Ein Kessel Buntes

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Ein Kessel Buntes Deutschland AXEL SCHMIDT / ACTION PRESS / ACTION AXEL SCHMIDT Linkspartei-Spitzenpolitiker Gysi, Bisky, Lafontaine: „Wir kümmern uns erst mal um uns selbst“ teioberen unterschätzt. Wortgewaltig de- LINKSPARTEI mentierte Wahlkampfchef Bodo Ramelow: „Wir werden uns an dem Tanz der Wahl- verlierer auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten Ein Kessel Buntes nicht beteiligen.“ Einige Neue, sekundier- te Dietmar Bartsch, früher PDS-Bundes- Wie Triumphatoren zogen sie am Freitag in den Reichstag ein, doch geschäftsführer, jetzt Bundestagsabgeord- neter, „müssen ganz schnell lernen, dass Gregor Gysi und Oskar Lafontaine müssen nun eine sich jetzt jeder Satz in eine Nachricht und schwer zu bändigende Truppe aus Ost- und Westgenossen führen. Politik verwandeln kann“. Der Schlagabtausch unter den linken in wenig war es wie beim ersten „Die Lebenswelten und Ansichten der Bündnispartnern ist wie ein Vorspiel für Schultag. Auf den Tischen im Proto- disziplinfreien West-PDS-Chaoten, die das, was kommen mag. „Wir kümmern uns Ekollsaal 2 M 001 lagen Plastikbeutel, gern mal kiffen und einen heben“, so Par- erst mal um uns selbst“, sagt Klaus Ernst, gefüllt mit Müsli-Power-Riegeln, Wein- teienforscher Eckhard Jesse, „unterschei- Gründer der WASG und nun ebenfalls im gummi und einem wichtigen Dokument – den sich von denen der DDR-Altgenossen Bundestag, kleinlaut. dem vorläufigen Bundestagsausweis. Die genauso wie von steif-konservativen West- Das ist auch bitter nötig. Denn klar Neuzugänge des Deutschen Bundestags gewerkschaftern.“ Auch Roland Claus, scheint bislang nur eines: Fraktionschefs hatten sich fein gemacht: Diether Dehm früher PDS-Fraktionschef und nun einfa- sind die Alpha-Tiere Lafontaine und Gysi. aus Niedersachsen, gut gebräunt wie im- cher Abgeordneter, hat zwei Denkschulen Sie wollen sich die ihnen im Parlament zu- mer, war im dunklen Anzug erschienen, in der neuen Truppe geortet: Anhänger ei- stehende Redezeit zukünftig teilen. An- Dagmar Enkelmann aus Brandenburg in nes „klassischen Sozialstaats des vorigen sonsten probiert sich die neue Kraft ganz roter Jacke und weißer Bluse. Jahrhunderts“ und Befürworter eines „li- im Stil der gescholtenen Altparteien erst Artig postierte sich vergangenen Frei- bertären Sozialismus, der Freiheit nicht einmal im Postenschacher. Auf Spitzenpos- tag, elf Uhr, die zukünftige Fraktion der ausschließt“. ten drängt es sitzungserfahrene Wessis wie Linkspartei im Sitzungssaal des Reichs- Und so sind die Linkenbändiger Lafon- den Gewerkschaftsfunktionär Ernst und tagsgebäudes. 54 Klassenkämpfer standen taine und Gysi, die jegliches Bündnis mit den früheren SPD-Mann Ulrich Maurer, bereit fürs Klassenfoto. den anderen Bundestagsparteien derzeit den Lafontaine wegen seiner langen Volks- Noch einmal beschwor Gregor Gysi an ablehnen, mit der Kaderarbeit in den ei- vertreterkarriere zum Parlamentarischen diesem sonnigen Tag den „historischen genen Reihen ganz gut ausgelastet. Kaum Geschäftsführer machen will. Parteichef Schritt der Linken“, sein Mitgenosse Oskar schlossen sich die Türen des Sitzungssaals, Lothar Bisky – mit Herkunft Ost – wie- Lafontaine schwärmte von der „neuen ging es unter den Genossen ordentlich zur derum wurde der Posten des Parlaments- Kraft“. 8,7 Prozent hatte das populäre Spit- Sache. vizepräsidenten zugesagt. zenduo bei der Bundestagswahl eingefah- Denn schon vor dem ersten Treffen hat- Doch Lafontaine und Gysi müssen in ren. Man war mächtig stolz. ten es vier zukünftige Links-Parlamentarier der Fraktion nicht nur den Ost-West- Nur, was die neue Linke mit der neuen gewagt, vom Recht auf freie Rede einfach Proporz berücksichtigen. Machtbewusst Macht tatsächlich machen kann, ist mehr so Gebrauch zu machen. Gänzlich unab- pochen die Genossinnen auf Quotierung. als ungewiss. Denn was sich da in Berlin gesprochen hatten die Kollegen vom Ge- „Patriarchale Strukturen werden wir nicht erstmals zusammenfand, ist kein schlag- werkschaftsflügel dem noch amtierenden akzeptieren“, rebelliert Parteivizin Katja kräftiger linker Kampfbund, keine neue Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Kipping aus Sachsen. Die Hälfte der rote Einheitsfront wider das Kapital, es ein Angebot unterbreitet. Sie wollten – Fle- Abgeordneten seien schließlich Frauen – ist eher die Neuauflage einer einst po- xibilität der SPD vorausgesetzt – Schröder und die wollen sich nicht von den Herren pulären DDR-Fernsehshow – ein Kessel erneut zum Kanzler wählen. Nur hatten in Reihe zwei abdrängen lassen. Petra Buntes. sie die Beweglichkeit der eigenen Par- Pau will Fraktionsvizin werden, Gesine 66 der spiegel 39/2005 Deutschland Lötzsch Parlamentsvizepräsi- als links bekannte Professoren dentin. Die letzten Jahre hat- angeschrieben und zur Mitar- ten die beiden Frauen, direkt beit ermuntert werden. gewählt, das PDS-Fähnchen im Doch der Aufbau West ist Bundestag tapfer hochgehalten. so ungewiss wie die Zukunft Dem Postengefeilsche dürfte der Fraktion. Parteienforscher das um die Linie folgen. Denn wie Jesse orakeln düster, die während viele Ostgenossen auf PDS würde in den alten Län- Pragmatismus setzen, sind ei- dern noch immer „abschre- nige der Westgenossen bereits ckend wirken“. Der Erfolg bei im Klassenkampf mächtig ak- der Bundestagswahl sei bei tiv gewesen. Denn die Bundes- Landtagswahlen so nicht wie- republik alt hat der Linkspartei derholbar. nicht nur im Tarifpoker geübte Deshalb denken manche Gewerkschafter beschert, son- Westlinken darüber nach, die dern auch knallharte Linke wie PDS so schnell wie möglich ver- Ulla Jelpke. Schon einmal saß gessen zu machen. Viele wür- sie für die PDS im Bundestag, den am liebsten einfach unter danach wurde sie Redakteurin dem Kürzel WASG antreten. In bei der linksradikalen Zeitung Nordrhein-Westfalen, wo Spit- „Junge Welt“ und spuckte Gift SONDERMANN RALPH zenkandidat Lafontaine den und Galle gegen die Pragmati- Wahlparty der Linkspartei (in Düsseldorf): „Disziplinfreie Chaoten“ Linken erstaunliche 530 000 ker in der PDS. Leseprobe: Stimmen brachte, bekriegen „Die PDS muss wegkommen vom Katz- te. Wolkig heißt es in einem von ihm ver- sich WASG-Leute zudem heftig unterein- buckeln und Anbiedern an Konzerne, Re- fassten Strategiepapier: „Die neue Linke ander. In einem internen Papier schimpfen gierungen und Machtapparate.“ soll ein gemeinsames Haus werden mit Funktionäre über „destruktive Kräfte“ in Auch Neu-MdB Diether Dehm dürfte offenen Türen, Terrassen, Gärten, ohne den eigenen Reihen, die „politische Hetz- schwer kontrollierbar sein. Früher dichte- Zäune.“ kampagnen betreiben, uns beim Staats- te der Rockmanager und Barde für die SPD Gehrcke würde für dieses Eigenheim am schutz denunzieren und die Organisation („Das weiche Wasser bricht den Stein“), liebsten alles einsammeln, was sich links spalten wollen“. später wurde er PDS-Parteivize, bekämpf- von der SPD findet: Gewerkschafter, frühe- Solch linkes Sektierertum könnte jene te Realos wie Dietmar Bartsch und forder- re Sozialdemokraten, Globalisierungsgeg- Aufbruchstimmung schon bald gefährden, te die Enteignung der Banken. ner und allerlei Gruppen und Grüppchen die in Berlin die roten Anführer in den Ta- Und niemand in der Parteizentrale weiß der sozialen Bewegungen: „Wir brauchen gen nach der Wahl erfasste. Selbst Partei- bislang, wer demnächst noch Mitglied wird jetzt einen breiten Neuformierungsprozess chef Lothar Bisky, 64, eigentlich ein ruhi- – wenn sich die in Linkspartei umgenann- in der Linken, der viel mehr sein muss als ges Gemüt, war am Tag des Einzugs in den te PDS mit der WASG wie geplant ver- die Fusion zweier Parteien.“ Bundestag richtig gelöst: Das sei, schwärm- einigt. Vor allem im Westen sind die Vor- Wie einst die Grünen in ihren Gründer- te er, ein „großer Tag für die Linke“. leute auf der Suche nach Personal, um in jahren müht sich die neue Linke in Nord- Dann verlas er vor der neuen Fraktion den nächsten Jahren auch bei Landtags- rhein-Westfalen, einen Parteiapparat auf- ein dreiseitiges Referat zur politischen Lage und Kommunalwahlen erfolgreich anzu- zubauen. „Wir fangen fast bei null an“, und ließ sich erschöpft in den blauen Pols- treten. Chefplaner für den Westaufbau ist klagt Paul Schäfer, Linkspartei-Landes- terstuhl hinter dem Vorstandstisch fallen. Wolfgang Gehrcke, ein gestandener Par- sprecher – ohne richtigen Presseverteiler Andrea Brandt, teiarbeiter, der einst der DKP angehör- und ohne Sekretariat. Demnächst sollen Markus Deggerich, Andreas Wassermann .
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