GEMEINDEBRIEF MAI · JUNI · JULI 2020 ©Almgren - Stock.Adobe.Com ©Almgren
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
GEMEINDEBRIEF MAI · JUNI · JULI 2020 ©Almgren - stock.adobe.com ©Almgren WEIT WEG – NAH DRAN Distanzen überwinden Vertrautes wahrnehmen Kontakte bilden Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde WanzkaRUBRIK AN(GE)DACHT - stock.adobe.com ©Almgren Wie, um Gottes Willen, kann etwas nah aber sind wir uns deshalb auch fern? Ich sein, wenn es doch weit weg ist? Wie meine, sind wir uns deshalb auch zwangs- kann mir jemand nahe sein, wenn er doch läufig innerlich und im Glauben fern? gar nicht in meiner Nähe ist? Für mich Verbindet uns gar nichts? Gibt es keine scheint das ein absoluter Widerspruch zu Verbindung zwischen den Frauen und sein. Männern aus Liepen im Westen mit denen Wenn ich auf unsere neue Kirchenge- aus Fürstenhagen im Osten, keine zwi- meinde schaue, bekommen die Worte schen den Kindern und Jugendlichen in „weit weg“ und „nah dran“ noch einmal Quadenschönfeld im Norden mit denen in eine ganz andere Dimension. Unsere Kir- Mechow im Süden? chengemeinde hat eine Ausdehnung von Durch unseren Glauben sind wir mitein- 50 km vom westlichsten zum östlichsten ander verbunden. Wir sprechen die glei- Ort und 30 km vom nördlichsten bis zum chen Gebete, singen die gleichen Lieder. südlichsten. Und schaue ich mir auf einer Und dennoch frage ich mich, wie aus die- Landkarte an, wo diese Orte liegen und ser geistlichen Verbundenheit eine emp- welche Wege und Strecken zwischen ih- fundene Nähe zueinander über große nen überwunden werden müssen, sind Entfernungen entstehen kann. Nähe ent- wir Gemeindeglieder weit voneinander steht durch Begegnung, sie wächst durch entfernt. Nähe sieht für mich anders aus. Zutrauen und Vertrauen. Nähe zueinander Für die räumliche Distanz trifft das zu, muss reifen, sie muss entstehen und sich 2 GEMEINDEBRIEF MAI · JUNI · JULI 2020 entfalten können. Wir müssen ihr Zeit ge- respektieren, miteinander im Gespräch ben, damit sie verströmen und sich aus- sind und uns mit Achtung begegnen. Das breiten kann. Nähe fordert von uns einen alles darf auch reifen und muss nicht auf behutsamen und achtsamen Umgang, sie Anhieb gelingen. fordert das Zuhören und Verstehen, das So langsam löst sich der Widerspruch Lachen und Weinen, das Wollen und Er- zwischen weit weg und nah dran für mich möglichen. auf. Ja, für mich! Es liegt an mir, ob ich Nähe entsteht nicht auf Knopfdruck und nur die Ferne will oder ob ich nah dran sie lässt sich auch nicht im Onlineshop sein möchte. Es liegt an mir, ob ich nur bestellen. Menschliche Nähe, also das die räumliche Entfernung betrachte und vertraute Miteinander, lebt von Men- bedaure, oder ob ich die innere Distanz schen, die Nähe zulassen. Auch über eine überwinden möchte. Es liegt an meiner größere Entfernung kann das Interesse Einstellung, ob ich in der räumlichen Ent- füreinander entstehen und wachgehalten fernung Trennendes sehe oder auch eine werden, können neu entstandene Bezie- Chance auf Gemeinsamkeit entdecke. Kir- hungen gepflegt werden und ein Gefühl che und Glaube sind lebendig, vor Ort er- der Zugehörigkeit entstehen. Nähe kann fahrbar und entwickeln eine gute Strahl- aber nicht erzwungen werden. Auch das kraft. In unserer neuen Kirchengemeinde ©Almgren - stock.adobe.com ©Almgren Warten und Abwarten auf eine Möglich- liegen dafür Chancen, wir müssen sie nur keit muss ausgehalten werden. Es kommt sehen und nutzen wollen. nicht darauf an, wie lange der Prozess dauert. Es kommt viel mehr darauf an, Alexander Hanisch, dass wir uns einander ernst nehmen, uns 2. Kirchengemeinderatsvorsitzender WEIT WEG – NAH DRAN BEGEGNUNGEN IN DER FREMDE Was bringt einen dazu, regelmäßig in der damaligen DDR so fern. Sie war so eine staubige, unspektakuläre Gegend fern, weil die Menschen so fremd waren, Äthiopiens zu reisen? weil es nichts zu geben schien, was mit Als Kind habe ich abenteuerliche Ge- meinem Leben zu tun haben könnte. Den- schichten über Äthiopien gelesen und im noch zog es mich an. Weltatlas meines Vaters Bilder von fremd- Dann ergab es sich, dass ich über den artig anmutenden Menschen gesehen, Verein HilfsWaise e.V. für 3 Monate nach deren einzige Kleidung ihre Körperbema- Äthiopien kam. Der Verein vermittelt Pa- lung war. Diese Welt war nicht nur wegen tenschaften, damit Waisenkinder behütet der eingeschränkten Reisemöglichkeit in aufwachsen können. Ich begleitete ein WEIT WEG – NAH DRAN 3 Projekt. Ferner und fremder konnte diese musste geflickt werden. „Lieber Gott, ma- Welt für mich nicht sein. Ich kam als Mann che, dass einmal etwas klappt“, stieß ich in ein Nonnenkloster. Ich konnte mit kei- verzweifelt hervor, es konnte ja niemand nem Wort der amharischen Sprache ir- verstehen. Dann kam der Tag, an dem gendetwas anfangen, geschweige denn, auf 300 Metern junge Mangoldpflanzen es aussprechen. eingesetzt wurden. Die Sonne brannte Ich hielt mich an der Arbeit fest. Eine unbarmherzig. Der heiße Wind wehte Tröpfchenbewässerungsanlage sollte in- schon mittags die vertrockneten Pflan- stalliert werden, um die Kinder trotz der zen fort. Ich versuchte enttäuscht noch Trockenheit mit frischem Gemüse versor- etwas zu retten. Da kam eine der Nonnen gen zu können. Die Gräben wurden nur und sah mich fragend an, „Was ist los?“. langsam fertig. Schon ab 10.00 Uhr stie- Ja, sieht sie es nicht? Ich zeigte ärgerlich gen die Temperaturen auf 37 Grad. Der auf die vertrockneten Pflanzen. Sie zeig- Boden war steinhart. Den Kompost muss- te lächelnd auf zwei letzte grüne Pflänz- te ich mühsam aus einer Grube holen und chen. „Die sind gut. Die Sonne scheint auf in Säcken tragen. Als die Anlage installiert deinen Kopf, das ist nicht gut“, holte mir war, reichte der Wasserdruck nicht aus. einen Stuhl und deutete, ich solle mich Der Tank musste höher aufgestellt wer- in den Schatten setzen. Das gab mir den den. Dann hatte der Schlauch Löcher und Rest. Wozu plage ich mich hier eigentlich, wenn doch alles egal zu sein scheint? Jeden Abend singen die Kinder vor der Kirche etwa eine Stunde die Abendmesse. Es ist ein festes Ritual geworden, dass ich mitgehe, zuhöre und in meiner Bibel lese. Matthäus 6:19 „Ihr sollt euch nicht Schät- ze sammeln auf Erden, da sie die Motten und der Rost fressen“ Plötzlich kommt dieser Text auf mich zu. Wofür habe ich mich wochenlang wirklich geplagt? Ich wollte erfolgreich sein. Heute auf dem Feld habe ich nicht gemerkt, dass die Non- ne sich Sorgen um mich machte. Das wir uns als Menschen begegnen, ist wichtig und das haben wir in der Hand, war ihre Botschaft. Das Gemüse ist die Zugabe. Seit 8 Jahren fahre ich nun in das Wai- senheim. Ich lebe einige Wochen mit den Nonnen und Kindern zusammen. Es ist wichtig, dass ich wiederkomme, dass ©Stefan Falk ©Stefan ich ihre Namen erinnere, dass ich mit ih- nen ihre Sprache lerne, das gleiche Essen 4 GEMEINDEBRIEF MAI · JUNI · JULI 2020 ©Stefan Falk ©Stefan esse, mit ihnen unter der Sonne leide und Elisabeth …“ Plötzlich leuchten die Au- mich an Dornen verletze. Es ist wichtig, gen auf. „Elisabeth?“ Kalkidan zeigt, wie dass ich mit ihnen spiele und arbeite. Ich das kleine Kind im Bauch strampelt. Das darf sogar typische Frauenarbeiten ver- Lied kenne sie auch, ich solle zuhören, sie richten (Holz und Wasser holen, Kochen) singt „desjibalesh, desjibalesh …“. Wir ha- – zumindest kurz. ben die gleichen Geschichten. Über diese Die Kinder genießen es, mit mir am Sonn- biblische Geschichte verstehen wir uns. tag durch das Klostergelände zu gehen. Es war ein wunderschöner Nachmittag. Wir lernen neue Wörter oder entdecken Am letzten Abend wird nach dem Essen etwas. Diesmal singen sie ein Lied, ich der Reisesegen gesungen. Danach gibt es soll es lernen. Dann bittet Kalkidan mich, 3 Extralieder. Es ertönt „desjibalesh …“. ein deutsches Lied zu singen. Mir fällt ein Weihnachten ist längst vorbei. Kalkidan „Maria durch ein Dornwald ging“. Was es sieht mich auf eine Art an, die ich nicht bedeutet will sie wissen. Gestikulierend vergessen werde. „Verstehst du die Bot- und mit den mir bekannten Worten ver- schaft?“ suche ich den Inhalt wiederzugeben. Es Da musste ich so weit fahren, um Gott und mag sich etwa so angehört haben: „Ma- den Menschen so nahe sein zu können. ria …, gehen, Dornen, unten durch, Bäume ganz viele, kleines Kind … Bauch drin“. Stefan Falk, Zippelow Fragende Augen sehen mich an. „Cousine auch kleines Kind Bauch drin“. Die Augen Mehr Informationen unter blicken zunehmend skeptisch. „Cousine www.Hilfswaise.de WEIT WEG – NAH DRAN 5 UNSERE ÄLTESTEN ÜBER DIE FUSION EIN INTERVIEW MIT IRMELA HÜMMER (79) AUS PECKATEL UND LYDIA HINZ (77) AUS USADEL Fey: Frau Hümmer und Frau Hinz, Sie Hümmer: Und wir wurden überall herz- beide sind die ältesten Personen des lich empfangen. Alle, die uns dort begeg- neuen Kirchengemeinderates Wanzka net sind, hatten immer ein Lächeln auf und mitverantwortlich für die Fusion den Lippen. Und wenn ich als Küsterin der ehemaligen hiesigen vier Kirchen- in Peckatel nur an die neue Altardecke gemeinden. Was wünschen Sie sich von unserer Kirche denke. Dieses wunderbare der Fusion? Handwerk von Frauen aus der Kirchen- Hinz: Ich wünsche mir, dass die Fusion gut gemeinde Rödlin-Warbende hätten wir gelingt und dass wir alle gut zueinander nicht, wenn wir uns nicht kennengelernt finden und sich alle vier Kirchengemein- hätten. Ich musste die zwei Frauen ein- den als eine Gemeinschaft empfinden fach drücken, so freute ich mich über das werden. Wir unternehmen ja schon viel Geschenk. zusammen. Noch macht es mir nichts aus nach Feldberg, Wanzka oder Rödlin Fey: Ich erinnere mich aber auch an die zu fahren. Ich habe es in den vergange- Skepsis zur Fusion der Kirchengemein- nen zwei Jahren nie bereut, diese weiten den, die ich durchaus verstehen konnte. Wege auf mich genommen zu haben. Wie erging es Ihnen beiden damit? Hinz: Wenn ich ganz ehrlich bin, war ich beim Gedanken an eine Fusion überhaupt nicht begeistert. Das konnte ich mir nicht recht vorstellen. Das wollte ich gar nicht und dachte, das ist nicht so gut.