Völkische Verbindungen
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Völkische Verbindungen Beiträge zum deutschnationalen Korporationsunwesen in Österreich Impressum Herausgeberin: HochschülerInnenschaft an der Universität Wien, Spitalgasse 2, Hof 1, 1090 Wien | Grafiken: Olivia Kaiser | Layout: Tanja Jenni | Lektorat: Karin Lederer | Druckerei: Paul Gerin, 1020 Wien | Juni 2009 | ISBN: 978-3-200-01522-7 4 Vorwort 7 Inhaltsverzeichnis Gruppe AuA!: Auf allen Ebenen, mit allen Mitteln. Der Versuch einleitender Worte 8 1. Verklärungen – Geschichte und Mythen der völkischen Korporationen Heribert Schiedel: Korporierte Legenden. Zur burschenschaftlichen Geschichtsumschreibung 20 2. Verstrickungen – Korporierte in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik Matthias Lunznig: Von Treue und Verrat, Bannflüchen und Vernichtungsstößen Das Verhältnis von FPÖ und völkischen Verbindungen: Eine Wagneriade 34 Gruppe AuA!: Braune Burschen Die Geschichte des österreichischen Rechtsextremismus und Neonazismus ist nicht zuletzt auch eine Geschichte der völkischen Korporationen. 58 Gloria Glitter: Ein Burschi kommt selten allein ... Deutschnationale Männerbünde als Karriereschmiede 91 3. Vereindeutigung – Korporation und Geschlecht Heribert Schiedel, Sophie Wollner: Phobie und Germanomanie 102 Funktionen des Männerbundes Maria Grekova: Refusing to be a Männerbund Zum Verhältnis des Männerbundbegriffs zu linksradikaler Kritik und Praxis 127 Leela Stein: „... der couleurstudentischen Tradition verpflichtet, ... nach den Bedürfnissen einer Damenverbindung gestaltet“ Teutsche Mädels in Österreich 135 4. Vermächtnisse – Völkisches Verbindungswesen und Universität Klaus Illmayer, Daniel Schukovits, Florian Wagner: Konsequenzen der Entnazifizierung an den Universitäten. Einige Aspekte und zwei Fallbeispiele 160 Fanja Feder: „Wir misten aus“ Zur Bildungspolitik des Rings Freiheitlicher Studenten 174 Gloria Glitter: Blau-schwarze Unireform Autoritäre Strukturen und das Comeback der Burschenschafter 186 Florian Ruttner: Der Siegfriedskopf … oder wie die neue „Aufarbeitung der Vergangenheit“ funktioniert 192 Jelka Fichter: Abgesang. Zum verbindungsstudentischen Liedgut 200 Glossar und Abkürzungen 210 Literaturempfehlungen 213 Empfehlenswerte Websites 215 Personenindex 216 5 6 Vorwort Liebe Leser_innen, Liebe Antifaschist_innen! Seit Jahren immer wieder dieselbe Szene: Punkt 12 Uhr treffen sich jeden Mitt- woch deutschnationale Burschenschafter an der Rampe der Universität Wien, um Präsenz zu zeigen und ihre reaktionäre Weltanschauung zur Schau zu stellen. Alle Versuche der ÖH Uni Wien, diesem wöchentlichen „Bummel“ der Korporierten ein Ende zu setzten, scheiterten an der Untätigkeit des Rektorats. Zwar distanziert sich die Universität Wien immer wieder von den Umtrieben der Burschenschaf- ter, doch ist sie nicht gewillt, die „Bummel“ zu verbieten und empfiehlt, diese einfach zu ignorieren. Doch gerade in Zeiten, wo die Freiheitliche Partei wieder Wahlsiege feiert und Burschenschafter Martin Graf mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, BZÖ und FPÖ zum dritten Nationalratspräsidenten gewählt wurde, ist es umso notwendiger, sich mit den Hintergründen völkischer Männerbünde ausein- anderzusetzen und ihnen entschlossen entgegenzutreten, egal ob in der Uni oder im Parlament. Mit dieser Broschüre sollen Geschichte, Hintergründe und Verstrickungen völ- kischer Korporierter beleuchtet werden und zur weiteren Auseinandersetzung und kritischen Reflexion anregen. Auf der Homepage www.burschenschaftler.at sind alle Texte auch online abrufbar und es werden laufend neue hinzugefügt. Mit antifaschistischen Grüßen, Vorsitzteam der ÖH Uni Wien 7 Gruppe AuA! (aua.blogsport.de) Auf allen Ebenen, mit allen Mitteln Der Versuch einleitender Worte Rechtsextremismus und Uni Wien Der heuchlerische Umgang mit Rechtsextremismus in diesem Land lässt sich an- hand der Universität veranschaulichen. So zierten bis Mitte der 80er Jahre die Universität für Bodenkultur die Worte: „Solange Deutsche leben, werden sie be- denken, daß diese einst Söhne Ihres Volkes waren.“ Neben dem patriarchalen Im- petus und der Beschwörung einer deutschen Volksgemeinschaft scheint an diesem Schild auch der Autor interessant: Adolf Hitler. Dass eine solche Inschrift so lange an einer Universitätsmauer angebracht sein konnte, ist durchaus kein Zufall, sondern ein Hinweis auf rechtsextreme Kontinuitäten in der (österreichischen) Uni-Landschaft. Ein anderes Beispiel für rechte Symboliken ist alleine schon die Adresse der Universität Wien, die den Namen eines antisemitischen Wiener Bürgermeisters der Jahrhundertwende, Karl Luegers, trägt. In „Mein Kampf“ be- schreibt Hitler Lueger als den „gewaltigsten und genialsten deutschen Bürgermei- ster aller Zeiten”, wohl angespornt durch Aussagen wie diese über Jüdinnen und Juden: „Da sind Wölfe, Löwen, Panther, Leoparden, Tiger […] Menschen gegen- über diesen Raubtieren in Menschengestalt.“ Ein weiteres rechtes Symbol findet sich im Arkadenhof des Uni-Hauptgebäudes: Der „Siegfriedskopf“. Dieser war 1923 von der Deutschen Studentenschaft für die im Ersten Weltkrieg „in Ehren gefallenen Helden unserer Universität“ errichtet worden. Im selben Jahr machte ebendiese durch Aussagen zum misslungenen Hitlerputsch in Deutschland auf 8 sich aufmerksam: „Unsere Ostmark wird erst dann ihre alte Ehre wiedergewonnen Auf allen Ebenen, mit allen Mitteln haben, wenn von der Wiener Burg und vom Rathaus die schwarz-weiß-rote Fahne mit dem Hakenkreuz weht.“ Als das „Denkmal“ 1990 durch eine Gedenktafel für von den Nazis vertriebene Uni-Angehörige ersetzt werden sollte, liefen die Bur- schenschaften gemeinsam mit dem Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) dagegen Sturm. 2006, im Zuge der Neugestaltung von Aula und Arkadenhof, wurde der Schädel von ersterer in letzteren verlegt und – wenngleich eher halbherzig – mit einer historisierenden Kommentierung versehen. Die Burschenschafter verloren damit – nach langjährigen Auseinandersetzungen zwischen pro- und antifaschi- stischen Studierenden – ihre allwöchentliche Pilgerstätte. Ihre Deutschtümelei stellen sie unter anderem bei ihrem wöchentlichen Mittwochstreffen zur Schau, wenn sich farbentragende Korporierte „aus Tradition“ nun nicht mehr beim Siegfriedskopf, sondern vor dem Hauptportal der Universität zusammenfinden. Ebenso spät, aber doch, wurden in der Aula Gedenkinschriften für die Opfer des Nationalsozialismus angebracht, ohne jedoch auf die aktive Mitwirkung der Uni Wien und vieler ihrer Angehöriger am Verfolgungs- und Vernichtungsprojekt der Nazis einzugehen. Gleichzeitig und in klarem Kontrast zur erwähnten Gedenkin- schrift wurde Konrad Lorenz ein prominenter Platz in der neu gestalteten Aula eingeräumt. Lorenz war bekennender Nationalsozialist, Antisemit und Mitarbei- ter im „rassenpolitischen Amt“ der NSDAP. Noch heute wird der „Rassen“-Theo- retiker Lorenz ebenso von Rechtsextremen als Stichwortgeber verehrt wie ihn die Uni Wien als „ihren“ Nobelpreisträger huldigt. Auch im Zuge der Regierungsbeteiligung der FPÖ im Jahr 2000 gelangten Burschenschafter nicht zuletzt im universitätspolitischen Bereich verstärkt an die Schalthebel der Macht. So wurden der Olympe Friedrich Stefan von der damaligen Bildungsministerin Elisabeth Gehrer in den Universitätsrat der Uni Wien sowie weitere „Alte Herren“ in andere Universitätsräte berufen. Wäh- rend die Olympia auch in den letzten Jahren immer wieder maßgebliche Ak- teure des internationalen Rechtsextremismus und Neonazismus (etwa David Irving, Frank Rennicke, Jörg Händel oder Michael Müller) zu sich einlud, nimmt ihr „Alter Herr“ Stefan gerne an der Beschwörung einer deutschen Volks- gemeinschaft teil, wie er in einer Festschrift seiner Burschenschaft offenbart: In Österreich stellt der Kampf gegen die sogenannte ‚österreichische Nation‘ eine neue Form des Volkstumskampfes dar. Die nach 1945 neu propagierte ‚Nation‘ wird als bewußter und gewollter Gegensatz zur Deutschen Nation verstanden, der mehr als 90% aller Österreicher trotz der Einbürgerung fremdvölkischer Men- schen in den letzten Jahren nach wie vor angehören. Erfreulich scheint in diesem Zusammenhang nur, dass bei der letzten Ernennung der österreichischen Unirät_innen eine handvoll Burschenschafter nicht wieder- 9 bestellt wurden, dafür aber der Frauenanteil auf über 50 Prozent erhöht. Wenn- gleich heute an der Uni Wien keine Burschenschafter mehr im Unirat vertreten sind, scheuen sich die offiziellen Vertreter_innen immer noch davor, die Verbrei- tung und Zurschaustellung rechtsextremen Gedankenguts im universitären Raum zu unterbinden und sich in irgendeiner Form zu positionieren. Im Gegenteil, übt sich die Universität angesichts der immer wiederkehrenden Proteste gegen das wöchentliche Mittwochstreffen deutschnationaler Burschenschafter in erster Linie in Zurückhaltung und zeigt sich trotz vermehrter Bemühungen von Anti- faschist_innen wenig bereit, konsequenter gegen die im rechtsextremen Milieu agierenden Verbindungsstudenten aufzutreten und ihr allwöchentliches Treffen zu unterbinden. Außerdem übernehmen an der Uni bekannte Burschenschafter wie der rechtskonservative Geschichteprofessor Lothar Höbelt oder Friedrich Ste- fan jedes Jahr den akademischen Ehrenschutz des Balls des Wiener Korporati- onsrings (WKR). Aber auch Rektoren unterschiedlicher Universitäten, die selbst keine Mitglieder in schlagenden Verbindungen sind, unterstützen die rechtsextre- me Tanzveranstaltung. Diese Beispiele geben nicht nur Einblick in die etablierte Position der Anhänger deutschnationaler Gesinnungen im universitären Betrieb, sondern zeigen auch, dass diese reaktionären Verbindungen keinesfalls ein margi- nalisiertes Randproblem