1 Einleitung
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Public Health Studie BBT Department für Hygiene, Mikrobiologie und Sozialmedizin Sektion Sozialmedizin, Medizinische Universität Innsbruck 1 Einleitung 1.1 Ansatz und Ziele der Gesundheits („Public Health“) Studie Die politische Bedeutung der Bahnverbindung zwischen München und Verona ist in diversen verbindlichen Plänen und Programmen auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene ausgeführt. Als verknüpfendes Beispiel für die Verbindung zu Gesundheit und Lebensqualität kann das „Weissbuch Verkehr“ der Europäischen Union gelten, in welchem steht: “Die Lebensqualität der Bewohner Tirols bzw. Südtirols ist durch den kontinuierlichen und zunehmenden Lkw-Verkehr gefährdet; innerhalb eines akzeptablen Zeitraums ist daher über den Bau des neuen Brenner Tunnels (München-Verona) zu entscheiden”. Die vorliegende Forschungs-Studie wurde von der BBT-SE in Auftrag gegeben, um die Auswirkungen der aktuellen Verkehrssituation auf die Gesundheit und die Lebensqualität der im Projektraum lebenden Menschen vor („Ist-Situation“) und nach der Realisierung des Vorhabens („Szenarien“) zu beschreiben. Die Erfassung des aktuellen Standes der öffentlichen Gesundheit und die Abschätzung der möglichen direkten und indirekten Auswirkungen des Projektes auf die Bewohner des Projektbereichs ist eine der Teil-Voraussetzungen für die Projekt-Genehmigung im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung zum „Schutzgut Mensch“. Verkehr wirkt auf verschiedene Elemente der öffentlichen Gesundheit und der Lebensqualität ein (nächste Abbildung). Obwohl diese Wirkungszusammenhänge sehr komplex sind, können zwei Wirkungskategorien bzw Wirkungsrichtungen unterschieden werden: Unmittelbare oder direkte Auswirkungen des Verkehrs auf Körper und Psyche der einzelnen Menschen, die zu Erkrankungen, Invalidität und anhaltenden Störungen der individuellen öffentlichen Gesundheit führen und auch Heilungsprozesse negativ beeinflussen können; Auswirkungen des Verkehrs auf die allgemeinen Lebensbedingungen von Menschen (indirekte Wirkungen), insbesondere bezogen auf die Mobilitätsbedingungen, das unmittelbare Wohnumfeld und die Möglichkeiten zur Teilnahme am sozialen Leben. Deshalb war es notwendig, auch Gemeinden, die außerhalb des engeren Einzugsbereiches der geplanten Bahntrasse liegen („alle welche durch die Verkehrslage direkt oder indirekt betroffen sein könnten“) in die Erhebungen mit einzubeziehen. Stand: 03.03.2014 Seite 1 von 95 Public Health Studie BBT Department für Hygiene, Mikrobiologie und Sozialmedizin Sektion Sozialmedizin, Medizinische Universität Innsbruck Um einen pragmatischen Zugang zu diesem komplexen Wirkungsgefüge zu ermöglichen wurde der Forschungsauftrag in Arbeitspakete aufgegliedert. Aufgabe dieser Arbeitspakete war es die verfügbaren und weitere notwendige Daten zu den wesentlichsten Teilbereichen des möglichen Wirkungsgefüges aufzubereiten. Durch die Integration der Daten aus den Arbeitspaketen in den Analysen wurden auf Basis der Literatur dann viele der möglichen Wirkungszusammenhänge überprüft. Abbildung. Schnittfelder zwischen Verkehr, öffentlicher Gesundheit und Lebensqualität (Quelle: EURAC-Research 2005). Die in den Arbeitspaketen (siehe unten) beschriebenen Daten und die Ergebnisse der weiterführenden, integrierten Analysen dienen einerseits als erweiterte Grundlage für die Begutachtung in der UVP und sollen andererseits – für den Fall der Genehmigung des Stand: 03.03.2014 Seite 2 von 95 Public Health Studie BBT Department für Hygiene, Mikrobiologie und Sozialmedizin Sektion Sozialmedizin, Medizinische Universität Innsbruck Projekts – auch Basis für notwendige zukünftige Maßnahmen und deren Überprüfung nach Fertigstellung des Projekts sein. 1.2 Die Arbeitspakete Der Inhalt der Arbeitspakete wurde in Kooperation mit anerkannten nationalen und internationalen Experten abgestimmt und auch zwischendurch (Anpassungen waren notwendig) durch die Experten des jeweiligen Arbeitspakets einer Prüfung unterzogen. Die an dieser Kooperation hauptbeteiligten Institutionen und die Organisationsstruktur sind in der untenstehenden Abbildung dargestellt. BBT — Public Health Arbeitspakete* AP-1: Schall AP-5: Gesundheitsdaten INTEC- Head- IHSM -TU-Berlin Sozialversicherung IHSM AP-2: Luft AP-6: Registerdaten TU-Graz, ISAC/CNR – Turin TILAK-Epidemiologie Prim Egartner AP-3: Epidemiologie AP-7: Gesundheitsökonomie Erwachsene KfV-IHSM-INTEC IHSM –IMAD –INTEC AP-4: Epidemiologie AP-10: Datenintegration Kinder und Berichtlegung IHSM-Kinderklinik-Ibk-Cornell IHSM-EURAC AP-8: GIS-Adaptierung EURAC AP-9: Datenlink Gesamt-Planung: Lercher-IHSM Nachhaltigkeitsindikatoren Integration südliches Wipptal: EURAC EURAC * Mit hauptbeteiligten Institutionen Abbildung. Organisationsstruktur der Arbeitspakete und Hauptbeteiligte 1.3 Wirkungsvorstellungen zum Verkehr 1.3.1 Lärm Die am Immissionsort eintreffende Schallexposition wirkt im wesentlichen über vier Hauptpfade auf den Menschen ein. Die möglichen Wirkungen sind letztlich das Ergebnis einer komplexen Wechselwirkung, die von der Mischung aus individuellen Faktoren, Wohn- und Umweltfaktoren, beruflichen Stand: 03.03.2014 Seite 3 von 95 Public Health Studie BBT Department für Hygiene, Mikrobiologie und Sozialmedizin Sektion Sozialmedizin, Medizinische Universität Innsbruck Belastungen und den mit ihnen verbundenen Bewältigungsmöglichkeiten abhängt. Nicht alle Endpunkte der breiten Palette der möglichen Gesundheitswirkungen des Lärms sind vollständig gesichert und im Detail verstanden. Eine hervorragende Übersicht ist zuletzt vom UBA-Berlin publiziert worden und auch öffentlich im Internet zugänglich (Babisch 2006). Lärm Hauptwege zur Gesundheitsbelastung Schallexposition Maskierung Fordert Störung Psychophysiolog. Ärger akustischer Aufmerksamkeit Aktivierung Hilflosigkeit Information Lenkt ab Angst Kognitive Beeinträchtigung, Belästigung Schlaflosigkeit, Herz-Kreislauf Wirkungen Quelle: Modifiziert nach Miedema 2001 Abbildung: Lärm: Hauptwege zur Gesundheitsbelastung 1.3.2 Luftverschmutzung Der Beitrag der Luftverschmutzung zur Gesundheit durch den Verkehr ist im Detail untersucht und entsprechende Risikoabschätzungen wurden von verschiedenen Institutionen und Regierungen durchgeführt. Während die Pathogenese der Wirkung von Luftschadstoffen auf den Atemtrakt gut bekannt ist sind die erweiterten Wirkungen auf das Herz- und Kreislaufsystem und ihre pathogenetischen Pfade noch z.T. hypothetisch und werden erst in den letzten 15 Jahren systematisch untersucht. Die Amercian Heart Association hat eine gute Zusammenstellung des Status der Erkenntnisse gemacht (AHA 2004). Die Darstellung der möglichen pathogenetischen Wege ist vereinfacht in der folgenden Abbildung wiedergegeben. Stand: 03.03.2014 Seite 4 von 95 Public Health Studie BBT Department für Hygiene, Mikrobiologie und Sozialmedizin Sektion Sozialmedizin, Medizinische Universität Innsbruck Quelle: nach AHA 2004 Feinstaub Exposition Entzündliche Lungen Reflexe ? ? Prozesse in der Lunge Direkte Wirkung Autonomes Systemische Nervensystem auf Herz und Gefässe Entzündungsprozesse Einfluss auf Aktivierung Oxidativer Endotheliale Leitung und Leukozyten und Stress Dysfunktion Repolarisation Blutblättchen Progression der Atherosklerose Akute Herzfrequenz Reaktionsantworten und und Rhytmus Gerinnungsfaktoren Plaque Rupturen Herz- Rhytmusstörungen Herzinfarkt Thrombose Abbildung 1: Pathogenetische Wege der Feinstaub Exposition 1.3.3 Stress und Nachhaltigkeit Lärmbelastung ist ein ebenso gut bekannter Umweltstressor wie Autofahren und Pendeln. Die kombinierte Exposition gegenüber Lärm, Schadstoffen und Stress im Straßenverkehr wird in der neueren Literatur zunehmend als Risiko gesehen. Der Auspendler-Anteil im Untersuchungsgebiet ist hoch und die Ergebnisse der Mobilitäts-Untersuchung und der Risikowahrnehmung bezüglich des Verkehrs haben bestätigt, dass Angst und Hilflosigkeit ständige Begleiter der Mobilität im Alltag des Wipptals sind. Auch der Verkehrssicherheitsbericht hat aufgezeigt, dass im Vergleich mit anderen Alpenübergängen die Verkehrssicherheit der Brennerautobahn abschnittsabhängig eine große Herausforderung darstellt. In den Befragungen zur subjektiven Wahrnehmung der Entwicklung der Verkehrssicherheit wurde dies auch bestätigt. Wie die Kombination dieser Mehrfachbelastungen letztlich zusammenwirkt und welche Menschen besonders darunter leiden ist noch wenig erforscht. Stand: 03.03.2014 Seite 5 von 95 Public Health Studie BBT Department für Hygiene, Mikrobiologie und Sozialmedizin Sektion Sozialmedizin, Medizinische Universität Innsbruck 2 Wichtige Ergebnisse 2.1 Lärmsituation Die Feststellung der Lärmbelastung für das BBT Projekt besteht aus einer Kombination von allgemeiner, standardisierter Beurteilung und lokaler Abschätzung. Letzterer kommt hier ein besonderer Stellenwert zu weil der Verkehr in eine Umwelt eingebettet ist, welche Besonderheiten aufweist, die eine erhöhte Sensibilität für mögliche Wirkungen annehmen läßt (Lercher 1998): Verkehr: 24-stündiger Güterverkehr auf Schiene und Straße Lärmabstrahlung und -ausbreitung: Die großen Steigungen machen den Lärm der Lastkraftwagen sehr auffallend. Die Lärmausbreitung wird durch das umgebende Gebirge, die Talstruktur, die vielen Steigungen sowie durch das typische Mikroklima beeinflusst. Die Dämpfung durch Hindernisse, Bewuchs und Bodeneffekte wirkt sich in Alpentälern weniger stark aus als im Flachland, weil durch die steilen Hänge weit reichende Sichtverbindungen zur Strasse und Bahnlinie bestehen. Die alpentypischen Wetterlagen mit Temperatur-Inversion und/oder Wind führen zu stärkerer Lärmausbreitung