Das Damwild im Rhein--Gebiet

Im Norden des Rhein-Main-Gebietes, großräumig begrenzt durch die Städte Frankfurt am Main, , Wiesbaden und , liegt als grüne Oase der „Mönchbruch“, ein geschlossenes Waldgebiet von ca. 6.500 ha mit eingestreuten, großflächigen extensiv bewirtschafteten Wiesen und angrenzenden Ackerflächen von ca. 1.500 ha.

Ein geschlossenes Waldgebiet?

Oberflächlich gesehen - ja. Doch auch hier hat sich der Mensch - wie in vielen anderen Ballungs- und Verdichtungsgebieten - tief in die ursprüngliche Landschaft eingegraben. Waldinanspruchnahmen für Wohn-, Gewerbe- und Industriegebiete, Autobahnen, örtliche Erschließungsstraßen, Versorgungsleitungen, den Kiesabbau und nicht zuletzt für den Flughafen Rhein-Main haben zu einer erheblichen Reduzierung und Zerschneidung des Waldes geführt, die nicht ohne Auswirkungen auf Fauna und Flora bleiben konnte.

Umso erstaunlicher ist, dass dieser Bereich auch heute noch einer Vielzahl wildlebender Tiere Lebensraum bietet. Neben dem Rehwild als Kulturfolger ziehen starke Sauen ihre Fährte, Fuchs, Hase, Kanin, Fasan, Rebhuhn und Ente sind in den an den Wald angrenzenden Revieren erfreulich oft anzutreffen.

Erstaunt ist der Unbefangene jedoch am meisten über das Vorkommen eines zahlreichen Damwildbestandes. Bereits vor Jahrhunderten in Deutschland eingebürgert, ist diese zweitgrößte in Deutschland vorkommende Hirschart nicht nur eine Attraktion für Erholungssuchende zu allen Jahreszeiten; sie stellt auch an die Jäger die Anforderung, durch eine nachhaltige Bewirtschaftung und Hege dieses uns gegebene Kulturgut für spätere Generationen zu bewahren.

Der heutige Bestand des Damwildes lässt diese langfristige Bewirtschaftung zu. Versuche, die Sozialstruktur zu zerstören, sind bisher gescheitert. Hoffen wir, dass Vernunft auch weiterhin unser Handeln bestimmt.

Aber bedenken wir auch, dass Jagd nicht Selbstzweck darstellen darf, sondern die Erlegung eines jeden Stückes Wild sinnvolles Handeln voraussetzt. Wir sind nur Bestandteil der Natur, zu der auch unser jagdbares Wild gehört.

Hüten wir uns, unseren Einfluss auf Gestaltungsmaßnahmen in der Natur überzubewerten, es könnte sein, dass wir feststellen müssen, dass wir nicht der Natur dienen, sondern sie als geduldiges Spielzeug benutzen bis wir feststellen, selbst nur Spielball der Natur zu sein.

Der folgende Beitrag ist ein Versuch, die historische Entwicklung, Hege und Bewirtschaftung dieses Damwildbestandes unseren heimischen Jägern, aber auch an der Jagd weniger Interessierten näherzubringen.

Trebur im Frühjahr 2011

Dietrich Kulsch

Sachkundiger für den Damwildbezirk Mönchbruch Das Damwild im Rhein-Main Gebiet, Damwildbezirk Mönchbruch

Das Damwildgebiet Rhein-Main liegt südlich der Stadt Frankfurt/M in den Landkreisen Groß-Gerau, , Darmstadt- sowie der kreisfreien Stadt Darmstadt. Es besteht aus den Bezirken Kranichstein-Dreieich und Mönchbruch, die gesondert bewirtschaftet werden, da ein Wildwechsel zwischen den Bezirken durch die das Gebiet von Norden nach Süden durchschneidenden Verkehrswege praktisch ausgeschlossen ist.

Der Damwildbezirk Kranichstein-Dreieich umfasst eine Fläche von ca. 9400 ha mit einem Frühjahrsbestand von ca. 120 Stück Damwild, der Bezirk Mönchbruch, der ausschließlich im Kreis Groß-Gerau liegt, weist bei einer Fläche von knapp 8500 ha im Früjahr 2010 einen Bestand von ca. 800 Stück Damwild auf.

Der Bezirk Mönchbruch gliedert sich wiederum in 4 Unterbezirke, die durch Verkehrswege (2 Bundesautobahnen, 1 Bundesstraße) voneinander getrennt sind. Da die Verkehrswege beiderseits durch Verkehrssicherheitszäune geschützt sind, ist ein Wildwechsel zwischen den Unterbezirken nur bedingt an Unter- und Überführungen der Straßen möglich.

Die Geschichte des Damwildes im Rhein-Main Gebiet beginnt mit dem Tod des Landgrafen Philipp des Großmütigen von Hessen-Kassel und der im Testament verfügten Aufteilung seines Landes auf die vier ehelichen Söhne. Sein Sohn Georg I (1547 - 1596) erhielt die Grafschaft Hessen-Darmstadt, die im wesentlichen der Obergrafschaft Katzenelnbogen mit den Ämtern Darmstadt, Zwingenberg, Dornberg, Lichtenberg und Rüsselsheim entsprach. Durch Erbschaften, Kauf und Tausch kamen weitere Ämter während seiner Regentschaft (1567 - 1596) hinzu. So konnte u. a. aus dem Reichsforst Dreieich das Amt Kelsterbach mit den Siedlungen Langen, Egelsbach, Mörfelden, Kelsterbach, Nauheim und dem Gundhof (Walldorf) erworben werden. Später kamen noch Mönchbruch, Gräfenhausen und Königstädten hinzu.

Damwild wurde im 16. Jahrhundert fast ausschließlich in Tiergärten und Wildparks gehalten. Als jagdbares Wild spielte es keine Rolle.

Schriftwechsel zwischen dem Landgrafen Georg I. und dem Mecklenburger Herrscherhaus zeigt, dass u. a. 2 Stück Damwild käuflich erworben und im neu angelegten Wildpark bei Kranichstein (Darmstadt) ausgesetzt wurden. Ein weiteres Stück Damwild erhielt Georg I. zu seiner Hochzeit von den Erbacher Grafen.

Aus dem Wildpark gelangte Damwild sehr schnell in die freie Wildbahn. Im Jahre 1629 wurden in den Grenzen des heutigen Damwildgebietes bereits 228 „Damböcke“ und 446 „Damgeisen“ gezählt. Als jagdbares Wild hatte Damwild aber auch weiterhin keine große Bedeutung.

Die Parforcejagd wurde 1708 durch den Landgrafen Ernst Ludwig aus Frankreich nach Darmstadt geholt. Sie war sehr aufwändig, so dass sich nur wenige Höfe in Deutschland diese Jagdart leisten konnten. Sie galt dem einzelnen Rothirsch oder starken Keiler.

Neben der Beizjagd, die am Darmstädter Hof im Barock allerdings nur noch selten ausgeübt wurde, spielten die eingestellten Jagen (sog. Teutsches Jagen) eine herausragende Rolle. Hierbei wurde oft über Wochen von den Bauern, die Frondienste zu leisten hatten, das Wild zusammengetrieben und eingepfercht, bevor es am Tag der Jagd den Schützen vor die Büchse getrieben wurde. In einem derartigen Treiben wurden im Dezember 1750 im Gerauer Wald „15 Hauptschweine, 14 angehende Schweine, 17 Keiler, 53 Bachen, 158 Frischlinge und einige Stück Rowild“ erlegt. 200 weitere eingefangene Sauen wurden wieder freigelassen. Auf einer weiteren Jagd im Jahre 1750 wurden in Anwesenheit des Erzbischofs von Mainz im Gerauer Wald 250 Stück Rotwild erlegt.

Die Erlegung eines Damhirsches wird erst aus dem Jahre 1763 dokumentiert. Es handelte sich um einen weißen Hirsch mit dem „raren Gehörn“, den Landgraf Ludwig VIII., der wohl passionierteste Jäger unter den Landgrafen, im Gerauer Wald erlegte. Der Hirsch wurde als „feist, stark von Leib und gesund“ befunden. Die Trophäe hängt als einziger Damhirsch im Hirschsaal des Kranichsteiner Schlosses. Der Kopf des Hirsches ist außerdem in einem Ölgemälde von G. A. Eger und einem Stich von Johann Elias Ridinger festgehalten.

Die Zeit Anfang bis Mitte des 18. Jahrhunderts zeichnet sich auch durch die Errrichtung einer Vielzahl von heute noch vorhandener Jagdschlösser und Jagdhäuser im Bereich Mönchbruch aus. Bekannt sind die Jagdschlösser Mönchbruch, Wolfsgarten oder der Wiederaufbau von Dornberg mit Fasaneriemauer sowie das Jagdhaus Wiesenthal. Letzteres wird heute als Forsthaus genutzt.

Die enormen Wildschäden auf den landwirtschaftlichen Flächen und die von den Bauern für die Jagd zu erbringenden Frondienste führten 1770 dazu, dass zwischen der Bevölkerung und dem Herrscherhaus die Errichtung eines Wildgatters vereinbart wurde. Die Reviere Groß-Gerau, Mönchbruch und Mitteldick mit ca. 24.700 Morgen wurden eingezäunt. Der Zaun bestand aus Brettern und sollte das Ausbrechen des Wildes verhindern. Er mußte von den angrenzenden Gemeinden bezahlt werden.

Auch die jährlichen Unterhaltungskosten hatten die Gemeinden zu tragen. Zur Kontrolle waren 14 Zaunknechte erforderlich, die in den sogenannten „Falltorhäusern“ an den Zugängen zum Wildpark wohnten. Das Falltorhaus an der Bundesstraße 44 zwischen Groß- Gerau und Mörfelden-Walldorf wurde bis ins 20. Jahrhundert als Forsthaus genutzt. Auch heute noch wird es - nach seinem Verkauf - als Büro und Wohnhaus bewirtschaftet.

Nach dem Bau des Wildgatters wurde verfügt, dass sämtliches außerhalb des Zaunes vorkommende Hochwild - ohne Rücksicht auf Schonzeiten - zu erlegen sei.

Die ursprüngliche Größe des Wildparks, dessen Umfang im Laufe der Jahre immer wieder verändert wurde, zeigt die Karte aus dem Jahr 1820.

Der Damwildbestand hatte im Laufe der Jahre erheblich zugenommen, während das Rotwild verschwand. Dies zeigen auch die Abschüsse im Wildgatter von 1771 - 1820.

Es wurden erlegt: 308 Stück Rotwild 8.805 Stück Damwild 1.072 Stück Schwarzwild 662 Stück Rehwild 1.439 Hasen 1.526 Kaninchen 431 Stück Flugwild, überwiegend Schnepfen

1806 avancierte Landgraf Ludwig IX. mit Gründung des Rheinbundes zum Großherzog.

Die Jagdfron, Wild- und Jagdschäden sowie Mißernten führten Anfang des 19. Jahrhunderts dazu, dass die Bevölkerung, besonders die Bauern, weitere Erleichterungen forderten. Hierzu gehörten die Aufhebung der Jagdfron, niedrigere Wildbestände und Entschädigungen für Wild- und Jagdschäden. Daraufhin wurden im Jahre 1810 Wildschadensvergütungen eingeführt und 1824 die Jagdfron aufgehoben. Die Unruhen im Jahre 1848 führten dazu, dass die Bevölkerung in die Wälder zog, um den Wildbestand zu reduzieren.

Nachdem 1848/49 die Frankfurter Nationalversammlung einberufen wurde, konnte auch das Jagdrecht verhandelt und alle privilegierten Jagdrechte entschädigungslos abgeschafft werden. In Hessen-Darmstadt bedurfte es allerdings einer einmaligen Entschädigung.

Das durch das Jagdregal eingeschränkte Jagdrecht bzw. Jagdausübungsrecht stand von nun an auch real dem jeweiligen Grundeigentümer zu.

Nach 1858 jagte der Großherzog nur noch auf seinem eigenen Grund und Boden.

Eine der letzten großen Jagden des Fürstenhauses fand Anfang Dezember 1889 im Wildgatter des Gerauer Waldes statt. Am 7. Dezember reiste Kaiser Wilhelm II. auf Einladung des Hessischen Großherzogs zur Teilnahme an einer Hofjagd an. An der Jagd nahmen außerdem Großherzog Ludwig IV, Erbgroßherzog Ernst Ludwig, Prinz Heinrich, der Bruder des Kaisers, sowie einige preußische und hessische Hofbeamte teil. Jagdleiter war Forstinspektor Frey, Forsthaus Woogsdamm.

Auf dieser Jagd erlegte der Kaiser 12 Schaufler.

Für die Entwicklung unseres Damwildbestandes waren die Änderungen im Jagdrecht nicht ungünstig. Bereits nach der Errichtung des ersten Wildgatters war Damwild durch Lücken im Zaun in die freie Wildbahn gelangt und hatte sich stark vermehrt.

So ergaben sich für vermögende Bürger Möglichkeiten, Jagden zu pachten; und hiervon machten sie ausgiebig Gebrauch. - Nicht immer zum Wohle des Wildes. - So sahen sich die Gebrüder von Opel, die 1907 Pächter verschiedener Reviere wurden, gehalten, den Zusammenschluss „Hirschgerechte Damwildjäger“ zu gründen. Ziel dieses Zusammenschlusses war es zunächst ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis zu erreichen, was den Verzicht auf die Bejagung der Hirsche voraussetzte.

Aus Schriftverkehr zwischen den Herren von Opel und den damaligen Forstamtsleitern geht hervor, dass das Verhältnis zwischen den einzelnen Pächtern oft äußerst angespannt war.

Im März 1913 konnten die Gebrüder von Opel einen bis zum Jahre 1935 laufenden Pachtvertrag abschließen, der eine Fläche von 2.115 ha umfasste. Diese Fläche lag ausschließlich im heutigen Damwildbezirk Mönchbruch.

Nach dem Ende des 1. Weltkrieges im Jahre 1918 wurde auch das letzte großherzogliche Wildgatter, das im Laufe der Jahre immer wieder verkleinert worden war, aufgelassen. Wilderei durch die hungernde Bevölkerung und die Jagdausübung durch französische Offiziere verringerten den auf 800 bis 1.200 Stück geschätzten Damwildbestand erheblich.

Die Verfassung vom 12.12.1919 führte vom Großherzogtum zum Volksstaat Hessen. Die Jagd in den geschlossenen Wald- und Landwirtschaftsflächen des Volksstaates wurde entweder verpachtet oder selbstbewirtschaftet, die kommunalen Flächen fast ausschließlich verpachtet.

Die Herren von Opel ließen sich durch die politischen und jagdlichen Entwicklungen in ihrem Bestreben, einen bejagbaren Damwildbestand zu erwirtschaften, nicht beirren. Hilfreich dabei war, dass durch Erlass des Hessischen Minister des Inneren vom 18. Dezember 1930 eine Jagdgenossenschaft durch die Pächter der Staats- und Gemeindejagden gegründet wurde, die insgesamt 6.378 ha umfasste. In dieser Jagdgenossenschaft waren fast alle Reviere des heutigen Damwildbezirkes Mönchbruch vertreten.

Durch die Einbürgerung von Damwild aus Südosteuropa entwickelte sich bald ein zahlenmäßig guter Bestand, bei dem das weibliche Wild aber überwog. Starke Hirsche gab es weiterhin nicht. Allein in den Opel-Jagden wurde der Bestand auf 1.400 Stück geschätzt.

Nach der Ernennung eines Reichskommisars und Reichsstatthalters im nationalsozialistischen deutschen Staat (1933) trat das Reichsjagdgesetz im Jahre 1934, mit Durchführungsverordnung am 1.4.1935 in Kraft. Während zuvor die Jagd Sache der Länder war, wurden mit dem Reichsjagdgesetz alle die Jagd betreffenden Landesjagdgesetze außer Kraft gesetzt. Bis zum Jahre 1935 wurden die gemeindeeigenen und gemeinschaftlichen Jagden durch die jeweilige Gemeinde verpachtet und diese führte die Pachterlöse der Gemeindekasse zu. Nunmehr vertrat das Jagdrecht in gemeinschaftlichen Jagdbezirken die Jagdgenossenschaft, den anteiligen Pachterlös erhielt der jeweilige Grundeigentümer.

Im Februar 1936 wurde Herrn Geheimrat Dr. h. c. Wilhelm von Opel mitgeteilt, dass nach Auffassung der Landesregierung das frühere Hessische Gesetz über die Bildung der Jagdgenossenschaften von 1893 und die auf Grund dieses Gesetzes von ihm gebildete Jagdgenossenschaft „als nicht bestehend zu erachten sei“. Anfang 1938 verzichteten daraufhin die Herren von Opel auf eine Verlängerung des Jagdpachtvertrages. Bereits am 19. März 1938 wurde daraufhin zwischen dem Reichstatthalter in Hessen - Landesregierung - Abt. V (Forstverwaltung) und den Gemeinden Flörsheim, Kelsterbach, Mainz- Bischofsheim, Mörfelden, Raunheim und Rüsselsheim ein Vertrag geschlossen, der sicherstellen sollte, dass die zusammenhängenden Waldungen, die heute den Kern des Damwildbezirkes Mönchbruch bilden, auch weiterhin nach einheitlichen Grundsätzen bewirtschaftet werden. Verbeinbart wurde die Bildung von 4 Jagdbezirken, von denen zunächst nur der Bezirk I vom Reichsstatthalter in die eigene Verwaltung übernommen wurde. Bereits im Juni 1938 beanspruchte der Reichsstatthalter auch die Bezirke II und IV, so dass für eine Verpachtung nur der Bezirk nördlich der jetzigen BAB A 3 zur Verfügung stand.

Das Ziel, einen vom Geschlechterverhältnis ausgewogenen Damwildbestand zu erwirtschaften, gelang aber auch jetzt nicht.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Damwildbestand bis auf geringe Reste von den Besatzungstruppen zusammengeschossen.

Die vor 1944 erfolgten Verpachtungen waren auf Anordnung der deutschen Regierung der Provinz Starkenburg vom 7.7.1945 allgemein gekündigt. Es folgte die Neuverpachtung auf der Basis des Reichsjagdgesetzes, das zunächst weiter Gültigkeit behielt.

So wurde die Waldjagd der Stadt Rüsselsheim z. B. vom 1.4.1947 bis 31.3.1959 noch während der schwierigen Zeit des „allgemeinen Jagd- und Waffenverbotes für Deutsche“ verpachtet. Eine Bejagung war zu Beginn der Pachtperiode lediglich auf Schwarzwild, Wildkaninchen und Raubwild mittels Fangvorrichtungen, Hunden und Frettchen möglich.

Die Wildbestandsmeldung der Stadt Rüsselsheim an den Kreisjagdmeister des Landkreises Groß-Gerau vom 27. März 1947 spricht für sich:

A. Wildbestand Frühjahrsbestand 1938 Damwild 150 Frühjahrsbestand 1947 Damwild 10

B. Abschuss Abschussergebnis 1938 Damwild 50 Abschussergebnis 1946 Damwild 0

Der Abschuss in 1946 belief sich im Rüsselsheimer Markwald auf „4 Wildschweine abgeschossen, 1 Wildschwein gefangen“. Die 4 erlegten Sauen wurden von den Erlegern, Angehörigen der Besatzung, in Anspruch genommen, das gefangene Stück dem Krankenhaus zur Verfügung gestellt. Die Frage „vermutlich weiterer Abschuss“ wurde mit „unbekannt“ beantwortet.

Im Jahre 1948, noch bevor die Jagdhoheit zurückerlangt wurde, fanden sich im Kreis Groß- Gerau interessierte Jäger zusammen, die den Kreisjägerverein zunächst als losen Zusammenschluß gründeten. Obwohl der Eintrag in das Vereinsregister erst 1953 erfolgte, war der Kreisjägerverein bereits Ende der 40 er Jahre Ansprechpartner für den Kreisjägermeister, die Jagdbehörde und die Jagdvorsteher der gemeinschaftlichen Jagdbezirke.

Auch im Jahre 1951 jagten die Besatzungskräfte noch in fast allen Revieren des Damwildbezirkes, obwohl die Anordnung Nr. 15 des Hohen Kommissars McCloy dies untersagte. Nach dieser Anordnung durften Besatzungskräfte an je einem Tag im Monat, der dem Kreisjägerverein bekannt zu geben war, frei jagen. Dabei durfte jeder Besatzungsjäger an diesem Tag einen Hasen schießen und ohne Bezahlung mitnehmen. Der Abschuss von Reh- und Damwild war im Jahr 1951 ganz verboten.

Am 29.11.1952 trat des Bundesjagdgesetz in Kraft. Als sogenanntes Rahmengesetz bedurfte es der Ergänzung durch die Länder; in Hessen durch das Ausführungsgesetz zum Bundesjagdgesetz vom 29.3.1953.

Im Jahr 1954 erhielt Oberforstmeister Schlotterer vom Forstamt Kranichstein den Auftrag, gemeinsam mit dem Bezirksjagdberater Peter Dörr erste einheitliche Bewirtschaftungsgrundsätze für das Damwild zu erarbeiten. Schlotterer vertrat den Standpunkt, dass eine Veranlagung der Hirsche erst ab dem 4. Kopf erkennbar sei. Bei weitestgehender Schonung der Hirsche vom 2. bis 9. Kopf -das Zielalter von Hirschen der Klasse Ia lag seinerzeit beim 10. Kopf- wurde der Abschuss zu 50 % bei den Kälbern getätigt. Konsequenterweise war auch ein Eingriff in die Mittelklasse möglich, um schlecht veranlagte Hirsche zu erlegen.

1961 übernahm Oberforstmeister Geißler die Funktion des Damwildgebietsleiters (heute Sachkundigen). Seine Gesichtspunkte zur Bewirtschaftung des Damwildes hat Geißler eindrucksvoll im „Niedersächsischen Jäger“ vom 05. Oktober 1981 dargelegt. Unter anderem gehören hierzu:

1. Alljährliche Bemerkungen zum Damwildabschuss als Ergänzung der Richtlinien

2. Einheitliche Behandlung des gesamten Bestandes

3. Abschussbemessung für den Gesamtbestand als Voraussetzung für die Aufteilung auf die Reviere

4. Alljährliche Wildzählungen

5. Nicht-Anrechnung des Fallwildes auf den Abschussplan

6. Bildung von Abschussklassen nach dem Alter und nicht der Geweihausformung

Ende 1988 wurde Forstdirektor Wilke vom Regierungspräsidium Darmstadt zum Sachkundigen bestellt. Durch seine Versetzung zum Regierungspräsidium in Gießen gab er jedoch bereits nach einem Jahr die Tätigeit wieder auf. Im Dezember 1989 wurde Forstoberamtsrat Kulsch vom Forstamt Groß-Gerau zum Sachkundigen bestellt und diese Tätigkeit übt er bis heute neben dem Vorsitz in der Damwildhegegemeinschaft „Mönchbruch“ aus.

Die Lage des Damwildbezirks „Mönchbruch“ im Ballungsgebiet „Rhein-Main“ forderte und fordert auch heute noch ihren Flächentribut. Kleinere und damit verschmerzbare Flächenverluste waren Auskiesungen, die zwischenzeitlich weitestgehend rekultiviert sind und die Landschaft sogar beleben. Größere nicht ausgleichbare Eingriffe stellen die erheblichen Flächenverluste für den Neubau der Bundesautobahn A 67 sowie die Erweiterung des Frankfurter Flughafens (Startbahn West, Frachtzentrum u.a.) dar.

Einen weiteren Flächenverlust verusacht heute der Neubau der Landebahn Nordwest des Frankfurter Flughafens, der darüber hinaus die weitere Existenz des Unterbezirkes 4 im Damwildbezirk in Frage stellt.

Der verhältnismäßig hohe Damwildbestand im Unterbezirk 2 mit ca. 400 Stück Frühjahrsbestand trägt nicht nur den Lebensgewohnheiten des Damwildes, d.h. der Großrudelbildung, sondern auch dem Anspruch der erholungssuchenden Bevölkerung Rechnung. Besucher aus der Region, aber auch aus den angrenzenden Erholungsgebieten wie Taunus und Odenwald, erfreuen sich an dem nahezu das ganze Jahr über in Rudeln vertraut auf den Wiesen äsenden und ruhenden Damwild. Dass ein Teil des Unterbezirkes 2 als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist, in dem durch die Besucherlenkung und das Waldbetretungsverbot eine Vielzahl von Freiflächen und Wegen nicht mehr für jedermann zugänglich sind, erhöht die Vertrautheit und die Möglichkeit der Beobachtung.

Auch wenn das Damwild bei uns nicht als autochton im streng wissenschaftlichen Sinne gilt, sollten wir den seit dem 16. Jahrhundert heimischen „Neubürger“ hegen und ihm eine Zukunft in unserer zwischenzeitlich von vielen Fremdeinflüsen geprägten Kulturlandschaft gewähren.

Literatur:

Iris Reepen: Museum Jagdschloss Kranichstein, Münster/Berlin 2002

Gisela Siebert: Jagd und Jagdhäuser in Hessen-Darmstadt, Stuttgart 1972

Archiv und Bibliotheken:

Hessisches Staatsarchiv Darmstadt

Stadtarchiv Rüsselsheim

Privatarchiv Peter Schneider, Groß-Gerau