Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 1

1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN 1

1. Frühe Zeugnisse des Hundes in West- und Zentral-Asien

Welche praktischen Funktionen kann der Hund im frühen Neolithikum West-und Zentral-Asiens erfüllt haben? Un- sere Kynosophische Zeitreise erbrachte im 3. und 4. Band einige Vorschläge zu seinen symbolischen Funktionen in West-Asien, und zwar vom elamo-(drawidischen) Be- die Rutenhaltung ist nicht situationsgerecht ginn bis zum vorläufigen assyrischen Ende. - dann müsste man von einem Windhund- Kehren wir von diesem vorläufigen Ende ei- Bassett sprechen; ein Nachhall vom „Fuchs“ ner - wie wir heute wissen - nicht ganz aus Göbekli Tepe (> 125-38)? 2.000 Jahre unproblematischen Entfaltung des mensch- später erscheint der „“ in fast fried- lichen Bewusstseins - gespiegelt und kataly- licher Koexistenz mit einem Löwen auf ei- siert in den symbolischen Funktionen des nem Siegel aus Ninive (> oben), wie Tepe Hundes - wieder zurück an den elamisch-su- Gawra in Nord-Mesopotamien gelegen. Auf merischen Anfang im -4. Jahrtausend und der Steinbockjagd mit einem Bogenschüt- beantworten wir uns - wie immer - vorläu- zen zeigt sich der „Saluki“ (> unten) deut- fig und diesmal eher positivistisch-kynolo- gisch die Frage, wie wir uns den Hund und seine funktionale Entfaltung vom Beginn des Neolithikums in West-Asien und dann auch in Zentral-Asien vorzustellen haben. Dazu bietet uns die südwestasiatische Bild- kunst der frühen Zeit schon einige Hinwei- se, denn schon in dieser Epoche können wir grob drei Hundetypen unterscheiden: In Te- pe Gawra im Nordosten des Irak (> IV, 667: Karte) erscheinen in der Glyptik seit der spä- ten Ubaid-Zeit salukiähnliche Windhunde allein (> rechts & > IV, 599: Abb. 2, 6) oder in Meuten (> ganz rechts) bei der Jagd auf Ha- se oder Gazelle. Diese im engeren Sinn me- sopotamischen Hundedarstellungen auf Siegeln und Bildern haben wahrscheinlich Vorläufer im Frühneolithikum des Frucht- baren Halbmonds, so z.B. ein Wandbild aus Çatal Hüyük, das einen Bogenschützen bei der Hirschjagd zeigt, begleitet von einem fuchsähnlichen Vierfüßler, den Mellaart als Hund identifiziert (> rechts; in: Trokay, Abb. 1). Wenn es sich um einen Hund handelt - Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 2

2 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

dann wohl auch das an der Leine geführte Tier zu deuten (> III, 91: Abb. 1): Nachdem er das Wild auf den Schützen zugetrieben hat, nimmt man diesen großen, vom Windhund und auch vom „Molosser“ klar zu unter- scheidenden Hund an die Leine. Große lich einsatzbereiter. Der zweite Grundtyp, „molossoide“ Hunde mit kleinen Hänge- der Herdenschutzhund und/oder „Molos- oder kleinen Stehohren können als Herden- ser“, wird ab der Uruk-Zeit (-3.500 bis schutzhunde gedeutet werden, die man -3.100) in Süd-Mesopotamien dargestellt auch zur Jagd einsetzt; man vergleiche sie bei der Jagd meist auf felide Beutegreifer, mit dem turkme- seltener auf Wildschweine; dabei wird auch nischen Herdenschutz- er allein oder in der Meute anspringend, hund (> rechts & > 321- mit aufgerissener Schnauze gezeigt, wie er 2). Die Jagd scheint in das Wild verfolgt (> oben), umstellt (> un- dieser hoch entwickel- ten), angreift oder ins Schussfeld von Bo- ten neolithischen Ge- sellschaft immer noch eine große Rolle zu spielen, und so darf man die These wagen, dass hier eine mesolithische Tradition mit-

genschützen oder Lanzenträgern treibt (> rechts & unten). Man sieht ihn auch in der

samt den zugehörigen Hunden fortgeführt wird. Ebenfalls aber sieht man schon in Te- pe Gawra auch eine kurzbeini- ge, manchmal doggengesichtige Rasse (> rechts), die auch zur Meute Steinböcke in einen Pferch (?) trei- Jagd benutzt wird, und zwar an ben (> unten). Als molossoider Jagdhund ist der Leine (Nagel, 172); dieser Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 3

1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN 3

„kurzbeinige“ Typ ist auch in Luristan in auf der Glyptik aus Tepe Gawra, aber Tepe Giyan dokumentiert und wird uns die aus der Schicht IVa von Uruk be- gleich im Exkurs zum Hütehund noch be- kannten frühsumerischen Schriftzei- schäftigen (> 17-22). Im Vorgriff zeige ich chen für Hund, die drei ersten (> eine Art Hofhund im Sprintertyp, der zu rechts) noch mit hypothetischer zweit und ganz familiär, aber hier ohne Zuweisung zum Saluki, das letzte Hütehundallüren, wenn auch mit extrem Piktogramm (> rechts ) mit der ge- schräger Kruppe, zwischen Ziegen und Mel- sicherten Lesung ur nach Meinung Nagels 1962 diesmal mit eindeutiger Zuweisung zum Saluki, zeigen be- reits einen Saluki-Kopf, aber mit

deutlichen Hängeohren ... Hilzheimer plädiert in diesem Falle für den „Canis intermedius“ (> I, 9 & > IV, 21-2), den Lauf- und Jagdhund vom Brackentyp; doch könnte man wohl eher an einen ker (?) flaniert (> oben), während ein ande- fortgeschrittenen Saluqi-Schlag denken, rer Hütehund - dieser Gebrauchstyp wird äußerst selten dargestellt - zu sehen ist in meint Nagel (173). Für den Indischen bzw. einer Szene mit zwei Schweinen, die im Schilf Arabischen Wolf (Canis lupus pallipes bzw. verschwinden, während der Schweinehirt mit arabs) als Kandidaten eines der möglichen Stock ihnen den Rücken zukehrt (> unten). Domestikationsereignisse des Wolfs zum Haushund in direkter Linie spricht vielleicht auch die sumerische Bezeichnung für den Wolf: urbara (~ UR.BAR.RA), während der Hund ur heißt: Der Hund ist für die Sumerer also Referenztier des Wolfs, der in West- Asien später Sirhan und heute Di´b genannt wird und grundsätzlich mit dem Canis lupus pallipes bzw. arabs identifiziert wurde. Der Die Verwendbarkeit verschiedener Hun- Wolf gilt den Sumerern also als eine Art detypen in der Landwirtschaft führt zur Wild-Hund, als wilder Hund - die moderne Darstellung von Wunschträumen: Auf ei- Domestikationstheorie von Susan Crockford nem Bild aus Susa sieht man, wie ein Hund (> I, 626-8 & > IV, 1-10) findet hier ein frühes eine Ziege melkt, ein anderer macht sich sprachgeschichtliches Indiz. Diese schon hier zum Pflügen auf - weniger humoristisches in der Bezeichnung von Wolf und Hund er- als vielmehr altes animistisches Denken kennbar spezielle Beziehung zwischen stellt hier die Menschlichkeit der Hunde dar Mensch und Hund ist aber archäologisch lei- (> unten & > IV, 585-6). Der Vorläufer des Sa- der nur mangelhaft dokumentiert: Aus der luki hat wie der mutmaßliche Vorgänger mehrere Jahrtausende umfassenden Ge- des Herdenschutzhundes noch Stehohren schichte Mesopotamiens sind nur wenige Mitbestattungen von Hunden und erst 1987 die erste Bestattung eines Hundes als Solitär bekannt geworden, und zwar im Tell Brak im Irak: Das komplette Hundeskelett wurde im courtyard of a large public building (Clut- ton-Brock, 217) gefunden. In enger Nach- barschaft und etwas tiefer lag das Skelett ei- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 4

4 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

On the other hand, today, the charac- teristics of the pedigree Saluki are more exaggerated. The limbs are conside- rably longer than those of Luman (~ der ägyptische Import von 1897; > rechts), the skull is more elongated and narrow, and the teeth are relatively very small,

stellt Clutton-Brock (219) fest. Man kann wohl sagen, dass der heutige Saluki im Phä- notyp der Quintessenz der Rasse näher steht - besonders die verlängerten Extremitäten werden dem Verwendungszweck als Jagd- hund auf Gazelle und Hase noch gerechter, ausgenommen die Verringerung der Zahn- größe, die kontraproduktiv ist. Der „Saluki“ aus dem Tell Brak ist aber nicht der früheste nes Esels, und die Ausgräber nehmen an, Zeuge des Windhunds in Mesopotamien: dass beide Tiere starben, als the building was levelled and filled in for a later phase of Ak- kadian occupation. Aus einem angrenzen- den Hofraum nahm man C14-Proben, die auf Saluki und Afghane -2.580 bis -2.455 kalibriert wurden. Wäh- rend den Esel wenige Knochen von Haus- schwein, Rind, Schaf und/oder Ziege und von In Tepe Gawra, etwas nordöstlich einem Jungfern-Kranich (> 127) begleiteten, von Mossul im Irak, fand man in der hatte man den erwachsenen Rüden allein Grabungskampagne 1923-38 den Schädel beigesetzt oder deponiert, wenn er tatsäch- eines „Saluki“ aus wahrscheinlich vor- lich nur als Füllmasse und nicht als „Bauop- sumerischer Zeit: Er wurde der Periode von fer“ diente. Sein Skelett lag auf der linken -4.400 bis -3.800 zugeordnet (Clark, in: Br- Seite mit ausgestreckten Beinen (um -2.500; ewer, 53). In Tepe Gawra lagen die Hun- in: Brewer, Abb. 4.2, > oben; vgl. > 6: Abb. 6), deskelette auf der Abdeckung eines Ki- stengrabes, und in Chafadji lag das Hun- almost in a running position ... The deskelett vor dem Gesicht des Bestatteten skeleton of the from Tell Brak may (Göhde 1, 6); eine ähnliche Situation ken- not have had the external features that nen wir bereits aus Hayonim, einem Fund- characterize the Saluki (~ langes, seidi- ort der viel älteren Natuf-Kultur (> IV, 173: ges Haar in der „befederten“ Varietät; Abb. 2). In Tepe Gawra fand man aus der lange, leicht abgewinkelte Hängeohren) Zeit um -4.000 auch Siegelabdrücke mit but it was certainly of build, saluki-ähnlichen Hunden (> 1 oben & 14: Abb. 4.22). In Eridu, der wahrscheinlich äl- meint Clutton-Brock (219), die die Maße testen Stadt der Sumerer, fand man in ei- dieses Skeletts mit denen eines 1897 aus nem Lehmziegel-Kistengrab aus der Ägypten nach England importierten Saluki Obeid-Zeit (~ frühes -4. Jahrtausend), in verglich: Der Hund aus Tell Brak war etwa dem ein männlicher Jugendlicher von etwa vier Zentimeter kleiner als der 58,8 cm 15 bis 16 Jahren beigesetzt war, das gut große ägyptische Saluki, seine Kieferkno- erhaltene Skelett eines Hundes (> 6: Abb. 2 chen waren weniger lang und seine Zähne & 6): Es war quer über der Lendenregion stärker ausgeprägt. des Jugendlichen deponiert - der Schädel Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 5

SALUKI UND AFGHANE 5

Zwei präparierte Saluki aus dem British Museum: Links Luman (* 1897), präpariert im Jahr 1907 (Widerristhöhe 58,8 cm), rechts Lance of Anatolia, präpariert im Jahr 1922 (WH 57 cm). Unten: Die Bergvariante des Saluki - zwei präpa- rierte Afghanen aus dem British Museum - Mooroo links und Shazada rechts. In: Dennis-Bryan, Abb. 25 (oben) & 31.

stammte probably of a Saluki-type dog 3. Dynastie lag. Der Friedhof war, wahr- (Clark, 53). Ein weiteres Grab enthielt zwei scheinlich zeitgleich mit den Tempeln VI Hundeskelette (> 6: Oben links). Die Gräber und VII, nordwestlich der Zikkurat ange- waren Teil eines Friedhofs, der direkt legt worden. Der Grabungsbericht ist außerhalb der Stützmauer der Zikkurat der aufschlussreich für den archäologischen Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 6

6 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Links: Eines der Hundeskelette aus Isin, bestattet an der Rampe zum Gula-Tempel. Rechts & unten: In einem Grab in Eridu war das Hundeskelett quer über das menschliche Skelett gelegt. In: Göhde 1, Abb. 2 & 6 (oben) & Lloyd, Tafel 4.

Umgang mit Hundeknochen: Zu Beginn Es versteht sich, dass die zuvor gefundenen der Kampagne fand man, wie der Archäo- Tierknochen aufgrund des spektakulären loge Seton Lloyd (118) berichtet, Fundes neue Bedeutung erlangten. Welche, das verrät Lloyd leider nicht. Auch nicht, ob animal-bones, which we took to be es sich bei diesen Tierknochen um Hunde- meat-offerings, lying directly upon the überreste handelte. In Lloyds Beschreibung sealing of a grave. These seemed to wird deutlich, dass die nächsten zwei Men- acquire new significance, when, to- schen- und Hundeskelette in einem ge- wards the end of the season, we disco- meinsamen Grab beigesetzt waren, was vered the complete and almost per- nun ebenfalls eine andere Dimension ge- fectly preserved skeleton of a dog, lying winnt als die Bemerkung Göhdes, man ha- directly upon that of a young boy in an be in einem weiteren Grab zwei Hunde- unsealed grave (> oben). Two ac- skelette gefunden: Diese Skelette accompa- companied other two individuals, who- nied two other individuals, wie Lloyd aus- se grave was subsequently excavated. führt - die beiden Hunde waren den beiden Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 7

SALUKI UND AFGHANE 7

Menschen also eindeutig zugeordnet. Da Den Preziosen verschafft man also einen die Gräber grundsätzlich Keramik des täg- ebenso kostbaren Rahmen in den großarti- lichen Gebrauchs aufwiesen, war die erste gen Torbögen des Tempels, also für jeder- Vermutung nicht abwegig, die Tierknochen mann sichtbar. Der Hund der Gula wird auch seien Reste von Opfermahlzeiten oder bes- als Hund der Sonne bezeichnet, er heißt als ur- ser: als Gaben zur Wegzehrung für den To- me-me (~ Hund der Gula) auch ka-lab d.scha- ten gedacht. Die kompletten Hundeskelet- masch, scheint also auch ein Hund des Son- te lassen aber eher vermuten, dass diese nengottes Schamasch zu sein (Salonen, 77; > Hunde als Wegbegleiter, besser: Weggelei- 431). An der Zusammenstellung frühester ter dieser Toten aufgefasst wurden. Speziell bildlicher Darstellungen des Hundes in Meso- dieser Toten, da keine weiteren Funde glei- potamien (> 1 & > III, 87-91) wiedererkannten cher Art erwähnt werden. Die Nähe zur Zik- wir mit Hildegard Göhdes Hilfe am Bruchstück kurat lässt mich einen Zusammenhang der eines altbabylonischen oder aus der Isin-1-Zeit bestatteten Individuen mit dem Tempel ver- stammenden Gefäßes im Ensemble von Hund muten, den ich natürlich nicht entfalten, und Schlange(n) die KU- und KUR-Symbolik (> sondern nur suggerieren kann. Ist eine Kult- III, 88: Abb. 3). An der altbabylonischen Terra- handlung in diesem Fall wahrscheinlich, kotta-Lehne eines Thrones aus Diqdiqqah bei aber nicht zu beweisen, so dürfen wir für Ur bestätigte sich die These, dass Hund und die erst 1973 bei der ersten Grabungskam- Thron ebenfalls ein symbolisches Ensemble pagne in Isin gefundenen 33 Hundegräber bilden (> III, 89: Abb. 420). An einem Stempel- zweifellos kultischen Status annehmen: Sie siegel aus Tell Asmar, das ebenfalls in die frühe wurden in der Mehrzahl in der Nähe der Uruk-Zeit datiert wird (> III, 90, Abb. 416) er- Rampe zum Tempel der Göttin Ninisina- ahnten wir den chthonischen Zusammenhang Gula angelegt. Diese Hundebestattungen zwischen dem Heros der Göttin, der Schlan- werden auch von völlig unkynosophischen gen und dem Hund. Die beiden Hunde des Archäologen als Kulthandlungen verstan- Heros sind nicht größer als kniehoch, was für den; das ebenfalls in Isin gefundene Gefäß den kleinen Hüte- bzw. Jagdhund und gegen mit Hund und Fischgrätmuster (~ KUR-Sym- den saluki-ähnlichen Typ spricht. Die Rute bolik?) verweist ebenfalls auf den kul- wird über dem Rücken getragen und die tischen Status des Hundes (> III, 88: Abb. 3). Ohren sind komplett aufgerichtet. Anders ist Gula alias Ninkarrak hat nicht, wie uns der das bei einem einzelnen, ebenfalls schlanken, glyptische Teil (> III, 85) zu erkennen verlei- in der Lende stark aufgezogenen Hund, der ten könnte, nur einen Typ Hund als Begleit- allein auf einem Stempelsiegel aus Tepe tier: Gawra (Uruk-Zeit) dargestellt ist:

O Ninkarrak, keep back your little dogs Große, schlanke Hunde finden sich auf (and) put a muzzle on the mouth of vielen Stempelsiegeln ... Es handelt sich your big dogs (in: Salonen, 82). um langbeinige Tiere vom Typ Slughi, mit spitzer Schnauze, meist anliegen- Wo im Gula-Tempel die kostbaren Weih- den Ohren und halblangem Schwanz. und Dankgaben in Form von Hunde-Statu- Sie können einzeln, zu mehreren oder etten für Gula deponiert wurden, sagt uns gemeinsam mit Hörnertieren vor- die folgende Inschrift: kommen. Es ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen, ob es sich dabei um reale I set in the magnificent gates (of Gula- Jagdszenen handelt (Göhde 1, 17). temple) two golden dogs, two dogs of silver, and two dogs of copper, whose Göhde tastet sich bis an den Rand ihrer posi- build was sturdy, whose limbs were tivistischen Grundeinstellung, mit der ihre massive (in: Salonen, 83). manchmal nicht hinreichende Kenntnis der Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 8

8 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Die Frage nach dem Ursprung des Namens „Saluk(i)“ ist nicht gleichzusetzen mit der Frage nach dem Ursprung der Rasse - „saluqi“ muss die Bezeichnung der Rasse gewesen sein schon in vor-islamischen Zeiten: So weiß al-Muzar- rid Yazid b. Dirar im „Diwan al-Mufaddaliyat“ in der Beiruter Ausgabe von 1920 (61),dass alle Jagdhunde aus der Paarung zweier entstanden sind - „banat saluqiyayn“. In: Allen u.a., 139, FN 22 & Fig. 1.

Hunderassen nicht ganz vereinbar ist. Auch men/jagen über anspringen bis niederwer- entgeht ihr der symbolische Aspekt der posi- fen bündelt (Smith, 463). Nutzen wir diesen tiven Fakten offensichtlich. Doch statt Hilde- deutlich weniger dicken Hund Göhdes, den gard Göhde über Gebühr zu kritisieren, soll- Saluki mit dem Slughi zu verwechseln, zu ei- ten wir ihr dankbar sein für die Hilfe, die sie nem kurzen Schlenker zur Wortgeschichte uns gewährt: Zwar erinnert der dargestellte des Saluki, der manchmal etymologisch auch Hund an einen Slughi, aber in West-Asien ist als Adjektiv des Stadt- und Dynastienamens dieser Typ als Saluki bekannt (> IV, 31-3, 234) Seleucia bzw. Saluq abgeleitet wird; es gibt - Slughi und Saluki gehen auf denselben Ba- allerdings ein halbes Dutzend Orte, die in der sistyp zurück, Slughi ist nur eine „dialektale“ Antike Seleucia genannt wurden (im Yemen, Einfärbung der ursprünglichen Bezeichnung im Irak, in Syrien und am Kaspischen Meer; > Saluki, die wahrscheinlich volksetymologisch oben), und so hätte man die Qual der Wahl, (?) als Wurzel s-l-q die Merkmale von stür- die sich dann für das Seleucia bzw. Saluq im Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 9

SALUKI UND AFGHANE 9

Yemen entscheiden könnte, wie der franzö- Die Geschichte klingt gut konstruiert, ist sische Orientalist Viré vorschlägt, weil es in aber eher unwahrscheinlich, da der Antike für seine Waffen- und Lederwa- renproduktion bekannt war. Zwar meint hounds, hawks and horses are general- Smith (463), das Terrain sei dort ly kept in the same area (d.h. bei den kennelled Salukis der Reichen im totally unsuited to hunting with gaze- Gegensatz zu den ein oder zwei Salukis hounds and we have no further eviden- eines Beduinen) and all cared for by ce from the now considerable pre- assistants who tend not to specialise in Islamic material available that such one of the three, but to deal with them hunting was practised there, all. In this way, members of each group grow up and learn to work with mem- aber die meso- oder frühneolithischen bers of the other group, a co-operation Felsbilder im Yemen zeigen den in Nord- essential on the hunting field, Afrika und West-Asien verbreiteten Basis- typ des Saluki bei der Jagd auf den Stein- bemerken Allen u.a. (126) über die Tiere der bock oder auf die Oryx-Antilope, auf die Jäger, und es dürfte wohl auf die Betreuer der Saluki bis zu ihrer fast völligen Ausrot- dieser Tiere ebenfalls zutreffen. Kommen tung im islamischen Arabien eingesetzt wir wieder zurück zu der Frage nach dem wurde. Das Bildmaterial spricht also nicht namengebenden Ort der Saluki-Rasse: grundsätzlich gegen die Stadt Saluq im Yemen, aber auch nicht gegen andere Das yemenitische Saluq war gut 200 Jahre Städte gleichen Namens. Immerhin er- nach Umayr b. Suyaym al-Qutami nur noch wähnt Umayr b. Suyaym al-Qutami (ge- eine Ruine, hatte aber wohl in der Tat einer storben 110 nach islamischer Zeitrechnung/ Jagdhundrasse seinen Namen gegeben, die 728 nach unserer Z.) das yemenitische Sa- angeblich - in heroisierender, also in rebar- luq in eindeutig kynologischem Kontext: barisierender Weise - entstanden sein soll aus einer Kreuzung zwischen Hund und They have with them hounds of Saluq, like Wolf, wie Qazwini in Athar (29) behauptet horses, wheeling round in battle, drag- (in: Allen u.a., 140, FN 31). Da aber Saluq als ging on their halters (in: Allen u.a., 121). Stadt weder in vor- noch in frühislamischen Schriften erwähnt wird, stellt sich die Frage, Schweifen wir kurz ab zu einem anderen ob dieser Ort tatsächlich so bedeutend war, wesentlichen Kennzeichen arabischer Über- um eine Jagdhundrasse hervorzubringen, lieferung: Der Vergleich und die implizite die dann über die gesamte Arabische Hal- Gleichsetzung von Hund und Pferd binsel verbreitet werden konnte. Bleiben noch die anderen Städte und die Dynastie is a constantly recurring theme through- der Seleukiden, die durchaus in der Lage out Arabic hunting and equestrian litera- war, die züchterische Verbesserung einer ture and two almost identical stories are schon vorhandenen Jagdhundrasse zu initi- told to illustrate this ... Ich komme daher ieren, sodass die alte Rasse dann den „neu- gleich zur zweiten Geschichte: ´al-Ma´mun en“ Namen der Dynastie und ihrer Haupt- sent one of his men to the desert to find stadt Seleucia am Westufer des unteren Ti- him a good horse. The man replied, “I gris trug. Von allen Saluq-Namensträgern know nothing of horses.” “Are you not an bringt die Seleukiden-Hauptstadt von den expert on hounds?” “Yes.” “Then look for topographischen Faktoren her die besten everything which you would aim for in a Voraussetzungen mit, in die engste Aus- good well bred hound and look for the wahl für die Geburtsstadt der Rassebe- same in the horse” (Allen u.a., 124). zeichnung zu gelangen: Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 10

10 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

This area of all those put forward would strong. Though it is not at present pos- provide the right terrain in which a swift sible to confirm that the following me- gazehound could operate to the full li- thods are adopted in the (~ Arabian) mits of his capabilities. The place of the Peninsula, a reliable writer on life in the origin of the saluki breed, however, we deserts of Jordan states that one of shall never know. He hunted for the an- three ways of preventing saluki/guard cient Egyptians (> II, 174: Abb. 10) and for dog crosses is used. The hind leg of the his Mesopotamian masters (> III, 288: bitch may be tied up to her collar, so Abb. 3.5). His existence in the Arabian that the only position in which she can Peninsula going back many hundreds of be comfortable is lying down; some- years before Islam is also highly probable, times the vulva is stitched up; or the bitch may be imprisoned in a vace, whe- schlussfolgern übervorsichtig Smith u.a. (S. re one is available (Allen u.a., 126-7). xxviii), da sie offensichtlich die archäolo- gische Sachlage nicht kennen. Und daher Kreuzungen kamen angesichts dieser prä- können wir polemisch fragen: Die Seleuki- ventiven Maßnahmen sicher öfter vor als sie den mit ihrem legendären ersten König beabsichtigt waren. Andererseits waren in Seleucus (-305 bis -281) also als kynolo- der Organisation der arabischen Stämme gische Kulturbringer? Smith´ Meinung, auf Salukis spezialisierte Familien mit der Haltung und Zucht betraut, that the Arabs came to associate these gazehounds in some way with the whose duties were handed down from Seleucids and their vast empire and thus generation to generation, the family they named them “saluqis” to distin- being responsible for their classified guish them from ordinary dogs, breeding, rearing, training and for recording their pedigree (by word of überzeugt mich aber nicht sonderlich, zu- mouth) (in: Allen u.a., 142-3, FN 67). mal Smith (464) selbst darauf hinweist, Das Auswendiglernen und -können der ei- that, although great emphasis was pla- genen Genealogie hat sogar Karl May ohne ced on the purity of the “saluqi” strain, jede Übertreibung an arabischen Exempla- cross-breeds ... were produced, presu- ren darzustellen gewusst. Die Praxis war al- mably “saluqi”/guard dog crosses, so leicht auf den Saluki zu übertragen. Da- her können wir davon ausgehen, dass die was ja auch völlig zu Recht für den „anato- Rasse zwar auch Kreuzungen ausgesetzt lischen“ Windhund tazi und den Kangal war, aber doch auch rein erhalten werden bzw. Gammal (beide Schöpfungen der früh- konnte. Dafür spricht auch die literarische, neolithischen Proto-Kurden) angenommen wenn auch spärliche Überlieferung aus dem wird, deren Haltungsbedingungen bei Be- arabischen Mittelalter einiger wesentlicher duinen wie bei Bergbauern - beide ohne Kennzeichen des Saluki, die natürlich auch Zwingeranlagen - weitgehend gleich sind: im heutigen FCI-Standard erwähnt werden, so z.B. im Hayawan von Jahiz (um 256 i.Z. The bitch in season is a problem, since bzw. 869 u.Z.; eine Illustration zum Hayawan either a mating will have to be avoided aus einer undatierten arabischen Ausgabe or a mating will have been arranged zeigt zwei Saluki-Welpen; > rechts oben) with a suitable saluki dog. The possibi- und natürlich im Bayzarah des leider ano- lity of the bitch meeting up with one or nym gebliebenen Chef-Falkners des Kalifs more of the guard dogs, which may von Ägypten (von 365-86 i.Z. bzw. 975-96), well be plentiful around the camp, is der mit seinem Bayzarah das klassische Werk Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 11

SALUKI UND AFGHANE 11

“Two saluki puppies. ´Al-Hayawan´ of al-Jahiz. Undated Arabic. Biblioteca Ambrosiana MS, Ar.A.F. D 140, f 23b.” Sie erinnern ein wenig an den „Windhund-Bassett“ (> 1: Abb. unten) aus Çatal Hüyük. Zitat & Bild in: Smith & Abdel Haleem.

nicht nur der Falknerei, sondern der gesam- setzen kann, der die Geschwindigkeit des ten mittelalterlichen arabischen Jagd- Saluki mindern könnte. Eine schlanke Lende, literatur geschrieben hat, wie die Orientalis- ein glattes Fell, wie die Federn eines Falken ten versichern. Die schon im Mittelalter ge- - ein später Wunsch, da die Falknerei jagd- suchten Kennzeichen des Saluki sind die aus- geschichtlich erst ab der assyrischen Zeit in geprägte Brusttiefe (der Fachbegriff joshan West-Asien dokumentiert ist (vgl. > 324: wird für H(o)und und Pferd gleichermaßen Abb. 20). Das tief angesetzte Sprunggelenk verwendet), der lange Hals, der aber statt als wird zwar nicht in der mittelalterlichen Lite- lang auch als gut bemuskelt qualifiziert ratur erwähnt, dafür aber von zahlreichen wird, und der lange Körper, der für hohe Ge- mündlichen Informanten (Allen u.a., 141, FN schwindigkeit notwendig ist. Der Ober- 41). Auch das Kupieren der Ohren ist nicht schenkel soll lang und dick (~ gut bemuskelt) schriftlich dokumentiert, aber eine iranische sein - eine Differenz zu europäischen Wind- Darstellung aus der Zeit der mongolischen hundrassen. Ferner wünschen sich die mit- Ilchane (> 323, Abb. 19; vgl. > 15, Abb. 4.26) telalterlichen Autoren Jahiz, Ibn Qutaybah, zeigt einen Saluki, dessen Ohren gekürzt Kushajim und der Bayzarah-Autor für den sind, wohl nicht, weil die langen Hänge- Saluki einen kleinen Kopf mit ausgeprägten ohren den Hund im Galopp stören könnten, Hängeohren in deutlichem Abstand zuein- sondern eher zum Schutz vor den Hörnern ander, eine breite, vorstehende Stirn, gera- der Oryx-Antilope. Natürlich gibt es fürs Ku- de Vorderbeine mit engem Zehenstand, da- pieren auch die üblichen paläomentalen Be- mit sich zwischen den Zehen kein Dreck fest- gründungen: The ears are cropped to pre- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 12

12 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

vent their being torn by jackals, was aus der die Vorgängerreligion zu diskreditieren, an- Praxis abgeleitet sein dürfte, die Ohren der dererseits ist ein latenter Sinn der Anord- Herdenschutz- und Wachhundwelpen auf nung wenigstens für den auf Schnelligkeit der Arabischen Halbinsel zu kupieren, um und Ausdauer ausgelegten Saluki darin zu Angreifern später weniger Angriffsfläche zu finden, dass Schwarz bei starker Sonnene- bieten; in der paläomentalen Begründung instrahlung und entsprechender Hitze zu ei- aber, weil diese Praxis ner deutlichen Minderung der Leistungs- fähigkeit führt. Zu einem alles andere als makes them stronger and keener as trostlosen Exkurs zum Hund im Islam lade guard dogs (in: Allen u.a., 141, FN 50). ich die Leser an anderer Stelle ein (> 63-8); jetzt komme ich wieder zurück zur Rassege- Noch stärker in die Richtung sympathetischer schichte des Saluki: Angesichts des hohen Magie geht für die Fellfarbe die von Jahiz im Alters dieser Rasse und einiger morpholo- Hayawan geäußerte Überzeugung, dass gischer Übereinstimmungen mit dem te- sem, besonders hinsichtlich der Längenrela- the best hounds are those the colour of tion von Ober- und Unterschenkel, müsste the lion; redness and being spotted he sich doch die Frage stellen lassen, in welcher claims to be a defect (Allen, 142, FN 59). genetischen Beziehung der Saluki mit dem Ägyptischen Windhund tesem steht (> III, Weiße, hellbraune und kaffeefarbene (=? 273-80) und ob so vielleicht die phänoty- beige?) Salukis werden favorisiert. Dunkle- pischen Unterschiede zwischen Saluki und re Farben sind relativ unerwünscht, obwohl Slughi zu erklären sind. Nun war der Saluki schwarz und weiß gefleckte Salukis akzep- bereits den Illyriern, Medern, Persern und tiert werden (> 324, Abb. 20 & > 344: Abb. Ägyptern bekannt, also lange bevor es die 43), während Jahiz für schwarze Salukis sei- Seleukiden-Dynastie gab. Und so stellt Viré ne Leser an den in einigen Hadithen an- (233) fest, dass das Wort Saluki die zwangs- geblich überlieferten und vermeintlichen weise arabisierte Form von sulak ist, gleich- Wunsch des Propheten erinnert, man möge zeitig Name eines Flusses und einer Ort- sie töten, weil sie des Teufels (~ shaytan; ~ schaft westlich des Kaspischen Meeres, spä- Satan?) seien. Ein Hadith ist eine der Auto- ter von den Alanen bewohnt. Zunächst aber rität des Propheten selbst zugeschriebene war dieser transkaukasische Raum - das heu- Erzählung oder Handlung - es gibt über tige Daghestan - von den Iranern bewohnt, 80.000 Hadithe -, die nicht Bestandteil des bevor sie nach Persien zogen und aus ihm Koran ist, faktisch dem Koran aber eben- den Iran machten. Die Iraner der Ursprungs- bürtig ist und als direkte Offenbarung Gott- region hätten den Saluki als Jagdhund be- es gilt. Nur diese letzte Bemerkung ist in ei- nutzt und könnten mit hoher Wahrschein- nigen hadithen nachweisbar, die Aufforde- lichkeit - meint Viré - als die Schöpfer dieser rung des Propheten, alle schwarzen Hunde Rasse betrachtet werden: Das hätte den zu töten, hingegen nicht, wie auch die Ori- Vorteil, den Saluki nicht allein als arabischen entalisten Allen und Smith betonen. Das än- Hund zu betrachten, wie dies Smith vor- dert aber nichts daran, dass sich das Vorur- schlägt, sondern seinem Verbreitungsgebiet teil gegen schwarze Hunde offensichtlich gemäß auch einen Blick nach Persien und schon zu Lebzeiten von Jahiz von der präzi- nach Afghanistan zu riskieren, denn wenn sen Formulierung des Propheten losgelöst der Slughi nur eine afrikanische Variante hat und zum Selbstläufer geworden ist. Ver- des westasiatischen Saluki ist, dann kann mutlich entspricht der Wunsch des Prophe- der Afghanische Windhund als eine Berg- ten, zu einer bestimmten Zeit mögen die variante des Saluki aufgefasst werden. Der schwarzen Hunde erschlagen werden, ei- untere Teil des Sulak-Tals in der iranischen nerseits der ideologischen Notwendigkeit, Ursprungsregion wurde von der Pelzstraße Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 13

SALUKI UND AFGHANE 13

durchquert, einer Handelsstraße, in etwa rum angeblich entlehnt aus dem althoch- vergleichbar mit der berühmten Seiden- deutschen zeigâri, heute mit Zeiger zu über- straße. Die Pelzstraße kam von Astrachan setzen (Duden-Etymologie). Die damaligen und auf ihr wurden bereits zur Zeit der Me- Vorstehhunde wurden zeigâri genannt, weil der, dann der Perser, kostbare Waren, aber sie jedes gefundene Stück Wild durch ihr be- auch Greifvögel und Salukis bis nach Bagdad sonderes Verhalten dem Jäger anzeigten. gebracht. Angeblich entstanden aus diesen Gottfried von Bouillon und Baudouin de Importen mit der Zeit und unter der Aufsicht Hainaut, prominente Kreuzzügler, sprachen der medischen und persischen Dynastien deutsch-flämisch-niederländisch und hatten weitere Rassen wie der Tazi (in der Türkei ihre Vorstehhunde und Jagdfalken natürlich und in Iran - genauer: in Kurdistan), der Ba- mit auf den Urlaubszug nach Süden genom- rakzai, der Barzoï (in Russland und in der men. So wäre es möglich, die europäischen Ukraine) und der Slughi in Afrika. Noch im Früchte des Saluki auf die Kreuzzüge zurück- Mittelalter, zur Zeit der Kreuzzüge, wurde zuführen. Die schöne Theorie Virés hat aber dieser Hundehandel betrieben, um den Be- leider zwei Haken, nämlich den linguis- darf muslimischer und christlicher Feudal- tischen, dass der Vokalwechsel von sulak zu herren nach Jagdhunden zu befriedigen. saluk(i) von Smith vehement bezweifelt wird Nur die betuchten Herrschaften konnten und Viré tatsächlich den Nachweis für die sich diesen Luxus leisten, denn der Saluki Plausibilität schuldig bleibt. Der zweite Ha- war bereits zu dieser Zeit sehr teuer. Daher ken ist ein molekulargenetischer: Parker u.a. war er auch oft ein besonders geeignetes haben 2004 zwar nachgewiesen, dass der Sa- Geschenk, wenn Botschafter an fremden luki den von ihnen wolfdogs genannten Ur- Höfen ihren Dienst antraten. Salukis und Ge- hunden wie z.B. Shar Pei und mit parde wurden so nach Europa gebracht, und 39,2% recht nahe steht, deutlich näher je- wenn man das weiß, erscheint es ganz nor- denfalls als den übrigen drei Gruppen der mal, dass die Brüder Limburg in den Très doggen-molosserartigen Hunde (D), der Riches Heures du Duc de Berry einen der Hütehund-Gruppe (H) und der Jagdhund- „Heiligen Drei Könige“ mit zwei Geparden Gruppe (J), aber mit knapp 40% W-Anteil zeigen. Und es ist auch überliefert, dass der setzt sich der Saluki molekulargenetisch im- französische König Louis IX. angeblich mit merhin zu gut 60% auch aus den anderen einem Rudel Salukis 1252 aus dem „Heiligen Gruppen zusammen. Ein Blick hinüber zu Land“ zurückkehrte. Louis IX. kreuzte sie an- seiner Berg-Variante, dem Afghanen (> 5: geblich mit seinen französischen Bracken, Abb. 31), gibt den Hinweis, dass der Afgha- und es entstanden so die Eltern der heutigen ne der W-Gruppe mit 63,4% W-Anteil deut- Spaniel-Gruppe, in der die typische Behaa- lich näher steht und mithin als Vorfahre des rung des Saluki erkennbar bleibt. Umge- Saluki anzusehen ist. Das bedeutet nicht un- kehrt entdeckten die muslimischen Feudal- bedingt, dass Afghane und Saluki in südost- herren den europäischen Vorstehhund für asiatischen Steppen entstanden sein müs- sich, arabisch zagari genannt, der in den sen, aber es spricht doch viel dafür, dass der islamischen Gebieten erst ab dem 12. christ- Saluki viel mehr europäischen Einflüssen lichen, also ab dem 6. islamischen Jahrhun- ausgesetzt war als der weiter östlich leben- dert als Folge der Kreuzzüge auftritt. Sie sind de Afghane, denn sein J-Anteil liegt mit kleiner als die Saluki, wie der Enzyklopädist 50,9% deutlich höher als der des Afghanen al-Qalqasandi berichtet (in: Viré, 237). Die mit nur 25,6%. Ob man dies auf die Kreuz- arabische Bezeichnung zagari ist vielleicht züge oder auf spätere oder auf wesentlich europäischen Sprachen entlehnt: Der Vor- frühere Einflüsse zurückführen kann, muss stehhund wird im Griechischen dzagarion z.Z. noch offenbleiben. Eine Konsequenz und im (mittelalterlichen?) Lateinischen sa- zeichnet sich aber wohl ab: Beide - Saluki wie garius genannt, beide Begriffe sind wiede- Afghane - stehen dem urhundartigen W-Typ Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 14

14 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

deutlich näher, und so bleibt nur die Gewiss- heit, dass der Saluki selbst deutlich älter ist als jene angeblich von ihm abstammenden Rassen, deren zweifelhafte „Zeiger“- Etymologie eher auf das uns schon hinrei- chend bekannte tsakurra (> I, 13-5) zurück- geht und das nun seinerseits ein wesentlich höheres Alter indiziert als das europäische Mittelalter; additiv zu erwägen ist auch noch die semantische Verwandtschaft mit dem ostasiatischen tsakh/zag (> I, 13-5). Die bislang früheste bildliche Darstellung eines saluki-ähnlichen Hundes ist von den Frühneolithikern der Tell-Halaf-Periode (von -5.300 bis -4.300) überliefert, deren Nachfolger noch am Ende des -2. Jahrtau- sends ihr paläomentales Substrat mit den „Tier-Musikkapellen“ manifestieren, wie wir bereits sahen (> IV, 214-31), in denen der Hund seine Rolle spielt. Der auf einer Kera- mik dargestellte Hund wird an der Leine ge- führt. Ein Siegelabdruck aus der Ubaid- Periode des Tell Arpachiya (um -5.000) bei Mossul zeigt ebenfalls eine Art Windhund. Über 300 Siegel und Siegelabdrücke aus Siegelabdrücke mit den saluki-ähnlichen Jagdhunden Tepe Gawra zeigen Hunde in Jagdszenen, aus Tepe Gawra (um -4.000). In: Brewer,Abb. 4.22. und der vorsichtige Ausgräber meint:

The animals depicted are rarely of any It is moreover common practice in parts domesticated variety, except for the of former Mesopotamia for Salukis´ ears commonly represented Saluki (> rechts: to be cropped so that they stand up and Abb. 4.22; Zitat in: Brewer, 68). it is possible that this is an old tradition that might have been reflected in the Auf einem Becher und einer Vase aus Susa early artistic representations of these (um -4.000) im Iran sehen wir wieder saluki- animals. Certainly in Arabia in pre- ähnliche Hunde bei der Jagd auf Wildziegen Islamic times it was common practice to (> 15: Abb. 4.25) Man hat den zottigen cut off or slit the ears of certain animals Caniden auf dem oberen Teil der Abbildung which had been dedicated to pagean für einen Wolf gehalten, während man in deities in order to distinguish them from den beiden anderen problemlos den Haus- those which had not (Clark, 69-70). hund erkannt hat - und erleichtert stimmt Clark (in: Brewer, 68) dieser Zuordnung zu, Auf einem anderen Becher (> 16: Abb. 2) denn indeed one of them is held by him on aus Susa sind Windhunde im Lauf gemalt. a leash. Da aber der „Wolf“ dieselbe Position Während Ullrich für den Becher Wind- einnimmt wie die beiden Haushunde, könn- hunde annimmt, hält er den Hund mit den te man in ihm einen zotthaarigen Herden- ebenfalls halb aufgerichteten Ohren auf schutzhund erkennen - wenn die Rute nicht der Tonscherbe (> 17: Abb. 3) für eine wolfgemäß getragen würde. Die Stehohren Kreuzung zwischen einem Windhund und interpretiert Clark als kupierte Ohren: einem „Spitz“, wie er ihn auf zwei frühe- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 15

SALUKI UND AFGHANE 15

Kein „dicker“, sondern ein schlanker Hund - allein auf einem Stempelsiegel aus der uruk-zeitlichen Schicht XII von Tepe Gawra: Offensichtlich ein Hund im Saluki-Typ. In: Göhde 2, 5. Unten: Ein an den Ohren teilamputierter Saluki aus dem heutigen Syrien. In: Brewer,Abb. 4.26.

Saluki-ähnliche Hunde (mit kupierten Ohren?) bei der Wildziegenjagd: Auf einer Keramik aus Susa im Süd- westen des Iran (um -4.000). Unten: Für die Wild- schweinjagd wird der Hund auf diesem römischen Mo- saik aus Carthago mit einer Leibbinde geschützt (2. Jahrhundert). In: Brewer,Abb. 4.25 & 5.15 (unten).

ren Tonplastiken zumal derartige Figuren gerne mit einem aus Susa 1 erkennt Faden umwickelt aufgehangen wurden, (> rechts & > 17: namentlich dann, wenn sie als Idole gegen Abb. 1). Dem zwei- Krankheiten in Verwendung standen. ten „Spitz“, der, wie Ullrich meint, Man kann die Leibbinde aber auch als mit einer Leibbin- Schutz der Flanken des Hundes z.B. bei der de dargestellt ist, spricht er Stehkippohren Wildschweinjagd verstehen, wie ein Mosaik zu. Die Binde deutet Ullrich als die in Karthago nahelegt (> oben: Abb. 5.15) Abnützungsrinne eines Amuletthalters, oder als Andeutung eines Brustgeschirrs. Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 16

16 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Details auf Keramik- bechern aus Susa/Iran (um -4.000): Die langge- streckt galoppierenden Hunde könnten als Sa- lukis interpretiert wer- den; allerdings gibt es re- lativ ähnliche Darstellun- gen auch aus dem früh- neolithischen Europa. In: Brewer, Abb. 4.23 (links), 4.24 & > III, 551: Abb. 363).

Windhunde mit Stehkippohren auf einem Becher (> links oben) und auf einer Tonscherbe (> 17: Abb. 3) aus der Fundschicht Susa 1, der ältesten überlieferten Epoche des Iran: Natürlich aus einer elamo-drawidischen und nicht aus einer indo-iranischen Kulturschicht. „Es handelt sich um die Abbildung eines Bechers, auf dem Caniden im Lauf gemalt sind ... Der Kopf ist lang und spitz, die Schnauze gestreckt, der Gesichtsteil überwiegt den Gehirn- teil. Die Stirne erscheint niedrig. Der Gesichtsteil ist schwach abgesetzt. Der Fang ist geschlossen. Die Ohren sind halb aufgerichtet. Der Hals ist lang, schmal und gestreckt, gut in die Schulter eingelassen. Die Brusttiefe ist re- lativ gering, ziemlich lang und gerade. Die Läufe sind lang und kräftig, nach vorne gestreckt. Der Rücken ist gerade. Der Bauch erscheint leicht aufgezogen und die Flanken sind kurz. Die Rute ist sichelförmig und wird eher hoch getragen. Das Haarkleid ist vermutlich kurz und glatt, die Haare anscheinend pigmentiert. Nach der Körperform kann auf einen Windhund geschlossen werden.“ Zitat & Bild in: Ullrich, Abb. 2.

Oben: Felsgravur einer Straußenjagd aus dem südlichen Jordan-Tal (um -100 bis 200): Eine erstaunliche Kon- tinuität des Saluki-Typs in Zeit und Raum. Dass man das Konto der Kontinuität vielleicht auch überziehen kann, zeigt Clark mit seinem Kommentar zu einem anderen Felsbild (> rechts):“Petroglyph of a Saluki riding behind his master”. In: Brewer,Abb. 4.27 (oben) & 4.28 (rechts).

Rechts: Auf einer dieser beiden Münzen aus dem -4. Jahrhundert aus Panormus (~ Palermo) erkennt Hilz- heimer trotz eines massigen Halses und Stehohren einen dem Saluki ähnlichen Hund - vielleicht eher eine Kreuzung im Typ des Kangal? In: Hilzheimer, Fig. 3. Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 17

EXKURS:DER BOOJY - EIN HÜTEHUND? 17

„Das Bild zeigt einen Tonscherben mit einem Caniden „Das Bild stellt eine Plastik aus Ton dar,die der ... ältes- ... Der Kopf ist langgestreckt und schmal, in der ten Kultur von Susa entstammt. Es ist die Darstellung Parietalgegend gewölbt. Die Gesichtstiefe erscheint eines Hundes mit einem Halsband. Der Kopf ist auf- gering ... Die Ohren sind spitz und halb aufgerichtet .. recht, man findet eine mäßig spitze Schnauze, der Fang Die Vorhand ist mittellang und gerade. Der Rücken ist ist geschlossen. Das Ohr ist aufrecht, hoch angesetzt gerade. Die Rute wird sichelförmig hochgetragen. Das und an der Ohrspitze geknickt. Der Gesichtsteil ist von Haarkleid wird vermutlich mittellang und dicht ge- der Stirne wenig abgesetzt. Die Profillinie ist an der wesen sein. Dem Aussehen nach entspricht dieser Nasenwurzel konvex (wobei eine Abnützung des Ton- Hund einer Kreuzung mit dem Windhund.“ Zitat & Bild materials nicht ausgeschlossen werden kann). Der Hals in: Ullrich, 5 & Abb. 3. ist eher gedrungen und bemuskelt. Die Schulter ist schräg und muskulös. Der Brustkasten ist tief und geräumig. Die Vorhand ist mittellang, gerade und stark, mit steiler Fesselung. Die Pfoten sind rund. Der Rücken Exkurs: ist gerade und der Widerrist hervortretend. Die Lende Der Boojy - ein Hütehund? ist gewölbt und kräftig. Der Bauch erscheint leicht auf- gezogen. Die Hinterhand und die Rute sind infolge Materialbruches leider nicht erhalten geblieben ... Der Typ und die symbolische Funk- Wenn man den abgebildeten Hund somit einer kri- tion dieser „Spitz“-Hunde entsprechen wahr- tischen Betrachtung unterzieht und ihn mit heute scheinlich zuerst den natufzeitlichen Hunden lebenden Hunderassen vergleicht, so ist er am ehesten Palästinas (> IV, 168-77) und danach den dem Spitz zuzuordnen.“ Zitat in: Ullrich, 3 & Abb. 1. frühägyptischen Hunden, wie sie Desroches Noblecourt beschrieben und dokumentiert hat (> III, 256-67). Dieser „Basenji“-Typ wird Die Läufe der Hunde sind sehr kurz und von mir gedeutet als eine Art Jagd-Hüte- stilisiert dargestellt, so dass man fast an Hund, wie man ihn in der Übergangszeit zwi- das Bild eines Dachshundes erinnert schen der paläolithischen und der neoli- wird; es dürfte sich aber wohl nur um thischen Wirtschaftsweise wahrscheinlich po- eine unbeholfene Darstellung liegen- lyvalent eingesetzt und danach spezialisiert der Caniden handeln. hat. Diese Hunde mit mittellangen Läufen und Stehohren erkennen wir auch auf Dar- Ich nehme an, dass aus dem „Basenji“-Typ (> stellungen der zeremoniellen Steinbockjagd III, 279: Fig. 2) auch der Saluki und der Tesem im Yemen und anderswo (> I, 59: Abb. 12 & > entwickelt wurden; Ullrichs Vermutung ei- II, 330-1: Abb. 58 & 59 & > III, 277, Abb. 82). Ull- ner „Kreuzung“ zwischen diesem „Spitz“ rich hält die auf einer bemalten Keramik (> 18: und dem Windhund müsste chronologisch Abb. 6) aus Susa 1 im typischen Dreieckstil (> vom Kopf auf die Füße gestellt und als Über- 652) dargestellten Steinböcke für stilisierte gangstyp erkannt werden. In diesen Kontext Rinder, die von Hunden bewacht werden: wären dann auch „Salukis“ mit ganz oder Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 18

18 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

„Man erkennt eine primitive, zum Teil stilisierte Darstellung von weidenden Rindern. Rings um die Herde sind Caniden zur Bewachung ... die Körper- Der bis 1955 einzige Fund eines Hundeskelettes aus formen entsprechen wohl dem Windhundtyp oder dem Iran (um -2.800) stammt von einem in doppelter zumindest Kreuzungsformen mit diesem“. Zitat & Bild in: Hinsicht kleinen Hund: Er war noch sehr jung und hatte Ullrich, 6 & Abb. 6. Unten: Wahrscheinlich ein Ausschnitt ca. 30 cm Widerristhöhe. In: Ullrich, Abb. 10. Unten: „Auf aus einer Wildpferdjagd mit einer Hundemeute: Der einer Vase der Susa 1-Periode findet sich wieder ein erste Hund des Rudels hat das Tier gestellt, die ande- Hund, der die nachstehend beschriebene Körperform ren, nicht dargestellt, eilen zur Attacke herbei; aus der aufweist. Der Kopf ist spitz und keilförmig, der Fang Schicht Susa 1. Die Halbkreise als „KUR“-Symbole, auf geschlossen. Der Hals ist mittellang und aufgerichtet. denen Hund und Wildpferd (oder Onager?) stehen, Die Brust ist mitteltief. Die Vorderhand ist lang, gerade zeigen wohl nicht nur den Ort des Geschehens an, näm- und kräftig. Der Rücken ist gerade und leicht gesenkt. lich das Gebirge, sondern auch die zeremonielle Der Rumpf ist verhältnismäßig lang. Die Kruppe ist kurz Konnotation der Jagd. In: Ullrich, Abb. 7. und abfallend. Der Bauch ist aufgezogen. Die Hinter- hand ist mittelkräftig und gerade. Die Rute wird hoch getragen und ist als Hakenrute anzusprechen. Den Körperformen entsprechend kann man dieses Tier ebenfalls als eine Kreuzung mit dem Windhund an- sehen“, meint Ullrich und denkt wohl an den „Spitz“ als „Kreuzungspartner“ des Windhundes. Es ist aber fraglich, ob ein zufälliges Kreuzungsprodukt zu diesen ikonographischen Ehren kommen konnte, zumal seine Arbeitsleistungen kaum kalkulierbar waren. Zitat & Bild in: Ullrich, 7 & Abb. 8.

halb aufgerichteten Ohren einzuordnen. Dem von mir als pes bzw. perro/pek (> I, 38 & 119-20 & > II, 9-11 & > IV, 18, 23 (Abb.), 156 & 242) bezeichneten kleinen bis mittel- großen paläolithischen Basistyp entsprechen auch weitere Funde aus Susa 1, auf denen Skelettfund eines schlanken, pariahähn- z.B. ein Hund und ein Wildpferd (oder ein lichen und etwa 30 cm großen bzw. kleinen Wildesel?) zu sehen sind (> oben). Der Hund Junghundes (> ganz oben) aus der ist im typischen Dreieckstil dargestellt, wie Grabungssaison 1932/33 einer schwedischen wir ihn bereits aus der Sahara kennen. Der Expedition im Iran könnte dem Basistyp des Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 19

EXKURS:DER BOOJY - EIN HÜTEHUND? 19

Im Tempel des Mondgottes Sin in Chafadji fand man den gleichen Typ als Steatit-Figu- rinen aus derselben Zeit (> links), die als Amulette verwendet wurden, with their Schon im frühen Neolithikum, um -5.000, sind bereits tails of wavy hair curled over their backs. Steatit-Amulette in Gestalt kleiner Hunde (~ Hüte- Und auf einem Siegelabdruck aus Farah (in: hunde) in Gebrauch. In: E. van Buren (1939), 7, Fig. 11 a-c. Heinrich, Fara, Tafel 45 i) hüten Männer Rinder - Ullrichs etwas zweifelhafte Identi- fikation der Steinböcke als Rinder (> 18: pes/perro/pek zugeordnet werden, aus dem Abb. 6) ist also kein Gegenargument!) -, einerseits kleine Jagd-Hütehunde, auch als „“, „Torfhund“ oder „Spitz“ bezeich- and a small dog with a plumed tail net (Clark, 71), entwickelt und in Mesopota- appears to leap forward as if protecting mien bis zum heutigen irakischen Boojy tra- the herd from predators, diert wurden, aus dem andererseits der Tesem-Typ zunächst mit ganz aufgerichteten wie nicht nur Clark (in: Brewer, 71) meint, Ohren, dann der Afghane und der Saluki mit denn er übernimmt Elisabeth van Burens zunächst noch halb aufgerichteten, dann Beschreibung des Siegels beinah wörtlich hängenden Ohren abgeleitet wurden. Zum und beide wissen offensichtlich (nicht?), Saluki sind noch weitere, diesmal naturbe- wovon sie reden, wenn sie shepherd-dog lassene Vertreter nachzureichen, die auf 6 und sheep-dog sagen, obwohl van Buren cm hohen Kupferfigurinen aus dem Tell 1939 (15) verheißungsvoll beginnt: Aqrab im Einzugsbereich des Diyala-Flusses östlich von Baghdad aus der Zeit um -3.600 The shepherd-dog must not be confused zu sehen sind (Clark, 70). Um -1.900 zeigt ein with the sheep-dog, a big, woolly beast zylindrisches Siegel aus der ersten babylo- with short muzzle and drooping ears, nischen Dynastie den Saluki auch als Hund der Göttin Gula. Seine Ohren sind nach hin- weiß sie, obwohl sie wenige Abschnitte vor- ten gelegt und wahrscheinlich nicht kupiert. her und auch noch auf derselben Seite den Die These, kupierte Hunde seien Gottheiten shepherd-dog definiert als geweiht, wird also relativiert. Die Tradition des Saluki als Rasse hat zwar ein beträcht- standing over 65 cm high at the shoul- liches Alter, aber auch die übrigen „Typen“ der, with flat-topped head, pointed scheinen weitgehend stabilisiert, sodass man muzzle, low forehead, and hanging sie durchaus auch als Rassen bezeichnen soll- ears; the hair is either curly, wavy, or te. Dazu gehört auch jener kleine Hund, den rough, never smooth. These dogs were Ullrich am ehesten mit dem heutigen Spitz not employed to herd cattle, but to identifizieren möchte und der immer noch guard them against marauders, either als Terrier benannt falsche Assoziationen human or animal. A cross between the wecken könnte, wie dies heute noch der and the shepherd-dog pro- Tibet-„Terrier“ tun muss: Ein Zylindersiegel duced a race of hunting dogs with wide aus der Jemdet-Nasr-Periode (um -3.000), brows and well-developed short muzzle rounded in front, and cross-breeding which was found below the ´White eventually resulted in many varieties of Temple´ at Warka (~ Uruk) in southern hunting and coursing dogs, such as Iraq shows a hunting scene in which two pointers, setters, spaniels, etc. ... Cour- men are preceded by a small dog with sing dogs, smooth, short-haired animals pointed ears and muzzle and a tail curled with slender bodies set on long legs, over its back (Clark, in: Brewer, 71). pointed heads, small pointed ears, and Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 20

20 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

a long, thin tail. To this group belong sondern auch mental zwar größenwahn- wild dogs (~ Pariahunde?), the Iraqi sinnige, aber von der Widerristhöhe her eher Seluki (!), and the modern greyhound. kleine Hütehunde beteiligt: Dem Satz

Wir sind im Jahr 1939, und die Abstam- Die Schafe und die Hunde sind in GN mungstheorien schießen ins Kraut, ohne mo- und GN2 (Salonen, 79) lekulargenetische Korrekturmöglichkeit. Im Jahr 2004 wissen wir (vorläufig), dass die mo- könnte man entnehmen, dass Schafherden lossoiden Hunde den Herdenschutzhunden von Hunden begleitet werden und dass die vorausgehen - vermutlich als Saupacker seit Hunde bei den Schafen bleiben, folglich dem Mesolithikum aus paläolithischen Las- Herdenschutzhunde sind. Offen bleibt aber, tenträgern (> I, 539-45: z.B. die Hidatsa-Hun- ob das auch gemeint ist mit dem Satz: de & > IV, 46: Abb. 206) entwickelt -, dass die Herdenschutzhunde (vielleicht) aus Kreuzun- ki kalbi arkika ittanallak (bzw. palatu) - gen zwischen „molossoiden“ Lastenträgern der Hund überwacht (bzw. ihm werden und Hütehunden entstanden sind, und wir anvertraut) Schafe (in: Salonen, 86). wissen auch, dass der Saluki, mehr sogar noch der Afghane, von den Urhunden her ent- Den mehrdeutigen Texten stehen aber bild- wickelt wurde und nicht aus angeblichen liche Darstellungen gegenüber, die für ei- Kreuzungen der wiederum aus angeblichen nen Hütehund sprechen: Kreuzungen entwickelten hunting dogs, wie zumindest die molekulargenetische For- Below the ´White Temple´ at Warka (~ schungsgruppe um Heidi Parker 2004 nach- Uruk) in levels C and D-E many small gewiesen hat. Dieser Sicht steht entgegen die objects came to light, and among them vom französischen Geographenpapst Xavier a remarkable gypsum cylinder seal de Planhol vorgebeteten und vom Domesti- attributable to the Jemdet Nasr Age (~ kationstheoretiker Jean-Pierre Digard und um -5.000; in: Heinrich, UVB VIII, S. 52, von anderen nachgeleierte, aber massiv vor- Taf. 49, a). The cutting is very deep, so getragene und gegensätzliche Theorie, der that the figures in the impression stand Hütehund sei erst auf Island nach Ausrottung out in unusually high relief, and the von Bär und Wolf um 1200 bis 1220 entstan- subject appears to be a hunting scene, den und von dort im 15. Jahrhundert nach for a lion can be seen between two men England und Wales, dann im 17. Jahrhundert who are preceded by a small dog with nach Nord-Frankreich exportiert worden und pointed ears and muzzle, and a tail - habe „schon“ Anfang des 19. Jahrhunderts ling over his back. Figurines of dogs like Süd-Frankreich erreicht: Trotz dieser „Theo- this one for use as amulets (!), with their rie“ also, die selbst französische Zeugnisse tails of wavy hair curled over their ante quem sträflich negiert wie z.B. die von backs, were found in the Jemdet Nasr den Brüdern Limburg (> VI) zwischen 1410 Temple of Sin at Khafajeh (Fig. 11;> 1, und 1412 ausgemalten Stundenbücher des ganz oben & > 19: Abb. 11). They are of Herzogs Jean de Berry, die kleine Hunde mit glazed steatite, and the holes for the Hirten und Herden im Hüte-Kontext zeigen, eyes were incrusted (Buren, 1939, 16). oder den Grant Kalendrier der Schäfer von Troyes aus dem Jahr 1480 (> VI), trotz dieser Es ist ein small dog, keine small figurine of a „Theorie“ ist es durchaus legitim, Spuren des dog, von dem hier die Rede ist; zudem hat er Hütehundes schon im Alten Mesopotamien Stehohren und ist auch daher - zusätzlich zur zu suchen, wo sie denn auch zu finden sind: eindeutig geringeren Widerristhöhe - nicht mit So waren an der Verteidigung des Viehs vor einem Molosser zu verwechseln. Diese kleinen den Löwen nicht nur Herdenschutzhunde, Hunde scheinen Hütehunde zu sein, denn Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 21

EXKURS:DER BOOJY - EIN HÜTEHUND? 21

a limestone cylinder seal found in the Dabei sollte man doch bei einem kleinen ´A´ Cemetery at Kish illustrates a scene Hund eher von einem Hütehund ausgehen, of a man milking a goat (> in: Mackay, der keine Raubtiere vertreiben, sondern die Fig. 5); in the background there is a dog Rinderherde von den Gärten und Feldern of the same breed as the one on the seal fernhalten will (> III, 635-7): Also doch so et- fromWarka (Buren, 1939, 16). was wie ein früher Tibet-„Terrier“, aber in Mesopotamien? Auch die Rutenhaltung Kleine bis mittelgroße Hunde, die dem Zie- spräche dafür. Und Clark (71) erwähnt, dass genhirt behilflich sind (vgl. > 3: Abb. oben), in- dem sie zu melkende von gemolkenen Ziegen other similar dogs appear on Sumerian trennen? Diese Hunde sind offensichtlich sehr cylinder seals and in the friezes of shell menschenbezogen, was Herdenschutzhunde inlay from the palace at Kish and Bismya, gerade nicht sein dürfen, was aber für Hüte- hunde eine unabdingbare funktionale Vor- womit eine Konstanz im Typ nachgewiesen aussetzung ist - so ist vielleicht auch die hu- wäre, die der Typkonstanz des Saluki in moristisch-animistische Vermenschlichung des nichts nachsteht. Und zum molekulargene- melkenden oder pflügenden Hundes moti- tischen Verhältnis von Wind- und Hüte- viert, wie wir sie auf uruk-zeitlichen Siegeln hund bemerken auch Zajc u.a. 1999 (106): miterleben können (> 3: Abb. unten). Our data suggest that the greyhound A little dog with curly, plumed tail was and German shepherd lineages separa- pictured in the friezes of shell inlay ted at a very early stage of canine do- from the Sumerian palace at Kishand mestication. from Bismya (> Bild in: Mackay, Fig. 6). Analog bemerkt Clark (71) zum Vorkom- Offensichtlich erfüllt der kleine Hund die men von Wind- und Hütehund im Irak, dass gleichen symbolischen Funktionen wie die „Molosser“ in Assurbanipals Palast in Nimrud such small dogs are still to be seen in Iraq (> IV, 599-621), da auch er - wie der „Mastiff“ today, where they go by the name of - als Amulett getragen wird (Buren, 16): ´Boojy´ and seem to be used with cattle and as gun dog for retrieving shot birds. Occasionally tiny figurines or amulets we- re in the shape of a little recumbent dog, Die erstaunliche Kombination von Hüte- und Jagdhund ist gar nicht so selten: Der und zwar in Tello (zu sehen in: Genouillac, Portugiesische und besonders der Spanische Fouilles de Telloh 1, 61: Tafel 36, Fig. 2) und Wasserhund sind ähnlich vielseitig verwend- in Tepe Gawra (abgebildet in: Speiser, Tepe bar, und die Konvergenz von Hüte- und Gawra 1, 137: Tafel LIII B 2); Stand dieser Er- Jagdhund machten sich schon die süd- kenntnis über die Fauna of Ancient Meso- amerikanischen Fischerinnen zu Nutze (> I, potamia ist das Jahr 1939! Dennoch: Dieser 124-7); traditionelle Domestikationstheo- kleine Hund scheint größenwahnsinnig ge- rien gehen sogar grundsätzlich davon aus, nug zu sein, seine Herde gegen wesentlich dass das Einkreisen und Zusammentreiben größere Beutegreifer zu verteidigen: von paläolithischen Wildherden durch Men- schen an entsprechend veranlagte Hunde On a seal impression from Fara men delegiert wurde. Für den irakischen Boojy herd cattle, and a small dog with a plu- suggeriert Clark eine erstaunliche Konti- med tail bounds gaily forward to chase nuität in Widerristhöhe und Verwendungs- away the predatory wild beasts (> Hein- profil von sumerischer Zeit bis in die Moder- rich, Fara, Tafel 45, i) (Buren, 1939, 16). ne; deshalb spricht vieles dafür, dass bereits Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 22

22 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

kurz nach Beginn der Neolithisierung so- Vom „dicken Hirtenhund“ wohl Herdenschutz- als auch Hütehunde zum Molosser? „erfunden“ wurden. Sollte man also von ei- ner alten Rasse sprechen? Allerdings beweist auch der Pariahund eine ebenso erstaun- Besonders „Hirtenhunde“ - Göhde liche Kontinuität im Typ, ohne dass man ihn meint Herdenschutzhunde - sind für die deshalb als Rasse bezeichnen könnte oder zoologisch ausgebildete Hildegard Göhde wollte: In dem kleinen, 300 Jahre lang be- dicke Hunde, was in meinen Augen schon wohnten Fundort Hajji Firuz im nordwest- ein ganz „dicker Hund“ ist: lichen Iran hat man in Schichten aus der 2. Hälfte des -6. Jahrtausends Schädelreste von Bei dem akkadzeitlichen Hirtenhund mindestens vier Hunde-Individuen gefun- handelt es sich um einen dicken massi- den. Der Vergleich mit einem gen Hund mit wolligem Fell, spitzer Schnauze, Stehohren und über dem almost complete dog skull recovered Rücken geringeltem Schwanz, dem with the rest of its skeleton from an Iron typischen Merkmal aller Hunde, Age pit in Hajji Firuz ... indicates very similar dental proportions with certain meint Göhde (15) und muss sich fragen las- exceptions (Meadow, in: Clason, 270). sen, ob der o.g. „Slughi“ nicht zu allen Hun- den gehört, denn dessen Rute ist nicht über Aus dieser weitgehenden Gebiss-Überein- dem Rücken geringelt. In der Fußnote wird stimmung zwischen den Hunden des -6. dann klar, was Göhde eigentlich meint: Jahrtausends und dem der Eisenzeit kann natürlich noch nicht viel abgeleitet werden. Der Schwanz dient später als Unterschei- Immerhin können diese frühen Hunde dungsmerkmal gegenüber dem Löwen, aufgrund indirekter Indizien vielleicht als Pariahunde gekennzeichnet werden, denn wobei immer noch unklar bleibt, ob denn der Hund wohl, der Löwe aber keinen none were found in ´interior´ contexts, Schwanz hat. Aber seien wir nicht unge- suggesting that these areas were off- recht: Diese Unklarheit wurde schon zwölf limits to a scavenger dog population Seiten vorher durch eine Gegenüberstel- (Meadow, in: Clason, 270), lung der schematischen Darstellungen von Löwe und Hund restlos beseitigt, indem ne- die für die vergleichweise geringen Skelett- ben dem Schwanz bzw. der Rute noch wei- reste anderer Haustiere am Fundort verant- tere Merkmale die Unterscheidung zwi- wortlich sein dürfte. Hingegen scheint der ei- schen Hund und Löwen erleichtern (> III, senzeitliche Hund, da sein Skelett weit- 521: Abb. 1). Diese Klarstellung ist sehr hilf- gehend komplett war, beigesetzt worden zu reich, da von den Mesopotamiern Löwe und sein, was gerade gegen seinen Status als Hund gleichermaßen als Canide betrachtet Pariahund spricht. Gleichwohl unterscheiden und deshalb selbst von modernen Archäo- sich die Hunde beider Epochen kaum von- logen in Mesopotamien nicht selten ver- einander. Kommen wir nach unserem Exkurs wechselt wurden, wie Göhde für verschie- zum Saluki und zum Boojy im frühen Meso- dene Abbildungen und zwar fast immer zu potamien, veranlasst durch den „dicken Gunsten des Hundes nachweist. Kommen Hund“ einer irrtümlichen Rassezuweisung wir wieder zurück zu Göhdes Hirtenhund, der Zoologin Göhde, zu weiteren „dicken“ den sie (1, 15) in späteren Epochen (wohl Hunden, worunter Göhde im Gegensatz zu nach der frühdynastischen, der Akkad- und mir schwere, massive Hunden versteht, die der altbabylonischen Epoche) nicht mehr als sie manchmal auch kräftig nennt: Gegenstand der Darstellung erkennt, Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 23

VOM „DICKEN HIRTENHUND“ ZUM MOLOSSER? 23

obwohl er die selbe Funktion bis in die blems vor, als vorneolithische Vorläufer der heutige Zeit erfüllt hat (wie z.B. die Hütehundgruppe den von mir schon im 1. furchteinflößenden dicken Hirtenhun- Band als pes/perro/pek bezeichneten Typ de in Anatolien), und als Vorgänger der Herdenschutzhunde und der heutigen Molosser und Doggen die was ich schon wieder für einen „dicken molosserartigen Transporthunde (im Typ Hund“ halte, denn Akbash, Karabash und vergleichbar z.B. mit den Hunden der Hi- Kangal sind nun wirklich keine dicken Hun- datsa-Indianer anzunehmen. Die relativ de - es gibt sogar Kynologen, die für den konstante Wiederkehr dieser beiden wahr- Kangal die Einkreuzung des Windhundes scheinlich nicht nur in der Widerristhöhe vermuten, um sich den relativ schlanken sehr unterschiedlichen Hundetypen in Körperbau dieser schnellen Herdenschutz- vorneolithischen Fundstätten ist die materi- hunde zu erklären. Der arabische Schrift- elle Grundlage meines Vorschlags, und sie steller Al-Jahiz hat in seinem Werk über die bietet eine Perspektive für die nachmeso- Tiere - al-Hayawan - ein Kapitel den Rassen lithische Ausdifferenzierung dieser beiden oder Typen von Hunden gewidmet. Er be- Typen. Vor diesem Hintergrund ist der Titel trachtet den Saluki als den edelsten Jagd- von Göhdes Dissertation doppelt irre- hund der Araber, aber man benutzte auch führend: Nicht vom Hirtenhund zum Göt- eine Kreuzung zwischen Saluki und dem tersymbol, sondern umgekehrt ist die Ent- Kurdischen Herdenschutzhund, die man wicklungsgeschichte anzunehmen: Der Khilasi nannte, als Schweißhund einsetzte Hund war schon Göttersymbol, bevor er und von den Khariji, den Mischlingen, klar zum Hirtenhund (~ Hütehund und Herden- unterschied. Daraus allein kann man noch schutzhund, und zwar nach molekularge- nicht ableiten, wer die älteren Rechte hat: netischen Erkenntnissen in dieser Reihen- Der Herdenschutzhund oder der Wind- folge) entwickelt wurde. Dazu passt auch hund. Vieles spricht z.Z. dafür, dass die die frühzeitige Erscheinung eines Hütehun- europäischen Windhunde aus Kreuzungen des in Mesopotamien: Der früharabische zwischen dem urhundartigen W-Typ und Schriftsteller Al-Jahiz erwähnt nämlich auch dem Hütehund hervorgegangen sind - der einen Zi´ni genannten Greyhound besteht molekulargenetisch zu 74% aus Hütehundanteilen - und dass auch type of basset sheep dog (Clark, 78), in die asiatischen Windhunde Hütehunde eingekreuzt wurden, wenn auch zu we- den man sehr wahrscheinlich als Hütehund sentlich geringeren Anteilen (Afghane: auffassen kann, analog zum irakischen Boo- 6,8%; Saluki: 5,8%). Die Herdenschutzhun- jy und seinen frühmesopotamischen Vor- de aber sind nach unserem heutigen Kennt- gängern - im Zi´ni dürfte sich noch eher als nisstand zwar auch mit Hütehunden ver- im Boojy die Urform erhalten haben, da der mischt (der Bernhardiner sogar zu 55,7%), Zi´ni im Gegensatz zum Boojy sich nicht mit müssen aber i.d.R. zur Hälfte von den dog- den später domestizierten Rindern, sondern gen-molosserartigen Hunden des Mesolit- mit Schafen und Ziegen befasst. Al-Jahiz er- hikums abstammen. Das ist insofern para- wähnt auch einen Sini, a type of Pekinese or dox, als man zu Beginn des Neolithikums pug, der vielleicht - wie sein sinitisch klin- noch keine Doggen/Molosser, sondern Her- gender Name suggerieren könnte - aus Chi- denschutzhunde brauchte. Dennoch legen na importiert wurde. Und dann spricht auch die molekulargenetischen Ergebnisse des dieser arabische Autor noch vom Zaghari Teams von Heidi Parker z.Z. den Schluss na- oder Zughari, der vielleicht, wie andere ara- he, dass die D-Gruppe und die H-Gruppe vor bische Quellen suggerieren, nicht von deut- den Herdenschutzhunden entstand. Ich schen Kreuzfahrern mitgebracht, sondern schlage zur vorläufigen Lösung dieses Pro- aus Byzanz importiert war, und zwar an- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 24

24 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

geblich aus einer byzantinischen Region, die Vermutung, dass manche Stehohren stehen, Zahghur genannt wurde (Clark, 78), womit weil sie kupiert sind. Zumindest müsste ihr wir fast die totale phonetische Identität zu der Blick auf heutige Herdenschutzhunde unserem baskischen, und wie ich unterstel- mit wolligem Fell zum Vergleich mit den ak- le, paläolithischen tsakurra erreicht haben. kadzeitlichen Hirtenhunden mit ebenso wolligem Fell zeigen, dass sie fast immer Vielleicht brachte man diesen Pointer-Typ kleine Hängeohren haben, die nur in be- mit der Region Zahghur in Verbindung, weil stimmten Regionen kupiert wurden. Sehen man die richtige Etymologie des tsakurra wir uns diese dicken Hunde mit Göhde noch verloren hatte. So wie die Khilasi aus der etwas genauer an: Kreuzung des Saluki mit dem Kurdischen Herdenschutzhund entstanden sind - die Als Helfer bei der Wildschweinjagd im Kurden haben auch noch einen Kuvasz- Röhricht (Abb. 8; > III, 87) dienen kräfti- ähnlichen Herdenschutzhund -, so sind viel- ge (~ dicke? folglich „Hirtenhunde“?) leicht die anatolischen Kangal aus der Hunde auf Siegelabrollungen aus Uruk Kreuzung zwischen dem anatolischen (von Nagel in Uruk IVa datiert). Die Per- Windhund Tazi und dem eigentlichen Her- son, der die Hunde folgen, erinnert an denschutzhund entstanden. Auch der ma- den Mann im „Netzrock“. Eine sehr aus- rokkanische Aïdi ist seit dem Rückgang der führliche Darstellung einer solchen Wild- traditionellen Viehwirtschaft im 20. Jahr- schweinjagd ist auf einer Tontafel der hundert verstärkt von Jagdhunden verwäs- Sammlung Erlenmeyer zu sehen (Abb. 4; sert worden, was ihm den Verlust der > III, 87); auch hier werden die Hunde schwarz pigmentierten Nase einbrachte, ei- von einem Mann in einem langen Ge- ne enorme Beeinträchtigung der Funktio- wand an der Leine geführt. Es handelt nalität bei dieser hohen Zahl von Sonnen- sich bei allen Siegelabrollungen aus Uruk stunden im Jahr. Inwiefern die im Vergleich meist um massige (~ dicke!) Hunde mit zum Pyrenäen-Berghund nicht so guten Lei- am Kopf anliegenden Ohren, stumpfer stungen der anatolischen Herdenschutz- Schnauze und über dem Rücken gerin- hunde (> II, 120-1) auf die Einkreuzung des geltem Schwanz (Göhde 1, 17). Windhundes zurückzuführen sind, kann natürlich nur spekuliert werden. 2004 ha- Diese kräftigen, massigen Hunde, die Göh- ben Heidi Parker u.a. molekulargenetisch des Terminologie zufolge Herdenschutz- (vorläufig?) nachgewiesen (> III, 279: Fig. 2), hunde sein können, gehören mit den Wind- dass die Herdenschutzhunde im Gegensatz hunden und den Hütehunden zu den frü- zu den Hütehunden grundsätzlich keine ho- hesten Hundedarstellungen in Mesopota- mogene Gruppe darstellen, so hat z.B. der mien. Weitere, diesmal nicht dicke, sondern Bernhardiner einen Hütehundanteil von massige Hunde sieht Göhde auf einer Ton- beinah 60%. Weitere Untersuchungen blei- tafel mit archaischen Texten der Erlen- ben abzuwarten, um die Frage zu klären, ob meyer-Sammlung. Diese Szene nimmt eini- die Molosser aus den Herdenschutzhunden ge wesentlich spätere Darstellungen, näm- entstanden sind oder ob man die Ausgangs- lich aus der assyrischen Zeit, vorweg (> IV, position tatsächlich umkehren muss, wie an- 599-621). Auf einer etwas späteren Siegel- dere Autoren vorschlagen. abrollung aus dem fast noch archaischen, aber schon frühdynastischen Ur sieht Göhde Kommen wir zurück zu den dicken Hunden (1, 14), der Frau Göhde: Auch die Stehohren des ak- kadzeitlichen Hirtenhundes kann man als dass der Hund gut zur Bewachung des „dicken Hund“ ansehen, aber Göhde selbst Anwesens und damit auch der Herde äußert dazu später die nicht unberechtigte geeignet war, Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 25

VOM „DICKEN HIRTENHUND“ ZUM MOLOSSER? 25

eine Schlussfolgerung und Gleichsetzung drawidischen Sprachfamilie (> I, 37: Karte) von Hof- und Herdenhunden, die Kennern zuzuordnen, und in Susa, der Herzregion von Herdenschutzhunden nicht so rasch Elams, und in der frühen Tell-Halaf-Kultur über die Lippen kommt. am südlichen Rand Anatoliens sowie in den frühneolithischen Siedlungen zwischen Hinter einem oben abgerundeten Tor Elburs-Gebirge und Kaspischem Meer (z.B. ist ein Tier (wohl Rind) teilweise sichtbar Anau > 76), hat man nach Stilmerkmalen und sicher stellvertretend für die ge- Keramikgruppen von einander abgrenzen samte Herde dargestellt. Je nach der können, die so auch im alteuropäischen Weise der Abrollung entweder ge- Raum (~ vom frühneolithischen Balkan bis trennt oder gemeinsam mit einem nach Mitteldeutschland) nachweisbar sind: Hund im selben Raum sitzt eine Person, Die Übereinstimmungen über so weite Dis- die sich an einem großen Gefäß tanzen lassen den Schluss zu, dass alle Stil- betätigt. Auf der Umzeichnung ist wei- merkmale im Kern auf einen gemeinsamen terhin ein Skorpion neben dem Gefäß Ursprung zurückgehen, der mit den Erfin- zu sehen, über der Gruppe ein Vierbei- dern der neolithischen Wirtschaftsweise im ner mit spitzen Ohren und gestrecktem südlichen Anatolien und nördlichen Meso- Schwanz, den Heinrich (E. Heinrich, potamien identifiziert werden kann. Ein Bauwerke in der Altsumerischen Bild- Kennzeichen dieses Modells ist nicht nur in kunst, 1955, 27 & 29) als katzenartiges der Region um Susa die geometrisierende Raubtier bezeichnet. Jedoch handelt es Stilisierung von naturalistischen Vorbildern: sich hier wieder um den Hund als Be- wacher der Herde (Göhde 1, 14). Vierfüßler und Vögel, aber auch Repti- lien kommen vor, sogar menschliche Der etwa gleich große Skorpion neben dem Figuren fehlen nicht ... Eine besondere Gefäß zur Milchverarbeitung sakralisiert Rolle spielt der Hirschkopf mit ganz diesen scheinbar alltäglichen Arbeitsvor- stilisiertem Geweih. Zu kammartigen gang; in diese Sakralisierung (der Skorpion Motiven werden die Vierfüßler umge- evoziert eher den negativen Aspekt der bildet; sonst sind von den gehörnten Fruchtbarkeitsgöttin) ist folglich der Hund Tieren wohl nur die Steinböcke mit den als ein Tier einzubeziehen, das die Göttin riesigen Hörnern zu deuten. Besonders den Menschen als Herdenschutzhund zur auffallend ist ein liegender Vierfüßler Verfügung stellt - der Hund repräsentiert mit eingerolltem Schwanz, vielleicht als also den positiven Aspekt der Fruchtbar- Hund zu deuten (Schmidt, 100). keitsgöttin. Auf der von Göhde genannten Darstellung (> III, 639: Abb. 1) kann ich nur Beachtlich ist wieder die von Schmidt 1933 einen Hund erkennen, Göhdes Formulie- ungeahnte Bedeutung der Kombination rung lässt an zwei Hunde denken (der eine von Hirsch, Steinbock und Hund, die nach Hund im Raum, der zweite über der Grup- heutigen Erkenntnissen auf einen Teil des pe). Weitere Belege für die Aufgabe des Welterneuerungszeremoniells verweist. Die Hundes als Bewacher der Herde findet Göh- kammartig gebildeten Füße der Vierbeiner, de dann erst wieder auf akkadzeitlichen Sie- auch des Hundes, haben wir schon anlässlich geln, die die Etana-Legende (> III, 640-44) anatolischer und alteuropäischer Darstel- verbildlichen. Zwischen den Siegelbildern lungen als übereinstimmendes Merkmal und den archäozoologischen Zeugnissen erkannt. Wir verlassen daher den Hirten- liegt die Bemalung der keramischen Gefäße hund und kommen in der weitgehend im frühen Neolithikum. Diese Buntkeramik chronologischen Darstellung der mesopo- gilt in Mesopotamien als vorsumerisch, also tamischen Hunde wieder zurück zum Jagd- sind ihre Hersteller linguistisch der elamo- hund, der auf vielen Stempelsiegeln, z.B. Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 26

26 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

represents a single fox, distinguished by its long bushy tail. In the other (Fig. 6,4: > links) this represents two dogs, distin- guished by their curled tails. The former oval seal was impressed on a bale of un- known type and a small cloth wrapped bale, both discarded during the first year, and on a lock discarded during the Links das „Fuchssiegel“ und rechts das „Zweihunde- second year. The latter rectangular seal Siegel“ aus dem kleinen landwirtschaftlichen Zentrum was impressed on a basket sealing and Sarafabad, beide in Originalgröße (vgl. zur Tradition des a lock discarded during the second year. Symboltiers Fuchs im Fruchtbaren Halbmond > 125-39). Since a storeroom can remain locked for In: Wright, Fig. 6.3 (links) & 6.4. a year or more, it is possible that seal 3 was used only during the first year and seal 4 was used only during the second. aus Tepe Gawra aus der Uruk-IV-Zeit zu se- While it is possible that two figures with hen ist. Hatten wir nach den wenigen similar tasks had similar seals, it is simp- archäozoologischen Hundefunden die rela- ler to presume that the bearer of some- tiv wenig aufschlussreiche frühe Keramik- what damaged seal 3 had it replaced bemalung betrachtet, so kommen wir jetzt with a similar though more elaborate zu den Stempel- und Zylindersiegeln, die ei- seal. ne Mischung zwischen Archäologie und Schrift darstellen und mit denen u.a. Zu- Zwar räumen Wright u.a. ein, dass ihre The- gänge zu z.B. Speicher- und Siloein- se von zukünftigen Beispielen abgestützt richtungen bzw. Deckel von Krügen ver- sein sollte, aber der Gedanke scheint nicht schlossen wurden; die Figuren auf den abwegig zu sein. Lässt man sich auf ihn ein, Siegeln zeigen symbolisch die Präsenz von kommt man aber wohl kaum um die Ein- Schutzgöttern an, die die Kraft des Siegels sicht herum, dass zumindest in rein garantieren. An einem Beispiel aus dem ur- wirtschaftlichem Kontext die Gestaltung ukzeitlichen Sarafabad wird die Problema- der Siegel sehr liberal gehandhabt wurde tik deutlich, die immer mitzubedenken ist, und dass die heutige feinsäuberliche zoolo- wenn diese Siegelbilder interpretiert wer- gische Zuordnung des Caniden zum Fuchs den (> oben): Der Siegelbewahrer hatte bzw. zum Haushund für den damaligen wohl sein erstes Siegel beschädigt und viel- Nutzer von höchstens zweitrangigem Inter- leicht durch ein zweites ersetzt, das für ihn esse war, ja: Dass der Fuchs eigentlich als die Aussage des eigentlichen Siegels zuver- chthonischer Hund gedacht war (~ Bewa- lässig wiederholt. Dabei hat er aber die vor- cher eines immer noch als Erdgrube ver- mals rundliche Form in eine rechteckige und standenen Silos), wenn das zweite Siegel (~ den aus heutiger zoologischer Sicht als seal 4 im Zitat) als more elaborate seal zu Fuchs zu identifizierenden Caniden durch verstehen ist. Die Doppelung des Hundes zwei eindeutig domestizierte Hunde er- könnte als Kerberos-Analogie verstanden setzt, das vermuten jedenfalls Wright u.a. werden, mit der die chthonische Konnota- (278-9): tion des Hundes repräsentiert wird. Be- trachtet man die stratigraphische Vertei- There are a number of impressions of lung der verschiedenen Siegel, muss man two different seals with a similar design feststellen, dass das „Fuchssiegel“ nicht nur of a kneeling anthropomorph above in Schicht 9 auf sealed locks verwendet und whose back is an animal representation. in Schicht 10 durch das „Hunde-Siegel“ er- In one case (Fig. 6,3: > oben links) this setzt wird, sondern auch in Schicht 16 auf Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 27

VOM „DICKEN HIRTENHUND“ ZUM MOLOSSER? 27

sealed bales und in Schicht 19 auf sealed baskets wiederzufinden ist, während das „Hunde-Siegel“ nur in Schicht 10 und dort außer bei sealed locks nur noch bei sealed baskets zu finden ist. Es war wohl tatsäch- lich ein, wenn auch aufwändigerer, Ersatz für das „Fuchssiegel“, zu dem man der Ein- fachheit halber zurückkehrte. Es bleibt die These aber unwiderlegt, dass die zoolo- gische Zuordnung für den/die damaligen Benutzer weitgehend irrelevant war. Roll- und Stempelsiegel sind juristische Geräte, Im 2. Register dieses frühsumerischen Siegels aus Ur 1 um einen Zustand zu beglaubigen. Sie wer- “a man mounts his chariot, and his curly-tailed dog den zuerst in den Jahrhunderten zwischen trots behind him; this dog reappears in similar scenes -3.300 und -3.100 eingesetzt und sind gleich on a seal in the Morgang Collection, and on a seal fertig da, ohne erkennbare Entwicklungs- impression from Ur where a second dog runs beneath oder Probierphase. Aus dem Übergang in the legs of the animals harnessed to the chariot”. Zitat die frühdynastische Ur-1-Zeit zeigt ein Mu- in: Buren, 4; Bild in: Moortgat, „Rollsiegel“, Abb. 145. schel-Siegel auf zwei Streifen vermutlich die irdische und die himmlische Ebene: Der obe- re Streifen (> oben rechts) zeigt einen Gott, große Deichselzier (?). Unter den Bei- der in einem Boot sitzt, nen des Maulesels eine Beschädigung. Hier ein gefallenes Tier? Dem König dessen Vordersteven die Gestalt eines folgen ein Hund, zwei Männer mit einer menschlichen Oberkörpers hat, dessen Axt in der Rechten und ein dritter mit Hintersteven dagegen in einen schlan- Speer (Moortgat, VR 145, 96). genartigen Drachenkopf ausläuft. Die Unterseite des Bootes ist gezahnt. Der Die Bootszene im oberen Register erinnert menschliche Kopf des Vorderstevens an ägyptische Parallelen (> III, 328: Abb.). trägt einen langen Zopf und zugleich Aus akkadischer Zeit wird uns realitätsbezo- zwei Hörner zum Zeichen der Göttlich- gener, wenn auch immer noch konventionell keit. Mit dem linken Arm hält dieser berichtet über den alltagspraktischen Ab- Bootsgott ein Ruder, mit der Rechten lauf des Hirtenlebens, bei dem der Herden- einen langen Zweig (?). Über dem schutzhund in Extremsituationen keine gute Hauptgott mehrere Kugeln (Sterne?). In Figur macht (> 28 oben: Abb. 658) - eine seiner Rechten eine „Säge“ (? ~ der Konzession an die Heroisierungstendenz der Sonnengott Schamasch?). Vor dem vorhergehenden sumerischen Epoche? Oder Boot schreitet ein bärtiger menschen- will der Herdenschutzhund den Löwen vom köpfiger Löwe. Über diesem ein Gefäß Hirten ablenken? (?) mit Henkel und Stab. Hinter dem Boot schreitet ein Gott in kurzem Zot- Der Bedrohung der heiligen Herdentie- tenrock, mit Speer (oder Ruder?) in der re steht ihr Schutz und ihre Pflege durch Hand ... Unterer Streifen: König (?) in den Menschen, den Helden, gegenüber, langem Zottengewand steigt von ei- nem zweirädrigen, mit Mauleseln erläutert und relativiert auch Moortgat (VR, bespannten Wagen. Zwei Zügel gehen 6) den Heroismus der frühen Viehzüchter, zum Rande des Wagenschildes, ein den ein realistisch dargestellter Herden- dritter liegt in der Hand des Königs. schutzhund nur verdunkeln könnte; Frank- Über der Spitze der Wagendeichsel eine fort meint hingegen: Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 28

28 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Ein akkadisches Siegel mit dem Etana-Motiv. In: Moortgat, Abb. 235. Links: Herdenschutz gegen einen Löwen. In: Frankfort, Abb. 658.

The most striking seal in this group (~ Rechts wahrscheinlich die Wiedergabe scenes of daily life) is N°. 658 (> oben), einer Szene aus dem Etana-Mythus. Eta- which shows the age-old subject of the na wird vom Adler zum Himmel des Anu defense of the flock rendered in the und der Ischtar getragen. Unter dem fresh and realistic spirit of the times. A Adler scheint eine Gottheit angedeutet lion is driven off in the nick of time by a zu sein, ebenso links vom Adler, beide herdsman with a spear, while his dog has sehr klein gebildet. Zwei Hirtenhunde growling retired before the formidable bellen dem abfliegenden Etana nach. robber. The snake, between herdsman Neben dem linken Hund ein Mann, der and lion, may refer to a god of fertility as vor Erstaunen die Hand an den Mund protector of the flock; the rendering of führt, und neben dem oberen kleinen the flock agrees with a general Akkadian Gott ein Mann, der vor Entsetzen da- convention (Frankfort, 45). vonstürzt. Er hat ein Krummholz in der Linken. Außerdem noch Mondsichel, Eine frühe bildliche Darstellung der zentra- Sonne und unten drei verschiedene Ge- len Szene des Etana-Mythos (> III, 640-44) fäße. Die linke Hälfte der Darstellung sehen wir vielleicht auf zwei Siegeln (> oben gibt wahrscheinlich einiges aus dem Hir- rechts & unten) aus der akkadischen Zeit: tenleben Etanas wieder. In der unteren Reihe sehen wir einen Hirten, der seine This scene is generally considered a Haarschafe aus der Hürde heraustreibt. rendering of the myth of Etana. Usual- Darüber ein sitzender Mann, der ver- ly two dogs are shown up at their schiedene Gefäße um sich herum stehen master disappearing in the sky, as on hat. Er hantiert mit einem großen Vor- our N°. 666 (> III, 641: Abb. 666); and the ratsgefäß, vielleicht ist er beim Buttern. dairy scene of N°. 657 (> unten) also Außerdem noch ein Gerüst und eine An- finds its parallel (Frankfort, 45). zahl Ringe (Moortgat, VR 234, 104).

Ein drittes Siegel zeigt die zentrale Szene Die gleiche Szene aus der akkadischen des Etana-Mythos sehr detailliert (> III, 641: Milchwirtschaft sehen wir - vermutlich ohne Abb. 69): Hütehund, da die Hirten die Herde hier sel- ber treiben; oder hat auch hier der kleinere Hütehund das ikonographische Nachsehen, weil nur die repräsentativeren Herden- schutzhunde gezeigt werden? - etwas weni- ger ausführlich auf einem anderen Siegel (> oben links: Abb. 658) aus derselben Epoche:

Links fährt Etana, von einem Adler getragen, zum Himmel, während zwei Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 29

VOM „DICKEN HIRTENHUND“ ZUM MOLOSSER? 29

Hunde ihm nachschauen. Ein Hirte kommt mit einem Henkelgefäß herbei und erhebt verwundert die rechte Hand. Rechts ist eine Schafherde durch drei Tiere angedeutet, die ein zweiter Hirte mit einem Stab herbeitreibt. Darüber sieht man einen weiteren Mann herbeieilen. In der vorgestreck- ten rechten Hand scheint er einen vier- eckigen Gegenstand zu halten, dessen Oberes Register: Zwei antithetische menschengestal- Sinn unverständlich bleibt ... Rechts da- tige Wisente, an deren Hinterteil schließt sich je ein neben hantieren zwei sitzende Männer Hügel aus Bergschuppen an (~ „KUR“-Symbol),darauf mit einem großen Bottich, wahrschein- eine (relativ) kleine Figur mit Stab oder Waffe. Auf dem lich zur Milchverarbeitung. Ein zweites Rücken des linken Wisents ein fressender Raubvogel. großes Gefäß steht rechts (Moortgat, Zwischen beiden Wisenten ein liegender Hirsch, nach VR 235, 104). links blickend. Der Hirsch wird im Rücken von einem Löwen angefallen. Zwischen Hirsch und rechtem Auf einem akkadischen, aber vielleicht auch Wisent-Kälbchen (?), darüber Skorpion und Mond- schon neusumerischen Siegel sichel. Unteres Register: Unter dem Hirsch Streitwagen von Onagern gezogen (nur ein Rad ist dargestellt), agieren Hunde als Helfer des Jägers bei darauf ein Wagenlenker mit kurzem Schurz. Vor dem der Jagd auf ein Rind ... Der Hund ist Wagen eine Person mit spitzer Waffe, davor ein getrof- massig, stumpfschnauzig und trägt ein fener Feind, der auf dem Kopf stehend dargestellt ist. Halsband. Die Hunde auf den Szenen Hinter dem Wagen Mann im Zottenrock mit Waffe, von des Etana-Mythos zeigen einen ande- Hund gefolgt. Unter den Onagern weiterer Vierbeiner ren Typ (in: Göhde 1, 18). (Hund?). Text & Bild in: Göhde 2, 15.

Eine Weiterentwicklung der früher dicken, Diese Kennzeichnung wird aber noch nicht jetzt massigen Hunde zeigt uns die assy- bestätigt von der frühdynastischen Darstel- rische Epoche mit den allseits bekannten lung aus Ur (> oben): Auf zwei Registern se- molossoiden Hunden - es handelt sich im- hen wir je ein sakral konnotiertes und ein mer um Rüden! weiß Göhde (1, 19) hervor- scheinbar alltägliches Ereignis - beide Hand- zuheben -, die zur Wildesel-, Rinder- und lungen sind aber durch den Bildrahmen mit- Löwenjagd und zum „Hundekampfsport“ einander verknüpft, und so erscheint mir eingesetzt werden. Göhde führt unter ihrer zumindest das obere Register als die ideo- Rubrik Hund als Kampfhund auch ein früh- logische Überhöhung eines „realen“ Kam- dynastisches Siegel aus Ur 3 auf und weist pfes, an dem auch zwei Hunde deutlich die dort abgebildeten Hunde umstandslos unterschiedlicher Größe teilnehmen: Ich der Rasse der Molosser zu, was mir zumin- nehme daher an, dass es in der frühdynas- dest zweifelhaft scheint, auch wenn ich ih- tischen Zeit von Ur 3 noch keine ein- rer weiteren Beschreibung der in altbabylo- deutigen Molosser gab. Ein Endstadium der nischer, also späterer Zeit in Mode kom- mesopotamischen „Molosser“-Entwicklung menden „Kampfhunde“ teilweise zustim- zeigen die neuassyrischen Bilder: Vorbiss ha- men kann: be ich auf diesen Darstellungen nicht ent- decken können, wohl aber meine ich an Es handelt sich hierbei um kräftige Hun- dem Hund ganz links (> 30 oben links) einen de mit einer für sie typischen Halsfalte, Rückbiss zu erkennen, der etwas gemildert mit angelegten Ohren und einem ge- ebenfalls beim zweiten Hund des Bildes zu bogenen Schwanz (Göhde 1, 20). sehen ist. Die Entwicklung zu dieser molos- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 30

30 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Keramik der Indus-Kultur (H 4,5 cm, L 6 cm; 2. Hälfte des -3. Jahrtausends;ausMohenjo Daro/Harappa; > 526: Abb.):„Massiger Hund mit Halsring“ (zur kynoso- phischen Dimension des Halsbands > III, 49-57). Zitat & Bild in: Göhde 2, 29.

soiden Rasse könnte seit der Uruk-Zeit mit wechseln zu den Molossern der altbabylo- den o.g. langhaarigen, wolligen Herden- nischen Zeit, die Göhde mit einem massigen schutzhunden als Ausgangspunkt begon- Hund aus Mohenjo-Daro im Indus-Tal ver- nen haben und in der eigenständigen mes- gleicht (> oben): Bemerkenswert an diesem opotamischen Fixierung der sehr einheit- eher kurzbeinigen Hund im Bullenbeißer- lichen, kurzhaarigen Molosser als Hetz- und Typ ist das gewaltige Halsband, das durch Jagdhunde der neuassyrischen Zeit gipfeln seine Übersteigerung zum Ring auf seine (> oben). Aber es ist auch möglich, dass die- sofortige Wahrnehmung durch den Be- se Hunderasse fertig eingeführt wurde, sei trachter angelegt ist und mich einen sakra- es aus dem iranischen Hochland, sei es sogar len Zusammenhang mit der Heiligen ~ Hün- aus dem Indus-Tal. Für die Import-These dischen Hochzeit (> III) vermuten lässt, wo- spricht ein Bericht über den roten Hund von zu die Ringform nicht wenig beiträgt - eine Meluhha (~ das schwarze Gebirge; > 52-4 & kynosophische Obsession? Wie ich bereits 68-71). Kramer (60) denkt abwegiger Weise zeigte, sind in Mesopotamien das „alltäg- an die Ostküste Afrikas (richtiger dagegen liche“ Hundehalsband und das Halsband Potts: > IV, 490: Karte): Der rote Hund war der Hierodulen identisch, was ja von ameri- ein Tributgeschenk an den letzten altsume- kanischen und deutschen Assyriologen oh- rischen König Ibbi-Sin (-2027 bis -2003), der ne jede kynosophische Beeinflussung eben- aus Marhashi (~ in oder nahe Meluhha) ei- so gesehen wird. Es mag sein, dass mich die nen gestreiften, also rot-gestromten Hund positivistische Deutungsenthaltsamkeit der (> 526: Abb.) als Tributgeschenk erhielt: H. Göhde dazu reizt, das eine oder andere Detail zu sehr mit Bedeutung aufzuladen - Daraus ist zu ersehen, dass solche aber auch die altbabylonischen Molosser- Hunde von großem Wert waren, sonst Darstellungen sind mit sakralen Motiven wäre eine solche Gabe wohl eine Belei- „garniert“, die das Bild vom bloßen Kunst- digung gewesen, werk oder alltäglichen Gebrauchsgegen- stand unterscheiden und den Hund entwe- meint Göhde (1, 23) etwas treuherzig und der in den Kontext der Heiligen Hochzeit verkennt, dass der Hund an die Stelle der oder in den des KUR-Komplexes rücken, die tributpflichtigen Menschen in Marhashi beide ja keine Alternative, sondern kom- tritt, die mit ihm ihre Loyalität aufs Glaub- plementäre Bestandteile eines großen sa- würdigste demonstrieren. Damit verlassen kralen Zusammenhangs sind. Obwohl Göh- wir vorläufig die akkadische Epoche und de (1, 37, FN 55) selbst erwähnt, dass Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 31

VOM „DICKEN HIRTENHUND“ ZUM MOLOSSER? 31

Links oben: „Fast quadratische Terrakotta-Platte (L 8 cm, B 8,3 cm). Ein anscheinend nur mit einem breiten Band von der linken Schulter bis zur rechten Lende bekleideter bärtiger Mann mit Kappe schreitet neben dem Hund,der sich im Passgang bewegt und ein zweifach um den Hals geschlungenes Halsband trägt.“ Zitat & Bild in: Göhde 2, 17. Links: „Ein Mann läuft hinter einem Hund, den er an einer Leine hält“. Zitat & Bild in: Göhde 2, 21. Oben: „Hier geht der Mann hinter und nicht neben dem Hund, den er an der Leine hält.Er hat beide Arme auf Schulterhöhe ge- hoben“ - die typische Haltung eines mesopotamischen Beters - der Mann hat beide Arme auf Schulterhöhe ge- hoben, eine zum Führen eines massigen Hundes ungüns- tige Körperhaltung:Sie könnte zusammen mit dem roten ein gefleckter Hund mit Halsband als Trägermaterial des Terrakottareliefs auf sakrale Zusam- „Gründungsgabe“ in Byblos gefunden menhänge verweisen. Wäre der Mann blind, wie Göhde (in: Bossert, Altsyrien, 1951, Nr. 644) annimmt, hätte sich doch die zusätzliche Verwendung eines Bauchbands empfohlen, das ja nachgewiesener- wurde, und obwohl sie selbst die Analogie maßen in Mesopotamien nicht unbekannt war (> 15: zwischen Planeten, Göttern und „Fellfarben“ Abb. 1):So spricht doch einiges eher für einen religiösen, apotropäischer Hunde nachweist und den ge- vielleicht aber auch jagdlichen Kontext. Rote Terrakotta fleckten Hund dem Planeten Venus und der aus Uruk. Zitat in: Göhde 2, 20; Bild in: Opificius,Abb. 624. Göttin Ischtar zuordnet, nimmt sie (1, 20) die Sakralität der Zeichen und Analogien nicht bene Halsband einen weiteren Bezug zu wahr, sondern sieht wieder nur Ischtar, deren Tempelpriesterinnen eben die- ses sakrale Hundehalsband trugen, von Ruth einen dicken Hund, neben oder hinter Opificius ausdrücklich als dog collar be- dem eine Person geht, die den Hund zeichnet. Auch altbabylonische Darstellun- offensichtlich führt. gen des Hundes könnte man mit Göhde für alltäglich halten, sie sind es aber vielleicht Weder erkennt sie in der Gründungsgabe nicht, weil Göhdes kategorische Trennung des gefleckten Hundes den hündischen von Alltag und Religion nicht angemessen Stammelternmythos von Byblos, zu verste- ist - so z.B. bei dem Bild eines Mannes, der hen als Basis des tierischen ~ hündischen nach rechts schreitet und mit seiner Linken Bauopfers, wie wir es bereits im 1. Band der einen massigen Hund - Clark (in: Brewer, 56) Kynosophischen Zeitreise erkannten, noch schätzt ihn auf 80 cm Widerristhöhe - an der erkennt sie über das dem Hund beigege- Leine und mit der Rechten den Hund zur Si- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 32

32 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

cherheit zusätzlich an einem Bauchgurt hält, ten als „Gastarbeiter“ ab ins Persische Reich in derselben Hand trägt er einen kurzen Stab der achämenidischen Könige. In den Kö- (> 31: Abb. 17; vgl. auch > IV, 608: Abb. 4.4 & nigsstädten hinterließen sie ihre Werke, u.a. > Göhde 2, 19). Das Halsband und eventuell lebens- und überlebensgroße Skulpturen auch die Kappe auf den Abbildungen wei- auch von Hunden. Die hundevernarrten, sen über den Rahmen des Alltäglichen hin- weil damals noch zoroastrischen Perser hät- aus. Clark erkennt in einer achämenidischen ten natürlich auch selbst Hundeskulpturen Statue des -5. bis -4. Jahrhunderts (?) aus herstellen können, aber es ist bemerkens- Persepolis (man vergleiche mit dem Hund wert, dass sie es nicht taten: des Darius aus derselben Epoche: > IV, 595: Abb. 14) denselben Typ, auch wenn der The Persepolis dogs are distinctive and löwenhaft akzentuierte (aber nachträglich without parallel in Iranian art, where montierte) Kopf (> 35), wie Clark (in: Brewer, representations of dogs are not 58; > IV, 531: Abb. 4.6) meint, common (Kawami, 261).

suggests a certain degree of artistic War der Hund nächst dem Rind bzw. Stier ein licence probably to indicate ferocity, Kultobjekt, das man möglichst nicht abbilde- its general form equally suggests a re- te? Jedenfalls überließen sie, d.h. ein Teil der markable continuity of the mastiff persischen Elite, diese schöne Aufgabe den type over millenia. The various images griechischen Künstlern. Analog zu den meso- show some differences in for example potamischen „Türsteherfiguren“ (> IV, 598: the length and shape of the tail and Abb. 99 & 650-2) und den unterirdisch depo- ears, possibly indicating that the breed nierten Hundefiguren (> IV, 653-5: Abb. 50, was not entirely stabilised and capable 51, 37) dienten diese Skulpturen sowohl der of some diversity within local popula- Abschreckung von Dämonen als auch der tions. Hilzheimer believed that the Einladung wohlmeinender Gottheiten - eini- breed was still to be found in Central ge von ihnen waren also auch good-luck- Asia in the 1930s. It may even bear so- Figuren (> I). Aber die Hundefiguren in me relation to the huge, fierce dogs, Mesopotamien sind recht klein, eigentlich called Karabash or Akbash, employed gerade handtellergroß, was vielleicht auf in Turkey today as guard dogs. eine weitere Verwendungsmöglichkeit schließen lässt, und lebens- oder gar über- Mir scheint aber der Hund aus dem Perse- lebensgroße Hundestatuen sind in Meso- polis der achämenidischen Zeit deutlich potamien nicht überliefert - nur in Doku- „schlanker “und weniger groß zu sein als menten werden Hundestatuen erwähnt, u.a. der Hund mit Hals- und Bauchband - denken eine im -20. Jahrhundert aus Marhashi (auf wir deshalb etwas genauer nach über die der Iranischen Hochebene) importierte Figur eines gefleckten (~ rot-gestromten?) Hun- des, also gerade nicht eines Roten Hundes aus Meluhha? Zeitlich näher an den Statuen Exkurs: aus Persepolis (> rechts eine Skizze des Palast- „Mastiffs“ von Persepolis. Ensembles mit Lokalisierung der Hunde- statuen) ist eine Inschrift des assyrischen Königs Sennacherib ( -704 bis -681), Im späten -6. und frühen -5. Jahr- hundert haben sich die persischen Bezie- referring to statue(s) of fierce (or wild) hungen zu den Griechen intensiviert: man dog(s) which guarded the entrance to a lernte sich politisch und militärisch näher room in the Assur Temple at Assur kennen, und griechische Künstler wander- (Kawami, 261, FN 18). Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 33

EXKURS: DIE „MASTIFFS“ VON PERSEPOLIS 33

Weitere Indizien für lebensgroße Hunde- Hundestatuen herstellen lässt von grie- statuen im neobabylonischen Mesopota- chischen „Gastarbeitern“, dann birgt diese mien des -7. Jahrhunderts sind natürlich die kulturpolitische Entscheidung Zylindersiegel, die einen Gläubigen zeigen, der eine auf einem Altar oder Podium auf- a cluster of beneficent and protective gestellte Hundestatue anbetet (> IV, 93: references, and it may be these asso- Abb. 323, 333 & 782): Die hier gezeigte Hal- ciated values that were responsible for tung entspricht fast vollkommen der zoro- the preservation of the statues in a side astrischen Konzeption vom Hund: Er ist room of the Apadana after they were Mittler zwischen der Gottheit und den Men- broken (Kawami, 261). schen und zwischen den Lebenden und den Toten. Wenn also die persische Oberschicht Schon Cyrus (-559 bis -530) beschäftigte Griechen in seinen Königsstädten, und in Persepolis, dessen Gründung als Königsstadt zwischen -513 bis -505 auf Darius´ Initiative zurückgeht, hinterließen sie the best known of the Persepolis guardian sculptures (Ka- wami, 260), nämlich ein Paar sitzender Hun- de(statuen) , die man in den 1930er Jahren in einem Vorhof des Südostturms der Apa- dana (~ Säulenhalle) ausgegraben hat. Sie werden meist in ihrem rekonstruierten Zu- stand veröffentlicht (> IV, 531: Abb. 4.6), ver- gleicht man aber mit Fotos, die vor ihrer Re- stauration aufgenommen wurden (> 34 oben), dann erkennt man sofort, dass der löwenähnliche Kopf später aufgesetzt wur- de und nicht zum Original gehört:

This earlier view of the dog provides additional details such as the unretrac- ted nails on the paws, a canine charac- teristic. The dark gray limestone from which the monolithic dog and plinth were carved is a local material and was used throughout Persepolis. The stone takes a high polish and the sleek sur- face of the statue is typical of much Achaemenid sculpture,

betont Kawami (261): Diese besonderen Qualitäten der Skulpturen dürfen Kyno- sophen also nicht zu einer spezifisch hün- dischen Auslegung verleiten, weil sie für viele andere Skulpturen in Persepolis auch Skizze des Palastensembles von Persepolis. Legende: A zutreffen. Dass die Hundestatuen nicht nur =Apadana;D = Palast des Darius;G = Palast G;X= aus heimischem Material, sondern auch vor Palast des Xerxes. 1 = Hundestatuen; 2 = Stierstatuen; Ort hergestellt wurden, beweist eine dritte, 3 = Ziegenstatuen. In: Kawami, Illustration 1. unfertige Hundestatue (> 34: Abb. 1 & 2), Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 34

34 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Oben: “Persepolis. Mastiff sculpture (PT7-377), front and left side views”. Unten: “Persepolis. Unfinished dog sculpture”. Zitat & Bilder in: Kawami, Tafel 15, Abb. 1, 2 & 3 (unten).

die 1956 östlich vom Tachara-Palast des Dar- ius gefunden wurde (eine Seitenansicht bringt Nylander in Old Persian and Greek Stonecutting (in: AJA (69), 1965, Tafel 13, Abb. 1). Dass dem Torso ein Löwenkopf auf- gesetzt wurde, ist natürlich kein Zufall, zunächst einmal, weil die löwenhaften Ei- genschaften wie besonders

the heavy, compact chest, the well- sprung almost barrel-like rib cage, and the carefully modeled toes with pro- minent claws

sowohl in Persepolis wie in Athen zu finden sind (Kawami, 262). Das Motiv für die An- gleichung dieses Hundetyps an den Löwen ist damit aber noch nicht gefunden; der Hin- weis, dass um die Mitte des -1. Jahrtausends meint Kawami (262), übersieht aber, dass frei lebende Löwen auch noch in Griechen- zumindest im assyrischen Reich der Löwe für land erwähnt werden, zeigt schon die Rich- das Böse schlechthin steht, das (auch) mit Hilfe tung an: Diese Hunde mussten wohl ihre löwenhafter Hunde vom König bekämpft und Menschen und deren Herden auch noch ge- vernichtet wird (> IV, 622-50). Kawamis Hin- gen Löwen verteidigen. Damit ist der Weg weis auf die chinesischen shih-tzu kou (~ die geöffnet, die Assimilation auch umgekehrt löwenhaften Miniaturhunde; > 574: Abb. 90 zu versuchen: & 580: Abb.) in zoologischer und bildhaue- rischer Realität verschiebt das Deutungspro- Greek lions often assume dog-like blem der Kombination löwenhafter und hün- postures, an interchange of characte- discher Eigenschaften wohl nur, beweist je- ristics that reflects the common apotro- denfalls nichts. Die Koinzidenz hündischer wie paic functions of the two species in both löwenhafter Attribute sowohl bei Hunde- wie the Aegean and the Near East, bei Löwenskulpturen hat ihre sprachliche Ent- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 35

EXKURS: DIE „MASTIFFS“ VON PERSEPOLIS 35

Eine (über?)-lebensgroße Hundestatue vom Kerameikos-Friedhof in Athen aus dem -6. Jahrhundert, also annähernd zeitgleich mit den Statuen in Persepolis. In: Kawami,Tafel 15,Abb.4.Unten:Ein „Mastiff” aus blauem Hymettos-Marmor, zweite Hälfte des -4. Jahrhunderts vom Kerameikos-Friedhof in Athen. Die Farbe des Marmors konnotiert wahr- scheinlich den Begriff „kyanos“ (~ nachtblau; > 136, 170 & > VI) als Farbe des Todes. Länge: 177 cm. In: Richter, Fig. 170.

sprechung, aber auch ihre chronologische Löwen aufs Konto des Hundes sind damit Quelle wahrscheinlich in der sumerischen Be- natürlich nicht ausgeschlossen - im Gegenteil: zeichnung des Löwen als ur-mah (~ großer Sie werden so erst motiviert. Kawami ist über- Hund; > III, 214). Die Tradition über mehrere zeugt, dass die Hundestatuen, die man auf Jahrtausende spricht also für den Hund als er- dem Kerameikos-Friedhof, dem bedeutend- sten Bildspender und den Löwen als Bild- sten unter den zahlreichen Friedhöfen der empfänger; spätere Rücküberweisungen des antiken Stadt Athen, gefunden hat (> oben: Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 36

36 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Abb. 4), zeitgleich hergestellt wurden und bis Auch hier also bewegen wir uns keineswegs in Einzelheiten stilistisch den von Griechen ge- auf chronologisch gesichertem Boden, son- fertigten Statuen in Persepolis entsprechen: dern müssen uns mit stilistischen Kriterien begnügen, die leicht in einen Zirkelschluss Though this “Hound of the Kera- geraten können. Doch folgen wir weiter meikos” reclines at length instead of Kawamis Analyse des Pella-Hundes: sitting upright like the Persepolis dog, it has the same powerful, naturalistic The muscular body and compact pose of forms, heavy shoulders, thick legs and the Pella dog certainly evoke the large paws as well as the same tense Persepolis example, while the small watchfulness. Both the Persepolis and head with its thin, sharp muzzle is closer Kerameikos dogs may be described as to the Acropolis hound. The stiff line of mastiffs, that is large, heavy-bodied, the mouth, the bland modeling of the short-coated animals traditionally eyes and fore-head, and the conventio- considered guardians (Kawami, 262). nallized ruff of hair around the neck may be merely aspects of provincial sty- Gegenüber diesen Gemeinsamkeiten fallen le rather than indications of chronology, die Unterschiede wohl weniger ins Gewicht: meint Kawami (263), aber ich halte den con- Stylistically, however, one may observe ventionallized ruff of hair around the neck differences between the two works. weniger für conventionallized denn für eine The Kerameikos dog is more richly regionale kynologische Spezialität aus dem modeled with greater variation in both nahen Epirus (> 37: Abb. 39) oder Aquileja (> texture and chiaroscuro, in contrast to 37: Abb. 44), die auf den Herdenschutzhund the compact form and smooth surfaces als einen der vielen möglichen Ahnen des of the Persepolis dog. The Acropolis „Mastiff“ verweist. Die „Mastiff“- Gruppe ist hound, however, is considerably leaner, ja in sich so heterogen, dass man von vielen both in anatomy and in style, and ... its verschiedenen Ursprüngen ausgehen sollte, stylized, flat-edged surfaces correspond während die Herdenschutzhunde von Zen- with the simple, not to say severe, forms tral-Asien bis nach West-Europa ein erstaun- of the Persepolis dog. On the basis of lich einheitliches Bild präsentieren, trotz eini- the Athenian parallels, then, the Per- ger unterschiedlicher Details. Die Künstler in sepolis dogs should be dated much Pella pflegten wohl nicht irgendeinen willkür- nearer the sixth century B.C. than the lichen provincial style, sondern dieser provin- fourth, cial style hatte wohl tatsächlich existierende Vorbilder in eben jener Provinz: Die makedo- meint Kawami (262) und nimmt die Athener nischen Künstler hatten wohl die Herden- Hunde zum Maßstab der zeitlichen Einord- schutzhunde aus Epirus, weiter gefasst: aus nung. Diese Einschätzung sieht Kawami Makedonien vor Augen, als sie sich die Arbeit durch ein anderes frühes Beispiel bestätigt: antaten, den ruff of hair around the neck zu- sätzlich zur üblichen Konvention darzustellen: A final Greek parallel from Pella in Hier liegen weniger merely aspects of provin- Macedonia supports this general cial style vor als eher das offensichtliche Be- chronology. The marble dog, seated mühen, die real existierenden Herdenschutz- upright on its haunches, was found in hunde Makedoniens auf den Darstellungen the Pella cemetery some years before wiedererkennbar zu gestalten. Vielleicht hat- excavations began. Its early classical ten diese Hunde analog zum Kangal in der date is based on style rather than heutigen Türkei so etwas wie den Status eines archaeological context. nationalen Kulturguts. Vermeule (98) be- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 37

EXKURS: DIE „MASTIFFS“ VON PERSEPOLIS 37

Oben:„Molosser.Bronze aus Epirus“. Unten: „Molosser der Olympias“ (die Bildunterschriften Kellers wurden wahrschein- lich vom Setzer vertauscht). Rechts: „Römische Dogge in den Uffizien zu Florenz“. Rechts unten: Langhaariger Herden- schutzhund auf einer Lampe aus Aquileja. Bilder & Zitate in: Keller,Abb.39 (oben),40 (unten),43 (rechts) & 44 (rechts unten).

stätigt bereits 1968 meine Vermutung eines realistischen Blicks auf den regionalen Her- denschutzhundtyp, denn er sieht eine indica- tion that naturalism is well developed in the age of Philip of Macedonia and Alexander the Great. Vermeule stützt sich dabei auch auf Given the close political relations be- Richters frühe Einschätzung von 1930: tween Persia and Macedonia, the Pella dog may be seen as another link be- We have clearly here reached the natu- tween the artistic traditions of the two ralistic stage of the late Greek period, in cultures. which the sculptor is in full sympathy with his subject and renders it directly Womit der Beliebigkeit des künstlerischen as he sees it (Richter, in: Vermeule, 98). Zirkelschlusses wieder Tür und Tor geöffnet wäre: Dennoch ergibt sich mit Vermeule Kawami sieht das 1986 allerdings anders: und Kawami trotz oder gerade wegen des Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 38

38 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Der „Basel Dog“ - eine zuerst in Basel ausgestellte Hundestatue aus römischer Werkstatt, die ein griechisches Modell aus der Zeit um -330 kopiert. Im Gegensatz zu den archaischen Darstellungen vermeidet man jetzt “the presentation of lumpy ribs sometimes curved too far toward the shoulders instead of toward the haunches”. Zitat & Bild in: Vermeule, Abb. 1 & 98.

möglichen stilistischen Zirkelschlusses für Die drei spätarchaischen Beispiele für eine uns Kynosophen der wohl berechtigte Ein- teilweise misslungene Darstellung der druck, dass die Darstellungskonvention Anatomie sind ein Hund (mit Katze) vom löwenhafter Hunde keine Spezialität des -6. Kerameikos-Friedhof (in: Lullies/Hirmer: und -5. Jahrhunderts, sondern sehr langle- Greek Sculpture, 19602, 65, T. 64), die big war bis hin zu löwenhaften Hunden in Sphinx von Aegina (in: Lippold, Handbuch den Uffizien von Florenz, die schon Keller der Archäologie III, 101, T. 32, Abb. 3) und abbildet (> 37: Abb. 43), und dass dabei re- der Hund aus dem östlichen Friedhof von gionale Besonderheiten durchaus berück- Pella (in: Petsas, Balkan Studies I, 1960, 126, sichtigt werden konnten. Vermeule belegt T. 3, Abb. 5 & 6). die ikonographische Tradition der Hunde- darstellungen vom -4. Jahrhundert bis in die By coincidence (not design), the Basel Zeit der römischen Kaiser Trajan und Ha- beast has a pose similar to the dog on drian. Er weist aber auch hin auf bedeuten- the late Archaic base. It is a position de Unterschiede v.a. in der fortgeschritte- often assumed by hunting dogs ready nen Kenntnis der Hundeanatomie im Ver- for action or when stretching after a gleich zur spätarchaischen Zeit: nap. Here the resemblance ends, for the Basel dog lacks the muscular Three sculptures that span the deca- tension of the sphinx, the massive des from 520 to 450 show how diffe- misunderstanding of canine propor- rent is the late Archaic or Transitional tions found in the Pella hound, and canine from the Basel dog (> oben & > the symmetrical elegance amid irregu- VI). All three are marked by emphasis lar surface details of the aristocrat´s on somewhat conceptual muscular pet on the “Cat and Dog” base (Ver- and bone structure, particularly in the meule, 98). presentation of lumpy ribs sometimes curved too far toward the shoulders Vermeule datiert anders als Kawami die instead of toward the haunches Hundestatuen des Kerameikos-Friedhofs (Vermeule, 98). eher kurz vor -317 und sieht auch in ihnen Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 39

VOM „DICKEN HIRTENHUND“ ZUM MOLOSSER? 39

Ein ritueller Hundekampf? Auf schwärzlicher Terrakotta (L 11,5 cm, B 7,5 cm) kämpfen zwei Hunde miteinander - obwohl die Schilderung realistisch wirkt, sprechen einige Details gegen eine Hundekampfsportszene. „In der Mitte der Komposition kämpfen zwei hochaufgerichtete Hunde miteinander, das Maul wütend aufgerissen, die Halsmähne gesträubt. Halsband in Troddeln endend. Mit den rechten Vorderpranken greifen sie sich gegenseitig am Hals an, ihrer empfindlichsten Stelle. Ihre linken Pranken umfassen sich gegenseitig. Jeder Hund wird von einem Mann an einem steif wirkenden Seil gehalten. Der Wärter des linken Hundes scheint bärtig und kahlköpfig oder er trägt eine Kappe. Über der Brust sind zwei Bänder gekreuzt; sein kurzer, fransenbesetzter Schurz wird in der Taille von einem dreiteiligen Gürtel gehalten. Der rechte Teil des Reliefs ist stark zerstört, so dass von dem Gewand des rechten Hundeführers nichts zu erkennen ist. Er trägt einen langen Bart und eine breitrandige Kopf- bedeckung. Die gesamte Szene wirkt aufgerissen und unruhig, man spürt förmlich die Spannung der Situation.“ Die mögliche Kahlköpfigkeit der Hundeführer macht einen rituellen Kontext wahrscheinlich. Dann könnten die Szenen 17, 21 und 624 (> 31) den Beginn des Rituals darstellen. Hundekämpfe - vielleicht analog zu Hahnen- oder Stierkämpfen in Europa - waren nichts Ungewöhnliches im vor-islamischen Iran, wie die Bezeichnung „sag-e karzari“ (~ Kampfhund) nahelegt (in: Mahmoud & Teresa P.Omidsalar:„Encyclopaedia Iranica“),aber der referentielle Bezug kann militärische wie rituelle Kampfhunde meinen. Zitat & Bild in: Göhde 2, 30.

einen Impuls für die Anti-Luxus-Gesetze von Die verschiedenen Chronologien beziehen -317, da es zum einen zwischen -370 und sich grundsätzlich auf stilistische Kriteri- -330 und zum andern zwischen -325 und en, aber die Hundestatuen von Persepolis -317 modische Wellen von gigantischen sind auch archäologisch datierbar. Und Tierstatuen gegeben hat: Zum „Hund von diese Statuen gehören einwandfrei ins Basel“ (> 38 oben) passt stilistisch Vermeule späte -6. und frühe -5. Jahrhundert. zufolge auch Die Frage nach dem Alter und der Her- the group of mastiffs centering around kunft der Tradition mastiffartiger Hunde- the famous animal in the Kerameikos darstellungen bleibt also weiterhin offen. (Vermeule, 98). Kommen wir jetzt wieder Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 40

40 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

„Massiger Hund auf einer Seite einer Kalkstein-Stele. Mann im langen Gewand auf der anderen Seite, barfuß auf zwei Reihen Bergschuppen nach rechts laufend; H 55cm, mittlere B 27 cm.“ Zitat & Bild in: Göhde 2, 22 & 23.

Zurück zu den „dicken“ Hunden auch eine altbabylonische Stele aus Susa (> oben: Abb. 22 & 23) nicht als alltägliches Für ein altbabylonisches Terra- Bildmotiv eines simplen Hundekampfs ver- kotta-Relief aus Uruk-Warka (> oben) könn- kennen wie Göhde, die hier einen symbo- te man zunächst eine nur alltägliche Dar- lischen Kampf zwischen zwei Molossern se- stellung von Mensch und Hund annehmen, hen will, obwohl sie erkennt: aber das Relief befindet sich auf rotem Ton und evoziert so mit der von Göhde selbst Es gibt zwar keinen Hinweis auf einen entwickelten Farbsymbolik rote Hunde, Kampf; da es sich aber bei dem Hund vielleicht sogar einen roten Hund aus Me- ebenfalls um einen Molosser handelt luhha, womit wir den scheinbar alltäglichen ... könnte man immerhin annehmen, Rahmen des Bilds rascher verlassen hätten dass zwischen diesen Molossern ein als von Göhde je geahnt (> 526: Abb.). Auch symbolischer Parteienkampf statt- ist die gehende Person in einer Haltung ge- gefunden hat (Göhde 1, 22-3). zeigt, durch die sich Göhde (1, 21; > 31: Abb. 624) erinnert fühlt an Möglich ist auch, wie Göhde (1, 27) zu be- denken gibt, die eines Blinden, der, vom Hund geführt, vorsichtig seine Umgebung dass diese Kämpfe dem „Scharf- ertasten muss. machen“ der Hunde gedient haben.

Wem die Assoziation des Blindenführ- Nun sehe ich zwar auf der Kalkstein-Stele hundes problematisch erscheint, dem kann aus Susa (> oben) keinen zweiten Hund, mit mit dem Hinweis auf die anbetende dem der abgebildete Molosser kämpfen Haltung anderer Figuren, z. B. von Göttin- könnte, wohl aber erkenne ich mit Göhde, nen in Einführungsszenen, ein sakraler dass der Mann, der auf der entgegen- Kontext auch für dieses Bild nahegebracht gesetzten Seite der Stele sich in derselben werden. Wer die hündischen Aspekte des Richtung fortbewegt wie der Hund, auf zwei KUR-Komplexes (> II & > III) kennt, wird Reihen Bergschuppen wandert, die natür- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 41

VOM „DICKEN HIRTENHUND“ ZUM MOLOSSER? 41

lich eine Signatur des KUR-Komplexes sind. Das wechselseitige Umfassen mit den linken Göhde (1, 23) bietet drei Deutungsmöglich- Vorderläufen anthropomorphisiert die keiten an und entscheidet sich implizit für Darstellung der ohnehin auf zwei Beinen den KUR-Komplex, indem sie die Stele und stehenden Hunde zusätzlich. Da jeder Hund besonders den Hund der Göttin Gula zu- von einem Mann an einem steif wirkenden zuordnet. Der von den Bergschuppen ange- Seil gehalten wird (Göhde 2, 30), sind die deutete KUR-Komplex rückt die Stele m.E. Risiken eines modernen Hundekampfes funktional in die Nähe der Kudurru (> 45 weitgehend eliminiert. All diese Indizien Abb. 229), ohne deren symbolische Verein- sprechen - wie ich meine - gegen Göhdes seitigung des Hundes zu übernehmen. Deutung der Szenen als Hundekampfveran- Altbabylonische Molosser werden fast im- staltungen im rein „sportlichen“ Sinn. mer mit Halsband dargestellt, wobei das doppelte Band überwiegt: Göhde möchte Andererseits kann ich Göhde vollkommen auch diese Darstellungen einzelner Molosser zustimmen, wenn sie abschließend be- in ihren „Kampfhunde“-Kontext einordnen, merkt: Die gesamte Szene wirkt aufgerissen übersieht aber, dass das moderne Ver- und unruhig, man spürt förmlich die Span- gleichsfoto, das sie zur Beglaubigung der nung der Situation, wozu das dunkle Trä- naturalistischen Darstellungsweise der germaterial beiträgt. Wenn es sich also mit Altbabylonier zeigt (in: Göhde 2, 31), die einiger Wahrscheinlichkeit nicht um echte tatsächlich miteinander kämpfenden Hunde Hundekämpfe handelt, was sehen wir (Pitbull?) ohne Halsband darstellt. Da die dann? Vielleicht Scheinkämpfe, um Omina von Göhde abgebildeten Hundekampf- (Weissagungen) oder Ordale (Gottesgerich- szenen ausnahmslos Hunde mit Halsband te) zu ermitteln? Mit Ruth Opificius wird ei- zeigen, die zudem von „Wärtern“ gehalten ne andere Deutung des „Hundekampfs“ werden, wird man zumindest von einer sym- möglich: Sie sieht einen Zusammenhang mit bolisch-rituellen Aussage und nicht von der den Reliefs, auf denen einzelne Hunde- Schilderungrealistisch-sportlicher Hunde- führer mit angeleintem Molosser zu sehen kämpfe im Sinn des 19. und 20. Jahrhunderts sind. Einen profanen Hundekampf scheint ausgehen müssen. Göhde selbst bemerkt zu Opificius für unwahrscheinlich zu halten, „unserem“ Terrakottarelief (> 39): denn

In der Mitte der Komposition kämpfen wenn wir nicht die Darstellung einer zwei hochgerichtete Hunde mitein- einfachen Belustigung in der Betrach- ander, das Maul wütend aufgerissen, tung eines „Sportkampfes“ sehen wol- die Halsmähne gesträubt. Halsband in len, wie wir es wahrscheinlich auf Troddeln endend. Mit den rechten einem griechischen Relief finden und Vorderpranken greifen sie sich gegen- wie dergleichen auch noch heute z.B. seitig am Hals an, ihrer empfindlichsten bei Hahnenkämpfen auf Java vor- Stelle. Ihre linken Pranken umfassen kommt, müssen wir zumindest an einen sich gegenseitig (Göhde 2, 30). magischen Hintergrund denken. Da wir es wiederum mit zwei absolut gleichen Die zoologisch ausgebildete Hildegard Göh- kämpfenden Wesen zu tun haben, mag de erläutert leider das Anbieten des Halses vielleicht sogar ein ähnlich Übel ab- wie Konrad Lorenz (> VI) als Unterlegen- wehrender Gedanke „kämpfender heitsgeste: Zwillinge“ zugrunde liegen, wie bei der vorigen Gruppe (~ es handelt sich um Als Unterlegenheitsgeste wird diese kultische Ringkampfszenen, bei denen Stelle dem überlegenen Feind dar- alle Ringer absolut identisch dargestellt geboten (Göhde 2, 30, FN 4). werden), zumal gerade diese Eigen- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 42

42 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

schaft beim Hunde naheliegen würde ... (man vergleiche) die Namen der Hunde, die im Palast Assurbanipals in Ninive ge- funden wurden und ihren Fundort (> IV, 653-63); Opificius, 237 & 237, FN 275).

Der Zwillingsgedanke wird gestützt von Ritualtafeln für einen Wahrsager, auf denen es heißt:

„Zwei Bilder zusammengefügter Zwil- linge von vollendeter Bildung, die den bösen „gallud“ stürzen, stellte ich zu Häupten des Kranken.” Ferner: „Kämp- Alt-Elamische Schaftlochäxte aus dem Iran mit hün- fende Zwillinge aus Gips bildete ich in- dischem Aufsatz. Links: Auf dem Rücken der Axt stehen mitten des Tores und kämpfende Zwil- sich zwei Hunde mit Halsband Schnauze an Schnauze linge, zusammengekoppelte stellte ich gegenüber; alt-elamische Bronze. Rechts: Auf dem an den Pfosten des Tores rechts und Schaft der Axt lagert ein Löwe, der von einem Hund links auf (wohl analog zur Hälftung angesprungen wird; alt-elamische Bronze. Text & Bild eines Hundes in hethitischen Ritualen? in: Göhde 2, 37 (links) & 41 (vgl. > III, 650: Abb. 8). vgl. > 421-43).“ Die apotropäische Be- deutung dieser beiden Kämpfer ist in späterer Zeit damit gesichert, schlag zu friedlich? Noch friedlicher geht es auf einem Terrakotta-Relief aus dem Diyala- meint Opificius (236) zur Darstellung käm- Gebiet zu, wo man in Chafadji auch eine (?) pfender Zwillingspaare; das heißt aber doch menschliche Beisetzung gefunden hat mit noch nicht, dass die Zwillinge gegenein- der Beigabe eines Hundeskeletts, das vor ander kämpfen, sondern dass ihre mindes- dem Gesicht des Bestatteten lag (Göhde 1, tens gedoppelte Kampfkraft ein Drittes ab- ?). Auch auf einem gelben Terrakottarelief wehren soll. Träfe diese Deutung auch zu (> Göhde 2, 32; hier nicht abgebildet) schei- auf die Darstellungen von „miteinander nen sich die beiden auf den Hinterläufen kämpfenden“ Hunden, dann kämpften die- stehenden Hunde die linken Vorderpfoten se Hunde miteinander in dem Sinn, dass sie zu reichen, auch hier hält der „Hundefüh- gemeinsam gegen ein Drittes vorgehen. rer“ den Hund wieder an einem dicken Seil, Dazu könnte in einem ganz anderen Sinn das mit dem Hundehalsband verbunden ist. als dem ursprünglich intendierten die Außerdem ergreift der recht nah stehende Beschreibung passen, die Opificius von den Hundeführer den Hund im Genick, so als beiden Hunden gibt und die zu gegenein- wolle er die beiden Kontrahenten trennen ander kämpfenden Hunden so recht nicht (auf dem Fragment sind nur die Vorderpfo- passen will: ten des zweiten Hundes zu sehen). Auch die zwei aufrecht „kämpfenden“ Hunde tragen Sie umschlingen sich ... mit den Vorder- ein Halsband, das in Troddeln endet (> 39: beinen Abb. 30). Diese Troddeln dämpfen zusätzlich das Risiko eines realen Hundekampfs. Für - lassen wir das im Original folgende im die symbolische Dimension des Kampfs Kampf weg, dann umarmen sich die beiden zweier Hunde gegeneinander in Mesopo- absolut identischen Hunde brüderlich, eben tamien sprechen auch Funde aus dem Iran wie Zwillinge, deren Auftrag der Kampf ge- aus alt-elamischer und altbabylonischer Zeit, gen ein Drittes ist. Ist dieser Deutungsvor- wo Hunde auf Waffen dargestellt werden, Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 43

VOM „DICKEN HIRTENHUND“ ZUM MOLOSSER? 43

so z.B. auf Schaftlochäxten (> oben) - hier vorwiegend in Iran vorkommen, Reliefs handelt es sich vielleicht um eine Art Pro- mit Kampfhunden dagegen nur in tomübertragung auf Clan- oder Stammes- Mesopotamien. Standarten, wie wir es schon aus dem früh- dynastischen Ägypten kennen (> II): Kommen wir nun wieder von diesen doch offensichtlich nur scheinbar alltäglichen Solche Schaftlochäxte belegen auch Hundekampfsportszenen kurz zum offen- den Kampf von Hunden gegen Löwen sichtlich rituellen Kontext: In der Über- (Nr. 41;> 42).Manchmal allerdings ste- gangszeit von der altbabylonischen zur kas- hen sich auf Waffen auch zwei Hunde sitischen Epoche (Moortgat, 554-8) und im gegenüber (Nr. 37; > 42). Hunde im nördlichen Mesopotamien zur mittelassy- Kampf gegen/mit Löwen sind ein weit rischen Phase (> unten) sehen wir z.B. auf verbreitetes altes Thema in der Zeit dem babylonisch-kassitischen Rollsiegel VR Uruk IVa (Göhde 1, 25 & FN 34). 554 (> ganz unten) aus Achatstein neben ei- nem großen Siegelkasten am rechten unte- Für Göhde ist klar, dass der bärtige Mann auf ren Rand wieder einen thronenden Gott dem t-förmigen Schäftungsteil einer Schaft- lochaxt aus Bronze (> unten) zwei Hunde zum Kampf führt. Für Göhde ist der kämpfe- rische Hund ein geeignetes Verzierungs- objekt für eine Waffe - die Reduktion aufs Dekorative verhindert, dass die paläomen- talen Implikationen dieser „Verzierung“ überhaupt erwogen werden. Deutungs- bedürftig ist auch Göhdes Kommentar, dass Hundedarstellungen auf Waffen Mittelassyrisches Siegel aus dem -14. Jahrhundert. In: CANES,Abb.593.Unten:Thronender Gott mit Beter,Hund u.a. religiösen Symbolen auf einem kassitischen (~ mittelbabylonischen) Rollsiegel (H 4 cm,Ø 1,6 cm):Die Hör- ner der Rinder formen immer noch den matriarchalen Uroboros trotz des patriarchalen Gottes: Die Rollsiegel dieser „rückständigen“ Bergvölker greifen die alte su- merische Thematik von Inanna und Dumuzi wieder auf, meint Moortgat (1967, 107) - wäre es nicht noch richti- ger, dass sie ihre eigene uralte matriarchale Tradition jetzt durch den Rückgriff auf ebenfalls matriarchale su- merische Motive fortführen? In: Moortgat,1967,VR 554).

Alt-elamische Bronze-Schaftlochaxt aus dem Iran mit hündischem Aufsatz: Auf dem Rücken des Schaftes läuft eine bärtige Person mit Breitrandkappe.Vor und hinter ihr läuft jeweils ein Hund mit Halsband vom Typ der Molosser. Text & Bild in: Göhde 2, 38. Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 44

44 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Auf einer Nebenszene auf kassitischen Siegeln der längeren Gebeten, während der Symbo- Burraburias-Zeit sitzt vor einer männlichen Gottheit lismus, den wir in der Reliefkunst der (Dumuzi?) folgsam der Hund: Hier wird das alte neo- Kudurru kennengelernt haben, sich erst lithische Duo vom Schäfer(gott) und seinem Hund langsam entwickelt. Die Götterzeichen wieder aufgefrischt dank der „Rückständigkeit“ der nehmen erst eine bescheidene Stelle ein Bergvölker - man beachte auch Armhaltung und ... Die alte sumerische Thematik aus dem Lebensbaum. In: Moortgat, 1967, Tafel H 7 = VR 556 Kreis der Inanna und des Tammuz, die (oben) & Moortgat, „Rollsiegel“,Abb. 558 (> oben rechts). bei den Bergvölkern bald erneuert wer- den wird, erscheint auf den Siegeln der Burraburias-Zeit in Nebenszenen (> 46- in langem Mantel und mit Kappe. Vor 7; in: Moortgat, 1967, 107). ihm ein kleiner kniender Beter. Zwischen beiden mehrere Götterzei- Die Kudurru (> rechts & > III, 70-112) waren chen: Fliege (oder Biene?), Kreuz, schon immer mehr Belehnungsurkunden als Rosette, „Auge“ und Hund. Darüber reine Grenzsteine, und die Bildsprache durch einen Strich getrennt zwei gegenständige Rinder neben einer des kassitischen (~ indo-europäische Dy- Pflanze. Sie berühren sich mit den nastie) Kudurru-Reliefs ist im Grunde Hörnerspitzen (Moortgat, 135 & VR 554). weniger künstlerischer Ausdruck reli- giöser Gedanken als vielmehr ein iko- Die Tradition wird nicht nur fortgesetzt, nographischer Versuch, mit der theolo- sondern die Präsenz des Hundes ist manch- gischen Spekulation über das polytheis- mal geradezu potenziert, sei es, dass der tische Weltsystem des 2. vorchristlichen Hund als einziges Begleittier der Gottheit Jahrtausends fertig zu werden ... Zwar auftritt (> oben), sei es, dass er gleich vier- können wir noch nicht allen theolo- fach dargestellt wird (> oben rechts). In der gisch-spekulativen Feinheiten dieser mittelbabylonischen Zeit gewinnt die Ikonographie folgen, aber ein beson- Legende immer mehr Raum auf diesen kas- ders gutes Stück wie der Kudurru, auf sitischen Siegeln: Um so bemerkenswerter dem Melisipak II. eine Belehnungsur- ist für uns Kynosophen im Gegensatz zum kunde für seinen Sohn Marduk-apal-idi- unkynosophischen Anton Moortgat, dass na ausgestellt hat (Tafel 229;> oben), gerade der Hund nicht gestrichen wird aus führt uns auf seiner flachen, oben ge- der Liste der darzustellenden Symbol(tier)e, wölbten Stelen-Schauseite ein durchaus während viele andere Symbole den Platz begreifliches, kanonisiertes System der räumen müssen für die Siegellegende, die den Kosmos beherrschenden übersinn- sich ausdehnt zu lichen Mächte vor: In fünf waagerecht Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 45

VOM „DICKEN HIRTENHUND“ ZUM MOLOSSER? 45

Mächten der tiefsten Unterwelt, zu- gleich dem theologischen System und der Hierarchie entsprechend, symbo- lisch vergegenwärtigt. Wer den Text der Urkunde verletzt oder verändert, ver- geht sich an der göttlichen Weltord- nung; man kann das Bildwerk des Ku- durru als eine Bekräftigung der Fluch- formel im Text verstehen (Moortgat, 1967, 105).

Bemerkenswert an dieser Funktionalisie- rung der Göttin Gula und ihres Hundes (> links) ist allerdings, dass ihre frühere Funk- tion als Göttin der Gesundheit und des Le- bens von der kassitischen Ikonographie ge- wandelt wird in eine Göttin der unheilbaren Krankheit und folglich des Todes: Die Göttin Gula wird zur Teufelin und Dämonin Gyllu - stand der Hund noch auf der Krankenhütte (> IV, 476-7: Abb. 355 & 352), um die Präsenz der guten Göttin Gula zu signalisieren, ja: um sie zu repräsentieren in ihrer tierischen Erscheinungsform - so erscheint er jetzt als Todesbote, ja: als eine Art Kerberos, der den kudurru schützt gegen die früheren Eigner der Felder, die von den eindringenden indo- europäischen Junghirtenkriegerverbänden enteignet wurden: Analog zum Enteig- nungsprozess werden auf metaphysischer Ebene die Komplementarität und die Ambi- valenz, kurz: die Grauzonenlogik des frühen mesopotamischen Polytheismus ersetzt durch eine rigorose Antithetik, durch eine Schwarz-Weiß-Logik, der zufolge Gula nicht Der Kalkstein-Kudurru des Melisipak II. aus Susa (H 68 mehr Kinder gibt und nimmt zugleich, cm) versucht, die polytheistische Welt in ein hier- Krankheit bringt und heilt zugleich, sondern archisches System zu bringen: Ganz unten, weil jetzt als Gallu/Gyllou/Gyllu (> III, 492 ff.) aus- chthonisch konnotiert, Schlange und Skorpion; im schließlich in repressiver und todbringender mittleren Register,zwischen Oberer und Unterer Welt, Mission unterwegs ist (Bernolles, 46-7). Als der Hund, sitzend und nach rechts gerichtet, vor Gello ist die Göttin in ihrer negativen Vari- seinen Nachfolgern, zwei gehörnten Schlangen- ante auch auf Rhodos belegt, wo sie analog drachen. In: Moortgat, 1967, Tafel 229. zu Lamaschtu (> IV, 489-540) als eine in der Jugend verstorbene (biologische) Jungfrau konzipiert ist, die als böser Geist Kinder untereinander angeordneten Friesstrei- raubt und tötet; ebenso in Griechenland fen ist das ganze kassitische Pantheon, selbst (> III, 523). Natürlich hat der Hund als von den Astralgöttern des höchsten tierische Erscheinungsform dieser Dämonin Himmels hinab bis zu den chthonischen eine schwarze Fellfarbe - noch der Koran Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 46

46 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Auf dem Boden einer goldenen Schale aus Ugarit an der phönizischen Mittelmeerküste wird in einem Rundfries die Wildstierjagd dargestellt, hier mit Hunden - ein Vorgänger des Mithras-Kults? -, während die etwas jüngeren assyrischen Darstellungen der königlichen Wildstierjagd ohne Hund auskommen müssen. In: Moortgat, Tafel 234.

verlangt die Tötung nicht aller, sondern nur der schwarzen Hunde. Diese Antithetik ist al- so kein indo-europäisches Monopol, sie hat eher etwas zu tun mit dem Monotheismus. Aus der mittelassyrischen Zeit (um -1.250) zeigt Moortgat ein Rollsiegel aus Assur (> rechts), auf dem ein Hund eine Gazelle (? oder einen Steinbock (?) verfolgt,

die über einen Stein (?) wegspringt. räumen das Siebengestirn, die Mond- Unter dem Hund ein kleiner Vierfüßler sichel, ein Stern, eine Pflanze (Moort- (Fuchs?, Schakal?). In den Zwischen- gat, VR 649 & 144). Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 47

VOM „DICKEN HIRTENHUND“ ZUM MOLOSSER? 47

Stern und Mondsichel als Zeitmesser und und „Griffel“). Vor der Göttin oben ein Siebengestirn (~ die Pleiaden) als Gottes- achtstrahliger Stern (Samas) und dane- symbole, aber auch als landwirtschaftliche ben das Siebengestirn, unten ein Kalenderzeichen (~ Regensterne) denotie- großer Räucherständer. Der Göttin zu- ren den sehr großen Hund (~ Sternbild Ca- gewandt ein betender Priester mit nis Maior?) vielleicht eher als Herden- denn langer Binde über der Schulter hän- als reinen Jagdhund. Als Gehilfen bei der gend (Moortgat, VR 655 & 144). Wildstierjagd sehen wir hingegen zwei (Wind)-Hunde auf einer reliefverzierten Der wiederum sehr große Hund ist eindeu- Schale aus Ugarit (> links) tig der Göttin zugeordnet, der Räucher- ständer trennt ihn vom Beter. Auch hier am nördlichsten Zipfel der phönikischen könnten die übrigen Symbole den Hund als Küste, wo die verschiedensten Kultur- Herdenhund, seine Größe ihn als Herden- strömungen aufeinandertrafen und wo schutzhund denotieren. Einen fast ebenso sich, nach Aussage vieler Texte, eine mächtigen Hund sehen wir auf einem wei- zahlreiche Bevölkerungsschicht chur- teren Rollsiegel der assyrischen Epoche, risch-mitannischer Herkunft befand ... ebenfalls aus dem -1. Jahrtausend (> Die Stierjagd vom rossebespannten, unten). Aus dem -14. Jahrhundert ist ein leichten zweirädrigen Kampfwagen aus, wie wir sie in einem Rundfries auf dem Boden einer goldgetriebenen Schale antreffen (Tafel 234; > links), nimmt ihren gedanklichen Ursprung zweifellos im Bereich der Mitanni-Welt, in der dieser Wagen zu Hause ist, wenn auch die menschlichen Physiognomien bodenständig kanaanäisch sein mögen (Moortgat, 1967, 114). Assyrisches Siegel mit Gott oder Heros und Hund (oben) Ist diese ugaritische Wildstierjagd mit und mit Göttin und Hund. In: Moortgat, „Rollsiegel“,Abb. Hund(en) ein Vorläufer, nein, eine frühere 656 & 655 (unten). Variante der späteren Mithras-Ikonogra- phie (> 258-87), in der ein Hund dem Heros stereotyp bei der rituellen Tötung des Stiers assistiert? Immerhin sind die Mitanni indo- arisch beeinflusst (> 77: Karte). Und was bedeutet der Hund eigentlich in diesem zeremoniellen Zusammenhang? Unsere Analyse des Mithras-Kults kann darauf eine Antwort geben. Auf einem Porphyr-Siegel, aus Assur (-1. Jahrtausend; > rechts: Abb. 655), sehen wir auf der rechten Hälfte eine thronende Göttin, von Moortgat als Ischtar identifiziert, auf einem Lehnsessel, mittelassyrisches Siegel überliefert, auf dem ein geflügelter „Torero“ im Stierkampf von der von einem liegenden Löwen ge- einem galoppierenden Windhund begleitet tragen wird. Hinter der Lehne vier wird. Im neobabylonisch-assyrischen Zeit- Sterne, eine Mondsichel und unten die alter sehen wir eine Variante des geflügel- Symbole Marduks und Nabus („Hacke“ ten Heros - diesmal setzt er sich mit zwei Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 48

48 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Sphingen auseinander, wobei ihm zwei unterschiedlich große Hunde behilflich sein könnten, säßen sie nicht wie festgenagelt da. Aus dem -6. und -5. Jahrhundert sind Siegel bekannt, auf denen ein Hund gezeigt wird, der auf einem Altar sitzt und von ei- nem gläubigen Menschen angebetet wird (> III, 93: Abb. 782 & 333):

Worshiper before two altars. On first altar, crescent mounted on stone (?), on second, sitting dog (In: CANES, Abb. 781; > III, 93). Dieser kleine Jagdhund (links) dürfte wohl kaum ein Ein ähnliche Gestaltung des Motivs zeigt ein Molosser sein. Unten: Molosser mit dreifach geriffeltem aus milchigem Chalcedon geschnittenes Sie- Halsband. In: Opificius, Abb. 673 (oben) & 659 (unten). gel (> III, 94: Abb.: 331). Seidl (141) meint da- zu, im neobabylonisch-assyrischen Zeitalter werde der Hund dargestellt als selbstän- diges Element, wenn z.B. ein Beter vor ei- nem hockenden Hund abgebildet ist (> rechts & Delaporte, 365); des Hundes Selb- ständigkeit könnte man versucht sein, inso- weit einzuschränken, als er hier nicht als Hund, sondern als Repräsentant einer durch ihn vertretenen Gottheit angebetet wird; hingegen meint I. Fuhr, dass hier der Hund als Gottheit selbst angebetet wird. Verlas- sen wir das mythologisch verminte Gelände - eine Analyse habe ich schon versucht (> III, 92-100) - und kommen wir zurück zu wieder mehr kynologischen Aspekten.

Darstellungen des Hundes auf mesopotamischen Terrakotta-Reliefs

Wir verlassen die Hundedarstellun- gen auf Siegeln und betrachten nun Hun- debilder auf anderem Material. Altbabylo- nische Terrakotta-Reliefs zeigen nicht nur dehalsband dreifach geriffelte Gürtel ein sitzende oder schreitende Molosserhunde, Detail ist, das eher einen Ausschnitt aus ei- wie man oft liest. Auch eine kleinere Hun- ner Heiligen Hochzeit indiziert, zumal der devariante oder -rasse - eine frühe Variante „Hirte“ m.E. nicht tanzt, sondern auf einem des Boojy (> 17-22)? - ist zu sehen auf einer Schemel sitzt. Der „Hirte“ wäre dann als Darstellung, mit der Ruth Opificius (233) Musiker (analog zu den „Tierkapellen“ vom hinsichtlich der Deutung besondere Schwie- Tell Halaf; > III, 214-31) eher ein Angehöri- rigkeiten hat, die ich schon diskutiert habe ger des Tempel-Personals wie die Hierodule (> III, 603: Abb. 579), wobei der zum Hun- auch, beide als solche ausgewiesen über Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 49

VOM „DICKEN HIRTENHUND“ ZUM MOLOSSER? 49

den dreifach geriffelten Gürtel bzw. das kaum substantiierbar ist, aber dennoch zu dreifach geriffelte Halsband. Auch bei ei- bedenken wäre. Die schematische Gleich- nem sitzenden Molosser (> 48: Abb. 659) ist setzung des Hundes mit dem Löwen in der am linken Halsrand das dreifach geriffelte Funktion eines Übel abwehrenden Wesens Halsband zu erkennen. Ruth Opificius bi- auf altbabylonischen Reliefs wird schon von lanziert 1961 in ihrem Werk Das altbaby- den altbabylonischen Rollsiegeln widerlegt, lonische Terrakottarelief (180), dass in denen der Löwe gerade als das Übel über- haupt auftritt; auch die zeremonielle die Terrakotta-Reliefs mit Hunde- Löwenjagd der Könige wäre mit Opificius´ darstellungen ... alle den sog. Molosser- Unterstellung völlig unsinnig. Ein Terra- hund kotta-Hund aus Sippar ist mit einer Wei- hung an dME.ME beschriftet (> Scheil, Une wiedergeben, was aber nicht ganz zutrifft, saison de fouilles à Sippar, Kairo, 1902, 90 f. da Opificius sowohl den mutmaßlichen Nr. 13). Diese Gottheit dME.ME ist identisch Schweinehütehund auf Abb. 579 (> III, 603) mit Gula und ihr Hund ist dieser sumerische als auch den Jagdhund auf Abb. 673 (> 48) Sonnenhund ur-ME.ME/dUTU (> IV, 290; ~ in die Molossergemeinde aufnimmt, ob- Sternbild des Löwen), kosmisch konnotiert wohl dazu kein ersichtlicher Anlass besteht. dürfte der Terrakotta-Hund aus Sippar also Vielmehr könnte man den für einen Molos- auch sein. Zoologisch erkennt van Buren ser deutlich zu kleinen Hund eher mit dem 1939 (17-8) in ihm einen Vertreter des Canis „Schweinehütehund“ der o.g. Abb. 579 familiaris Studer (> 50: Abb. 4.9), gleichsetzen. Eine andere Bemerkung in der Hunde-Bilanz von Ruth Opificius findet eher with powerfully developed chest, poin- meine Zustimmung: ted muzzle and ears, and a curly tail ... An animal of this type is sometimes seen Das Hocken der Tiere (~ Hunde) ist ja on Kassite cylinder seals, invariably gerade in altbabylonischer Zeit sehr seated as if on guard (> 44: Abb. H7) verbreitet, ein hockender Hund, häufig mit einem Krummstab auf dem Kopf, Der „Molosser“ erfährt eine bemerkens- gehört zu den häufigsten Nebenfigu- werte Wandlung im Wechsel von seinen ren altbabylonischer Rollsiegeldarstel- altbabylonischen zu seinen neuassyrischen lungen ... Meist schreiten sie nach Darstellungen, rechts, gelegentlich sehen wir sie aber auch, genau wie auf den Rollsiegeln, die den Hund zeigen ohne die charak- hockend dargestellt (Nr. 659;> links). teristischen Halsfalten, wie wir sie bei Allerdings ohne den hierfür charak- unseren Beispielen und dem Hund des teristischen Krummstab auf dem Kopf Sumu-ilu (> III, 565: Abb. 155) finden ... Auch bei den Hunden sind wir nicht (Opificius, 180, FN 226). sicher, ob wir sie als Vertreter einer Gottheit, als ein Wesen, das dem ma- Auch auf den neuassyrischen Palastreliefs gischen Zwischenbereich angehört wie Assurbanipals werden molossoide Hunde die meisten „Füllfiguren“ der Rollsiegel von Dienern des Königs („Hundeführern“; > oder vielleicht als Kämpfer und Übel IV) gehalten: abwehrende Wesen wie die Löwen ansehen müssen (Opificius, 180 & 239). In der Linken trägt hier der Hunde- führer einen Stab, während auf dem Opificius lässt offen, ob beim sitzenden Relief aus Niniveh (Nr. 11; > IV, 601: Hund ohne Krummstab auf dem Kopf dieser Abb. 1) der Hundeführer eine Lanze in hinzuzudenken war - eine Idee, die zwar der Rechten hält (Göhde 1, 26). Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 50

50 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Aus Assurbanipals Zeit (um -650) sind Tier- päischer Zeit als Begleittier oder schon Stell- listen bekannt mit mehreren Hunderassen, vertreter der Göttin Gula zu sehen, die er in nach Herkunftsregion benannt - besonders einem spätassyrischen Text als ein geflügel- geschätzt waren offenbar elamische Hunde ter und hundeköpfiger Mann immer noch (Göhde 1, 26) als Herdenschutzhunde mit ei- mit der Bezeichnung Gula (Mode, 255) pa- ner Widerristhöhe um 65 cm und triarchal ersetzen wird:

with a flat-topped head, pointed muzz- This was big and heavy, with small prick le, low forehead, and hanging ears; the ears, a curly tail and generally a smooth hair was either curly, wavy, or rough, coat. It was frequently represented in never smooth. This was a dog for guar- different Mesopotamian art forms, par- ding flocks rather than a sheep-dog for ticularly in neo-Babylonian times of the herding them (Clark, in: Brewer, 60). first millennium B.C. (> III, 79: Abb. 7) ... The dogs are also commonly depicted Hilzheimer spricht sich gegen die bereits im on cylinder seals to illustrate the myth 19. Jahrhundert von dem britischen Archäo- of Etana (Clark, in: Brewer, 61). logen Austen Layard aufgestellte These aus, dieser Typ komme über Elam aus Tibet; auch Ich schlage vor, diesen Typ mit dem heutigen die Kopfform des elamischen Hundes - flat- anatolischen Kangal zu identifizieren. Die topped head, pointed muzzle, low forehead Göttin Gula wurde übrigens nicht aus- - lässt noch auf die Bärenkopfstruktur (> I, schließlich von diesem „Kangal-Typ“ be- 209-18) schließen, während die Kopfstruktur gleitet bzw. vertreten - es gibt auch einige - des tibetischen Herdenschutzhundes wie auch des Bhotia (> 366, Abb. oben & unten) davon grundsätzlich abweicht; man verglei- che dazu auch das Bild eines „modernen“ ira- kischen Herdenschutzhundes (> IV, 609: Abb. 4.10). Clark suggeriert in seiner Studie zu den Dogs of the Ancient Near East die Nähe des Irakischen Herdenschutzhundes zu den - wie er sie nennt - Assyrian War-Dogs auf einem Fries in Pergamon (> III, 496-7), die ich my- thologisch bereits als Hunde der Hekate identifiziert habe und die Clark (66) ebenfalls als rough-coated war-dogs of Hecate mit dem Canis familiaris Studer gleichsetzt, ob- wohl er sie acht Seiten vorher durchaus als

a different type of war-dog accom- panying Hecate, with a rough coat, short muzzle and erect ears (> rechts)

auffasst; zur Unwahrscheinlichkeit von mi- “Assyrian war-dogs in a frieze from Pergamum“ sieht litärisch aktiven „Kriegshunden“ habe ich Terence Clark hier und identifiziert sie mit dem bereits einige Argumente vorgestellt (> IV, „Canis familiaris Studer“ (> IV, 496-7) - der Kontext 611 & 616-8), eher ist von Leichenfraßhun- zeigt, dass dieser „Kriegshund“ einer amazonischen den auszugehen (> 614-6: Abb.). Ein weite- bzw. walkürischen Hekate zugeordnet ist, folglich rer Herdenschutzhund-Typ ist auf den Ku- nicht als militärisch aktiver Hund, sondern als Ex- durru (> III) aus kassitischer, d.h. indo-euro- karnator (> 613-6) gedacht ist. In: Brewer,60 & Abb. 4.9. Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 51

VOM „DICKEN HIRTENHUND“ ZUM MOLOSSER? 51

wenn auch seltene - Belege für saluki-ähn- schwellen der Häuser als Sühneopfer, wie liche Gula-Hunde, die aber von anderen mit Langdon meint, eher aber als Dämonen ab- dem Pariahund identifiziert werden: Dafür wehrende Mittel vergraben wurden. Die Na- spricht vielleicht auch die durchschnittliche men dieser zehn Hunde werden im Ritual ge- Widerristhöhe von 50 cm der an der Rampe nannt, und unter ihnen gibt es den Namen des Gula-Tempels in Isin beigesetzten Hunde mu-na-as-sik- ga-ri-su für einen grünen Hund (> 6: Abb. 2 & 6), unter denen ein einziger und a-ri-ih napisti-su für einen schwarzen Hund mit ca. 65 cm Höhe als Ausreißer zu be- Hund. Aus dem Palast des Assurbanipal in Ni- trachten ist. Die Hunde im assyrischen nive stammen fünf Ton-Hunde (> IV, 663: Abb. Mastiff-Typ sind nicht nur kleiner (60 bis 70 42-46), die ihre Farben konserviert haben und cm) als der Mastiff aus Persepolis (> 32-9) und im Britischen Museum aufbewahrt werden. auch kleiner als die Mastiff der Siegel aus Alle sind stehend oder schreitend dargestellt, dem Babylon um -1.750: Sie sind auch während die Ton-Hunde aus Kish sitzen: In dieser Position gleichen sie ziemlich genau leaner, less ponderous mastiff-type den Kudurru-Hunden, so dass ich der Ver- hounds involved in hunting lions, ona- suchung nicht widerstehen konnte, einen die- ger and gazelle. Such hunts must have ser drei Ton-Hunde aus Kish in die Galerie der taken place inside walled enclosures Kudurru-Hunde einzuschmuggeln (> III, 85: where wild animals were released for Abbildungen). Die Namen der Hunde deno- hunting, rather as they do with hares in tieren sie als Kämpfer gegen jene, so-called park coursing in Eire, because these huge dogs could not have other- who plan evil against the house, pro- wise caught such fleet-footed game in bably having particular reference to the open (Clark, in: Brewer, 58). the demons,

Außer dem achämenidischen Siegel, das meint Langdon (91) wohl zu Recht und ver- Darius I. mit einem Hund bei der Löwenjagd weist zusätzlich auf die Präsenz von zwei zeigt (> IV, 595: Abb. 14), sind noch aus den Papsukal-Statuetten (> III, 553-4 & 571: Abb. achämenidischen Schichten von Inghara (> 45), die nicht zufällig in der Nähe der Ton- Langdon, Excavations at Kish, 1, Paris, 1924, Hunde aufgefunden wurden, denn sie 91, Tafel XXVIII 1) bei Kish drei Tonfiguren wurden auch rituell unter der Türschwelle (> IV, 662: Abb. 47) bekannt, die in einem beigesetzt; aber die Gottheit Papsukal ist Raum der Bibliothek nicht nur über die Türschwelle hündisch konnotiert. Papsukals dezidiert abwehrende zusammen mit zwei Papsukkal-Statuet- Haltung parallelisiert ihn mit der Funktion ten gefunden wurden. Von diesen der Ton-Hunde unter der Türschwelle, die Tieren waren zwei mit ihren Wächter- wiederum ihre Analogie finden in jenem Namen beschriftet (Seidl, 142). berühmten Hund, der in Pompeji auf dem Mosaik im Atrium des Hauses eines Dichters Die Namen wurden entziffert als mu-na-as- dargestellt war mit der Inschrift: Cave Ca- sik- ga-ri-su (~ Beißer des Feindes) und als a-ri- nem (~ Hüte Dich vor dem Hund). Wenn der ih napisti-su (~ Zerstörer seines Lebens; Lang- Hund von Pompeji (> 52: Abb. 8) auch eine don, 91). Auch hier wird die von Opificius an- religiöse Funktion hatte wie die Ton-Hunde genommene apotropäische Wirkung des von Kish, dann hat er wohl gegen die Berg- Hundes durch die Namengebung in etwa be- geister des Ätna versagt. Die Römer hielten stätigt (> IV, 655: Abb. 37). Aus einem babylo- im Eingangsbereich ihres Hauses reale Hun- nischen Beschwörungsritual (in: Ebeling: Keil- de angekettet, und diese Hunde mag der Ca- schrifttexte aus Assur, N° 298) wissen wir, dass ve-Canem-Hund repräsentiert haben - viel- fünf Paare dieser Ton-Hunde unter den Tür- leicht hätte ein realer Hund den kurz bevor- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 52

52 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Jegliche Seit´ umstanden die goldnen und silbernen Hunde, Welche Hephais- tos selbst mit hohem Verstande gebil- det, Um des edelgesinnten Alkinoos´ Wohnung zu hüten; Drohend standen sie dort, unsterblich und nimmer veral- ternd (Homer, Odyssee, 7, 91-94).

Es handelt sich also um einen weit verbreite- ten apotropäischen Gebrauch des Hundes, wobei die symbolische Funktion des Hundes nicht auf das Abwehren von eindringenden Übeln begrenzt ist, sondern ausdrücklich in Mesopotamien auch das Hereinbringen von Gutem einbezieht. Die Ambivalenz des Hun- des ist hier also eindeutig noch nachweisbar, während sie für den griechischen und rö- Das Cave Canem-Motiv auf einem Mosaik aus Pompeji: mischen Kult entweder reduziert oder nicht „In den Ruinen von Pompeji wurde in der vulkanischen überliefert ist: In einer mesopotamischen Ri- Asche ein Hund gefunden, der über einem Kind lag. Der tualanweisung zur Herstellung apotropä- Hund, dessen Name Delta war, trug ein Halsband, auf ischer Hunde(figuren) heißt einer von zehn dem zu lesen war, dass er seinem Besitzer Servinus Hunden ausdrücklich Der Gutes hinein- dreimal das Leben gerettet hat.” Zitat in: Der literarische bringt, während sein Pendant Der Böses hin- Hundekalender, KW 18; Bild in: Giordano, Abb. 8. ausführt genannt werden soll (Göhde 1, 33). Der Hund agiert also auf, vor und hinter der stehenden Vulkanausbruch deutlicher ange- Schwelle des Hauses. Wie Tushratta an Ame- zeigt. Petronius erwähnt, dass Bilder von nophis II. Hundestatuetten schickt, wenn die Hunden an die Hauswand gemalt wurden: Gesundheit seines Schwiegersohns zu wün- schen übriglässt, so importieren die Sumerer Ad sinistram enim intrantibus non lon- aus Meluhha (~ Vorläufer der Indus-Kultur?) ge ab ostarii cella canis ingens, catena rote Hunde, um die Dämonen zu vertreiben. vinctus, in pariete erat pictus superque quadrata littera scripum „cave canem“ (~ Auf der linken Seite des Eingangs, Der rote Hund aus Meluhha nicht weit von des Portiers Loge, war und ein Exkurs zum Islam ein riesiger Hund an die Wand gemalt (> oben), festgemacht mit einer Kette, und darüber war in Großbuchstaben Schon in den frühesten mesopota- geschrieben: Hüte Dich vor dem Hunde) mischen Texten wird dem Süden Zentral- (Petronius, Arbiter, § 29). Asiens die Rolle des kulturellen Vermittlers zugesprochen zwischen Mesopotamien und Bei beiden Quellen - Petronius wie Pompeji Indien: Eine Inschrift von Ur aus dem -3. Jahr- - dürfte es sich nicht nur um ein Zitat und tausend erwähnt, dass ein roter Hund von Surrogat des realen Wachhundes gehandelt Meluhha aus der Region Marhashi im West- haben - zumindest einen Rest jener apotro- Iran als Handelsware geschickt wird zu Ibbi- päischen Funktion müssen die virtuellen sin in Mesopotamien. Dieser rote Hund wird Hunde der Römer noch gehabt haben. Auch zusammen mit den indischen Bezeichnun- im antiken Griechenland erwähnt bereits gen für Zebu (?), Elefanten usw. von Händler Homer den gleichen Brauch (> VI): aus Dilmun nach Mesopotamien importiert. Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 53

DER ROTE HUND AUS MELUHHA UND EIN EXKURS ZUM ISLAM 53

The southern regions Dilmun, Makkan, Die Hunde aus Meluhha und Marhashi and Meluhha did provide Sumer with waren nicht immer rot, manchmal larger quantities of luxury goods than auch gefleckt, Elam and the eastern regions during most of the third millenium (Potts, 42). erwähnt Salonen (84) zwar, aber die Fleckung dürfte sich auf die Vieräugigkeit Marhashi ist wohl ein Umschlagplatz für beziehen (> 155: Abb. 5.2 & 119), die den Güter, die aus den östlicheren Regionen Hund im sag-did-Totenzeremoniell unent- nach Ur importiert wurden; dazu gehörten behrlich machte - für eine Verbreitung des neben Sachartikeln wie bestimmte Hölzer sag-did über den zoroastrischen Rahmen und Edelsteine auch Tiere, z.B. Vögel bis weit hinaus lege ich einige Indizien vor, die hin zum Pfau (> 95 ff.). Warum also nicht mich ermutigen, ein Substrat anzunehmen, auch ein bestimmter Hundetyp? Hundefi- das auf jeden Fall vor-indo-europäisch, wahr- gurinen mit Halsband aus dem „benach- scheinlich sogar paläolithischen Alters ist. barten“ Harappa wurden ja auch impor- Diese mesopotamische Hunde-Symbolik ist tiert (> 30: Abb. 29). Aber warum war der durch den Fernhandel des -3. Jahrtausends Hund als „Luxusgut“ rot (> 526: Abb.)? Rot auch auf bemalten Vasen bis in die Harappa- ist die Kultfarbe orientalischer Göttinnen - Kultur exportiert worden, wie Francfort (in: der rote Hund war vermutlich das Tempel- Kohl, 263) meint, aber wahrscheinlich kann tier einer Großen Göttin. Rot war im Ma- man eher ein hündisches Substrat anneh- triarchat der Tod, nicht schwarz. Rot (dazu men, das Mesopotamien und Indien zumin- gehören im Sinn von Rötlich auch Orange, dest über die proto-elamische Kultur seit Braun, Purpur) war aber auch die Farbe des dem frühen Neolithikum gemeinsam war, Lebens: Mit rotem Ocker bemalten die wovon auch Lamberg-Karlovsky ausgeht (in: paläomentalen Menschen ihre Toten für Kohl, 263). Indien und Mesopotamien unter- deren Weg durch die Unterwelt. Rot ist die hielten also auch über den Hund als Medium Farbe des Originals der „Venus“ von Wil- kulturelle Kontakte über Jahrtausende, und lendorf, einer vor 25.000 Jahren von einem diese Kontakte werden von Herodot (1, 192) Stamm im Donautal verehrten Eiszeitgöt- konkret geschildert für seine Zeit, wenn auch tin (Weiler, 1996, 73). Diese rote Erde zur ohne den symbolischen Wert dieser Hunde Bestattung der Toten war das älteste Ma- zu erkennen: Der Statthalter in Babylon terial, das systematisch in Ockerbergwer- ken abgebaut worden ist. In Europa war hielt so viele indische Hunde, dass vier Ocker Gegenstand des Tauschhandels große Dörfer in der Ebene das Futter (Weiler, 1996, 73). Wahrscheinlich ent- für diese Hunde liefern mussten und spricht der rote Hund im Orient auch der dafür von allen anderen Abgaben be- symbolischen Funktion des Ocker im Okzi- freit waren. dent: Wiedergeburtshoffnung drückte sich in der roten Farbe aus, mit der die Toten be- In den Archiven von Mari wird genau festge- stattet wurden (Weiler, 1996, 73). Ibbi-sin halten, wieviele Kornrationen reserviert waren hat von diesem Hund Nachbildungen an- für die Hundekuchen: Der Appetit dieser Hun- fertigen lassen, und diese Statuetten wur- de war wahrhaft molosserhaft. Diese Tiere, den in Mesopotamien unter der Herrschaft Ibbi-sins und später unter der Herrschaft As- teuer, selten, aus entfernten Gebieten sur-nasirpals als bewährte Abwehrmittel importiert, sollen aufgezogen worden gegen böse Geister eingesetzt. Ein roter bis sein von hohen Würdenträgern, die rotgelber Hund spielt auch in China (> 600) sich diese Hunde zur Jagd oder zum und in der mittelamerikanischen Maya-Kul- Kampf gegen einander oder gegen tur eine wichtige Rolle im Totenkult (> II, 9). Löwen hielten (Kohl, 264). Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 54

54 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

„Indische“ Hunde (> 30: Abb. 29; > 363-9) Ein trotz allem nicht ganz müssen aber nicht unbedingt aus Indien trostloser Exkurs über den kommen, wie man bei den zeitgenössischen Hund im mittelalterlichen Islam und geographisch großzügigen Griechen öf- ter lesen kann, auch wenn der Kontext hier In einer fortgeschrittenen Religion tatsächlich in die Richtung nach Indien braucht man natürlich einen, der alles er- verweist. Herodot weiß über indische Hunde schaffen hat - so auch den Hund. Das kann - wie so oft - vom Hörensagen zu berichten: nur Allah sein, aber es gibt mindestens drei islamische Versionen zur Erschaffung des Wie die Griechen sagen, ließ Kambyses Hundes. Eine Version schließt unauffällig an (~ Kambyses II., auch der Wahnsinnige die vor-islamische Tradition an - sie kann ab- genannt; persischer König von -530 bis geleitet werden -522) von einen jungen Hund mit einem Löwen kämpfen, und auch die- from a tradition about the taboo on ea- se seine Frau sah dabei zu. Als der ting the dog's flesh because the animal Hund unterlag, riss sein Bruder (ein is “metamorphosed”; the implication is anderer junger Hund) sich los, um ihm that human sinners are transformed in- zu Hilfe zu kommen, und die beiden to dogs and that eating the flesh would Hunde besiegten nun den jungen be a form of cannibalism (Omidsalar, in: Löwen (Herodot, 3, 32). ww.cais-soas.com/CAIS/Animals/dog. htm). Junge Hunde und Ziegen wurden als Opfertiere abgelehnt, wie den Königlichen Es handelt sich offensichtlich um eine ange- Archiven von Mari (> II, 37) zu entnehmen passte vor-islamische Version, die die Rein- ist - Totem-Tiere als Tabu? Die Menschen karnation des Menschen im Hund auf Sün- von Mari haben übrigens wie die Kalebiter der beschränkt. Die Nähe dieser Version zu (~ Hundemenschen; > IV, 295-442) ihren „totemistischen“ Strukturen liegt auf der Ursprungsort in der syrisch-arabischen Wüs- Hand. Eine weitere Version geht auf Ali b. te, da in beiden Traditionen das Namengut Abi Taleb zurück: auf Westsemiten schließen lässt (Beltz, 58). Was kann daraus geschlossen werden? Von When Adam and Eve were cast out of den Menschen in Mari und von den Kale- paradise, Satan came to the beasts of the bitern kann abgeleitet werden, dass den earth and encouraged them with violent Westsemiten der Hund früher bedeutend cries to attack and devour the couple; his mehr wert war als zur Zeit des Islam, dessen spittle flew out of his mouth, and God überwiegend negative Einstellung zum fashioned a male and a female dog from Hund spätestens nach der Eroberung des it. The male was sent to guard Adam and Iran gründlich intensiviert wurde, und der the female to protect Eve. The enmity sich wenig später v.a. bemüht, schwarze between the dog and wild animals was Hunde mit lohfarbenen Abzeichen, also die thus initiated (in: Omidsalar). berühmten „Vieräugigen“, zu eliminieren, denn diese lohfarbenen Flecken seien das Während die zweite Version die Erschaf- untrügliche Zeichen des Teufels. Schon der fung des Hundes aus dem Speichel des Teu- Hund als solcher gilt als unrein, aber der fels annimmt, also eine deutliche Distanz zu schwarze Hund ist der Teufel - und dabei ist Allah behauptet und eine eindeutige Nega- er doch ein völlig unteuflisches Relikt aus tivierung des Hundes bedeutet, sieht die vor-islamischer Zeit: Teufel wird er nur, weil dritte Version die Erschaffung des Men- er das Symboltier der jetzt verteufelten schen und des Hundes in unmittelbarer zeit- Göttin war (> 61-2). licher und materieller Nachbarschaft - beide Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 55

DER ROTE HUND AUS MELUHHA UND EIN EXKURS ZUM ISLAM 55

hat Gott erschaffen, und zwar aus dem Ma- Most of the lane-dogs, however formi- terial, das von der Erschaffung des Men- dable they might look, were of schen übrig blieb - getreu dem kaufmän- touchingly meek and affable disposi- nischen Grundsatz, dass nichts verkommen tions, and if not too frightened to let soll; aus patriarchaler Sicht ist für den Hund one approach would respond eagerly besonders erfreulich, dass er aus Adams Ma- to a caress. Many, however, had learnt terial entstanden ist: a desperate wariness, because of the increase in the Moslem population. In God created the dog from the clay left Sharifabad the dogs distinguished over from His creation of Adam, which clearly between Moslem and Zoroas- may lie behind the assertion in some sour- trian, and were prepared to go, with a ces that dog bones and tissue may be diffident politeness but full of hope, grafted to the human body (Omidsalar). into a crowded Zoroastrian assembly, or to fall asleep trustfully in a Zoro- Eine mehr alltagspraktische Version kommt astrian lane, but would flee as before „domestikationstheoretisch“ weitgehend Satan from a group of Moslem boys ohne religiöse Zutaten aus - sie stammt von (Boyce, 1977, 141). Ebn Abbas: Hat hier die Koranschule versagt, als sie den When Adam was cast out of heaven and Jungs den Respekt vor dem Mitgeschöpf attacked by Satan, God reassured him hätte beibringen, wenigstens näher brin- and sent Moses' staff as a means of gen sollen? Oder ist es der Verzicht auf Ko- defense; Adam struck a dog with it, but edukation, der die Jungs so radikalisiert? God commanded him to pat the animal Falsche Fragen, denn: on the head. The animal thus being domesticated, befriending Adam and Moslems ar not, of course, invariably his seed (in: Omidsalar). unkind to dogs. Some themselves own herd- or watch-dogs, and apart from Insgesamt können diese Versionen ein ur- this there are naturally many Moslems sprüngliche Nähe zwischen Mensch und who would not deliberately harm any Hund nicht verleugnen - sie atmen nicht den creature. But undeniably there are Geist der Canophobie, die dem Islam auch others who are savagely and want only eigen ist. Dafür gibt es ein „schönes“ Bei- cruel to dogs, on the pretext that spiel aus dem islamisierten Iran: Interessant Muhammad called them unclean zu beobachten sind die Bruchstellen, die (Boyce, 1977, 141). sich ergeben, wenn zwei Kulturen in engs- ter Nachbarschaft leben müssen, von denen Einige Muslime weichen also von der sym- die eine den Hund als Partner des Menschen pathischen Grundhaltung ab, Tiere nicht und die andere den Hund als unreines Tier vorsätzlich zu quälen, und spezialisieren betrachtet. Diese Situation hat die Iranistin sich dabei in auffälliger Weise auf den Hund Mary Boyce in den 1960er Jahren im Iran und begründen ihre Haltung wie selbstver- zwischen zoroastrischen und islamischen ständlich mit dem Koran: Iranern erlebt und protokolliert, ziemlich verwundert zwar, aber dennoch auch um I myself was spared any worse sight Verständnis bemüht für die islamische Hal- than that of a young Moslem girl in tung, aber auch für die Straßenhunde, die Mazra´ Kalantar standing over a litter zwischen Menschen islamischen und zoro- of two-week-old puppies, and sudden- astrischen Glaubens sehr genau und nicht ly kicking one as hard as she could with ohne Grund unterscheiden können: her shod foot. The puppy screamed Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 56

56 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

with pain, but at my angry interven- Oder sollte man eher sagen: Den Un- tion she merely said, blankly, ´But it´s gläubigen gegenüber?). There are grim unclean´. In Sharifabad I was told by old stories from the time when the an- distressed Zoroastrian children of wor- nual poll-tax was exacted, of the tax- se things - a litter of puppies cut to pie- gatherer tying a Zoroastrian and a dog ces with a spade-edge, and a dog´s together, and flogging both alternate- head laid open with the same imple- ly until the money was somehow forth- ment; and ocassionally the air was coming, or death released them (Boyce, made hideous with the cries of some 1977, 141). tormented animal. Such wanton cruel- ties on the Moslem´s part added not a Wenn auch die enge Nachbarschaft von little to the tension between the two Hundefreunden und Hundefeinden Grund- communities (Boyce, 141). einstellungen noch verschärfen kann, so bleibt doch unleugbar, dass die im Islam Es ist also keine Spezialität jugendlicher überdurchschnittlich verbreitete Canopho- männlicher Muslime, Hunde zu quälen - bie nicht allein mit besonderen Situationen auch eine jugendliche Muslima beruft sich erklärt werden kann. Der Hinweis auf den in aller Unschuld und Selbstverständlichkeit Propheten als Quelle der Hunde-Diskrimi- auf des Hundes unreinen Status, najess ge- nierung wird zwar umgehend dementiert, nannt und im schiitischen Islam der höchste aber es lohnt sich dennoch sehr, die weni- Grad von Schmutz - aufgrund dieses Status gen Äußerungen Mohammeds zum Hund werden u.a. auch Hund und Hundehalter genauer zu analysieren - was ich gleich un- im September 2007 in Teheran einer gottes- ternehmen werde, denn Islam bedeutet ja staatlichen Repressionswelle ausgesetzt, die wörtlich die bedingungslose Unterwerfung in einem Klima der Angst die Menschen po- unter die an Mohammed und somit an die litisch vollends lähmen soll (in: Kölner Stadt- Menschen guten Glaubens ergangene end- anzeiger, 18.09.2007, S. 3). Najess - ein Sta- gültige Offenbarung. Und selbst wenn man tus, der angeblich auf ein Wort des Prophe- keine eindeutige Diskriminierung des Hun- ten zurückgeht. Auch Boyce beeilt sich, den des im Text des Koran nachweisen könnte, Propheten zu entschuldigen und eine an- dann bliebe immer noch zu bedenken, dass dere Ursache für den muslimischen Hunde- ursprünglich nomadische Völker sich gern hass zu präsentieren: Mary Boyce (141) gegen Sesshafte definieren über den Um- meint vorsichtig, dass weg der jeweiligen Haustiere: Die isla- mischen Tuareg identifizieren sich mit ihren there seems no factual basis for this, Windhunden, auch mit deren Launen, ge- and the evidence points rather to Mos- gen die Schweine der Sesshaften - ein Targi lem hostility to these animals having ist ein Slughi oder Azawakh, ein Sesshafter been deliberately fostered in the first ist ein Schwein. Die generell schizoide Hal- place in Iran, as a point of opposition to tung der Tuareg (> II, 135 & 142-3) dem the old faith there (mit dem wir uns Hund gegenüber ist repräsentativ für fast gleich noch ausführlich befassen wer- die ganze islamische Welt (die wesentlichen den). Certainly in the Yazdi area ´nana- Ausnahmen lernen wir in diesem Band ken- jib´ Moslems found a double satisfac- nen): Der Pariahund ist ein unreines Tier, tion in tormenting dogs, since they weil er sich von Unrat ernährt - er wird näm- were thereby both afflicting an unclean lich nicht gefüttert von den Tuareg. Würde nature (also doch!) and causing distress er gefüttert, bräuchte er sich nicht von Un- to the infidel who cherished him (wo rat zu ernähren und wäre wohl auch nicht bleibt da die angebliche Toleranz des Is- unrein. Der Slughi hingegen ist ein reines lam den Andersgläubigen gegenüber? Tier, weil er sich nicht von Unrat ernähren Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 57

DER ROTE HUND AUS MELUHHA UND EIN EXKURS ZUM ISLAM 57

muss, denn er wird gefüttert von den Tua- heidsregeln und somit gegen die Men- reg. Wer auch noch stolz ist auf dieses sein schenrechte auch Gründe im Islam selbst zirkuläres Denken, wird sich sicher auch haben, zumal dieselben Völker in ihrer vor- gern mit dem Syllogismus-Meister Pangloss islamischen Phase dem Hund allgemein in Voltaires Candide identifizieren lassen: durchaus positiv begegneten, wie ich im 4. Band der Kynosophischen Zeitreise bele- Der Prophet sagte: „Eine Gruppe von gen konnte. Es muss nicht alles wörtlich im Israeliten ging verloren. Niemand Koran stehen, was viele Muslime für der weiß, was sie taten. Aber ich sehe sie Weisheit letzten Schluss halten - elf Dinge nicht, mit Ausnahme, dass sie verflucht nämlich sind es, die unrein sind: Der Urin, wurden und in Ratten verwandelt wur- das Exkrement, der männliche Samen, die den, denn wenn man die Milch einer Gebeine der Toten, das Blut, der Hund, das Kamelstute vor eine Ratte gibt, dann Schwein, der Mann und die Frau, welche trinkt die Ratte das nicht.“ keine Muslime sind, die Dreifaltigkeit (~ der Vater, der Sohn und der heilige Geist) Es war den Israeliten verboten, das Fleisch und die, die an die Dreifaltigkeit glauben, von Kamelen zu essen oder die Milch von überhaupt alle, die ungläubig, d.h. nicht Kamelstuten zu trinken, während es ihnen muslimischen Glaubens sind. Die Analogi- erlaubt ist, Schaffleisch zu essen und Schaf- sierung von Menschen mit Urin und Exkre- milch zu trinken. Daraus ergibt sich ein für ment spricht für sich, sie bedarf keines wei- Pangloss logisch zwingender Syllogismus: teren Kommentars.

Der Prophet lernte von der Gewohnheit der Ratten, dass einige Israeliten in Rat- Mohammed ten verwandelt worden waren. Später und die gesellschaftliche Stellung wurde der Prophet durch Offenbarung der Hunde im Islam über das Schicksal jener Israeliten infor- miert: Sie wurden in Schweine und Af- Nach der Islamisierung wurden fast fen verwandelt (Bukhari, 4/524, 333. alle schwarzen und schwarz-lohfarbenen Pariahunde ausgerottet, bis Mohammed Die Ratten trinken keine Kamelmilch, die die Erleuchtung zuteil wurde, dass gewisse Israeliten auch nicht, folglich sind alle Isra- Hunde den Menschen auch von Nutzen sein eliten Ratten - umgekehrt geht´s natürlich können, denn immerhin habe Allah ja auch auch. Kein Wunder, dass Allah einige der den Hund erschaffen, er musste sich also et- Ungläubigen zu Affen und Schweinen ge- was dabei gedacht haben. Nichts gedacht macht hat (in: Koran 5, 60/65). Wahr- hat er sich wohl bei der Erschaffung schwar- scheinlich sind´s hundsköpfige Affen, und zer und schwarz-lohfarbener Hunde, Esel die Schweine sind jene Sesshaften, über die und Frauen, denn kommt eine dieser sich die Tuareg unendlich erheben. Wenn Kreaturen zur Stunde des Gebets vorbei, so also der Hund von den Tuareg auf eine ist das Gebet zu unterbrechen (> in: Kitab schizoide Weise in einen reinen Hund, d.h. Hayat al-Hayawan, zitiert in: Menache, 8) - in den Saluki bzw. Slughi/Azawakh, und in eifrigen Gläubigen ist natürlich auch die einen unreinen Hund, d.h. in den Straßen- Farbe des Hundes gleichgültig: Darin kön- und Pariahund, gespalten wird, und wenn nen sie sich mit den Brahmanen Indiens damit unausgesprochen der Mensch in ei- gleichsetzen. Für diese Marginalisierung des nen reinen, d.h. muslimischen Menschen, Hundes ist Allah aber nicht persönlich ver- und in einen unreinen, d.h. ungläubigen antwortlich zu machen, denn es ist schon Menschen gespalten wird, dann dürfte die- vor-islamische Tradition bei den Babylo- se Methode der Selbstdefinition via Apart- niern, dass ein schwarzer Hund ein böses Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 58

58 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Omen war (Salonen, 83). Auch der ans Bein ne vier Stunden täglich, was den Satiriker pissende oder vor die Haustür defäkierende wohl von seiner Arbeit wie von einer positi- Hund bringt schon in Babylonien Unglück, ven Grundeinstellung zum Hund abhielt, das nur mit dem Abbild eines/dieses Hundes aber immerhin hat er daraus keine Religion zu bannen und zu entfernen ist: gemacht. Anders die Hindu-Priester:

The evil of this dog shall not approach the Not only their touch, but even their man and his house, the ritual therefore: sight and sound is sufficient reason for make a dog from clay (in: Salonen, 83). interrupting the study of sacred litera- ture (Afshar, 46). Trotz oder wegen dieser Tradition enthält der Koran keinerlei direkte Anweisung, den Es ist also nicht erforderlich, dass ein Hund Hund als unreines Tier zu betrachten. Dass zwischen Meister und Schüler herumlaufe, alle übrigen „Unreinlichkeiten“ aus der he- sein Bellen aus der Ferne genügt schon, und bräischen Tradition übernommen wurden die ganze Mühe des religiösen Studiums (z.B. aus: Leviticus 11, 27-28), die sie selbst war an diesem Tag umsonst. Schlimmer wiederum aus der babylonischen entlehnt noch: Ein bellender Hund kündigt Unheil hat, ist keine Entschuldigung, zeigt aber im- an; sieht oder berührt gar ein Hund die ge- merhin, dass nicht der Allah zu Beginn des 7. weihte Nahrung eines Brahmanen, so taugt Jahrhunderts der Urheber dieser Diskriminie- sie nur noch für den Müll. Da man rituelle rungen war. Dabei erkannte man in der he- Plätze nicht so problemlos entsorgen kann bräischen Tradition durchaus den alltäglichen wie kontaminierte Nahrungsmittel, gibt es Nutzen bestimmter Hunde(grundrassen), wie ein ausgefeiltes Zeremoniell, prayascitta ge- Stellen in Job (30, 1) und Jesaja (56, 10) bele- nannt, mit dem ein vom Hund entweihter gen. Aber insgesamt schätzte man diese Leis- Ort wieder heilig gemacht werden kann. tungen nur mit Vorbehalt, grundsätzlich be- Tendenziell gleichen sich Hinduismus und gegnete man dem Hund mit Zurückhaltung, Islam in Bezug auf den Hund: Alles, was in man duldete ihn, wo es unumgänglich war islamischer Gesellschaft ein Hund berührt, und ging ihm am liebsten aus dem Weg. Das ist unrein, trinkt ein Hund aus dem Becher sollte der Hund von sich aus auch tun, v.a. im eines Mannes, so ist der Becher siebenmal Islam: Schleicht ein Hund um einen Betenden zu reinigen (Sahih Al-Bukhari, in: Menache, herum, so ist das Gebet ungültig, und ein 8), und auch dann kann man sich noch nicht Hund und erst recht Hunde - und auch Bilder ganz sicher sein: Am besten, man wirft ihn - im Haus hindern Engel daran, in dieses Haus weg. Jeder Gläubige, der einen nutzlosen zu kommen. Das gilt übrigens auch in der und bösartigen Hund hält, vermindert die Hindu-Tradition, die ebenfalls den Hund als Aussicht auf seinen gerechten Lohn im Jen- unrein und den „vieräugigen“ Hund als be- seits, womit der Islam hinsichtlich des Hun- sonders unrein betrachtet - das bahnt sich des sich kaum noch vom rabbinischen Tal- schon an im Rig-Veda , formt sich aus in den mud unterscheidet (> IV, 326). Der Islam ak- Atharvaveda und in den späteren Texten: So zeptiert Hundehaltung eigentlich nur, wenn ist z.B. das Studium der Veden sofort zu un- sie unmittelbar mit einem bezifferbaren terbrechen, wenn sich ein Hund zwischen Nutzen verbunden ist. Die drei großen Guru und Schüler befindet - allerdings gilt monotheistischen Religionen West-Asiens schon der allgemeine Grundsatz, dass nichts und der Hinduismus sind sich also in ihrer und niemand sich zwischen den beiden zu be- zweckrationalen Grundhaltung weitge- wegen hat. Aber der Hund wird als Störquel- hend einig, wenn es um den Hund geht. le des religiösen Studiums ausdrücklich her- Hund ist bei ihnen ein klassisches Schimpf- vorgehoben. Nun beklagte sich auch Tuchols- wort, wie man z.B. bei Ibn Qutayba nachle- ky, ein besserer Hund belle gut und gern sei- sen kann: Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 59

DER ROTE HUND AUS MELUHHA UND EIN EXKURS ZUM ISLAM 59

Hungriger als Hanmals Hündin (~ Han- neigung gegen den Hund allgemein moti- mal war eine Beduinenfrau, die ihre vieren könnte - aber die zoroastrischen Ira- Hündin (ver)-hungern ließ, bis diese ner waren sogar als Hirten den Pariahunden ihre eigene Rute fraß). Oder: gegenüber positiv eingestellt: Für Ordnung sorgten ja ihre Herdenschutz- und Hofhun- Mäste deinen Hund, und er frisst dich. de. Im Bundahishn (~ die Urschöpfung aus zoroastrischer Sicht) werden die Hunde Gieriger als ein Hund nach seinem Kno- schon in einer Weise in Gruppen unterteilt, chen. die wir bei den Touareg im Extrem kennen- lernten: Hier heißt es, dass Lass deinen Hund hungern, dann folgt er dir! all animals were created from the puri- fied semen of the primordial bull. Ten Dem Hund geht´s gut, wenn´s seinen varieties of dog are mentioned, of Besitzern schlecht geht. which only the guard dog, the sheep dog, and the hunting dog can properly Gieriger als ein Hund nach der Scheiße be considered dogs. The dog is said to eines Kleinkinds. have been created to protest man's pos- sessions against wolves; in its opposi- Pisst öfter als ein Hund. tion to evil it cooperates with the cock and is able to repel evil by its mere gaze So einer hält Abstand wie ein Hund. (in: Omidsalar, Encyclopaedia Iranica).

Die Hunde auf die Rinder hetzen. Dem Bundahishn zufolge kann der Pariah- hund kein Hund sein, dennoch bedienen Der Hund liebt den am meisten, der sich die Parsi auch der Pariahunde, um ihre kein Zuhause hat. Rituale angemessen durchführen zu kön- nen (> 176: Abb. 1). Pariahunde nannten die Er ist so unbeliebt wie ein Hund (alle: Araber maruns, ein Wort, das im spanischen Ibn Qutayba, in: Menache, 8). Cimarron weiterlebt und verwilderte Haus- hunde bezeichnet. Es gab genug islamische Hanmals Hündin wirft wohl das grellste Edikte zur Ausrottung der Pariahunde, und Schlaglicht auf eine canophobe Grundhal- der übereifrige Statthalter Tankiz im mittel- tung, die in den anderen Sprüchen etwas alterlichen Syrien ordnete zwischen 1325 gemilderter, aber nicht weniger verach- und 1333 gleich die Auslöschung aller Hun- tungsvoll daherkommt. Gerade an Frau de an, weil ihn ein Hund bei einer Prozes- Hanmal erkennt man tiefenpsychologisch, sion gestört hatte: wie frau sich bemüht, dem männlichen Ideal der Reinheit nahezukommen: Sie handelt in The adduced cause of this policy - that Übereinstimmung mit kollektiven Regeln, Tankiz was troubled by a dog during a spaltet aber projizierend den Hund als Sinn- procession - attests to the lowly status bild der Lebensfreude von sich ab. of dogs in medieval Moslem society and their susceptibility to abuse, Der Gerechtigkeit halber sollte ich aber auch erwähnen, dass nicht nur der Aber- wie Sophia Menache (8) kommentiert. Die glaube den Muslim gegen den Hund ein- Reaktionen der Bevölkerung waren damals nimmt. Pariahunde stellten in den Dörfern immerhin gemischt: Sie reichten von Mit- und Städten vielleicht ein Sicherheits- und leid über Gleichgültigkeit bis zur Raserei Gesundheitsrisiko dar, womit man die Ab- gegen die wehrlosen Hunde: Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 60

60 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

The readiness to carry out such massa- und dem Auftritt des neuen Königskandi- cres was unquestionably connected daten als hundserkerhaft kämpfender Held with the diabolic image of dogs and, no umrissen werden kann: Der in Pseudo-Toll- less important, the danger of rabies, wut kämpfende, also hündisch konnotierte Bewerber konnte nur „geheilt“ werden wie Sophia Menache (9) meint, und die isla- durch den Tod des alten Jahreskönigs. Das mischen Schriftgelehrten nahmen die Toll- könnte ungefähr die vor-islamische Grund- wutgefahr zum Anlass, sich als Exorzisten lage des königsmordenden Exorzismus isla- und Königsmörder zu profilieren: mischer Schriftgelehrter gewesen sein.

A person smitten with rabies, “kalab” Die Aversion dieser Koran-Kenner ist nur (~ Hundekrankheit!), was considered mit einer einzigen Stelle im Koran zu legiti- possessed by “djunun” (madness) and mieren - die 7. Sure liefert mit der 18. Sure treated by exorcism rather than the- die einzigen Verse im Koran, in denen der rapy. Drinking the blood of a king was Hund explizit erwähnt wird: held to be the supreme remedy against rabies, as it was against insanity and Und verlies ihnen die Geschichte von possession, a linkage that indicated, dem, dem wir unsere Zeichen gaben, again, the devilish nature of dogs and und der sich dann ihrer entledigte! Da of the disease they transmitted. nahm ihn der Satan in seine Gefolg- schaft (oder: Da war der Satan hinter Gegen Tollwut hilft also einfach, schnell das ihm her (und holte ihn ein)?). Und so Blut eines Königs zu trinken, und Leib und war er einer von denen, die abgeirrt Seele werden wieder gesund; nur wenn sind. Wenn wir gewollt hätten, hätten kein König zur Hand ist, sieht es schlecht aus wir ihn durch sie (d.h. durch unsere Zei- für den Gebissenen, aber auch für die noch chen) emporgehoben. Aber er war der nicht, aber demnächst Gebissenen: Ibn Erde zugewandt und folgte seinen (per- Qutayba meint nämlich in seiner englisch- sönlichen) Neigungen. Er ist einem sprachigen Version, Hund zu vergleichen. Der hängt die Zunge heraus, du magst auf ihn losge- if a dog bites a human being, it happens hen oder ihn (in Ruhe) lassen. So ist es that it changes him into a ´barker´ like bei den Leuten, die unsere Zeichen für itself, renders him pregnant (auch Lüge erklären. (Aber) berichte nun, was Männer?), and impregnates him with es zu berichten gibt! Vielleicht werden little whelps that you see as coagulated sie (wenn sie es hören, doch) nachden- blood in the shape of dogs (in: ken (in: Der Koran, 7, 175-6 bzw. 174-5). Menache, 9). Die Steigerung des Ungläubigen ist der Die nächste Stufe: Der Biss eines Hundes Gläubige, der wieder ungläubig wird: Das macht den Gebissenen zum Wer-Hund (~ ist der Ausgangspunkt des Vergleichs, in Wer-„Wolf“; > 413-4 & > VI), der zu allem dem der Hund, genauer: Die Zunge des Überfluss auch noch die Plage vermehrt. Hundes zum Bildspender wird. Die Proble- Dieses Bild-Konglomerat vom Hundebiss, matik von freiem Willen in einer Unterwer- vom tollwütigen Patienten und vom König fungsreligion muss uns hier nicht länger als Heilmittel erster Wahl indiziert einen aufhalten - das kynosophisch Relevante ist nicht mehr bewussten, längst vergangenen die Tatsache, dass alle Körpersekrete als un- zeremoniellen Zusammenhang, der mit rein gelten, also auch der Speichel, der von dem Aufgang des Sirius als Beginn des Neu- der Zunge des Hundes tropft. Die Gleichset- en Jahres, dem Tod des alten Jahreskönigs zung von Renegat und Hund via Vergleich Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 61

DER ROTE HUND AUS MELUHHA UND EIN EXKURS ZUM ISLAM 61

ist sicher eine mögliche Quelle der Hunde- erflehen, wenn ein Hund bellt - auch hier aversion im Islam. Zum Glück nahm man fehlt jeder bissige Kommentar gegen den diesen Vergleich nicht immer als primäre Hund, woraus man folgern könnte, dass der Abwertung des Hundes wahr, denn es gab Hund durch sein Bellen allererst auf die auch gemäßigtere Stimmen im mittelalter- Nähe des Satans aufmerksam macht - analog lichen Islam: Al-Djahiz zum Hund, der als Geisterseher den sibi- rischen Schamanen behilflich ist (> I, 88-100) affirms, that, in principle, no dog will - und der durch sein Bellen das Zeichen zum attack a person who has not previously Gebet gibt: Ohne des Hundes Vorwarnung harmed it (Menache, 9), befände sich der Muslim in großer Gefahr. Daraus könnte man schließen, dass der sich und man wünschte sich als Kynosoph noch formierende Islam noch keine Aversion ge- bis Ende 2005 die baldige Wiederauferste- gen Hunde gebot. Doch das wäre etwas vor- hung dieses arabischen Schriftgelehrten als eilig, denn der Prophet befahl - so erzählt nordrhein-westfälische Umweltministerin. ein anderes hadith -, alle Hunde in Medina Al-Djahiz kennt seine Pappenheimer vom zu töten - immerhin nur in Medina, nicht auf Nahen Osten bis zum Norden Nordrhein- der ganzen Welt. Das wäre theologisch aber Westfalens und zitiert genüsslich den Fall ei- kaum nachvollziehbar, hat Allah doch nichts nes Jungen, der von einem Hund gebissen erschaffen, in dem nicht wenigstens ein wurde und trotzdem nicht bellte oder stän- Körnchen von seiner Weisheit aufgehoben dig Wasser trank oder im Gegenteil wasser- wäre, und so präzisieren islamische Theolo- scheu wurde - das alles sind angebliche Sym- gen, dass nicht alle Hunde, sondern nur die ptome der Tollwut - aber: Since his (des schwarzen Hunde vom Propheten gemeint Jungen) urine was completely normal, he waren. Immerhin ist es schon hebräische Tra- was pronounced completely healthy (in: dition, im schwarzen Hund den Repräsen- Menache, 9). Trotz dieser gemäßigten, ge- tanten des Teufels zu erkennen. radezu vernünftigen Position überwogen naturgemäß die schrillen Töne, aber mit In einer anderen Variante des Hunde-hadith dem Infektionsrisiko durch tollwütige Hun- wird von einer Frau erzählt, die ihren Hund de allein kann man nicht die tiefgründige tötete, um dem Medina-Edikt des Propheten islamische Aversion erklären, denn Tollwut gehorsam zu folgen, aber der Prophet habe gab es nicht erst im Islam, auch im Mesopo- sie korrigiert, indem er ihr erläuterte, das tamien vor der Zeitenwende war man die- Gebot beziehe sich nur auf schwarze Hunde, sem Risiko ausgesetzt und ging gleichwohl und besonders auf schwarze Hunde mit zwei ganz anders damit um als die islamischen Flecken über den Augen, und dass, wer ei- Hysteriker, die sich dabei noch nicht einmal nem durstigen Hund Wasser gebe, im Him- auf Allah und den Koran berufen können: mel dafür belohnt werde. Und vom Prophe- ten Mohammed wird auch berichtet, daß er einer Prostituierten, die einen Hund freund- Allah, Mohammed und die lich behandelt habe, das Paradies versprach schwarzen Hunde von Medina - obwohl Hurerei im Koran eine schlimme Sünde genannt wird. Andererseits bestand In einem Hadith wird u.a. erzählt der Prophet auch auf der Tötung des von einem Hund, der in der Moschee her- schwarzen Hundes einer Witwe, die klagend umläuft, ohne dass auf seine angebliche Un- zu bedenken gab, dieser Hund allein sei ihr reinheit hingewiesen und eine rituelle Rei- zur Gesellschaft verblieben - anrüchig muss nigung des heiligen Ortes gefordert würde es gewesen sein, wenn eine Frau allein mit (Afshar, 49). In einem anderen hadith em- einem schwarzen Hund zusammenlebte - pfiehlt man, Allahs Hilfe gegen den Satan zu das muss wohl ein Rüde gewesen sein; je- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 62

62 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

denfalls entsprach die Witwe in ihrem Ver- Max Henning übersetzt insgesamt etwas halten nicht den kollektiven Regeln, und als „arabischer“ als Rudi Paret, und in seiner Ver- Frau durfte sie sich ohnehin nicht über Ge- sion lautet der 4. bzw. 6. Vers der 5. Sure so: bühr individuieren, schon gar nicht durch den Besitz eines Hundes. Insgesamt aber Erlaubt sind euch die guten Dinge und kann man die Hunde-Aversion im Islam nur (die Beute) wilder, wie Hunde abge- auf sekundäre Quellen, nicht in eindeutiger richteter Tiere, indem ihr sie lehrt, wie Weise auf den Koran selber zurückführen, Allah euch belehrt hat. lässt man den Vergleich aus der 7. Sure außer Acht: Und in der 18. Sure (> 288-305) erfährt Der Mensch kann den Tieren nur lehren, der Hund sogar eine ungeahnte Aufwer- was Allah zunächst ihm eingegeben hat; tung - dieser Hund ist der einzige seiner Gat- dass Henning grundsätzlich nur von wilden tung, der als Tier (!) sogar Eingang ins Para- Tieren als Jagdgehilfen ausgeht, dürfte ein dies gefunden hat. Allerdings ist dieser erste Missverständnis oder eine falsche Vokalisie- Teil der 18. Sure kein originär islamischer rung des Originals sein: Hier ist eindeutig Text, da eine Variante des Musters schon gut aus der Sachlage heraus Paret zu folgen. 1.000 Jahre früher in Indien belegt ist. Aber dass die wilden Tiere (Falken oder Ge- parde z.B. als Jagdgehilfen) wie Hunde ab- gerichtet sein müssen, ist ansatzweise als Allah und der Hund als Jagdhund positive Wertung des Hundes zu verbuchen, denn nur dann gilt das Wildbret als rituell Der Koran und in seiner Nachfolge reine Speise. Da aber andererseits die islamische Juristen regeln die Frage nach grundsätzlich erlaubten Tiere nur verzehrt der rituellen Reinheit von Wildbret, das von werden dürfen, wenn sie auf die richtige einem Jagdhund erbeutet worden war, aus- Weise (~ Schächtung, da Blut unrein ist) vom drücklich so, dass die Verwendung von Hun- Menschen rituell getötet wurden, ergibt den zur Jagd dann erlaubt ist, wenn über sich das Problem, dass der Hund i.d.R. keine den Hund vor Beginn der Jagd die Basmal- rituell korrekte Schächtung am Wild durch- lah gesprochen wurde (~ d.h. dass der Hund führen kann. Und obwohl der Hund das in Allahs Namen auf die Jagd geschickt wur- Wild zuvor real, aber nicht rituell korrekt de) - die auf die Jagd und folglich den Hund getötet haben kann, darf Fleisch dennoch angewiesenen Beduinen fragen in der 5. Su- verzehrt werden - Voraussetzung ist aller- re den Propheten, was zu essen erlaubt sei, dings neben der Basmallah auch, dass der und seine vom Erzengel Gabriel soufflierte Hund das Beutetier zwar berührt und sogar Antwort lautet: schon an seinem Blut geleckt haben darf, dass er aber nicht damit begonnen haben Erlaubt sind euch die guten Dinge. Und darf, von ihm zu fressen, denn dann gilt die wenn ihr fleischfressenden Tieren (~ Jagdbeute als rituell unrein: Hunde u.a.) durch Abrichten (etwas) von dem beigebracht habt, was Gott Dann müsse man davon ausgehen, dass euch (Menschen) gelehrt hat (so dass der Hund das Tier für sich selbst erlegt sie keine eigentlichen Raubtiere mehr habe (Koury u.a., 2, 415). sind), dann esst (unbedenklich) von dem, was sie für euch (an Wild) zu Das ist bemerkenswert, da Aas - und das ist fassen bekommen (wörtlich: fest- eigentlich jedes nicht vom Menschen selbst gehalten haben), und sprecht (ehe ihr getötete Tier -, tabuisiert ist (eine aus der es esst) den Namen Gottes darüber aus! Hebräischen Bibel übernommene Vor- Und fürchtet Gott! Gott ist schnell im schrift). Dieses Tabu motiviert vielleicht die Abrechnen (in: Koran, 5, 4; nach Paret). züchterische Selektion von Jagdhunden, die Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 63

DER ROTE HUND AUS MELUHHA UND EIN EXKURS ZUM ISLAM 63

das Wild nur stellen, aber nicht selber töten. genwart erfahren wird, Teile ihrer Jagdbeu- Das wird z.B. von den Azawakh der Tuareg te der Göttin al-Lat in ihrer Funktion als berichtet. Der Verzehr von Beutetieren ist „Herrin der Tiere“ zu opfern: aber verboten, wenn an der Jagd und v.a. an der Tötung des Wilds sich ein (fremder) The “Sirah” (in: The Life of Muham- Hund beteiligt hat, über den zu Beginn mad) tells us that, “it was not long be- nicht die Basmallah gesagt wurde. Zwar fore Hamzah b. cAbd al-Muttalib ap- sollte der verwendete Jagdhund gut ausge- proached with his bow slung over his bildet sein, aber auch ein nicht voll ausge- shoulder, returning from a hunt (qanas) bildeter Hund darf das Wild töten. Fazit: Im- of his, for he was keen on game (sahib plizit, mit Henning sogar explizit, wird der qanas) which he used to shoot, and Hund in der 5. Sure erwähnt, wo der Ver- which would come out to him (or - to zehr von Aas, Schwein und erdrosselten which he would go out (Serjeant, 4-6) oder im Affekt erschlagenen Tieren verbo- ten und der Verzehr von Wild, das mit Hund Man vergleiche dieses und die übrigen und/oder Falke erjagt und getötet wurde, paläomentalen Kennzeichen mit dem eura- erlaubt wird unter der Voraussetzung, dass sischen Entschuldigungsritual der Jäger, Allahs Name über dem Wildbret dankbar demzufolge das Wild u.a. sich von selbst angerufen werde - das aber ist als Basmal- dem Jäger anbieten und mit seiner Tötung lah schon allgemeine Vorschrift, wird hier (als Erlösung?) einverstanden sein müsse. also nur in Erinnerung gerufen. Ein Jagd- verbot mit Hund und Falke wäre in Arabien When he (~ der o.g. muslimische Ham- wohl auch kaum realisierbar gewesen, dann zah) returned from his hunt he never hätte es der Islam gar nicht erst so weit ge- joined his family (Serjeant, 4-6). bracht, sondern wäre schon in Arabien in seinen Anfängen steckengeblieben: Selbst wenn Frauen an der Jagd teilnahmen, so z.B. an der zeremoniellen Giraffenjagd in Der Islam und die vor-islamische Kordofan/Sudan, war Sex sogar zwischen Hundebegeisterung - dargestellt Ehepartnern zu vermeiden (Hervorhebung an Beispielen aus dem Süden der durch sogar bei Serjeant, 82-3: even bet- Arabischen Halbinsel ween husband and wife); man vergleiche mit dieser südarabischen Vorschrift das In seiner Studie zur South Arabian paläomentale Sex-Tabu vor und nach der Hunt führt R. B. Serjeant den Nachweis der Jagd in Eurasien und Amerika ganz allge- Zeremonialjagd bis ins Zentrum des früh- mein. Hamzah b. cAbd al-Muttalib also kehr- islamischen Mekka, das als Handelszentrum te bei seiner Familie, und das heißt auch natürlich neben den einheimischen Gott- und besonders: bei seiner Frau erst dann heiten auch ein synkretistisches Pantheon ein, wenn anbieten musste, auf dass sich jeder Kunde wohlfühle - aber die Klientel Mekkas war he had performed the circumambula- wohl in der Seele immer noch Jäger geblie- tion of the Ka´abah ... The salient fact ben, und so dürften auch die nicht-mekka- here is that the returning hunter circu- nischen Händler sich in folgendem Brauch mambulates the Ka´abah which has em- wiedererkannt haben: Bevor die mekka- bodied in its wall a sacred stone (> III, 61- nischen Jäger zu ihren Familien zurückkeh- 70: KUR-Symbolik) ... Whatever expla– ren durften, hatten sie am Stein der Ka´aba nation may be given for Hamzah´s ac- (~ Kubus), d.h. am Nabel(stein) der Mutter- tion, I cannot dissociate it from hunting göttin, an dem eine besondere Gottesge- ritual, and it might indicate that there Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 64

64 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Bronzelampe aus Matara (Eritrea), sie wurde typgleich “also found in Yemen, in the form of a hunting dog seizing a male ibex.The curved horns are broken off, but the beard shows clearly.The lamp is housed in Addis Abeba University Museum”. Der Hund stellt den Steinbock - er gilt wegen seines Barts als verehrungswürdiger alter Mann -, tötet ihn aber nicht; der Biss in die Hoden immobilisiert den Steinbock, lässt aber wohl einige Tropfen Blut zur Erde fallen: Ho- den und Blutstropfen konnotieren und garantieren die Fruchtbarkeit der Erde - man vergleiche diese Tropfen mit dem zentralen Bild der Mithras-Mythologie (> 261).Der Steinbock war das bevorzugte Zeremonialjagdobjekt (> I, 58: Abb. 12; > II, 287: Abb. 19 & 120; 326: Abb. 27; 330-1; III, 91: Abb. 1; 319; > IV,> 201-7),während weibliche Tiere möglichst nicht gejagt wurden, was nicht nur ein Vorbehalt der Saiyiden-Sekte gegen die Jagd allgemein war,“especially in the case of killing females big with young”, sondern im Interesse der Jäger selbst lag - was sie nicht an Exzessen hinderte, wie eine Inschrift im Wadi cIrma berichtet: “a Hunt of ´Ahrar´ (tribesmen?) with 200 dogs actually managed to kill 600 ibexes” - ein Exzess, der wiederum von der Saiyiden-Sekte aufs Schärfste verurteilt wurde. Die Jagd auf den Steinbock sollte den Regen und somit die Fruchtbarkeit bringen: “If we did not hunt the rain would not come to us, and there would be drought in the country - scarcity (?) in grain. If they do hunt, then four days (or so?) after the hunt, rain will come ...They will see that well-being has come from Allah when we hunted”. Zitate & Bild in: Serjeant, 22-3, 36 & Tafel 1. Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 65

DER ROTE HUND AUS MELUHHA UND EIN EXKURS ZUM ISLAM 65

was something closely approaching a cInat is famous for its own breed of ritual hunt in Mecca itself ... to show that hunting dog. The people of cInat feed pagan life which Muslims like Hamzah these dogs well, and they eat dates, lived before, and even after their con- bread, meat, etc., which is astonishing version ... as the text stands, Hamzah when one knows how little food forms went straight to the Ka´abah , so he must the staple diet of the people there. have taken his trophies of the chase with They wash their dogs and look after him, the gazelle, or ibex, or whatever it them properly because the dogs are was he had won (und hatte er nicht auch good hunters and of great assistance noch seine Hunde dabei?). May it not to them. According to my shaikh they fairly be deduced that he went to thank were not distinguished from the usual the protector of the game within the Ha- “pie-dog” of the country, and were ram for these trophies which he had slain not for instance of the type known as outside it, and perhaps by analogy with Saluqi, but in 1953 the Mansab of cInat the Hunt in south Arabia, maybe even to informed me that the dogs are of Qit- offer the portion of meat due to the mir/Qatmir stock (vgl. zu Qitmir als shrine and its attendants? ... In Mecca, Hundename > 288, 291 & 303) and one any person leaving the town would or- other kind; dogs, he said, were still dinarily, as he returned, visit the bred there, but they are now few. The Ka´abah, rather perhaps as Hadramis, re- dog which has fastened its jaws on the turning to Tarim, would visit the ceme- hind leg of the ibex on the pre-Islamic teries and their ancestors there before lamp (Plate No. 1; > 64) is probably ty- going to their own houses ... dies ist sup- pical. When they are setting off on the ported by an account in al-Waqidi of the hunt from cInat the huntsmen cry out, return of cUrwah b. Mascud to al-Tacif, “Wa-´l-jahir”, which is said to “mean “And his tribe forbade/disapproved his al-bidar ila ´l-quanasah”, hastening to entering his house before he should go the hunt. In former times they used al- to al-Rabbah” (the Lady - i.e. the goddess so to call out in the same way at Tarim al-Lat) (Serjeant, 4-6). when they moved off, but of course as we have seen, these ancient customs Der Stein in der Ka´aba zu Mekka ist analogi- have been suppressed there. On coming siert mit den Ahnen in Tarim (Wadi Hadra- to the hunting area a man of cInat will maut) und beide sind analogisiert mit der Göt- say to his dog, “Istikbir, pick out a big tin al-Lat, deren Stelle jemand usurpiert, der one”, and along come the dogs wag- berechnender Weise Al-Lah heißt. Serjeants ging their tails. These dogs attack the Augenmerk ist leider nicht kynosophisch ge- game, and, seizing hold of it by the te- schärft, obwohl es ihm doch gerade darum sticles so that the animal cannot move, geht, vor-islamische Traditionen im Islam they cling to them until the hunter arri- nachzuweisen; dennoch berichtet er in seinem ves. While still on the hunt in the moun- Überblick über die regionalen Besonderhei- tain, a man will call his dog, tie to its ten der Zeremonialjagd in einem Kapitel über neck a letter describing the hunt and The Hunt at cInat auch über die Verwendung number of animals taken, and tell it to der Hunde bei der Zeremonialjagd, weil gera- return home. The dog goes off and de cInat im Wadi Hadramaut berühmt gewe- stops before its master´s house; there sen sei für seine lokale Jagdhundrasse, die the note is untied and read. When they nicht identisch ist mit dem Saluki, womit die see a dog arrive in this way people Theorie, der Saluki stamme aus der süd- know that there is good news from the yemenitischen Stadt Saluk (> 8: Karte), einen hunt. The dog too gets his share herben Rückschlag hinnehmen muss: (“rani”) of the meat (Serjeant, 32-3). Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 66

66 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Es wird deutlich, dass der Hund weitaus kultischen Sinn zu „reinigen“ sei für den mehr ist als nur ein Gehilfe: Ohne ihn wäre Verzehr. Zu dieser feinsinnigen Unterschei- das Wild kaum zu stellen, höchstens über dung zwischen Über-Hund oder Super-Dog aufwändige Treibjagden mit Netzen, wie sie (~ Jagd- bzw. Windhund) und Unter-Hund auch üblich sind (> Serjeant, Tafel 2), aber oder Under-Dog (~ alle übrigen Hunde- auch bei der Treibjagd könnte der Hund be- (rassen). ausgenommen in einem allerdings hilflich sein. Der Hund ist nicht nur Voraus- nur schwachen Ausmaß die Herden- und setzung für den Jagderfolg, er ist auch der Wachhunde) gehört natürlich auch die dis- Verkünder des Erfolgs, indem er als Brief- kriminierende Vorschrift eines anderen Ha- taube ins Dorf zurückgeschickt wird und diths, in dem der Einsatz von Jagdhunden frohe Kunde gibt von der Bereicherung des und Falken verboten ist, wenn sie Persern (~ kargen Speisezettels - in vor-islamischer Zeit noch immer nicht zum Islam Konvertierten) galt die Kunde noch viel mehr, da im Kon- gehören - der Verfasser dieses feinsinnigen text der Zeremonialjagd der ersehnte Re- Hadiths, der Theologe Ibn Majja (der nach gen mit dem Jagderfolg verknüpft war: Der islamischer Zeitrechnung von 209 bis 273 Hund war Regenbringer wie Bote des Er- lebte), ist persischer Abstammung ... Schon folgs. Daher ist noch jetzt der Hund ebenso 1901 hat der Islam-Experte Ignaz Goldziher Jäger wie der Jäger selbst: Eine in Leiden vermutet, dass die Hunde-Aversion im Islam aufbewahrte Handschrift bringt es an den nicht vom Islam selbst ausgegangen, son- Tag, wie Serjeant zu entnehmen ist, der sich dern von konvertierten Persern in den Islam auf den kynosophisch höchst verdächtigen hineingetragen worden sei. Diese Aversion Begriff qanisan (von qanas ~ Jagd; etymo- logisch ähnlich wie der lateinische canis mit should be understood as a reaction to der globalen Wurzel *KUAN (~ Hund) zu the exaggerated reverence accorded to verbinden?) in dieser Handschrift bezieht the animal in Zoroastrianism (> 139-51). und ihn als Metonymie des Jägers für den In other words by reversing an ancient Hund erkennt: custom among the Persians, it served in its own right to undermine the van- The “qanisan”, or “two hunters”, here, quished peoples and helped introduce are hunting dogs (Serjeant, 91, FN 60). change (Afshar, 49).

Hund und Jäger werden gleichgesetzt: Es Und je persischer der Urheber der Über- verwundert daher nicht, wenn vor-isla- reaktion gegen den Hund, um so effektiver mische arabische Dichter den Hund, und das die Islamisierung der unterworfenen Völ- ist hier natürlich fast nur der Jagdhund, in ker. Aber nicht nur der Übereifer persischer den höchsten Tönen preisen. Bei dieser po- Proselyten dürfte die Hunde-Aversion in- sitiven Grundeinstellung, die ja auch, wie tensiviert haben: Auch die im Islam kon- wir bereits sehen konnten (> IV), auf der servierte hebräische Tradition, Hund und vor-neolithischen totemistischen Identifika- Schwein als die unreinsten Tiere zu konzi- tion mit dem Hund basiert, hätte eine neue, pieren, dürfte eine Vorbedingung der heu- von Beginn an hundefeindliche Religion bei tigen Aversion gewesen sein, die zu Beginn dieser Klientel keine Chance gehabt. Nur nur schwarze und „vieräugige“ Hunde be- die Differenzierung in Hunde und Nicht- traf. Und wir wissen schon, warum die Gläu- Hunde öffnete die Tür zur Diskrimination: bigen in Medina nur schwarze Hunde und So führt die allgemeine Hunde-Aversion von diesen besonders die „vieräugigen“ und die spezielle Jagdhund-Verehrung zu Hunde töten sollen (> 152-72). Noch ein Mo- sehr detaillierten religiös motivierten Vor- tiv - wahrscheinlich das wichtigste - ist zu er- schriften, wie denn z.B. das erlegte Wild wähnen für die frühislamische Aversion ge- vom Hund zu apportieren und wie es im gen den schwarz-lohfarbenen, d.h. „vieräu- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 67

DER ROTE HUND AUS MELUHHA UND EIN EXKURS ZUM ISLAM 67

gigen“ Hund - es lässt sich nicht in Arabien der Verzehr mollig gemästeter Welpen als selbst dingfest machen, aber es hat eine eu- Delikatesse betrachtet, dem Genuss von rasische Tradition, die vor Arabien kaum Taubenfleisch gleichgesetzt wurde (im Ki- Halt gemacht haben dürfte und es ist be- tab Hayat al-Hayawan, in: Menache, 9), sonders aufschlussreich - deshalb begehe ich ließe kynosophisch bewanderte Leser für jetzt eine Konjektur, indem ich einen Orts- die arabische Halbinsel eine hundemytho- wechsel vorschlage: Sternberg erfuhr von logisch geprägte Vergangenheit vermuten, den ostasiatischen Golden, dass ihre Scha- wenn sie nicht schon längst wüssten, wie in- manen neben mehreren Hilfsgeistern, die tensiv die hundemythologische Prägung des sie sich erwählen, einen weiblichen Schutz- noch nicht islamisierten Bewusstseins in geist haben, der sich seinen Schamanen er- Arabien war (> IV, > 417-42). Mehr noch: Al- wählt, und beide haben zueinander sexuell- Quazwini empfiehlt den Konsum von Hun- emotionale Beziehungen (in: Eliade, 81). defleisch nicht nur als Delikatesse, was ja Manche Schamanen der Golden sagen, sie nur noch ein oberflächliches Relikt einer hätten die Vision gehabt einer Frau mit halb einstmals rituellen Speise wäre - er rät zum schwarzem, halb rotem Gesicht: Dieser Verzehr von Hundefleisch zur Therapie von Schutzgeist repräsentiert mit diesen Farben Augenkrankheiten, Tuberkulose und Epi- die Einheit aller komplementären Ge- lepsie. Und immer noch mehr tritt zu Tage, gensätze, aus denen die paläomentale Welt wenn auch spät, sehr spät in diesem sich besteht (> I, 78-82). Wenn die Schamanen dem Ende zuneigenden Exkurs über den ar- vorzugsweise schwarz-lohfarbene Hunde men Hund im Islam: Nuzhatu-l-Qulub (in: halten, da diese besonders gut die Geister Menache, 9) weiß, dass man gegen alles, und Dämonen sehen können, dann reprä- was beißt, gefeit ist, wenn man die Zunge sentiert der Hund mit seinem schwarz und eines schwarzen Hundes in seinem Stiefel rot gefärbten Gesicht den weiblichen als Einlage deponiert: Eines schwarzen Hun- Schutzgeist des Schamanen: Er ist dann be- des! Dabei hat der Prophet doch angeblich deutend mehr als nur einer von mehreren gerade schwarze Hund zum Abschuss frei- Hilfsgeistern. Die Karriere des „vieräugigen gegeben. Wir Kynosophen wissen, dass der Hundes“ weltweit ist also wieder ein Indiz schwarze wie der rote Hund eine Erschei- für seine Nähe zur Großen Göttin, denn die- nungsform der Großen Göttin war, die se hat die Ahnen des Kandidaten das Scha- furchtbar und fruchtbar zugleich sein konn- manisieren gelehrt - die Göttin als Kultur- te: Hier greift die Große Göttin, kaschiert als bringerin. Und genau diese Erinnerung gilt schwarze Hündin, positiv ein in die Ge- es auch im frühislamischen Arabien zu til- schicke der Menschen, trotz der Größe Al- gen, indem alle schwarzen und besonders lahs. Und noch ein Heilmittel ist auch den alle schwarz-lohfarbenen Hunde getötet Muslimen nicht unbekannt: Man lege Hun- werden. Auch dass ein Jahr vor dem Tod dekot als Therapeutikum auf die Zunge ei- ´Abd al-Maliks (im Jahr 705) alle Schweine nes an Angina oder Diphterie Erkrankten - getötet wurden, hält Küng (263) keines- die Kostenexplosion im Gesundheitswesen wegs nur für ein Gerücht - man denke an die muss sich damals noch sehr in Grenzen ge- ägyptische Göttin Isis, die auf einem halten haben, nur da, wo man den Hund Schwein, in Rom auf einem Hund reitet. ausrottet, wird selbst diese Medizin uner- Schwein wie Hund sind für den frühen Islam schwinglich. Doch kommen wir nach diesem offensichtlich matriarchal konnotierte Hau- zum Schluss eher unerquicklichen Ausflug stiere und deshalb unrein. Es versteht sich in die Welt des Aberglaubens, pardon: der daher, und da ist der Westler naiver Weise Hochreligionen zunächst wieder kurz ganz zufrieden mit dem Islam, dass der Kon- zurück zu den Bewohnern Maris und da- sum von Hundefleisch im Islam radikal ver- nach gleich zum roten Hund von Meluhha. boten war, aber die Tatsache, dass dennoch Die Bewohner von Mari gehörten zur Zeit Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 68

68 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Wären diese Hunde so kriegsentscheidend, wie manche meinen, dann hätte Herodot sie doch nicht mit den Weibern und Ver- schnittenen und Zugtieren, sondern mit den Kriegern zusammen erwähnt. Aber auch die Völker östlich des Kaspischen Meeres, be- Vasenmalerei (schwarz auf rot) aus dem Friedhof H in sonders die östlichsten Iraner in Hyrkanien Harappa aus dem -3. Jahrtausend: Ein Mann hält eine (~ Wolfsland; > 122: Karte), setzten Kampf- Kuh, dahinter ein Hund mit Stehohren und langer hunde im Krieg ein, so wird jedenfalls über- Rute; im Original hält der Mann an der anderen Hand liefert (zu der Identität dieser „Kampfhun- eine weitere Kuh, zu sehen sind dort auch Motive wie de“ später mehr: > 420 & > VI). Sollten die- Pfau, Büffel, Sterne und Blätter; die Gruppe scheint se Hunde alle aus Indien stammen? Immer- auf einer der Schlange nachempfundenen Linie zu hin war das iranische Plateau damals mit stehen. In: Leach, 73. dem Raum um das Kaspische Meer kulturell ebenso eng vernetzt wie mit dem Norden Indiens. Und diese „Kampfhunde“ sind der Hammurabi-Dynastie zu den mit Alt- auch in der iranischen Achämeniden-Dynas- Israel befreundeten Nomadenstämmen, tie (-550 bis -250) bezeugt. Mesopota- und Beltz (59) nimmt an, dass sie eine den mische Molosser wiederum sind abgebildet Kalebitern vergleichbare Sozialstruktur hat- auf Reliefplatten, Tontafeln usw., mit be- ten. Sprachliche Kennzeichen haben zu der eindruckendem Fang, immer mit einem Überlegung geführt, dass die Menschen von breiten Halsband und von einem Hunde- Mari und die Kalebiter gemeinsame Ahnen führer an der Leine gehalten oder auf der hatten, die man als Proto-Aramäer bezeich- Jagd oder im Kampf dargestellt, wie wir so- net hat. Kynosophisch ist daher die Annah- eben und im 4. Band sahen. me zulässig, dass die hohe Wertschätzung des Hundes schon den Proto-Aramäern un- Die „Molosser“ aus Harappa werden auf terstellt werden kann. Tontafeln oder Bronzetafeln dargestellt (> links oben) und haben manchmal sogar ro- te Flecken im Fell - sind sie die realen roten Der Rote Hund von Meluhha Hunde von Meluhha? Es ist natürlich nicht - ein Kampf- oder ein Jagdhund? möglich oder gar sinnvoll, für alle meso- potamischen Molosser eine indische Her- Der Perserkönig Xerxes setzte zahlreiche kunft zu behaupten, trotz der Ähnlichkeit. „indische Kampfhunde“ in seiner Armee ein So meinen andere Autoren sogar, es handle - das glauben jedenfalls heutige Molosser- sich eher um eine Art Bracke und die in- fans immer noch gern, und wenn, dann viel- dischen Bracken seien bekannt gewesen für leicht, um die Pferde der gegnerischen Ka- ihre Kraft, Wendigkeit und ihren Mut: Laut vallerie zu erschrecken, bei den Römern Strabo (XV, 1, 31 und 37) griffen sie sogar wurden sie vielleicht gegen die Elefanten Löwen und Elefanten an. Xenophon emp- der Karthager eingesetzt (> McLoughlin, fiehlt die indischen Hunde zur Jagd, und So- Abb. S. 111). Aber wir sollten die Quelle ge- phites schenkte Alexander angeblich 150 nauer betrachten - Herodot zählt nämlich solcher Hunde. Angesichts dieser Wider- zuerst die gesamte Streitmacht des Xerxes sprüche scheint es unmöglich, dass all diese in allen Details auf und fügt dann hinzu: Berichte von demselben Hund oder gar der- selben „Rasse“ sprechen. Was sollen Weiber und Verschnittene, Zugtiere Bracken mit Molossern zu tun haben? Diese und Hunde habe ich dabei gar nicht schweren Hunde sind mit Sicherheit keine mitgerechnet (Herodot, 7, 187). Laufhunde, wie das öfter angenommen Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 69

DER ROTE HUND AUS MELUHHA UND EIN EXKURS ZUM ISLAM 69

wurde. Und der persische „Kampfhund“ Belutschistan - von dort kommen die Grün- dürfte sich zur Jagd nur bedingt oder viel- der der Indus-Kultur. Aus Marhashi ließ sich leicht nur im Verein mit anders spezialisier- Mesopotamien außer roten Hunden auch ten Jagdhunden geeignet haben, die das Knoblauch und Lapis-Lazuli liefern (Kohl, Wild hetzen und stellen, während er dazu- 264) - vermutlich wurden alle drei auch kommt und es nur festhalten muss - anders apotropäisch eingesetzt. Für Lapis-Lazuli, liegt der Fall, wenn in Zeremonial-Arenen der nur im westlichen Hindukusch und im das Laufpensum dieser Hunde deutlich re- Norden Afghanistans vorkommt (Huot, duziert ist. Haben wir es also mit Hunden zu 141), war Marhashi nur Zwischenhändler, tun, die zu einem Gebrauchstyp konvergie- von wo er bis nach Ägypten geliefert wur- ren, aber nicht einer bestimmten Rasse an- de. Und Marhashi war Umschlagplatz of- gehören? Dann könnte man Bracken und fensichtlich auch für die Hunde, denn die Molosser unter einen Hut bringen. Betrach- kamen ja den Quellen zufolge aus „Indien“ ten wir das Problem aus anderer Perspek- (was ja in der Antike ein dehnbarer Begriff tive: Archäologen haben, wenn auch nicht war, wie man bei Herodot sehen kann). Der sehr kynologisch, eine Ähnlichkeit molos- Hund ist also Objekt des damaligen „Welt- serhafter Hundereste aus der indischen handels“, der von Mesopotamien bis an den Fundstätte Mohenjo-Daro (> 74: Karte N° Indus reicht. Folglich darf man sich das ira- 7), am rechten Indus-Ufer gelegen, 50 km nische Hochplateau als Drehscheibe der Kul- westlich von Kot Diji, mit dem Hund aus der tur vorstellen: An seinem westlichen Rand zentralasiatischen Anau-Kultur festgestellt mit Euphrat und Tigris entsteht ein kultu- (Kohl, 264, FN 11 & 12). relles Kerngebiet, am östlichen Rand mit dem Indus-Tal ein zweites und am nörd- Damit kommt nun Zentral-Asien als mög- lichen Rand zwischen Kopet Dagh (> 72-3: licher Vermittler des Roten Hundes ins Spiel Karte & > 74: Karte) und KaraKum-Wüste zwischen Indien, d.h. in diesem Fall: Meluh- ein drittes kulturelles Kerngebiet. Der ha, und Mesopotamien. Der Hund von Anau Zweck, zu dem dieser rote Hund importiert (> 76) aber war keine Bracke und kein wird, nämlich zur Dämonenabwehr, impli- „Kampfhund“, sondern ein Herdenschutz- ziert, dass die miteinander Handel treiben- hund, und man kann annehmen, dass aus den Länder zumindest teilweise gleiche re- diesem Herdenschutzhund der Rote Hund ligiöse Konzeptionen hatten, und dass in von Meluhha aus der Region Marhashi ent- diesen Vorstellungen der Hund als Geister- wickelt wurde oder dass beide als Ableger seher und Geistervertreiber eine wichtige aus derselben Quelle stammen, denn die Funktion innehatte. Und er konnte diese kulturellen und wirtschaftlichen Beziehun- Funktion um so eher wahrnehmen, als er gen zwischen dem südlichen Rand Zentral- sich schon als Schutzgeist der Herde be- Asiens über das iranische Hochplateau bis währt hatte. Ein weiteres Implikat: Dass im hin nach Harappa im Indus-Tal sind vielfäl- tierzüchterischen Bereich eine gemeinsame tig nachgewiesen: So gibt es in Mohenjo Vorstellung existieren musste, welcher Hun- Daro z.B. weibliche Terrakotta-Figuren, die detyp diese Aufgabe am besten leisten im Stil weitestgehend übereinstimmen mit konnte. Bestimmte Hunde aus Indien oder Beispielen aus der 3. Periode der Namazga- aus dem elamischen Hochland oder aus dem Kultur (> 76-7) im Süden Zentral-Asiens. zentralasiatischen Anau wurden in Meso- Auch wenn die Region von Marhashi nicht potamien unter einem gemeinsamen Nen- absolut genau zu lokalisieren ist, besteht ner rubriziert, der relativ klein gewesen sein aber Einigkeit, dass sie im elamischen Hoch- muss, damit der Hundetyp in diesen ver- land östlich des Zweistromtieflands und schiedenen Weltgegenden gleich bleiben westlich der Harappa-Kultur zu suchen ist, konnte. Auch wenn der Rassebegriff noch vermutlich auch an den Indus-Zuflüssen aus nicht verwendet wurde, eine gewisse, wenn Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 70

70 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

auch schwankende Konzeption von Rasse etten zu apotropäischem Zweck gegeben, muss vorausgesetzt werden, damit die wie wir nicht nur soeben sehen konnten. Handelspartner sich nicht wechselseitig ent- Und der Rote Hund war wie der Schwarze täuschen. Zumal ja die „Identität” dieses Hund als Hauptbegleittier der Großen Göt- Hundetyps nicht nur in verschiedensten tin in der matriarchalen Phase der Bewusst- Regionen, sondern über Jahrhunderte seinsentwicklung wahrscheinlich noch in al- gleich bleibt. So erwähnt H.-P. Francfort (in: len Köpfen präsent - vom Süden Zentral- Kohl, 265) eine der seltenen Gips-Statuetten Asiens bis nach Mesopotamien und Indien: aus dem protohistorischen Baktrien (> 122: Der Rote Hund ist wohl ein weit verbreite- Karte), datiert auf das Ende des -3. Jahrtau- tes matriarchales Relikt aus vor-indo- sends, die von dem Archäologen Sarianidi in europäischer Zeit, auf das sich Meluhha spe- Dashly gefunden wurde: Sie stellt einen lie- zialisiert hatte. So beende ich den Exkurs genden „Molosser” dar, mit von roter Farbe zum Roten Hund von Meluhha vorläufig umrandeten Augen - ein Hinweis auf und setze nach einem Blick auf die früheste „Vieräugigkeit“? Und Henri Francfort iden- Viehwirtschaft in Zentral-Asien die chrono- tifiziert diesen roten Gipshund aus dem logische Darstellung der westasiatischen zentralasiatischen Dashly, jetzt gut 4.000 Hunde(typen) mit dem indo-iranischen, d.h. Jahre alt, mühelos und explizit mit den dor- jetzt indo-europäisierten Iran fort, aus des- tigen Herdenschutzhunden, deren Be- sen früherer, elamo-drawidischer Zeit ja be- kanntschaft er nicht immer gern gemacht reits die frühesten Hunde-Darstellungen ka- hat im Laufe seiner Ausgrabungen in men, die Wilhelm Ullrich 1955 so bilanziert: Zentral-Asien, womit die Rede vom schwe- ren Jagdhund oder gar von der leichteren Wenn man die ältesten Funde aus dem Bracke zumindest relativiert ist zu Gunsten vierten Jahrtausend vor Christus zu- des Herdenschutzhundes. Die „assyrischen sammenfassend betrachtet, so fällt Molosser“ als spezialisierte Jagd- und - we- auf, dass besonders der Windhundtyp nig wahrscheinlich - Kriegshunde stellen ei- in Erscheinung tritt. Es waren dies ne züchterische Weiterentwicklung dieses hochbeinige Tiere mit spitzem langem Herdenschutzhunds dar, vor allem in der Re- Kopf, spitzen Ohren, langer bis mittel- duktion des Fells. Dafür kann aber der an- langer Rute und vermutlich kurzem gebliche Kriegshund aus Pergamon (> 50: Haar, das eine Pigmentierung aufwies. Abb. 4.9) gerade wegen des langen und Die Verwendung geht aus den Abbil- weißen Fells noch in nächster Nähe zum dungen nicht hervor. Neben diesem Ausgangstyp gesehen werden, der in die- reinrassigen Typ erkennt man aber sem Fall der kleinasiatische Herdenschutz- auch schon frühzeitig eine Kreuzungs- hund für Schafherden sein dürfte, wären da form, die, wie aus den Abbildungen er- nicht die Stehohren, die vielleicht künstle- sichtlich (> 17: Abb. 3, > 18: Abb. 6, 7 & rische Zutat oder - eher wahrscheinlich - 8), zur Bewachung der Rinder in Ver- kupiert sind. Die Nähe dieses weißen und wendung stand. Diese kulturge- langhaarigen Hundes zum Herdenschutz- schichtlich frühen Funde des Wind- hund von Aquileja (> 37: Abb. 44) ist be- hundtyps lassen auf ein sehr hohes Al- merkenswert. Der Rote Hund von Meluhha ter dieser Rasse schließen. Es besteht ist auch von anderen Archäologen als Hen- durchaus die Möglichkeit, dass diese ri Francfort wieder entdeckt worden, und hochbeinige Hunderasse schon vor der sein scheinbar plötzliches Vorkommen im Susaperiode vorhanden war. Die berit- -1. Jahrtausend verleitet sie zu der Annah- tenen Jägervölker der Vorzeit (setzt U. me, es habe ihn vorher nicht gegeben. Dies Wilhelm die Domestikation des Pferds ist aus zwei Gründen wahrscheinlich falsch: etwas zu früh an?) dürften diesen Hun- Es hat schon vorher hundegestaltige Statu- detyp züchterisch bewusst bevorzugt Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 71

DER HUND UND DER BEGINN DER VIEHWIRTSCHAFT IN ZENTRAL-ASIEN 71

haben. Für die Jagd zu Pferde war nur Der Hund und der Beginn der der hochbeinige, schlanke, ausdauern- Viehwirtschaft in Zentral-Asien de Atmungstyp zu gebrauchen. An zweiter Stelle findet man den Typ des Spitzes. Die Annahme eines sehr ho- Befassen wir uns zunächst noch kurz hen Alters dieser Hunderasse erfährt mit der Neolithisierung Zentral-Asiens und somit durch diese Darstellung (> 17: den Funktionen, die der Hund dabei ein- Abb. 1 a & 1 b) eine kräftige Stütze nimmt, bevor wir uns im nächsten Kapitel (meint Ullrich, der den „Spitz“ über- dem indo-europäisierten Iran und erst im 3. strapaziert). An dritter Stelle findet Kapitel Indien zuwenden. Wahrscheinlich man interessanterweise Hunde, die wurde von Çanönü (> IV, 249) und Çatal dem doggenartigen Typ entsprechen. Hüyük (> IV, 31: Karte & > III, 547: Abb. 103) in Wie aus der Abbildung (> IV, 495: Abb. Anatolien die neolithische Wirtschaftsweise 3) ersichtlich, standen die Tiere für die verbreitet in den Süden Zentral-Asiens, in ei- Eberjagd in Verwendung. Über die ne Region, die man nicht zu Unrecht das Me- Rassezugehörigkeit des einzigen Ske- sopotamien Zentral-Asiens genannt hat, so lettfundes (> 18: Abb. 10), der aller- fruchtbar muss damals diese Region bei dings um ein Jahrtausend jünger ist als feuchterem Klima gewesen sein. Östlich des die vorstehend angeführte Abbildung, Kaspischen Meeres entwickelt sich die Kelte- lässt sich leider keine genaue Aussa- minar-Kultur am Uzboi-Fluss und im Mün- gen machen. Es wird sich wohl um ei- dungsdelta des Akcha Darya, einem parallel nen schlanken, nicht näher definierba- zum Amu Darya verlaufenden Fluss. Die Kel- ren Kreuzungstyp gehandelt haben. teminar-Kultur dauerte von -4.800 bis -2.000 Dass der Hund als Grabbeigabe diente, und wird in drei Phasen unterteilt, heute sind lässt auf ein inniges Verhältnis des be- gut 1.000 Siedlungen dieser Kultur im Ein- treffenden Menschen zu diesem Tier zugsbereich der Kyzyl Kum-Wüste bekannt, schließen (wir meinen, dass der Hund allein 400 Stationen um den ehemaligen Lya- als Grabbeigabe mehr ist: Er ist kon- vlyakan-See. Allerdings gibt es keine nen- substantiell mit dem Bestatteten). nenswerten Schichten in diesen Fundstätten, Fasst man die ältesten Ausgrabungs- so dass man bereits von einer ansatzweise ergebnisse zusammen, so kann man nomadisierenden Wirtschaftsweise ausgehen wohl sagen, dass Iran zweifellos ein kann mit eindeutigem Schwerpunkt auf der großer Anteil an der Entstehung der Viehzucht. Obsidian-Funde weisen auf Han- Windhundrasse zukommen dürfte delsbeziehungen zum Kaukasus hin (Kohl, (Ullrich, 9-10). 59). Ein besonders typischer Fundort dieser Kultur ist Djanbas 4, in dem keine kleinen Die Frage, wo diese verschiedenen Hunde- Wohnhäuser, sondern manchmal eine Fläche typen tatsächlich entstanden sein könnten, von 400 m2 überdeckende Hütten gefunden führt uns an den Beginn der Neolithisierung wurden, deren Fläche mehr als zehnmal so zurück und zu ihrem Export nach Zentral- groß war wie die typischen Häuser der älteren Asien - wir dürfen vermuten, dass die dort Djeitun-Kultur. Trotz der hohen Siedlungs- gefundenen archäologischen Hundereste dichte und der ebenfalls hohen Einwohner- Rückschlüsse erlauben auf die ursprüngliche zahl je Siedlung lässt sich keine technische Hundepopulation zu Beginn des Neolithi- Entwicklung feststellen. Man schließt auf ein kums überhaupt. Unser Exkurs ins frühneo- Leben in der Großfamilie oder Sippe, auf die lithische Zentral-Asien ist also eine geogra- Form der kleinen Kernfamilie war wohl keine phisch verschobene Fortsetzung unserer Su- Prämie ausgesetzt. Man nimmt an, dass die che nach dem Roten Hund von Meluhha Subsistenz durch Jagen, Fischen, Sammeln und nach anderen möglichen Varianten: und etwas Viehzucht leicht gesichert war. Je- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 72

72 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Der Beginn der Neolithisierung Zentral-Asiens spiegelt sich in den Fundort

denfalls gibt es große technologische und Welche Hunde kulturelle Unterschiede zur Djeitun-Kultur. hatte die Djeitun-Kultur? Ähnlich verhält es sich mit der Hissar-Kultur (> 77: Karte), die im Süden Tadschikistans und Die Djeitun-Kultur in Südturkme- im Osten Baktriens um -6.500 in den schma- nistan, am Rand der Kara Kum-Wüste nörd- len Gebirgstälern entsteht - eine entwick- lich von Aschgabat und östlich von Geok lungsarme, aber langlebige neolithische Depe gelegen, ist die nach heutigem Kennt- Periode vom -6. zum frühen -2. Jahrtausend, nisstand früheste Viehzüchterkultur und die nur aus dem Norden von den vermutlich vollständigste neolithische Sequenz in razziahaften „Besuchen“ indo-arischer (Jung- Zentral-Asien. Es ist bemerkenswert, dass die hirten)-Kriegerverbände gestört wurde. Fundstätten selten in den Vorgebirgen des Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 73

DER HUND UND DER BEGINN DER VIEHWIRTSCHAFT IN ZENTRAL-ASIEN 73

piegelt sich in den Fundorten der Djeitun-Kultur. In: Kohl, Karte 6 (Ausschnitt).

Kopet Dagh liegen, sondern auf durch- gern und neolithischen Viehzüchtern müs- schnittlich 750 m NN oder in den Gebirgs- sen erst noch gefunden werden. Die Djeitun- tälern des iranischen Khorassan, wo Land- Periode reicht vom -7. bis zum -6. Jahrtau- wirtschaft angeblich ohne Bewässerung send, eine noch nicht korrigierte C14- möglich war. Obwohl die namengebende Datierung weist ein ungewöhnlich hohes Al- Siedlung sehr klein ist und auf den ersten ter aus: Die Fundstelle Sang-e-Caxmaq (> 72: Sandhügeln der Kara Kum liegt, ist die Djei- Karte), 8 km nordöstlich von Shahrud auf tun-Kultur bereits fortgeschritten in der dem iranischen Plateau gelegen, erreicht neolithischen Wirtschaftsweise, folglich im- 7.800 BP, korrigiert läge das Datum bei portiert, und die tatsächlich frühesten -6.500 und es stammt von einem Fundstück Schnittstellen zwischen mesolithischen Jä- aus der dritten von fünf Schichten. Die ge- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 74

74 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

2

5

1 3 4

6 7

Legende: 1: Die Kulturen von Djeitun, Anau und Namazga am nördlichen Rand des Kopet Dagh im Süden Turkmenistans

2: Die Kelteminar-Kultur am unteren Amu Darya in Khoresmia und am Rand der Kyzyl Kum-Wüste

3: Die Oasen der späten Namazga-Kultur (Mari, Tedjen) und der frühen Eisenzeit (Yaz,Aravali)

4: Die bronzezeitliche Fundstätte Dashly im Süden Baktriens (südliches Tadschikistan bzw. nördliches Afghanistan)

5: Zeravshan und Fergana

6: Die neolithische Fundstätte Mehrgarh in Belutschistan

7: Die Fundstätte Mohenjo Daro der Harappa-Kultur im Indus-Tal Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 75

DER HUND UND DER BEGINN DER VIEHWIRTSCHAFT IN ZENTRAL-ASIEN 75

samte Djeitun-Periode dauert von -6.500 bis Grundzüge einig: So muss man doch Bewäs- -5.000 und wird in vier Phasen (Initial-, Ear- serung annehmen, da sonst die Erträge des ly, Middle und Late-Djeitun) eingeteilt. Trotz Getreideanbaus viel zu niedrig ausgefallen großer Anstrengungen französischer und wären. Aus den 527 gefundenen Steinwerk- (sowjet)-russischer Archäologen ist die zeugen und deren durchschnittlicher Le- Kenntnis immer noch sehr lückenhaft, was bensdauer errechnete Masson für die die Gesamtverbreitung der Kultur angeht. Schicht 2 von Djeitun immerhin eine Fläche So wurden die Schichten nicht ausge- von 21 bis 33 ha für den Feldanbau. Der not- waschen und nicht gezielt auf Haustierreste wendige jährliche Fleischanteil in der untersucht. Das ergibt vermutlich ein schie- Ernährung der Bevölkerung im kleinen fes Bild, und die Ableitungen daraus sind Fundort Djeitun wird nach Massons Er- entsprechend: Weil im kleinen Djeitun selbst kenntnissen von einer Gesamtherde von Schaf und Ziege mit nur 23 Individuen nur ei- 2.000 Schafen und Ziegen gedeckt. Auch nen Teil von 15,6% der gesamten Kno- wenn diese Ergebnisse in der Zukunft viel- chenmenge ausmachen, und weil der Anteil leicht noch bedeutend modifiziert werden der vermutlich nicht domestizierten Bezoar- müssen, so haben wir doch einen ersten und Ziege bei 41% liegt, glaubt der französische nicht unbedingt falschen Eindruck von der Archäologe Masson 1971 noch, dass die Größe des vieh- und landwirtschaftlichen gefundenen Überreste der domestizierten Gesamtbetriebs in einer typischen Djeitun- Hunde zu Jagdhunden gehören, während Siedlung gewonnen. Dass die in Djeitun ge- Sarianidi 1992 schon realistischer vermutet, funden Hunde(reste) mit Sicherheit nicht (nur) zur Jagd genutzt wurden, sondern mit that they may have assisted shepherds steigendem Viehbestand und zunehmender tending flocks of sheep and goats (119). Ackerfläche auch fürs Beschützen und Trei- ben oder gar Hüten der immerhin recht Andererseits wurden bislang keine Ställe großen Gesamtzahl von Schafen und Ziegen oder Pferche für domestizierte Tiere gefun- eingesetzt wurden, dürfte auf der Hand lie- den, und man denkt, gen. Hier nur an die Jagd zu denken, wie Masson, verrät doch wieder die für einige that the animals were not constrained, Archäologen typische Betriebsblindheit. except possibly at night in the court- Auch die Annahme, die ungewöhnlich hoch yards, and pastured freely (Kohl, 53), gelegenen Fundorte seien das ganze Jahr über bewohnt gewesen, lässt die Möglich- was mittlerweile durch die Analyse eines In- keit der Transhumanz außer Acht, die sich als nenhofs ansatzweise bestätigt wurde. Rin- viehwirtschaftliche Praxis angesichts der der wurden vermutlich erst am Ende der geographischen Lage doch eigentlich auf- Djeitun-Kultur in Chagylly-Depe (> 72-3: zwingt, wie Harris/Gosden denn auch 1996 Karte) ins Repertoire der Nutztiere aufge- vorschlagen: nommen, 67 der 87 erkannten Haustierindi- viduen gehören dort noch zu Schaf und Zie- Some seasonal transhumance may have ge. Wegen der undifferenzierten Auswer- been practised, alternating summer tungsmethode kann auch der Anbau von grazing in the foothills of the Kopet Getreide nicht zuverlässig beziffert werden. Dag with winter grazing of pastures in So blieb den Archäologen nichts anderes the desert closer to Jeitun (Harris, 379). übrig, als das statistische Material hochzu- rechnen, um ein Bild von der Subsistenz- So konnten im Winter die Felder nahe der Wirtschaft in der Djeitun-Kultur entwerfen Siedlung abgegrast und gedüngt werden; zu können. Obwohl dabei Unsicherheiten die Herden blieben auf den Feldern und entstehen, sind sich die Forscher aber über wurden von Hunden beschützt. Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 76

76 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Die ökonomische und soziale Funktion des Hundes in Djeitun

David Harris und Chris Gosden, zwei aufs westliche und südliche Zentral- Asien spezialisierte Archäologen tun das, was auch wir gern tun: Sie spekulieren über die ökonomische und soziale Rolle des Hun- des in Djeitun (Harris, 380). Und da gibt es in der Tat einige Fakten, über die zu speku- lieren sich lohnt, da die Ergebnisse sich ei- gentlich aufdrängen. Sie zitieren Resultate der Arbeit Kasparovs, der 1992 Anteile und Verteilung von Haustierknochen in einem Haus mit Hof und Anbau in Djeitun analy- siert hat: Die Knochen von Schaf und Ziege im Wohnhaus stammen von den fleischig- sten Teilen des Schlachtkörpers, während die Knochen im Hof und im Anbau von al- len Skelettteilen kommen, darunter auch Die Nachfolger von Djeitun: Knochen von Fuchs, Katze und Wild- schwein. Viele dieser Knochen aus Hof und Zuerst die Anau-Kultur Anbau zeigen Nagespuren, die von Hunden stammen. Das legt die Vermutung nahe, Die Djeitun-Kultur wird abgelöst im dass im Hof und im Anbau Schaf, Ziege und Nordosten Irans und im Südwesten Turk- Wildschwein geschlachtet und Fuchs- und menistans von der Anau-1-Kultur (-5.200 bis Katzenfelle zum Trocknen aufgespannt -4.800), aus der die Skelettreste von Hunden wurden. Dass die Hunde Herdenarbeit ver- überliefert sind, die weitgehende Ähnlich- richteten, hat sich zur Gewissheit verdichtet, keit mit molosserhaften Hunderesten aus aber hinzukommt die Erkenntnis, dass sie der indischen Fundstätte Mohenjo-Daro darüber hinaus eine nicht nur alltagsprak- aufweisen (> oben & > 74: Karte). Die Anau- tische Funktion gehabt haben müssen. 1-Kultur unterhielt bereits früh Beziehun- gen zum iranischen Plateau. Die Orte schei- Man hat kleine tönerne Tierfiguren gefun- nen geplant angelegt worden zu sein. Tier- den, von denen einige hundeähnliche Ge- figuren aus Ton werden bereits in der frühe- stalt haben, und, was überzeugender sein sten Stufe gefunden. In Anau 1 wurde dürfte, Harris und Gosden (380) haben in bereits das Rind als Arbeitstier eingesetzt. Es der Wand eines Djeitun-Hauses das Grab ei- war ein großrahmiges Rind mit langen Hör- nes Hundes gefunden, dem ein Gefäß mit- nern (Zeißig, 6). gegeben war. In diesem Hundegrab gab es keine menschlichen Knochen. Diese Wert- Dann die Namazga-Kultur schätzung des Hundes ist vergleichbar mit den Grabstätten in Burzahom in Kaschmir, Neben Anau 1 entwickelt sich in der- wo Hunde manchmal mit ihren von der Jagd selben Region die Namazga-Kultur (> oben: lebenden Besitzern zwischen -3.000 und Karte), die in fünf Phasen gegliedert wird, von -1.700 beigesetzt wurden, und auch ver- -4.000 bis -2.200, um dann in das späte Bron- dächtig vergleichbar mit neolithischen Hun- ze-Zeitalter überzugehen. Der Ort, der dieser degräbern in Nordchina und in der Mand- Kultur den Namen gab, liegt westlich von Ted- schurei (Allchin/Allchin, 113 & 116). jen. Die Subsistenz wird im Anfang bereits zu Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 77

DER HUND UND DER BEGINN DER VIEHWIRTSCHAFT IN ZENTRAL-ASIEN 77

man nicht nur die Verwendung von Herden- schutzhunden, sondern auch von Hütehun- den in der Viehwirtschaft annehmen. Der Übergang von der Steinzeit zur Bronzezeit findet in der Namazga-Kultur von -3.500 bis -3.000 statt. In diesem Zeitraum entstehen im südlichen Mesopotamien und in Khuzestan schon die ersten komplexen Staaten, und der südliche Rand Zentral-Asiens steht mit diesen Staaten, aber besonders mit dem iranischen Plateau im engen wirtschaftlichen, religiösen > 76: Die Namazga-Kultur und ihre Lage zur Indus- und politischen Austausch. Die Gräberkultur Kultur und zur Nekropole von Gandhara. Oben: Die zeigt in Namazga ein zahlenmäßiges Überge- Indo-Arier drangen wahrscheinlich vom Südosten des wicht der Frauen an: 59% aller Funde sind Kaspischen Meeres ins Mitanni-Reich ein; auf ihrem Frauen, 14% Männer und 26% Kinder. Daran Weg „besuchten“ sie auch sesshafte Neolithiker wie wirkt die vermutlich hohe Sterblichkeitsrate z.B. die Menschen in Tepe Hissar. In: Mallory, Abb. 28 im Kindbett mit (> III, 302). Aber auch die Ver- (links) & 26. teilung der Tonstatuetten auf die beiden Ge- schlechter spricht für eine herausgehobene Stellung der Frau: Die meisten stellen Frauen 80%, in den folgenden Phasen bis zu 90% ge- dar, nur ganz wenige Männerstatuen wurden sichert von der Viehzucht: Schaf, Ziege und gefunden. Zahlreiche Tierstatuen sichern die Rind sind die Hauptwirtschaftstiere, und et- Kontinuität mit den früheren Phasen, die Mo- was Schwein rundet den Speiseplan ab. Zu der tive werden erweitert um Schneeleoparden, Region um Geok Depe und Aschgabat kommt gefleckte Rinder, Bergziegen und Vögel. Eine nun die große Oase von Geoksyur östlich von ähnliche Keramikproduktion wurde auch in Tedjen hinzu (> 72-3: Karte). In der 2. Periode der Hissar-Kultur gefunden (> oben links), entstehen schon große Städte, mit bis zu 15 ha westlich von Duschanbe. Der Kontakt zu den Grundfläche. Teile einiger Siedlungen sind be- indo-iranischen Rändern des Hochplateaus festigt mit Mauern von ungefähr 60 cm Brei- und zum Quetta-Tal im pakistanischen Belut- te, in die Winkel sind Rundtürme integriert, schistan ist nachgewiesen (Kohl, 101), aber es die aber wohl als Wohnungen genutzt wur- ließen sich keine Spuren finden, die einen Exo- den (Kohl, 85), andere Siedlungen sind unbe- dus der Bevölkerung des südlichen Turkme- festigt. Die Rundtürme werden auch als Ge- nistan nach Seistan, Belutschistan oder ins treidesilos gedeutet (Kohl, 90). Man fand eine Zeravshan-Tal bestätigen könnten (Kohl, 103). große Anzahl von menschenähnlichen Tonfi- Die frühe Bronzezeit dauert in der Namazga- guren von fast 30 cm Höhe, mehr als die Hälf- Kultur von -3.000 bis -2.500: In dieser Zeit wer- te waren Darstellungen von Frauen, mit Son- den die Siedlungen in der Geoksyur-Oase und nensymbolen verziert und vermutlich zu ka- Kara-depe im zentralen atak aufgegeben. Die lendarischen Zwecken verwendet. Reste von Gesellschaft scheint sich deutlich zu differen- Kanälen und Rückhaltebecken weisen auf ein zieren, so gibt es in den klar geplanten, sym- ausgeklügeltes Bewässerungssystem hin. Ob- metrisch angelegten Siedlungen so etwas wie wohl man noch Jagd auf Gazelle und Wildesel Elite-Viertel, und Befestigungen sind die Re- machte, stammten in der 2. Phase dieser Kul- gel. Rad und Wagen mit Kamelantrieb halten tur schon 90% der gefundenen Knochenreste Einzug, und die Straßen sind breiter als früher, aus der Viehzucht. Wegen der ihr räumlich statt 1 Meter bis 1,2 Meter für Fußgänger und eng benachbarten Feldwirtschaft, deren Er- Viehtrieb legt man jetzt zwei Meter breite träge wegen des aufwändigen Bewässe- Straßen an, die auch von Karren befahren rungssystems besonders wertvoll waren, kann werden können (Kohl, 111). Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 78

78 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Intensive Beziehungen (Kohl, 219). Wenn wir uns an den roten zur Indus-Kultur Hund erinnern, dann können wir nicht nur von einem intensiven kulturellen Austausch Diese Phase der Namazga-Kultur zwischen dem Süden Zentral-Asiens mit dürfte eine der wichtigsten prähistorischen Mesopotamien einerseits und dem Indus-Tal Perioden in Südturkmenistan gewesen sein. andererseits ausgehen... Und auch mit der Mit einer ausgeklügelten Bewässerungs- Hissar-Kultur wurden Kontakte gepflegt, technik wird intensive Landwirtschaft be- wie der Kult um eine weibliche Gottheit, ma- trieben. Schafe, Ziegen und Rinder werden terialisiert auf zahlreichen Terrakotta- im großen Maßstab gehütet, dabei domi- Figuren, und die Anbetung einer männ- nieren die kleinen Wiederkäuer. Der Ar- lichen Gottheit nahelegen (Kohl, 132). Auch chäologe Kircho nimmt an, die Quelle des Reichtums wurde nicht ganz vergessen, wie ein silberner, sehr realis- that they were herded by Caucasian tischer Ziegenkopf beweist. In der späten sheep dogs (zitiert von Kohl, 115), Bronze-Zeit setzt der Niedergang der Na- mazga-Kultur ein an den Rändern des Kopet und ich nehme an, dass die Kaukasischen Dagh: Die größten Orte - Namazga und Al- Herdenschutzhunde nicht gehütet haben, tyn - werden aufgegeben, die Grundfläche sondern in komplementärer Schutzfunktion der Siedlungen schrumpft von ca. 50 ha auf Hütehunde begleiteten, die vielleicht mit 2 ha im Durchschnitt, und im Gegensatz zu dem heutigen Tibet-„Terrier“ verwandt wa- den Siedlungen in Baktrien und Margiana ren. In der mittleren Bronze-Zeit nimmt die sind die Orte der späten Namazga-Kultur Urbanisierung der Gesellschaft zu, man kann nicht befestigt (Kohl, 141). Indo-arische Ein- fast eine Art Klassengesellschaft annehmen, dringlinge aus dem Norden (> 81-92) brin- die aber vermutlich auf Verwandtschaftsbe- gen zum schon vorhandenen Wagen nun ziehungen beruhte, da das Kollektivgrab das Speichenrad und das Pferd hinzu und noch nicht von der Einzelbestattung ver- führen den Stil des berittenen Hirtennoma- drängt wurde (Kohl, 133). Wenn die Gesell- den ein. Das alles bringt eine wirtschaftliche schaft auch schon stärker differenziert ist, so und gesellschaftliche Umorientierung. ist sie doch noch nicht mit Sumer vergleich- bar, denn die Siedlungen sind dezentral ver- teilt in einzelnen Oasen, und die Trennung Die Bronze-Zeit zwischen städtischem und ländlichem Leben ist auch nicht so scharf wie in Sumer (Kohl, Die Margiana-Kultur 134). Die Siedlungen sind wie schon in den früheren Phasen genau geplant. Die Funde Aus der Bronze-Zeit am unteren lassen auf enge Beziehungen zu Sumer Murghab-Fluss östlich von Tedjen sind schon schließen, besonders die Mond- und Stier- mehr als hundert Siedlungen nachgewiesen. symbolik erinnern an den Nanna-Sin-Kult in Funde von Siegeln mit dreiköpfigen Moti- Ur (> IV, 427-8). Aber auch zu indischen Or- ven verweisen wieder auf enge Beziehun- ten wie Mohenjo-daro im Indus-Tal muss in- gen zur Harappa-Kultur im Indus-Tal (Kohl, tensiver Kontakt bestanden haben, wie ein 147). Wieder gibt es realistische Darstellun- alabasternes Siegel mit Swastika-Motiv, ge- gen von Ziegen, die im Begriff sind, auf Bäu- funden in Altyn-depe (> 76: Karte), nahelegt me (~ Lebensbäume?) zu klettern. Zahl- (Kohl, 131 & 242). Ebenso fand man als Grab- reiche Siegel-Amulette zeigen Schlangen, beigabe dreiköpfige katzenähnliche Tier- Drachen, Stiere, Mischwesen mit Flügeln darstellungen, wie sie auch von der Indus- und reptilienähnlichen Gesichtern, Greif- Kultur bekannt sind: Ein ziemlich eindeuti- vögel: Der Archäologe Sarianidi hat hier Be- ger Einfluss der Harappa-Kultur im Indus-Tal ziehungen zu den Texten des indischen Rig- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 79

DER HUND UND DER BEGINN DER VIEHWIRTSCHAFT IN ZENTRAL-ASIEN 79

Veda und des alt-iranischen Avesta erkannt Statuetten aus dem protohistorischen Bak- - und er hätte auch noch den Hund erwähnt, trien, datiert auf das Ende des -3. Jahrtau- wenn ihm der sensationelle Hundefund von sends von dem Archäologen Sarianidi ge- Krasnosamarskoe schon bekannt gewesen funden wurde: Sie stellt einen liegenden wäre. Die zentrale Siedlung in der Gonur- „Molosser” dar, mit von roter Farbe um- Oase ist 50 ha groß, ein großer Teil der Sied- randeten Augen - mehr Details sind der lung ist unbefestigt, aber in ihr stand eine Quelle nicht zu entnehmen: Handelte es rechteckige Festung mit Verteidigungstür- sich um einen schwarz-lohfarbenen Hund? men - man rechnete mit noch mehr proto- Die Farbgenetik spricht für diese Annah- iranischen „Gästen“ aus dem Norden. me; dann wäre der Molosser ein „vieräugi- ger“ Hund mit den entsprechenden my- Im südlichen Usbekistan thologischen Implikationen.

Der Norden Baktriens lag im Süden Die Dashly-Region liegt ca. 30 km nördlich des heutigen Usbekistan. Erst seit 1969 fan- der Stadt Akcha und in ungefähr derselben den Grabungen statt, die die Existenz rei- Entfernung südlich vom Amu Darya-Fluss cher und komplexer Gesellschaften auf- und umfasst ca. 100 km2. 41 Siedlungen deckten, die über 1.500 Jahre lang schon aus der Bronze-Zeit wurden bislang gefun- existierten, bevor sie in schriftlichen Quellen den. Diese Oase wurde in drei Phasen ge- erwähnt wurden. Auch hier kann man von nutzt: In der Bronze-Zeit (von -3.000 bis einer besonderen Stellung der Frau in der -2.600), in der Achämeniden-Zeit und in Gesellschaft ausgehen, da viel mehr Frauen- der Antike. Von einander isolierte und viel- als Männergräber gefunden wurden und da zellige Gebäudekomplexe, man könnte die Gräber von Frauen reicher ausgestattet schon von Palästen sprechen, lassen die Ar- waren (Kohl, 155). In der Siedlung Bustan 4 chäologen auf patriarchale Familienver- fand man ein Grab mit fünf Hundeskeletten hältnisse schließen. Die gesamte Siedlung in the courtyard of a living area (Kohl, 157). ist geplant und kreisförmig um einen run- Man geht von einer transhumanten Gesell- den Tempelbau angelegt. Von neun Grä- schaft in der Bronze-Zeit des südlichen Us- bern waren fünf Ehrengrabmäler - und bekistan aus, ähnlich wie es heute auch ist. zwei beherbergten je einen Widder! Den Die besondere Wertschätzung des Hundes Tieren hatte man sechzehn bzw. dreizehn ist deshalb leicht nachvollziehbar. Schwein Gefäße mit auf den Weg in die ewigen und Kamel kamen als Haustier vor, waren Weidegründe gegeben. Der rituelle Ge- aber selten, überwiegend hielt man Schafe brauch des Feuers in den Häusern und im und Ziegen (63%) und Rinder (28,5%). Ge- Tempel weist auf das spätere indo-arische treide wurde angebaut, die Felder wurden Avesta hin, aber es wurden noch keine Feu- bewässert. Wegen der engen Nachbarschaft erbestattungen durchgeführt. Trotz der von Viehzucht und Ackerbau gehe ich wie- schon „herrschaftlichen“ Architektur fin- der davon aus, dass neben dem Herden- den sich in den Beisetzungssitten keine In- schutzhund komplementär auch der Hüte- dizien für eine besonders differenzierte hund eingesetzt wurde - analog zum meso- Gesellschaftsstruktur (Kohl, 170). Onesicri- potamischen Boojy (> 17-22). tus berichtet um -325 von der baktrischen Sitte, kranke und alte Menschen den Hun- Im Nordwesten Afghanistans den zum Fraß vorzuwerfen (> 614-6: Ab- bildungen) - eine Sitte, die Stasanor, einen Diese Region ist der Süden des pro- Präfekten Alexanders, der diesen Brauch tohistorischen Baktrien, in dem vier Oasen verbieten wollte, beinahe sein Amt geko- gefunden wurden, darunter auch Dashly (> stet hätte (Simoons, 412, FN 323; > 122: 74: Karte), wo eine der seltenen Gips- Karte). Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 80

80 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Im Süden Tadschikistans Bilanz der Neolithisierung und Rückblick auf den Ist der Süden Baktriens eine breite roten Hund von Meluhha Ebene, so haben wir es hier mit Tälern zu tun: Das relativ breite Hissar-Tal mit Duschanbe als Ich maße mir nicht an, eine Synthese Hauptort, und die relativ schmalen Nord-Süd- der prähistorischen Entwicklung der Region Flusstäler, die durch Gebirgsketten von einan- zu geben, aber es ist unbestritten, dass im der getrennt sind. Auf höher gelegenen Ter- Neolithikum das südliche Zentral-Asien - rassen dieser für Landwirtschaft kaum geeig- großräumig betrachtet - eine „Ökumene“ bil- neten Region fand man die Reste von noma- det mit der kasachischen Steppe im Norden, disierenden Hirtenkulturen mit erstaunlich viel mit Belutschistan, dem südöstlichen Iran und Metallgeräten, die bereits aus dem Norden ka- dem Indus-Tal im Süden, mit dem iranischen men und Parallelen zum östlichen Kasachstan Plateau und darüber hinaus bis nach Oman aufzeigen. Feuerbestattung (um -1.870 bis im Südwesten, mit Mesopotamien, dem ana- -1.600) weist ebenfalls auf den Einfluss der tolischen Plateau und dem Kaukasus im We- nördlichen proto-iranischen Steppenvölker sten. „Internationale” Kontakte verändern hin. Obwohl die Architektur erstaunlich stabil sich in diesem größeren Mittleren Osten ist, geht man von einer nur saisonalen Nut- während der ersten Hälfte des -3. Jahrtau- zung der höher gelegenen Terrassen aus, was sends mit dem Zusammenbruch der proto- für Transhumanz spricht. Dauerhafte Siedlun- elamitischen Vorherrschaft im südlichen und gen sind nur in der Ebene nachgewiesen (Kohl, zentralen Iran. „Kaukasische Elemente“, 177), wo auch Ackerbau betrieben wurde. Die wahrscheinlich Indo-Arier, treten im Westiran Archäologen nehmen an, dass diese Hirten be- auf, nachdem sie bereits Ost-Anatolien durch- reits Indo-Arier sind und über das Swat-Tal im quert und Palästina erreicht haben. Mesopo- Nordwesten Pakistans mit ihrer Heimat Ka- tamien reagierte in der Sargon-Zeit auf diese sachstan in Verbindung standen (Kohl, 178). „kaukasischen Elemente“ mit einer Orientie- Allerdings gibt es fast ebenso intensive Ver- rung nach Süden und Osten, die in direkten bindungen zum Norden und Süden Baktriens. Beziehungen zu Bahrein, Oman und dem Indus-Tal deutlich werden. Den Zusammen- Die Bronze-Zeit im bruch der akkadischen Herrschaft und der Zeravshan- und im Fergana-Tal hochzentralisierten Ur-3-Dynastie in Mesopo- tamien erklärt man heute mit der Verlage- Die legendären Städte Samarkand rung des Fernhandels vom Land aufs Meer, so und Bukhara liegen am Zeravshan-Fluss, der dass zwischen Mesopotamien und dem In- von Osten nach Westen fließt durch ein enges dus-Tal eine direkte Verbindung entstand: und steiles Tal, in dessen unterem Teil an da- Auf der Oman-Halbinsel (> IV, 431-42) wur- maligen Nebenflüssen, heute Trockentäler, den Objekte aus der Harappa-Kultur des zahlreiche neolithische Siedlungen entdeckt Indus-Tals in genügender Anzahl gefunden, wurden, meistens an den Rändern ehemaliger um diese Theorie des Seehandels zu stützen. Seen, von denen der Zamanbaba-See einer Vielleicht hat die Harappa-Kultur weiter nach ganzen Kultur den Namen gab. Landwirtschaft Metallen geschürft dort, wo sich die Sumerer wurde betrieben, und 85% der Knochenreste zurückgezogen hatten. Spätestens ab der stammen von Ziege, Schaf, Rind und Esel. Mitte des -2. Jahrtausends kann man eine Hirsch, Wildesel und Gazelle wurden gejagt Wirtschafts- und Kulturzone annehmen, die und vervollständigten den Speiseplan. Man von der Balkan-Halbinsel bis nach West- geht davon aus, dass die Siedlungen nur saiso- Turkestan und von Oman bis zum Indus-Tal nal genutzt wurden, und dass ihre Bewohner reicht. Dennoch ist die Möglichkeit nicht entweder Nachkommen der Kelteminar-Kultur auszuschließen, dass der Süden Zentral- oder aus Baktrien eingewandert sind. Asiens und der Nordwesten Indiens ein ei- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 81

DIE SRUBNAYA- UND DIE ANDRONOVO-KULTUR UND DIE „HUNDSTAGE“ IM WINTER 81

genständiger Keim des Neolithikums ist, im- wären dann mit der Entstehung einer ge- merhin gibt es für den am Rand des Hindu- schichteten Gesellschaft molosserhafte Jagd- Kusch gelegenen Fundort Aq Kupruk Hin- hunde und „Kriegshunde“ entstanden. Mit weise für eine „vorzeitige“ Domestikation den Nachfahren dieser zentralasiatischen von Schaf und Ziege, denn das Schaf erscheint Neolithiker unterhalten die indo-euro- dort als domestiziertes Tier mit einer (unkor- päischen Proto-Iraner und Proto-Indo-Arier rigierten) C14-Datierung 10.210 ± 243 Jahre ebenso intensive Beziehungen wie mit ihren B.P., ein Datum, das korrigiert früher als paläosibirischen Nachbarn im Norden und -8.000 zu fixieren wäre - es gibt bislang nur Osten. Werfen wir einen vorläufigen und kur- dieses Datum, damit steht die Annahme eines zen Blick auf die Frühphase der Indo-Euro- eigenständigen Domestikationszentrum von päer, und hier besonders auf die wahrschein- Ak Kupruk noch auf wackligen Beinen. Träfe lichen Vorfahren der späteren Indo-Arier in sie aber zu, dann wäre eine Neolithisierung Indien und der späteren Indo-Iraner in Iran, des südlichen Zentral-Asien von Ost-Anato- bevor wir gleich im nächsten Kapitel die voll lien aus besonders unwahrscheinlich, und sie entfalteten Indo-Iraner betrachten, nachdem ist es jetzt schon ansatzweise. Denn diese sie - aus Nordosten, nämlich aus der eura- Theorie stützt sich zwar heute vorläufig auf sischen Steppe kommend - den Iran bereits er- nur wenige Indizien, sie hat aber dafür viel obert haben. Bevor es so weit ist, entfalten Plausibilität: Die gesamte Indus-Kultur könn- sich aus einer sehr alten viehzüchterischen te von Belutschistan aus erklärt werden - und Kultur, die westlich des Ural seit -5.000 (kali- man könnte eine Expansion dieser Kultur briert) existiert, nacheinander die Srubnaya- nach Norden bis ins östliche Baktrien und Kultur, die die Steppen westlich des Ural von westliche Turkestan annehmen - hier wäre -1.850 bis -1.200 beherrscht, und bald auch dann eine Wirtschaftszone entstanden, die die Andronovo-Kultur, die sich in die Steppen die auffällige kulturelle Einheit (trotz aller re- östlich des Ural ausdehnt (Anthony, 1998; > gionaler Unterschiede) vom Indus bis zum 82: Karte). Becken des Amu Darya verständlich machen könnte, argumentiert Francfort (in: Kohl, 260). Damit dürfte auch der rote Hund hin- reichend erklärt sein, der vom Indus-Tal nach Die indo-arische Srubnaya- und Mesopotamien verkauft wird, dessen Kno- die Andronovo-Kultur und die chenreste aber lebhaft an den Hund von „Hundstage“ im Winter Anau erinnern: Ein kynologisches Dreieck, das vom Norden Süd-Asiens in den Süden Zentral- Asiens und in den Westen des Mittleren Ori- Die Srubnaya- und die Andronovo- ents reicht - rote Hunde, die nicht nur rote Kultur gehören zu den bronzezeitlichen Rinder beschützen, sondern auch zur Dämo- Steppenkulturen Eurasiens und spielten eine nenabwehr in diesem Kulturraum verwendet wichtige Rolle in der iranischen Ethnogene- werden: Und somit wäre das Ritual des Sag- se und gelten als Vorfahren der Skythen und Did (> 178-9) nicht eine originale Erfindung Saken. Die Andronovo-Kultur selbst mit der der Indo-Iraner, eher hätten sie dieses Ele- sie prägenden Sintashta-Petrovka-Kultur (> ment von der Vorgängerkultur übernom- 230-6) bezeichnet eine Ansammlung bron- men, noch eher aber wäre es gleichermaßen zezeitlicher Kulturen zwischen -2.300 und bei ihr wie den Indo-Iranern verbreitet gewe- -1.000 in Südsibirien und Zentral-Asien, die sen und auf eine beiden gemeinsame Quelle spätestens ab ca. -1.600 in dem gewaltigen zurückzuführen: Dafür spricht das Vorkom- Raum zwischen Kaspischem Meer und Bai- men typischer sag-did-Komponenten auch in kalsee verbreitet ist: Eine große Region, die China und v.a. bei paläo-sibirischen Völkern. von den östlich vom Ural liegenden Steppen Und aus den roten Herdenschutzhunden bis zum Altai-Gebirge und dem Jeneissei-Tal Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 82

82 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Die geographische Verteilung der Srubnaya- und der Andronovo-Kultur. Karte in: Anthony u.a.: Samara Valley Project.

reicht und vom unteren Amu Darya bis zu wagens mit Speichenrädern bezeichnet (um den Tien Shan-Bergen. Die Andronovo- ca. -2.000).Vier Perioden und einige Unter- Kultur (> unten: Karte) wird allgemein der gruppen werden unterschieden vom späten proto-indo-iranischen Sprachgruppe zuge- -3. bis zum späten -2. Jahrtausend. Alle For- ordnet (> 84: Karte). Die Menschen dieser Kultur werden oft als die Erfinder des Streit-

„Die Andronovo-Kultur mit ihrer Keimregion Sintashta 230-6):Die Karte zeigt die ungefähre Verbreitung der „Kulturen, die allgemein mit der indo-iranischen Emi- Andronovo-Kultur. Die prägende (proto-indo-europäische) gration in Verbindung gebracht werden (nach “Ency- Sintashta-Petrovka-Kultur ist dunkelrot. Das Gebiet der clopedia of Indo-European Culture”): Die Andronovo- frühesten Funde von mit Speichenrädern besetzten Kultur, die baktrisch-margianische Oasenkultur und die Streitwagen ist violett. Angrenzende und überlappende Yaz-Kulturen. Die Swat-Kultur, die Cemetery-H-Kultur, Kulturen sind grün (~ die tocharische Afanasevo-Kultur die Copper-Hoard-Kultur und die PGW-Kultur sind Kan- (> 84: Karte),die Srubnaya-Kultur und die baktrisch- didaten für die indo-arischen Völkerwanderungen.“ margianische Oasenkultur).“ Karte & Zitat in: Wikipedia. Karte & Zitat in: Wikipedia. Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 83

DIE SRUBNAYA- UND DIE ANDRONOVO-KULTUR UND DIE „HUNDSTAGE“ IM WINTER 83

der Syr Darya und seine beiden Quellflüsse, der Naryn und der Karadarya. Alle drei zu- sammen formen das große „Mesopota- mien” Zentral-Asiens. Früher erreichten den Syr Darya noch zahlreiche Nebenflüsse, die heute aber alle in Bewässerungskanälen „verschwinden”. Das Fergana-Tal ist im Nor- den, Osten und Süden von hohen Gebirgs- ketten umgeben und gibt so das Bild einer relativ isolierten Region. Heute liegen Teile des Tals in drei verschiedenen Staaten: Us- bekistan, Tadschikistan und Kirgisien. Die Bronze-Zeit scheint hier später eingesetzt zu haben, als anderswo bereits die Eisenzeit aufzog. Das spricht für die Isoliertheit, aber Ähnlichkeiten mit anderen Kulturen relati- vieren diesen Eindruck: Auf einer Kleiderfi- bel ist eine Frau zu sehen, die eine Kuh melkt, vor der das Kalb steht - die Anord- nung zeigt, dass das Muttertier wahrschein- lich nicht ans Melken gewöhnt ist: Fast iden- tische Gegenstände hat man in der Hissar-3- “The seasonal circulation of people and animals Kultur und in Baktrien gefunden. Weitere between three different places in the Srubnaya land- Beispiele lassen die Archäologen deshalb scape: 1. a permanent settlement at Krasnosamaras- von einem interkulturellen Stil für diese ers- koe; 2. a cemetery next to the settlement; 3. herding te Periode sprechen im Fergana-Tal (Kohl, camps up to 25 km away, at the sites of Peschanyi Dol 188-9), die von -1.540 bis -1.190 datiert wird. 1, 2 and 3; ... dogs were present in the herding camps.“ Obwohl genügend Beweise für Landwirt- Karte & Zitat in: Anthony u.a.: Samara Valley Project. schaft vorliegen - man geht sogar von einer „Überproduktion” aus -, konnte sie nur im Fergana-Tal und nicht weiter südlich nach- scher sind beeindruckt von den vielen Ge- gewiesen werden. Man fand Knochen von meinsamkeiten angesichts der riesigen Rind, Schaf, Ziege, Esel, Pferd, Kamel und Fläche, die diese Kultur abdeckt. Von ihr sind möglicherweise auch vom Schwein, aber wohl auch die Kontakte ausgegangen, die 40% der Knochenreste stammen von lang- über mehrere Jahrhunderte des -2. Jahrtau- hornigen Rindern und Pferden. Der Speise- sends in verschiedenen Schüben die Oasen plan wurde durch Jagd auf Gazelle, Wildesel im Süden Zentral-Asiens erreicht haben (> und Saiga-Antilope und durch Fischen ver- links: Karte). Pferdeknochen, Pferdestatu- vollständigt. Der „Typus” dieser Viehzüchter etten, Geräte aus Pferdeknochen geschnitzt war europäisch-ostmediterran und nicht und der Wagen weisen die Menschen dieser mongolisch. Man glaubt, dass dieses Volk ei- Kultur vermutlich als schon iranisch beein- ne ost-iranische Sprache hatte, da später in flusst aus. Obwohl damit eine fortgeschrit- der Eisenzeit und während des -1. Jahrtau- tene Patriarchalisierung anzunehmen ist, sends eine ost-iranische Sprache in der Regi- wurde südöstlich von Samarkand ein sehr on nachgewiesen ist. Man nimmt an, dass reichhaltiges Frauengrab entdeckt. Neben die Fergana-Leute dieser Periode transhu- Viehzucht wurde wohl auch Landwirtschaft mante Hirten waren, die ihre auf Bergen an- betrieben. Im Fergana-Tal, das mehr als 300 gelegten und befestigten Siedlungen nur km lang und 60 bis 140 km breit ist, fließen saisonal genutzt haben (Kohl, 191). Aller- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 84

84 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

Die Verteilung indo-europäischer Sprachengruppen um -1.000: Die indo-iranische Gruppe hatte die größtmögliche Anzahl an Kontaktmöglichkeiten mit nicht-indo-europäischen und zudem hundemythologisch konnotierten Kultu- ren des östlichen Eurasien. In: Mair, „Die Sprachamöbe“, Karte 8.

dings müssen sie auch Handelskontakt mit Die Hunde-Rituale und ihre ostasiatischen Völkern, z.B. in Xinjiang, ge- indo-europäischen Varianten habt haben. Vielleicht sind die Fergana- Leute das erste Beispiel für die „Völkerwan- Die Entdeckung von Hunderitua- derungen“ von Ost nach West oder Süd, so len in der Andronovo-Kultur war für die wie später die wahrscheinlich iranisch spre- russischen Archäologen wie für ihre inter- chenden Yueh-chih von den Hunnen im -2. nationalen Kollegen vielleicht ein heil- Jahrhundert vertrieben wurden. Sind die samer Schock, bringt sie sie doch zu einem Fergana-Viehzüchter identisch mit den erneuten und intensiven Nachdenken Hunde-Jung (~ Hunde-Barbaren; > 657-63)? über die alltäglichen und symbolischen

Die Kreisdiagramme zeigen die jahreszeitliche Verteilung der Schlachttiere in Krasnosamaraskoe. In: Anthony u.a.: Samara Valley Project. Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 85

DIE SRUBNAYA- UND DIE ANDRONOVO-KULTUR UND DIE „HUNDSTAGE“ IM WINTER 85

“Plan of Krasnosamarskoe structure showing all locations of seasonal finds determined by incremental banding on animal teeth.“ Skizze & Zitat in: Anthony u.a.: Samara Valley Project.

Funktionen des Hundes bei den frühen We have made some fascinating disco- Indo-Europäern. Auch erregen die Paralle- veries to work with, including the first len zu Hinweisen im Rig-Veda weithin ever example of a Srubnaya dog sacri- Aufmerksamkeit: fice ritual, a ceremony possibly referred Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 86

86 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

to in the Rgveda, a Srubnaya well with been concentrated near the floor of the waterlogged, perfectly preserved woo- structure (levels 6 and 7) in an arc south den artifacts in the bottom ; three bu- and east of the probable Srubnaya- rial mounds; and a variety of other period well, Pit 14 (this observation re- Srubnaya sites. There is a large litera- quires confirmation from ongoing ture about the possible connection be- intra-site distribution analysis). The tween this new kind of LBA (~ Late photographs (> rechts) show how these Bronze Age) steppe culture and the bone scatters appeared ... Aryans who composed the Rgveda and Avesta the earliest writing of the Hindu Then why do we have 40% dog bones? and Zoroastrian religions. Some of the Androvono people certainly spread Microscopic study of the dogs´ teeth by southward across Central Asia to the Anna Pike-Tay at Vassar College might edges of the Iranian plateau and their suggest an answer ... Anne Pike-Tay and descendants might well have continued her students ... analyzed a sample of the into Iran and India about 1650 - 1500 BC animal teeth from Krasnosamarskoe where the Rgveda and Avesta were and from Peschanyi Dol 1 (> 83: Karte) compiled in the following few centu- to detect indications of the season of ries. The Srubnaya settlement site at death from incremental banding in the Krasnosamarskoe in the Samara River cementum of the tooth roots. Her com- Valley (> 83: Karte) have yielded a vast parison of the seasons of dog deaths amount of kurgan graves and bone arti- with the cattle and sheep/goat deaths facts and bronze tools similarly found in revealed that while the cattle and India. But the profound surprise was sheep/goat were slaughtered year- the species of the animal bones inside round, winter and summer, 93.3 % of the structure at Krasnosamarskoe. the dogs were killed in the winter. The About 40% of the bones were from dog deaths cluster in two seasonal dogs. The majority of the bones were from sheep, goats and cattle, the re- mains of ordinary daily meals - just what we were looking for. Preliminary microscopic studies of season groth pat- terns on the animal theeth suggest that the cattle and sheep were butchered year round, so the Krasnosamarskoe settlement was not used just seasonal- ly, it was occupied all year, a vital piece of information. The dogs, however we- re unique. Dog bones are found at al- most every Srubnaya settlement, but never account for more than 25% of the bones, usually less than 1%. It is therefore pretty well established that the Srubnaya people did not ordinarily eat dogs ... At least 18 dogs were but- chered (MNI ~ Mindestanzahl der Indi- viduen), and probably many more. They occur more or less throughout the struc- ture and in all levels, but seem to have Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 87

DIE SRUBNAYA- UND DIE ANDRONOVO-KULTUR UND DIE „HUNDSTAGE“ IM WINTER 87

Nicht nur kynosophisch, auch archäologisch aufregend: “The photographs ... show how these bone scatters (von min. 18 Hunden) appeared in Units L3 and L4, north and east of Pit 14. L4, on the left, is shown with the next level half-ex- cavated on the right.A dark posthole can be seen in the floor of L3 on the right.” In:Anthony u.a.: Samara Valley Project.

groups, one probably around the win- mit je einem Hund gezeigt), it suggests ter solstice (winter 1; > 86 unten) and both a large crowd (many portions) and another in mid-February to mid-March a complex ritual marked by dog and (winter 3; > unten). At least one cow cattle sacrifices ... Our four consulting was killed during each winter-season archaeozoologists, led by Nerissa Rus- dog killing event (both winter 1 and 3). sell at Cornell University agree that the If the cattle and dogs were part of the method used to butcher the dogs was same event (auf der Innenseite des Gun- highly standardized and quite different destrup-Kessels werden vor der Initiati- from the way the cattle or sheep were ons-Szene drei rituelle Rindertötungen butchered. The butchering of the dogs is difficult to explain functionally so it seems to have been determined by ri- tual. The dogs were chopped into very small pieces with single strong blows

“On the left specimen, the upper teeth can be seen still in the bone, and the lower curve of the right eye socket can be seen just above the upper teeth. The other two pieces are cut in exactly the same places, but are from the left sides of two other dog skulls.” Foto & Zitat in:Anthony u.a.: Samara Valley Project. Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 88

88 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

from a metal axe ... The dog bones re- dog skins and carcasses that had been covered from the pits in the floor of the used in a ceremony that was itself con- structure show skinning and dismem- ducted elsewhere, perhaps in the hou- berment marks, and were broken (for se now on the bottom of the lake. In the marrow?) like those of cattle and sheep. photograph (> 87 unten), the standar- The dog heads, which are over-repre- dized nature of these cuts can be seen sented compared to other body parts ... This portioning of the sacrifice into (vgl. den Hundeschädel im nordameri- small, exactly equal portions, disregar- kanischen Kriegs-Zeremoniell; > I, 466- ding what we would see as edible/non 8) were roasted or burned and then ca- edible distinctions, is typical of many ri- refully chopped into 10 - 12 small, neat, tual animal sacrifices around the world, almost identical segments with axe blo- and could mean that the dog pieces we- ws ... One standard cut was down the re meant to be shared among cele- middle of forehead at the intersection brants at a ritual. The Krasnosamarskoe of the frontal bones. The palate was dog bones were burned and at least chopped longitudinally into thirds. A some were roasted with the flesh on. standard transverse cut was from the We seem to have the first known case of orbit to the middle of the tooth row. a strange Srubnaya winter dog sacrifice. The back of the skull is also chopped in- to neat segments, and the mandible But why did they sacrifice dogs in the chopped in half. This complicated series winter? of axe cuts was repeated in the same way for each dog head. It required prac- Maybe we have a clue in the Rgveda. tice and skill. Since it had no functional The poems and hymns of the Rgveda purpose, and was used only on the dog were compiled about 1500 - 1200 BC in heads, not cattle or sheep, it almost cer- the Punjab region of India/Pakistan by tainly was a ritual act. The pattern of pastoral tribes who, in their songs de- burning, chiefly on the teeth and al- scribed their memories of invading the veoli, shows that the chopping happen- Punjab from the east, probably from ed after roasting/burning, since the eastern Iran and Afghanistan - places chopped surfaces do not exhibit bur- mentioned in their poems. Chariot dri- ning. Some of the cattle heads also we- ving chiefs who knew precisely the sa- re chopped, but only to open the mu- me gods, moral concepts and even spo- zzle, a functional part of normal but- ke the same dialect as the Rgveda ap- chering (particularly to obtain the ton- peared historically about 1500 BC, gue). Cattle heads were not chopped perhaps as mercenaries in Syria among into small pieces of equal size. The ca- the literate Mitanni (> 77: Karte). They reful segmenting of skulls into pieces of were probably a far western offshoot of 3 - 4 cm size is unique to dogs. There is the same tribes that were then moving very little meat on most of these pieces. eastward into the Punjab. Both could This suggests that it was necessary to be connected with the archaeological segment not so much the meat as the Androvono more distantly with Srub- substance of the dogs, especially their naya. It might seem a long stretch. But heads. The postcranial remains were there are references in the Rgveda to a not chopped into such tiny pieces. The- dangerous group of dice casting sorce- re was something special about the rers called “dog priests”, Vratyas (> 5. dogs´ heads. We suggest below that the Kapitel). They lived on the margins of ritualized chopping of the heads might society, but were responsible for con- have been conducted to de-sacralize ducting a 12-day ceremony at midwin- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 89

DIE SRUBNAYA- UND DIE ANDRONOVO-KULTUR UND DIE „HUNDSTAGE“ IM WINTER 89

ter to bring back the sun. The Indologist Aryans and Indoeuropean peoples as Harry Falk thinks that this ceremony they traveled (> 84: Karte) and sear- might be an ancient Scandinavian Twel- ched for the rich empires of the south ve Nights of Christmas, originally a pa- (Anthony u.a. - users.hartwick.edu/ant gan festival during which the god Odin honyd/ritual.html - posted on 05-Aug- roared as a hunter through the forests 07; kompiliert von mir aus verschiede- with his dogs. The Vratyas were consi- nen Beiträgen; Hervorhebungen von dered dangerous sorcerers by the poets mir). and priests who compiled the Rgveda, perhaps because they represented an Meine These im 1. Band der 2003 begonne- older pre-Vedic, shamanic element in nen Kynosophischen Zeitreise wird 2007 so Indo-European religion. At the Krasno- bestätigt, wie ich es mir nur wünschen kann: samarskoe settlement inside the same Das paläo-asiatische Neujahrsritual im Mitt- structure with the sacrificed dogs we al- winter mit den good-luck-visits und den so found dice polished from use, made Heischegängen und dem Stehlrecht der Ju- of sheep ankle bones, also found in Rg- gend ist zuerst bärig und dann nachhaltig vedic society. One last interesting aspect hündisch konnotiert. Meine Analogies- of the Vedic mythic evidence is that the chlüsse von paläo-sibirischen zu nord- dog priests are assigned to a morally amerikanischen Hundezeremoniellen sind ambiguous space on the periphery of nicht weit hergeholt, und meine These, dass the social order. The poorer occupants es sich dabei um ein wahrscheinlich schon of the Krasnosamarskoe settlement im späten Paläolithikum entwickeltes Basis- perhaps were the kind of people who- zeremoniell handelt, das mit der Wande- se traditions were not preserved in the rung nach Nord-Amerika importiert wurde, Rgveda, except as a vague and distaste- klingt nun auch nicht mehr zu gewagt - die ful memory retained principally in ha- Übereinstimmungen sind zu detailliert, als bitual insults (´dog sorcerers´ is used as dass man ein gemeinsames Basismodell fürs an insult in the Rgveda) and stories of irokesische Mittwinter-Zeremoniell des wandering holy men. This second Rgve- Weißen Hundes mit diesem proto-indo- dic myth realized on the Androvono europäischen Mittwinter-Zeremoniell noch steppes only further reinforces the step- bestreiten könnte - so wie die Irokesen das pe character of the Vedic Aryans of In- Zeremoniell für ihre bereits agrarisch aus- dia ... One continuous and unifying fac- gerichtete Kultur modifiziert haben, so ent- tor that binds the Vedic Aryans and Rus- wickeln die nomadisierenden Proto-Indo- sian steppe life are the horse and cha- Europäer ihre eigene Hund-und-Rind-Vari- riot and its accoutrements, certain bone ante, wie sie später noch im RigVeda er- and bronze tools, diet similarities found wähnt wird (> 386). Das irokesische wie das throughout the Russian steppe archae- proto-iranische Zeremoniell sind Mittwin- ological sites and grave sites, the va- ter-Zeremonielle, und das indo-indo-euro- rious similar artifacts, dietary similari- päische Zeremoniell war ties and rites and customs all define the Androvono strain tell tale of Vedic India associated with the beginning of the and its close archaeological relations- new year at the winter solstice, when hip with the steppes of Southern Russia. boys were initiated into manhood and Every dig, every archaeological site dis- became warriors. The symbols of the ri- covered, every piece of artifact scrutini- tual were dogs and/or wolves, accom- zed from the northern end of the step- panied by cow sacrifices. No archaeo- pes to China’s Urumchi mummies to the logical evidence of such a ceremony has Punjab of India, exposes the trail of the been reported before now. The Krasno- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 90

90 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

samarskoe settlement seems to contain and another two or three months later ... the first reported archaeological evi- the ceremony took place near a cemetery dence for this ritual ... the principal cere- (je nach Weltregion im Süden des Dorfs; mony occurred at the winter solstice, but > 239); the Krasnosamarskoe settlement there was also a second phase of the ce- was unusually close to a Srubnaya ceme- remony later in the year; at the Krasno- tery (> VI: Werwölfe und Leichen- samarskoe settlement one cluster of dog schmaus). One of the functions of the re- deaths can be correlated with the solstice constructed Proto-Indo-European mid- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 91

DIE SRUBNAYA- UND DIE ANDRONOVO-KULTUR UND DIE „HUNDSTAGE“ IM WINTER 91

Links: Die Anthesterien (> 375 & > VI),die griechische Variante des Winter-Zeremoniells: Der hündisch konnotierte Hermes (> III, 104 & 429-30) zaubert mit einem „rhabdos“ (~ ein langer, hölzerner Stab) die Seelen der jüngst Gestorbenen aus den Gräbern. ”The waterlogged well deposit inside the structure at Krasnosamarskoe (Pit 10) contained at least two, winter ritual was to initiate young men perhaps four long wooden poles or wands with into the warrior category (Männerbün- notched ends, the only finished wooden artifacts in de, Koryos), and the principal symbol of the well. Oben: “...one of the wands ... recovered from this initiation was the dog. The dog was the bottom of the well, Pit 10.” > 90: “... the full length the symbol of death - multiple dogs or a of the wand; a fragment of another carved end piece multi-headed dog (Cerberus, Saranyu; > just to its left, from another wand; and other 156-9: Die Hunde der Sarama ~ Yamas fragments of wood from the well Bottom.” Abbildun- Hunde) guarded the entrance to the gen & Zitat in: Anthony u.a.: Samara Valley Project. Afterworld. At the mid-winter initiation ceremony young men witnessed the death of both the old year and their old the chief deity of the Mannerbünde, who identities, while as warriors they would were initiated at Yuletide and wore the become men who fed the dogs of death skins of dogs or wolves. In the Roman Lu- by killing enemies ... percalia, an obscure and archaic Roman ceremony conducted in mid-February, Die verschiedenen indo-europäischen young male celebrants chosen from the Völker diversifizieren das proto-indo- best families ran naked around the walls europäische Hunde-Zeremoniell auf ihre of the old Palatine city of Rome with Weise und ich werde sie im 6. Band analy- thongs made from the skins of sacrificed sieren - hier mag eine kurze und sehr dogs and goats, drawing a magical unvollständige Vorschau zusätzlich zur Vari- boundary around the oldest part of the ante der indischen Vratyas genügen: city. The Krasnosamarskoe settlement was bounded by a shallow ditch (vgl. > VI: In Germanic traditions, during the Twel- Windmill Hill) that stood between it and ve Days of Christmas Odin roared the cemetery, perhaps a parallel for the through the forest in the guise of a hun- magical boundary-marking of the Luper- ter with his pack of dogs; Odin also was calia. All of these ceremonies were close- Band_5_1.Kapitel A Version 32 > 50-2 24.06.2008 14:26 Uhr Seite 92

92 1. KAPITEL · FRÜHE ZEUGNISSE DES HUNDES IN WEST- UND ZENTRAL-ASIEN

ly linked to other ceremonies that pro- skins before they were discarded (An- pitiated the spirits of the dead and puri- thony u.a., in: www.users.hartwick.edu/ fied the lives of the living ... The Anthes- anthonyd/ritual.html). teria (> 91 & > VI), a related ceremony of ancient Greece also conducted in mid- Die beiden Cluster in Krasnomarskoe, das February, also propitiated the spirits of eine um die Wintersonnenwende, das an- the dead. In this season Hermes (> 91 dere zwischen Mitte Februar und Mitte oben links) conducted the souls of the ne- März, können gedeutet werden als Initia- wly-dead out of their graves with a sim- tionsritual der Jungmänner mit anschließen- ple wooden stick, a magical wand called dem Trainingscamp für den Terrorismus, den the rhabdos. The waterlogged well de- die Junghirtenkrieger als koryos (> 197) bzw. posit inside the structure at Krasnosa- Männerbund nach dem zweiten Ritual zwi- marskoe (Pit 10; > 85: Plan) contained at schen Februar und März in ihrem kriege- least two, perhaps four long wooden po- rischen Halbjahr (> 444-8) zelebrieren (dazu les or wands with notched ends, the on- viel mehr im 6. Band). Der Hund als Identifi- ly finished wooden artifacts in the well (> kationsfigur bzw. sein Protom verleiht dem 92; ein Phallussymbol; > III, 106: Abb. 30). Jungkrieger jene berserkerhafte Einstellung, The image of the rhabdos on the Greek mit der er sich unverwundbar wähnt. Der vase (> 91) was taken from a discussion of Fundplatz in Krasnomarskoe wird von An- the Anthesteria in Harrison´s classic 1903 thony u.a. als Ort des Reinigungszeremoni- book on Greek rituals; the image (> 91 ells nach dem Kampf interpretiert. Entfaltete oben rechts) is one of the wands we re- Reinigungs-Zeremonielle können wir bei den covered from the bottom of the well, Pit Hethitern (> 421-43) und Makedoniern wie- 10 ... Archaeological evidence for an dersehen. Demnach wäre der Fundort von Indo-European midwinter dog-sacrifice Krasnomarskoe eine Art Abklingbecken für has not been found before. Unique cases erhitzte, d.h. barbarisierte Jungkrieger ge- are notoriously difficult to interpret. But wesen, die sich hier auf die Rückkehr in die at least three separate lines of evidence Gesellschaft der Erwachsenen vorbereiten. Es converge on a ritual interpretation of the spricht also nichts dafür, die beiden Cluster dogs: the ceremonial butchering of the der Hundezeremonielle als eine Art „Arme- dogs´ heads, contrasted with that of the Leute-Ritual“ misszuverstehen, wie dies An- other animals; the winter season of thony u.a. vorschlagen. Noch etwas passt in death for the dogs, contrasted with the ihrer Theorie nicht zusammen: Die Desakra- year-round slaughter of cattle; and mul- lisierung von Hunde-Protomen, getragen tiple correlations with a midwinter dog- von Junghirtenkriegern nach dem kriege- centered initiation/purification ritual re- rischen Halbjahr, widerspricht der Tatsache, constructed by Indo-Europeanists. The dass die Hunde frisch geschlachtet waren. excavated structure seems to have been Eher spricht der Schädelfetischismus dafür, a normal outbuilding for a normal ... dass man(n) sich die „wilden“ Fähigkeiten Srubnaya settlement during most of the des Hundes einkörpern wollte vor dem time it was occupied. But at midwinter it Kriegszug. Auch der Fund von Würfeln indi- also served as the sacred compound for a ziert eher die Wahl eines Anführers der Jung- mid-winter initiation ceremony, or, more kriegerschar, der „Hund“ genannt wurde. probably, was the place where the refuse Doch bevor wir uns den hundeköpfigen from this ceremony was dumped and bu- Junghirtenkriegern der Indo-Europäer zu- ried after the ceremony was finished. The wenden, setzen wir im 2. Kapitel die Reihe burning and careful segmenting of the der Zeugnisse des Hundes im Iran fort - aus dog heads could have been a way of ´kil- der Zeit vor den Achämeniden bis in unser 19. ling´ or de-sacralizing ritually-worn dog Jahrhundert.