichen: Eine Kugel wird mit Hilfe eines genau eingestellten Gerätes auf die Spitze eines gleichschenkeligen Dreiecks gesetzt, die Seiten sind perfekt gleich, die Spitze ist ideal spitz, so dass die Kugel herunterfallen muss, auch die Umgebung ist jeweils auf beiden Seiten identisch, das heißt kein Windstoß oder keine Unregelmäßigkeiten sind in der Luft vorhanden. Die Frage ist nun: Auf welche Seite wird die Kugel fallen? Es ist nicht berechenbar wegen der Unschärferelation. Denn wäre das Dreieck so konzipiert, dass sich eine Seite mehr neigen würde, setzt selbstverständlich für die Kugel das Kausalprinzip ein, genauer gesagt, die Ursache, dass sich eine Seite mehr neigt, erzielt die Wirkung, dass die Kugel auf diese Seite hinunter rollt. Aber da dies bei unserem vorgestellten Dreieck nicht der Fall ist, ist die Seite eine Zufallswahl der Kugel, um es so auszudrücken. (vgl. Götschl 2013: SE wissenschaftliche Rationalitätstypen) Entgegen dem verborgenen Universalitätsanspruch der klassischen Rationalität, ist es auch in der Musik nicht möglich, diesen zu erheben, obwohl es natürlich einen Unterschied zwischen den verschiedenen Musikrichtungen gibt. Im Gegensatz zur klassischen Musik enthält die Jazzmusik zum Beispiel einen anderen Informationsgehalt und kann auch sehr viel Spielraum für Interpretationen lassen. In der Musik kann die Rationalität emotionalisiert werden, um den kognitiven Gehalt von Emotionalität leichter zu finden und umgekehrt. Gerade die Musik verbindet das Unverbundene und in ihr oder mit ihr, kann ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Emotionalität und Rationalität entstehen. Sie ist natürlich auch sowie die Menschheit dem Globalisierungsprozess unterworfen. (vgl.: Götschl 2004: Philosophie der Musik: Zur existentiellen und kulturellen Bedeutung der Musik (ein Essay) S.2/3) Musik ist, so betrachtet, ein Prozess der Kybernetik zweiter Ordnung und unterliegt einem ständigen Wandel. Es ist somit nicht möglich eine Musik mit wahr oder falsch zu beurteilen, da diese zu sehr mit der subjektiven Wahrnehmung gekoppelt und eine objektive Kalkulation nicht möglich ist. Denn zu sagen, Mozarts Musik ist wahr und eine moderne Jazzinterpretation ist falsch, ist ziemlich inhaltslos und als eine derartige Beurteilung auch nicht möglich. Rationalität und Emotionalität könnten also in der Musik ein dynamisches Gleichgewicht bilden, doch wie soll das möglich sein, wenn diese Begriffe so Unterschiedliches bezeichnen? Eine vollkommen richtige Antwort auf diese Frage zu finden ist unrealisierbar, da wie bereits erwähnt, die Musik werturteilsfrei und ein subjektives Erlebnis ist. Dennoch besteht die Möglichkeit sich diesem „Gleichgewichts- Dilemma“ anzunähern, indem man keine artifizielle Grenze zwischen 15

Emotionalität und Rationalität zieht, sondern vielleicht sogar eine gewisse Unschärfe einfließen lässt.

2.4 Kurt Gödels Begriff der Unschärfe

In Bezug auf die Unschärfe, mit der wir in der bounded rationality konfrontiert sind, ist Kurt Gödels Auffassung im Hinblick auf die Mathematik sehr interessant und legt an den Tag, dass durch die Ungenauigkeit Neues entstehen kann und neue Erkenntnisse aufkommen können. Er beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, wie man die Zahl drei ohne die mathematische Sprache und ohne das Wort „drei“ definieren kann. Mit der Zeit, beim Erklärungsversuch, kommt es zum Problem der Redundanz und die Beschreibung wird immer ungenauer. Aber genau diese Ungenauigkeit ist, laut Gödel, die Voraussetzung dafür, dass es Genauigkeit gibt. Die Konsequenz daraus ist, dass mit dieser „Gödelisierung“ aufgezeigt wird, dass auch Mathematik der speziellen Form klassischer Rationalität nicht immer entspricht.

„Gödel bewies, dass es in jeder mathematischen Theorie, die reichhaltig genug ist um das Zählen, Addieren und Multiplizieren zu erlauben, wahre Sätze gibt, die nicht bewiesen werden können – es sei denn, die Theorie enthält einen Widerspruch. Schlimmer noch: man könnte sicher sein, dass sie einen Widerspruch enthält, wenn es innerhalb der Theorie gelänge, ihre eigene Widerspruchsfreiheit zu beweisen.“ (Sigmund, Dawson, Mühlberger 2006: Kurt Gödel, Das S. 10/11)

Eine Form der Beweisbarkeit im Sinne klassischer Rationalität ist wegen des Prinzips der Unschärfe sehr begrenzt. Eine Frage ist auch, wo die Grenzen der klassischen Rationalität liegen und wie man diese aufzeigen kann. Wenn jemand zum Beispiel scheinbar spontan und affektiv entscheidet, ist es dennoch nicht ausgeschlossen, dass dahinter ein logisches Kalkül steckt. Die Beziehung zwischen Rationalität und Emotionalität hängt oft von vielen Bedingungen ab, wie zum Beispiel Informationen, die schon in uns gespeichert sind und woraus wir schöpfen, auch wenn eine Handlung vorerst emotional und spontan erscheint. Dennoch ist es uns nicht möglich durchgehend rationale Entscheidungen zu treffen. Die Darstellbarkeit der Wirklichkeit kann rational, nicht – rational oder irrational sein. Oft ist es auch schwierig etwas in ihrer wahren Gestalt zu erkennen, vor allem auch bei der Vorstellung eines Gegenstandes, wie dies Descartes mit einem Tausend-eck bildhaft erläutert.

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„Stelle ich mir z.B. ein Dreieck bildhaft vor, so sehe ich nicht nur ein, dass dies eine von drei Linien eingeschlossene Figur ist, vielmehr schaut zugleich auch mein geistiges Auge jene drei Linien an, als ständen sie vor mir, und dies nenne ich bildlich vorstellen. Will ich mir aber ein Tausendeck denken, so erkenne ich es als eine aus tausend Seiten gebildete Figur, wie ich das Dreieck als dreiseitige Figur erkenne; ich kann mir die tausend Seiten aber nicht auf die gleiche Weise bildhaft vorstellen oder als gegenwärtig anschauen. […] Die charakteristischen Unterschiede zwischen Tausendeck und anderen Vielecken vermag ich so nicht zu erkennen. “ (Descartes 2010: Meditationen über die erste Philosophie S. 177/179)

Folgende Hypothese wird nahe gelegt: Der Versuch dieser Vorstellung übersteigt unsere Vorstellungskapazität und darum werden wir, sozusagen, in die Irre geführt, da es dem Menschen nicht mehr möglich ist, zwischen einem Tausendeck und einem x-beliebigen Vieleck zu differenzieren, während dies vergleichsweise zwischen einem Dreieck und einem Viereck natürlich noch kein Problem darstellt. Diese Art von Täuschungen findet der Mensch oft sogar in der Natur, darum werden folglich auch der Irrtum und das unvollständige Wissen in einem Exkurs kurz in Augenschein genommen, letzteres mit zwei Gedankenexperimenten.

2.4.1 Der Irrtum

Auch bei unseren natürlichen Handlungen ist die Rationalität interessant, vor allem wenn man einem Fehlurteil unterlegen ist oder es schwer fällt bestimmte Dinge oder Vorkommnisse zu begründen. Die Natur des Menschen, wie auch die der Tiere, beruht häufig auf einem einfachen Kausalprinzip: Wenn A dann B (A  B) Zum Beispiel also: Wenn Durst  dann trinken. Das ist natürlich wichtig um unser Überleben zu sichern, denn wenn Gefahr drohen sollte, sagt uns unser Instinkt, dass wir weglaufen müssen. Der Mensch und auch die Tiere haben die Fähigkeit, sich der Umwelt zu adaptieren. Dennoch gibt es bezüglich der Natur Irreführungen, wie zum Beispiel, giftige Pilze, denn nur weil sie schön aussehen, müssen sie trotzdem nicht genießbar sein und können durch ihr Gift sogar tödlich sein. Da wir aber denkende Wesen sind, ist uns durch unsere Erfahrungen die Möglichkeit gegeben worden, das Gute vom Schlechten zu unterscheiden, auch wenn es nicht immer funktioniert, weil vielleicht das Schlechte unter einer trügerischen Hülle verborgen liegt.

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„Die Natur schien mich zu mancherlei zu bewegen, wovon die Vernunft mir abriet, und so glaubte ich den Lehren der Natur nicht viel Vertrauen schenken zu dürfen.“ (Descartes 2010: Meditationen über die erste Philosophie S. 187)

2.4.2 Das unvollständige Wissen nach Frank Jackson

Interessant im Zusammenhang mit unserer Irrtumsfähigkeit ist das Argument des unvollständigen Wissens von dem australischen Philosophen Frank Jackson, der zwei Beispiele nennt, die diese Unvollständigkeit aufzeigen sollen.

2.4.2.1 What it´s like to be Fred:

Das erste Gedankenexperiment heißt: „What its like to be Fred“ und handelt zusammengefasst von Folgendem: Angenommen, es gibt eine Person namens Fred, dessen Farbwahrnehmung besser ist, als die aller anderen Menschen. Für ihn gibt es nicht nur die Farbe Rot, sondern ganz klar die Farben Rot1 und Rot2, welche nicht bloß verschiedenartige Schattierungen sein sollen, sondern zwei voneinander unabhängige Farben, die so unterschiedlich sind, wie für andere Menschen Gelb und Blau. Die vergleichbare Situation wäre, wenn wir rot – grün – blind wären und Fred diese Farben sehen könnte. Selbst wenn wir nun alle physikalischen Eigenschaften und Informationen herausfinden würden, die es Fred ermöglichen eine zusätzliche Farbe zu sehen, würden wir dennoch nicht wissen, wie es ist Fred zu sein. (vgl.: Metzinger 2006: Grundkurs Philosophie des Geistes, Bd.1 Phänomenales Bewusstsein S. 84-86) Dieses Beispiel driftet natürlich sehr in die Widerlegung des Physikalismus ab, dennoch sind solche Gedankenexperimente sehr aufschlussreich und dem Körper – Geist – Problem von Descartes nicht ganz unähnlich. Descartes beschreibt die Verschiedenheit von Körper und Geist wie folgt:

„Denn einerseits habe ich doch eine klare und deutliche Vorstellung meiner Selbst, sofern ich lediglich denkendes, nicht ausgedehntes Ding bin; andererseits habe ich eine deutliche Vorstellung vom Körper, sofern er lediglich ausgedehntes, nicht denkendes Ding ist. Somit ist sicher, dass ich wirklich vom Körper verschieden bin und ohne ihn existieren kann.“ (Descartes 2010: Meditationen über die erste Philosophie S. 189)

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Sollte man dieses Zitat wörtlich auffassen, so könnte es doch eine schwierige Angelegenheit werden, ohne den Körper zu existieren, aber ungeachtet dessen, auf was Descartes prinzipiell hinaus will, nämlich die Verschiedenheit beider Komponenten aufzuzeigen, scheint er auf verständliche Weise verdeutlicht zu haben. Vor allem auch dahingehend, dass nicht nur eine Diskrepanz zwischen meinem Geist und meinem Körper herrscht, sondern auch zwischen mir und anderen Mitmenschen. Mit Diskrepanz soll hier die Unmöglichkeit meiner Person gemeint sein, das Fremdpsychische in einer derartigen Form erfassen zu können, dass ich weiß, wie es ist zum Beispiel Fred zu sein und es nicht nur mutmaße, indem ich von mir auf Fred schließe.

2.4.2.2 Mary´s Room

Das zweite Gedankenexperiment trägt den Namen „Mary´s Room“: Mary ist eine Neurowissenschaftlerin, die gezwungen ist ihr Leben in einem schwarz-weißen Raum zu verbringen aber alle auch nur erdenklichen physikalischen Informationen über die Farbwahrnehmung erlernt hat und weiß. Sie kennt jegliches noch so winzige Detail darüber wie die Farbe Blau des Himmels auf ihre Augen wirkt und auch den Namen der jeweiligen Farbe. Die große Frage die nun aufkommt, lautet wie folgt: Wenn Mary nun diesen Raum verlassen würde und in die wirkliche farbenfrohe Welt hinausginge, würde sie etwas lernen? (vgl.: Metzinger 2006:Grundkurs Philosophie des Geistes, Bd.1 Phänomenales Bewusstsein S. 87) Da dies ein Gedankenexperiment ist, gibt es hier keine richtige Antwort aber es kann angenommen werden, dass folgende zwei Begründungen am Häufigsten genannt werden könnten:

 Ja, natürlich lernt sie noch etwas dazu, denn es gibt mehr als die physikalischen Informationen, die sie erfahren kann.

 Nein, denn sie hat alles Wissen über Farben schon erworben und erlernt, sie ist diesbezüglich allwissend.

Man kann beispielsweise alles über ein Land lernen, die Infrastruktur, die Anzahl der dort lebenden Menschen, die Straßen, Wälder und Flüsse aber man wird nicht wissen wie es ist, dort zu sein, wenn man nicht dort ist. Weil man solche Eindrücke nicht erlernen kann sondern erleben darf. Und dies zeigt auf, um in verkürzter Form Aristoteles zu zitieren: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“

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2.5 Rationalität in der Musik

„Axiome bilden in der Mathematik eine Grundlage für alle rechnerischen Operationen. Dass es die Zahl als mathematische Wesenheit gibt, ist eine unabdingbare Voraussetzung für mathematisches Denken. Dabei ist noch gar nicht an konkrete Zahlen und Zahlenwerte gedacht, sondern nur an die abstrakte Möglichkeit von mathematischer Zahlhaftigkeit an sich. Auch in der Musik gibt es eine derartige Basisebene, die grundsätzliche Elemente festlegt. Dieser Bereich wirkt als eine Sphäre reiner Möglichkeit, in der die Bedingung für musikalische Wirklichkeit, nicht aber die Wirklichkeit selbst gegeben ist. Axiomatik schafft die notwendigen Bedingungen dafür, dass ein wie auch immer geartetes musikalisches Gebilde gedacht und /oder in klingende Erscheinung treten kann. In der Musik entspricht der mathematischen Zahlhaftigkeit die Klanghaftigkeit.“ (Höllwerth 2007: Musikalisches Gestalten S. 23)

In Bezug auf Musik und die Darstellung der Wirklichkeit, kann man sagen, dass Mozarts Arbeit keinesfalls irrational ist, denn diese Bezeichnung, zumindest psychopathologisch gesehen, muss rational sein und außerdem gibt es einen Unterschied zwischen „nicht – rational“ und „irrational“. Der Rationalitätsrahmen von Musik ist natürlich stark vom Individuum abhängig. Dadurch, dass musikalische Ereignisse individuell erlebt werden, weil es keine konsensuellen Richtwerte gibt, wie Musik beurteilt werden kann, liegt dieser Rahmen in einem Vernetzungsbereich von Kognition und Emotion. Wie es von Götschl 2013 in seinem Seminar „wissenschaftliche Rationalitätstypen“ so treffend formuliert wurde, ermöglicht die bounded rationality der Musik „unbegrenzte, empirisch - realisierbare Spielräume“, die man in vielerlei Hinsicht auch nützlich einsetzen kann, beispielsweise bei Musik und Lernprozessen: Es kann mit Hilfe von Musik besser gelernt oder die Konzentration durch bestimmte musikalische Begleitung erhöht oder verbessert werden. Eine hohe Rationalität weist eine Partitur eines Komponisten auf, da sie der musikalische Anfang eines Musikstückes ist und sich intentional an den möglichen Hörer richtet. Der Musikprozess ist ein Netzwerk zwischen Komponist/in, Interpret/in und Hörer/in. Von einem Stück sind mehrere und verschiedenartige Interpretationen möglich, da die individuelle Note des/r Interpreten/in selbstverständlich einfließt. Der Erkenntnisgehalt von Musik wird weitgehend von dem/r Hörer/in bestimmt, denn er/sie filtert die für ihn/sie wichtigen Passagen eines Stückes heraus und nimmt diese individuell wahr. Durch Interpretationen einer Symphonie wird sie durch die bounded rationality irgendwann zu einer anderen Symphonie, die weder falsch noch wahr ist. 20

2.6 Problem der Rationalisierung im Mittelalter in Bezug auf Musik

Sowie die Musik musste sich auch die Rationalität einem Wandel unterziehen und entwickelte sich weiter. Doch im Mittelalter war das Wissen natürlich ein anderes als wir es heute kennen. Da ein eingeschränkter Wissenszugang herrschte und der Bildungsgrad vor allem auch vom Lebensstandard abhängig war, war es nicht so einfach, bezüglich musikalischer Kompositionen und ihrer Niederschriften, gewisse Regeln und Vorschriften zu beachten.

„Im 9. Jhdt, dem Zeitalter Karls des Großen, beginnt in Europa die Ära der schriftlichen Fixierung mehrstimmiger Musik. Mehrstimmige Praxis mag es schon vorher gegeben haben. Der historische Einsatz von Schriftlichkeit in der Karolingerära ist aber das eigentlich herausragende Datum. Zwar haben auch praktizierte Mehrstimmigkeit und musikalische Praxis überhaupt ihre Dispositive und Regulative. Wird Musik aufgeschrieben, kommen jedoch Regulative hinzu, die ihre Wurzeln im Medium Schrift selbst und in Anschauungsformen haben, die nicht unbedingt musikalische sind. Jene neue Dispositive und Regulative sind aus der Perspektive der Musik zunächst abstrakt. Sie sind es aber nicht nur aufgrund eines medientheoretischen Paradigmas, wonach jenes Aufschreibesystem Eigengesetzlichkeiten einbringt. Sie sind es, weil im lateinischen Mittelalter ein philosophisch und theologisch abgesicherter Wille zur Rationalisierung der Phänomene waltet, der das ordnende Denken, das Aufschreiben, auch das rechte Musizieren primär disponiert.“ (Bayreuther 2009: Untersuchungen zur Rationalität der Musik im Mittelalter und Früher Neuzeit S. 15)

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3.0 Emotionalität

„Emotionale Wirkungen zeigen sich auf verschiedenen Ebenen menschlichen Verhaltens und Erlebens. Auch wenn in der Psychologie, keine Einigkeit darüber erzielt wurde, wie eine Emotion genau zu definieren ist, so herrscht doch die Überzeugung vor, dass eine Emotion ein komplexes Interaktionsgefüge von subjektiven und objektiven Faktoren bildet, das vom neuronal/hormonalen System vermittelt wird, und das auf mehrere Prozesskomponenten einwirkt. Die unterschiedlichen Komponenten einer Emotion sind: a) affektive Erfahrungen wie Gefühle der Erregung oder Lust/Unlust, b) kognitive Prozesse wie Wahrnehmungseffekte, Bewertungen, Klassifikationsprozesse, c) ausgedehnte physiologische Anpassungserscheinungen an die erregungsauslösenden Bedingungen und Verhalten, das oft expressiv, zielgerichtet und adaptiv ist.“ (Hodapp 2003: Musik als Sprache der Gefühle: Zur Psychophysiologie musikalischer Gefühlswirkungen S. 214 (Dieses Zitat wird in mehreren Büchern angeführt und ist ursprünglich von Kleinginna und Kleinginna. In übersetzter Form ist es unter anderem auch in Otto/Euler/Mandel 2000: Begriffsbestimmungen. In: Otto/Euler/Mandel (Hg.), Emotionspsychologie. Ein Handbuch, Psychologie Verlags Union, Weinheim S. 11-18 zu finden))

Emotionen zu haben ist keinem Menschen fremd, denn dies zeichnet das Menschsein aus. Der Eine gilt als mehr emotional, der Andere weniger, aber die Fähigkeit Emotionen zu empfinden ist uns allen gegeben. Trotz dieses Wissens, dass dies ein Teil von uns ist, lässt sich die Emotionalität nicht so einfach charakterisieren. Eine Emotion ist allen voran etwas subjektiv Empfundenes und somit nichts, was man einem Anderen in irgendeiner Weise aufoktroyieren oder verbieten kann, denn nicht jeder empfindet in einer bestimmten Situation das Gleiche beziehungsweise äußert dies auf gleiche Weise. Natürlich hat ein Schauspieler die Gabe diversen Emotionen auf Kommando Ausdruck zu verleihen, dennoch stellt sich die Frage ob er wirklich so empfindet oder ob sein Körper in gewissen Situationen schon perfekt darauf konditioniert ist, diverse Reaktionen zu zeigen, wie zum Beispiel Weinen oder laut Lachen, ohne dass er diese Empfindungen wirklich voll und ganz in sich spürt. Aber in diesem Fall, ist die Ehrlichkeit der Empfindung nicht so wichtig, da es nur darauf ankommt, ob die gezeigten Emotionen von den Zuschauern/innen als wahrhaftig akzeptiert werden. In der Musik können Emotionen ganz verschieden ausgedrückt werden und auch unterschiedliche Reaktionen bei dem/r Hörer/in auslösen. Diese offensichtlichen Reaktionen sind meist Lachen, Weinen, Tanzen und bei einem Konzert das Applaudieren zum Schluss, wobei dies auch ein reiner Akt der Höflichkeit und des Respekts dem/r Musiker/in gegenüber sein kann und nicht zwingend einen Gefallen an der 22 gespielten Musik ausdrücken muss.

3.1 Der Emotionsbegriff

Die meisten Menschen wissen, worum es sich bei dem sogenannten „Emotionsbegriff“ handelt, dennoch kaum jemand kann diesen Begriff in eindeutigen und genauen Worten beschreiben, da die Emotion sehr viel beinhaltet und eine komplexe und weitreichende Bedeutung hat. Nicht einmal Psychologen oder Philosophen sind sich über die genaue und allgemeine Begriffsbeschreibung einig. Aber natürlich wird versucht die Emotion so gut wie möglich zu definieren. Eine der sehr treffenden Begriffsdefinitionen wird im Folgenden angeführt.

„Wir können festhalten, daß ein wesentliches Merkmal der früheren wie auch der heutigen Emotionspsychologie darin besteht, daß es keinen allgemein akzeptierten Emotionsbegriff gibt. Trotz der sehr unterschiedlichen Verwendung des Begriffs „Emotion" läßt sich eine Gemeinsamkeit erkennen: Emotionen gelten häufig als ein Zustand, der durch subjektives Erleben (Gefühlsempfindungen), Ausdrucksverhalten und körperliche Veränderungen charakterisiert ist. Anhand eines kleinen Beispiels soll verdeutlicht werden, was unter diesen drei Reaktionsweisen zu verstehen ist. Angenommen, jemand geht alleine im Wald spazieren. Plötzlich raschelt es im Gebüsch und eine maskierte, mit einem Messer bewaffnete Gestalt taucht auf. Der Spaziergänger empfindet in diesem Augenblick starke Angst und zeigt einen Gesichtsausdruck, der von dem Angreifer als Angst interpretiert wird. Gleichzeitig schlägt sein Herz rasend schnell. Der Angstzustand wäre in diesem Fall also durch das Empfinden von Angst, ein bestimmtes Ausdrucksverhalten und durch physiologische Erregungssymptome gekennzeichnet.“ (Schmidt Atzert Lothar 1982: Emotionspsychologie und Musik S. 27 Online: Arbeitskreis Musikpädagogische Forschung, Publikationen)

Es scheint als würde die Musik bereits Emotion in sich tragen und nicht nur auslösen. Der/die Musiker/in will mit seinem/ihrem Musikstück etwas erreichen und den/die Hörer/in in eine bestimmte Stimmung versetzen. Doch wie kann die Emotion einer Melodie innewohnen?

„Nevertheless, the skeptical may reply, the problem of how emotions can be possessed by music, as perceptual qualities, has hardly been solved by discovering 23

that objects other than music possess them. Indeed, it could be argued that the problem has actually been exacerbated. For now we have the problem not only for music, but for the other objects as well. If it is mysterious how music can possess emotive qualities, it is equally mysterious, for example, how colors can possess them.“ (Kivy 2002: introduction to a philosophy of music S. 33)

Dieses Phänomen gibt es nicht nur in der Musik sondern auch in der Malerei. Darum nennt man diese Bereiche auch Künste, welche Menschen meistens ausüben, die allgemein gerne als kreativ bezeichnet werden. Kreativ zu sein bedeutet kurz gesagt nichts anderes als seiner Phantasie, die gekoppelt ist an diverse Emotionen, in expressionistischer Form Ausdruck zu verleihen und sie anderen zu übermitteln oder einfach für sich selbst praktisch darzustellen. Um ein kreativer Mensch zu sein muss man nicht zwingend begabt oder talentiert sein, denn es gibt genug Menschen die ihrer kreativen Ader aus reiner Selbstverwirklichung zu Hause Ausdruck verleihen und nicht erwarten bei anderen Menschen damit positiven Anklang zu finden.

3.2 Emotionalität in der Musik

„Beim Hören von Musik entstehen Gefühle und Stimmungen, die durchaus mit körperlichen Reaktionen verbunden sein mögen. Wer hat nicht schon einmal erlebt, dass besonders bewegende Musik zu einem unauslöschlichen Eindruck führt und Musik zu Tränen rührt oder Musik Zuhörer erschauern lässt? Wir erleben Freude, Überraschung, Melancholie, Trauer oder Aggression, je nachdem um welche Musik es sich handelt und wie intensiv wir Musik miterleben.“ (Hodapp 2003: Musik als Sprache der Gefühle: Zur Psychophysiologie musikalischer Gefühlswirkungen S. 214)

Der Emotionsgehalt steht für den Menschen bei der Musik im Vordergrund. Denn, wenn man zum Beispiel jemanden fragt was er/sie mit Musik verbindet dann verbindet dieser Mensch Musik meistens mit Emotion. Musik kann als entspannend, mitreißend oder auch traurig empfunden werden beziehungsweise auch noch viele andere Emotionen hervorrufen. Es gibt allerdings einen Unterschied zwischen Gefühlsgehalt und Emotionsgehalt. Das Gefühl ist immer auf etwas gerichtet beispielsweise auf eine Person, das Wort Emotion hingegen bedeutet, dass wir erfasst sind. Man kann es auch wie folgt ausdrücken: Die Emotion ist eine psychische Zustandskonfiguration des Menschen und das 24

Gefühl ist ein gerichteter Emotionsgehalt. Die Musik kann auch sehr stark zur Persönlichkeitsbildung beitragen, vor allem im Kindesalter und in der Pubertät kann sie sehr prägend sein. Auch ein noch so unmusikalischer Mensch, unmusikalisch in der Form, dass er weder Singen, noch ein Instrument spielen kann, kann liebend gerne Musik hören, welche Art, ist natürlich jedem Menschen selbst überlassen und eine Geschmacksache, aber Musik kann Menschen in hohem Maße beeinflussen. Also Musik trägt dazu bei, den Individualisierungs- beziehungsweise Persönlichkeitsgehalt zu steigern. Je höher und vielfältiger die Musikkultur ist, umso deutlicher merken wir die Besonderheit, die in jedem von uns steckt, und gleichzeitig merken wir auch was an Gemeinsamkeiten da ist. (vgl.: Götschl 2008,VO Spezielle Wissenschaftstheorie: Zum Erkenntnis- und Humangehalt von Musik)

„Musik zu spielen, zu hören und durch Musik emotional berührt zu werden, sind grundlegende menschliche Fähigkeiten, die in einem langen evolutionären Prozess erworben wurden. Wir haben ausführlich dargelegt, dass Musik emotionale Botschaften übermitteln kann, wobei die bei Menschen ausgelösten Gefühle wohl nicht nur lediglich Prozesse des Erkennens emotionaler Inhalte darstellen, sondern es entstehen vermutlich genuine Emotionen, die mit körperlichen Reaktionen und spezifischen physiologischen Erregungsmustern verbunden sind, deren neuronale Grundlagen in der modernen Hirnforschung sichtbar werden.“ (Hodapp 2003: Musik als Sprache der Gefühle: Zur Psychophysiologie musikalischer Gefühlswirkungen S. 227)

3.3 Erlebnis Musik

„Der Mensch reagiert in körperlicher, seelischer und geistiger Hinsicht auf Musik. Die Physis wandelt die durch Luftdruckunterschiede erzeugten physikalischen Reize in Nervenimpulse um. Die Psyche arbeitet die Sinnesinformation in musikalische Empfindungen um. Das Bewusstsein ordnet und vergegenständlicht musikalische Empfindungen im geistigen Ohr. Das Erleben von Musik setzt voraus, dass der Mensch all diesen Reaktionen eine existentiale Bedeutung geben kann. Existentialer Bezug zwischen Mensch und Musik hebt die Polarität zwischen dem Ich und der Außenwelt auf.“ (Höllwerth 2007: Musikalisches Gestalten S. 35/36)

Musik zu erleben bedeutet somit immer, dass dies auf einer ganzheitlichen Ebene geschieht, zumindest wenn man die Musik aktiv erlebt. Bei einer passiv-musikalischen „Nebenbei- 25

Berieselung“ wie beim Einkaufen oder Auto fahren, kann es sein, dass die Musik maximal unbewusst wahrgenommen wird, aber der Mensch kaum in anderer Hinsicht auf diese Hintergrundmusik reagiert. Darum ist es natürlich von Vorteil, wenn man bestimmte Reaktionen oder Beeinflussungen der Musik auf den Menschen herausfinden möchte, dass sich der Mensch auf die gespielte Musik fokussiert. Denn somit kann die Musik so einiges, wie hier zusammenfassend aufgelistet wird, hervorrufen:

• „Emotionale Musik stimuliert das limbische System. Angenehme Musik kann ein „Gänsehautgefühl“ hervorrufen, dem ein Aktivierungsmuster des Gehirns zu Grunde liegt, das auch bei Verstärkungen, bei der Befriedigung von Süchten und beim Lernen zu messen ist. Angenehme und unangenehme Musik sind mit typischen Hirnaktivierungen assoziiert. • Die starke Ansprechbarkeit des Belohnungssystems durch Musik kann verschiedene Lernprozesse fördern. Insbesondere die Entwicklung von musikalischen Vorlieben wird wahrscheinlich über das Belohnungssystem vermittelt. • Musik kann den Hörenden in verschiedene Stimmungen versetzen. Je nach Ausgangslage, aktueller Stimmung und psychischer Belastung kann ein bestimmtes Musikstück fördernde oder hemmende Einflüsse auf die gerade ablaufende psychische Funktionen haben. • Emotionen haben einen erheblichen Einfluss auf kognitive Leistungen. Insofern sind Leistungsunterschiede in Lern- und Gedächtnisaufgaben auch durch Emotionen erklärbar.“ (Jäncke 2008: Macht Musik schlau? S. 275)

Das Musikerlebnis ist also ein Zusammenspiel zwischen Kognition und Emotion. Die Rationalität kann Emotionen hervorrufen und umgekehrt kann auch die Emotion Rationalität hervorrufen. Zum Beispiel ist der Bau neuer Instrumente ein eher rationaler Akt. Man muss kein Musikliebhaber sein oder eine extreme musikalische Begabung besitzen um ein Instrument bauen zu können. Natürlich sollte man das Handwerk erlernen, um den Bau korrekt ausführen zu können, aber dies ist ein vorwiegend rationaler Akt. Umgekehrt ist es auch so, dass ein/e Musiker/in nicht zwingend ein Verständnis für den Instrumentenbau haben muss, um musizieren zu können. Allerdings ist das Musikerlebnis nicht immer dasselbe, obwohl die Musik an sich unabhängig von jeglicher musikalischen Vorkenntnis erlebt werden kann, so übt das Wissen über Musik dennoch einen Einfluss darauf aus, wie die Musik erlebt wird.

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„Ein anderer wichtiger Einflußfaktor auf das Erleben von Musik ist das, was wir über die Musik wissen, unsere Einstellung und Erwartungen gegenüber der Musik. Man kann sagen, wie wir Musik erleben, ist untrennbar mit dem verbunden, was wir über die Musik wissen.“ (Gembris 2002: Wirkung von Musik – Musikpsychologische Forschungsergebnisse S. 16)

Auch die Abneigung einer Musikrichtung oder eines Stückes ist ein Musikerlebnis mit einer bestimmten Emotion, wie zum Beispiel Hass oder innere Unruhe, was einige Kompositionen durchaus auslösen können. Nicht jedes Musikerlebnis muss als schön oder interessant beurteilt werden, da nicht jeder Mensch gleich auf die Musikrichtungen reagiert, so ist es natürlich auch möglich, dass allgemein als sehr populär geltende Kompositionen von vielen Menschen gar nicht gemocht werden. Offensichtlich müssen sie natürlich schon viele Zuhörer/innen begeistern, sonst würden sie nicht als populär beschrieben werden, aber das muss nicht heißen, dass diese Stücke jeder mag. Was so manche/n Musiker/in oft in eine Drucksituation hineinmanövriert, in der der Drang immer stärker wird Musik zu produzieren, die bei der Allgemeinheit positiven Anklang findet, um genug Anerkennung zu bekommen, was aber auch sehr viele Ängste auslöst. Vor allem die Angst davor, dem sich selbst gesetzten oder dem von anderen aufoktroyierten Ziel nicht gerecht zu werden, kurz gesagt, zu versagen.

3.4 Versagensängste bei Musikern/innen

„Leistungsdruck und Versagensängste können vor allem bei Profimusikern erhebliche körperliche und psychische Probleme auslösen. Die emotionalen Belastungen sind wahrscheinlich auch an der Entstehung der fokalen Dystonie und anderer Musikererkrankungen beteiligt.“ (Jäncke 2008: Macht Musik schlau? S. 275)

Wobei die Angst vorm Versagen, fachlich ausgedrückt die Atychiphobie, schon fast eine Volkskrankheit beziehungsweise eine Volksangst ist, und zwar nicht nur bei Musikern/innen sondern auch bei sehr vielen Menschen auf dieser Welt, die in den unterschiedlichsten Bereichen tätig sind. Denn dadurch, dass die Konsumgesellschaft, in der wir leben, immer mehr Leistungen verlangt und dieser Leistungsdruck bereits in jeglichem Abschnitt des Lebens zu einem omnipräsenten Selbstläufer geworden ist, der fast jeden Menschen befallen hat, wie ein Rache wütender Dämon, der eigentlich nur noch von einem Exorzisten ausgetrieben werden könnte, befindet sich der Mensch in einem 27 ständigen psychischen Stresszustand, der sich natürlich auch auf den Körper negativ auswirken kann. Hierbei ist allerdings nicht nur vom Druck beim Arbeitsplatz die Rede, denn Angst zu versagen kann auch bei Freizeitaktivitäten, Sport, in der Familie oder in Freundschaften vorkommen, zumal in der Gesellschaft oft bestimmte (um C.G. Jungs Ausdruck zu verwenden) „Archetypen“ angesiedelt sind, die dem individuellen Menschen aufzeigen sollen, wie er sich in einer Gesellschaft als vollwertiges, vorbildliches Mitglied, zu verhalten hat. Bei Musikern/innen vor allem bei Profi-Musikern/innen fließen diese verschiedenen Bereiche oftmals ineinander, da für sie Musik meist Hobby und Beruf gleichzeitig bedeutet und sie ein wichtiger wenn nicht sogar der wichtigste Teil ihres Lebens ist, wie man auch bei diversen Interviews mit 11 Musikern/innen (siehe Anhang) nachlesen kann.

„Aufführungsängste können nicht nur durch die Organisation des Kulturbetriebes oder durch familiäre Einflüsse bedingt sein. Oftmals haben Aufführungsängste ihre Entstehungswurzeln in der beruflichen Entwicklung. Brodsky (1994,1996) bringt die Aufführungsängste in Zusammenhang mit spezifischen beruflichen Belastungen. Die auslösenden Momente für eine solche Angstkarriere sieht er in dem generellen Stress bei Proben, Aufführungen, in dem sozialen Druck, der finanziellen Unsicherheit und nicht zuletzt in der Ausbildung zum Musiker.“ (Möller 2002: Lampenfieber und Aufführungsängste sind nicht dasselbe! S. 52)

Organisation und Regeln sind wichtig, sonst endet die Menschheit in einem totalen Chaos und eine vernünftige Gesellschaftsbildung hätte nie stattfinden können. Aber zu viele Zwänge und Vorschriften greifen oft zu sehr in die Persönlichkeit des einzelnen Menschen ein, was dem Individuum und, wie man so schön sagt, einer „sensiblen Künstlerseele“ oftmals nicht gut tut. Als eine Art Fluchtmöglichkeit bietet sich natürlich die Musik an. Eine Klangwelt in der man sich verlieren kann und der Phantasie freien Lauf lässt, weit weg von jeglichem sozialen Zwang und dem zermürbenden Konkurrenzdenken. Sie kann sogar eine heilende Wirkung haben.

„Musik kann Gehirnwellen beruhigen und verlangsamen. Es ist wohl wiederholt bewiesen worden: Gehirnwellen lassen sich sowohl durch Musik als auch durch die eigene Stimme modifizieren. Das normale Bewusstsein beruht auf Betawellen mit Schwingungen zwischen 14 und 20 Hertz. Betawellen treten bei normalen Routinearbeiten und starken negativen Gefühlen auf. Höheres Bewusstsein und ein entspannter Wachzustand sind durch Alphawellen charakterisiert, die zwischen 8 und 13

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Hertz liegen. Phasen höchster Kreativität, tiefes Nachdenken und Schlaf zeichnen sich durch Thetawellen von 4 bis 7 Hertz aus, und Tiefschlaf, tiefe Versenkung und das Unterbewusstsein erzeugen Deltawellen, die zwischen 3 und 5 Hertz liegen. Je langsamer die Gehirnwellen, desto entspannter, zufriedener und gelassener sind wir.“ (Campbell 1998: Die Heilkraft der Musik S. 86)

Die Frage, warum Menschen eigentlich musizieren, scheint auch nicht auf Anhieb einfach beantwortet zu sein und lässt sich wahrscheinlich nicht rein rational erklären. Zuviel beeinflussen Psyche und Körper um einfach sagen zu können diese und jene Dinge oder Begebenheiten sind der Grund dafür, warum ein Mensch musiziert. Somit ist der Grund allein, dass die Musik unsere Emotionalität in einem sehr hohen Maße anregt, zwar richtig, aber keine genügende Antwort um ein Erlebnis musikalischer Art in gebührender und exakter Weise zu erklären.

„So gesehen ist auch musikalisches Handeln wie jede menschliche Aktivität ein Komplex aus bewussten und unbewussten Regungen, ein Kompromiss zwischen gegensätzlichen psychischen Strebungen und damit eine Möglichkeit, das psychische Gleichgewicht zu erhalten – der letzte Grund aller seelischen Aktivität. Dann aber ist „musikalischer Sinn“ oder „musikalisches Interesse“ keine besondere ideelle Eigenschaft ausgesuchter Persönlichkeiten, sondern „lediglich“ eine bestimmte Form seelischer Befriedigung, die Fertigkeiten voraussetzt, die grundsätzlich von allen Menschen erlernt werden können.“ (Figdor, Röbke 2008: das Musizieren und die Gefühle S. 57)

Die Ängste, die eine/n Musiker/in heimsuchen können, seien sie finanzieller Natur oder einfach durch den Druck bedingt, alles richtig spielen zu müssen, stellen meist ein Hindernis dafür dar, frei und kreativ zu musizieren, da zu viele andere Gedanken die Kreativität blockieren. Dadurch können diverse Angstgefühle aufkommen:

• „die Angst, Fehler zu machen; • die Angst vor Gedächtnislücken; • die Angst zu scheitern und • die Angst vor Ablehnung und Kritik Diese Ängste können kompensativ in übersteigerte Ansprüche an sich selbst und an das Musizieren umgemünzt werden: 29

• in den Anspruch, fehlerfrei zu spielen; • in übertriebenen Geltungsdrang; • in das Streben, das eigene Können demonstrativ unter Beweis zu stellen.“(Klöppel 1997 (1993): Die Kunst des Musizierens S. 129/130)

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4.0 Anthropologie der Musik

„Es ist immer wieder bemerkt worden, dass die Musik innerhalb der Künste eine Sonderstellung einnimmt: Mit Ausnahme Gehörloser gibt es kaum einen Menschen, der sich nicht von Klängen berühren lässt. Sogar Hörbehinderte nehmen manche Rhythmen und Schwingungen irgendwie körperlich wahr. Viele Menschen, die sich selbst für unmusikalisch halten, empfinden eine für sie unerklärliche Vorliebe für Musik. (Die Lösung des scheinbaren Rätsels besteht darin, dass es keine „unmusikalischen“ Menschen gibt. Es gibt nur Menschen mit unterschiedlich ausgeprägter Musikalität)“ (Kaspar 2008: Klangrede S. 14)

Der Mensch hat in seiner natürlichen Organisation Rhythmik und Musik in sich. Um Musik zu machen, benötigt der Mensch somit eigentlich nichts. Darum ist Musik auch in allen Gesellschaftsklassen möglich, denn man muss sich nicht zwingend teure Instrumente kaufen, man kann klatschen, singen und mit den Fingern schnippen, um Musik zu erzeugen.

4.1 Grundmusikalität

Ob der Mensch von Natur aus musikalisch ist oder nicht, ist sicher nicht so einfach zu beantworten, da man dies von zwei Seiten betrachten kann.

1. Der Mensch hat Rhythmik in sich, zum Beispiel seinen Herzschlag und er besitzt die Fähigkeit mit seinem eigenen Körper Musik zu machen, somit kann man von diesem Standpunkt aus sagen, dass die menschliche Physis dazu prädestiniert ist zu musizieren, wenn man davon ausgeht, dass dies schon ausreichend ist um einen Menschen als musikalisch zu bezeichnen.

2. Von seitens eines/er Musikers/in betrachtet allerdings, mag sein, dass so eine Art von natürlich gegebener Musikalität nicht ausreichend ist. Denn wenn der Maßstab für das Musikalisch sein nur etwas höher gesetzt wird, im Sinne von richtigem Intonieren beim Singen oder beim Spielen eines korrekten Riffs auf der Gitarre, dann wird das nicht jeder Mensch schaffen und könnte somit als unmusikalisch bewertet werden.

Grundsätzlich kann man also sagen, dass jedem Menschen irgendeine Art von natürlicher 31

Grundmusikalität innewohnt, die aber nicht mit der eines/r Musikers/in zu vergleichen ist beziehungsweise nicht in gleichem Maße bewertet werden kann. Diese Grundmusikalität muss aber irgendwie vorhanden sein, denn sonst würde es nicht so viele Bereiche geben, in denen Musik für die Menschheit eine derartig große Rolle spielt.

4.2 Wirkungsbereiche der Musik

Es ist klar, dass Musik eine große Bandbreite abdeckt, wie und in welchen Bereichen sie den Mensch beeinflussen kann. Es scheint fast unmöglich mittlerweile ohne Musik zu leben, da der Wunsch des Menschen nach künstlerischer Freiheit und Sinngebung immer größer wird. Der Musik wird ein sogenannter „Humangehalt“ zu geschrieben, da sie praktisch in all unseren Lebensabschnitten vorhanden ist. Aber zusätzlich hat Musik auch noch viel mehr vollbracht, wenn man sie evolutionär betrachtet. Wie in der Vorlesung von Götschl 2008 „Spezielle Wissenschaftstheorie: zum Erkenntnis - und Humangehalt von Musik“ erwähnt wurde, gibt es sehr viele Funktionen in denen Musik eine große Rolle spielt und die überhaupt durch Musik derartig entstanden sind:

1. Erkenntnisgehalt: Die Musik ist im Laufe der letzten 10000 Jahren verstärkt kulturalisiert und zu einem Bestandteil von uns selbst geworden. 2. Sozialisationsgehalt: In einem Konzert, in der Kirche und auf Feiern wird Musik gespielt. Somit trägt sie zum Sozialisationsprozess bei. 3. Emotionsgehalt: Es gibt einen Unterschied zwischen Gefühls - und Emotionsgehalt. Das Gefühl ist immer auf etwas gerichtet und die Emotion ist eine psychische Zustandskonfiguration. 4. Wissenschaftsgehalt: Durch die Musik wird die neuronale Prozessdynamik aktiviert und man kann Schwingungen analysieren. 5. Technologiegehalt: Zum Beispiel die Herstellung von Instrumenten. 6. Politikgehalt: Wie sich die Menschen im Rechtssystem organisieren, hat auch mit Musik zu tun, denn die Musik wirkt freiheitsfördernd. Die Vielfalt in der Musik bewirkt eine Steigerung der evolutionären Vielfalt unserer Empfindung- und Emotionsexistenz und das führt zu einer größeren Freiheit der Menschen. 7. Demokratiegehalt: Durch die Musik werden die Menschen besinnlicher und Musik ist für die demokratische Entwicklung förderlich. (vgl.: Götschl 2008: VO Spezielle Wissenschaftstheorie: Zum Erkenntnis- und Humangehalt von Musik)

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Die Wirkungsbereiche können sich natürlich erweitern und vielleicht noch ändern, denn auch der Mensch ist einer ständigen Weiterentwicklung und Veränderung unterlegen, ebenso die Musik, sei es auf der rationalen oder emotionalen Ebene. Wenn wir Musik hören, muss sie nicht zwingend den emotionalen Gehalt übermitteln, von dem vielleicht allgemein und ursprünglich ausgegangen wird, denn viele Dinge können die Emotionalität in der Musik beeinflussen.

4.3 Einflüsse beim Musikhören

Nicht immer empfinden wir Musik gleich, denn in bestimmten Situationen kann dieselbe Musik oft einen anderen Einfluss auf uns haben oder, beziehungsweise überhaupt, mehr oder weniger Einfluss haben. Einige Aspekte sind folglich aufgelistet:

 „Aktivitäten beim Musikhören  aktuelle Stimmungslage des Hörenden  Persönlichkeitsmerkmale des Hörenden  vorübergehende Schwankungen der Anforderungen an die Musik  lebenszeitliche Schwankungen  historisch – kulturelle Schwankungen.“ (Jäncke 2008: Macht Musik schlau? S. 249)

Der Mensch ist immer verschiedenen Reizen und Schwankungen ausgesetzt, weil er zwar ein denkendes aber auch ein emotionales Wesen ist und da gerade in der Musik oder Kunst diese Aspekte so individuell vereint sind, kann alles Mögliche ausgelöst werden. Es gibt verschiedene Ebenen auf die das Musikhören einwirkt:

„In der Medienpsychologie werden die unterschiedlichen Motive des Musikhörens schon seit längerem thematisiert. Hierbei wird das Erleben und Wahrnehmen von Musik als das Zusammenwirken von drei Ebenen aufgefasst, die auch Grundlage für die Motivation, Musik zu hören, bilden: geistig – intellektuelle Ebene seelisch – gefühlshafte Ebene körperliche Ebene.“ (Jäncke 2008: Macht Musik schlau? S. 251)

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Zusammengefasst kann man sagen, dass Musik in jeglicher Form auf uns einwirkt, sie bestimmt in erheblichem Maße die Bedeutung unserer Rationalität beziehungsweise unseres Intellekts auf der geistig – intellektuellen Ebene, sie berührt uns emotional auf der seelisch-gefühlshaften Ebene und hat Einfluss auf unsere physische Befindlichkeit, in Bezug auf Herzfrequenz, Pulsschlag und Gehirnaktivität auf der körperlichen Ebene. Die Menschen versuchen herauszufinden, ob die Musik etwas zur Humanisierung des Menschen beiträgt. Ist es überhaupt möglich dies herauszufinden? Gehört das Musikerlebnis den Menschen nur alleine, wenn es doch einige Studien gibt die aufzeigen, dass Tiere und sogar Pflanzen auf Musik reagieren oder besteht der einzige Unterschied einfach nur darin, dass der Mensch darüber reflektieren kann und das Tier nicht, zumindest nicht so wie der Mensch.

„Abgesehen von Problemen der Wirkung von Musik, werfen solche Untersuchungen auch ganz allgemeine und grundlegende anthropologische Fragen auf. So zum Beispiel die Frage, ob die Fähigkeit, Musik zu erleben, etwas spezifisch Menschliches ist, wodurch sich der Mensch vom Tier unterscheidet. Oder können Tiere oder Pflanzen ebenso wie der Mensch Musik erleben, kann Musik auf sie wirken? Man hört immer wieder von Untersuchungen, nach denen Pflanzen besser gedeihen und Kühe mehr Milch geben sollen, wenn sie mit der richtigen Musik beschallt werden.“ (Gembris 2002: Wirkung von Musik – Musikpsychologische Forschungsergebnisse S. 23)

Auch diese Untersuchungen ernten oft Kritik, da sie nicht immer wissenschaftlicher Natur sind und somit solche Studien oftmals bei Wiederholungen nicht dieselben Ergebnisse aufweisen können. Aber die bereits vorliegenden Untersuchungen sind durchaus sehr interessant. Wie folgende:

„Dennoch gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass unterschiedliche Musik von Tieren durchaus wahrgenommen und erkannt werden kann und dass Musik tatsächlich bestimmte Wirkungen auf Tiere ausüben kann. Durch ausgeklügelte Experimente mit Staren konnte man nachweisen, dass diese Tiere in der Lage sind, einfache Tonkonturen und Tonhöhenrelationen wahrzunehmen und zu unterscheiden (Hulse & Page 1988). In einem anderen Experiment (Porter & Neuringer 1984) konnte sogar gezeigt werden, dass Tauben in der Lage sind, verschiedene Musikstiele (Bach - Strawinsky) zu unterscheiden. Fast schon kurios muten Ergebnisse einer Studie an, nach denen Musik das Sozialverhalten von Mäusen beeinflussen kann. Klassische Musik übte im Vergleich zu vier anderen Musikarten (Country, Jazz/Blues, Easy Listening, Rock ´n´Roll) den größten 34

Einfluss aus, indem die Mäuse z.b. mehr soziale Verhaltensweisen zeigten und eine gesteigerte sexuelle Aktivität an den Tag legten.“ (Gembris 2002: Wirkung von Musik – Musikpsychologische Forschungsergebnisse S. 23/24)

4.4 Die Wahrnehmung des Selbst und der Außenwelt

Der Mensch unterscheidet zwischen der Außenwelt und seinem Innenleben. Er kann trennen zwischen „Ich“ und dem „Anderen“.

„Seitdem die Musik Gegenstand der Reflexion geworden war, war auch die Unterscheidung eines Inneren von einem Äußeren implizit mit vereint. Im Übergangsfeld vom Vormusikalischen zum Musikalischen ist keine explizite Grenzziehung gefordert, wie vergleichsweise ein der Forschung dunkler, aber nach der Erlebnisbewusstheit erhellender Moment den Beginn sprachlichen Selbstbewusstsein bedeutet haben könnte. Dennoch muss gleichfalls von einer grundlegenden Differenzierung ausgegangen werden, mit der das bloß Umweltlich-Akustische oder die stimmliche Klangproduktion als zur gestalterischen Tätigkeit verwendbares „Material“ angeschaut werden konnte. Die Zusprechung eines Mittelstatus, vielleicht eines ästhetischen Mehrwertes resultiert aus der ersten Wahrnehmung einer Verschiedenheit. Inauguriert ist ein Inneres, dem forthin Äußeres gegenübersteht. Mit der Trennungslinie ergibt sich eine Beschränkung. Eine Nicht–Identität ist eingerichtet, die zugleich einen neuen geistsinnlichen Horizont eröffnet. Die Existenz einer künstlerischen Sphäre im Kosmos der Klänge legt die Umwelt nicht nahe; der Mensch musste sie erschaffen.“ (Dobberstein 2000: Musik und Mensch Grundlegung einer Anthropologie der Musik S. 12)

Die Musik wirkt sowohl auf das Innenleben als auch auf die Außenwelt. Der Mensch kann Musik passiv und aktiv erleben. Wenn man Musik hört, dringt die Melodie von außen nach innen und kann somit das Individuum berühren und diverse Emotionen auslösen. Umgekehrt, kann der Mensch auch seiner Emotion in musikalischer Form Ausdruck verleihen und die Klänge von innen nach außen fließen lassen, indem er aktiv musiziert.

„Musik wird wahrgenommen. Im Wahrnehmen entsteht eine Beziehung zwischen dem Objekt der klingenden Erscheinung und dem wahrnehmenden Subjekt des Hörers. 35

Äußere und innere Welt kommen in Verbindung. Die Sinneswahrnehmung nimmt jenen Ausschnitt der gesamten äußeren Wirklichkeit wahr, der durch die Reize auf das entsprechende Sinnesorgan wirkt. Im Fall der Musik korrespondiert das Hören mit der Klangwelt. Das Hören selbst ist begrenzt. Das Subjekt erfährt nie die hörbare Wirklichkeit gleichzeitig in ihrer Gänze, sondern nur jenen Teil daraus, den es im tatsächlichen Wahrnehmungsakt erfassen kann. Etwas, das nicht gehört wird – weil es zum Beispiel überhört wird oder vom menschlichen Gehör nicht gehört werden kann -, ist für das Subjekt wahrnehmungsmäßig nicht existent.“ (Höllwerth 2007: Musikalisches Gestalten S. 28)

Natürlich nur wenn man hier von der reinen und realen Wahrnehmung ausgeht und nicht etwa von erinnerten oder vorgestellten Sinneseindrücken. In der realen Wahrnehmung, was die Musik betrifft, wird natürlich auch nicht jedes Musikstück auf die gleiche Weise wahrgenommen oder wirkt auf derselben Ebene berührend. Es gibt Melodien die weniger berührend sind als andere beziehungsweise so empfunden werden, aber bei einem Musikstück ist nicht nur die Melodie wichtig sondern es spielen hier mehrere Komponenten zusammen.

„Die musikalischen Parameter Lautstärke und Tempo sind wahrscheinlich von allen anderen musikalischen Merkmalen die einzigen, die eine unmittelbare physiologische Wirkung auf den Hörer ausüben können. Diese unmittelbare Wirkung hängt mit den neurophysiologischen Verschaltungen von Hörbahn, Formatio Reticularis und motorischen Nerven zusammen. Beispielsweise haben Schallreize ab einer Lautstärke von etwa 65 Phon und höher eine unmittelbare physiologisch aktivierende Wirkung, die sich in Steigerungen der Herzfrequenz, Atmung oder Muskelanspannung äußern kann. Dieses Phänomen ist allerdings nicht musikspezifisch, sondern tritt allgemein bei Schallreizen oder Lärm größerer Lautstärke auf.“ (Gembris 2002: Wirkung von Musik – Musikpsychologische Forschungsergebnisse S. 11)

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5.0 Musik und Intelligenz

Die Frage, die unter anderem bei einigen Psychologen, Musikwissenschaftlern und diversen Forschern viel Diskussionsstoff liefert, ist: „ Macht Musikhören intelligenter?“ Viele Studien wurden über diese Theorie veröffentlicht und auch darüber, dass angenommen wird, dass Musiker/innen oft bessere Gehirnleistungen erbringen als Nicht-Musiker/innen.

5.1 Der Mozart – Effekt

Im folgenden Kapitel wird ein Phänomen erörtert, das sich der „Mozart-Effekt“ nennt und beschreibt wie die Gehirnleistung gesteigert werden kann. Allein die Tatsache, dass Musik in derartiger Form auf die Gehirnaktivität einwirken kann, ist eine bemerkenswerte Erkenntnis der Forschung. Dennoch werden viele Studien wieder revidiert, oft von den Forschern selbst, von anderen kritisiert oder als unvollständig abgetan. Wahrscheinlich müssten die Forschungsfragen noch spezifischer sein, wie zum Beispiel: „Welche Musikstücke genau von Mozart erzeugen welche Veränderungen, in welchem Teil des Gehirns von welchem Menschen (Mann, Frau, Kind)?“ Dennoch sind solche präzisen Forschungen oft nicht möglich oder würden über Jahre dauern, darum ist dieser Effekt auch sehr umstritten. Nichts desto trotz wurde von drei Forschern Folgendes herausgefunden: Die amerikanischen Forscher Rauscher, Shaw und Ky veröffentlichten eine Studie, die den „Mozart- Effekt“ beweisen soll, welcher besagt, dass sich durch Musik hören die räumliche Intelligenz verbessern kann und im Speziellen durch die Musik von Mozart.

„Aufgrund von neuropsychologischen Forschungen geht man heute allgemein davon aus, daß sowohl visuell-räumliches Denken als auch musikalische Fähigkeiten insbesondere in der rechten Gehirnhälfte beheimatet sind. Der Mozart-Effekt könnte nun so erklärt werden, daß das Hören der Musik eine Aktivierung bestimmter neuronaler Bahnen bewirkt, die sowohl für die geistige Verarbeitung von musikalischen Strukturen als auch für das Lösen von räumlichen Aufgaben wichtig sind. Durch das vorherige Hören der Mozart- Musik könnten diese neuronalen Bahnen aktiviert und für die folgenden Testaufgaben so vorbereitet worden sein, daß sie besser gelöst wurden.“ (Gembris 2002: Wirkung von Musik – Musikpsychologische Forschungsergebnisse S. 21)

Der Mozart – Effekt lässt natürlich viele Fragen offen, vor allem da die erste Studie keinen vollen 37

Aufschluss über die Bedingungen gab, wie Alter oder Geschlecht der College – Studenten, an denen dieses Experiment getestet wurde, dies wurde so begründet, dass in der Zeitschrift Nature nicht so viel Platz gewesen sei. (vgl.: Jäncke 2008: Macht Musik schlau? S. 28) Allerdings gibt es eine Erklärung, warum genau die Musik von Mozart für solche Experimente gewählt wurde, welche die Forscher Shaw und Rauscher zusammengefasst wie folgt beschrieben haben: Da Mozart bereits ab seinem vierten Lebensjahr komponiert habe, ohne an seinen Kompositionen eine Korrektur vornehmen zu müssen, wurde dies als Indiz dafür herangezogen, dass er eine außergewöhnliche Begabung hatte in Bezug auf die Visualisierung von Noten und die daraus hervorgegangene Lern- und Speicherfähigkeit. Somit war die Vermutung naheliegend, dass sich erstens diese hervorragenden visuellen Fähigkeiten auf seine Musik ausgewirkt hätten und zweitens, dass diese Musik auch bei anderen Menschen dieselben Hirnaktivitäten hervorrufen könne, welche Mozart beim Komponieren hatte. (vgl. Jäncke 2008: Macht Musik schlau? S. 27 zitiert nach: Shaw G. L. 2001: The Mozart Effect. (Letter to the editor). Epilepsy & Behaviour, 2(6): S. 611-613) Der Mozart - Effekt ist äußerst umstritten und mit Zweifel und Kritik konfrontiert, obwohl allgemein die Musik eine sehr hohe Beeinflussung auf den Menschen ausübt, so kann dennoch die Mozart- Effekt-These bezweifelt werden, aufgrund zu wenig fundierter Forschungsergebnisse und zusätzlich kann die Einschränkung auf die Musik von Mozart sicherlich auch ein wesentlicher Kritikpunkt sein. Was bedeuten würde, dass vielleicht Musikstücke anderer Komponisten/innen ebenfalls eine ähnliche bis gleiche Wirkung erzielen könnten. Dennoch werden durch diese Forschungen auch praktische Versuche unternommen um mit Musik Menschen zu therapieren. In der Musiktherapie werden immer wieder neue Untersuchungen vorgenommen, die bahnbrechende Ergebnisse erzielen und vielen Menschen eine wichtige Hilfestellung leisten, wie zum Beispiel die Orff Musiktherapie, die Kindern mit Behinderung oder Entwicklungsproblemen und auch älteren Menschen helfen soll ihre eigene Kreativität zu leben, die Gefühle mit Musik auszudrücken und versucht die Gruppendynamik, so wie auch die eigene Identitätsbildung, zu fördern. Orff Schulwerk beziehungsweise die Orff Musiktherapie hat natürlich noch sehr viel mehr mit dieser Therapieform erreicht und ist hier eines von vielen Beispielen bezüglich der Musiktherapie. In Kapitel 7 wird die Musiktherapie noch einmal kurz besprochen, doch da dieses Thema zwar sehr interessant aber auch zu umfangreich ist um es hier gebührend zu bearbeiten, möchte ich bereits in diesem Kapitel auf Folgendes hinweisen: „The Orff approach to special music education and music therapy : Practice, Theory and Research, special issue 5 (2) 2013 mit der Website: http://approaches.primarymusic.gr und des Weiteren auf den Weltkongress für Musiktherapie an der Donau Universität im Juli 2014.

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5.2 Mozart: Genie oder Erziehungssache

War Mozart ein so außergewöhnliches Genie oder wurde ihm diese Musikbegabung quasi anerzogen? Es ist kein Geheimnis, dass sein Vater Leopold zu seiner Zeit auch schon ein bemerkenswerter Musiker war und bereits Mozarts Schwester Nannerl zum Klavier spielen motivierte beziehungsweise drillte. Kinder sind unglaublich lernfähig und dadurch ist es natürlich auch möglich, dass der kleine Mozart, wenn er zugehört hat, einfach schon sehr früh, durch diese „passiven“ Musikerlebnisse ein außerordentliches musikalisches Talent entwickelt hat, vielleicht sogar bereits als Fötus im Mutterleib.

5.2.1 Musik als Ausdruck von Kreativität und Genialität

Schopenhauer hatte zum Thema Genie und auch zum Musikerlebnis sehr interessante Erkenntnisse, allen voran die Verknüpfung des Musikhörens mit der momentanen Freiheit vom Willen, wie es im darauffolgenden Zitat beschreiben wird:

„Schopenhauer war überzeugt, mit seinem philosophischen System das gesamte Spektrum menschlichen Lebens deuten zu können, also auch künstlerische und mystische Erfahrungen. In seinen musikästhetischen Deutungen verknüpfte Schopenhauer das Hören von Musik mit momentaner Freiheit vom Willen. Dabei betonte er das reine Subjekt des Erkennens auf Kosten der Leibempfindungen, obwohl das Individuum den Willen nur in den Leibempfindungen erlebt und sie daher auch der Ort sind, an dem Musik erhebend auf das Individuum wirkt.“ (Atzert 2011: Musik und Freiheit vom Willen? Zum reinen Subjekt des Erkennens und der Empfindung beim Musikhören S. 51)

Außer wenn man mit Musik zwangsbeglückt wird, sollte es immer eine freie Entscheidung des Willens sein ob und welche Musik man hören möchte. Wobei der Willen bei Schopenhauer mehr als eine Art grundloser Drang zu verstehen ist. Da auch zu folgendem Thema Schopenhauer eine These aufgestellt hat, ist es nötig, die folgende Frage aufzuwerfen: Sind Komponisten/innen beziehungsweise Künstler/innen Genies? Und auch wiederholt das Beispiel Mozart zu erwähnen, dem nachgesagt wird ein Genie gewesen zu sein, weil er schon so früh ein musikalisches Talent entwickelt hat, das viele Menschen ihr ganzes Leben nie entwickeln. Wieviel spielt hier die Rationalität eine Rolle beziehungsweise prinzipiell der Intellekt?

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„Der Intellekt ist nach Schopenhauer vorhanden, um den Menschen beim praktischen Lebensvollzug behilflich zu sein, zu planen, zu organisieren und Lebensziele zu erreichen (W II, Kap.31, 435). Die objektive Erkenntnis der Welt zu erlangen, sei somit nicht die primäre Aufgabe des Intellekts. Jedoch sei der Intellekt und im Speziellen seine Anschauungskraft dazu in der Lage, wenn er von einer abnormen Stärke ist und sich von seinem Ursprung, dem individuellen Willen, abkoppeln kann. Der Intellekt des Genies sei im Unterschied zu dem des Normalmenschen zu einer solchen Erkenntnis in der Lage, da das Genie zu 2/3 aus Intellekt und zu 1/3 aus Wille bestehe, wohingegen beim Normalmenschen 2/3 Wille und 1/3 Intellekt vorhanden sei (W II, Kap. 31, 429).“ (Sorgner 2011: Die besondere ethische Bedeutung von Musik in Schopenhauers Philosophie S.62 zitiert nach: Schopenhauer A. 1988: Die Welt als Wille und Vorstellung II. In: Sämtliche Werke. Hrsg. Von Arthur Hübscher, 7 Bde, Mannheim: F.A. Brockhaus (hier gekennzeichnet mit W II ))

Musik hat immer mit Kreativität zu tun, und den Akt des Musikkomponierens hauptsächlich dem Intellekt und ein bisschen dem Willen zu zuschreiben, wird vielleicht nicht ausreichend genug sein um zu erklären, wie ein Genie beziehungsweise ein genialer Kopf „zusammengesetzt“ ist. Vielleicht genügt das in anderen Bereichen aber in der Musik spielen für ein musikalisches Genie noch viel mehr Faktoren mit, zu denen natürlich zwar auch Intellekt und Wille gehören, aber nicht als alleinige allumfassende Erklärung. Folgende Faktoren können herangezogen werden:

• Der genetische Faktor: Grundtalent und angeborene Intelligenz. • Der soziale Faktor: Erziehung der Eltern und Lehrer. Beeinflussung durch Freunde oder Geschwister. • Der materielle Faktor: Geld für diverse Instrumente und Musikunterricht. • Der charakterliche Faktor: Ehrgeiz und Willenskraft. • Der Popularitätsfaktor/ Zeitfaktor: Wie gefällt das „geniale Ergebnis“ den Anderen und wie ist die Resonanz. Ist Zeit schon reif für ein bestimmtes Musikstück oder eine Musikrichtung? • Der körperliche Faktor: Ist das Gehör in einem guten Zustand? Oder für einen Klavierspieler ist wichtig ob die Hände wenig zittrig sind etc.

Ein Genie wird von Anderen als Solches bezeichnet, das heißt, es muss etwas Geniales fabrizieren, 40 das dann eben dazu führt, dass viele Menschen diese besagte Person, die vor ihrer Entdeckung vielleicht auch noch als ganz normaler, gewöhnlicher Mensch oder sogar als ein bisschen verrückt angesehen wurde, auf ein so hohes Podest heben. Vor allem in der Musik muss in diesem Fall das geschriebene und auf der Bühne aufgeführte Werk den Hörern/innen also dem Publikum gefallen. Natürlich wird eine wunderschöne Symphonie, mit eingängiger Melodie den/die Hörer/in faszinieren, aber es muss fast zu einer Massenfaszination kommen, damit der/die Künstler/in als weitgehend objektiv genial angesehen wird. Und das ist, angesichts der Individualität des einzelnen Menschen, keine leichte Aufgabe. Es muss also auch der Zeitpunkt für ein gewisses Musikstück oder eine Richtung passend sein um die Masse zu berühren, und die Möglichkeit gegeben sein, das Produkt der Öffentlichkeit zu präsentieren. Zu viele Künstler/innen mussten zuerst sterben bevor ihre Genialität erkannt wurde.

„Seitdem der kompositorische Prozeß einzig an der eigenen Gestalt eines jeden Werkes, nicht an stillschweigend akzeptierten, allgemeinen Forderungen sein Maß hat, lässt sich nicht mehr ein für allemal „lernen“, was gute oder schlechte Musik sei. Wer urteilen will, muss den unauswechselbaren Fragen und Antagonismen des individuellen Gebildes ins Auge sehen, über die keine generelle Musiktheorie, keine Musikgeschichte ihn unterrichtet. Kaum einer wäre dazu noch fähig als der avancierte Komponist, dem diskursive Besinnung meist widerstrebt.“ (Adorno 1949: Philosophie der neuen Musik S.4)

Im Gegensatz zu einer außergewöhnlichen Genialität, ist die Kreativität ein „normaler“ Teil des Menschseins, wie auch die Fähigkeit Emotionen zu empfinden. Im Kapitel „Der Emotionsbegriff“ wurde bereits erwähnt, dass ein kreativer Mensch nicht gleich talentiert oder extrem begabt sein muss, sondern, dass praktisch jeder Mensch kreativ sein kann und, dass Kreativität natürlich in vielen Bereichen beheimatet ist. Dennoch dürfte bei Mozart das Kreativitätspotenzial im musikalischen Rahmen außergewöhnlich hoch gewesen sein.

„Non-combinational creativity involves the exploration, and in the most interesting cases the transformation, of conceptual spaces in people´s minds. Conceptual spaces are styles of thought. They include ways of writing prose or poetry; genres of sculpture, painting, or music; theories in chemistry, biology, or mathematics; habits of couture; systems of choreography … in short, any reasonably disciplined way of thinking. […] Mozart´s 41

music abounds with examples of such ideas, musical gems that fully exploit the possibilities already inherent in a current musical genre. This sort of space - exploration thus includes many valued novelties we regard as creative.” (Boden 1995: Understanding Creativity S.76)

5.2.2 Die Emergenz

„Sie verweist auf die Tatsache, daß im Verlauf der Evolution neue Dinge und Ereignisse mit unerwarteten und tatsächlich unvorhersehbaren Eigenschaften auftreten; Dinge und Ereignisse, die in dem Sinne neu sind, in dem ein großes Kunstwerk als neu bezeichnet werden kann.“ (Popper, Eccles 1982: Das Ich und sein Gehirn S.44)

Die Möglichkeit besteht, dass in Bezug auf Wolfgang Amadeus Mozart ein emergentes Phänomen eine große Rolle spielt, was es natürlich unmöglich macht, bei ihm zu sagen, dass sein Talent genau diesen oder jenen Grund oder Ursprung hatte. Die Mischung aus allem, der richtige Zeitpunkt, Grundtalent, hinreichende Förderung, Strebsamkeit, vielleicht auch eine Brise Glück und vieles mehr könnten ihn zu diesem genialen Geist gemacht haben, der er ziemlich sicher war. Emergenz bedeutet kurz gesagt „mehr als die Summe ihrer Teile“ und im Seminar von Götschl 2014: „Konstruktivismus und Realismus in der Wissensgesellschaft“, wurde von ihm ein bekanntes treffendes physikochemisches Beispiel genannt, um dieses Phänomen zu veranschaulichen:

Abbildung 1: Chemische Zusammensetzung von Wasser

O1 und H2 sind beide Gase mit unterschiedlicher Matrix von Eigenschaften, aber wenn sie miteinander interagieren entsteht Wasser, welches Eigenschaften hat, die weder in O1 noch in H2 enthalten sind. Durch die Emergenz wird zumindest die Kausalität in Frage gestellt, weil es nun nicht mehr so einfach möglich ist zu sagen: wenn A dann B. Die Emergenz findet am Bifurkationspunkt statt, was jenen Punkt darstellt, der in einem nichtlinearen System unter Einfluss eines Parameters zu

42 einer qualitativen Zustandsveränderung führt, und somit werden mehrere Möglichkeiten generiert wohin sich das System entwickeln kann. Dieses Beispiel, das eigentlich aus der Physik kommt, dient als Hilfestellung dafür, eine strukturelle Ähnlichkeit auf zu zeigen, zur Emergenz bezüglich Mozart. Emergenz bedeutet einfach gesagt auch „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ oder mit dem vollen Zitat von Aristoteles ausgedrückt, das als theoretischer Vorläufer der Emergenz gilt:

„Dasjenige, was so zusammengesetzt ist, dass das Ganze eines ist, nicht wie ein Haufen, sondern wie die Silbe, ist nicht nur seine Elemente. Die Silbe nämlich ist nicht einerlei mit ihren Elementen (Buchstaben), das ba nicht einerlei mit b und a, ebensowenig Fleisch mit Feuer und Erde; denn nach der Auflösung ist das eine nicht mehr, z.B. das Fleisch und die Silbe, die Sprachelemente (Buchstaben) aber sind noch, und ebenso das Feuer und die Erde.“ (Aristoteles 1995: Metaphysik, Buch VII Kap. 17 S. 168)

Doch um die Emergenz genauer erfassen zu können, werden folglich einige wichtige Eigenschaften aufgelistet, die kennzeichnend für emergente Phänomene sind:

1. Emergenzen konstituieren (generieren) sich aus spezifisch interagierenden sozialen Systemen mit angebbaren Eigenschaften. 2. Emergenzen repräsentieren “spezifisch Neues“, was aber nicht deswegen “reduktionistisch“ oder “nicht rational“ erklärt werden müsste. 3. Um für Emergenzen wissenschaftlich-rationale Erklärungen zu finden, sind jeweilige Be- griffs-(Kontext) bzw. Theorienerweiterung erforderlich, wie dies z.B. gegenwärtig in Bezug auf die “Theorien des Mentalen“ einerseits und “Theorien des Neuronalen“ andererseits derzeit stattfindet. (Baumgartner, Götschl, 2010: (Kurz)bericht zur 3. Forschungswerkstatt "Emergenz in den Bildungswissenschaften" S.1-2)

Mit diesem Beispiel zu H2O und der Emergenz wird hier eine vorsichtige Analogisierung versucht bezüglich dem überragenden Talent Mozarts, was natürlich keinesfalls verallgemeinernd betrachtet werden sollte. Wie im Kapitel 5.1 „Der Mozart –Effekt“ bereits erwähnt wurde, nahmen die Forscher genau die Musik von Mozart als Forschungsobjekt, um eine visuell-räumliche Intelligenzsteigerung bei diversen Probanden/innen zu erreichen.

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5.3 Erhöhte Gedächtnisvorteile durch Musikerziehung

In Bezug auf Musik und Intelligenz wurden bahnbrechende Forschungen angestellt, mit erstaunlichen Ergebnissen, die aufzeigen, wie sehr die Grenzen der Rationalität und Emotionalität ineinander greifen und miteinander korrespondieren. Der Rationalitätsrahmen ist natürlich stark an das Individuum gebunden, dennoch kann an Hand solcher Forschungen gezeigt werden, welch starken Einfluss Musik in jeglicher Hinsicht auf den Menschen ausübt. Es ist natürlich besser hier von bounded rationality zu sprechen, weil gerade in der Musik meist eine Unschärferelation hinzukommt, die miteinzubeziehen ist. Auf jeden Fall, wurden an der Hong Kong University Studien gemacht, die von Ho, Cheung und Chan 2003 veröffentlicht wurden und zeigten, dass Kinder mit Musikerziehung eine höhere Gedächtnisleistung erbringen als die Kinder ohne jegliches Musiktraining, weiterführend wird hier eine Studie genauer beschreiben:

„Die verbalen und visuellen Gedächtnisleistungen wurden ähnlich wie in der Untersuchung mit den Erwachsenen mit der chinesischen Variante des California Verbal Learning Tests und dem Brief Visuospatial Memory Test (BMVT) gemessen. Der verbale Gedächtnistest umfasst 16 chinesische Wörter, die Wort für Wort vorgelesen wurden. Nach jedem Vorlesen waren die Versuchspersonen angewiesen, so viele Wörter wie sie erinnern konnten zu reproduzieren. Dieser Vorgang wurde dreimal wiederholt, so dass drei Kennwerte für die unmittelbaren Gedächtnisleistungen (engl. Immediate recall) vorlagen. [...] Der Vergleich der Gedächtnisleistungen zwischen den Kindern und Jugendlichen mit und ohne Musiktraining ergab das gleiche Resultat wie in der Untersuchung mit Erwachsenen. Die Kinder und Jugendlichen mit Musiktraining erzielten erheblich bessere verbale Gedächtnisleistungen als die Kinder ohne Musikunterricht. Die Berechnung eines gesamten Gedächtniskennwertes (über alle fünf Kennwerte) ergab, dass sich die Kinder und Jugendlichen mit Musiktraining durchschnittlich an 20 % mehr Wörter erinnerten als die Versuchspersonen ohne Musiktraining.“ (Jäncke 2008: Macht Musik schlau? S.100/101)

Viele Studien wurden gemacht und die Musiker/innen schnitten immer besser ab als die Nicht – Musiker/innen. Dafür kann man den Mozart-Effekt auch als eine Art Erklärung für dieses Phänomen gelten lassen oder die Gedächtnisvorteile der Musiker wie folgt erörtern:

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„Das bessere verbale Gedächtnis hängt wahrscheinlich mit den geschulten Hörleistungen der Musiker zusammen. Musiker lernen, mit Tönen, Tonfolgen, Rhythmen und Melodien umzugehen. Sie müssen sie im Gedächtnis behalten und lernen, sie auch anderen Symbolen zuzuordnen. Typische Symbole sind Noten oder Handzeichen von Dirigenten. Des Weiteren müssen Töne auch in motorische Programme umgesetzt werden. Der Umgang mit den auditorischen Aspekten der Musik schult wahrscheinlich auch ein Funktionsmodul, welches für das verbale Gedächtnis von herausragender Bedeutung ist.“ (Jäncke 2008: Macht Musik schlau? S. 102/103)

Beim Lernen eines Musikstückes passiert sehr viel im Gehirn, und vor allem auch wenn beispielsweise ein/e Sänger/in (es wird hier natürlich von einem/r Profi- Musiker/in ausgegangen) auf der Bühne performt, erbringt er/sie Höchstleistungen mit dem Merken des richtigen Musiktextes, dem korrekten Einsatz im Takt, der Publikumsanimation und der passenden Interaktion mit der Band, wohlgemerkt muss das alles oft gleichzeitig geschehen. Vor allem sollten erlernte Melodien und Texte oder auch Choreographien Punkt genau abgerufen werden, um Peinlichkeiten in der Öffentlichkeit zu vermeiden, denn ein Blackout ist zwar auch bei einer Prüfung schlimm aber da ist man weitgehend anonym, zumindest mehr als ein/e Künstler/in auf einer Bühne. Listet man diese Dinge so logisch hintereinander auf, scheint es fast unmöglich eine Performance abzuliefern, doch zum Glück besteht Musik nicht nur aus logischen Abläufen, die das Gehirn betreffen und beeinflussen, sondern hat auch einen sehr hohen emotionalen Wert. Viele Musiker/innen behaupten, dass sie oft gar nicht mehr nachdenken wenn sie auf der Bühne stehen, sondern alles „von alleine“ kommt. Trotz der anfänglichen Nervosität, die meist der Auslöser dafür ist, dass über viele Dinge nachgedacht wird, vor allem über Dinge die ein mögliches Versagen während des Auftrittes begründen könnten, kann es, ab dem ersten Ton den der/die Musiker/in auf der Bühne von sich gibt, sein, dass eine Art „positives Blackout“ passiert, wo der/die Musiker/in einfach abschaltet, den Klängen ihren musikalischen Lauf lässt und er/sie selbst in einen entspannten, berauschenden Zustand verfällt. Dennoch muss ein/e Musiker/in auch üben damit sich die Stücke die er/sie spielt oder singt, so manifestieren, dass es möglich ist während der Performance entspannt zu sein und die Musik zu fühlen und nicht zu denken. Das fordert natürlich viel Gehirnleistung und Konzentration um die Lieder mit der dazugehörigen Performance, wenn erforderlich, so verinnerlicht zu haben, dass ein reibungsloser Ablauf in hohem Maße gewährleistet werden kann.

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„Die Struktur eines Werkes muss von dem Musiker so verinnerlicht werden, dass während einer Darbietung kein Denken mehr nötig ist; er kann dann auch darauf vertrauen, dass seine spontanen Eingebungen der tiefen Kenntnis des Werks entspringen und nicht irgendeiner spontanen persönlichen Laune. Wenn man eine Partitur zum ersten Mal spielt oder liest, ist es einem nicht möglich, gleich mit dem Stück vertraut zu sein oder es intellektuell zu begreifen. Die erste Reaktion ist also immer nur ausschließlich instinktiv, Ergebnis eines unmittelbaren Eindrucks. Der talentierteste Musiker der Welt kann nicht beim ersten Kontakt mit einem Stück eine Analyse vornehmen; anschließend aber kann man an ihm arbeiten, über es nachdenken, sozusagen sein Unterstes nach oben kehren und dabei eine viel tiefere Kenntnis von ihm erwerben als beim ersten Lesen oder Spielen.“ (Barenboim 2008, Klang ist Leben S. 63)

5.4 Lernschritte eines Musikers

Auch die Besten der Besten sind somit nicht davor gefeit, zu lernen und zu üben, wenn sie Musikstücke zu ihrer und zur Zufriedenheit des Publikums darbieten möchten. Beim Lernen eines Musikstückes geht ein/e Musiker/in üblicherweise folgendermaßen vor:

 Zu Anfang ist sehr wichtig den formalen Aufbau des Musikstückes herauszufinden, also das Erfassen wichtiger Teile, wie musikalische Themen und Sätze.  Das Erkennen der wesentlichen Handlungsschritte ist der nächste wichtige Punkt. Zum Beispiel die richtige Fingerhaltung, die unerlässlich ist, um diverse Themen oder Sätze zu spielen.  Dabei müssen auch Charakteristika festgestellt werden, welche für die interpretatorische Ausübung des Musikstückes in Frage kommen, um an den „richtigen“ Passagen des Stückes spezielle Akzente oder Geschwindigkeitsveränderungen einfügen zu können.  Aus dieser schrittweisen, analytischen Zergliederung ergibt sich dann das praktische Musiktraining. Das Training konzentriert sich bei den meisten Profimusikern/innen auf die wichtigsten Komponenten der Musik und diese werden dann auch am häufigsten geübt. (vgl. Jäncke 2008: Macht Musik schlau? S. 109)

Wobei diese Elemente natürlich variieren können, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass es von einem Musikstück meist mehrere Interpretationen gibt. Man könnte eigentlich sagen, dass die 46

Musikstücke immer eine Interpretation sind, wenn sie nicht vom originalen Komponisten beziehungsweise Singer-Songwriter performt werden. Denn unweigerlich ob ein/e Musiker/in es möchte oder nicht, wird die persönliche Note miteinfließen auch wenn er/sie sehr viel übt um an das Original heranzukommen, so bleibt es dennoch eine Interpretation. Aber es ist auf jeden Fall möglich die einzelnen Elemente des Originalstückes herauszuarbeiten, indem, wie in den vier Punkten zuvor aufgezählt, die formale Struktur des Musikstückes vorerst erfasst wird, um dann die jeweiligen Teile zu analysieren, in welcher Art eine Interpretation möglich ist. (mehr dazu siehe Kapitel 9.1 „Interpretation durch Musik“) Die Lernschritte der Musiker/innen weisen durch ihre analytische Komplexität einen hohen Grad an Rationalität auf bis zur praktischen Ausführung und selbst hier ist dann nicht auszuschließen, dass die Entscheidungen die darüber getroffen werden, welche Elemente am Wichtigsten für den/die Musiker/in erscheinen, sehr rational sind. Wie die bounded rationality formuliert, trifft der Mensch zwar keine rein rationalen Entscheidungen, was gerade im musikalischen Bereich eine wichtige wenn nicht sogar notwendige Erkenntnis ist, aber er kann hochrationale Entscheidungen treffen. Die Schwierigkeit besteht neben der Festlegung des rationalen Grades auch darin, wo die Grenze zu ziehen ist zwischen der Rationalität und der Emotionalität. In der Musik kann die Rationalität emotionalisiert werden und die Emotionalität rationalisiert werden. Somit bilden die Grenzen eine Art Grauzone und lassen sich nicht eindeutig ausloten. Auch wenn ein vermeintlich rein rationaler Akt vonstattengeht, sowie das Lernen eines Musikstückes, so kann der emotionale Einfluss nicht außer Acht gelassen werden, schon gar nicht in der Musik, wo er sowieso bereits als rationalisierte Form vorkommt.

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6.0 Wissenschaft und Musik

Das Menschenbild hat sich im Laufe der Zeit verändert. Unser Wissen wurde größer und Forschungen genauer, somit kam es zu einer Wissenschaft der Selbstorganisation. Die Theorie der Selbstorganisation, kurz gesagt TSO, ist in vielen Bereichen bedeutsam, wie in der Physik, Biologie oder in ökonomischen und sozialen Systemen. Diese Theorie, bedeutet zusammenfassend, dass sich Systeme mit ihren innerhalb gegebenen Elementen ohne offensichtlich äußerliche Einflüsse weiterentwickeln oder verändern können, was eine neue oft höhere Art von struktureller Ordnung generieren kann.

„In its core, TSO contains the principles of emergence, self-production and creation of new forms or structures; in this way, TSO leads to the possibility of a categorically new, highly differentiated process-evolutive concept of reality, and thus it breaks up the traditional scientific classifications and the different kinds of scientific ontologies. TSO imbues the notional categories of configuration and transformation of material systems with new significance.” (Götschl 1995: Self-organization: new foundations towards a “general theory of reality“ S. 109/110)

Gerade in der Musik ist die Wissenschaft natürlich ein heikles Thema, da in diesem Bereich ein hoher Grad an Emotionalität hinzu kommt, natürlich weil die Individualität des Menschen und somit das individuelle Empfinden eine große Rolle spielen, was dazu führt, dass Musik eine gewisse Sonderstellung im Verhältnis von Emotionalität und Rationalität einnimmt, wie folglich beschrieben wird:

„Worin besteht also die Sonderstellung der Musik? Fasst man Musik in einem ersten Schritt auf als ein evolutives, spezifische Gestalten vermehrendes, implizites Informations- bzw. Wissenssystem, welches bis heute nicht einmal i: n Ansätzen dekodiert ist (auch wenn es für eine solche Dekodierung kein theoretisches Ausschließungsprinzip gibt), so ist evident, dass man gegenwärtig keine Chancen sieht, an einen anthropologischen Inhalt von Musik explizit heranzukommen. […] Musik liefert hier etwas in die Richtung einer „evolutionär-dynamischen Einheit von Kognition, Emotion, Sozialisation und Kommunikation“. (Götschl 2012: Zum dynamischen Menschenbild der Gegenwart: Wissenschaftsphilosophische Erkundungen S. 66/67) 48

Durch diese sogenannte evolutionär – dynamische Einheit von Kognition, Emotion, Sozialisation und Kommunikation, wie sie in Kapitel 3.3 „Erlebnis Musik“ auch schon zum Teil erwähnt wurde, ergibt sich nun diese Art Sonderstellung der Musik allerdings nicht nur bezüglich der Emotionalität und Rationalität sondern auch im Hinblick auf anthropologische und sozio-ökonomische Aspekte. Nämlich die Überschreitung und Ausdehnung oftmals wissenschaftlich festgelegter Grenzen. Wie in der klassischen Rationalität ein impliziter Universalitätsanspruch erhoben wird, so wird in der bounded rationality eine Unschärferelation miteinbezogen. Was klar aufzeigt, wie sich die Rationalität weiterentwickelt und verändert hat, wodurch ein neuer Wissenszugang geschaffen wurde der wiederum neue Möglichkeiten offeriert, die zuvor als eher unmöglich angesehen wurden. Weitere Grenzüberschreitungen sind klar in der Technik zu erkennen, zu nennen ist hier natürlich sofort das Computerzeitalter, die totale Digitalisierung. Vor 100 Jahren war das noch kaum vorstellbar, heute ist ein Leben ohne Computer, Tablets, Smartphones und dem world wide web nicht mehr vorstellbar, zumindest in der westlichen Welt. Gesellschaftliche Veränderungen, wie mehr Liberalität und somit auch Individualität aber auch eine Transformation hin zu einer extremen Neidgesellschaft und einer schnelllebigen Zivilisation, sind Zeichen für eine Ausdehnung bestehender, in diesem Sinne veralteter Grenzen. Vielleicht ist es durch diese ständige Bewegung der Menschheit und somit auch der Musik gar nicht mehr richtig möglich von Grenzen zu sprechen weil diese möglicherweise nur noch künstliche Konstrukte sind, die festgelegt wurden, sich in unserem Denken und auch Verhalten festgesetzt haben, um Richtlinien vorzugeben, die es leichter erscheinen lassen Entscheidungen zu treffen und Handlungen zu vollziehen, da dies eben nur bis zu einem gewissen Grad möglich ist beziehungsweise möglich erscheint. Eine Grenze zu haben kann eine Art Sicherheit für den Menschen darstellen, weil keine Notwendigkeit besteht darüber hinaus zu denken.

6.1 Wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich der Gedächtnisleistungen

In der Musik steckt ein gewisses Maß an Wissenschaftsgehalt. Schwingungen können analysiert werden und man kann erforschen, wie diese auf das Gehirn wirken. Durch Musik kann eine neuronale Prozessdynamik aktiviert werden und Gedächtnisleistungen können verändert werden. (vgl.: Götschl 2008: VO Spezielle Wissenschaftstheorie ) So gibt es neben dem, im vorigen Kapitel bereits erläuterten, Mozart- Effekt natürlich noch andere Erkenntnisse der Gehirnleistung im musikalischen und phonischen Kontext, wie zum Beispiel das Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley mit dem Wortlängeneffekt: Das Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley und Hitch, begründet 1974, hat zwar nicht direkt etwas mit der musikalischen Beeinflussung der Gehirnleistung zu tun aber es ist interessant zu sehen, dass 49 bereits die Länge der Wörter ausschlaggebend dafür ist, ob sie besser erinnert werden können oder nicht. Außerdem zeigt es auf wie sich die Gehirnforschung immer mehr weiterentwickelt hat und neue Erkenntnisse gewonnen wurden. Zusammenfassend gesagt, haben Baddeley und Hitch heraus- gefunden, dass das Kurzzeitgedächtnis kein einfaches einheitliches System ist sondern in verschie- dene Komponenten unterteilt werden kann, die verantwortlich sind für die räumlich-visuelle und sprachliche Informationsverarbeitung und zwar die phonologische Schleife, der räumlich – visuelle Notizblock und der episodische Puffer (der erst später hinzugefügt wurde). Alle drei Komponenten sind Unterkategorien der zentralen Exekutive und werden von dieser kontrolliert. (vgl. Schlag 2011: Kognitive Strategien zur Förderung des Text- und Bildverstehens beim Lernen mit illustrierten Sachtexten S.21) Die phonologische (artikulatorische) Schleife ist dahingehend sehr interessant, da sie mit dem sprach- lichen Teil zu tun hat und somit mit der menschlichen Stimme, die musikalisch betrachtet das körper- eigene Instrument ist, darum folgt hier die genaue Erklärung des Wortlängeneffekts.

„Baddeley, Thompson und Buchanan (1975) konnten zeigen, dass die Gedächtnisleistung für Wörter weniger von der Anzahl als von der zeitlichen Länge der Wörter abhängt. Wird eine Liste von fünf kurzen Wörtern gelernt, so wird diese besser erinnert als eine Liste von fünf langen Wörtern. Dies wird als Wortlängeneffekt bezeichnet und ist zurück zu führen auf die aktive artikulatorische Schleife, in der phonologisches Material beständig subvokal wiederholt wird. Ist die zu lernende Liste kürzer, so kann die Liste während eines Behaltensintervalls öfter wiederholt werden. Dadurch wird der Spurenzerfall der Elemente gemindert. Der Wortlängeneffekt kann aufgehoben werden, indem man die Schleife mittels artikulatorischer Unterdrückung blockiert.“ (Lange 2002: Die Verarbeitung musikalischer Stimuli im Arbeitsgedächtnis S. 47)

Geht man von dem Wortlängeneffekt aus, so ist es also nicht wichtig welches Wort gesagt wird, sondern nur wie lang es ist, um somit das Ziel zu erreichen, dass es sich von der Testperson länger gemerkt werden kann. Wenn man dieses Prinzip auf die Musik und den „Mozarteffekt“ umlegt, kann es auch sein, dass es nicht direkt nur um die Musik von Mozart geht, die eine Verbesserung der räumlichen Intelligenz bewirkt sondern um beispielsweise eine bestimmte Tonart oder das Aufeinanderfolgen gewisser Akkorde, die vielleicht allgemein dafür bekannt sind, beruhigend auf den menschlichen Mechanismus zu wirken. Dies nachstehende Zitat erläutert die Gründe genauer, warum dieser Effekt angezweifelt wird:

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„Allerdings muss man hier auch zwei Einschränkungen festhalten: Erstens trat dieser Effekt (Mozart-Effekt) nur bei einem Teil der Messungen, nämlich bei zwei der vier gemessenen Variablen auf. Zweitens konnte die Vermutung, dass die Verbesserung des räumlichen Denkens auf die Komplexität der Mozart- Musik zurück zu führen ist, nicht ganz bestätigt werden, denn auch die Entspannungsmusik bewirkte eine leichte Verbesserung bei einem der gemessenen Leistungsaspekte. Aus diesen Gründen lässt sich die Wirksamkeit eines Mozart-Effektes nicht ohne weiteres verallgemeinern.“ (Gembris 2002: Wirkung von Musik – Musikpsychologische Forschungsergebnisse S. 22)

Was kann also der Auslöser für diese nachgewiesene Veränderung beziehungsweise Steigerung der Intelligenz sein, unabhängig davon ob es Mozart oder eine andere Musik ist? Eigentlich müssen musikalische Klänge und Schwingungen doch irgendetwas bewirken, sonst wären alle Studien hinfällig. Eine Theorie neben den biologischen Aspekten mit der Veränderung der neuronalen Bahnen und welche Gehirnhälfte beim Musikhören betätigt wird, könnte doch eine psychische Komponente sein, die hier miteinfließt. Man denke doch einmal daran, wie viele Kinder an dem sogenannten ADHS Syndrom leiden, oder auch wie viele Erwachsene Konzentrationsstörungen aufweisen. Vieles davon kann bedingt sein durch Stress und Überlastung bei der Arbeit, Schule oder prinzipiell im Alltag. Im Gehirn entsteht eine „Unordnung“, die es nicht möglich macht klare Gedanken zu fassen. Es ist ein altes und gut bekanntes Problem, sogar als „Volkskrankheit“ bezeichnet, dass Stress krank machen kann. Wie soll also das Gehirn noch gut funktionieren, wenn der ganze Körper ständig unter Strom steht? Es hängt also in gewisser Weise mit dem psychischen Zustand zusammen, wie Körper und somit das Gehirn seine Leistungen erbringt. Was passiert, wenn man Entspannungsmusik hört? Man entspannt sich normalerweise, wenn man es auch zulässt. Vielleicht trägt genau dieses Entspannen, dazu bei, dass das Gehirn anfängt seine Funktionen zu erweitern und eine höhere Denkleistung erbringen kann. Schon im Mutterleib soll man Babys Musik vorspielen, vorzugsweise Mozart oder Reggae-Musik, weil das schon auf den Fötus beruhigend wirken soll. Der Mozart-Effekt wird weiterhin erforscht und unabhängig ob es nur Mozarts Musik oder auch andere Musik ist, kann Musik sehr viel bewirken und uns in jeglicher Hinsicht beeinflussen. Nach einigen Studien, von denen zwei bereits im Kapitel 4.3 „Einflüsse beim Musikhören“ aufgelistet wurden, wirkt Musik auch auf die Verhaltensweise der Tiere. Die anschließende Studie berichtet über ein Experiment mit jungen Ratten:

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„Interessanterweise hat man in Experimenten mit jungen Ratten festgestellt, dass diese Tiere besser lernen, sich in einem Labyrinth zurecht zu finden, wenn sie klassische Musik hören. Diese Verbesserung in der räumlichen Orientierung trat nicht ein, wenn sie statt klassischer Musik eine sehr einfach strukturierte Musik bzw. weißes Rauschen hörten oder Stille als Versuchsbedingung hatten. Gegenwärtig sind die Wissenschaftler dabei, das Gehirngewebe dieser Ratten daraufhin zu untersuchen, ob die Anatomie des Gehirns in den Teilen, die für die räumliche Orientierung zuständig sind (speziell des Hippocampus), in irgendeiner Weise durch diese musikalische Erfahrung beeinflusst worden sein könnte.“ (Gembris 2002: Wirkung von Musik – Musikpsychologische Forschungsergebnisse S. 23)

Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es vielleicht noch keine eindeutigen Ergebnisse darüber, welche Musik tatsächlich eine Steigerung der Intelligenz bewirkt, sei es Mozarts Musik, generell klassische Musik, Entspannungsmusik oder ein einfacher Akkord, aber es ist naheliegend, dass zukünftige Forschungen weitaus genauere Aufschlüsse darüber geben werden.

6.2 Ein neuer Zugang zur Rationalität und Emotionalität

Einen neuen Zugang zu schaffen, ist in diesem Bezug keine leichte Aufgabe und sicher nichts, das nur einen Lösungsweg beinhaltet, um hier eine zufriedenstellende Antwort zu erlangen. Dennoch liegt die Lösung sicher mehr in der Pragmatik, also in der praktischen Ausführung von Musik, als in einer theoretischen Analyse. Fragt man eine/n Musiker/in ob die Musik rationale Aspekte neben den emotionalen beinhaltet und auch ob Musik seine/ihre Rationalität anregt, wird er/sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auf beide Fragen mit ja antworten, da er/sie weiß, dass genau diese zwei Faktoren essentiell sind um mit Musik zu arbeiten. Von den 11 befragten Musiker/innen (siehe Interviews im Anhang und Analyse im Kapitel 10.2) hat die Mehrheit tatsächlich auf die Fragen über die Rationalität bejahend geantwortet, allerdings hauptsächlich im Bereich der Musikanalyse, denn wenn es um das Musizieren an sich ging oder darum, dass die Musik auf das Publikum wirken soll, wurde der emotionale Aspekt der Musik von ihnen mehr in den Vordergrund gestellt. Die bounded rationality kann sich hier insofern als vorteilhaft erweisen weil sie es eher zulässt, dass Grenzen miteinander korrespondieren, in der Form, dass zum Beispiel Emotionalität und Rationalität immer mehr ineinandergreifen. Musik ist unglaublich wandlungsfähig und hat sich, wie bereits erwähnt, im Laufe der Zeit verändert, wie sich auch die Wissenschaft und Technik verändert und weiterentwickelt haben. 52

„Der immer deutlicher sich vollziehende, durch Wissenschaft und Technologie zunehmende Quantifizierung oder besser gesagt Fragmentierung des Weltenlaufes, wird durch die wissenschaftsphilosophische Reflexion auf Musik eine neue Dimension eröffnet. Denn Musik übermittelt keine sprachlich-symbolische Botschaft, etwa die, dass die wissenschaftlich-technologische quantifizierende Fragmentierung schlecht ist oder zur kulturellen Degeneration führt. Die „Botschaft“ der Musik ist eine ganz andere, nämlich die, dass Menschen insbesondere in Bezug auf die rationalen Lebensformen sich emotional in Beziehung setzten können.“ (Götschl 2012: Zum dynamischen Menschenbild der Gegenwart: Wissenschaftsphilosophische Erkundungen S. 67)

Auch wenn der Mensch ein rationales Wesen ist, so ist er es nicht ausschließlich. Nur weil er bedingt rationale Entscheidungen treffen kann, muss es nicht heißen, dass dabei keine emotionalen Aspekte miteinfließen. Natürlich ist das auch umgekehrt möglich, das heißt, nur weil jemand scheinbar ohne nachzudenken eine spontane Entscheidung trifft, so ist dennoch nicht auszuschließen, dass aufgrund seiner früheren Erfahrungen hinter dieser Entscheidung ein logisches Kalkül steckt. Der Mensch will herausfinden, was „Erkenntnis“ und „Wahrheit“ ist, wobei der Erkenntnisgehalt der Wissenschaft leichter herauszufinden ist als der der Musik. In der Menschheitsentwicklung geht es darum, den Erkenntnis- und Wahrheitsgehalt ständig ansteigen zu lassen und einen höheren Grad der Orientierung zu erreichen. Die verlässlichste Orientierung bisher ist derjenige Gehalt der Natur, der dem Wahrheitsgehalt am nächsten kommt, und das sind bis heute nun mal die Wissenschaften. Der Mensch ringt ständig darum, seine Innen- und Außenwelt zu verstehen und möglichst gut in Einklang zu bringen. Die Erzeugung von Ordnungen bewirkt eine Evolution des Menschen und Musik treibt die kulturelle und soziale Evolution voran. Sehr treffend wurde dies von Götschl in seiner Vorlesung „spezielle Wissenschaftstheorie: zum Erkenntnis- und Humangehalt von Musik“ formuliert: Die Musik wirkt einerseits als Gruppen bildende Kraft, die durch alle Generationen und Klassengesellschaften geht und andererseits hat sie einen großen individuellen Gehalt und trägt dazu bei diesen zu steigern. Je höher und vielfältiger die Musikkultur ist, umso deutlicher merkt man die Besonderheiten und Gemeinsamkeiten von uns Menschen. Wie zuvor schon erwähnt, komponiert und spielt der/die Musiker/in auch, aber nicht nur für sich allein, sondern für die Menschen, besser gesagt die Zuhörer/innen. Durch Musik können wir eine andere Vorstellung vom Menschsein bekommen. Der Mensch musiziert, weil er Dinge von sich, an die manifestierte Oberfläche bringen will, die er mit der Sprache, Literatur und Wissenschaft nicht zum Ausdruck bringen kann. (vgl. Götschl 2008:

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VO spezielle Wissenschaftstheorie: zum Erkenntnis- und Humangehalt von Musik)

6.3 Die Grenzen der Wissenschaft von Musik

Wie können überhaupt Grenzen festgelegt werden, wenn sich die Wissenschaft laufend weiterentwi- ckelt und durch Forschungen mehr und mehr bahnbrechende Erkenntnisse aufkommen? Man könnte also sagen, dass es gar keine absoluten Grenzen gibt. Vielleicht sind es nur scheinbare Grenzen, die die Menschen solange festlegen, bis die Möglichkeit einer Grenzüberschreitung gegeben ist. Nur weil bestimmte Dinge noch nicht erforscht werden konnten, heißt es nicht, dass es in Zukunft nicht pas- sieren kann. In der Musik werden zwar immer wieder Grenzen überschritten aber alle Wirkungen der Musik sind längst noch nicht erforscht.

„Wie macht Musik das, was sie macht? Von der Beantwortung dieser Frage ist die Wissenschaft noch weit entfernt. Den Signalweg, den der Schall durchs Ohr und Innenohr nimmt, kann sie gut bis zum Hörnerv verfolgen, der die in elektrische Signale verwandelten Töne ins Gehirn weiterleitet. Dann verliert sich die Spur. Beziehungsweise taucht überall wieder auf: Es gibt kaum einen Teil des Gehirns, der an der Verarbeitung von Musik nicht beteiligt ist.“ (Drösser Christoph 2010: Artikel in Zeit Online “Der Gänsehaut – Effekt“ S. 1)

Musik scheint in jeder Hinsicht ein Phänomen zu sein, das Fragen aufwirft, die nicht vollkommen beantwortet werden können, allerdings hört die Wissenschaft nicht damit auf weiter zu forschen, um diesem globalen Wunder, namens Musik, auf den Zahn zu fühlen, bis dessen Wirkung zur Gänze analysiert worden ist, wenn das überhaupt möglich sein sollte. Nichts desto trotz gibt es auch schon zum jetzigen Zeitpunkt keinen Mangel an neuen Erkenntnissen und hoch interessanten Studien be- züglich musikalischer Wirkungen, eine davon wird folglich angeführt:

„[…]Der französische Hirnforscher Emmanuel Bigand von der Univerisite´ de Bourgogne hat Musik in ultrakurze Schnipsel von manchmal nur einer Zehntelsekunde Länge zerlegt – seine Probanden waren immer noch in der Lage, Stücke und Stimmungen zu erkennen. Auch wenn Bigand das winzige Klangkonfetti zufällig durcheinanderwürfelte, erkannten die Testpersonen die Bestandteile, obwohl in dieser Kakophonie weder Melodie noch Rhythmus oder Harmonie erhalten waren. »Jedes 54

Musikstück scheint eine Art ›Wasserzeichen‹ zu haben, das auch bei solchen radikalen Operationen erhalten bleibt«, sagt Bigand.“ (Drösser Christoph 2010: Artikel in Zeit Online “Der Gänsehaut – Effekt“ S. 1)

Solche Forschungsergebnisse sind natürlich erstaunlich, können aber leider immer mehr Fragen auf- werfen, die wieder nach Antworten verlangen, was zur Folge hat, dass der Zyklus der Wissenschaft stetig weitergeht und der Menschheit zwar, positiv gesehen, neue Erkenntnisse liefert aber nachteilig, niemals endgültige Antworten auf alle Fragen geben wird. Aus diesem Grund ist es vielleicht nicht wirklich sinnvoll von Grenzen zu sprechen. Ist es überhaupt nötig Grenzen zu ziehen beziehungs- weise woher kommt diese Begrenzungstheorie? In der Wissenschaft ist sie zumindest zeitlich be- gründbar, indem man weiß, dass gewisse Bereiche jetzt noch nicht erforschbar sind, wo die Wissen- schaft an ihre Grenzen stößt. Doch wie verhält sie sich bei der Rationalität und Emotionalität? Eine mögliche Antwort wäre die „scheinbare Gegensätzlichkeit“ von Rationalität und Emotionalität. Es mag vielleicht so wirken als wären die beiden von gegensätzlicher Natur und dieser Irrglaube ist auch sehr populär aber Tatsache ist, dass das Gegenteil von rational, irrational ist und von emotional, emotionslos. (vgl.: Bitschnau 2008: Die Sprache der Giraffen S.90/91) Also wozu besteht die Notwendigkeit einer artifiziellen Grenze? Auch wenn die beiden Bereiche keine direkten Gegensätze aufweisen, so sind sie dennoch sehr verschieden und scheinbar schwierig miteinander zu kombinieren. Unmöglich ist es allerdings nicht und die Aufklärung über diese schein- bare Gegensätzlichkeit ist eine gute Hilfestellung um besser zu verstehen, dass die Emotionalität in der Musik rationalisiert werden kann und umgekehrt, beziehungsweise, dass dies in der Musik sogar teilweise unerlässlich ist. Durch diese Feststellung ist es leichter zu verstehen, wie diese Grenzen miteinander korrespondieren können.

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7.0 Die Ur-Musik

„Es mag reizvoll sein, darüber nachzudenken, wann und wie zum ersten Mal von Menschen erzeugte Musik erklungen sein mag. Vielleicht war es so, dass jemand selbstvergessen vor sich hin summte. Oder er entdeckte, dass man mit Hölzern oder mit hohlen Knochen Klänge und Rhythmen erzeugen kann. Vielleicht entstand aus rhythmischen Bewegungen und dem Klatschen der Hände, verbunden mit Zurufen und spontanem Singsang, erste gemeinschaftliche Musik.“ (Kaspar 2008: Klangrede S. 32)

7.1 Musikalische Ursprünge

Die Musik ist kein neuzeitliches Phänomen, denn es gibt sie schon seit 10.000en Jahren und sie steht in einem ständigen Wandel der Zeit. Vermutlich haben die Menschen zuerst versucht die singenden Vögel zu imitieren. Schon unsere Urahnen wussten diese Sprache zu nutzen. Bereits in frühen Ritualen wurden den musikalischen Klängen eine Art Magie zugeschrieben, die verhelfen sollte, Kontakt zu den Seelen im Ahnenland aufzunehmen oder diverse Götter zu beschwören und somit um Hilfe zu bitten.

„Die Einwirkung von Klängen auf Psyche und Körper des Menschen bildet eine Urerfahrung, die bereits unsere Ahnen in grauer Vorzeit machten und die noch heute jeder einzelne an sich selbst erfahren kann. Musik kann nicht nur einen starken Bewegungsantrieb ausüben, der in Marsch- oder Tanzmusik genutzt wird, sondern sie kann auch umgekehrt den Organismus beruhigen, was Wiegenlieder aller Welt bezeugen. Musik war in alle Kulthandlungen eingebunden, in die Anrufung der Geister und Götter, ebenso in Rituale der Machtdemonstration und der Totenklänge.“ (Hesse 2003: Musik und Emotion: wissenschaftliche Grundlagen des Musik- Erlebens S. 3)

Die Musik an sich war, ist und wird immer ein Teil der menschlichen Kultur sein, auch wenn sie vielseitiger geworden ist und sich stetig transformiert, wie auch unsere Kultur. Seien es diverse Riten früher gewesen, in denen die Trommelmusik bei Urvölkern Afrikas dazu beigetragen hat, dass, laut deren Bräuchen, die Seele leichter ins Ahnenland hinübergehen konnte oder bei Hochzeiten als fröhliche Begleitmusik um eine heitere Stimmung noch positiver zu untermalen, wie es natürlich heute auch noch der Fall ist. Selbst als es noch nicht so viele Instrumente gab oder wenn zu viel Armut 56 die Mittel nicht zuließ, wurde ein Weg gefunden zu musizieren, es reichte schon der eigene Körper mit schnippen, klatschen, singen, etc. und das löste Emotionen aus. Mit der Zeit wusste man genau welche Musik zu welchem Anlass oder Ritual passend erschien und setzte diese dann dementsprechend ein.

7.2 Musik in Ritualen

Bei den Initiationsriten der Völker in Afrika gab es bestimmte Abläufe für Mädchen und Knaben, die den Übergang vom Kind zum Erwachsenen erleichtern sollten. Im nachstehenden Zitat wird kurz das Ritual der Mädchen bei den Zulu beschrieben:

„[...] Das Mädchen muss sich dann in einem Verschlag der Hütte, die jetzt von den von anderswoher gekommenen Freundinnen besetzt wird, mehrere Wochen, früher zwei Monate lang, aufhalten. Man bestreicht sich mit roter Erde; Lieder werden gesungen, die auch im Dienst der Fruchtbarkeitsgöttin Nomkhubulwana eine Rolle spielen. Ein besonderer Tag, an dem auch getanzt wird, ist der, an dem das Mädchen die Hütte verlässt. Eine Woche vor diesem Abschluss wird ein rituelles Bad im Fluß genommen, man beseitigt den roten Lehmanstrich und kehrt unter dem Gesang von Reifeliedern zur Hütte zurück, wo das Mädchen zwar einen neuen Verschlag bezieht, aber schon nicht mehr in Klausur gehalten wird.“ (Dammann 1963: Die Religionen Afrikas S. 182/183)

Sogar um die Gunst der Fruchtbarkeitsgöttin zu gewinnen gab es spezielle Lieder. Solche Rituale waren wichtig für diese Völker damals und bestimmte Lieder sind auch für die Menschen heute noch wichtig, wie zu Beispiel bei Hochzeiten oder Trauerfeiern. Natürlich liegt der Unterschied von damals zu heute darin, dass die „Magie“ dieser Rituale, nicht mehr so erhalten geblieben ist, weil wir durch unsere Forschungen und unser Wissen, nicht mehr einfach blindlinks irgendeinem Glauben folgen, wie es damals eher der Fall war, indem versucht wurde diverse Götter um Hilfe zu bitten oder sie zu beschwichtigen, damit Gutes eintrifft oder Schlechtes verhindert wird, sondern weil uns bewusst geworden ist, dass solche Rituale unserer Psyche gut tun beziehungsweise helfen können mit beispielsweise dem Tod eines Menschen besser abzuschließen, indem man eine Beerdigung und Trauerfeier veranstaltet, die mit einer bestimmten Musik begleitet wird. Das oben genannte Ritual mit den Reifeliedern ist nur ein Beispiel, aber in fast allen auch ähnlichen Ritualen war die musikalische Begleitung ein fixer wenn nicht sogar der wichtigste Bestandteil der rituellen Zeremonie. 57

7.2.1 Klagelieder

Bei den Naturvölkern gab es verschiedene Klagelieder, von denen viele oft ziemlich kurz waren, wie zum Beispiel bei den Ziba, wo die Frau den Tod des Mannes mit folgenden Worten beklagt: „Mein Mann! Mein Mann starb! Wo(bin) ich? Die Schicksalsschläge töten mich.“ (Dammann 1963: Die Religionen Afrikas S. 190)

So wie die Todesriten bei den Völkern oft verschieden waren, gibt es ja auch bei uns verschiedene Arten jemanden zu beerdigen, und diese beinhalten nicht immer dieselbe Musik und auch nicht denselben Text. Natürlich löst diese Musik meist keine Fröhlichkeit aus, da so ein Abschied eine traurige Situation ist und durch Musik diese Trauer unterstrichen werden kann und soll. Mit folgendem Klagelied; eingeleitet von einer Vorsängerin, bringen die Bergdama ihre Trauer über den Dahingeschiedenen sehr imposant zum Ausdruck:

„o du meines Söhnchens Vater, ist der Jagdgrund gar so fern? Sieh, ich warte auf dein Kommen! Stumm und sprachlos liegst du da. Steh doch auf! Geh hin und schieße mir ein Wild! Mich hungert sehr! Alle Frauen essen Wildpret! Ich allein muss hungrig bleiben, denn durch nichts lässt du dich treiben!“ (Dammann 1963: Die Religionen Afrikas S. 191)

Die Kombination aus den Worten und den Klängen war unglaublich wichtig, denn das gesungene Wort hatte eine große Macht, es sollte das Leid mindern und neue Hoffnung schaffen. Groß war der emotionale Aspekt der Musik für diese Völker und wie auch heute ein wichtiger Teil der Kultur. Allerdings in transformierter Form, denn relativ wenig ritueller Gesang ist in unserer Kultur heutzutage noch zu finden, außer traditionelle Standardlieder bei gesellschaftlichen Ereignissen, wie 58

Geburtstage, Hochzeiten, Beerdigungen etc.

7.2.2 Funktionalität von Musik und Ritualen

Musik hat natürlich viele Wirkungsbereiche aber wenn man schon die alten Rituale verschiedener Völker betrachtet, wird klar, dass ihre Wirkung im Sozialisierungsprozess sehr hoch, wenn nicht sogar am höchsten ist. Schon sehr früh in den Religionen wurde das heilige Wort nicht nur gesprochen sondern auch gesungen, weil die Menschen glaubten dadurch die Wirkung zu verstärken.

„Die Modulation der Stimme hat für den primitiven Menschen etwas Wunderbares. Der Gesang war ursprünglich Sakralgesang und wurde erst später Arbeitsgesang. Erst in dritter Linie diente der Gesang der Unterhaltung. […] Der primitive magische Gesang lebt weiter im religiösen Sprechgesang, dem eintönigen Rezitieren heiliger Texte mit relativ wenigen Hebungen und Senkungen. Auf diese Weise werden die kanonischen Texte der altindischen Veden, des buddhistischen Tipitakam, die Sutras des chinesischen und japanischen Mahayana–Buddhismus, der Granth der Sikh, der Koran des Islam, das Avesta des Parsismus sowie die liturgischen Texte der jüdischen Synagoge und der christlichen Kirchen des Ostens und Westens rezitiert.“ (Heiler 1961: Erscheinungsformen und Wesen der Religionen S. 266/267)

Es scheint als hätten die Menschen mit der Musik trotz der Verschiedenheit der Riten, Zeitepochen und Religionen ein gemeinsames Ziel verfolgt, nämlich die Anrufung von Göttern und Ahnenseelen, um Schutz vor dem Bösen und Unterstützung zu bekommen. Die Schamanen oder Medizinmänner wurden durch Musik in einen Ekstase ähnlichen Zustand versetzt, den sie den anderen Zuhörern/innen beziehungsweise Hilfesuchenden übermittelten, und damit wurden diverse Heilpraktiken angewendet. Die Musik kann sehr anregend also aufputschend und auch entspannend wirken, dadurch konnte man beziehungsweise kann man ihr auch heute noch, eine heilende Wirkung zu schreiben. Wenn man die Musiktherapie bedenkt, worüber heute immer wieder geforscht wird, um neue Erkenntnisse zu erwerben und diese zu verbessern, so könnte man meinen, sie wäre eine relativ neue beziehungsweise moderne Form der Therapie (ungefähr ab Ende der 70er Anfang 80er Jahre hat sie an Popularität gewonnen und erst mit der Zeit wurde sie praktisch immer mehr eingesetzt um Menschen zu therapieren) aber diese musiktherapeutischen Methoden wurden bei den alten Völkern auch schon eingesetzt. Nur hatte sie damals nicht den konkreten Namen „Musiktherapie“, denn Musik 59 war ein fixer Bestandteil der Rituale und auch die Krankenheilung war damals ein Ritual. Bei der Musiktherapie gibt es einen Unterschied zwischen rezeptiver und aktiver Musiktherapie. Die rezeptive Variante gilt als traditionellere und ältere Form dieser Therapie und beinhaltet hauptsächlich ein passives Musikerlebnis in der Art, dass der Patient durch das Hören von Musik Heilung erfahren kann oder im früheren Glauben, dass ihm die bösen Geister, die ihn krank machten ausgetrieben wurden. Bei der aktiven Musiktherapie musiziert der Patient selbst mit Instrumenten oder der eigenen Stimme. (vgl. Nöcker-Ribaupierre 1998: Geschichte, Methoden und Anwendungsgebiete der Musiktherapie S.38 u.42) Natürlich gibt es mehrere Arten der Musiktherapie zum Beispiel die in Kapitel 5.1 „Der Mozart-Effekt“ bereits erwähnte Orff- Musiktherapie oder die von Christoph Schwabe bereits in der DDR begründete regulative Musiktherapie (ebd. S.38) Bei den Urvölkern gab es auch schon unterschiedliche Methoden zur musiktherapeutischen Krankenbehandlung in Form von Zeremonien und Ritualen, einige werden folglich angeführt:

 Ägyptische Priesterärzte hatten eigene Beschwörungsmusiker für die Krankenbehandlung, dies wurde festgehalten auf Fresken, die ins 4. Jahrtausend v. Chr. datiert werden.

 Auf assyrischen Keilschrifttafeln aus Mesopotamien ist zu sehen, dass die medizinische Behandlung eine Zusammenkunft von religiösen Zeremonien und Heilpraktiken war, wobei die Heilmusik auch zur Austreibung böser Geister genutzt wurde.

 Im 3. Jahrtausend v. Chr. entwickelte sich der Feuertanz auf dem Balkan. Er diente in weiterer Folge zur Verehrung des Gottes Dionysos (Bacchus) und zur Bannung böser Geister, die verantwortlich für die Krankheiten waren. Drei Tage vor dem Feuertanz wurde eine Initiation vollzogen, begleitet von archaischer Musik die von großer Wichtigkeit war.

 Um die Götter der Heilkunst Indra und Rudra anzurufen, wurden im zweiten Jahrtausend v. Chr. in Indien liturgische Gesänge und Hymnen während einer Krankenbehandlung angestimmt. (vgl. Spintge, Droh 1992: Musik-Medizin, physiologische Grundlagen und praktische Anwendungen S.4-6)

Früher dominierte noch der Gedanke, dass andere beziehungsweise übernatürliche Kräfte oder göttlicher Wille, für diverse Gaben oder Katastrophen verantwortlich seien, darum waren der Gesang und die Musik an sich so ein wichtiges, magisches Mittel um diese Kräfte anzurufen. Doch mit der 60

Zeit veränderte und vermehrte sich der Wissenszugang und eine viel rationalere Denkweise bestimmte den Alltag der Menschen. Die bounded rationality besagt zwar, dass Menschen Entscheidungen nur begrenzt rational treffen können aber im Vergleich zu damals gab es eine extreme Steigerung der rationalen Entscheidungsfindungen. Das soll natürlich nicht heißen, dass dies immer positive Auswirkungen hatte oder die Urvölker in ihren Verhaltensweisen somit „schlechter“ waren, aber in Bezug auf Musik und Rationalität fand eine gewaltige Veränderung statt, die natürlich mit der Transformation der Menschen und ihren Lebensweisen einherging. Solch ein Wandel der Zeit ist in allen Bereichen sehr interessant aber im musikalischen Gebiet lässt es sehr genau erkennen, wie sich die Wertigkeit und der „Nutzen“ der Musik verändert haben.

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8.0 Sprache und Musik

„Jede Sprache hat, damit sie funktionieren kann, eine innere Struktur, Regelzusammenhänge und einen Wortschatz. Das gilt auch für die Musik. Manches ist der Musik aller Kulturen gemeinsam, weil es in physikalischen Gesetzen wurzelt: etwa in Schwingungsverhältnis der Intervalle. Anderes ist in den verschiedenen Ländern, Völkern und Volksgruppen unterschiedlich und oft geografisch, historisch und kulturell begründet: etwa bestimmte Tonarten, rhythmische Muster oder Klangfarben. Das mag zwar alles für Musikwissenschaftler und professionelle Musiker interessant sein – für das Erleben von Musik ist es unwichtig. Denn auch die Sprache braucht nicht das Wissen um Semantik und Syntax, um lebendig gesprochen zu werden.“ (Kaspar 2008: Klangrede S. 35)

Musik ist keine Sprache, die zwingend erlernt werden muss um sie zu verstehen beziehungsweise auf sich wirken zu lassen. Natürlich benötigt man Übung um verschiedene Musikstücke zu spielen oder vermehrte Kenntnis über diverse Tonarten, Akkordfolgen und Muster um ein Stück analysieren zu können, aber um Musik zu erleben sind weder ein hoher Bildungsstand noch sonstige Vorkenntnisse über die gehörten Klänge von Nöten.

„Jeder Mensch ist musikalisch. Die Welt selbst lebt von der Musik. Musik versteht jeder, eine universelle Sprache, die unabhängig von Alter, Geschlecht, Rasse, Religion und Nationalität alle Menschen erreicht. Sie wird von mehr Bewohnern unserer Erde gesprochen als Mandarin, Englisch, Hindi, Spanisch, Russisch und alle anderen Sprachen zusammen. Musik kennt keine Einkommensgrenzen, Gesellschaftsklassen, Bildungsunterschiede. Musik verstehen alle – auch die Tiere.“ (Campbell 1998: Die Heilkraft der Musik S. 21/22)

Ob nun jeder Mensch tatsächlich musikalisch ist oder nicht, wurde bereits in Kapitel 4.1 „Grundmudikalität“ diskutiert und sei somit dahingestellt, aber feststeht, dass Musik wie die Kunst eine weitreichende, vielfältige Spate ist, die einen Raum für den individuellen Geschmack lässt und die Phantasie anregt. Doch sobald der Mensch etwas mit seinen künstlerischen Fähigkeiten fabrizieren will und dies der Öffentlichkeit präsentiert, muss er natürlich oftmals mit Kritik rechnen, oder wenn er Glück hat, trifft er den Geschmack der Mehrheit und erntet Lob, sei es für ein gemaltes 62

Bild oder ein Musikstück. Der/die Musiker/in kann sich und seinem Werk immer Ausdruck verleihen aber es muss nicht sein, dass dies auch gehört wird.

8.1 Sprache und musikalische Sprache

Die Sprache und die musikalische Sprache kann man auf einer elementaren Ebene in eine ungefähre Analogie setzen:

Sprache Musik Buchstabe Note Laut Ton Silbe Intervall Wort Motivation Wortgefüge Thema Satz Periode Satzgefüge Entwicklung Absatz Abschnitt Kapitel Einzelsatz (Höllwerth 2007: Musikalisches Gestalten S. 144)

Doch ist es wirklich möglich, dies so zu betrachten? Auf einer elementaren Ebene soll diese Analogiesetzung also möglich sein. In diesem theoretischen Konstrukt scheint die Darstellung ziemlich logisch zu sein und vielleicht lässt es sich durch ein praktisches Beispiel näher erläutern, indem man sich den Vorgang vorstellt, wie man eine Fremdsprache zu lernen beginnt und wie ein Instrument. In den Interviews der 22 Befragten (siehe Anhang) ist ersichtlich, dass fast alle auch Nicht-Musiker/innen als Kind ein Instrument erlernt haben und allgemein gesehen ist es in einer regulären Schulbildung üblich mindestens eine Fremdsprache gelehrt zu bekommen. Geht man beispielsweise davon aus eine neue Sprache, mit all den dazugehörigen wissenschaftlichen Regeln, zu lernen, sei es in einer Schule oder in einem Fremdsprachkurs, so werden einem die Grammatikregeln erklärt und man macht sich erstmals vertraut mit einigen einfachen Vokabeln und Standardsätzen wie: „Hallo, wie geht´s dir. Ich heiße XY.“ Man beginnt Schritt für Schritt sich der Komplexität der Sprache anzunähern und mit viel Übung ist es bald möglich eine kleine Konversation zu führen. Wenn man ein Musikinstrument lernen möchte läuft das Prozedere ziemlich gleich ab,

63 zuerst wird einem das Instrument erklärt und wie man die Finger halten soll, wie etwa bei einem Klavier oder die Lippenhaltung bei der Oboe um einen Ton herauszubringen. Danach lernt man die einzelnen Töne kennen und wird mit der Tonleiter vertraut gemacht (üblicherweise C-Dur Tonleiter), die man vorerst immer wieder üben muss und darauffolgend spielt man das erste einfache Lied. Somit läuft es von der Theorie her und auch wenn man beides praktisch ausführen würde, ziemlich ähnlich ab, zumindest was den Lernprozess beider Sprachen (Fremdsprache u. musikalische Sprache) anbelangt. Eigentlich ist das ein sehr rationaler Akt, unabhängig davon, ob der Person eine Art Leidenschaft für diese Sprache innewohnt oder nicht, so führt der Weg diese zu erlernen direkt über die Rationalität, doch da der Mensch kein rein rationales Wesen ist und immer wieder Veränderungen ausgesetzt ist, führt dieser Weg also genauer gesagt über die bounded rationality. Das bedeutet konkret, dass gewisse rationale Lernschritte gemacht werden müssen, egal ob emotionale Hingabe für diese Sprache vorhanden ist oder nicht. Auch wenn jemand absolut kein Interesse an der französischen Sprache hat, so kann er sie trotzdem lernen, obwohl er sich vielleicht nicht so leicht tun wird, aber die Möglichkeit ist gegeben. Natürlich stellt sich nun die Frage, ob dies in der Musik auch so einfach möglich ist. Prinzipiell tut sich der Mensch bei den Dingen schwerer, die er gar nicht will oder vielleicht sogar verabscheut und leichter wenn er etwas macht, das er liebt. Und ganz kann der Mensch seine Emotionen sowieso nie ausblenden, auch wenn sie von negativer Natur sind. Aber bis zu einem gewissen Grad ist auch ein musikalischer Vorgang weitestgehend sozusagen emotionslos erlernbar, wenn man jetzt von einem Instrument ausgeht, aber nimmt man als Beispiel die menschliche Singstimme und die Behauptung: „Jeder Mensch kann das Singen erlernen“, so wird der Sachverhalt schon etwas komplizierter. Es ist vielleicht noch möglich, zumindest eher vorstellbar, total ohne Hingabe und auch ohne Talent, die passende Fingerhaltung sehr lange zu üben und dann am Klavier ein einfaches Stück in relativ korrekter Tonfolge zu spielen als total ohne Hingabe und Talent richtig zu singen. Die Problematik ist oft auch dahingehend vorhanden, dass viele Menschen eine Leidenschaft zum Singen haben und sich auch alles nötige Wissen wie Noten und richtige Atmung angeeignet haben trotzdem aber nicht richtig singen können, weil die Stimmbandbreite vielleicht nicht passt oder sie es nicht schaffen den richtigen Ton zu hören oder ihn hören aber nicht umsetzen können. Die meisten befragten Musiker/innen (siehe Anhang und Inhaltsanalyse Kapitel 10.2) meinten, dass man natürlich einiges erlernen kann und sogar üben muss, aber ein gewisses Grundtalent nicht antrainiert werden kann.

8.2 Schöne und „böse“ Musik

Musik ist, um es nochmals zu erwähnen, frei von jeglicher objektiven Bewertbarkeit im klassischen 64

Sinne von falsch-wahr und gut–böse. Aber wie verhält sich diese Wertung bei schöner und schlechter Musik? Ist dies ausschließlich im subjektiven Sinne möglich oder gibt es die objektiv schöne Musik? Da die philosophische Frage nach der Existenz einer „objektiven Welt“ immer noch keine befriedigenden und eindeutigen Antworten erfahren hat und diese wahrscheinlich auch nicht so bald erfahren wird, kann man von der Theorie ausgehen, dass es keine objektiv gute, im Sinne von schöner, Musik gibt. Es muss auf jeden Fall so sein, dass es Musik gibt, die sehr vielen Menschen gefällt und als schön empfunden wird, sonst gäbe es ja keine berühmten Stücke, die immer wieder gespielt werden, geschweige denn bekannte Musiker/innen und Komponisten/innen, die Konzerthallen füllen. Aber es ist wahrscheinlich kaum möglich, dass ein Musikstück wirklich jedem Menschen auf der Welt gefällt, denn wir Menschen sind uns zwar ähnlich aber nicht gleich und der Musikgeschmack ist nicht nur von der Individualität des Einzelnen, sondern auch von dessen sozialen Umfeld und Einflüssen geprägt. Dies ist im Sinne von Musikerziehung in der Schule oder Beeinflussung durch die Lieblingsmusik der Eltern, Verwandten oder Freunde und natürlich auch wie viel Musikalität ein Mensch in sich trägt, zu verstehen.

„Was ist schöne Musik? Gibt es darüber einen Konsens? Ich meine, es gibt ihn heute weniger denn je – besonders in unserer globalisierten Welt, in der wir Zugang zu den Musiken verschiedener Kulturen haben und so die Schönheitsideale verschiedener Epochen und Ethnien vergleichen können. Schönheit liegt nicht in der Musik sondern im Ohr des Hörers. […] Carmina Burana (oder zumindest ein Satz daraus) ist eine der erfolgreichsten Kunstmusik-Kompositionen des 20. Jh., was bedeutet, dass viele Menschen dieses Werk vermutlich schön finden. Aufgrund der politischen Positionen des Komponisten ist es dennoch ethisch umstritten. Eine Mehrheit der Rezipienten empfindet atonale Musik hingegen bis heute nicht als „schön“, aber sie deshalb gleich als „böse“ zu klassifizieren halte ich für grundfalsch..“ (Marx 2012: „…denn sicher kommt der Tod!“ Der Tod als das Böse in György Ligetis Le Grande Macabre. S. 35)

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Abbildung 2: Carmina Burana: O fortuna (siehe: http://www.kirchenmusikverein.at/konzerte/carmina/carmina.html)

Die Klassifizierung von Gut und Böse aus der Musik zu verbannen, scheint eine sehr befriedigende Antwort darauf zu sein, ob man eine bestimmte Musik als „die ultimativ schöne Musik“ bezeichnen kann. Auch wenn im folgenden Beispiel wieder die Zwiespältigkeit der Musik, vor allem des Musikerlebnisses und die Wichtigkeit der Botschaft vom Komponisten an den Hörer, zum Vorschein kommt:

„Dies bedeutet, dass ein Kunstwerk schön ist, wenn es erfolgreich darin ist, etwas gemäß der Intention eines Schöpfers zum Ausdruck zu bringen. Wir würden Arnold Schönebergs Überlebenden aus Warschau wahrscheinlich nicht als im landläufigen Sinne schöne Musik einstufen, aber das ist es auch nicht, was der Komponist intendiert hat. Er wollte die unschöne – die böse – Situation im Warschauer Ghetto beschreiben (sowie auch die Rückkehr der Juden zur Religiosität in einer ausweglosen Situation), und dies gelingt ihm sehr „erfolgreich“. (Marx 2012: „…denn sicher kommt der Tod!“ Der Tod als das Böse in György Ligetis Le Grande Macabre. S. 36)

Es sollte im Übrigen nicht außer Acht gelassen werden, dass nicht jede Musik die Aufgabe hat, eine gute Befindlichkeit beziehungsweise Fröhlichkeit bei dem/r Hörer/in auszulösen. Musikstücke 66

übermitteln bestimmte Botschaften (die einen mehr die anderen weniger) und diese Botschaften können auch traurig sein und Leid übermitteln. Viele Komponisten/innen verarbeiten eigene Erlebnisse in ihren Liedern. Natürlich ist somit nicht garantiert, dass genau diese Emotion, die der/die Musiker/in versucht durch die Musik zu übertragen auch derartig vom Publikum empfunden wird, denn dies ist ein zu individuelles Erlebnis. Zusätzlich zum Klang und zur Melodie, sind bei vielen Liedern die Texte vordergründig. Zum Beispiel für den Musiker Boris Bukowski sind seine Texte von großer Bedeutung natürlich in Kombination mit der Musik. (siehe Interview im Anhang) Auch die subjektiv empfundene „böse“ Musik, hat ihren eigenen Charme und erntet oft bei den Hörern/innen positive Resonanz, da sie eine starke Emotion übermittelt. Den Stücken, in denen der Tod vorkommt oder schlimmer noch der Teufel, wohnt eine bestimmte Mystik inne, die den/die Hörer/in dazu verführen kann, die eigene Phantasie zu aktivieren und in ihr einzutauchen. Doch das war natürlich in früherer Zeit oftmals nicht so einfach und harmlos, denn Texte, Lieder oder Gemälde, die mit dem Tod oder dem Teufel in Zusammenhang gebracht wurden, waren damals für die Menschen eindeutig böse. Aber im Laufe der Zeit wurde der Mensch aufgeklärt und vor allem auch eines Besseren belehrt und fand einen anderen Zugang um mit dem Tod umzugehen. Durch den Anstieg des Wissens und im Zeitalter der Aufklärung wurde mit vielen Mythen und Aberglauben aufgeräumt, vor allem mit unnötigen Angstmachern. Die Kirche verlor immer mehr an Macht und Unfehlbarkeit. Der Tod gehört zum Leben und ist möglicherweise auch genau das, was dem Leben einen Sinn gibt. Er erinnert einen an die Vergänglichkeit und daran, dass es ein absolutes Ende gibt. Natürlich haben die meisten Menschen Angst vor dem Tod und vor allem auch vor der Vorstellung, dass unklar ist, was nach dem Tod mit einem passiert. Darum ist es auch nicht so weit hergeholt, dass er in der christlichen Religion mit Satan und dem Ur-Bösen verbunden wurde. (vgl. Marx 2012: „…denn sicher kommt der Tod!“ Der Tod als das Böse in György Ligetis Le Grande Macabre. S. 37) Noch schlimmer als Tod oder die Toten sind doch wohl die „Untoten“, ob sie ein ewiger Mythos sind oder als wahre Geschichte verkauft werden, so werden sie dennoch in musikalischer Form immer unter uns weilen, mit dem sogenannten Instrument des Teufels, der Orgel.

8.3 Das böse Instrument – Die Orgel

„Er wird von Fledermäusen umschwirrt, trägt einen schwarzen Umhang und lacht dämonisch. Wenn er zu zählen beginnt, blitzt und donnert es. Er hat zwei überlange Eckzähne und: Er spielt Orgel. Graf Zahl aus der Sesamstraße ist sicher einer der

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bekanntesten Bösewichte, die Meister auf diesem Instrument sind. Doch es gibt noch einige mehr davon. […] Wie aber kommt es, dass die „Bösen“ ausgerechnet der Orgel verfallen? Woher kommt die semantische Verbindung des Bösen mit dem auf den ersten Blick kirchlichen Instrument? Wie gelangte es in den Kontext des Bösen?“(Fromme 2012: Ein Instrument im Kontext des Bösen – Warum Graf Zahl die Orgel spielt S. 61)

Die Orgel lässt sich in vielerlei Hinsicht betrachten, nicht nur als Teufelszeug, denn in erster Linie war sie beziehungsweise ist sie ja ein Instrument der Kirche und kann schöne Klänge hervorbringen, die natürlich unter gehen können, wenn sie richtig gespielt wird. Es ist die ewige Angst des Menschen vor dem Unbekannten, die es schafft, dass die Geschichten von Vampiren, teuflischen Gestalten und dergleichen, überhaupt solch eine starke Anziehungskraft ausüben können.

8.3.1 Die katholische Orgel

Da die katholische Orgel somit mehr der teuflischen Seite angehörig war, musste der „Teufel“ in irgendeiner Art und Weise verbannt werden. Dies äußerte sich in einer Orgelfeindlichkeit die dazu führte, dass 1527 die Züricher und 1597 die Schaffhausner Orgeln zerstört wurden. Folgende vier Aspekte können eine Begründung dafür sein, wie es zu dieser Ausschreitung hinsichtlich eines Kircheninstruments kommen konnte:

 Die Orgel wurde, im Gegensatz zur menschlichen Stimme, als totes Instrument angesehen.

 Das Bild der Orgel ließ sich mit der stark beworbenen Bescheidenheit des Protestantismus nicht arrangieren.

 Die Orgel stand als Symbol für den sündhaften Wohlstand der katholischen Kirche.

 Weil sie als Charakteristikum der katholischen Kirche angesehen wurde, begann auch eine Ablehnung aus politischen Gründen. (vgl. Fromme 2012: Ein Instrument im Kontext des Bösen – Warum Graf Zahl die Orgel spielt S.65/66 und vgl. auch: Davies S. 2000: Destroying the Devil´s Bagpipe. Iconoclasm and the fate of the organ in Reformation Switzerland, in: The past in the present. Papers read at the IMS Intercongressional Symposium and the 10th Meeting of the Cantus Planus, Budapest, 2000 S. 131-165)

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Abbildung 3: Die katholische Orgel der Kirche Freiburg (siehe: http://www.katholische-kirche-freiburg.de/Gesellschaft-- Kultur/Kirchenmusik/Orgeln-in-Freiburg/St.-Martin-Hochdorf/)

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9.0 Musik als Ausdrucksmittel und Mittel zur Manipulation

Wie bereits erwähnt, ist Musik sehr wirkungsintensiv, vor allem für den Menschen und im Hinblick auf sein Urteilsvermögen. Darum ist Musik natürlich in der Werbung ein willkommenes Mittel, um dem/r Zuschauer/in beziehungsweise Zuhörer/in bestimmte Produkte schmackhafter zu machen und ihn/sie dazu zu verleiten, dieses auch zu kaufen.

„Ihr scheint eine eigentümliche Kraft innezuwohnen, die einzelne Personen und Gesellschaften nutzen, um eine Wirkung zu erzielen. Um eine romantische Stimmung zu erzeugen, wird einschmeichelnde Musik aufgelegt, ein Kind wird mit einem sanften Wiegenlied in den Schlummer gesungen, eine Trauerfeier wird mit gemessener schwerer Musik begleitet und kaum ein Fest beginnt ohne fröhliche oder feierliche Musik.“ (Hodapp 2003: Musik als Sprache der Gefühle: Zur Psychophysiologie musikalischer Gefühlswirkungen S. 213)

Wenn man zum Beispiel die gewaltigen Klangeffekte in Filmen bedenkt, ohne die uns eine spannende Szene wahrscheinlich nur halb so prickelnd vorkommen würde, dann geht das eigentlich schon über eine simple musikalische Untermalung hinaus. Musik scheint hier bereits als unverzichtbare Notwendigkeit zu fungieren, deren Aufgabe es ist, Filmszenen noch bedeutender erscheinen zu lassen. Musik wird also gezielt eingesetzt, um einen bestimmten Zweck zu verfolgen und Emotionen bei Menschen hervor zu rufen oder sie zu verstärken. Natürlich nicht zu vergessen, wie in der Einleitung kurz angeschnitten wurde, die ruhige fast schon meditative Musik in Kaufhäusern, die eine Wohlfühl- Atmosphäre in einem überfüllten hektischen Einkaufszentrum verbreiten soll, nur um den Kunden beruhigende Gefühle zu übermitteln, so dass sie noch länger verweilen und noch mehr kaufen. Selbstverständlich wird Musik auch im Film verwendet um diverse Situationen noch eindringlicher darzustellen, damit sie auch, sozusagen, unter die Haut gehen. Es wird hier rein mit rationalen, ausgeklügelten Systemen gearbeitet, die das einzige Ziel verfolgen, materiellen Profit herauszuschlagen und mit der Einflussbereitschaft der Menschen im musikalischen Rahmen, ist dies einwandfrei möglich. Es gibt unzählige solcher Alltagsbeispiele, die aufzeigen, wie manipulativ Musik auf den Menschen wirken kann und, dass niemand vor dieser Wirkung gefeit ist, auch nicht musikalisch vorgebildete Menschen. Dazu gibt es ein interessantes Experiment:

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„In einer Serie von Experimenten wurden den Versuchspersonen (Studenten und Musiklehrern) Videos gezeigt, auf denen verschiedene Pianisten und Sängerinnen dieselben Stücke vortrugen (Behne 1994). Die Probanden wurden gebeten, die angeblich verschiedenen Interpretationen zu vergleichen und zu bewerten. Tatsächlich hörten sie immer wieder dieselbe Interpretation, die lediglich von verschiedenen Interpreten im Playback – Verfahren gedoubled wurde. Selbst musikalisch Vorgebildete erkannten nur in Ausnahmefällen, dass sie identische Interpretationen gehört hatten. Die Urteile klaffen so sehr auseinander, dass es im Nachhinein kaum glaubhaft erscheint, dass jeweils die gleichen Akteure gemeint waren.“ (Gembris 2002: Wirkung von Musik – Musikpsychologische Forschungsergebnisse S.17; siehe auch: Behne K.-E. 1994: „Blicken Sie auf den Pianisten?!“ – Zur bildbeeinflussten Beurteilung von Klaviermusik im Fernsehen. In: Behne, K.-E., Gehört-Gedacht-Gesehen. Zehn Aufsätze zum visuellen, kreativen und theoretischen Umgang mit Musik. Regensburg: ConBrio S.9-22)

Natürlich kam hierbei auch der visuelle Aspekt hinzu, dass die Musiker/innen auf eine Leinwand projiziert wurden und man die Melodien nicht nur hörte sondern auch eine Performance dazu sah, aber dennoch ist dieses Nicht–Erkennen des gleichen Musikstückes wieder ein Indiz dafür, wieviel Einfluss die Musik auf uns haben kann und unsere Urteile somit des Öfteren verfälscht werden. Vor allem, dass auch Musiklehrer getestet wurden, die normalerweise für solche Melodien ein geschultes Ohr haben sollten, lässt die Ergebnisse dieses Experimentes noch faszinierender erscheinen. Wie kann aber Musik so etwas „Böses“ vollbringen? Solche Täuschungsmanöver? Eine mögliche Antwort ist einfach ihre unglaublich, weitreichende Wirkungsweise. Nichts auf dieser Welt was uns Menschen zu berühren vermag, ist nur gut und positiv. Wie in dem Kapitel „Anthropologie der Musik“ schon aufgezählt, gibt es sehr viele Wirkungsbereiche der Musik, die schnell erkennen lassen, welche Macht Musik ausüben kann. Ob es sich nun um den individuellen Menschen handelt, eine Gruppe oder einen Staat, nicht einmal vor Tieren macht die Wirkung der Musik halt. Musik kann in uns eindringen, psychisch, physisch und wenn es eine Seele gibt, dann natürlich auch seelisch. Nichts anderes kann das so intensiv und bedingungslos wie sie. Ja, Musik hat ihre eigene Sprache, sie ist eigentlich eine eigene Sprache, wenn nicht wahrscheinlich sogar die mächtigste Sprache der Welt.

9.1 Interpretation durch Musik

„Die Frage, wie Musik aufgeführt wird und welchen interpretatorischen Prämissen eine

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musikalische Aufführung folgt, ist in der heutigen Musikkultur der Frage, wie Musik komponiert wird und welchen ästhetischen Prinzipien eine zeitgenössische Komposition folgt, beinahe gleichrangig geworden. Die Gefahr dieser Verselbständigung der Interpretationskunst ist, den ästhetischen Kern des Kunstwerkes unter der Hülle seiner sich in den Vordergrund drängenden musikalischen Darstellung aus den Augen zu verlieren.“ (Höllwerth 2007: Musikalisches Gestalten S. 12)

Von Musikern/innen, die bekannte Stücke performen, wird meist von den Hörern/innen indirekt verlangt, dass sie diese Stücke zwar so spielen, dass sie einen Wiedererkennungswert haben aber auch, dass der/die Künstler/in zeigt die Fähigkeit zu besitzen, eine eigene Interpretation daraus zu machen. Unzählig viele Stücke wurden immer wieder neu interpretiert, sei es in der Klassik, zum Beispiel Mozart und Beethoven, deren Werke oft sogar mit anderen Beats unterlegt und mit einer komplett neuen Musikrichtung verknüpft werden, oder in der Popmusik zum Beispiel die Beatles. Aber auch große Musiker/innen haben sich die Freiheit genommen andere Werke neu zu interpretieren und hatten damit des Öfteren mehr Erfolg als die Originalversion. In der Popmusik ist der bekannte Titel „I will always love you“ ein interessantes Beispiel dafür. Die großartige und leider bereits verstorbene Sängerin Whitney Houston hat diesen Titel zum Erfolg geführt, dennoch ist er eine Interpretation beziehungsweise eine Coverversion von der Country-Sängerin Dolly Parton, was die wenigsten wissen, da dieser Song erst von Houston gesungen und auch in Kombination mit dem Film „Bodyguard“, große Popularität erlangte. Doch welche Werke neigen dazu sehr oft interpretiert zu werden und warum? Hegel hat folgende Theorie dazu:

„Den Drang zur Interpretation lösen nur Werke aus, die auf irgendeine Weise über sich selbst hinausweisen und auf mehr hindeuten als auf das, was sie aussprechen. Die Interpretation ist genau der Ort, wo dieses Mehr sich artikuliert und zum Ausdruck kommt. Sie ist ein Grenzgebiet: ein Niemandsland, das dem Werk an sich nicht mehr gehört und der Welt, die es aufnimmt, noch nicht.“ (Baricco 1999: Hegels Seele S. 36)

9.1.1 Verwirklichung des vorgestellten Bildes

Oft ist es allerdings so, dass der Musiker ein Bild vor Augen hat, wie er sein Stück spielen möchte und er denkt genau zu wissen, wie seine Interpretation ablaufen wird, aber in der Realität kann er dies leider nicht, wie gewollt, umsetzen. 72

„Das schönste Ideal ist nutzlos, wenn es nicht in die Realität umgesetzt wird. Der Interpret kann sich das Werk noch so ideal vorstellen und einbilden, es muss doch erst wahrnehmbare Erscheinung werden. Das innere Bild des Werkes wird äußere Erscheinung durch das Musizieren. Diese Transformation des inneren Bildes gelingt aber nie hundertprozentig. Das liegt an der Komplexität der Vorgänge, die eine Aufführung bedingen. Eine Aufführung ist einer Vielzahl unberechenbarer Faktoren unterworfen, die die praktische Umwandlung des inneren Bildes beeinflussen. [... ] Der Gestalter, der das Werk wirklich verinnerlicht und in sich aufgenommen hat, macht es zu seinem persönlichen Anliegen. Im Idealfall ergänzen sich Aufnehmen und Wiedergeben des Werkes zu einer Einheit. Dann halten sich Reichtum der Phantasie und praktische Fähigkeiten des Interpreten die Waage.“ (Höllwerth 2007: Musikalisches Gestalten S. 64/65)

Das interpretierte Werk, wenn es schon über tausend Mal vorgeführt wurde, könnte an Wert verlieren, dadurch, dass es in den kommerziellen Bereich abrutscht und ein Konsumgut wird. Aber Hegel hat auch dafür eine interessante Erklärung:

„Kein musikalisches Produkt ist von vornherein oder nur aufgrund einer speziellen Absicht, die dahinter steht mehr als ein bloßes Konsumprodukt. Es wird erst in dem Moment zu etwas anderem, in dem es bei seinem Gegenüber den Drang, es zu interpretieren, auslöst. Überträgt man das auf den kollektiven Umgang mit dem Phänomen, so ist es dieser Drang, der dem Kunstwerk durch Reproduktion und kritische Reflexion eine Art postumer Existenz ermöglicht, die nicht nur über die Grenzen der Zeit, in der es entstanden ist, hinausgreift, sondern auch über die Realität und die Intentionen dessen, der es geschaffen hat. Dieses „zweite Leben“ und nichts anderes lässt ein musikalisches Produkt zu einem Kunstwerk werden und entzieht es somit der Logik des reinen Konsums.“ (Baricco 1999: Hegel´s Seele S. 35/36)

9.2 Musik als Massenware

Musik und auch Kunst haben ihre eigene Sprache, jede/r Künstler/in und Musiker/in möchte eine Botschaft übermitteln, auch wenn man sie als Außenstehender nicht immer sofort entschlüsseln kann 73 beziehungsweise auch nicht immer Gefallen daran findet, so wird kaum etwas Künstlerisches produziert ohne, dass es dazu eine Hintergrundgeschichte gibt oder dass es ein Ziel verfolgt. Doch manchmal zielt diese Geschichte einfach nur darauf ab Profit herauszuschlagen, so wie es in der modernen Popmusik und auch auf vielen anderen Gebieten unserer Zeit der Fall ist. Die Popmusik ist ein sehr gutes Beispiel, denn durch die Konsumgeilheit, die der Mensch in unserem modernen Zeitalter entwickelt hat, wird aus allen Gütern Profit geschlagen und das macht diese früheren so individuellen „Produkte“, wie Musikstücke oder Kunststücke zu einer Massenware, die vor allem austauschbar ist. Es geschieht hier eine große Rationalisierung der Musik, weg von der rituellen und „magischen“ Essenz musikalischer Klänge, wie sie für viele Urvölker so wichtig war, hin zu einer zielgerichteten Massenproduktion, um den materiellen Gewinn zu maximieren. Es wird versucht möglichst viel des rationalen Gehaltes (der nach wie vor unbestimmt ist) begrifflich zu explizieren. Viele interessante oder spannende Botschaften stecken nicht mehr in unserer heutigen Popmusik, weder in der Komposition die sich von gewaltigen mehrstimmigen Ouvertüren in plumpe, einfache 4 Akkord–Musik verändert hat, nur um Ohrwurmlieder wie auf dem Laufband zu produzieren, die möglichst schnell in den Charts landen und sehr viel Geld einbringen, noch in den Texten, die sich meistens wiederholen und deren Sinnhaftigkeit stark anzweifelbar ist.

„Die Verdinglichung von Musik, die sich nicht zuletzt in der Herauslösung einzelner Stücke aus ihrem angestammten Zusammenhang äußert, geht einher mit deren relativ neuer Rolle als austauschbare Ware, die angemessen vermarktet werden muss. Der musikalisch- kompositorische Sinn spielt keine Rolle mehr.“ (Noeske 2012: Versuch über das Anorganische in der Musik: Der Mephisto-Komplex und das 19. Jahrhundert S. 21)

Musik ist wie eine eigene Sprache, allerdings keine Sprache, die wie die natürliche Sprache, einem Gesetz der Logik unterworfen ist, sondern sie besitzt die Eigenschaft der Neutralität und Defragmentierung. (vgl.: Götschl 2004: Philosophie der Musik: Zur existentiellen und kulturellen Bedeutung der Musik (ein Essay) S.6) Wie schon erwähnt, gibt es in der musikalischen Sprache keine wahr - oder falsch – Beurteilung. Aus diesem Grund kann man auch nicht sagen, dass diese moderne Musik im Sinne einer Massenware falsch ist. Es ist immer noch persönliche Ansichtssache und eine individuelle Entscheidung, wie man eine bestimmte Musik bewerten möchte. Da das Prinzip Angebot – Nachfrage am Markt immer noch aktuell ist und die Nachfrage nach mehr Musik eher steigt, wird diese Fließbandmusik weiter produziert werden. Der Mensch ist zum Glück nicht gezwungen zu diesem Konsum beizutragen und

74 kann sich aussuchen welche Art von Musiker/in er gerne hört, aber der Markt richtet sich nach der Allgemeinheit, also wird die Musik als Massenware und somit rational-kalkulierbares Produkt noch länger weiter bestehen.

9.3 Reizüberflutung durch Musik

Musik kann Emotionen auslösen, beeinflusst uns oft auch ungewollt und kann uns manipulieren, aber sie hat auch die Fähigkeit, vor allem in unserer heutigen Gesellschaft, uns quasi zu überfluten und zwar so, dass sie mehr lästig als angenehm empfunden wird. Dieser lästige Beigeschmack kommt nicht direkt von der Art der Musik oder dem Musikstück an sich, sondern von der penetranten Häufigkeit in der Musik im Alltagsleben vorkommt und einem praktisch aufgezwungen wird.

„In unserer heutigen Kultur ist Musik derartig allgegenwärtig, dass sie von sensiblen Menschen bereits als Umwelt- oder Innenweltverschmutzung empfunden wird. Kein Einkaufszentrum kommt ohne Lautsprechermusik aus, die Restaurants werden immer häufiger fließbandmusikalisch beschallt, und selbst im Straßenverkehr dröhnt es aus den üppigen Stereoanlagen erbarmungsloser Autofahrer. Die urbane Gesellschaft ist dazu übergegangen, den als lästig empfundenen Lärm mit Musik zu überdröhnen und solcherart den akustischen Schmutz mit noch stärkeren Edelschmutz zu überschminken. Man wünscht sich eine Wunderwaffe, mit der augenblicklich wenigstens im Umkreis des geräuschgeplagten Zeitgenossen Stille einträte. Die Schallplatte, die Stille verströmt, ist noch nicht erfunden. Und es ist fraglich ob wir diese Stille zu schätzen wüssten.“ (Kaspar 2008: Klangrede S. 15)

Kennt der heutige Mensch überhaupt noch richtige Stille? Eine Art von Lärm gibt es immer, vor allem in der Stadt, und wenn es nur das Ticken der Küchenuhr ist oder ein Auto das vorbei fährt, richtige Stille gibt es vor allem in unserer westlichen Gesellschaft einfach nicht mehr. Irgendwie scheint es so als würde eine totale Stille jedem einzelnen vielleicht sogar gut tun in dieser hektischen Gesellschaft. Aber andererseits kann ebenso die Möglichkeit bestehen, dass viele Menschen gar keine richtige Stille haben möchten, weil sie sie gar nicht ertragen würden. In unserer schnelllebigen Zeit, vollgepackt mit Stresssituationen und Volkskrankheiten wie Burnout-Syndrom und Depressionen, könnte eine reine Stille nur noch mehr unterdrückte Emotionen im Menschen hervorrufen, kurz gesagt, er müsste sich mit sich selbst beschäftigen, ohne Ablenkung. Viele Menschen bevorzugen

75 dann lieber Lärm als Ruhe natürlich auch deswegen, weil sie es nicht mehr anders gewohnt sind. Also um auf Kaspars letzten Satz des oben angeführten Zitats zurückzukommen (Und es ist fraglich ob wir diese Stille zu schätzen wüssten) da scheint es nur naheliegenden, dass wir sie sogar mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu schätzen wüssten.

9.4 Hintergrundfunktion der Musik

Die Musik hat in vielen Bereichen unseres Lebens eine bestimmte Funktion eingenommen. Situationen oder Zeiten in denen bestimmte Lieder immer wieder gespielt werden, seien es Kirchenlieder oder auch Weihnachtslieder, die auch sofort mit diesen Begebenheiten assoziiert werden, sind oft schon seit über Jahrzehnten festgelegte Schemata. Doch die Musik an sich ist hierbei meist nicht der Hauptakt sondern muss sich den Situationen unterordnen.

„Überall dort, wo sich Musik in gesellschaftliche Verwertungszusammenhänge begibt, wo sie sich außermusikalischen Ansprüchen unterordnet – sei es als Unterhaltungsmusik, als Kirchenmusik oder als politische Agitationsmusik – ist ihre Funktionsbestimmtheit eindeutig festzumachen, ist sie sogar zu ihrem Markenzeichen geworden.“ (Fehling 1976: Manipulation durch Musik S. 11)

Die Musik kann natürlich neben ihrer großen „Macht“ auch als Hintergrundbegleitung fungieren. Somit ist es möglich, dass Musik einfach eine bestimmte Situation untermalt, sei es eine bestimmte Festivität, ein Firmenevent oder eine Dokumentation. Natürlich ist in Film und Fernsehen die Musik meist auch als Hintergrundfunktion deklariert, aber da diese Musik gar nicht mehr wegzudenken ist, ist sie zu einem fixen Bestandteil dieser Branche geworden und dadurch auch zu einer Hauptfunktion. Wenn Musik beim Arbeiten im Hintergrund läuft, so wird sie natürlich nicht permanent bewusst aufgenommen, da man sich ja meistens auf seine Tätigkeit konzentriert aber sie wird unbewusst wahrgenommen und bei einigen Menschen wirkt sie sogar konzentrationsfördernd. Andere nehmen Musik als Entspannungsmethode in den Pausen der Arbeit und nutzen die musikalische Wirkung in dieser Form. Ob Musik nun als Hauptfunktion oder als Hintergrundfunktion eingesetzt wird ändert nichts daran, dass sie Einfluss ausübt, sei es bewusst oder unbewusst.

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10.0 Zur individuell – existentiellen Bedeutung von Musik

Die Musik ist mehr als eine Zusammenkunft organisierter Schallereignisse und Rhythmik, somit auch mehr als die Summe ihrer Teile. Viele Philosophen, Musikwissenschaftler und Psychologen haben sich mit dem Phänomen Musik auseinandergesetzt und versucht, es zu analysieren. Natürlich ergaben sich viele Theorien und Studien, die auch hoch interessant sind und einige davon wurden in den bisherigen Kapiteln theoretisch aufgezeigt, dennoch steckt sicher noch mehr hinter dem Wunder namens Musik. Sogar geschichtliche Fakten wurden erörtert aber das alles klärt noch nicht die Frage, die in diesem Kapitel in Angriff genommen werden soll: Was ist eigentlich die Musik an sich und wie wirkt sie auf den Menschen selbst? Um die Wirkung der Musik auf den Menschen greifbarer und anschaulicher zu machen und nicht nur theoretisch zu durchdenken, wurden 22 Personen befragt, 11 Nicht-Musiker/innen und 11 Musiker/innen, deren Interviews im Anhang zu lesen sind und in diesem Kapitel analysiert werden. Vo rab wird der Interview - und Analyse - Verlauf genau aufgezeigt.

10.1 Erklärung des Interviewverlaufs mit 22 Befragten

Die 11 Nicht-Musiker/innen sind Männer und Frauen mit verschiedenen Arbeitsrichtungen und Studien. Der Begriff Musiker/in beinhaltet in diesen Analysen eine/n Profi-Musiker/in dessen/deren einziger oder zumindest Haupt-Beruf darin besteht Musikstücke zu komponieren, auf einer Bühne zu musizieren und Geld für seine/ihre musikalischen Aktivitäten zu erhalten. Vorweg ist hier wichtig zu erwähnen, dass sich diese Analysen ausschließlich auf die 22 Probanden/innen, die interviewt wurden, beziehen und somit keine verallgemeinernde Aussage getroffen werden kann. Angesichts der Thematik der Diplomarbeit wurden 12 Fragen ausgewählt wovon folgende 5 bei beiden Gruppen gleich sind:

1. Was bedeutet Musik für dich? 2. Beeinflusst dich Musik? Wenn ja, wie? 3. Spricht Musik deine Rationalität (Vernunft) an? 4. Glaubst du, dass es Menschen gibt, die jegliche Musik hassen? 5. „Wer Musik nicht liebt, verdient nicht ein Mensch genannt zu werden, wer sie nur liebt ist erst ein halber Mensch, wer sie aber treibt ist ein ganzer Mensch.“ Zitat von Goethe Siehst du das auch so?

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Bei den Nicht-Musikern/innen kamen noch diese 2 Fragen hinzu:

6. Hältst du dich für musikalisch? 7. Praktizierst du Musik oder hast du früher Musik praktiziert?

Diese beiden Fragen schienen für die Musiker/innen nicht angebracht beziehungsweise unnötig, darum wurden bei den Musikern/innen zu den 5 gleichen Fragen noch 7 hinzugefügt, die gesamten Fragen lauteten im Interviewverlauf somit wie folgt:

1. Was bedeutet Musik für dich? 2. Beeinflusst dich Musik? Wenn ja, wie? 3. Spricht Musik deine Rationalität (Vernunft) an? 4. Enthält die Musik, neben ihrem emotionalen Aspekt, auch etwas Rationales? 5. Ist das Komponieren von Liedern ein eher emotionaler oder rationaler Akt? 6. Glaubst du, dass es Menschen gibt, die jegliche Musik hassen? 7. „Wer Musik nicht liebt, verdient nicht ein Mensch genannt zu werden, wer sie nur liebt ist erst ein halber Mensch, wer sie aber treibt ist ein ganzer Mensch.“ Zitat von Goethe. Siehst du das auch so? 8. Glaubst du, dass jeder Mensch irgendwie musikalisch ist? 9. Kann Talent beziehungsweise eine musikalische Begabung mit Übung erlernt werden oder ist so etwas angeboren? Zum Beispiel Mozart: War er ein Genie? 10. Gibt es eine Musikrichtung, die dich ganz besonders beeinflusst oder berührt? Wenn ja, welche und warum? 11. Berufsleben und Musikerleben, wie empfindest du den Unterschied und wie kommst du damit zurecht? 12. Hast du als Musiker/in manchmal Versagensängste? Zum Beispiel finanzieller Druck oder Leistungsdruck auf der Bühne.

Die Fragen Nummer 11 und 12 wurden allerdings nicht jeden der 11 Musiker/innen gestellt. Diese Interviews sind offene Interviews, das heißt, dass die Befragten frei zu den gestellten Fragen antworten konnten. (vgl.: Mayring 1990: Einführung in die qualitative Sozialforschung S.45) Im weiteren Verlauf wurden die geführten Interviews transkribiert und danach exzerpiert um die Kernaussagen der einzelnen Antworten herauszufiltern, angelehnt an die Methode von Dr. Philipp Mayring, wurde dies wie folgt durchgeführt: 78

Als Vorzeigebeispiel wird hier das Interview mit der Nicht-Musikerin Lisa genommen, deren Antworten zuerst in Kurzform umgeschrieben wurden, bis die Kernaussagen erfasst werden konnten. Gestellt wurden ihr die zuvor oben genannten 7 Fragen der Nicht-Musiker/innen – Gruppe.

Interviewantworten Kurzform Kernaussage 1. Für mich bedeutet Die Bedeutung ist Ablenkung Ablenkung und Unterhaltung Musik Ablenkung und und Unterhaltung

Unterhaltung. 2. Ja, beim Ja, beim Pferdesporttraining ist Ja, hilfreicher Takt beim Pferdesporttraining, der Takt sehr hilfreich und Pferdesporttraining. wirkt Musik Musik entspannt mich und Entspannung und Fröhlichkeit entspannend, der Takt stimmt mich fröhlich. ist sehr hilfreich und Musik stimmt mich auch fröhlich. 3. Teilweise Ja, denn ich Teilweise ja, denn Musik ist Teilweise ja. lerne gerne mit Musik, konzentrationsfördernd und Konzentrationsfördernd beim weil es meine Lernbegriffe werden mit den Lernen Konzentration fördert Liedern verbunden. und ich mit bestimmten Liedern Lernbegriffe verbinde. 4. Nein, hassen glaube Nein, hassen glaube ich nicht Hassen nein aber Musik hat ich nicht aber es kann aber einige Menschen legen keinen Wert für Manche. schon Menschen keinen Wert auf Musik. geben, die einfach keinen Wert auf Musik legen und sich von ihr gestört fühlen. 5. Nein, denn man kann Nein, Musik ist ein Teil von Nein, Musik macht den einen Menschen auf so einem Menschen aber macht Menschen nicht aus etwas nicht herunter ihn nicht aus rationalisieren. Musik ist ein Teil von einem Menschen aber macht ihn nicht aus. 6. Ja, schon Ja Ja

7. Früher Klavier aber Früher Klavier Klavier seit 8 Jahren nicht mehr.

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Nach dem Erfassen aller Kernaussagen wurden diese miteinander verglichen, um Ähnlichkeiten und Unterschiede der Antworten unter den 22 Probanden/innen festzustellen. Zu diesem Zweck wurden auch sehr ähnliche Aussagen interpretativ zusammengefasst. Einige Fragen wurden bei der darauffolgenden Inhaltsanalyse in Überkategorien zusammengenommen. Bevor diese Überkategorien mit den Inhaltsanalysen erklärt und beschrieben werden, werden hier kurz einige Interviewfragen näher erörtert.

10.1.1 Philosophische Erörterung einiger Interviewfragen

Die ersten zwei Fragen über die Bedeutung und den Einfluss der Musik dienen dazu um herauszufinden, wie der einzelne Mensch, vor allem im Vergleich von Nicht-Musiker/in und Musiker/in, mit der Musik in Beziehung steht und welche Ausdrücke er/sie verwendet um dies zu beschreiben. Über den Musikgeschmack lässt sich freilich streiten, ob Klassik, Pop oder Elektro- musik, ist eine Frage der individuellen Favorisierung der jeweiligen Person aber ist es tatsächlich möglich, dass es Menschen gibt, die Musik gänzlich aus ihrem Leben zu eliminieren versuchen? Ein Musikhasser scheint undenkbar und vor allem ist es auch schwer vorstellbar wie so jemand seine Tage fristen kann und wenn man davon ausgeht, dass sogar der eigene Körper durch den Schlag des Herzens und die Natur an sich schon Musik oder Rhythmik beinhalten, würde sich die Flucht wahrscheinlich umso schwieriger gestalten. Ist es überhaupt möglich sich so etwas auch nur vorzustellen? Bei einer Weltbevölkerung von ca. 7 Milliarden Menschen, könnte es doch möglich sein, dass es Musik verachtende Menschen gibt, die es irgendwie geschafft haben im Alltagsleben der Musik zu entkommen, sie wirklich nicht wollen und dennoch Menschen sind und fähig sind zu lieben. Vielleicht gibt es irgendwo auf dieser Welt sogar ein kleines Volk, das sich zusammen getan und gemeinschaftlich die Musik aus ihrem Dorf verbannt hat und stattdessen vielleicht völlig besessen ist von Malerei oder ähnlichem. Obwohl das ja in unserer Gesellschaft recht schwer sein dürfte, da einem Musik ja praktisch aufgedrängt wird, und ein Musik verweigernder Mensch würde dem nur dann entrinnen können, wenn er sich daheim alleine versteckt ohne jeglichen sozialen Kontakt, Fernsehen, Radio oder Internet. Selbst bei Völkern, die keine technischen Geräte besitzen, wird ständig Musik gemacht. Wie soll ein Leben völlig ohne Musik somit möglich sein? Laut Johann Wolfgang von Goethe überhaupt nicht, denn folgende Worte soll er 1822 zu dem Musiker Joseph Pleyer gesagt haben:

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„Wer Musik nicht liebt, verdient nicht ein Mensch genannt zu werden, wer sie nur liebt ist erst ein halber Mensch, wer sie aber treibt ist ein ganzer Mensch.“ (Goethes Gespräche(...) Aufgrund der Ausgabe und des Nachlasses von Flodoard Freiherrn von Biedermann ergänzt und herausgegeben von Wolfgang Herwig. Bd. III/1, Zürich 1971, S.560)

Somit beschreibt Goethe die Musik gar nicht mehr als ein Phänomen, sondern eher als eine wichtige, unerlässliche Eigenschaft, die die Spezies Mensch charakterisiert beziehungsweise ohne diese Eigenschaft der Mensch kein Mensch mehr wäre, sondern sogar vielleicht irgendeiner anderen Gattung angehörig sein müsste. Da es allerdings auch Studien darüber gibt, dass Tiere und sogar Pflanzen auf Musik reagieren, müsste es sich um eine komplett andere Spezies handeln, die wir noch nicht kennen. Dies ist ein interessantes Gedankenexperiment, doch wie viel Wahrheit steckt dahinter? Es kommt natürlich auch auf die Sichtweise an, denn Johann Wolfgang von Goethe lebte von 1749 bis 1832 und jetzt schreiben wir das Jahr 2014, also sollte man miteinbeziehen, dass sich nicht nur in der Musik sondern auch allgemein so einiges verändert hat. Goethe war ein grandioser Dichter und er beschäftigte sich auch mit der Naturwissenschaft aber aus heutiger Sicht war er wahrscheinlich weder Musikwissenschaftler, Psychoanalytiker noch Biologe oder ein sonstiger Wissenschaftler, für die damalige Zeit allerdings galt er natürlich als weiser Mann und war auch ein Musiker, was es sehr schwer macht, seine Worte als „wahr“ oder „falsch“ zu kategorisieren, auch wenn sie schön klingen mögen, ist diese Thematik nur somit nicht so einfach abgetan. Die Musik von damals, im Vergleich zu heute, hat sich natürlich verändert, zu der Zeit von Goethe war Musik ein sehr wertvolles, hohes Gut, heutzutage zwar teilweise auch noch aber hauptsächlich ist Musik zu einer Massenware geworden. Es scheint als hätte Goethe die Fähigkeit Musik zu lieben, mit der generellen Fähigkeit zu lieben gleichgesetzt und wolle somit aufzeigen, dass es unmenschlich ist, nicht lieben zu können, da der Mensch keine Maschine ist und dasselbe auch bei der Musik der Fall ist. Es liegt also auch daran, ob man Goethe historisch verstehen oder nur sein Zitat bewerten möchte. Die Musik will und kann gehört und gemacht werden, aber dazu sind die Menschen nötig, die sie hören und praktizieren, denn sie sind auch die einzigen, die die Antworten über die Musik in sich tragen und weitergeben können. Und genau darum ist es wichtig herauszufinden, wie der Mensch mit der Musik umgeht, sie praktiziert und erlebt. Auch wenn Musik die Emotionen in hohem Maße anspricht, so ist der rationale Teil in vielen Aspekten der Musik ebenso entscheidend und mit Hilfe dieser Interviews soll, begleitend zu den in den vorherigen Kapiteln bereits beschriebenen Theorien, unter anderem aufgezeigt werden, wie beziehungsweise ob die bounded rationality in der Musik von 81 den Probanden/innen angenommen und erfasst wird. Aus Verständnisgründen wurde in diesen Interviews nach dem allgemeinen Begriff Rationalität beziehungsweise nach rationalen Aspekten gefragt aber gemeint ist hier natürlich die bounded rationality.

10.2 Inhaltsanalyse der Interviews

Es wurden teilweise Überkategorien gebildet, die jeweils zwei Fragen beinhalten:  Bedeutung und Einfluss von Musik: Was bedeutet Musik für dich? Beeinflusst dich Musik? Wenn ja, wie?  Rationalität und Musik: Spricht Musik deine Rationalität an? Enthält die Musik neben ihrem emotionalen Aspekt auch etwas Rationales?  Musikhass und Musikliebe: Glaubst du, dass es Menschen gibt die jegliche Musik hassen? Goethe-Zitat, siehst du das auch so?  Musikalität und praktische Auslebung der Musik bei Nicht-Musikern/innen: Hältst du dich für musikalisch? Praktizierst du Musik oder hast du früher Musik praktiziert?

Bei den 5 gleichen Fragen der Nicht-Musiker/innen und Musiker/innen wurden vorab die Gruppen einzeln analysiert und danach zum Vergleich herangezogen. Die graphischen Darstellungen, die dieser Analyse beigefügt sind, dienen ausschließlich als übersichtliche Veranschaulichung der Aussagen und Einschätzungen der befragten 22 Personen. Basierend auf diesen Zahlen kann keine verallgemeinernde Aussage getroffen werden. Es folgt eine kurze Begriffserklärung der graphischen Darstellungen:

NM: Nicht-Musiker/in M: Musiker/in k.k.A: keine klare Antwort k.A.: keine Antwort

10.2.1 Bedeutung und Einfluss von Musik

Nicht – Musiker/innen: Jeder Einzelne der Nicht-Musiker/innen zögerte bei der ersten Frage (Was bedeutet Musik für dich?), bis er/sie seine/ihre Antwort gab. Das zeigt, dass es schwer ist Musik zu definieren beziehungsweise 82 in Worte zu fassen, auch wenn die Frage auf die reine Einzelperson selbst gerichtet ist und keine analytische Begriffserklärung verlangt wird. Von einer Probandin wurde nach dem Zögern sehr treffend folgendes formuliert: „Das kann ich nicht in Worte fassen. Musik fühlt man einfach.“ (siehe Anhang, Zitat Maren: Interview Nicht-Musikerin) Die ersten zwei Fragen über die Bedeutung und den Einfluss der Musik für/auf die befragten Personen wurden des Öfteren ähnlich bis gleich beantwortet. Auffällig ist, dass die Worte Emotion und Stimmung häufig gefallen sind, auch in detaillierter Form, wie: Musik ist stimmungsaufhellend, erheiternd oder traurig machend. Für die meisten der Nicht-Musiker/innen bedeutet Musik Ablenkung, Unterhaltung, Entspannung, Motivation und Unterstütztung beim Sport oder genauer wie bei einer Probandin beim Pferdesport, wegen dem hilfreichen Takt (siehe Anhang vgl.: Interview Lisa, Nicht- Musikerin) Die Musik ist für jede/n Einzelne/n ein sehr wichtiger und fixer Bestandteil seine/ihres Lebens und beeinflusst sie in ihrer Stimmung, sie kann Launen verbessern aber auch verschlechtern. Zusammenfassend kann gesagt werden: „Das emotionale Bewusstsein wird durch Musik eindeutig stimuliert“ (siehe Anhang, Zitat Jan, Interview Nicht-Musiker) Ausschließlich alle Nicht-Musiker/innen sowie auch alle Musiker/innen werden von Musik beeinflusst.

NM: Beeinflusst dich Musik? 0

Ja Nein k.k.A. 11

Abbildung 4: Einfluss der Musik auf Nicht-Musiker/innen

Musiker/innen: Bei den Musikern/innen wurde vor der Beantwortung der Frage eins, weniger bis gar nicht gezögert. Die Antworten kamen meist sehr schnell. Bei den Musikern/innen die somit auch Berufsmusiker/innen sind, bedeutet Musik meistens Hobby und Beruf. Sie werden gleich wie die Nicht-Musiker/innen stimmungsmäßig beeinflusst. Für alle Musiker/innen ist die Musik omnipräsent und ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens, ohne den sie nicht existieren wollen. Die Bedeutung der 83

Musik wird von den Musikern/innen vorwiegend folgendermaßen beschrieben: Musik bedeutet Ausdruck, Lebendigkeit, Selbsterfüllung, Schöpfung, Emotion und innerer Frieden oder im Fall von Boris Bukowski: „Musik ist eine Ausdruckform, in einer Sprache, die ich ein bisschen sprechen kann.“ (siehe Anhang, Zitat Boris Bukowski, Interview Musiker)

M: Beeinflusst dich Musik? 0

Ja Nein k.k.A. 11

Abbildung 5: Einfluss der Musik auf Musiker/innen

Vergleich Bevor die Interviews gemacht wurden, wurde vermutet, dass mehr Musiker/innen von der Musik beeinflusst werden als Nicht-Musiker/innen aber erstaunlicherweise, wie man den Interviews entnehmen kann, ist dem nicht wirklich so. Natürlich gibt es kleine Unterschiede bei den Musikern/innen weil Musik auch ihr Beruf ist und sie natürlich durch ihr Wissen über die musikalischen Zusammensetzungen dahingehend mehr beziehungsweise Anderes aus der Musik beziehen, aber für beide Gruppen gilt, dass Musik ein sehr wichtiger Bestandteil ihres Lebens ist und sie von ihr emotional berührt werden. Oft wurde erst beim weiteren Interviewverlauf eher klar, dass für einige Nicht-Musiker/innen die Musik wichtiger ist als sie am Anfang glaubten. Zum Beispiel bei einer Nicht-Musiker - Probandin, die vorerst sagte: „…sie (Musik) läuft zwar im Hintergrund aber ist kein wichtiger Lebensinhalt.“ Und dann im weiteren Verlauf aufzählte, dass sie fast in jeder Situation ihres Lebens eine gewisse Musik höre und früher E-Gitarre, Klavier und Xylophon gespielt hat. Auch als Hintergrundfunktion, kann Musik eine große Bedeutung für die Menschen haben, was aus diesem Interview deutlich hervorgeht. (siehe Anhang vgl. Interview Marie, Nicht-Musikerin)

84

Beeinflusst dich Musik? 11 10 9 8 7 6 Ja M 5 4 Ja NM 3 2 1 0 Ja M Ja NM

Abbildung 6: Vergleich Einfluss der Musik auf NM und M

10.2.2 Rationalität und Musik

Nicht-Musiker/innen: Bei den Nicht-Musikern/innen scheiden sich die Geister bei dieser doch recht schwierigen Frage: „Spricht Musik deine Rationalität (Vernunft) an?“ Vorweg muss gleich in Betracht gezogen werden, dass dies für Philosophen/innen und Musiker/innen keine leicht zu beantwortende Frage ist und für Nicht-Musiker/innen und Nicht-Philosophen/innen noch weniger leicht, da man ja nicht davon ausgehen kann, dass sich die Probanden/innen zuvor schon einmal mit dieser Thematik auseinander gesetzt haben. Also wurde als Hilfestellung, wenn sich ein/e Proband/in nichts darunter vorstellen konnte, gefragt, ob Musik zum Beispiel beim Lernen einen Einfluss auf ihn/sie ausübe. Anhand der Antworten auf die ersten zwei Fragen ist eigentlich klar offensichtlich, dass Musik in hohem Maße auf die Emotion wirkt, bei den Nicht-Musikern/innen und bei den Musikern/innen. Da schon vor den Interviews vermutet wurde, solche beziehungsweise ähnliche Antworten bezüglich des Einflusses der Musik auf die Emotionen zu erhalten, obwohl danach nicht explizit gefragt wurde, kam es direkt zur Fragestellung ob Musik die eigene Rationalität anspricht. Einige meinten Ja, da eine gewisse Logik hinter jedem Musikstück steckt und teilweise werden ein paar Probanden/innen sogar positiv durch Musik beim Lernen beeinflusst. Andererseits halten die Anderen Musik für sehr unvernünftig, nur auf der emotionalen Ebene anregend und auch beim Lernen als eher störend.

85

NM: Spricht Musik deine Rationalität (Vernunft) an?

0

Ja 5 Nein 6 k.k.A.

Abbildung 7: Musik und Rationalität Nicht-Musiker/innen

Musiker/innen Der/die Musiker/in beschäftigt sich mehr oder weniger Tag und Nacht mit Musik, darum wurde in Bezug auf die Rationalität noch eine zweite, vertiefende Frage gestellt. Nach der Frage ob Musik die eigene Rationalität anspricht, wurde auch gefragt ob die Musik neben dem emotionalen Aspekt auch etwas Rationales aufweist. Interessanter und spannender Weise konnte der Großteil der Musiker/innen diesen Aspekt durchaus in der Musik erkennen aber mit dem Vorbehalt, dass die Ratio für ihre musikalische Kreativität nicht förderlich sei und sie sich bemühen diese weitgehend aus dem Spiel zu lassen um der Emotion und dem Gefühl den größten Spielraum zu geben, da Musik ein Emotionsträger ist und der/die Musiker/in diese auch gerne den Hörern/innen übermitteln möchte. Zitat Bukowski:“ Das einzige Rationale was die Musik enthält ist, dass die einzelnen Teile zu den anderen passen aber Musik ist eher eine Sache des Gefühls.“ Dieses Zitat von Boris Bukowski trifft genau die Kernaussage der Musiker/innen hinsichtlich der Rationalität in der Musik.

86

M: Spricht Musik deine Rationalität (Vernunft) an?

2 Ja 1 Nein k.k.A 8

Abbildung 8: Musik und Rationalität Musikern/innen

M: Enhält die Musik selbst, neben ihrem emotionalen Aspekt, auch etwas Rationales? 0 1

Ja Nein k.k.A. 10

Abbildung 9: Rationaler Gehalt der Musik Musiker/innen

Vergleich Im Vergleich zu den Nicht-Musikern/innen fällt stark auf, dass den Musikern/innen eher bewusst ist, dass Musik mit Rationalität zu tun haben kann, sei sie jetzt in den einzelnen Musikstücken enthalten oder spricht sie die eigene Ratio an. Dennoch scheint diese Rationalität nicht allzu willkommen zu sein, wenn es darum geht mit der Musik etwas zu übermitteln, da sie doch die Zuhörer/innen emotional berühren sollte. Von den Nicht-Musikern/innen sagten von 11 nur 5 Ja beziehungsweise teilweise Ja, 6 ziemlich klar Nein, zu der Frage ob Musik ihre Rationalität anspricht, während fast alle Musiker/innen diese Frage bejahten beziehungsweise zumindest einen vorherrschenden 87 rationalen Aspekt in der Musik selbst erkannten. Es scheint als wäre der dominierende, wichtige und allumfassende Wirkungsbereich der Musik in der emotionalen Übertragung beheimatet. Dennoch dient die Ratio für die Musiker/innen oft als Mittel zum Zweck, im Hintergrund, da ohne eine bestimmte Struktur und ein bestimmtes Wissen über diese Materie, diese emotionale Übertragung vielleicht nicht gut genug gemacht werden kann.

Spricht Musik deine Rationalität (Vernunft) an? 11 10 9 8 8 Ja M 7 6 Ja NM 6 5 Nein M 5 Nein NM 4 3 k.k.A. M 2 2 k.k.A. NM 1 1 0 0 Ja M Ja NM Nein M Nein NM k.k.A. M k.k.A. NM

Abbildung 10: Vergleich Musik und Rationalität NM und M

10.2.3 Musikhass und Musikliebe

Schwierig ist allgemein, die Frage, ob es auf dieser großen weiten Welt jemanden geben könnte der jegliche Musik hasst, auch hier waren alle Probanden/innen ziemlich einer Meinung, dass sie es sich nicht wirklich vorstellen können. Natürlich gibt es viel was wir uns nicht vorstellen können oder wovon wir noch keine Kenntnis haben aber das heißt nicht, dass es nicht irgendwo existiert. Anhand der Antworten wurde schnell klar, dass sich einige der Befragten, dessen bewusst sind und somit oft sehr diplomatisch antworteten, wie zum Beispiel „Vielleicht, aber eigentlich kann ich mir das nicht vorstellen…“ oder es versuchten wie folgt zu begründen: „Es geht nicht, denn Musik ist überall auf dieser Welt zu finden.“ Beim Goethe Zitat bereitete der zweite Teil die meisten Probleme „...wer sie aber treibt ist ein ganzer Mensch.“ Denn obwohl ein Musikhasser unvorstellbar scheint, will man die Musik nicht als einzige Eigenschaft ansehen, die einen Menschen ausmacht.

88

Nicht-Musiker/innen Auf die Frage, „Glaubst du, dass es Menschen gibt, die jegliche Musik hassen?“, antworteten alle 11 Probanden/innen mit Nein und begründeten diese Aussage mit folgenden und ähnlichen Sätzen: Ich kann mir so etwas gar nicht vorstellen; Das können nur kranke Menschen sein; Das ist nicht möglich, denn Musik befindet sich überall in der Natur und im eigenen Körper wie zum Beispiel Rhythmus des Herzschlages; Irgendeine Art von Musik muss jeder mögen; Schon Babys im Mutterleib können musikalische Schwingungen mitbekommen. Offensichtlich ist so ein Mensch sehr schwer vorstellbar und auch bei niemanden der Probanden/innen im Freundeskreis mit dabei, denn keiner von ihnen hat jemals mit so einem Menschen zu tun gehabt oder glaubt jemals so eine Person kennenzulernen, somit könnte man eigentlich davon ausgehen, dass ohne Musik zu leben kaum bis gar nicht möglich ist. Zum Zitat von Goethe sind die Meinungen nicht so einheitlich, denn 2 von 11 Nicht-Musikern/innen können diesem Zitat sogar eher beipflichten einer ist sich unsicher und 3 sind sich unschlüssig beziehungsweise empfinden nur den ersten Teil als akzeptabel der besagt: „Wer Musik nicht liebt verdient nicht ein Mensch genannt zu werden…“ und den folgenden Teil halten einige Probanden/innen für übertrieben und zu hart ausgedrückt: „…wer sie nur liebt ist erst ein halber Mensch wer sie aber treibt ist ein ganzer Mensch.“ Wodurch sie somit zu den Probanden/innen zählen die mit „nein“ geantworteten haben. Begründet wird ihre Ablehnung dahingehend, dass Musik keinen Menschen ausmacht sondern nur ein Teil von ihm ist oder auch, dass es Phasen im Leben gibt an denen man vielleicht keine Musik hören möchte und man trotzdem ein Mensch ist. Für 5 von 11 ist dieses Zitat sowieso gar nicht stimmig aufgrund des zu radikalen Inhalts.

NM: Zitat von Goethe. Siehst du das auch so?

1 2 Ja Nein k.k.A.

8

Abbildung 11: Goethe Zitat Nicht-Musiker/innen

89

NM: Glaubst du, dass es Menschen gibt, die jegliche Musik hassen? 0

Ja Nein k.k.A. 11

Abbildung 12: Musikhass Nicht-Musiker/innen

Musiker/innen Obwohl sich fast ihr ganzes Leben nur um Musik dreht, können sich 4 von 11 Musikern vorstellen, dass es Menschen geben könnte die jegliche Musik hassen, obwohl sie natürlich noch niemanden getroffen haben. Dies wird definiert als psychische Krankheit oder als ein gezieltes Ausklammern der gesamten Emotionen. Zusätzlich wird auch erwähnt, dass Musik als Foltermethode genommen werden könnte, wodurch ein musikalischer Hass ausgelöst wird. Als weiteren Grund wird einfach angegeben, dass es eine Vielfalt an Menschen und Lebewesen auf dieser Erde gibt, also vielleicht auch irgendwo Musikhasser. 5 von 11 Musiker/innen, die diese Frage mit „Nein“ beantwortet haben, haben ähnliche Gründe angegeben wie die Nicht-Musiker/innen, allen voran die Aussage, dass so ein musikloser Mensch schwer vorstellbar sei. Das Zitat von Goethe findet bei den Musikern/innen auf jeden Fall Anklang. Nur 3 von 11 Musiker/innen finden Goethes Worte gar nicht passend, da laut den Befragten auch ein/e Nicht-Musiker/in ein ganzer Mensch ist und diese Worte sogar diskriminierend sind. Viele stimmten diesem Zitat voll und ganz zu, denn: „Musik ist ein wesentlicher Teil der Kultur und Kultur ist das, was den Menschen vom Tier unterscheidet.“(siehe Anhang Zitat, Boris Bukowski, Interview Musiker) Es wurde allerdings auch erwähnt, dass Goethes Aussage über die Musik, für seine Zeit auf jeden Fall passend war, aber sich das Musikverständnis bis heute verändert hat. Interessant und schön ausformuliert hat Christian Kolonovits seine zustimmende Begründung zu diesem Zitat:

„Goethe sah Musik auch als die höchste Kunst. Seine Worte kann ich nur voll und ganz unterschreiben. Musik ist ein Lebenselixier, es hält uns nicht nur am Leben sondern treibt uns auch weiter.“ (siehe Anhang, Zitat Christian Kolonovits, Interview Musiker)

90

M: Zitat von Goethe. Siehst du das auch so?

0

5 Ja Nein 6 k.k.A.

Abbildung 13: Zitat Goethe Musiker/innen

M: Glaubst du, dass es Menschen gibt, die jegliche Musik hassen?

0

4 Ja Nein k.k.A. 7

Abbildung 14: Musikhass Musiker/innen

Vergleich Auf jeden Fall zu bemerken ist erstens, die Tatsache, dass gerade die Musiker/innen sich teilweise vorstellen können, dass es Menschen geben könnte die jegliche Musik hassen, während von den Nicht-Musiker/innen niemand so etwas für möglich hält und zweitens, dass es tatsächlich ein paar, wenn auch wenige Nicht-Musiker/innen gibt, die Goethes Zitat, nicht ablehnen sondern dem teilweise sogar zustimmen obwohl explizit drinnen steht „…wer sie nur liebt ist erst ein halber Mensch, wer sie aber treibt ist ein ganzer Mensch.“ 91

„Wer Musik nicht liebt, verdient nicht ein Mensch genannt zu werden, wer sie nur liebt ist erst ein halber Mensch, wer sie aber treibt ist ein ganzer Mensch.“ Zitat von Goethe. Siehst du das auch so? 11 10 9 8 8 Ja M 7 6 Ja NM 6 5 Nein M 5 Nein NM 4 k.k.A. M 3 2 k.k.A. NM 2 1 1 0 0 Ja M Ja NM Nein M Nein NM k.k.A. M k.k.A. NM

Abbildung 15: Zitat Goethe Vergleich NM und M

Glaubst du, dass es Menschen gibt, die jegliche Musik hassen? 11 11 10 9 8 7 7 Ja M 6 Ja NM 5 4 4 Nein M 3 Nein NM 2 1 0 0 Ja M Ja NM Nein M Nein NM

Abbildung 16: Vergleich Musikhass NM und M

92

10.2.4 Musikalität und praktische Auslebung der Musik bei Nicht-Musikern/innen

Die zwei letzten Fragen an die Nicht-Musiker/innen sind: 1. Hältst du dich für musikalisch? 2. Praktizierst du Musik oder hast du früher Musik praktiziert?

Hier herrscht zum Teil eine kleine Diskrepanz, im positiven Sinne, die hoch interessant ist. Erstens fällt sofort auf, nachdem die Mehrheit der Befragten sich für musikalisch hält, dass sie keinesfalls die Musikalität als etwas sehen, das nur den gelernten Musikern/innen vorbehalten ist sondern als eine Art universelles Gut, das für jede Frau und jeden Mann zu haben ist, wenn nicht sogar ein angeborenes Attribut. Zweitens ist auch sehr spannend, dass fast alle früher ein bis mehre Instrumente gespielt haben, jetzt allerdings nicht mehr und nur 3 nie Musik praktizierten (außer mitsingen zu Hause, was in dieser Analyse nicht als aktive Musikpraktizierung gilt) Die leichte Diskrepanz fällt allerdings dahingehend auf, dass 3 Befragte von 11 sich für nicht- musikalisch halten, obwohl sie früher ein oder mehrere Instrumente gespielt haben und 2 Befragte sich für musikalisch halten und kein Instrument spielen oder spielten beziehungsweise Musik praktizieren oder praktizierten. Was aufzeigt, wie unterschiedlich das Wort „musikalisch“ angesehen wird.

NM: Hälst du dich für musikalisch?

0

4 Ja Nein k.k.A. 7

Abbildung 17: Musikalität Nicht-Musiker/innen

93

NM: Praktizierst du Musik oder hast du Musik praktiziert?

0

3 Ja Nein k.k.A. 8

Abbildung 18: Musikalische Erfahrung Nicht-Musiker/innen

10.2.5 Ist Musikalität und Talent in jedem Menschen vorhanden? Aus Sicht der Musiker/innen

Auf die Frage ob jeder Mensch irgendwie musikalisch ist, antworteten fast alle Musiker/innen mit Ja. Begründet wurde diese Bejahung zusammenfassend dahingehend, dass jeder Mensch eine Art Musikalität in sich trägt, die auch schon angeboren sein kann und wodurch somit jeder Mensch ein unterbewusstes Melodieverständnis hat. Sehr gut und präzise ausformuliert ist die folgende Aussage: „Aber es gibt eine passive und aktive Musikalität. Jeder, bei dem Musik etwas auslöst, ist in passiver Form musikalisch. Aktive Musik ist es, wenn man Musik selber ausdrücken kann, mit musizieren.“ (siehe Anhang, Zitat, Michael Vatter, Interview Musiker) Bei der anderen Frage (Kann Talent beziehungsweise musikalische Begabung mit Übung erlernt werden oder ist so etwas angeboren? Zum Beispiel Mozart: War er ein Genie?) war auch ziemliche Einigkeit zwischen den Meinungen der Musiker/innen. Natürlich war allen Befragten klar, dass Mozart in einer Musikerfamilie aufgewachsen ist und wenn vereinzelt nicht dann wurden die Probanden/innen selbstverständlich im Gespräch darauf aufmerksam gemacht. Der Großteil der Musiker/innen halten Talent beziehungsweise Begabung nicht für erlernbar, da zumindest ein Grundtalent, wie es so treffend formuliert wurde, vorhanden sein muss, worauf man mit Fleiß und Arbeit aufbauen kann. Wobei allerdings auch hinzugefügt wurde, dass nicht zwingend viel Talent gegeben sein muss, da es mehr auf die Hingabe und den anhaltenden Fleiß ankommt. „Aber prinzipiell glaube ich, dass 30% Talent wichtig ist und 70% Arbeit sein sollte.“ (siehe Anhang, Zitat, Simone Kopmajer, Interview Musiker/innen)

94

Die Musiker/innen die sich zu Mozart äußerten, haben ihn schon als Genie und großartiges Talent bezeichnet, allerdings weil beides bei ihm zusammenkam, angeborenes außergewöhnliches Grundtalent und maximale Förderung. Der Musikpädagoge Hannes Marold, leitet Mozarts Begabung sogar zum Großteil von seinem Elternhaus ab und meint, dass es viele Menschen mit solch einer Förderung sehr weit bringen würden. Ähnliche Ansätze hat auch Michael Vatter, der betont hat, dass viele Menschen vielleicht gar nicht wissen, dass sie genial sind weil durch mangelnde Förderung oft viele Talente brachliegen. Im Kapitel 5.2 „Mozart: Genie oder Erziehungssache“ wird in Summe auch ein Zusammenspiel günstiger Begebenheiten, wie Elternhaus, Grundtalent und viel Übung als mögliche Faktoren für Mozarts Genialität herangezogen. Hauptsächlich sind auch die befragten Musiker/innen dieser Meinung, aber sie tendieren überwiegend zur umfangreichen Förderung, die Mozart erhalten hat und weniger dazu ihn als eine Art Phänomen zu sehen. Obwohl sie Mozart ein überragendes Talent und eine Genialität zugestehen, so scheint dies für sie dennoch erklärbar zu sein.

10.2.6 Bevorzugte Musikrichtungen der Musiker/innen

Die meisten antworteten, dass es so eine Vielfalt von Musikrichtungen gibt die ihnen gefällt oder zumindest Musikstücke daraus, dass sie sich kaum festlegen wollen und dass ihr Vorliebe variiert. Dennoch sind die Richtungen Klassik und Popmusik am häufigsten, als die bevorzugten Genres erwähnt worden.

10.2.7 Berufsleben und Musikerleben in Kombination

4 der 11 befragten Musiker/innen haben neben ihrem Musikerleben auch einen zweiten Job. Damit kommen alle vier gut zu Recht und empfinden dies als passenden Ausgleich und/oder als Notwendigkeit um sich finanziell abzusichern. Aber sie sehen die Musik als ihre Leidenschaft und als Hauptpriorität an.

10.2.8 Versagensängste als Musiker/in

Es wurden 7 Musiker/innen von 11 befragt ob sie ab und zu Versagensängste haben, sei es zum Beispiel auf der Bühne, wegen dem Leistungsdruck oder aus finanziellen Gründen. 3 von den 7 sagten, dass sie keine Ängste hätten aus den Gründen, dass sie erstens ihr Handwerk

95 verstehen und zweitens, dass sie auch finanziell abgesichert sind. Die anderen 4 haben oder hatten schon teils Leistungsdruck auf der Bühne, teils finanziellen Druck, wenn eine neue Situation auf der Bühne gegeben ist oder finanziell gesehen, wenn zu wenig lukrative Auftritte ein geregeltes Einkommen gewährleisten. Es treffen einige der, im Kapitel 3.4 „Versagensängste bei Musiker/innen“, erwähnten Punkte bei den 4 Befragten zu, allerdings nicht in diesem hohen Ausmaß, dass es sehr hinderlich für die Auftritte wäre, aber es begibt den/die Musiker/in durchaus in eine Stresssituation.

M: Hast du als Musiker manchmal Versagensängste? Z.B. finanzieller Druck oder Leistungsdruck auf der Bühne?

Ja 4 4 Nein k.k.A. k.A. 0 3

Abbildung 19: Versagensängste Musiker/innen

96

10.3 Diskussion der Interviews

Es kann deutlich gesagt werden, dass zumindest anhand der interviewten Personen ersichtlich ist, dass die Rationalität fokussiert auf bounded rationality als in der Musik beheimatet angesehen wird, auch wenn der Großteil der Befragten den emotionalen Aspekt hervorgehoben hat. Bei den Musikern/innen kam heraus, dass der rationale Aspekt für sie sogar sehr wichtig ist, in Bezug auf Kompositionen, Texte oder Musikanalysen. Auch wenn oft hinzugefügt wurde, dass beim song- writing die Emotionalität präferiert wird und versucht wird, die Rationalität in den Hintergrund zu drängen, um den Hörern/innen besser eine „berührende Botschaft“ übermitteln zu können, so kann trotzdem davon ausgegangen werden, dass die bounded rationality in der Musik vor allem auch von Musikern/innen als eine Art Hintergrundinstrument verwendet wird, mit dessen Hilfe es überhaupt erst möglich ist, eine für die Hörer/innen und den/die Musiker/in selbst, anregende Musik zu produzieren. Es kommt gerade in der Musik eindeutig hervor, dass sich Emotionalität und Rationalität immer mehr in eine Art Kontinuum verwandeln, mit stetig stärker werdenden wechselseitigen Korrespondenzen. Die Grenze zwischen Emotionalität und Rationalität ist nicht mehr klar ersichtlich. Obwohl es bestimmte Aktionen in der Musik gibt, zum Beispiel der Bau von neuen Instrumenten oder das Komponieren eines Musikstückes, die man eher dem rationalen Aspekt zu schreiben kann, doch lässt sich dies immer nur bis zu einem gewissen Grad bestimmen. Diese Grenzüberschreitung kam auch bei den Interviews eindeutig hervor, denn gerade für die Musiker/innen sind beide Faktoren in der Musik wichtig und können somit sozusagen eine Symbiose bilden. Um den rationalen Gehalt in der Musik genauer erfassen zu können, ist es schon nötig sich mit ihr in analytischer Weise auseinander zu setzen, im Sinne von Tonfolgen, Kompositionen, Rhythmik etc., was ein/e Musiker/in für gewöhnlich tut, was folglich auch der Grund ist, warum dieser rationale Aspekt für Musiker/innen ersichtlicher und interessanter erscheint als für Nicht-Musiker/innen. Die bounded rationality zeigt, wie bereits erwähnt, dass der Mensch nur begrenzt rational handeln kann, beziehungsweise Entscheidungen treffen kann. Ein vollkommen rationales Verhalten ist somit nicht möglich und bezüglich der Musik wäre eine rein rationale Verhaltensweise wahrscheinlich nicht wirklich willkommen, da dieser Bereich sehr individuell zu charakterisieren ist und die menschliche Kreativität anspricht. Sehr interessant ist, dass von den 22 Befragten, jede/r Musiker/in und jede/r Nicht-Musiker/in von Musik beeinflusst wird, unabhängig auf welche Weise, was natürlich aufzeigt, welche bedeutende Rolle die Musik in unserer Gesellschaft spielt und wie intensiv sie auf die Menschheit wirkt. Die Liebe zur Musik ist bei beiden Interviewgruppen groß, dennoch driften die Meinungen stark auseinander im Hinblick auf Goethes Zitat. Indem es aussagt, dass nur jemand der Musik betreibt,

97 ein ganzer Mensch ist, polarisiert dieses Zitat natürlich sehr. Unabhängig vom historischen Hintergrund Goethes stimmten von den Musikern/innen ungefähr die Hälfte dem Zitat zu und bei den Nicht-Musikern/innen die Mehrheit nicht zu. Das hat zum Großteil natürlich damit zu tun, dass der/die Musiker/in sich den Hauptteil seines/ihres Lebens den musikalischen Prozessen widmet. Allerdings ist natürlich auch zu beachten, wie Goethes Worte ausgelegt werden, denn mit „…wer sie aber treibt ist ein ganzer Mensch“ könnte auch eine natürliche Art des Musizierens, in Form von Mitsingen, Klatschen etc., ohne spezifische musikalische Vorkenntnisse oder besondere Begabung, gemeint sein. Bezüglich der Frage, ob jeder Mensch irgendwie musikalisch ist, kann man anhand der Interviewantworten sagen, dass vorwiegend davon ausgegangen wird, dass jedem Menschen eine Art Musikalität innewohnt. Michael Vatter, hat eine gute Erklärung dafür gefunden, indem er zwischen einer aktiven und einer passiven Musikalität unterscheidet. Gemeint ist, dass jedem den Musik berührt eine passive Musikalität inhärent ist und die aktive, bei dem, der sie betreibt beziehungsweise fähig dazu ist, sie zu betreiben. Boris Bukowski ist zum Beispiel der Meinung, dass es zwar schon unmusikalische Menschen gibt aber auch die etwas Positives aus der Musik beziehen können, also kann man sagen, dass auch „unmusikalische“ Menschen auf irgendeine Art und Weise musikalisch sind. In Kapitel 8.1 „Sprache und musikalische Sprache“ wurde die Thematik aufgegriffen, inwieweit es möglich ist ein Instrument auf dem rationalsten Wege wie möglich zu lernen und ob dies ohne Talent beziehungsweise emotionaler Hingabe überhaupt machbar ist. Die Sängerin und Komponistin Simone Kopmajer ist der Meinung, dass jeder eine Art Musikalität in sich trägt aber sie glaubt wiederum nicht, dass darum jeder singen beziehungsweise ein Instrument spielen kann. Christian Kolonovits vertritt ebenfalls die Ansicht, dass jeder Mensch musikalisch ist aber er fügt hinzu, dass der eine mehr und der andere weniger musikalisch ist. Zusätzlich erwähnt er einen sehr interessanten Punkt und zwar, dass unsere Gesellschaft die Fähigkeit besitzt uns die Musikalität auszutreiben. Diese Betrachtungsweise wurde in der Arbeit bis jetzt gar nicht in Augenschein genommen weil eher das Gegenteil davon also der Einfluss der Musik auf die Gesellschaft und das Individuum analysiert wurde. Kolonovits spielt mit dieser Aussage auf die mangelnde Flexibilität und Ausbildung von Musiklehrern in Schulen an und auf die veralteten Lehrmethoden, die oftmals den Kindern sogar die Freude an der Musik rauben können. Dadurch, dass Musik ein sehr individuelles und umfassendes Thema ist, ist auch klar, dass jeder Mensch einen anderen Zugang zu ihr findet und in vielen Schulen wird wirklich zu wenig darauf eingegangen welche Begabungen der/die einzelne Schüler/in hat und über welche Aspekte der Musik er/sie gerne lernen möchte, weil leider meistens ein eiserner Stundenplan diverse Individualitäten nicht erlaubt.

98

11.0 Schlusswort

Philosophie heißt „Liebe zur Weisheit“ aber diese Begriffserklärung alleine, sagt nicht wirklich aus, was mit Philosophie gemeint ist. Ich selbst hatte zwar immer sehr großes Interesse an der Philosophie und habe es natürlich immer noch, aber mir wurde durch meine Diplomarbeit erst klar, dass dieses Studium eines ist, das in jeglicher Hinsicht fächerübergreifend und grenzüberschreitend ist. Liebe zur Weisheit bedeutet hier nämlich Liebe zur Weisheit in jedem Gebiet, sei es Mathematik, Psychologie, Physik, Anthropologie und vieles mehr. Die Philosophie macht nicht halt vor sogenannten „Wissensgrenzen“ sondern will immer mehr herausfinden. Mit diesem Studium kann eine Änderung des Denkens und der Selbstreflektion in hohem Maße garantiert sein, wenn man es will. Durch meine Arbeit, die wie ich finde auch grenzüberschreitend ist, erkannte ich, dass man sich und sein Leben in keiner Weise einschränken darf, sondern immer über den Tellerrand hinausblicken sollte. Gerade Musik ist ein Thema, das sich ohnehin kaum einschränken lässt, weil es global ist und viele Menschen berührt. Auf meiner Suche nach der Rationalität, vor allem der bounded rationality, und der Emotionalität in der Musik musste ich viele Informationen einholen und Hypothesen bilden aber im Endeffekt wurde immer mehr ersichtlich, dass in der Musik die Grenzen zwischen der Emotionalität und Rationalität mehr und mehr miteinander dynamisch korrespondieren. Es ist gar nicht nötig weiter nachzuforschen wo der rationale Aspekt und wo der emotionale Teil in der Musik konkret beheimatet ist, denn sie sind in diesem Gebiet nicht wirklich trennbar. Auch wenn es natürlich Bereiche gibt, die so wirken als könne man sie eindeutig dem emotionalen oder dem rationalen Bereich zuordnen, so stellt sich bei weitere Analyse heraus, dass das eine vom anderen, wenn auch manchmal stärker oder schwächer, beeinflusst wird. Aus meinen Interviews und der Inhaltsanalyse geht hervor, dass die Mehrheit der befragten Personen von der Musik auch auf der rationalen Ebene angesprochen wird. Obwohl der emotionale Aspekt ehrlich gesagt auch für mich im Vordergrund steht, so will ich trotzdem die Rationalität als eine wichtige Eigenschaft der Musik ansehen, ohne die ich das Klavier spielen, Singen oder das Noten lesen nicht erlernen hätte können. Da die bounded rationality eine gewisse Unschärferelation miteinbezieht und mit ihr aufgezeigt wird, dass der Mensch nur begrenzt rational handeln kann, ist sie ein Rationalitätstyp den man als am ehesten in der Musik vorkommend bezeichnen kann. Aber eigentlich könnte man noch weitergehen und sagen, dass der Musik eine ganz eigene Art von Rationalität innewohnt, die noch weit über die bounded rationality hinausgeht und die es zulässt jenen Bereich genauer und spezifischer zu charakterisieren. Musik ist wirklich kaum in Worte zu fassen, obwohl wir immer wieder versuchen sie theoretisch zu 99 analysieren, so werden wir zwar genau wissen oder fühlen wie Musik auf uns wirkt aber immer wieder merken, dass es besser ist, Musik anders auszudrücken als in Worten, es sei denn es sind gesungene Worte.

100

12.0 Literaturverzeichnis

ADORNO W. Theodor 1949: Philosophie der neuen Musik. J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen

ARISTOTELES 1995: Metaphysik. Philosophische Schriften in sechs Bänden. Buch VII; Kap. 17; nach der Übersetzung von Hermann Bonitz, bearbeitet von Horst Seidl, Felix Meiner Verlag, Hamburg

ATZERT Stephan 2011: Musik und Freiheit vom Willen? Zum reinen Subjekt des Erkennens und der Empfindung beim Musikhören. In: Koßler Matthias (Hrsg.): Musik als Wille und Welt, Schopenhauers Philosophie der Musik. Verlag Königshausen & Neumann GmBH, Würzburg

BARENBOIM Daniel 2008: Klang ist Leben. Die Macht der Musik. Siedler Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

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101

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MÖLLER Helmut 2002: Lampenfieber und Aufführungsängste sind nicht dasselbe! In: Hofmann Gabriele, Trübsbach Claudia: Mensch und Musik. Diskussionsbeiträge im Schnittpunkt von Musik, Medizin, Physiologie und Psychologie. Wißner-Verlag, Augsburg

NOESKE Nina 2012: Versuch über das Anorganische in der Musik: Der Mephisto - Komplex und das 19. Jahrhundert. In: Wisotzki Katharina, Falke Sara R.: Böse Macht Musik. Zur Ästhetik des Bösen in der Musik, transcript Verlag, Bielefeld

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POPPER Karl R., ECCLES John C. 1982: Das Ich und sein Gehirn. R. Piper & Co. Verlag, München

SCHLAG Sabine 2011: Kognitive Strategien zur Förderung des Text- und Bildverstehens beim Lernen mit illustrierten Sachtexten. Theoretische Konzeptualisierung und empirische Prüfung. In: Hesse W. Friedrich (Hrsg.): Wissensprozesse und digitale Medien. Logos Verlag, Berlin

SIGMUND Karl, DAWSON John, MÜHLBERGER Kurt 2006: Kurt Gödel, Das Album. Fried. Vieweg & Sohn Verlag / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

SIMON Herbert, EGIDI Massimo, MARRIS Robin, VIALE Riccardo 1992: Economics, Bounded Rationality and the Cognitive Revolution, Edward Elgar Publishing Limited, England

SORGNER Stefan Lorenz 2011: Die besondere ethische Bedeutung von Musik in Schopenhauers Philosophie. In: Koßler Matthias (Hrsg.): Musik als Wille und Welt, Schopenhauers Philosophie der Musik. Verlag Königshausen & Neumann GmBH, Würzburg

SPINTGE Ralph, DROH Roland 1992: Musik-Medizin. Physiologische Grundlagen und praktische Anwendungen. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart

12.1 Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Chemische Zusammensetzung von Wasser ...... 42 Abbildung 2: Carmina Burana: O fortuna (siehe: http://www.kirchenmusikverein.at/konzerte/carmina/carmina.html) ...... 66 Abbildung 3: Die katholische Orgel der Kirche Freiburg (siehe: http://www.katholische-kirche- freiburg.de/Gesellschaft--Kultur/Kirchenmusik/Orgeln-in-Freiburg/St.-Martin-Hochdorf/) ...... 69 Abbildung 4: Einfluss der Musik auf Nicht-Musiker/innen ...... 83 Abbildung 5: Einfluss der Musik auf Musiker/innen...... 84 Abbildung 6: Vergleich Einfluss der Musik auf NM und M ...... 85 Abbildung 7: Musik und Rationalität Nicht-Musiker/innen ...... 86 Abbildung 8: Musik und Rationalität Musikern/innen ...... 87

105

Abbildung 9: Rationaler Gehalt der Musik Musiker/innen ...... 87 Abbildung 10: Vergleich Musik und Rationalität NM und M ...... 88 Abbildung 11: Goethe Zitat Nicht-Musiker/innen ...... 89 Abbildung 12: Musikhass Nicht-Musiker/innen ...... 90 Abbildung 13: Zitat Goethe Musiker/innen ...... 91 Abbildung 14: Musikhass Musiker/innen ...... 91 Abbildung 15: Zitat Goethe Vergleich NM und M ...... 92 Abbildung 16: Vergleich Musikhass NM und M ...... 92 Abbildung 17: Musikalität Nicht-Musiker/innen ...... 93 Abbildung 18: Musikalische Erfahrung Nicht-Musiker/innen ...... 94 Abbildung 19: Versagensängste Musiker/innen ...... 96

12.2 Vorlesungen und Seminare

GÖTSCHL Johann 2008: VO Spezielle Wissenschaftstheorie: Zum Erkenntnis-und Humangehalt von Musik, KF Universität Graz GÖTSCHL Johann 2013: SE Wissenschaftliche Rationalitätstypen, KF Universität Graz GÖTSCHL Johann 2014: SE Realismus und Konstruktivismus in der Wissensgesellschaft, KF Universität Graz

12.3 Webliographie

DRÖSSER Christoph 2010: Zeit Online, Ausgabe 35, Der Gänsehaut-Effekt, Warum erzeugt Musik überhaupt Gefühle? Einige Erklärungsversuche der Wissenschaft. Online im Internet: http://www.zeit.de/2010/35/Musik-Wissenschaft (zuletzt zugegriffen am 20.08.2014)

SCHMIDT-ATZERT Lothar 1982: Emotionspsychologie und Musik In: Klaus-E. Behne, Gefühl als Erlebnis - Ausdruck als Sinn. - Laaber: Laaber Musikpädagogische Forschung. Band 3; Online im Internet: http://www.ampf.info/index/publikationen/band03/index_band03.html (zuletzt zugegriffen am 24.09.2014)

106

13.0 Anhang

13.1 Interviews mit 11 Nicht-Musikern/innen

Da es sich bei den befragten Probanden/innen um Privatpersonen handelt, wurden die Namen anonymisiert. Die Fragen, die den 11 Nicht-Musikern/innen gestellt wurden, waren folgende:

1. Was bedeutet Musik für dich? 2. Beeinflusst dich Musik? Wenn ja, wie? 3. Spricht Musik deine Rationalität (Vernunft) an? 4. Glaubst du, dass es Menschen gibt, die jegliche Musik hassen? 5. „Wer Musik nicht liebt, verdient nicht ein Mensch genannt zu werden, wer sie nur liebt ist erst ein halber Mensch, wer sie aber treibt ist ein ganzer Mensch.“ Zitat von Goethe Siehst du das auch so? 6. Hältst du dich für musikalisch? 7. Praktizierst du Musik oder hast du früher Musik praktiziert?

Es folgen die Antworten der befragten Nicht-Musiker/innen:

Jan, Medizinstudent, 24J.

1. Ich bin nicht der typische Musikliebhaber, der sie ständig praktiziert, aber ich kann mir ein Leben ohne Musik nicht vorstellen. Musik stellt Emotion dar, die man in Worten so nicht ausdrücken könnte. Das emotionale Bewusstsein wird durch Musik eindeutig stimuliert. 2. Ja, sie spricht die Emotion an. Traurige Musik kann traurig machen und fröhliche Musik fröhlich. Musik kann auch Emotionen hervorrufen, wenn sie zuvor gar nicht gegeben sind, zum Beispiel Trauer. Sie beeinflusst mich auch beim Sporteln. 3. Ja, denn es steckt eine Art Logik hinter jedem Musikstück, zum Beispiel eine passende Tonfolge. Beim Lernen allerdings brauche ich Stille. 4. Nein, das glaube ich nicht, da man Musik als Solches nicht definieren kann, denn Musik befindet sich überall in der Natur und auch im eigenen Körper, der Rhythmus des Herzschlages zum Beispiel. 5. Ich sehe dies teilweise so, denn ich glaube alles was lebt, hat etwas seelen-artiges und Musik berührt frontal die Seele. Außerdem fällt mir folgendes volkstümliches Sprichwort ein: „Da wo man singt, da lass sich nieder, böse Menschen kennen keine Lieder!“ 107

6. Nein, nicht wirklich aber vielleicht ein bisschen. 7. Ja, Gitarre.

Lisa, Übungsleiterin Island Pferde (FENA), 24 J.

1. Für mich bedeutet Musik Ablenkung und Unterhaltung. 2. Ja, beim Pferdesport - Training wirkt Musik entspannend, der Takt ist sehr hilfreich und die Musik stimmt mich auch fröhlich. 3. Teilweise ja, denn ich lerne gerne mit Musik, weil es meine Konzentration fördert und ich mit bestimmten Liedern Lernbegriffe verbinde, die ich mir somit besser merke. Es ist aber keine klassische Musik sondern einfach gemischt. 4. Nein, hassen glaube ich nicht, aber es kann schon Menschen geben, die einfach keinen Wert auf Musik legen und die sich von ihr gestört fühlen. 5. Nein, denn man kann einen Menschen auf so etwas nicht „herunter rationalisieren“. Musik ist ein Teil von einem Menschen, aber macht ihn nicht aus. 6. Ja, schon. 7. Früher Klavier aber seit 8 Jahren nicht mehr.

Marie, Special Make- up Artist, 31J.

1. Nicht so viel, sie läuft zwar permanent im Hintergrund aber ist kein wichtiger Lebensinhalt. 2. Ja, auf gewisse Weise schon, denn sie wirkt stimmungsvertiefend. In meinem Leben läuft immer wieder verschiedene Musik im Hintergrund, Schlagermusik beim Arbeiten, Musicals beim Autofahren und der Ö3 Musiksender zu Hause. 3. Nein, das glaube ich nicht, denn wenn ich klar denken möchte, ist Musik für mich keine Konzentrationshilfe. 4. Nein, das glaube ich einfach nicht. 5. Nein, denn Musik macht keinen Menschen aus, da gehört mehr dazu. 6. Nein, ich halte mich für nicht-musikalisch. 7. Nein, jetzt nicht. Früher spielte ich E-Gitarre, Klavier und Xylophon.

Maren, Psychologiestudentin, 22 J.

1. Das kann ich nicht in Worte fassen, Musik fühlt man einfach. 108

2. Ja, meine Stimmung. Musik gibt Stimmung wieder, je nachdem welche Melodie ich höre. 3. Ja und nein, manchmal läuft sie im Hintergrund beim Lernen, aber Musik ist für mich eher auf der emotionalen Ebene. 4. Nein, das ist in keiner Weise für mich vorstellbar, das gibt es nicht. Sollte es solche Menschen geben, dann müssen sie meiner Meinung nach krank sein. 5. Halb richtig, denn „ein Mensch der die Musik nicht liebt ist kein Mensch“, das sehe ich auch so, aber dem zweiten Teil dieses Zitats kann ich nicht zustimmen, denn man kann Musik auch durch andere Wege erleben und gut leben ohne sie aktiv zu betreiben. 6. Nein, gar nicht. 7. Früher Blockflöte aber zurzeit spiele ich kein Instrument.

Pascal, Informatikstudent, 28 J.

1. Viel, quasi alles. Musik war schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens und wird es auch immer sein. 2. Ja, das gesamte Leben. Sie beeinflusst mich immer und überall. Vor allem übte sie in der Pubertät starken Einfluss auf mich aus. 3. Nein, ich glaube sie spricht eher die emotionale Ebene an, aber ich höre oft gerne Musik beim Lernen und zum Aggressionsabbau. 4. Nein, das glaube ich nicht. Aber ich glaube, dass es Menschen gibt, die nicht wissen, dass Musik für sie eine große Rolle spielen könnte. 5. Ja und Nein aber eher ja. 6. Ja. 7. Früher ja, Gitarre in einer Band aber seit sieben Jahren nichts mehr.

Christian, Installateur, 25 J.

1. Prinzipiell bedeutet sie für mich Unterhaltung, aber es kommt natürlich auf die Musik an. Zum Beispiel fröhliche Musik trägt zur Unterhaltung bei und kann auch Fröhlichkeit auslösen während traurige Musik, die Menschen eher traurig stimmt. 2. Ja, emotional, denn Musik ist ein „Stimmungsmacher“. Ich höre sie zu Hause und auch bei der Arbeit. 3. Ja, teilweise, das kommt wieder auf die Musikrichtung drauf an. Aber Musik motiviert insgeheim, darum läuft sie auch zum Beispiel bei der Arbeit immer im Hintergrund. 109

4. Nein, das kann ich mir nicht vorstellen, denn irgendeine Musik muss man immer mögen. 5. Nein, denn man muss sie nicht lieben um ein Mensch zu sein. 6. Nein, gar nicht. 7. Leises Mitsingen, alleine zu Hause mache ich gerne, aber nur wenn mich niemand hört.

Arnulf, Psychologiestudent, 28 J.

1. Die Musik versucht etwas fassbar zu machen, was anders nicht ausdrückbar ist. Sie spiegelt entweder eine Stimmung wieder oder kann auch verschiedene Stimmungen bei den Menschen produzieren beziehungsweise auslösen. 2. Ja, stark, sie schlägt total auf die Stimmung. Wenn der Tag mit einer „guten“ Musik beginnt, wird es auch ein guter Tag, zum Beispiel wenn ich ein bestimmtes Lied im Radio höre beim Aufstehen in der Früh. Aber Musik kann den Tag auch umgekehrt beeinflussen also schlechte Musik kann auch einen schlechten Tag zur Folge haben. Sie beeinflusst mich auch stark beim Tanzen, Ballroom und Hip Hop. 3. Teilweise ja, das kommt auf die Musik an. Ich glaube, dass eher klassische Musik die Rationalität anregt aber bei mir speziell fördert Jazz meine Rationalität. 4. Nein, irgendetwas muss jeden ansprechen. Viele Stile werden vielleicht nicht gemocht aber eine Melodie zumindest muss jeden ansprechen. 5. Wenn man Goethe historisch versteht, dann eher ja. Heutzutage gibt es zu viele verschiedene Musikrichtungen und mit der Musik schwingt zu viel mit. 6. Ja. 7. Ja, Gitarre, Klavier, Saxophon und Tanz

Johannes, BWL Student u. Kellner, 27J.

1. Musik ist Motivation, Beruhigung und Entspannung. 2. Sie ist Hilfe beim Lernen und Motivation beim Sporteln. Die Musik ist immer mit emotionalen Zuständen verbunden. 3. Ja, der Zugang ist zwar eher emotional und weniger logisch, denn Musik hat am meisten mit Genuss zu tun aber klassische Musik kann beim Lernen die Logik ansprechen und die Lernleistung somit steigern. 4. Vielleicht könnte es sein, aber ich glaube nicht. 5. Nein, das sehe ich nicht so. Musik und Menschlichkeit haben für mich keinen zwingenden 110

Zusammenhang und Musik muss auch nicht zwingend etwas mit Liebe zu tun haben. 6. Im weitesten Sinne, ja. Ich mache nicht aktiv Musik aber höre sie sehr gerne und beschäftige mich täglich mit ihr. 7. Früher Schlagzeug und Blockflöte, heute nichts mehr. Ich habe erkannt, dass aktiv Musik zu betreiben, in Form von Instrumenten spielen, nicht so meines ist.

Sonja, Jus-Studentin, 27 J.

1. Spaß und Unterhaltung aber manchmal auch Trost. 2. Ja, sicher. Musik ist für mich stimmungsaufhellend und spendet mir Trost, wenn es mir schlecht geht. 3. Nein, Musik empfinde ich eher als unvernünftig. Sie animiert und motiviert mich aber sie regt weder meine Vernunft an noch hilft sie mir beim Lernen. 4. Nein, Blödsinn, so etwas gibt es nicht. Jeder mag Musik zumindest irgendeine Form davon. 5. Jeder mag und hört Musik. Dem ersten Teil kann ich zustimmen aber wenn man das Talent dazu nicht hat Musik zu betreiben, ist man deshalb nicht nur ein halber Mensch. Der Mensch definiert sich nicht nur durch Musik. 6. Ja, schon. 7. Ja, Querflöte und früher Gesang

Payam, Betriebsleiter, 28 J.

1. Sie bedeutet für mich Entspannung, ist mitreißend und kann mich nachdenklich stimmen.

2. Ja, sie ist sentimental und kann meine Laune verbessern aber auch verschlechtern. Da ich „zwei - musikalisch“ aufgewachsen bin, also mit orientalischer Musik und europäischer Popmusik, habe ich bemerkt, dass diese beiden Musikrichtungen für mich nicht zu vergleichen sind und andere Emotionen in mir auslösen.

3. Nein, gar nicht. Ich empfinde etwas dabei aber mit Vernunft hat das nichts zu tun. Musik bedeutet eher abschalten und beim Lernen stört sie mich auch total.

4. Nein, jeder mag seine eigene Art und Weise von Musik. Nicht jeder mag jede Musik aber es gibt sicher niemanden der Musik gänzlich hasst.

111

5. Stimmt eher nicht. Es gibt Phasen in denen man sich Musik nicht anhören kann, darum ist man aber trotzdem ein vollwertiger Mensch.

6. Ja, ich halte mich für musikalisch. Musik pusht mich auf und macht mich auch traurig. Ich kann ohne Musik nicht leben.

7. Ich würde es gerne. Ich singe auch oft gerne mit. Musik ist ähnlich für mich wie eine Sprache zu lernen. Zum Beispiel wenn man vom Kindesalter an mit musikalischen Menschen aufwächst oder prinzipiell mit viel Musik, fällt es einem leichter ein Instrument zu erlernen oder Gesang. Ich glaube nicht, dass ich im Stande bin ein Instrument zu spielen, denn ich hatte als Kind nie die Möglichkeit dies zu erlernen und auszuüben.

Heidi, Kellnerin, 33 J.

1. Seelentherapie und Entspannung 2. Ja, sie pusht mich auf. 3. Nein, das glaube ich nicht. Zum Beispiel beim Lernen lenkt mich Musik eher ab. 4. Nein, das gibt es nicht, von Geburt an sicher nicht. Schon Babys können im Bauch musikalische Schwingungen mitbekommen zum Beispiel Mozarts Musik soll beruhigend auf den Fötus wirken. 5. Nach dieser Definition bin ich somit ein halber Mensch? Das ist sehr geschwollen! Für mich persönlich reicht es die Musik zu lieben, denn für meine vollkommene Menschlichkeit hat es keine explizite Notwendigkeit Musik auch zu praktizieren. 6. Mehr ja als nein. 7. Ich spiele kein Instrument aber ich singe gerne in den eigenen vier Wänden.

13.2 Interviews mit 11 Musikern/innen

Auf Wunsch der Befragten, wurden einige Namen anonymisiert. Die 12 Fragen, die den 11 Musikern/innen gestellt wurden, werden folglich aufgelistet, wobei zu beachten ist, dass die Fragen 11 und 12 nicht jedem/r Proband/in gestellt wurden:

1. Was bedeutet Musik für dich? 2. Beeinflusst dich Musik? Wenn ja, wie?

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3. Spricht Musik deine Rationalität (Vernunft) an? 4. Enthält die Musik, neben ihrem emotionalen Aspekt, auch etwas Rationales? 5. Ist das Komponieren von Liedern, ein eher emotionaler oder rationaler Akt? 6. Glaubst du, dass es Menschen gibt, die jegliche Musik hassen? 7. „Wer Musik nicht liebt, verdient nicht ein Mensch genannt zu werden, wer sie nur liebt ist erst ein halber Mensch, wer sie aber treibt ist ein ganzer Mensch.“ Zitat von Goethe. Siehst du das auch so? 8. Glaubst du, dass jeder Mensch irgendwie musikalisch ist? 9. Kann Talent beziehungsweise eine musikalische Begabung mit Übung erlernt werden oder ist so etwas angeboren? Zum Beispiel Mozart: War er ein Genie? 10. Gibt es eine Musikrichtung, die dich ganz besonders beeinflusst oder berührt? Wenn ja welche und warum? 11. Berufsleben und Musikerleben, wie empfindest du den Unterschied und wie kommst du damit zurecht? 12. Hast du als Musiker/in manchmal Versagensängste? Zum Beispiel finanziellen Druck oder Leistungsdruck auf der Bühne?

Es folgen die Antworten der Musiker/innen:

Michael Vatter, 40 J., Musiker und Bauingenieur

1. Lebendigkeit, Bewegung, Gefühle, Emotionen, Ausdruck. Musik hat etwas Unmittelbares, sie kann sehr schnell berühren, man muss nichts verstehen und spürt sofort, unter Umgehung der Ratio, direkte Emotion. 2. Sie ist ein Bestandteil meines Lebens. Beim Musik hören, löst sie etwas in mir aus, sie bringt Teile in mir in Resonanz. Beim passiven Musikerlebnis, also beim Hören, wird etwas präsent und beim aktiven Musikerlebnis, also wenn ich musiziere, drücke ich meine Emotionen aus. Wenn ich mich ans Klavier oder an die Gitarre setze, ist das eine Art Therapie für mich. 3. Ja, aber nur dann, wenn ich beginne das Musikstück zu analysieren, wie es zum Beispiel arrangiert ist oder wie es rhythmisch aufgebaut ist. Und auch wenn man sich darauf konzentriert, was jeder einzelne Musiker spielt und wie das zusammen passt. Aber zuerst kommt das Gefühl und erst dann schaltet sich die Ratio ein. Ich tue mir aber schwer bei atonaler Musik, oder Free-Jazz, das wird mit der Zeit anstrengend für mich, weil ich ständig mit denken muss. 113

4. Ja, sicher. Sie hat Strukturen, die oft sogar mathematische Beziehungen zu einander aufweisen. Man muss sich an gewisse Regeln halten. Je mehr man diese Regeln verinnerlicht hat, desto besser kann man in der Musik damit arbeiten. 5. Zuerst emotional, denn ich habe ein Klangbild vor Augen, Melodien, Akkorde etc. Ich lasse ein Musikstück entstehen. Aber dann schaltet sich die Ratio ein und muss den Prozess ein bisschen lenken aber sie darf auf keinen Fall den Fluss stören. Ich möchte, dass mir die Musik in erster Linie gefällt aber auch den anderen. 6. Nachdem es auf dieser Welt eine enorme Vielfalt gibt, kann das durchaus sein aber ich kenne niemanden der Musik derartig ablehnt. Natürlich gefällt nicht jedem der gleiche Musikstil. Es müssten auch Menschen sein, die keinen Zugang zur eigenen Emotionalität haben. 7. Nein, denn das ist eine radikale Aussage. Goethe war sicher ein Multitalent aber dieser Aussage kann ich eher nicht zustimmen, sie ist sogar diskriminierend. Er hat es plakativ ausgedrückt. Nicht jeder Mensch hat den gleichen Zugang zur Musik. Musik ist Schwingung, das ganze Leben ist Schwingung, alles schwingt. 8. Ja, das glaube ich schon. Aber es gibt eine passive und eine aktive Musikalität. Jeder, bei dem Musik etwas auslöst, ist in passiver Form musikalisch. Aktive Musik ist es, wenn man Musik selber ausdrücken kann, mit musizieren. Rhythmus ist ein ganz wichtiger Aspekt. Menschen die zum Beispiel richtig singen, haben einfach die Gabe Musik umzusetzen aber viele Menschen können falsche Töne auch hören obwohl sie selber nicht singen. 9. Talent? Nein, das hat man oder hat man nicht. Aber man kann auch mit wenig Talent sehr viel erreichen, wenn man sich anstrengt. Beispielsweise Thomas Muster, der nicht der talentierteste Tennisspieler war, schaffte es aber durch sein überaus hartes Training an die Weltspitze und so etwas gibt es bei Musikern auch, eher bei Instrumentalisten. Zumindest instrumental kann man sich immer verbessern oder auch ohne Talent ein Instrument lernen aber beim Songschreiben wird es ohne Talent recht schwer, wenn man untalentiert darin ist, sich musikalisch auszudrücken. Mozart war sicher genial und ein enormes Talent, das aber auch noch viel geübt hat und von der Familie gefördert wurde, da kann nur ein Genie dabei heraus kommen. Er erlebte die Musik schon im Mutterleib. Sein ganzes Leben war Musik. Andere wachsen auch in einer Musikerfamilie auf und haben kein Musiktalent und umgekehrt. Bei Mozart spielte alles zusammen. Aber viele Menschen, glaube ich, wissen gar nicht, dass sie eigentlich genial sind und bestimmte Talente haben, denn wenn das nicht gefördert wird, liegen oft viele Gaben brach. 10. Romantik, Tschaikowsky im Speziellen, Symphonie Nr.6, hat solch eine Fähigkeit Emotionen aus zu drücken und sie in mir aus zu lösen. Das Stück hat schöne Melodien aber auch viel 114

Melancholie. Für mich ist er ein Genie. Die Klassik an sich berührt mich sehr, aber auch die Popmusik. Ich bin nur mit Klassik aufgewachsen, spiele Violine, Gitarre, Klavier und Gesang. 11. Die Musik ist meine Berufung, aber ich kann davon allein nicht leben. Mein Brot-Job ist Bauingenieur, damit finanziere ich mein Leben, beziehungsweise mein Musikerleben und ich schätze diesen Beruf auch als Lebensbasis. Die Musik ist ein Ausgleich aber sie ist auch nicht so unpassend zu meinem Job, denn auch Musik ist strukturiert und mathematisch.

Gernot F., 32 J., Gitarrist, Bassist, Sänger, Student

1. Job und Hobby. 2. Musik beeinflusst meine Stimmung positiv oder negativ. 3. Ja, es gibt „schlaue“ Texte. 4. Ja, mathematische Verhältnisse in der Melodieführung. 5. Ja, ich komponiere und das ist eher emotional für mich. 6. Nein, das glaube ich nicht. 7. Nein, das sehe ich nicht so. 8. Nein. 9. Nein, Talent oder Begabung kann man nicht erlernen. 10. Ja, Hardrock. 11. Das passt perfekt für mich zusammen. Meine Prioritäten sind gut verteilt und die Hauptpriorität in meinem Leben ist Musik. 12. Nein, bei Auftritten habe ich keine Ängste, denn ich übe genug und weiß was ich kann.

Hannes M. 36 J., Musikpädagoge, Komponist, Keyboarder, Sänger

1. Musik ist das, was ich kann und machen mag. 2. Musik ist omnipräsent für mich, egal ob ich die Augen geschlossen oder geöffnet habe. 3. Ja. 4. Ja, Musik hat rationale Aspekte. 5. Eine Kombination aus beiden. Wichtig ist das Wissen um die Struktur und den musikalischen Geflechten einerseits und andererseits die Suche nach dem Weg, sich selbst und den Leuten etwas zu schenken, was zuvor noch nicht da war, neue Aspekte und Kombinationen heraus zu finden, um Lieder zu kreieren, die die Leute bewegen. 115

6. Ja, das kann sein, zumindest gewisse Musik. Ich glaube, dass es Menschen gibt, die Emotionen hassen und gerne in einer berechnenden Welt leben, in der Emotionen einfach ausgeklammert werden. 7. Ja, für diese Zeit ist diese Aussage passend. Aber es gibt einen Unterschied zum heutigen Musikverständnis und dem zur Zeit von Goethe. Die Musik war damals als Kunstform präsenter und derjenige der sich damit genau beschäftigt hat, galt als vollkommener. Heute ist das nicht mehr so, da Musik ein Verbrauchsgut geworden ist. Der, der heute Musik macht, muss nicht den gleichen Weg gehen wie Musiker zu Lebzeiten von Goethe, es geht heute einfacher zum Beispiel kann man auch schon als DJ ohne gute musikalische Vorkenntnisse oder Talent Lieder produzieren. Goethe wollte wahrscheinlich sagen, dass der Mensch dann komplett ist, wenn er sich mit Sachen beschäftigt, die den Geist fordern und womit man neue Wege finden kann. Zu der Zeit von Goethe war das Musik machen ein jahrelanger Prozess, geprägt von enthaltsamen Leben, fast spirituell. 8. Ja, das ist jeder Mensch. Musik hat damit zu tun sich zu öffnen und weniger damit viel darüber zu wissen. 9. Wenn man einem Kind das Elternhaus von Mozart zur Verfügung stellen würde, würden es viele Menschen, glaube ich, sehr weit bringen aber das Wort „Genie“ ist mit Vorsicht zu genießen. Denn jeder kann ein Genie sein, wenn er es sein will. Nicht jeder in den gleichen Bereichen oder in gleichen Maßen, aber der Mensch an sich hat das Zeug dazu kreativ zu sein und quer zu denken. Die Schwester von Mozart hatte es als Frau zu dieser Zeit auch schwerer und hat eine andere Förderung bekommen als Wolfgang, für den sein Vater Leopold sehr entscheidend war. 10. Ja, Volksmusik! Nicht in diesem rein volkstümlichen Sinne sondern Musik die Leute für sich und andere machen, nur der Musik wegen und nicht aus wirtschaftlichen und finanziellen Gründen, sondern Musik die volksnah ist und wo jeder sich einbringen kann. 11. Reiner Berufsmusiker! 12. Nein, habe ich eigentlich nicht. Denn dadurch, dass ich unterrichte und Fixeinkommen erhalte habe ich mir den finanziellen Druck genommen. Und musikalisch mache ich mir keinen Druck bei Auftritten, weil ich nur die Musik mache, die mir Spaß macht und die ich kann. Das Selbstbewusstsein gehört natürlich auch dazu, dass man etwas macht weil man es gerne macht und nicht um andere zu beeindrucken. Wenn man sich nicht verbiegt und Freude an seinem Tun hat, dann entsteht kein Leistungsdruck.

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Michael Z. ,37 J., Sänger und Café Inhaber

1. Selbsterfüllung, Selbstinszenierung, Energie, passiv und aktiv, Geld, Adrenalin. 2. Herz erfüllend einerseits und andererseits baut es auch mein Selbstwertgefühl auf. 3. Ja, aber nicht beim Singen beziehungsweise Musizieren an sich, sondern in organisatorischen Bereichen. 4. Ja, vor allem im kommerziellen Musiksektor, da läuft meistens das gleiche kalkulierte System ab zum Beispiel: Strophe – Refrain – Strophe – Refrain – Bridge – Refrain 5. Ja, ich komponiere auch aber das ist für mich eher emotional. 6. Ja, das könnte schon sein. Es gibt heutzutage so viele psychische Krankheiten, vielleicht gibt es Menschen die an so etwas wie Melophobie (Angst vor der Musik) leiden. 7. Nein, das glaube ich nicht, dem kann ich nicht zustimmen. 8. Ja, jeder Mensch. 9. Ja, bis zu einem gewissen Grad kann man diverse „Talente“ erlernen, gleich zu setzen mit Sportlern. 10. Ja, die Popmusik beeinflusst und berührt mich sehr. 11. Früher war ich reiner Berufsmusiker jetzt habe ich zwei Berufe. Die Musik ist ein Ausgleich für mich. Sie ist sogar eine Sucht, der ich sehr gerne nachgehen möchte. Ich habe einen musikalischen „Auslebungsdrang“. 12. Mit geringer Routine ist die Angst fast unerlässlich. Wenn ich beispielsweise mit „fremden“ Musikern zusammenspielen muss oder ein anderes Programm auf mich zu kommt als ich gewohnt bin, dann habe ich Angst auf der Bühne zu stehen.

Boris Bukowski, 68 J., Musiker

1. Musik ist eine Ausdrucksform, in einer Sprache, die ich ein bisschen sprechen kann. In meinem Fall hat diese Musik auch immer einen Text, das sollte natürlich zusammenpassen. Was der Text aussagt, sollte von der Musik unterstützt werden. Zusammen ergeben Text und Musik dann einen Song. 2. Musik unterstützt bestimmte Stimmungen oder ruft sie hervor. Bei mir als professionellem Musiker gibt es zweierlei Umgang mit Musik: Mich interessiert erstens das, was andere machen, ich analysiere und zerlege die Musik, um heraus zu finden, warum etwas so klingt wie es klingt und zweitens als „naiver“ Hörer lasse ich Musik auf mich einwirken und ziehe eher keine intellektuellen sondern gefühlsmäßige Schlüsse. 117

3. Ich glaube Vernunft hat mit Musik nicht unbedingt etwas zu tun. Musik gibt zwar auch Antworten, aber andere als solche, die man aus der Vernunft beziehen kann. 4. Das einzig Rationale was Musik enthält ist, dass die einzelnen Teile zu den anderen passen, aber Musik ist eher eine Sache des Gefühls. 5. Eher emotional. 6. Ja, das gibt es. Es gibt, glaube ich, Religionen bei denen Musik sogar verboten ist. Zum Beispiel bei den Wahabiten der Taliban ist, was ich weiß, jede Musik verboten. Man kann Menschen auch dazu bringen Musik zu hassen. In dem berühmten Buch von Anthony Burgess „A clockwork orange“ wird ein jugendlicher Straftäter, der brutale Attacken auf andere Menschen verübt hat, gefoltert, indem ihm brutale Übergriffszenen bildlich gezeigt wurden, unterlegt mit seiner Lieblingsmusik. In seinem Kopf hat sich das so verbunden, dass ihm nach dieser „Therapie“ immer übel wurde, wenn er diese Musik hörte. Das ist natürlich nur ein Science Fiction Roman aber sehr interessant. 7. Ja, eigentlich schon. Die Musik ist ein wesentlicher Teil der Kultur und Kultur ist das was den Menschen vom Tier unterscheidet. 8. Ja, es gibt schon unmusikalische Menschen aber auch unmusikalische Menschen können etwas Positives aus der Musik beziehen. Auch wenn man nicht der Experte ist und wenn man das oft nicht benennen kann, was da musikalisch passiert, kann man trotzdem ein positives Gefühl daraus beziehen. Sie müssen nicht besonders musikalisch sein, denn Musik übermittelt auch Gefühle an Menschen, die Musik nicht analysieren können. 9. Es gibt genetisch bevorzugte Menschen in gewissen Spaten. Bei Mozart war beides der Fall, er wurde ja von seinem hochmusikalischen Vater den ganzen Tag lang unterrichtet. 10. Sehr sehr viele verschiedene. Ich bin ursprünglich mit Rock´n´roll aufgewachsen und Traditional Jazz, dann hörte ich auch Modern Jazz und dann auch alle Spielarten der letzten 55 Jahre von Popmusik. Zum Beispiel, mein Vater war Konzertmeister im Fürstenfelder Stadtorchester, und hat viele klassische Stücke geschrieben, die auch aufgeführt wurden. Aber mein Vater hat die Popmusik abgelehnt und als Jugendlicher habe ich mich somit als Gegenbewegung um die Klassik nicht wirklich gekümmert, aber jetzt höre ich auch gerne klassische Musik. Mozart ist für mich der größte Popstar aller Zeiten.

Christian Kolonovits, 62J., Komponist, Dirigent und Musikproduzent

1. Musik bedeutet alles für mich, sie ist im Grunde die Schöpfung selbst. „Am Anfang war das Wort“, das bedeutet am Anfang war der Klang und Klang ist Musik, diese Einstellung 118

begleitet mich schon mein ganzes Leben lang. Für mich ist Musik wirklich Schöpfung, im Sinne der Entstehung des Universums, denn Musik beeinflusst die Evolution in einem sehr hohen Maße. 2. In erster Linie emotional. Ich vermeide es Musik mit dem Rationalen in Verbindung zu bringen. Als Profi-Musiker werde ich immer damit konfrontiert über Musik zu sprechen und sie ständig zu analysieren. Aber das versuche ich zu vermeiden, denn es nimmt mir das Besondere an der Musik weg, nämlich das „am Puls der Musik zu sein“. Und ich glaube nicht, dass Musik über den Intellekt begreifbar gemacht werden kann, weil sie etwas sehr Intimes ist, was jeder für sich selbst empfinden kann. Was Professoren der Hochschulen Intellektuelles über Musik berichten, dagegen habe ich zwar nichts einzuwenden aber mit Musik hat das an und für sich gar nichts zu tun. Musik ist etwas sehr Persönliches. Die größte musikalische Erfindung des zwanzigsten Jahrhundert sind die Beatles! Das muss man einmal akzeptieren und das müssten auch die Professoren in den europäischen Schulen akzeptieren so wie das in Amerika schon lang akzeptiert wurde. Diese „Beatles-Emotion“ hat die Welt verändert. Schönberg zum Beispiel hat uns zwar zum Nachdenken gebracht und für mich als Musiker ist das wunderbar, was er gemacht hat, aber verändert hat es nichts. Doch die Beatles haben die Welt zusammen gebracht. Sie brachten Ravi Shankar, einen großen indischen Musiker beziehungsweise Sitarspieler, nach Europa und Amerika und plötzlich hörte die ganze Welt indische Musik. Die Globalisierung der Musik begann mit der Popmusik, früher hieß es eben Folklore, denn diese Musik kommt aus dem Volk. Und dort entstehen Musik und Emotion. Niemand im Volk würde das gespielte Lied analysieren, er/sie singt oder spielt ganz einfach und ist dabei glücklich oder traurig. Das ist das Geheimnis der Musik, dass man pure Emotionen lernen und immer wieder erleben kann und das gibt es im Intellekt nicht. 3. Ja, das schon. Wenn die Musik meine Rationalität anspricht und sie mich auch intellektuell anregt, soll mir das recht sein, aber das kann nicht wirklich die Urfunktion von Musik sein. 4. Ja und nein. Es kommt darauf an, wie man das sehen möchte. Man könnte zum Beispiel die Musik von Bach mathematisch sehen und auch Schönbergs Musik in tausend Teile zerlegen, das wäre dann der rationale Part, aber die Frage ist, ob man das für das Musikerlebnis wirklich braucht. Außer für Wissenschaftler und Historiker, die analytisch arbeiten, ist das natürlich sehr wichtig. 5. Emotional, ich lasse mich dabei einfach gehen, natürlich mit dem Bewusstsein, dass ich mein Handwerk kenne und gelernt habe, dass ich das automatisch in mir habe, aber aufkommen lasse ich beim Komponieren hauptsächlich Emotion. Wenn ein Musiker ein Musikstück schreibt oder komponiert, denkt er nicht lange nach, denn es passiert einfach. Niemand sagt: 119

„Ich habe solange nachgedacht und jetzt fallen mir ein paar Noten ein.“ Das ist Blödsinn! Noten kommen einem einfach, weil es ein inneres Bedürfnis gibt, etwas aus zu drücken. 6. Das kann ich mir nicht vorstellen, ich kennen niemanden! Schon als Kind hat jeder seine Lieblingsmusik mit der man aufwächst und die man gerne mit seinen Freunden hört. Wir sind quasi Musik, denn sogar in unserem Körper gibt es Rhythmik. Natürlich gibt es verschiedene Arten und in jedem Kontinent ist eine andere Musikrichtung wichtig, aber ich glaube, dass es niemanden gibt der Musik tatsächlich hasst. 7. Ja, dem kann ich nur beipflichten. Goethe sah Musik auch als die höchste Kunst an. Seine Worte kann ich nur voll und ganz unterschreiben. Musik ist ein Lebenselixier, es hält uns nicht nur am Leben sondern treibt uns auch weiter. 8. Ja, das glaube ich schon. Die einen mehr, die anderen weniger. Ich glaube, dass unsere Gesellschaft immer noch die Fähigkeit besitzt uns die Musikalität auszutreiben, zum Beispiel in der Schule: Lehrer, die oft zu wenig ausgebildet sind, werden auf Kinder los gelassen und vermiesen ihnen durch ihre Unterrichtsmethoden die Musik. Klassik soll natürlich schon unterrichtet werden aber nur in einem gewissen Maß, denn ein 14-jähriger wird sich wahrscheinlich eher weniger für klassische Musikanalysen interessieren sondern mehr für Popmusik. Diese zu wenig geschulten Leute sollten vor allem nicht entscheiden dürfen wer musikalisch ist und wer nicht. Was ist mit der Freude an Musik? Musik hat sehr viel mit Improvisation zu tun und entsteht aus dem Bauch heraus, so etwas sollte besser unterrichtet werden. 9. Beides. Förderung und Grundtalent ist wichtig. Mozart war ein geniales, umfassendes Talent. Um so eine Größe wie er zu werden, braucht man ein unglaubliches Talent, Fleiß, Förderung und tägliche Hingabe. 10. Das kann ich so nicht beantworten, denn die Vielfalt in der Musik war für mich immer das Wichtigste. Ich bin mit Klassik aufgewachsen und fing mit 12 Jahren an die Beatles zu hören und das beeinflusst mich bis heute. Die Klassik beansprucht mehr den Intellekt und die Popmusik holt immer wieder Emotionen hervor. Es gibt gut und schlecht gespielte Musik in jedem Genre. Bei gewissen Liedern steckt Potenz dahinter und andere sind so schlecht, dass man sie am liebsten sofort abdrehen möchte. In der Musik muss eine Kraft sein, die spürbar ist!

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Max B. 42J., Chef der Band Klimmstein

1. Musik ist Ausdrucksmittel, Hobby, Beruf und Teil meines Tagesablaufs. Sie kommt einfach überall vor. 2. Verschieden, manchmal werde ich durch die Musik beeinflusst und komme dadurch in eine gewisse Stimmung, aber oft ist es umgekehrt, da bin ich in einer Stimmung und suche die Musik dazu, die ich brauche. 3. Das weiß ich nicht, darüber habe ich noch nie nachgedacht. 4. Das ist schwierig zu sagen. Es kann schon sein aber bewusst nicht. 5. Eher Emotional. 6. Nein. 7. Es ist sehr hart ausgedrückt aber ein Funken Wahrheit ist sicher dabei, doch ich würde es nicht so ausdrücken. Jeder braucht irgendwo seine Musik. 8. Nein. 9. Grundpotenzial muss einfach da sein. Durch das Üben kann man schon weiterkommen, aber nur rein dadurch kann man oft nicht alles erreichen. Grundtalent muss da sein. Denn ich hatte keinen Unterricht und lebe von der Musik. Im Tonstudio, habe ich das beispielsweise erlebt. Manche Leute spielen oft recht lässig, aber haben nicht das richtige Gespür für den Song, weil ihnen das Grundtalent fehlt. Das ist vielleicht eine subjektive Sichtweise. Aber man kann auch mit nicht perfektem Musizieren Erfolg haben. 10. Ja sicher, das sind mehre, aber da möchte ich mich nicht festlegen. Das ist stimmungsabhängig. 11. Berufsmusiker. 12. Leistungsdruck, das ist immer schwierig, vor allem wenn man nur das macht, was man will und wo das Herz daheim ist. Ich habe früher selbst bei Tanzbands gespielt. Da gehen oft Bedürfnisse verloren, der Durst auf der Bühne zu stehen und Live zu spielen ist vielleicht gestillt, aber man muss irgendwas spielen was einen nicht interessiert. Ich glaube es ist gut, wenn man sein Ding macht und schaut, dass man sein eigenes Projekt mehr weiterbringt, aber davon zu leben ist vor allem am Anfang natürlich schwierig mit Gagen und Auftrittsmöglichkeiten. Ich glaube aber für jeden gibt es eine Möglichkeit, der das machen will. Wichtig ist durchhalten und weitermachen, es gehen meistens Türen auf. Finanziell gesehen lebe ich auch vom Tonstudio.

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Steve O., 27J., Sänger, Songwriter, Dekorateur und Monteur

1. Musik bedeutet für mich das Leben. Leben ohne Musik ist für mich nicht vorstellbar und nicht lebenswert. Wenn ich nicht mit einem Lied auf den Lippen aufstehe, dann passt etwas nicht. 2. Ich bin eher der Metal-Musik zugetan, aber ich mag auch andere Musikrichtungen. Musik kann mich aufheitern und hilft mir in vielen Lebenssituationen, ob glücklich oder traurig. Sie kann mich rausholen wenn ich Probleme habe, irgendein Lied kann mich immer beruhigen. 3. Ja, Musik gibt einen gewissen Lebensstil vor und eine gewisse Denkweise. Im Metal zum Beispiel: Hier ist Toleranz da, wir verstehen uns alle, beim Metal gibt es keinen Rassismus. Musik ist politisch unabhängig. Ein Musiker ist für mich jemand der open minded ist. 4. Kann sein, muss aber nicht, finde ich eher nicht. Musik ist grenzüberschreitend und - sprengend und man sollte die Rationalität ein bisschen ad acta legen. 5. Eher emotional. Behandle hauptsächlich den Tod in meinen Liedern und das ist eine emotionale Geschichte. 6. Nein, ich habe noch nie so jemanden getroffen. Ich kann es mir durchaus vorstellen, dass Musik für viele nicht so wichtig ist und nur als nebenbei Berieselung vorhanden ist, aber hassen ist schon extrem gesagt. 7. Ja, absolut richtig. Es gibt viele Menschen die es selber nicht zusammenbringen ein Instrument zu spielen, aber ich glaube jeder singt zumindest unter der Dusche. 8. Ja, jeder Mensch ist irgendwie musikalisch. 9. Ein gewisses Grundtalent muss vorhanden sein. Arbeit und Fleiß kann Talent nicht ersetzen. 10. Metal und Klassik. Die zwei gehören zusammen, wenn man die Musik zerlegt sind sie fast gleich. Metal ist die Klassik der neuen Musik. Tonierungen und Sätze sind ähnlich. 11. Beides ist kreativ. Passt gut zusammen für mich. 12. Finanzieller Druck ist, glaube ich, bei jedem Musiker vorhanden. Vor allem in der österreichischen Musikszene, es sei denn man macht Schlager. Erfolgsdruck habe ich weniger, ich würde gerne davon Leben und es richtig schaffen, aber ich liebe das was ich mache, auch wenn ich damit nicht berühmt werde, werde ich immer Musik machen.

Betty O., 42J., Liedermacherin, Klavier, Gesang

1. Die Musik ist mein Beruf, Ausdruck meiner Emotionen und emotionale Stimulation. Etwas was ich gebe und bekomme. 122

2. Ja, emotional. 3. Ja, auch absolut. Ich habe den musikalischen Beruf erlernt und mit dem Erlernen geht die Rationalität einher. Musik ist allerdings etwas Ursprüngliches. 4. Auf alle Fälle ja! Aber es kommt auch ein bisschen darauf an, denn wenn man zum Beispiel im Urwald ist und ein Mensch trommelt dort, dann hat diese Musik nicht so viel mit Rationalität zu tun, aber je kultivierter die Zivilisation wird, desto mehr Rationalität ist in der Musik enthalten, weil sie sehr auf Vermarktung abzielt und oft nur mehr eine konstruierte Musik ist. 5. Ja, eher emotional als Ursprung, aber die Ratio kommt dann später auch hin zu, damit zum Beispiel Texte und Reime auch gut werden, für mich und den Hörer. Also ist es eine Mischung aus Emotionalität und Rationalität. Text und Melodie sind bei mir immer gleich wichtig und ich schreibe ich auch gleichzeitig. 6. Das weiß ich nicht. Ich kenne niemanden. Was soll das für ein Mensch sein? Er muss Welt- und lebensverachtend sein! Alles im Leben ist ein Rhythmus sogar der Herzschlag. 7. Das ist schön, aber ich sehe es nicht ganz so. Denn auch wenn jemand die Musik nicht treibt, ist er dennoch ein ganzer Mensch. 8. Ja das glaube ich schon, jedes Kind kommt musikalisch auf die Welt. 9. Ja es ist natürlich auch eine Frage von Förderung und Interesse und ob sie anhaltend ist. Aber eine gewisse Begabung auch im Sinne von Hingabe muss vorhanden sein und kann nicht erlernt werden. 10. Jazz, Klassik, Pop und Musical

Martin, 25 J. Studioschlagzeuger bei Jakob Bruckner und Barrier Riff

1. Musik bedeutet für mich inneren Frieden. 2. Im Alltag, in meinen Handlungen und sie bringt mich zum Nachdenken. 3. Einerseits ja, andererseits nein, einerseits spricht sie es an und andererseits regt Musik dazu an die Vernunft aus dem Spiel zu lassen. 4. Ja, das Rationale ist das Grundmuster mit dem man bei uns in der westlichen Musik gelernt hat Musik zu schreiben und in eine Form zu bringen und der emotionale Teil ist der, der uns Entscheidungen treffen lässt, wenn man frei musiziert. Das Rationale ist kulturell abhängig und das Emotionale ist das, was uns Entscheidungen treffen lässt. 5. Ja, beides. 6. Rational gesehen ja, emotional gesehen nein. Rational gesehen deswegen, weil eine gewisse 123

Form der Musik vielleicht manche nicht anspricht, aber auf einer emotionalen Ebene berührt Musik die Menschen egal in welcher Form auch wenn ich sie rational gesehen hasse berührt sie mich. 7. In gewissen Punkten ja in gewissen Punkten nein. Dass ein Mensch kein Mensch ist nur weil er keine Musik mag oder macht, kann man so nicht sagen. Aber der Punkt den er meint, dass ein Mensch als ganzer Mensch betrachtet werden kann, weil er Musik macht, wenn es ein Mensch ist der Musik macht, macht es ihn ganz weil er dadurch Erfüllung findet. Es ist ja quasi aus der Sicht eines Künstlers geschrieben, dieses Zitat ist ja „vorbehaftet.“ 8. Jeder Mensch hat unterbewusst ein Melodieverständnis, weil das quasi die Urform ist, denn Laute und Melodien und Rhythmen bilden die Urform der Kommunikation von der Zivilisation. Die Sprache ist auch quasi Musik, nur anders zusammengesetzt. 9. Manche Menschen die als „Genies“ bezeichnet werden, haben die Gabe Musik auf energetische und emotionale Weise zu transportieren. Das Rationale in der Musik kann man immer lernen, aber Musik ohne Emotion funktioniert nicht. 10. Jede Art von Musik berührt mich, egal ob ich sie hasse oder liebe. Darum ist Musik vor allem für Menschen die nicht so viel mit Musik am Hut haben ein super Therapiemittel, weil sie unterbewusst etwas auslösen kann, egal ob Aggression oder Freude. Wenn Menschen keine, beziehungsweise schwer Emotionen zeigen können, werden sie unterbewusst dazu angeregt, dass sie es können. 11. Berufsmusiker. 12. Ich habe andauernd Versagensängste. Geld spielt für mich nicht so eine große Rolle, aber musikalisch als Künstler hat man, glaube ich, immer Versagensängste, weil man sich ja emotional sehr stark mit seiner eigenen Kunst auseinandersetzt und dadurch die emotionale Komponente eine sehr große Rolle spielt. Wenn man das was man tut selber gut findet, ist das zwar super aber man weiß nie, wenn man es auf der Bühne darbietet, wie das Publikum reagiert. Aber was ich aus Erfahrung sagen kann, ist, dass wenn man selber sehr viel Emotion in die Musik steckt und wenn man das auf der Bühne dem Publikum darbietet und es schafft die gleiche Emotion zu transportieren,dann werden die Leute auch unterbewusst berührt. Je mehr man das praktiziert oder es anstrebt, dass man über die Musik Emotionen transportiert, desto mehr spricht man die Leute an. Aber die Versagensängste werden trotzdem nicht weniger.

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Simone Kopmajer, 32 J. Vokalistin, Songwriter, Klavier, Komponistin

1. Musik hat und hatte schon von Kind an immer einen hohen Stellenwert in meinem Leben. Da ich aus einer Musikerfamilie stamme, wurde immer musiziert und somit war Musik mein Alltag, das war ganz natürlich und sehr wichtig für mich. 2. Natürlich beeinflusst mich Musik, je nach Stimmung. Wenn ich Musik schreibe, dann verarbeite ich Dinge die in meinem Leben passiert oder wichtig für mich sind. Wenn ich Musik höre, kann mir die Musik einfach weiterhelfen, das kommt auf meine Stimmungslage an, sie kann mich positiv beeinflussen und auch zum Nachdenken bringen, aber grundsätzlich beeinflusst mich Musik den ganzen Tag lang. 3. Ich glaube schon. Sicher. 4. Ja, warum nicht, ich bin mir sicher. 5. Das ist auf jeden Fall ein emotionaler Akt. Melodien oder Textstellen die einem einfallen, sind eher Teil des emotionalen Aktes, aber das Ganze zu gliedern und arrangieren ist dann der rationale Teil. 6. Nein, das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Glaube ich nicht. 7. Ja, das stimmt für mich. 8. Jeder Mensch trägt schon eine Art Musikalität in sich, denn er spürt auf jeden Fall die Musik. Alleine dadurch wie man auf ein Stück oder einen bestimmten Rhythmus anspricht. Es gibt auch Leute die können bei gewissen Liedern gar nicht mehr still sitzen sondern müssen sich bewegen oder mitpfeifen und ich glaube, das gehört alles zu einer Musikalität dazu, darum glaube ich schon, dass jeder irgendwie musikalisch ist, aber wie so oft gesagt wird: „Jeder kann ein Instrument spielen, jeder kann singen.“ Das glaube ich dann wiederum nicht, denn es gibt genug Leute die dieses Talent vielleicht nicht so unbedingt in die Wiege gelegt bekommen haben. 9. Mozart war ganz sicher ein Genie. Aber prinzipiell glaube ich, dass 30% Talent wichtig ist und 70% Arbeit sein sollte. Ich denke, dass harte Arbeit sehr unerlässlich ist um etwas zu erreichen. Und genau so war es sicher auch bei Mozart, weil er von Kind auf nichts anderes gemacht hat und automatisch geht man dann diesen Weg aber ich muss auch dazu sagen, dass bei ihm die Talentquote wahrscheinlich sogar überwogen hat. 10. Es ist egal welche Musik es ist, wenn sie gut gemacht ist und wenn sie irgendetwas Besonderes hat, dann kann mich jede Musik bewegen. Ich kann gar nicht sagen, Volksmusik oder Klassik oder Jazz berührt mich am meisten, denn es kommt immer darauf an, wie dieses Stück dargeboten wird, wer es spielt oder singt und mit wie viel Gefühl. Und ich glaube, wenn das 125

der/die richtige spielt, singt oder tanzt, dann kann mich jede Art von Musik zu Tränen rühren. 11. Berufsmusikerin 12. So direkte Versagensängste habe ich eigentlich nicht. Aber ich glaube, so geht es vielen anderen Musikern auch, dass wenn man sich nur für den Weg Musik entscheidet, der sehr hart ist, und das professionell machen will, dann kommen natürlich die Ängste hinzu, ob man davon leben kann beziehungsweise ob es finanziell genügt, das ist natürlich das materielle Denken, dass man auch haben muss. Es tötet aber die Kunst, man kann natürlich nicht so offen agieren und wertfrei Musik machen, wenn man dieses materielle Denken im Hinterkopf haben muss. Aber wenn es dann funktioniert, hat man diese Angst nicht mehr so stark. Und ich persönlich habe sie nicht mehr und hatte sie auch nie sehr stark, da ich durch den Gesangunterricht ein gesichertes Einkommen hatte und somit habe ich den Kopf frei und kann dann mit meiner Kunst und Musik machen was ich will und muss mich nach niemandem richten.

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