Nr.2-2008 Herausgeber: Chef der Armee August MILITARY POWER REVUE DER SCHWEIZER ARMEE DE L’ARMEE SUISSE

Sicherheitspolitik NATO und Europäische Union – Wo bleibt die strategische Zusammenarbeit? Klaus Olshausen Strategie/Doktrin Zur Entstaatlichung organisierter Gewalt: Der Einfluss von Söldnertruppen auf die moderne Kriegsführung Etienne Huber Armee Effects-Based … what? Sylvain Curtenaz Sûreté sectorielle – une réponse à des défis sécuritaires complexes Alain Vuitel Geschichte Militärstrategie im Lichte der Kuba-Krise von 1962 Matthias Kuster

Beilage zur ASMZ 8/2008 INHALTSVERZEICHNIS

Jürg Kürsener 3 Editorial

Sicherheitspolitik Klaus Olshausen 4 NATO und Europäische Union – Wo bleibt die strategische Zusammenarbeit? Strategie /Doktrin Etienne Huber 10 Zur Entstaatlichung organisierter Gewalt: Der Einfluss von Söldnertruppen auf die moderne Kriegsführung Armee Sylvain Curtenaz 21 Effects-Based … what? Alain Vuitel 29 Sûreté sectorielle – une réponse à des défis sécuritaires complexes Geschichte Matthias Kuster 32 Militärstrategie im Lichte der Kuba-Krise von 1962

Die hier dargelegten Analysen, Meinungen, Schlussfolgerungen und Empfehlungen sind ausschliesslich die Ansichten der Autoren. Sie stellen nicht notwendigerweise den Standpunkt des Eidgenössischen Departementes für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport oder einer anderen Organisation dar. Die Artikel der Military Power Revue können unter Angabe der Quelle frei kopiert und wiedergegeben werden.

Die Military Power Revue ist eine Beilage zur Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift ASMZ, August 2008. Verlag: ASMZ,Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift c/o Verlag Equi-Media AG, Brunnenstrasse 7, 8604 Volketswil, Chefredaktor Dr. Roland Beck, Oberst i Gst unter Leitung von Jürg Kürsener, Oberst i Gst aD,Chefredaktor Military Power Revue, im Auftrage des Chefs der Armee, Bundeshaus Ost, 3003 Bern

Adresse Chefredaktion MPR: Kasernenstrasse 7, 3003 Bern, oder Sonnenbergstrasse 14, 4573 Lohn-Ammannsegg Telefon G: 031 323 16 02,Telefon P:032 677 18 63 E-Mail: [email protected] Redaktionskommission: Oberst iGst aD Jürg Kürsener Chefredaktor Military Power Revue Oberst iGst Alain Vuitel Chef Militärdoktrin der Armee und Redaktor für die Stufe Armee Oberst iGst Eduard Hirt Chef Heeresdoktrin und Redaktor Bereich Heer Oberst iGst Wolfgang Hoz Chef Doktrin Luftwaffe und Redaktor Bereich Luftwaffe Colonel EMG Yvon Langel Chef Planung und Projekte Heer

Druck: Druckerei Flawil AG, Burgauerstrasse 50, 9230 Flawil ISSN 1661-9250 STRATEGIE/DOKTRIN

Literatur

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20 Military Power Revue der Schweizer Armee Nr.2-2008, Beilage zur ASMZ 8/2008 EDITORIAL

Editorial

Die Armee ist in der Tagespolitik präsent. Hin und wieder sogar • Die Ausbildung auf Übungsplätzen im Ausland wird bekämpft, dann, wenn es Lob zu verteilen gilt. Benedikt Weibel, Mister obschon es erwiesen ist, dass unsere Verbände ab Stufe verstärkte Euro 08 und früherer SBB-Boss, hat am 27. Juni 2008 im Radio Kompanie in der Schweiz kaum mehr ausreichend ausgebildet wer- DRS 1 die Dienste der Armee anlässlich des Fussball-Grossereignis- den können. Ausbildung ist integraler Bestandteil der Aufträge an ses explizit gelobt,der Führung höchste Professionalität attestiert und die Armee. ihren Einsatz verdankt. Ich bin mir nicht sicher,hoffe aber natürlich, dass dieser Dank in den übrigen Medien aufgegriffen wird. In unserer demokratischen Staatsform ist es jedem Bürger – selbst- verständlich – unbenommen, in diese Diskussionen einzugreifen. Meistens wird die Armee aber dann erwähnt,wenn sich Unfälle er- Und dabei ist offenbar die Armee ein willkommenes Objekt. Ich eignen oder wenn Fehler mit weitreichenden Folgen passieren. Un- gehe einmal davon aus, dass dies aus echter Sorge um die Zukunft gleich häufiger als bei anderen, vergleichbaren Vorkommnissen in un- unseres wichtigsten sicherheitspolitischen Instrumentes geschieht und serer Gesellschaft entstehen dann aus solchen Mitteilungen Schlagzei- nicht nur aus ideologischen und opportunistischen Gründen. Sicher len.Die Negativberichte dominieren während Tagen die Medien- und bin ich mir allerdings auch hier nicht. Presselandschaft,dann gelegentlich auch die Öffentlichkeit.Eine Zei- tung nach der anderen, der Zyschtigsclub und die Arena greifen die Mit der in einschlägigen Kreisen häufigen, letztlich völlig verant- Ereignisse auf.Manchmal ist dies berechtigt, sogar nötig; oft scheint es wortungslos kolportierten Begründung, der Armee sei seit 1989 der ein willkommener Anlass, die Armee als Prügelknaben hinzustellen. Feind abhanden gekommen, wird fast alles und jedes kritisiert. Un- sere Armee hat seit 1989 enorme Vorleistungen erbracht.Massive Fi- Meistens melden sich auch sehr rasch Politiker – oft die gleichen – nanzreduktionen, happige Bestandesreduktionen und die Eliminie- zu Wort, die das Einzelereignis mehr oder weniger direkt zu einer rung von Teilfähigkeiten sind einige Beispiele. Dabei steht die Existenzfrage der Armee machen oder zumindest einzelne Kompo- Schweiz mit einem Verteidigungsbeitrag von weniger als einem Pro- nenten der Armee in Frage stellen. Man erinnert sich: zent des Bruttosozialproduktes auf der europäischen Rangliste fast an letzter Stelle. Die NATO rät ihren Mitgliedern zu zwei Pro- • Die Frage um die Beschaffung eines neuen Kampfflugzeuges zent, und andere Staaten wie Finnland, Österreich, Indien, China wird zu einer Frage um die Existenz der Luftwaffe gemacht. Dass und Russland liegen teils weit über unserem Anteil. Man erhält fast damit da und dort auch die Armee gemeint ist,wird heute nicht offen den Eindruck,als ob uns die vermeintlich sicherere Welt und die wirt- gesagt, aber diese Kreise meinen es. schaftlichen Fortschritte blind für weiterhin bestehende und neue Ge- fahren gemacht hätten. Ich-Bezogenheit, Egoismus, wenig Sinn für • Der tragische Unfalltod von fünf Luftwaffen-Soldaten in der die Gemeinschaft und eine grassierende Sorglosigkeit gegenüber Kander vom Juni 2008 wird gleich zu einer Grundsatzfrage über die neuen Gefahren und Risiken charakterisieren unser Sein. Sie Existenzberechtigung der Militärjustiz gemacht.Wo ist der direkte trüben den klaren Blick für morgen. Zusammenhang? Hier kommt die Politik ins Spiel, die eidgenössische Politik.Wie • Der Missbrauch einer Armeewaffe als Mordwaffe ist unverzeih- nie zuvor scheint sie mir gefordert. In einem kürzlich erschienenen lich und unentschuldbar. Solche Ereignisse werden – obschon erwie- Zeitungsbeitrag meint Karl Haltiner1 auf die Frage, ob die Politik senermassen und grossmehrheitlich die Todesfälle durch Gewaltein- das Militär vernachlässige: «Davon bin ich überzeugt.» Rolf wirkung in der Schweiz nicht mit Armeewaffen begangen werden – Clement stellt in Deutschland etwas fest, was hier ebenso zutreffend gleich zu einer Grundsatzfrage über das Prinzip der Armeewaffe zu- scheint, nämlich dass eine Diskussion über nationale Sicherheits- hause umfunktioniert.Damit könnte man das Obligatorische verun- fragen fehle.2 möglichen, das Feldschiessen – notabene einer der grössten Sportan- lässe in der Schweiz – würde sterben, und damit hätte man einen 1 Professor und Soziologe in einem Interview mit der «Mittellandzeitung» vom Schritt mehr auf dem Weg zur schleichenden Unterhöhlung des Mi- 24.6.2008 2 Mitglied der Chefredaktion des Deutschlandfunks, Europäische Sicherheit, lizprinzips und der Armee erreicht. Juni 2008, Seiten 29-30.

3 EDITORIAL

Ich weiss, dass sich in unserem föderalen Staat und in einem sammenarbeit zwischen der NATO und der EU aus dem Vollen Parlament, das sich angesichts einer ausgeprägten Links-rechts- schöpfen und seine reiche Erfahrung einbringen. Konstellation selbst in Sicherheitsfragen immer wieder paralysiert, mit solchen und sicherheitspolitisch relevanten Diskussionen kaum Etienne Huber, ein junger Absolvent der HSG und derzeit Lorbeeren zu ernten, schon gar nicht Wahlen zu gewinnen sind. Doktorand an der Universität Bern, erhält Gelegenheit, seine wis- Und trotzdem hat unser Parlament als oberste strategische Behör- senschaftlichen Erkenntnisse zu einem immer breitere Kreise inte- de der nationalen Politik die Pflicht, eine grundlegende sicherheits- ressierenden Thema über das Wesen und die Problematik des mo- politische Standortbestimmung vorzunehmen und den Weg in die dernen Söldnertums vorzustellen. Zukunft zu weisen. Der Bundesrat hat mit der Ankündigung ei- nes neuen sicherheitspolitischen Berichtes 2009 einen Anfang ge- Sylvain Curtenaz, Oberst i Gst und derzeit der Partner-Liai- macht. Das ist gut.Aber wie wäre es, wenn unsere Parteien bzw. son-Vertreter der Schweiz beim Supreme Allied Command Trans- unser Parlament einmal die Führung übernehmen und mittels formation in Norfolk (SACT), setzt sich in einem lesenswerten Grundsatzdebatten die Stossrichtung unserer künftigen ganzheit- Aufsatz mit der Frage des wirkungsorientierten Handelns von lichen Sicherheitsstrategie vorgeben würden? Nicht erst dann, Streitkräften auseinander. wenn es um die Beratung eines vorliegenden Papieres geht.Perma- nente Kritik an taktischen Einzelproblemen und tagespolitisch Alain Vuitel,Colonel EMG,Chef Militärdoktrin im Planungs- relevanten Vorkommnissen genügt nicht. Man kann solchen stab der Armee und wertvolles Mitglied der Redaktionskommis- Grundsatzfragen nicht immer aus dem Weg gehen. Man sollte sie sion der Military Power Revue, untersucht in seinem kompeten- auch nicht stets den einzelnen Departementen (VBS, EDA usw.) ten Beitrag mögliche Lösungsansätze für Schwächen bei komple- überlassen. xen Sicherheitsfragen.

Mir scheint,dass die Zeit dazu drängt.Eine solche,dereinst ein- Schliesslich untersucht Matthias Kuster, Oberst i Gst und mal abgesegnete Strategie müsste für einige Zeit verbindlich sein Rechtsanwalt, in seiner umfassenden Analyse militärstrategische (vielleicht fünf bis zehn Jahre) und sowohl das Parlament selber wie Grundsätze anhand der Kuba-Krise von 1962, die die Sowjet- die Armeeführung entsprechend verpflichten. Noch so ausgereifte union und die USA gefährlich nahe an einen nuklearen Schlag- Militärgesetze bringen nichts oder wenig, wenn man ihre finan- abtausch führte. zielle Grundlage bereits innert ein oder zwei Jahren um satte 10 oder 15% unterläuft.Man kann nicht dauernd am Teppich ziehen, Mit dieser Ausgabe der Military Power Revue geht deren Ver- auf dem man plant und geht und auf welchem ein solides Werk ent- teilung wieder exklusiv und allein auf die ASMZ über.Verschiede- stehen soll. ne Gründe haben uns veranlasst,in Zukunft auf ein Beilegen zum Schweizer Soldat zu verzichten. Unsere Bevölkerung hat Anspruch darauf, dass jetzt – in Zei- ten relativen Friedens – gewissenhaft und substanziell dafür vor- Ich hoffe, dass Sie, sehr verehrter Leser, auch in dieser Ausgabe gesorgt wird, dass wir auch in weniger guten Zeiten bestehen kön- einen Artikel finden, der Sie besonders anspricht. Mit der Drei- nen. sprachigkeit der Military Power Revue möchten wir bewusst den sicherheitspolitischen Dialog – auch grenzüberschreitend – anrei- Wir legen dem Leser dieser Military Power Revue wiederum chern. eine breite und abwechslungsreiche Palette von Artikeln vor: Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und erholsame Klaus Olshausen, Dr., Generalleutnant der Bundeswehr a.D., Sommertage. bis 2006 Deutscher Militärischer Vertreter im Militärausschuss der NATO,EU und WEU,derzeit Präsident der Clausewitz-Gesell- schaft,kann bei der Klärung der Frage nach einer strategischen Zu- Jürg Kürsener

4 Military Power Revue der Schweizer Armee Nr.2-2008, Beilage zur ASMZ 8/2008 SICHERHEITSPOLITIK

«Worauf es mir ... ankommt, ist eine Verbesse- NATO und Europäische Union – rung der praktischen Zusammenarbeit zwischen Wo bleibt die strategische Zusammenarbeit? NATO und EU.» (A.Merkel, 10.11.2006) Trotz beträchtlichen Aktivitäten zwischen der Europäischen Union für sicherheitspolitische wie wehrtechni- (EU) und der Nordatlantischen Allianz (NATO) existieren nach wie vor sche Zusammenarbeit müssen ernsthaft ange- erhebliche Defizite. Der Dialog geht oft nicht über das Deklaratorische packt werden. Heute ist durchaus mit be- sorgtem Unterton zu fragen,ob die Staaten hinaus. Es gäbe durchaus Möglichkeiten und teils auch neue Handlungs- sich von der viel zitierten Fähigkeitslücke räume, die zahlreichen Anregungen zu einer verstärkten, substanziellen («capability gap») auch politisch so weit Zusammenarbeit endlich auf eine praktische Ebene anzuheben und da- auseinanderstrebend («political gap») be- mit die Wirksamkeit eines Zusammengehens wesentlich zu stärken. wegt haben oder bewegen könnten, dass gemeinsames Handeln eingeschränkt, ja verhindert wird. Klaus Olshausen* In der diffusen, komplexen und kom- plizierten Sicherheitslage von heute und Wenn nun seit fast zwei Jahren die in absehbarer Zukunft sollte die Notwen- Fähigkeiten für die NATO mit dem vorwurfsvollen Hinweis digkeit für ein strategisches Dreieck von Krisenbewältigung kritisiert wird, dass die Lage in Afghanistan Allianz – EU – USA (Nordamerika) eher eine selbstverständliche Erkenntnis sein. Die Themenkomplexe umfassen zwei Aber spätestens seit dem Frühjahr 2004 zentrale Punkte: Warum gibt es (noch) kein engeres mit der Aufnahme von Griechisch-Zy- pern in die EU bleibt jede weiterführende Unter dem Stichwort der Fähigkeiten Zusammenwirken in diesem Erörterung über die Ausweitung sinnvol- kann geprüft werden, wie beide Organisa- regionalen Kriseneinsatz auf der ler Zusammenarbeit der Gremien und tionen ihre Planung, Entwicklung und Be- Stäbe beider Organisationen durch die schaffung künftiger Fähigkeiten zur Kri- Ebene des NATO HQ und der ungelöste Zypernfrage versperrt.2 In den senbewältigung und gemeinsamen Vertei- EU-Zentrale in Brüssel? drängenden Krisenlagen, sei es auf dem digung wirkungsvoller gemeinsam gestal- Balkan, im Nahen Osten oder in Darfur – ten und die dafür vorrangig erforderlichen um nur einige Beispiele zu nennen – kön- politischen Ziele,Konzepte und Doktrinen nicht nur militärisch gelöst werden kann; nen es sich die Mitgliedstaaten auf Dauer zusammen entwickeln können. wenn die NATO feststellt, dass es ein nicht leisten, dies – wenn zum Teil auch Scheitern in Afghanistan um unserer lang- klagend – einfach achselzuckend in Kauf Im Aufgabenfeld von Krisenvorbeugung, fristigen Sicherheit willen nicht geben darf; zu nehmen. Krisenbewältigung und Krisennachsorge wenn in Afghanistan die Allianz und die Nach einem weiteren NATO-Gipfel in geht es darum zu klären, wie ein frühzeiti- EU – oft parallel – nachhaltig tätig sind und Bukarest Anfang April 2008 bleibt es bei ges Zusammenspiel – bereits in der Krisen- wenn es seit den 90er-Jahren vielfältige deklaratorischen Appellen, obgleich inzwi- prävention und bei der Frühwarnung – so- Deklarationen für strategische Partner- schen unter dem Begriff der vernetzten wie eine gezielte Kooperation von EU und schaft beider Organisationen gibt, dann Sicherheit die Erkenntnis Allgemeingut NATO unter Nutzung ihrer jeweiligen stellt sich die Frage in aller Deutlichkeit: wird, dass zivile, nicht-militärische, aber Warum gibt es (noch) kein engeres eben auch militärische Akteure mit vielfäl- 1 NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer Zusammenwirken in diesem regionalen tigen Massnahmen zusammenwirken müs- bemängelte wiederholt, dass NATO und EU einer Kriseneinsatz auf der Ebene des NATO sen, wenn die Vorbeugung, Bewältigung gemeinsamen Krisenbewältigung in der Welt nicht HQ und der EU-Zentrale in Brüssel?1 und Nachsorge von Krisensituationen mit gerecht werden (z.B.Sicherheitspolitik aktuell,online, Aussicht auf Erfolg betrieben werden soll. 31.01.07, S. 3). Fragen nach einerseits unnötiger und an- 2 Dabei wird oft der Türkei allein der «schwarze *Generalleutnant aD, Dr. Klaus Olshausen, bis dererseits unvermeidbarer Duplizierung, nach Peter» dafür zugeschoben. Es sind aber insbesondere 2006 Deutscher Militärischer Vertreter im Militär- die Staaten, die in beiden Organisationen Mitglied ausschuss der NATO, EU und WEU. Präsident der möglichen Wegen der Arbeitsteilung und sind, die sich gegenseitig ausschliessenden Grundsatz- Clausewitz-Gesellschaft. Einsteinplatz 1, D-53340 sinnvollen Synergien, nach strukturierter, dokumenten zugestimmt und so die Sackgasse mit- Meckenheim, Deutschland. vereinbarter Kooperation, nach Initiativen verursacht haben.

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Stärken für die Krisenbewältigung mit allen Andere unterstützen zwar gleichfalls die Messlatte dieser transparenten Koordina- nicht-militärischen und militärischen Mit- direkten Kontakte und die umfangreichen tion und wirkungsvollen Zusammenarbeit teln – sowohl der Organisationen selbst als programmatischen Dokumente zwischen sein muss. Das gilt für die militärpolitische insbesondere aller Mitgliedstaaten – prak- der EU und den USA, aber sie unterstrei- Strategie, Konzeption und Doktrin, die tisch vorangebracht werden kann. chen nachhaltig, dass an der kritischen Planungsvorstellungen und -instrumente Schwelle der Krisenreaktion – vor oder am für die Fähigkeitsplanung und natürlich Rande der kollektiven Verteidigung – und besonders offensichtlich für das opera- Unterschiede als Distanzgrund? wenn militärische Mittel zum Einsatz tive und taktische Geschehen in den Kri- kommen müssen, absehbar niemand davon senreaktionseinsätzen. Jede Betrachtung hat die inhaltlichen, ausgehen könne, dass die USA als eine sog. (völker)rechtlichen und strukturellen Un- «Non EU Contributing Nation» Verbände Bei der Erörterung der Entwicklung zu- terschiede zwischen der Nordatlantischen und Einheiten als «Drittstaat» unter der po- kunftsrelevanter Fähigkeiten für Krisen- Allianz mit ihrer Vertragsorganisation und litischen und strategischen Führung des reaktion und Verteidigung war bei einem der Europäischen Union mit ihren verge- Politischen und Sicherheitskomitees (PSK) Symposium des NATO Defence College meinschafteten und intergouvernementa- der EU zum Einsatz bringen würden. (NDC) in Rom Ende 2006 interessant zu len Säulen zur Kenntnis zu nehmen. Die beobachten, dass zwischen französischen Schlussfolgerung daraus kann aber sehr un- und amerikanischen Teilnehmern keine terschiedlich sein. Während einige über- Hemmschwelle: Autonomie- kontroversen Positionen bestanden. Beide zeugt sind, dass dies den Raum einer enge- betonung versus Dominanzfurcht hielten es für denkbar, ja zweckmässig, die ren Zusammenarbeit stark eingrenzt, beto- langfristige Streitkräfte-/Fähigkeitsplanung nen andere, dass die komplexe, diffuse und Bei zahlreichen Tagungen wird immer auf der Grundlage gemeinsam von NATO bedrohliche Sicherheitslage im 21. Jahr- wieder offenbar, dass – unabhängig von und EU genutzter und in Abstimmung ana- hundert geradezu gebiete,dass diese beiden einer unverzichtbaren Lösung der Zy- lysierter Szenarien und Parameter voranzu- Organisationen, in denen 21 von 26 bzw. pern-Frage – eine Reihe von Mitglied- bringen.Dies war für beide und alle anderen 27 Mitgliedstaaten dieselben sind, ihre staaten und die zentralen Einrichtungen deshalb einleuchtend, weil die Nationen/ komparativen Vorteile von verfügbaren der EU einer praktischen, umfassenderen Mitgliedstaaten von NATO und EU ihre Mitteln und Fähigkeiten in wesentlich stär- Zusammenarbeit mit der Allianz erst Fähigkeiten in Streitkräften wie Polizei und kerem Masse bündeln oder zumindest sy- nähertreten können und werden, wenn anderen Bereichen nur einmal verfügbar nergetischer zur Wirkung bringen müs- das eigene Selbstbewusstsein ein – m.E. – haben. Diese müssen dann sowohl unter sten, als dies bisher geschehen ist. übersteigertes Autonomieverständnis aus NATO- wie EU-Führung,aber auch natio- Sorge vor einer dominanten Rolle der naler,UN- und Koalitionsführung gleicher- Diejenigen, die die NATO verkürzend USA unnötig macht und wenn in den massen und nicht mit sehr unterschiedli- als «rein militärisches» Bündnis einordnen, USA die Administration und der Kongress chen Regeln und Verfahren im Einsatzge- neigen aufgrund der begrenzten Reich- erkennen und begreifen, dass ihren eige- biet erfolgreich verwendet werden können. weite von Streitkräften für die «Lösung» nen nationalen Interessen besser gedient Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass diese der meisten Krisen und Konflikte unserer ist, wenn in der Allianz – wie mit der EU Auffassung gemeinsamer Szenarienanalyse Tage dazu,die Allianz vorrangig als «Rück- – nicht im Sinne aufzuerlegender eigener auch heute nicht von allen Verantwortlichen versicherung» für die «klassische» kollektive Entscheidungen gearbeitet wird, sondern im französischen Verteidigungsministerium Verteidigung zu betrachten. Deshalb argu- in der Überzeugung, dass gemeinsam er- und noch weniger im Aussenministerium mentieren sie eher für eine intensivere di- arbeitete und solidarisch durchgehaltene am Quai d’Orsay geteilt wird. rekte politische Zusammenarbeit zwischen Ziele und Massnahmen ihrer Sicherheit der EU und den USA. Denn mit und seit und Wohlfahrt – wie allen Verbündeten in Beim aktuellen Stand der Zusammen- dem EU-U.S.-Gipfel in Dublin 2004 hat NATO und EU – am ehesten und besten arbeit, bei dem NATO-Nationen wie sich deren Themenpalette schon auf fast al- dienen. EU-Mitgliedstaaten betonen, wie gut die le sicherheitsrelevanten Herausforderun- «Berlin plus Vereinbarungen» sich bei der gen ausgeweitet. Sie halten den Vorteil, in inzwischen stark reduzierten Operation der Allianz mit den USA als gleichberech- Interoperabilität der Fähigkeiten ALTHEA (EUFOR) in Bosnien be- tigter Vertragspartner konsultieren und ent- währen, bei dem aber darüber hinaus keine scheiden zu können, für weniger bedeut- Mit Blick auf die Beziehungen zwischen inhaltliche gemeinsame Diskussion anderer sam als die Gesprächsführung auf «gleicher NATO und EU ist unstrittig, dass gerade Themen stattfinden kann, plädieren viele Augenhöhe»,wenn sich EU und USA tref- hier die kontinuierliche Verbesserung der zunehmend für einen strukturell, funktio- fen, getreu dem Grundsatz: «Man muss sich Interoperabilität die zentrale Herausforde- nal und regional pragmatischen «Bottom fühlen können.» rung darstellt, aber auch eine wichtige up»-Ansatz.

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Strategische Kooperation legt werden, wer was am besten leistet und Mittagessen (transatlantic luncheon) be- wie der Ansatz unterschiedlicher Fähig- schränken. Das verlangt erneut, dass die 21 Auf der strategischen Ebene bleibt es keiten optimiert zur Wirkung gebracht Mitgliedstaaten in beiden Organisationen – möglich, dass die Mitgliedstaaten, die bei- werden kann. Die EU spricht im eigenen sozusagen induktiv – wenigstens für indi- den Organisationen angehören, darauf Bereich dafür von «CMCO» (Civil Military rekte Kohärenz arbeiten und nicht etwa achten, dass die Zielsetzungen, Politik- Concept),die NATO von «Comprehensive selbst dieses Zusammenwirken aus Grün- und Handlungsansätze in allen Sicher- Approach» oder «EBAO» (Effect Based den eigener unterschiedlicher Interessen in heitsfragen möglichst identisch begriffen Approach to Operation). Daraus liesse sich beiden Organisationen noch behindern. werden und – wo die Organisationen Un- ein Konzept entwickeln, in dem NATO- terschiede erfordern – zumindest Paralle- Einsätze mit sog. «Brüssel plus»-Verein- lität bzw. Komplementarität erhalten barungen durch nicht-militärische Fähig- Gemeinsame Analysen für Planung bleibt. Dabei können die Ansätze zur Ver- keiten der EU und ihrer Mitgliedstaaten militärischer Fähigkeiten netzung militärischer und nicht-militäri- unterstützt werden können. scher (ziviler) Instrumente in der Krisen- Bei den Planungen der EU zur Übernah- Bei der Fähigkeitsplanung für die Streit- vorbeugung, -verhütung, -bewältigung me der Verantwortung von UNMIK im kräfte und die nicht-militärischen Kompo- und -nachsorge, die in der EU, der NATO Kosovo – nach einem eigenen Konzept – nenten der Krisenreaktion werden in beiden und auch in den USA erarbeitet werden, Organisationen und in den Mitgliedstaaten als praktisches Beispiel für diese Arbeit al- mit erheblichem Aufwand szenarien- ler genutzt werden. Und dabei sollte nicht Bei dieser Lage wären gemeinsame orientierte Analysen entwickelt, aus denen als erstes die Frage gestellt werden,wer ko- dann Fähigkeitsprofile abgeleitet werden. ordiniert und wer koordiniert wird, son- Sitzungen des Nordatlantikrates dern welche Fähigkeiten in welcher Lage und des Politischen und Sicherheits- Um wechselseitig Transparenz in diesen gleichzeitig oder einander folgend einge- Verfahren zu fördern, war schon 2003 eine setzt werden. komitees zwingend geboten. «NATO-EU-Fähigkeitsgruppe» («NATO- EU-Capability Group») vereinbart wor- den. Bis heute werden dort aber – und dies Funktionale Kooperation wäre es zwingend gewesen, dies nicht nur auf militärpolitischer Ebene – nur Ergeb- innerhalb der EU zwischen dem zivilen nisse oder Verfahren vorgestellt. Aus der Beim unbestritten erforderlichen Kampf Ausschuss und dem Militärausschuss zu er- Sicht der Beteiligten wird damit nach aus- gegen den Terrorismus können die Kon- örtern, sondern auch mit den Gremien der sen ein Eindruck operativer Zusammenar- zepte und Doktrinen, die national wie in Allianz intensiv abzustimmen. Denn die beit erweckt, die nicht existiert. Sinnvoll der NATO und der EU bestehen, vergli- NATO wird mit KFOR auch nach der und geboten wäre es,z.B.die Szenarien ge- chen, das Übereinstimmende herausgestellt Erklärung der Unabhängigkeit des Kosovo meinsam zu entwickeln, die Fähigkeiten und die Unterschiede anhand des unter- vom 17. Februar 2008 weiterhin entschei- für unterschiedliche Szenarien gemeinsam schiedlichen Fähigkeitsprofils erläutert und dend für ein sicheres Umfeld sorgen müssen. zu analysieren und zu bestimmen und dann genutzt werden. Dabei ist allen nationalen Da ist es mehr als nützlich,wenn die Einsatz- die EU- und die NATO-Gremien eigen- wie den EU- und NATO-Konzepten ge- pläne nicht erst oder gar nur auf der Ebene ständig entscheiden zu lassen,welchen «Le- meinsam, dass die Streitkräfte im Wesent- der Stäbe im Kosovo koordiniert werden, vel of Ambition»3 sie für ihre Streitkräfte lichen eine unterstützende Rolle haben sondern bereits im strategischen Ansatz das oder zivile Organisationen auf der Basis der und lediglich in einigen offensiven Szena- übergeordnete Ziel gemeinsam herausge- rien in einer – politisch zu entscheidenden stellt wird. Zurzeit müssen sich NATO und 3 Anspruchsrahmen, d.h. welche und wie viele – pro-aktiven Rolle eingesetzt werden und EU für «zarte Ansätze» solcher Erörterun- Mittel/Fähigkeiten/Ressourcen für die gemeinsame handeln könnten. gen auf Ebene der Minister auf informelle Krisenbewältigung vorgehalten werden sollen.

Regionale Kooperation

Bei den laufenden Einsätzen in Afghanis- tan und im Kosovo sind nicht nur beide Organisationen – neben UN und OSZE – im Einsatz,sondern auch alle Nationen von NATO und EU, eine Mehrzahl von ihnen zusätzlich mit bilateralen Programmen.Wer ständig betont, dass die Lage in Afghanistan mit militärischen Mitteln allein nicht zu bewältigen ist – was übrigens niemand in Frage stellt – und andererseits der NATO aber keine nicht-militärischen Mittel ver- fügbar machen will,müsste doch mit Nach- druck einer strategischen Zusammenarbeit von EU und NATO das Wort reden und sich nicht mit einer nur suboptimalen, oft sehr komplizierten Vor-Ort-Koordination zufrieden geben. Bei dieser Lage wären ge- meinsame Sitzungen des Nordatlantikrates und des Politischen und Sicherheitskomi- tees zwingend geboten. Dabei kann festge-

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gewonnenen Erkenntnisse festlegen wol- len. Denn alles richtet sich bei den Natio- nen an dasselbe Streitkräftedispositiv oder entsprechende Polizei- oder andere zivile Organisationen der Mitgliedstaaten. Bei dieser Lage ist es mehr als befremdlich, wenn die EDA4 noch immer keine formel- len Kontakte mit dem strategischen Haupt- quartier der NATO für Transformation (ACT) in Norfolk aufnehmen kann und auch die Zusammenarbeit zwischen EDA und CNAD5 der NATO – gelinde gesagt – zu wünschen übrig lässt.

Was kann jetzt (!) getan werden?

1. Mehr Transparenz • Wenn keine gemeinsamen Sitzungen der Gremien möglich sind,dann gilt es, die Sitzungen der Gremien mit den je- weiligen Nichtmitgliedern, die ent- oder mit Fakten belegt werden. In je- sowie britische, französische, deutsche, sprechende Sicherheitsabkommen ha- dem Fall ist diese Offenheit langfristig aber auch niederländische oder skandi- ben, zu verbessern.An solchen Sitzun- besser als die fragmentarischen Infor- navische Institute könnten auf der gen des PSK, Militärausschusses (MC) mationen aus solchen Sitzungen, die – Grundlage der derzeit gültigen Strate- und ggf.Zivilen Ausschusses (CivCom) subjektiv ausgewählt durch einzelne giedokumente der NATO, EU, USA sollten bei der EU auch die nordame- EU/NATO-Mitglieder – die jeweili- und weiterer Nationen mit Blick auf rikanischen Mitgliedstaaten der Allianz gen Nichtmitglieder erreichen. 2010 strategische Ziele für die kom- und nicht nur die europäischen Natio- menden Jahrzehnte entwickeln, im nen,die nicht EU-Mitglieder sind,teil- Sinne einer «Longterm Vision» für die nehmen. Und die NATO sollte ein Kein Staat hat dazu für sich alleine sicherheitspolitische Gemeinschaft des Treffen für die Nicht-NATO-Natio- Westens. nen der EU vorsehen, die ein Sicher- ein ausreichendes • Wem das zu weit geht oder unrealis- heitsabkommen mit der Allianz verein- Aufklärungspotenzial. tisch erscheint, der sollte ein phasen- weises Vorgehen verfolgen. Die Natio- nen, die in NATO und EU Mitglied 2.Abstimmung zur «Krisen-Frühwarnung» sind,sollten dafür Sorge tragen,dass die Es ist nicht einzusehen, warum der • Das EU «Situation Center» und ein – strategischen Überlegungen für das in Austausch mit Ländern wie Finnland, inzwischen verbessertes – NATO-La- Bukarest beauftragte NATO-Doku- gezentrum können gemeinsame perio- ment 2009 und die Weiterentwicklung Irland, Schweden und Österreich auf dische Analysen zu den bestehenden der EU-Sicherheitsstrategie Hand in die grossen EAPC-Partnerschafts- und vor allem zu potenziellen Krisen- Hand erarbeitet werden. Dabei ist es regionen oder Gefahrenpotenzialen er- zwingend, das sicherheitspolitische sitzungen begrenzt ist. arbeiten. Das kann ein wichtiges Ele- strategische Dreieck von NATO–EU ment für die praktische Verwirklichung –Nordamerika als einen entscheiden- der deklaratorisch erklärten «frühen den Eckpunkt im Auge zu behalten bart haben. Denn es ist nicht einzu- Konsultation» beider Organisationen und es schrittweise mit Substanz und sehen, warum der Austausch mit Län- in Krisenlagen darstellen. politischem Leben zu erfüllen. Die dern wie Finnland, Irland, Schweden • Dies setzt allerdings voraus, dass die Entwicklung könnte in Teams von ei- und Österreich auf die grossen EAPC- Mitgliedstaaten beider Organisationen nigen Mitgliedstaaten begonnen wer- Partnerschaftssitzungen begrenzt ist. ihre Erkenntnisse frühzeitig verfügbar den, die zunächst nicht an den Kon- • Darüber hinaus ist es Vertretern dieser machen. Denn egal ob transnationaler sens aller gebunden sind, die aber für jeweiligen Delegationen auf beiden Terrorismus, Proliferation von MVW den später zu erzielenden Konsens al- Seiten zu ermöglichen, Beobachter zu und Raketentechnologie oder Zerfall ler arbeiten wollen. den jeweiligen Sitzungen in der EU von Staaten und innerstaatlicher Kon- 4. Konzentration auf verschiedene funktio- bzw. in der NATO zu entsenden. In fliktlinien: kein Staat hat dazu für sich nale Herausforderungen/Risiken 1 meinen 5 ⁄2 Jahren in Brüssel bis 2006 alleine ein ausreichendes Aufklärungs- • Bereits in der Gipfelerklärung der Al- habe ich nie verstanden, warum die potenzial. Die Bündelung auf strategi- lianz in Istanbul 20046 wurde eine Organisationen sich nicht zu dieser scher Ebene ist erforderlich.Von dieser Reihe von Aktionsfeldern der Interna- wechselseitigen Transparenz bereit- Basis aus können und müssen dann tionalen Gemeinschaft benannt, die in erklärt haben. So könnten Perzeptio- auch weitere Partnerstaaten zur Mitar- Bukarest 2008 alle erneut unterstri- nen von «versteckten Agenden» oder beit gewonnen werden. chen worden sind. Damals wie heute «Gegenmachttheorien» falsifiziert – 3. Strategieentwicklung steht die Auseinandersetzung mit dem • Das europäische Institut für Sicher- transnationalen Terrorismus im Vorder- 4 European Defence Agency heitsfragen, der Forschungsbereich des grund. Schon eine gemeinsame Analy- 5 Conference of National Armament Directors NDC, die Rand Corporation, CSIS se der Konzepte der NATO (MC 472 6 S. Istanbul Gipfelkommuniqué, § 26 oder andere Institutionen der USA und Folgedokumente) sowie der mi-

8 Military Power Revue der Schweizer Armee Nr.2-2008, Beilage zur ASMZ 8/2008 SICHERHEITSPOLITIK

litärische wie vielfältige nicht-militäri- sche Elemente umfassende Ansatz der EU wird erkennen lassen, welche Auf- gabenteilung und Zusammenarbeit oberhalb der – hierbei vorrangigen – nationalen Verantwortung zwischen beiden Organisationen möglich ist. Das gilt für den Schutz entscheidender Infrastruktur, Unterstützung bei katas- trophalen Folgen von Anschlägen auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten eben- so wie bei Einsätzen in Krisengebieten, in denen mit terroristischer Gewalt zu rechnen ist oder erkannte Kämpfer und Zellen ausgeschaltet werden müs- sen. • Cyber-war und Network-enabled- capability sind zwei wichtige Themen, die die einzelnen Mitgliedstaaten ebenso beschäftigen wie die Stäbe und Gremien in der NATO und der EU. Konzeptionell und technologisch gilt tige und wichtige, aber lediglich vor von Präsident Sarkozy, diese Stärkung pa- es, eine synergetische Lösung zu ent- Ort stattfindende Koordinierung und rallel zur vollen französischen Mitwirkung wickeln – sowohl für die Absicherung Zusammenarbeit wird sonst bestenfalls in den integrierten Strukturen der Allianz eigener Führungs- und Steuerungs- zu suboptimalen Resultaten führen. zu verknüpfen, eröffnen sich neue Bewe- systeme als auch für die pro-aktive Ge- gungsspielräume. Diese gilt es zu nutzen. währleistung der eigenen Informa- Denn jedes Zaudern oder gar Verhindern tions- und Entscheidungsüberlegen- Fazit vergeudet nicht nur erhebliche Ressourcen heit. Hier kann und sollte deshalb auf der Mitgliedstaaten, sondern behindert militärischer Seite vom EU-Militär- Wenn die Bundeskanzlerin bei der auch die erfolgreiche Stabilisierung in Kri- stab (EUMS) und Internationalen Münchner Sicherheitskonferenz 2007 zu seneinsätzen, ja kann den Erfolg in Frage Militärstab der NATO (IMS) sowie Recht erneut betonte, dass die atlantische stellen und – nicht zuletzt – das Leben der auf der zivilen Seite vom General- Partnerschaft und die europäische Eini- Mitarbeiter und Soldaten in Gefahr bringen. sekretariat der EU und dem Interntio- gung Eckpfeiler deutscher Sicherheitspo- nalen Stab der NATO ein «Arbeits- litik sind und deshalb transatlantische muskel» geschaffen werden, der die Sicherheitspartnerschaft und europäische bisherigen nationalen Programme und Sicherheitsidentität zwei Seiten einer Me- die konzeptionellen Entwürfe von EU daille sind7,dann ist es geboten und wird es und NATO zusammenführt oder zu- mindest auf ihre Kohärenz überprüft. Denn gerade in diesem Bereich ist ... wird es höchste Zeit, die Interoperabilität ein Muss, wenn «ver- netzte Sicherheit», die derzeit als Anregungen zu einer verstärkten Kurzformel in vieler Munde ist, im Zusammenarbeit von EU und konkreten Krisenmanagement auf al- len Ebenen in operatives Zusammen- NATO aus der deklaratorischen wirken umgesetzt werden soll. Ebene in praktische Arbeit auf der 5. Das Zusammenwirken in laufenden Einsätzen strategischen, operativen und takti- • Wenn die künftigen zusätzlichen brei- schen Ebene in den diplomatischen, ten Aufgaben der EU im Kosovo und das begonnene ESVP-Engagement – militärischen und nicht-militärischen neben der laufenden Arbeit der EU- Wirkungsbereichen umzusetzen. Kommission – in Afghanistan mit den intensiven militärischen Herausforde- rungen der Allianz für eine erfolgrei- höchste Zeit, die Anregungen zu einer che Stabilisierung in beiden Regionen verstärkten Zusammenarbeit von EU und synchronisiert werden sollen, darf dies NATO aus der deklaratorischen Ebene in nicht nur den Mitarbeitern vor Ort praktische Arbeit auf der strategischen, übertragen oder aufgebürdet werden. operativen und taktischen Ebene in den Neben den informellen Abstimmun- diplomatischen, militärischen und nicht- gen der Stäbe in Brüssel gilt es,die dip- militärischen Wirkungsbereichen umzu- lomatischen und militärischen Gremi- setzen. en zu gemeinsamer Lagebeurteilung, Zielformulierung und dann jeweils ab- Mit der kürzlich wiederholten amerika- gestimmte Weisungen für die Umset- nischen Aufforderung an die Europäer, 7 Skript der Rede der Bundeskanzlerin, verteilt in zung zusammenzubringen. Eine rich- ESVP zu stärken, und der Entscheidung München, S.4

Military Power Revue der Schweizer Armee Nr.2-2008, Beilage zur ASMZ 8/2008 9 STRATEGIE/DOKTRIN

Zur Entstaatlichung organisierter Gewalt: Der Einfluss von Söldnertruppen auf die moderne Kriegführung

Cry «Havoc» and let slip in the dogs of war!1 zusagen in Erfüllung. Die Verstaatlichung (Shakespeare, Julius Caesar,Act 3 Scene 1) Europas findet statt.2 Kurz nach dem Ende des Dreissigjähri- ‹Hunde des Krieges›, ‹Reisläufer›, ‹Landsknechte›, ‹Condottieri›, ‹Soldiers gen Krieges erscheint ‹Leviathan› von Tho- of Fortune› oder schlicht und einfach Söldner wurden sie genannt. mas Hobbes. Während Machiavelli noch nach der idealen Herrschaftsform suchte, ‹Sicherheitsfirmen›, ‹Privatarmeen› oder ‹Militärunternehmen› sind die wird in diesem Werk nun der ideale Staat geläufigen Bezeichnungen für diejenigen, die ihr Erbe angetreten haben. beschrieben.Wie Machiavelli ist Hobbes in Das damit vermittelte Bild liegt demnach irgendwo zwischen Held und seinem Denken ebenfalls geprägt von den ‹Haudegen›.Wie kam es aber zu den heutigen Ausprägungen von priva- Kriegen und Bürgerkriegen seiner Zeit.Je- ten Anbietern militärischer Dienstleistungen und welchen Einfluss ha- doch sieht er den Ursprung allen Übels nicht im Machtkampf zwischen Kirche, ben sie auf das Kriegsgeschehen? Um diese Frage zu beantworten, zeigt Kaiser und Kommune, sondern im Men- der folgende Artikel zuerst die historischen Parallelen zwischen Staat- schen selbst.3 lichkeit und Söldnertum. Danach werden die heutigen Ausprägungen Da die menschliche Natur von Konkur- privatisierter Gewalt erfasst und erläutert. Diese Grundlagen erlauben renz, Misstrauen und Ruhmsucht getrie- sodann, vier Einflussfaktoren von Söldnertruppen auf die heutige Krieg- ben sei, herrsche im Naturzustand Krieg. führung zu identifizieren. Mit diesen Faktoren gelingt schlussendlich Dieser Krieg bestehe nicht nur aus Schlachten und Kampfhandlungen, er eine Charakterisierung der modernen Kriege. bestehe auch aus Krieg eines jeden gegen jeden.4 Es ist klar, dass dieser Naturzustand irgendwie überwunden und durch einen Etienne Huber* Ordnung ausgehöhlt und zerstört wurde, rechtlichen, gesellschaftlichen und staatli- um den neuzeitlichen Staat zu schaffen. chen Zustand ersetzt werden muss. Laut Als einer der Vordenker dieser Staatsrai- Hobbes geschieht dies automatisch, da der Zur staatlich organisierten son wird Machiavelli bezeichnet, denn Mensch zwecks Selbsterhaltung in den Gewalt möglicherweise hat er als Erster erkannt, Staat getrieben wird. Würden die Men- dass die Zeit des Papsttums und des Kaiser- schen nicht zum Staat finden, würden sie Entstehung von Staaten tums vorbei und die Theologisierung der sich im Naturzustand selber auslöschen. Allgemein lassen sich drei Indizien aus- Gesellschaft durch die Kirche nur ein ver- machen, die den Prozess der Herausbil- zweifelter Versuch war,dieser Situation aus- dung von Staatlichkeit andeuten. Es sind zuweichen. Auch den klassischen Huma- Da die menschliche Natur von dies die Entstehung von Institutionen im nismus seiner Zeit erkannte er schlicht als Konkurrenz, Misstrauen und Kernbereich der Herrschaft, die Ersetzung dekorative Rhetorik. Eine Dekoration, persönlicher Beziehungen als Herrschafts- welche die Desillusionierung über die Ruhmsucht getrieben sei, herrsche form durch überpersönliche, dauerhafte Fähigkeit des Papst- und Kaisertums als ge- im Naturzustand Krieg. politische Institutionen und Verschiebung eignete Herrschaftsform zu kaschieren ver- gewisser Treue- und Loyalitätsverpflichtun- suchte. Denn Humanismus bedeutete für gen von Personen auf den Staat. Daneben Machiavelli auch das Studium der Antike Nach Hobbes geschieht diese Verstaatli- ist die Entsakralisierung der Herrschaft und damit auch die Erforschung des Auf- chung durch den sogenannten konstrukti- Grundvoraussetzung für die moderne Staa- stiegs und Niedergangs der römischen Re- ven Kontraktismus, also die Legitimation tenbildung. Darum ist auch die Beendi- publik. Daraus war für ihn klar, dass die von Autorität und Herrschaft durch eine gung des Investiturstreits als erste wichtige zukünftige Staatsform nur die Republik freiwillige Selbstbeschränkung. Mit dieser Station in der Entstehung von heutigen sein konnte. Erst rund 100 Jahre später, mit Konstruktion wird Hobbes zum Begrün- Nationalstaaten zu sehen. Einerseits verlo- der des Gesellschaftsvertrages.5 Der ideale ren die Könige dadurch ihren halbklerika- Souverän für einen solchen Staat wäre nach len Status und anderseits wurde damit der Als einer der Vordenker dieser Staats- Hobbes der Leviathan, jener allwissende, ideelle Widerpart des Staates, das Kaiser- allmächtige, aber sterbliche Gott also, der tum, entscheidend geschwächt. Die Her- raison wird Machiavelli bezeichnet. die Geschicke seines Staates richtig zu len- ausbildung von Machtgefügen, welche der ken weiss. heutigen Definition von Staat entsprechen, nämlich Staatsgewalt,Staatsvolk und Staats- der offiziellen Beendigung des Dreissig- Die Verstaatlichung von Gewalt gebiet, entsteht in Europa erstmals Mitte jährigen Krieges 1648, dem Westfälischen Anfang des 16. Jahrhunderts erwies sich des 16. Jahrhunderts. Frieden, geht Machiavellis Traum aber so- ein von Florenz engagiertes Söldnerheer – Diese Umwandlung der politischen sogenannte Condottieri – als unfähig, die Ordnung von ‹Gottesstaaten› hin zu früh- Stadt Pisa zurückzuerobern. Darauf schuf neuzeitlichen Staaten wird allgemein mit Machiavelli, der damalige Verantwortliche dem Begriff Staatsraison bezeichnet. Dabei für das Militärwesen, eine Miliz, mit der es meint die Staatsraison konkret die Rechts- durchbrechungsbefugnis, mit der die alte 1 STRAYER (1975) 2 FLASCH 2000, S. 640ff *Etienne Huber,M.A.HSG,Doktorand am Kom- 3 BRAUN, HEINE und OPOLKA 1998, petenzzentrum für Public Management (KPM) der S. 122ff). Universität Bern, Fach Of (Hptm), Dubsstrasse 41, 4 HOBBES 1651, S. 96 8003 Zürich Blackwater Casa 212 über Afghanistan. 5 KERSTING 1996, S. 21

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ihm gelang, 1509 die Stadt zurückzu- Darum wird für die Auseinandersetzungen erobern. Nach diesem Erfolg war die For- kurz vor und während des Dreissigjährigen derung Machiavellis denn auch stets, das Krieges auch der Ausdruck der ‹Staatbil- Militärwesen eines Staates auf eine Miliz zu dungskriege› gebraucht.9 stützen, die für ihr Vaterland und für Frei- Eine wichtige Rolle in der Verstaatli- heit kämpfte, und nicht auf angeheuerte chung von Gewalt spielten ebenfalls waf- Söldner, die nur in die Schlacht zogen, fentechnische Innovationen.An erster Stel- weil sie dafür bezahlt wurden.6 Diese Ab- lehnung gegen Söldnertruppen mag ins- besondere erstaunen, weil damals die An- An die Stelle von kontrollierten heuerung von Söldnern zur Führung von Kriegen gehörte. Für mehr als hundert Heeren treten nach und nach Jahre sollte sich diese Art Krieg zu führen halbprivate Gewaltunternehmer. Joseph E.Schmitz, Jurist, früher in der auch nicht ändern. Erst nach 1648 wurde Geschäftsleitung Blackwater. die Kriegführung staatlichen, zentral kon- trollierten und permanenten Armeen le steht dabei die Weiterentwicklung der chung des Krieges eine zentrale Bedeu- übertragen.7 Artillerie. Mittels verbesserter Gusstechni- tung.10 Welchen Einfluss die Neuerungen Bis zu diesem Zeitpunkt war das Gesicht ken und neuartiger Lafetten erzielten Ka- in der Kriegstechnik auf die Staatlichkeit des Krieges ein anderes. Charakteristisch nonen mehr Wirkung und wurden vor al- selber hatten, lässt sich an dieser Stelle nur war eine auf Zerstörung und Plünderung lem mobiler. Dadurch konnten Festungen abschätzen. Sicher scheint aber, dass durch ausgerichtete Art der Gewaltanwendung.Es und Burgen ohne grössere eigene Verluste die Kasernierung der Soldaten der Staat ge- kam weniger zu Gefechten zwischen Sol- geschleift werden. Dies machte den Erobe- stützt und gestärkt wurde. daten, vielmehr wüteten die Heere unter rungskrieg attraktiv und sorgte dafür, dass Neben der Unterscheidung von Kom- der Zivilbevölkerung des Gegners. Ziel ei- die Brandschatzung der Zivilbevölkerung battant und Nonkombattant und der Kaser- nes Feldzugs war es denn auch nicht, Ge- an Bedeutung verlor.Weiter waren schwe- nierung der Truppen lassen sich vier weite- biete des Gegners zu erobern. Dazu wären re Geschütze in der Entwicklung und Her- re Garantien unterscheiden, die ein Staat die Kriegführenden mangels ausreichender stellung derart teuer, dass sich bald nur vornimmt, um damit die Zivilbevölkerung Truppen oder Mittel kaum in der Lage ge- noch Staaten solche leisten konnten. Mit vor den Auswirkungen der Gewalt zu wesen. Die Strategie war vielmehr, dem der Weiterentwicklung von Schusswaffen schützen. Es ist dies erstens die Festlegung Gegner einen nachhaltigen Schaden zuzu- und der Erfindung von Bajonetten wurden von territorialen Grenzen. Damit wird er- fügen, um ihn auf diese Weise zu zwingen, die alten Formationen der Landsknechte, reicht, dass Innen und Aussen präzise abge- den eigenen Forderungen nachzukommen. die noch aus einer Kombination von grenzt werden können. Diese Grenz- Kämpfern mit Hieb- und Stichwaffen so- ziehung gilt sowohl für potenzielle Aggres- wie Schusswaffen bestanden hatten, durch soren wie auch für die Organisation des Erst nach 1648 wurde die eine neue Art von Infanterie abgelöst. Die- Staatsapparates, bei der die Kompetenzen se Infanterie bestand nur noch aus Soldaten der inneren und äusseren Angelegenheiten Kriegführung staatlichen, zentral mit Schusswaffen und erreichte dadurch getrennt werden müssen. Als zweiter kontrollierten und permanenten eine überlegene Feuerkraft, bei gleichzeiti- Schutzmechanismus gilt die klare Unter- ger Beibehaltung der defensiven Fähigkei- scheidung zwischen Krieg und Frieden. Armeen übertragen. ten. Um dies aber zu erreichen, war eine Damit werden alle Zwischenzustände und mehrjährige Ausbildung der Soldaten in die damit verbundenen ‹rechtsfreien Räu- Waffentechnik und Drill notwendig. Dafür me› aufgehoben. Drittens wird das Perso- Mit dem Dreissigjährigen Krieg fand waren auch erstmals Kasernen und nalprinzip des Lehnrechts durch das Terri- diese Ära der Kriegführung gleichzeitig Übungsplätze in grossem Masse erforder- torialprinzip abgelöst. Damit dürfen im ihren Höhepunkt und ihr Ende. Mochte lich. Ähnlich wie bei der Artillerie war es Staatsgebiet Adlige die Bevölkerung nicht die Taktik der Zermürbung der Gegner an- nur noch Staaten möglich, die daraus ent- mehr zum Kriegsdienst zwingen. Die letzte fänglich noch geplant gewesen sein, so ge- stehenden Kosten und die benötigte Infra- Unterscheidung,die den Staat sichert,ist die riet sie bald ausser Kontrolle. Greueltaten struktur bereitzustellen. Zudem hat die Trennung zwischen Gewaltanwendung der Bewaffneten gegenüber der Zivilbe- Entwicklung dieser disziplinierten Infante- und Geschäftsleben. Damit wurde der völkerung steigerten sich in dem Masse, rie auf den Schlachtfeldern Europas auch Markt für Gewalt aufgehoben. Der Lohn dass aus den einstigen Soldaten im Verlaufe klar zur Unterscheidung von Kombattant des Soldaten war damit nicht mehr die des Krieges ein unkontrollierbarer Haufen und Nonkombattant geführt. Nicht diszi- Kriegsbeute, sondern ein Sold, der aus der plündernder, mordender und sengender Staatskasse bezahlt wurde. Erreicht werden Gewalttäter wurde. Dadurch entstand auch diese vier Garantien in der Epoche nach ein Krieg nach dem Prinzip bellum se ipse Waffentechnische Innovationen dem Westfälischen Frieden bis zum Aus- alet, also der Krieg, der sich selbst ernährt.8 bruch des Ersten Weltkrieges. Da nun eine An die Stelle von kontrollierten Heeren erhielten auch bezüglich der klare Dreiteilung zwischen ‹Volk›, ‹Regie- treten nach und nach halbprivate Gewalt- Verstaatlichung des Krieges eine rung› und ‹Heer› besteht, wird dieser Zeit- unternehmer. Da diese sich nicht unbe- raum auch als das Zeitalter der trinitaristi- dingt an einer Beendigung des Krieges in- zentrale Bedeutung. schen Kriege umschrieben.11 Heere kämp- teressiert zeigten, waren sie auch dement- fen nur gegen Heere, unter der Kontrolle sprechend schwierig zu pazifisieren.Trotz- dem ist mit dem Westfälischen Frieden ei- plinierte Kämpfer waren gegen Linien aus 6 MÜNKLER 1987b, S. 31ff 7 HOLSTI 1996, S. 28 ne Ordnung geschaffen worden,welche die gedrillten Soldaten klar unterlegen und da- 8 MÜNKLER 1987a, S. 167 Verstaatlichung zu festigen vermochte und her auf dem Schlachtfeld nicht mehr zu ge- 9 MÜNKLER 2002a, S. 65ff die Kontrolle über die Gewalt klar an die brauchen. Waffentechnische Innovationen 10 Ibid., S. 97ff staatliche Verwaltung und Bürokratie band. erhielten auch bezüglich der Verstaatli- 11 VAN CREFELD (1991)

Military Power Revue der Schweizer Armee Nr.2-2008, Beilage zur ASMZ 8/2008 11 STRATEGIE/DOKTRIN

der Regierung und nur für ihr Volk. Die Monopolisierung der Gewalt durch den Staat war damit erreicht. Die wohl beste Deutung dieser Zeit gibt Clausewitz in seinem Magnum Opus ‹Vom Kriege›. So erkennt Clausewitz den Krieg als eine Abfolge von unendlich vielen Duellen, die letztlich zu einem grossen Zweikampf vereint werden. Zudem sieht Clausewitz militärische Gewalt nur als ultima ratio, die erst dann zum Einsatz kommt, wenn alle anderen Mittel der Poli- tik versagen.12

Die Entstaatlichung von Gewalt Erste Abweichungen von der Clause- witzschen Definition von Krieg ergeben sich in Europa im Verlauf des Ersten Welt- krieges. Ähnlich wie im Amerikanischen Blackwater-Helikopter über Bagdad. Bürgerkrieg rund 50 Jahre früher, nahm der Krieg eine Form an, die mit dem Aus- Indem nur staatlich befehligte Heere ge- Entscheidend an der Unterscheidung druck «totaler Krieg» umschrieben wird. geneinander antraten,waren nun gleicharti- zwischen symmetrischen und asymmetri- Ganze Volkswirtschaften werden auf die ge Gegner konfrontiert.Die Kriege werden schen Kriegen ist, dass die Asymmetrie Kriegsgüterproduktion umgestellt, und nach jenen Mitteln eingeteilt, über die eine oder Ohnmacht gegenüber einem mi- mittels geschürtem Nationalismus und Partei verfügt. Während die Staatenkriege litärisch und wirtschaftlich derart überlege- Propaganda wird versucht, die Bevölke- Europas dadurch gekennzeichnet waren, nen Gegner selber als eine der Ursachen rung von der Notwendigkeit des Krieges dass sich Gegner mit prinzipiell gleichen für die Entstaatlichung der Kriege gesehen zu überzeugen. Dadurch beginnt sich die Ressourcen und Mitteln gegenüberstan- wird. Die aus der Asymmetrie entstande- Grenze zwischen Zivil und Militär und da- den, muss man heute davon ausgehen, dass nen Guerillataktiken haben sich längst zu mit auch zwischen Kombattant und Non- die Vereinigten Staaten von Amerika mi- einer selbständigen, strategischen Form der Kombattant erstmals wieder zu vermi- litärisch derart überlegen sind, dass nicht Kriegführung entwickelt. Die damit ver- schen.So waren im Ersten Weltkrieg Indus- einmal eine Koalition von Staaten in eine bundene, grundlegende Umdefinition der triegebiete und Städte durchaus legitime symmetrische,kriegerische Auseinanderset- Gewaltmittel hat schlussendlich dazu ge- militärische Ziele.13 zung mit den USA treten könnte. Etwas führt, dass das Militär und der Staat in vie- In diesem Sinne werden alle kriegeri- plakativ lässt sich am Beispiel des Nahost- len Konflikten ihr Monopol über die Ge- schen Auseinandersetzungen, welche nicht konflikts dasselbe Phänomen in einem klei- walt abgeben mussten.16 der strengen Clausewitzschen Definition neren Rahmen feststellen. Auf der einen Verstärkt wurden diese Entwicklungen von Krieg entsprechen, sogenannt ‹Nicht- Seite stehen israelische Panzer,auf der ande- noch durch die Tatsache, dass nach dem trinitaristische Kriege› genannt. Nebst dem ren Seite Steine werfende palästinensische Kalten Krieg und dem Ende des Apart- totalen Krieg als erste Abweichung lässt sich Jugendliche. Die Reaktion auf einen sol- heid-Regimes in Südafrika der Markt für vor allem die Form des ‹low intensity con- chen, in allen Bereichen überlegenen Geg- Waffen überschwemmt wurde. Dadurch flict› als Bruch mit der Trinitarität identifi- ner ist denn auch eine weitere Asymmetri- wurden die Preise derart verbilligt,dass sich zieren. Drei Hauptmerkmale weisen einen sierung des Kriegs. Die Kampfzonen wer- beinahe jede noch so kleine Gruppierung solchen Konflikt aus: Erstens bricht ein sol- den verlagert, die Mittel werden neu defi- plötzlich mit Waffengewalt Gehör zu ver- cher Konflikt meist in den ‹weniger ent- niert und neuartige Ressourcen für den schaffen suchte. Vor allem Kleinwaffen wickelten› Teilen der Welt aus.Zweitens sind Krieg mobilisiert. Zu nennen sind hier (SALW) vermochten schwelende Konflik- die Konfliktparteien keine regulären Trup- Guerilla-Strategien,die darauf abzielen,den te unter verschiedenen Gruppierungen an- pen, sondern Guerillas, Warlords, Söldner übermächtigen Gegner an seinen wunden zuheizen. Die Verschleuderung von schwe- oder sogar Zivilisten, nicht selten auch Kin- Punkten, zum Beispiel dem Nachschub ren Waffen hingegen bewirkte, dass sich der. Und drittens werden wenige bis gar oder der Moral,zu treffen.Eine andere Stra- Staaten ihrer Fähigkeit,intern für Ordnung keine hoch entwickelten Waffensysteme tegie verfolgt das Ziel, mittels Anschlägen zu sorgen, mehr und mehr beraubt sahen. eingesetzt. und Attentaten Angst und Terror zu verbrei- Mittels billig eingekaufter Arsenale,die teil- ten. Dank der Medienwirksamkeit ist die weise sogar Kampflugzeuge und Artillerie- «Truth to say, what we are dealing with Nutzung der Bildpropaganda durch die systeme beinhalten, ist es heute privaten here is neither low-intensity-war nor some waffentechnisch unterlegene Partei äusserst Akteuren möglich, den Staat wirksam bastard offspring of war. Rather, it is wirksam. Erreicht wird damit, dass die Un- zurückzudrängen.17 Die Unfähigkeit, den war in the elemental Hobbesian sense of terstützung und die Folgebereitschaft für Staatsapparat aufrechtzuerhalten, hat zum the word, by far the most important form politische Entscheidungen einer Regierung Ausdruck ‹Failing State› geführt.18 of armed conflict in our time.»14 durch die Bevölkerung erheblich ge- schwächt werden. Besonders deutlich wur- 12 PARET 1976, S. 382ff. Siehe auch: VON Eine etwas andere Typologisierung der de dies in Mogadischu. Nach dem fehlge- CLAUSEWITZ, CARL (1832),Vom Kriege. Kriege baut auf der Unterscheidung von schlagenen Versuch der Amerikaner,den so- 13 KALDOR (1999) 14 VAN CREVELD 1991,S. 22 Symmetrie und Asymmetrie auf. Dabei malischen Warlord Aidid zu verhaften, gin- 15 wird hervorgehoben, dass unter den poli- gen Bilder von verstümmelten amerikani- MÜNKLER 2002a, S. 48–59 16 Ibid., S. 188f tisch-militärischen Verhältnissen nach 1648 schen Soldaten um die Welt.Dies führte un- 17 Ibid., S 53f die Kriege durch die Dominanz symmetri- ter anderem zu einem überstürzten Abzug 18 www.foreignpolicy.com/story/cms.php?story_ scher Beziehungen geprägt waren. der US-Truppen aus Somalia.15 id=3865&page=7

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durch die Söldner führten,ergaben sich vor allem dann, wenn die Soldzahlung nicht mehr ausreichend war. Ein historisches Beispiel hierfür ist die Rückkehr der Vete- ranen des Punischen Krieges nach Kartha- go. Die anfängliche Zurückhaltung der Soldauszahlungen führte zu einer Staats- krise und beinahe zum Untergang des Reiches.21

Aufgaben zur Grenzsicherung sowie zur Erweiterung der Territorien wurden an professionelle Kriegsleute ausgelagert.

Zweitens führte das Ende von grossen Annex der US-Botschaft in Bagdad: Blackwater-Personal im Einsatz. und langen Kriegen meist zu einer Über- sättigung des Gewaltmarktes mit Söldnern. Während noch im Ersten Weltkrieg et- Krieg zu ziehen.Dies deshalb,weil der Sol- Ehemalige Soldaten konnten und wollten wa 90 Prozent aller Opfer Kombattante datenberuf nicht mehr lukrativ genug war vielfach nicht in die Zivilgesellschaft integ- waren und nur zehn Prozent Nonkombat- oder weil weniger gefährliche Tätigkeiten, riert werden und boten ihr Handwerk dem tante oder Zivilisten, so hat sich die Situa- wie Handel oder Handwerk, bevorzugt Meistbietenden an. Mit der explosions- tion seit den neunziger Jahren massiv ver- wurden.Aufgaben zur Grenzsicherung so- artigen Zunahme des Angebotes an Söld- ändert bzw. ins Gegenteil gekehrt. 80 Pro- wie zur Erweiterung der Territorien wur- nern sank deren Entlöhnung rapide. Damit zent aller Getöteten sind heute Zivilisten.19 den an professionelle Kriegsleute ausgela- wurden Solddienste auf einmal im grossen Die Mehrheit der Konflikte sind nicht zwi- gert. Solange die Zivilisation über genü- Stile erschwinglich, womit Waffengewalt schen staatlichen Armeen ausgetragene gend Reichtum verfügte, die Söldner zu zu einer echten Option einer Problemlö- Kriege, sondern sozial, ethnisch oder reli- bezahlen, war die Kontrolle der Bewaffne- sung wurde. So fanden sich nach dem En- giös gefärbte ‹low intensity conflicts›, bei ten auch selten ein Problem.Auseinander- de des Hundertjährigen Krieges plötzlich denen Partisanen, Banden, regionale setzungen, die bis zur Machtübernahme viele Krieger ihrer Beschäftigung beraubt Kriegsherren und international tätige Söld- nerfirmen eine entscheidende Rolle spie- len. Kurz gesagt: Die Entstaatlichung der Land Jahr Anteil «Fremder» Gewalt oder die Privatisierung des Krieges ist heute wieder weit fortgeschritten.20 1713–1740 34%

Söldnertruppen: eine Annäherung 1743 66% Preussen Zur historischen Entwicklung 1768 56% Im Mittelalter und in der frühen Neu- zeit war die Kriegführung mit Söldnern 1786 50% die vorherrschende,zeitweise sogar die ein- zige Form der militärischen Auseinander- 1695 24% setzung. Dabei ziehen sich drei Ursachen, welche das Söldnertum jeweils beflügelt 1701 54% oder verbannt hatten, wie ein roter Faden Grossbritannien durch die Kriegsgeschichte. Als erste Ge- 1760–1770 38% setzmässigkeit lässt sich ein Zusammen- hang zwischen Söldnertum und fortschrei- 1778 32% tender Zivilisation feststellen. Hatte eine Kultur, ein Volk, ein Staat oder eine Stadt sich einmal gegen ihre Kontrahenten 1756–1763 25% durchgerungen und so eine gewisse Macht und Sicherheit für ihre Bevölkerung ge- Frankreich 1789 22% schaffen, entwickelte sich eine Zivilgesell- schaft, die nicht mehr bereit war, in den Vor der Revolution 33%

1751 25% 19 KALDOR 1999, S. 100 Spanien 20 MÜNKLER 2002b, S. 220ff 21 WESTENFELDER 2008, Der dunkle Anfang, 1799 14% Niedergang und Ende Roms/Der Söldnerkrieg; PETERS 1993, S. 9–11 Tabelle 1:Ausländer in den Armeen des 18. Jh.

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und sahen sich gezwungen,nach neuen Er- schen Stadtstaaten der Antike,aber auch das werbsmöglichkeiten Umschau zu halten. Italien der frühen Neuzeit. Möglich ist Dazu wird festgehalten: auch, dass in territorial grossen Staaten, welche über keine effektive Zentralgewalt «Having no homes or careers to return verfügen und die möglicherweise noch to, many of the soldiers formed ‹Compa- durch politische und ethnische Unter- nies› (derived from ‹con pane›, designating schiede überfordert sind, private Kriegsun- the bread that members received). These ternehmer plötzlich zu eigentlichen were organizations designed to facilitate Machthabern werden. Beispiele hierzu fin- their employment as a group or, at the very den sich im antiken Rom25, im britischen least, provide one another sustenance and Empire26, aber auch in heutigen Grossstaa- Altes und neues Logo. protection.»22 ten wie dem Sudan.27 Die vierte Regelmässigkeit in der Ge- Aus diesen ersten ‹Companies› ent- schichte der Söldner und Kriege ist die Ver- Als Erstes soll im gesamten Spektrum der wickelte sich in Europa ein veritabler Wirt- bindung zwischen privaten Militärorgani- bewaffneten Gruppierungen grundsätzlich schaftszweig. Durch die gesammelten Er- sationen und andern Geschäftszweigen. zwischen Söldnertruppen oder Söldnern fahrungen und die daraus abgeleiteten Tak- Während es in gewissen Epochen eine kla- im weiteren Sinne31 und allen anderen Be- tiken und Strategien wurden aus diesen re Unterscheidung zwischen Kriegshand- teiligten unterschieden werden. Ausschlag- Unternehmungen äusserst erfolgreiche und werk und anderen Berufen gab, waren in gebendes Unterscheidungsmerkmal hierfür beinahe unbesiegbare Kampftruppen.23 vielen Kriegen die Geschäftstätigkeiten ist die Motivation durch Entlöhnung. Alle Wie bereits erwähnt, fand die bisher be- sehr unklar auseinanderzuhalten. So führ- Personen und Organisationen, welche aus kannte Form des Söldnertums in Europa ten beispielsweise die Söldnerheere des ideologischen, religiösen, politischen Grün- im Dreissigjährigen Krieg gleichwohl Dreissigjährigen Krieges oft ganze Trosse den,Abenteuerlust oder ähnlichen Motiven ihren Höhepunkt wie auch ihr Ende. An verschiedenster Berufsgattungen mit sich – in den Krieg ziehen, seien darum nicht als die Stelle von Auftragskriegern traten nun von Büchsenmachern, Bäckern, Metzgern, Söldner identifiziert. Etwas schwieriger ist im Dienste des Staates stehende Armeen. Schneidern bis hin zu Prostituierten.28 die Abgrenzung bei Warlords. Da sie oft Wie Tabelle1 zeigt, setzten sich diese Zusammenfassend lässt sich festhalten, transnational operieren, meistens auch von Heere keineswegs aber nur aus Bürgern des dass das Söldnertum als lukrativer Wirt- Aussenstehenden unterstützt werden, viel- jeweiligen Staates zusammen. schaftszweig historische Bedeutung er- fach nur Ressourcen und Bodenschätze be- langt hat und dass die alleinige Kontrolle setzen und damit nur auf Profit aus sind, Die Verstaatlichung der Gewalt hatte al- der Gewalt durch den Staat eher eine Aus- könnten sie ebenfalls den Söldnern zuge- so genau genommen nicht zu einer Aufhe- nahme als eine Regel in der Kriegs- ordnet werden.32 Andererseits sind sie oft- bung des Söldnertums geführt. Jedoch lag geschichte darstellt. mals auch an Macht und Einfluss in einer das Monopol über Krieg und Frieden nun bestimmten Region interessiert und neh- ganz bei den Staaten,und die Söldner wur- Söldnertruppen heute men dadurch dort eine quasi staatliche den fest in die staatlichen Armeen einge- In den heutigen Krisenherden und Kon- Funktion ein.33 Wegen ihrer regionalen Ver- bunden. Die französische Fremdenlegion fliktzonen ist mit Warlords, Freiwilligen, ankerung werden sie im Folgenden nicht zu oder die aus Nepalesen rekrutierten briti- Milizen, Söldnern, bewaffneten Gruppen, den Söldnern gezählt. Unter den Begriff schen Gurkha-Einheiten zeigen, dass diese ausländischen ‹Militärberatern› oder maro- der Söldner im weiteren Sinne sollen nun Praxis von einigen Ländern noch bis heute dierenden Banden ein weites Spektrum drei weitere Kategorien eingeordnet wer- weitergeführt wird.24 unterschiedlichster Akteure beteiligt.29 Da- den. Die erste Subkategorie bilden An- Neben der Entwicklung einer Zivilge- bei ist oftmals unklar,welche Rolle diese in gehörige einer Armee, die nicht Bürger sellschaft und der Überschwemmung der einem bestimmten Konflikt spielen bzw. desselben Landes sind.Beispiele hierfür sind Gewaltmärkte mit arbeitslosen Soldaten wie gross ihre Beteiligung an den Ausein- die bereits erwähnten Gurkha-Einheiten, nach einem Krieg entstehen drittens priva- andersetzungen wirklich ist. Klar ist je- die Fremdenlegionen sowie die Schweizer- te Militäranbieter zusehends dort,wo staat- doch,dass die staatliche Armee vielfach nur garde im Vatikan.34 Sie gelten als Söldner im liche Strukturen schwach sind. Sind die noch eine Partei unter vielen ist. Zudem weiteren Sinne, weil auch sie ‹Krieger ge- Territorien bzw. die Machtverhältnisse so wird seit den 60er-Jahren vor allem in gen Bezahlung› sind. Da sie aber den glei- zerstückelt, dass die einzelnen Staaten Afrika, in jüngster Zeit aber auch weltweit, chen Militärgesetzen wie die regulären kaum fähig sind, ein eigenes Heer aufzu- eine rapide Zunahme von privaten Militär- Streitkräfte und somit ebenfalls staatlicher stellen, werden die Machthaber von Söld- unternehmen registriert.30 Um den Über- nern abhängig, um ihre Position sowie blick zu behalten, wird hier eine Klassi- 22 SINGER 2003, S. 24 auch jene des Staates im Machtgefüge zu fizierung der Akteure vorgenommen, vgl. 23 SINGER 2003, S. 26f halten. Beispiele hierzu sind die griechi- Abbildung 1. 24 SHEARER 1998, S. 16 25 WESTENFELDER 2008, Niedergang und En- de Roms 26 SHEARER 1998, S. 14 27 Quelle: www.cia.gov/library/publications/the- world-factbook/geos/su.html 28 PETERS 1993, S.226f 29 Siehe Kapitel 1.3, Entstaatlichung von Gewalt. 30 FAYEMI and MUSAH 2000,S. 265 31 WEINGARTNER (2004) verwendet ‹Söldner i.w.S› als Oberbegriff für alle, die primär für Geld mi- litärische Tätigkeiten ausüben. Dies entspricht dem hier auch verwendeten Begriff ‹Söldnertruppen›. 32 O’BRIEN 2000b 33 MÜNKLER 2002a, S. 34 Abbildung 1: Kategorien von Söldnern. 34 SINGER 2003, S. 41

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Kontrolle unterliegen, sind sie völkerrecht- lich anerkannt und damit legale Streitkräfte. Private Military Companies und Private Security Companies: Dies ermöglicht eine klare Abgrenzung zu Tätigkeitsfelder und primäre Auftraggeber den zwei anderen Subkategorien, nämlich den Söldnern im engeren Sinne und den Tätigkeitsfeld Beispiele Primäre Auftraggeber sogenannten ‹Privatized Military Firms› (kurz PMFs). Söldner im engeren Sinne Kampf- und operative Un- umfasst jene Soldaten,die nicht für eine na- AEGIS, Gurkha Security terstützungsdienstleistun- Regierungen tionale Sache, sondern als ‹Freelance Sol- Gards, Pistris, ICI Oregon dier› einfach für den Meistbietenden kämp- gen fen.Als Auftraggeber kommen vor allem lo- kale Machthaber,Widerstandsgruppen,aber auch Einzelpersonen oder internationale Blackwater, Defence Sys- Konzerne in Frage. Beispiele für typische tems Ltd. (DSL), Military Söldneraktivitäten sind etwa ehemals sow- Militärberatung/ Professional Resources Regierungen jetische Piloten, die auf dem ganzen afrika- Ausbildung (MPRI), Silver Shadow, nischen Kontinent Hubschrauber und Triple Canopy, Vinnell, Flugzeuge für militärische Zwecke fliegen, DynCorp oder die ‹Weisse Legion›,bestehend aus 300 Kämpfern aus aller Welt, die 1996-1997 in Control Risk Group, Zaire auf der Seite Mobutu Sese Sekos ein- Nachrichtendienstliche Regierungen, multinatio- 35 Kroll Associates, Dyn gesetzt wurden. Damit sind sie die direk- Unterstützung nale Konzerne ten Erben der Landsknechte und Reisläufer Corp der frühen Neuzeit. ArmorGroup, Blackwa- Die heute mit Abstand grösste Subkate- ter, Erinys, Life-guard, Multinationale Konzerne, gorie der Söldner im weiteren Sinn stellen Objekt- und Group 4, Control Risk humanitäre Hilfsorganisa- die Privatized Military Firms (PMFs) dar. Personenschutz Group, Gray Security, tionen, internationale Or- Hier ist die Anzahl der einzelnen Akteure so Coin Security,Triple Ca- ganisationen gross, dass eigene Kategorisierungen vorge- nopy nommen werden müssen. Eine erste grobe Klassifizierung unterscheidet zwischen pri- vaten Sicherheitsunternehmen (engl. Priva- Kellog Brown & Root, Regierungen, humanitäre te Security Companies, kurz PSC) und pri- Logistikunterstützung DynCorp,CACI Interna- Hilfsorganisationen, inter- vaten Militärunternehmen (engl. Private tional Inc.,Triple Canopy nationale Organisationen Military Companies, kurz PMC).Während PSCs hauptsächlich Bewachungs- und Ordnungsaufgaben wahrnehmen, also im Tabelle 2: Einordnung der PMFs nach Tätigkeitsfeldern. ‹Low-risk›-Bereich arbeiten, erbringen PMCs ihre Dienstleistungen in einem ‹High-risk›-Gebiet. Ihre Tätigkeiten sind denn auch vielfältiger und reichen von der Errichtung und dem Betrieb von Stütz- punkten, Logistikdienstleistungen aller Art, dem Betrieb von Kriegsgefangenenlagern bis hin zur Ausbildung von Streit- und Si- cherheitskräften. In Anbetracht der struktu- rellen Gemeinsamkeiten, der Ähnlichkeit der Tätigkeiten sowie der Ausdehnung der Geschäftsfelder von PSCs in den Bereich der PMCs und umgekehrt,ist eine klare Ab- grenzung aber nicht immer möglich. Eine zweite, schon sehr genaue Klassifi- zierung ist die Einordnung der Unterneh- men nach ihrer konkreten Tätigkeit.Tabel- le 2 soll dazu einen Überblick verschaffen. Eine ähnliche Klassifizierung unterteilt die Unternehmen der Branche auch nach ihrer Tätigkeit, stuft sie aber zusätzlich nach ihrer Verwicklung in Kampfhand- lungen ein. Dabei orientiert sie sich zunächst an der bereits aufgezeigten Typo- logisierung, ordnet dann aber die einzel-

35 O’BRIEN 2000a, S. 55 Abbildung 2: ‹Tip of the Spear Typology›.

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nen PMFs nach ihrer Nähe zu den blutig auf Kombattante und Zivilisten aus- tatsächlichen Kampfhandlungen an der wirken. Auch spielt es für Söldner keine Frontlinie ein. Diese Einordnung wird Rolle, ob die angewandten Methoden der ‹Tip of the Spear Typology› genannt. Kriegführung legal sind oder nicht.38 Dies impliziert einerseits, dass Verbrechen von Regierungen und Regimes vor der eige- Wie Söldnertruppen die Krieg- nen Bevölkerung und der Weltöffentlich- führung beeinflussen keit verschwiegen werden können. Ande- rerseits werden damit ‹notwendige›, aber Söldner als neues Mittel zur Krieg- politisch nicht mehrheitsfähige Operatio- führung nen möglich. In Operationen dieser Art Gemeint ist mit diesem Einflussfaktor spielen insbesondere Söldner in Form von konkret,dass erst durch die Möglichkeit ei- Fremdenlegionären eine Rolle.39 ner Anheuerung von Söldnertruppen die Bestes Beispiel hierfür ist – wie kurz er- Option geschaffen wird, mittels kriegeri- wähnt – wohl der sogenannte ‹Mogadi- scher Gewalt Probleme zu lösen. schu-Effekt›. Die Bilder von verstümmel- Wie die Geschichte gezeigt hat, werden ten amerikanischen Soldaten in Somalia die Gewaltmärkte nach grossen Kriegen oft veranlassten die USA, aus Angst, den mit billigen Waffen und leicht anzuheuern- Rückhalt in der eigenen Bevölkerung voll- Ein Helikopter einer privaten Militär- den Soldaten überschwemmt.Vor allem auf ends zu verlieren, ihre Truppen überstürzt firma schwebt über der Stelle eines dem afrikanischen Kontinent, aber auch in abzuziehen. Damit signalisierten sie zu- Bombenanschlages in Bagdad. anderen Regionen war durch das Ende des gleich, dass ihr politischer Wille nicht un- Kalten Krieges und des Apartheid-Regi- beugsam ist. Ihre militärischen Drohungen mes vor rund 25 Jahren eine beträchtliche büssten an Glaubwürdigkeit ein.40 Höhe der Kosten einer Kriegführung soll Zunahme an Einsätzen mit Söldnerbeteili- im Folgenden erläutert werden. gung zu verzeichnen. Oftmals verfügen Die Lösung für dieses Dilemma scheint, Auf regulärer, staatlicher Ebene hat vor Regierungen von Entwicklungs- und zumindest auf amerikanischer Seite, durch allem die massive Reduktion der Streit- Transformationsländern wegen ihrer ge- den vermehrten Einsatz von PMFs zu er- kräfte seit dem Ende des Kalten Krieges zu ringen Mittel nur über schwache Streit- folgen. So seien diese gut einsetzbar für einem höheren Aufkommen von privaten kräfte. Hinzu kommt, dass staatliche Streit- Friedensmissionen sowie die Bekämpfung Dienstleistern im militärischen Bereich ge- kräfte durch Korruption, unregelmässige von internationaler Kriminalität, Drogen- führt.43 Für das Pentagon lassen sich gleich- Bezahlung sowie schlechte Ausbildung und handel und Terrorismus. Dieses ‹Rezept› zeitig noch zwei weitere Trends feststellen. Führung oftmals in einem derart desolaten gegen asymmetrische Konfliktsituationen So führte die Einführung von Hightech- Zustand sind, dass kaum von einer Einsatz- hat auch bei den Vereinten Nationen An- Waffensystemen zu einer verstärkten Ab- fähigkeit gesprochen werden kann. Eine klang gefunden. Dabei bleibt allerdings ei- hängigkeit von privaten Vertragsnehmern, Durchsetzung der Interessen oder die Ab- ne zwiespältige Haltung gegenüber priva- da ein Unterhalt durch eigene Soldaten wendung der Bedrohung mittels Gewalt ten Militärunternehmen. So werden diese kaum mehr möglich ist. Ausserdem ent- kam für Regierungen in solchen Situatio- auf der einen Seite als moralisch verwerf- steht Druck auf die Teilstreitkräfte, durch nen darum gar nicht in Betracht.36 lich abgelehnt, andererseits engagiert man Privatisierung die Effizienz und Moderni- So kam der russische Rüstungskonzern aber Unternehmen wie Lifeguard für den sierung voranzutreiben.Zudem ermöglicht Sukhoi für Äthiopien in den späten Neun- Schutz von UNO-Mitarbeitern in Sierra die Entbindung von Sekundär- oder Un- zigerjahren gerade recht. Für den bevorste- Leone.41 Es bleibt somit die Frage, ob mit terstützungsaufgaben eine Konzentration henden Krieg mit Eritrea leaste die äthio- den Söldnertruppen nicht sprichwörtlich auf die Kernkompetenzen der Streitkräfte, pische Regierung Su-27 Kampfjets, Me- der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben die eigentlichen Operationen. Die Stoss- chaniker, Bodenpersonal und über 250 Pi- werde. Einerseits wird auf die Schlagkraft richtung ist deutlich: Mit dem ‹Outsour- loten, kurz gesagt eine gesamte Luftwaffe. von Firmen wie Executive Outcomes cing› sollen Kosten für den Staatsapparat re- Ein weiteres Beispiel hierzu ist auch die (EO) und die damit verbundene rasche duziert werden.44 Vorbehalte gegenüber Firma MPRI. Mit ihrer Hilfe wurden die Einstellung der Kampfhandlungen hinge- dieser Strategie bestehen neben der grund- kroatischen Streitkräfte im Jugoslawien- wiesen.42 Andererseits wird die Korrup- legenden Problematik der Vergabe von öf- krieg Anfang der Neunzigerjahre kriegs- tionsresistenz von Söldnern und die damit fentlichen Aufträgen auch gegenüber der tauglich gemacht. Mithilfe dieser Ausbil- verbundene Loyalität zu den Auftraggebern Abwicklung von militärischen Dienstleis- dung gelang es dann der kroatischen Ar- bezweifelt. tungen selber. In diesem Zusammenhang mee, die serbischen Aggressoren in der findet man in der Auftragsabwicklung teils ‹Operation Storm› zurückzudrängen und Veränderung der Kostenstruktur der absurde Praktiken: so das kroatische Territorium zu sichern.37 Kriegführung Die Möglichkeiten für Staaten, militäri- Mit der Privatisierung von Aufgaben im «For instance, Saudi truck drivers provi- sche Operationen durchzuführen, werden militärischen Bereich ändert sich klar die ding line haul services after Desert Storm noch durch weitere Eigenheiten des Söld- Zusammensetzung der Kosten für militäri- nertums gestärkt. Für reguläre Soldaten sche Tätigkeiten. Auch erhoffen sich Re- braucht es triftige Gründe, in den Krieg gierungen durch die Privatisierung eine 36 KÜMMEL 2004, S. 21 und möglicherweise in den Tod geschickt Senkung der Kosten in ihren Verteidi- 37 SINGER 2003, S. 127 zu werden. Für Söldner aber zählt letztlich gungsausgaben. Dies gilt sowohl für grosse 38 KALDOR 1999, S. 26 39 MÜNKLER 2002b, S. 241 nur der Kontostand am Ende des Einsatzes. Staatsapparate wie auch für kleine Streit- 40 Söldner können und wollen sich nicht po- kräfte oder gar Regimes und Rebellenor- MÜNKLER 2002a, S. 50 41 KÜMMEL 2004, S. 27 litisches Gehör verschaffen. Es spielt keine ganisationen ohne viel militärische Erfah- 42 Ibid., S. 27 Rolle, ob ihr Auftraggeber in der Krieg- rung und Ausrüstung. Diese Implikationen 43 SHEARER 1998, S. 27 führung Fehler macht, die sich unnötig von Söldnertruppen auf die Struktur und 44 ZAMPARELLI 2000, S. 11f

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PMFs oder Söldnern im engeren Sinn oft- «All it takes to end Africa’s most endu- mals durch Ausbeutung und Handel von ring wars is a small, but willing cheque- Bodenschätzen geschieht. Häufig werden book»49? internationale Geldquellen wie ausländi- sche Regierungen, Emigrantengemeinden Die Begründung stützt sich darauf, dass oder gar Gelder für die Entwicklungshilfe sich PMFs, im Gegensatz zu Söldnern im missbraucht.47 engeren Sinn, wie ganz normale Unter- Bestes Beispiel hierfür ist der Einsatz von nehmen verhalten und durch den Ver- Executive Outcomes (EO) für die NPRC tragszwang sowie nationales und interna- (National Provisorial Ruling Council) von tionales Recht sehr wohl kontrollierbar Sierra Leone, wo deren Leistungen mit sind. Die angeblich fehlende Moral bei Schürfrechten an einer zu befreienden Dia- PMFs muss zudem differenziert gesehen mantenmine abgegolten wurden.48 werden. Die ethischen Ansprüche an Mi- Eine umfassende Übersicht über mögli- litärunternehmen ignorieren nämlich ihre che Quellen der Finanzierung von parami- potenzielle Wirkung auf Frieden. Viele litärischen Gruppen, zu denen auch Söld- bisherige multinationale ‹Peacekeeping›- ner gehören, gibt Abbildung 3. Operationen werden, wegen ihrer Un-

Blackwater-Personal im Irak.

[Irakkrieg 1991] routinely cooked meals on small propane stoves near their vehicles.This practice was alarming to Army ordnance personnel, especially when the cargo being hauled was high-explosive ordnance.»45

Zudem wird darauf hingewiesen, dass gängige Geschäftspraktiken wie die ‹just in time›-Lagerhaltung nicht vereinbar sind mit den Bedürfnissen von Kommandeu- ren. Diese sind aufgrund der Komplexität von militärischen Operationen auf mög- lichst umfassenden Nachschub angewie- sen. Engpässe wegen knapper Lagerhal- tung können unter solchen Bedingungen zu verheerenden Folgen führen. Daraus ist zu schliessen, dass der Einsatz von Abbildung 3: Geld- und Ressourcenflüsse in ‹neuen› Kriegen. Söldnertruppen die Kriegführung für Staaten wahrscheinlich nicht verbilligt, wohl aber eine Veränderung der Kosten- Devisen verleiten dazu, Probleme mit fähigkeit, Konflikte zu lösen, als herbe struktur ermöglicht.46 eingekaufter Gewalt lösen zu wollen. Dies Enttäuschung für den gesamten afrikani- Das seit dem Ende des Kalten Krieges führt aber, wegen der ungewöhnlichen schen Kontinent bezeichnet.EO hingegen neu entstandene Angebot von billigen Geldbeschaffung, gerade nicht zur Verfesti- vermochten in Angola und Sierra Leone Söldnertruppen ermöglichte verschiede- gung von Nationalstaaten. Zu einem ganz zwei Kriege auf dem afrikanischen Konti- nen Regimes und Rebellenbewegungen ähnlichen Schluss kommt Singer (2003), nent zu beenden. Oft wird festgestellt, dass eine neue Option auf Kriegführung. Wie indem er schreibt: ‹westliche› Armeen gar nicht mehr zu ei- dargestellt wurde, verfügten Länder mit «However it also might mean a return to ner Intervention für den Frieden fähig schwacher Staatlichkeit oder gar ‹Failed earlier periods of history, where private sind. Dies zum einen, weil reduzierte States› auch mit auswärtiger Finanzhilfe wealth and military capacity went hand in Streitkräfte seit dem Ende des Kalten nicht über die Möglichkeit,Armeen aufzu- hand, leading to more wars. Or as the an- Krieges zu solchen Operationen über- bauen und vor allem zu unterhalten.Durch cient Romans put it, pecunia nervus belli.» haupt nicht mehr befähigt sind, und zum die freie Verfügbarkeit von Söldnern hat anderen, weil die politischen Kosten dafür sich dies aber grundlegend geändert.Wich- Dauer des Konfliktes zu hoch sind.50 tig hierbei ist, dass die Aussicht auf militäri- Welchen Einfluss haben Söldnertruppen Für den Einsatz von PMFs in Friedens- schen Erfolg mit Söldnern regelrechte auf die Dauer der Kriegführung? Oder an- missionen spricht klar die höhere Effizienz Kriegsökonomien hervorrufen kann. Er- ders gefragt: Ist es möglich, mit einer ge- und Effektivität sowie die teilweise höhere schreckend ist zudem, dass durch die Ein- zielten Söldneroperation lange und zer- Professionalität als die der bisherigen UN- mischung von solch multinationalen Un- mürbende Konflikte oder Friedensopera- Truppen.‹Blauhelme› müssen nach wie vor ternehmen, wie es die meisten Söldnerfir- tionen zu verkürzen? Besteht nicht auch 45 DOWLING and FECK,2000, S. 64 men sind, aus bisher territorial eng be- die Gefahr, dass mit dem Import von Söld- 46 grenzten Gewaltökonomien transnational nern eine zusätzliche Verkomplizierung der DAVIDSON (2000) 47 CHOJNACKI 2003, S. 200 vernetzte Kriegswirtschaften entstehen Lage und schlussendlich eine noch längere 48 SHEARER 1998, S. 49 können. Verstärkt wird diese Vernetzung Auseinandersetzung droht? Und trifft es 49 BROOKS 2000,S. 33 noch dadurch, dass die Finanzierung von tatsächlich zu, dass: 50 SHEARER (1998)

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aus Kontingenten von Streitkräften ver- schiedenster Staaten zusammengestellt werden und formen in der Regel eine we- nig kohärente Truppe. Ein Vertreter von Blackwater soll 2006 anlässlich einer Fir- menpräsentation gesagt haben, dass sein Unternehmen nicht nur bereit sei, eine Streitmacht in Brigadestärke in jedes Kri- sengebiet dieser Erde zu entsenden, son- dern dies auch in einem Drittel der Zeit und 60% billiger als die UN oder die NA- TO tun könne.51 Trotzdem bleibt die Fra- Blackwater hat eine private Helikopterflotte im Irak. ge, ob ein Söldnereinsatz auch auf lange Sicht die Konflikte zu lösen vermag. Der Schlüssel zur Stabilität liegt letztlich in der nal nahm die Verpflegung der Truppe erst sich mit der Revolte der französischen Herstellung von Legitimität und staatlicher wieder wahr, als auch es Schutzanzüge von Fremdenlegion 1961 in Algerien, der Kontrolle der organisierten Gewalt. Zu- der US Air Force bekam.54 ‹Söldnerrevolte› in Zaire und den Putschen dem wird im Falle von Sierra Leone, aber Welchen Einfluss Söldnertruppen also von 1975 und 1990 auf den Komoren. In- auch allgemein bezweifelt,ob Söldnertrup- schlussendlich auf die Dauer der Krieg- dizien lassen vermuten, dass EO 1996 eine pen das richtige Mittel sind, um lang an- führung haben, kann kaum schlüssig be- wichtige Rolle beim Umsturz des Strasser- dauernde Guerillakriege zu beenden.We- antwortet und muss von Fall zu Fall abge- Regimes in Sierra Leone gespielt hatten.56 der eine Regierung noch die UNO haben wogen werden. Das grosse Potenzial der Auch PMFs sind schwer kontrollierbar. Es ein Monopol darauf, Söldner zu engagie- Söldnertruppen für einen schnellen und wird angenommen, dass die Firma Betac ren, was die Gefahr eines endlosen Söld- effektiven Friedenseinsatz darf sicher für das Pentagon und den CIA illegal in der nerkrieges ohnehin verstärken würde. nicht unterschätzt werden. Schliesslich Dritten Welt aktiv ist. Dadurch, dass ein Missbräuche von PMFs und Fehlver- bleibt ein Widerspruch: Wie weit wollen privates Unternehmen und nicht Beamte halten bei der Ausführung ihrer Aufträge sich Söldner zur Lösung instabiler Lagen selber die Operationen ausführen, kann die sind bekannt. In manchen Fällen wurden und schwelender Konflikte engagieren, Regierung ihre Tätigkeiten dem Kongress dadurch Kampfhandlungen unnötig ver- wo diese doch gerade ihren Verdienst si- und somit der Öffentlichkeit vorenthal- längert.Wie folgende Beispiele zeigen,gilt chern bzw. ihre «Lebensgrundlage» bil- ten.57 dies für alle Unternehmen der ‹Tip of the den. spear typology›.52 So wird angenommen, Demgegenüber steht die Aussage, dass dass im Äthiopien-Eritrea-Konflikt Kontrolle und Eigendynamik PMFs wie jedes andere Unternehmen 1997–1999 die eingemietete Luftwaffe Der vierte Faktor geht der Frage nach, auch auf ihre Reputation achten müssen der russischen Firma Sukhoi ohne zu zö- ob sich angeheuerte Truppen der Kontrol- und es sich daher gar nicht leisten können, gern zivile Einrichtungen zugunsten von le durch ihren Auftraggeber nach und nach an illegalen,allenfalls rufschädigenden Ak- Äthiopien angriff, sich jedoch schwer tat, entziehen können.Würde dies geschehen, tionen teilzunehmen. PMFs haben drei die Luftwaffe Eritreas zu attackieren. Dies könnten Konflikte eine Eigendynamik verschiedene ‹Meister›. Dies zu wissen ist offenbar deshalb, weil auch Eritrea russi- entwickeln, die nicht mehr einzugrenzen wesentlich, weil nur so ihre Kontrollier- sche und ukrainische Piloten engagiert wäre. Was die möglichen Stationen einer barkeit verstanden werden kann. Es sind hatte. Aus dem Bürgerkrieg von Sierra solchen Entwicklung sind und wie gross dies: ihr Heimatstaat, der Gaststaat bzw. Leone ist bekannt, dass die Firma Sky Air die Gefahr dazu tatsächlich ist, soll im Fol- Auftraggeber und der Markt. Jede dieser Cargo, die per Sub-Kontrakt mit der genden dargelegt werden. Obrigkeiten verfügt über Instrumente NPRC für die Luftunterstützung von Ausgehend von der ‹Prinzipal-Agent›- und Gesetzmässigkeiten, die PMFs mehr Sandline verantwortlich war, auch die Theorie lassen sich zwei mögliche Arten oder weniger kontrollierbar machen. So gegnerischen Rebellen mit Waffen ver- des Kontrollverlusts herleiten: verfügen einige wenige Staaten, wie Süd- sorgte.53 1. Der Agent (die Söldnertruppe) verlässt afrika oder die USA, über starke An- Während des Golfkriegs von 1991 lies- den Prinzipal (Staat als Auftraggeber) ge- tisöldnergesetze, während andere Staaten sen offenbar Angestellte jener Firma,die für rade dann, wenn er am meisten ge- dazu nur schwache oder gar keine Rege- die Verpflegung der US Air Force verant- braucht würde. lungen kennen. Hinzu kommt, dass auch wortlich war, zeitweilig ihre Arbeit ruhen, 2. Der Agent dominiert plötzlich den Prin- gut ausgebaute Regelwerke nicht immer als Gerüchte über mögliche Angriffe mit zipal und kann dadurch seine eigenen greifen. Formell sind meistens die auf- chemischen Waffen entstanden. Das Perso- Interessen durchsetzen.55 tragsgebenden Staaten für die Aktivitäten der PMFs verantwortlich.Um hierbei kei- Während der Kontrollverlust durch Ver- ne Schwierigkeiten mit dem Völkerrecht tragsbrüche eher einen Einfluss auf die zu bekommen, teilt der Staat das Personal Dauer eines Konfliktes hat, birgt ein Er- der PMFs oftmals einfach seinen regulären starken von Agenten die wahre Gefahr des Streitkräften zu. So kann er dementieren, Kontrollverlusts. Bestätigt wird dies schon Söldner angeheuert zu haben. Gerade bei durch die Geschichte des Söldnertums. Im Italien der frühen Neuzeit war es sogar so, dass die damaligen Söldner, die sogenann- 51 SCAHILL (2008) 52 Siehe Kapitel 2.2, Söldnertruppen heute. ten Condottieri, zeitweilig das alleinige 53 Monopol der Gewalt hatten und damit SINGER 2003, S. 158 54 DOWLING and FECK 2000,S. 63 mächtiger waren als ihre eigentlichen Auf- 55 SINGER 2003, S. 159 traggeber. Beispiele aus der jüngeren Ge- 56 Ibid., S. 164f Blackwater-Angestellter im Feuerkampf. schichte oder gar der Gegenwart finden 57 KÜMMEL 2004, S. 28

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Ländern mit schwacher Staatlichkeit ist es sein muss. Stetig sinkende Verteidigungs- fraglich, ob die Regierung über eine aus- Namentlich eröffnen Söldner ausgaben und das Fehlen einer effektiven reichende Verhandlungsmacht verfügt, um Zentralgewalt sind Gründe dafür.Hauptur- Vertragsbrüche mit der PMF zu ahnden. die Möglichkeit, Krisenherde sache für das Phänomen der Söldnertrup- Auch betreffend Selbstregulierung der durch einen kurzen Feldzug pen ist letztlich das sich verändernde Ge- PMFs durch den Markt bestehen Beden- sicht des Krieges. ‹Low intensity conflicts› ken. So mag die Gefahr der Rufschädi- zu beseitigen. oder bewaffnete Auseinandersetzungen,die gung dafür sorgen,dass auf gewisse Prakti- auf Asymmetrie beruhen, lösen zuneh- ken verzichtet wird. Doch was ist, wenn mend den reinen Staatenkrieg ab. der Krieg selber zum Geschäft wird und Möglichkeit,Krisenherde durch einen kur- eine Eindämmung der Gewalt dafür nur zen Feldzug zu beseitigen. Mit dem Einbe- hinderlich ist? zug einer weiteren Partei (Söldner) entsteht Hauptursache für das Phänomen Dadurch,dass Staaten schlicht nicht wol- gleichzeitig die Gefahr,dass der ursprüngli- len, dass ihre Möglichkeit zur Anheuerung che Konflikt komplexer wird.Mit Blick auf der Söldnertruppen ist letztlich von Söldnertruppen eingeschränkt wird, die Dauer eines Krieges kann dies zwar ei- das sich verändernde Gesicht werden Söldnertruppen wohl beides: we- ne Verkürzung der Kampfhandlungen be- der völlig kontrollierbar noch völlig un- deuten, oder aber, wegen Nichteinhaltung des Krieges. kontrollierbar.58 der Vertragsvereinbarungen,zu einer Verzö- Eine Einstufung nach Stärke der Kon- gerung in den Nachschublieferungen trollierbarkeit ist möglich. So sind Frem- führen und damit die Kampfhandlungen Anders formuliert: Will man heutige denlegionen am besten kontrollierbar, verlängern. Durch den Einsatz von Konflikte untersuchen, tut man gut daran, PMFs je nachdem gut oder weniger gut Söldnertruppen ergibt sich auf jeden Fall Einsätze von Söldnertruppen mit in die zur Rechenschaft zu ziehen, und Söldner eine Vervielfachung der Finanzierungs- Betrachtung einzubeziehen. Dies erlaubt im engeren Sinn vermögen sich fast gänz- möglichkeiten und damit eine veränderte es, den jeweiligen Grad der Entstaatlichung lich aus der Verantwortung zu stehlen.An- Kostenstruktur eines Krieges. Ob dies un- von Gewalt korrekt zu erfassen. Dies wie- dere Faktoren,wie z.B.die Art des Konflik- ter dem Strich zu einer Senkung der derum schafft die Möglichkeit, Auswir- tes, der Kriegsverlauf oder die relevante Kriegskosten führt,ist schwierig abzuschät- kungen und Verlauf moderner Kriege ge- Gesetzgebung, können jedoch Auswirkun- zen, darf aber in vielen Fällen bezweifelt nauer zu prognostizieren. Vielleicht liesse gen auf die Kontrollierbarkeit der Söldner- werden. Entstaatlichte Gewalt kann nie to- sich damit sogar ein bevorstehender «ha- truppen haben. tal kontrolliert werden, auch eine vollstän- voc» abwenden. dige Verselbstständigung der Söldnertrup- pen ist kaum möglich. Schlussbetrachtungen Staats- und Söldnerwesen widerspre- Aufgrund der vier identifizierten Ein- chen sich auf einer konzeptionellen Ebene. flussfaktoren von Söldnertruppen auf die Die Geschichte zeigt, dass Krieg und Söld- Vorliegender Artikel geht aus einem Text hervor, der am Kriegführung lässt sich folgern, dass durch ner in der Realität sehr wohl zusammen- 28. November 2005 als Bachelorarbeit des Majors Interna- tional Affairs and Governance an der Universität St.Gallen das erneute Aufkommen des Söldnertums gehören. Daraus folgt, dass die Existenz angenommen wurde. Der Autor hat insbesondere formelle die Kriegführung an Attraktivität gewon- starker Nationalstaaten noch kein Garant Anpassungen sowie Aktualisierungen des Inhaltes vorgenom- nen hat. Namentlich eröffnen Söldner die für den Rückgang von Söldnertätigkeiten men.

58 CULLEN 2000, S. 36ff

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Effects-Based ... what?

EBO (Effects-Based Operations), EBAO (Effects-Based Approach to considering a solution that focuses on a Operations), EBA (Effects-Based Approach), CA (Comprehensive Ap- strategic end-state achieved through the proach)... all these acronyms refer to the practice of contemplating so- linkage of actions,objectives and effects,har- monized among all the instruments of pow- lutions that rely on the use of effects to achieve success. Both NATO and er of a State and across all levels of command non-NATO countries are currently developing their respective versions and control (grand strategic to tactical), to of the ‘effects-based’ concept. This work generates a lively debate, and prevent,contain and solve a crisis.EBW un- the concept has achieved the status of a benchmark for current and fu- derpins the importance for all instruments ture development not only of the Armed Forces, but also of the strate- involved to share a common understanding of the context,and to be aware of the conse- gy of the State. The purpose of this paper is to familiarize the reader quences of their actions.A world of complex with the basic tenets of the concept. It also endeavors the discussion of adaptive systems requires the ability to gen- these tenets and its purpose is to highlight some of the risks and advan- erate a variety of responses that use all avail- tages associated with them. able means.In such an environment,EBW is a valuable instrument to help us shape our security in the 21st Century. Sylvain Curtenaz* we live today in a permanent state of crisis The purpose of this paper is to familiar- regularly heated up by the use of not only ize the reader with the concept, mainly as it military force5 but also of other means: for is understood in NATO. It also endeavors A complex world1 example the cyber-attacks against Estonia in the discussion of its tenets and intends to Spring 2007. If anything can be a weapon highlight some of the risks and advantages War, as understood by Clausewitz, has its then military defense takes on a whole new associated with them.This paper opens with own permanent logic. However, in the meaning in the new security context. a brief history of the concept and a presen- century of “Unrestricted Warfare”2, and in A quick look at the achievements of the tation of NATO’s developments. It then a world deeply transformed by technology past decade underpins the premise that sol- discusses the concept’s basic tenets,and con- in general, and information technology in diers benefiting from the finest technology cludes that the key to a successful EBW is a particular, the grammar of war has indu- have generally failed to bring enduring holistic approach to security that considers bitably changed: strategic success.6 Superior technology is the consequences of our actions not only “Even in the so-called post-modern,post-in- no match against a superior will engaging geographically, but in the broader strategic dustrial age, warfare will not be totally disman- in psychological attrition, or a divergent environment of the Information Age. tled. It has only re-invaded human society in a understanding of time and social values as more complex, more extensive, more concealed, its weapon of choice. Rapid decisive mili- and more subtle manner. [...] War which has tary victories remain of little use to those An American concept8 undergone the changes of modern technology who forget that, in the words of F.Kagan, and the market system will be launched even “[...] when you start to see war as a techni- Relating the story of an idea is not with- more in atypical forms.In other words,while we cal exercise and you stop seeing it as a fun- out risks. One idea can have many owners, are seeing a relative reduction in military vio- damentally political activity, you lose sight and the thought of combining various in- lence, at the same time we definitely are seeing of the obstacles you’re going to face.”7 struments of power to achieve an effect, to an increase in political, economic, and techno- The “effects-based way” (EBW) - a term attack the opponent’s psyche, or to strike logical violence. However, regardless of the form I forged for the purpose of this article and multiple targets simultaneously, is not new the violence takes, war is war, and a change in that encompasses the family of definitions to strategists and military historians.9 Con- the external appearance does not keep any war for EBO, EBAO, EBA, etc.- is a method of temporary thinking on the use of effects from abiding by the principles of war.3 [...] there is nothing in the world today that 1 Complex vs complicated: A complicated system in place of the pen,but does not on that account cease cannot become a weapon, and this requires that can be understood and mastered when broken into to think according to its own laws.”- Carl von Clause- our understanding of weapons must have an simpler single pieces.Although an airplane is made of witz, On War. Edited and Translated by Michael 4 4 million parts, each part can be understood and inte- Howard and Peter Paret. (Princeton: Princeton Uni- awareness that breaks through all boundaries.” grated into the whole.A complex system is made of a versity Press, 1989), 610. This change reflects a deeper trend that number of other complex systems which cannot be 8 See: Philipp S. Meilinger, “A History of Effects- stresses the need to make a clean break from fully understood, or even grasped without using ex- Based Air Operations,” The Journal of Military Histo- the mental straightjacket of the Cold War perimentation and the simulation of the whole system ry 71, January 2007: 139-68, and Leonard D. Ricker- and industrial age warfare when it comes to of systems. - See: Gaëtan Girardin, “Analyse de Sys- mann, Effects-Based Operations: A New Way of threat and response.War,as a duel of wills,re- tèmes dans le cadre de l’approche des opérations Thinking and Fighting (Fort Leavenworth: United basées sur les effets,” Research Paper (v. 1.0), Military States Army Command and General Staff College, mains.The context however has been once Doctrine Division of the Swiss Armed Forces Plan- 2002–03). more transformed, and it can be argued that ning Staff, Sept. 2007. 9 See for example J.F.C. Fuller:“The grand-tactical 2 Qiao Liang and Wang Xiangsui, Unrestricted object is the destruction of the enemy’s plan [...].The Warfare (Beijing: PLA Literature and Arts Publishing strength of this plan is, however, divided between the House, 1999), www.c4i.org/unrestricted.pdf. hostile army, government, and people, all of which * Colonel (GS) Sylvain Curtenaz is the Partner 3 ibid., 6. should, if possible, be attacked directly,or indirectly by National Liaison Representative for Switzerland to 4 ibid., 25. force of arms and by political action.” - J.F.C. Fuller, NATO HQ SACT,Norfolk (USA). He was deployed 5 Raymond Sayegh,“Réflexions sur la guerre,”Re- The Foundations of the Science of War (London: as the National Contingent Commander in Kosovo in vue Militaire Suisse, no. 3 (2007), 40. Hutchinson & Co.,1926),108 and:“Politically,the de- 2002–2003 and he is a 2006 graduate of the U.S. Na- 6 Robert Gates, speech to the Marine Corps Asso- cisive point is the will of the hostile nation, and grand tional War College (National Defense University). ciation,August 6 [?], 2007. tactically it is the will of the enemy’s commander.To This paper (completed in January 2008) does not re- 7 F. Kagan, quoted in Anna Mulrine, “Rumsfeld’s paralyze this will we must attack his plan, which ex- flect the current state of Swiss work on the effects- unfinished plans,” U.S. News & World Report, April presses his will - his reasoned decisions. Frequently,to based concept. The views and opinions expressed in 16, 2007, 34. Clausewitz wrote:“War is an instrument do so, we must attack his troops, but not always; for he this paper do not represent any endorsement by the of policy.It must necessarily bear the character of pol- can be attacked in rear by the will of his own people Swiss authorities, political and military alike.Address: icy and measure by its standards.The conduct of war and his own politicians, also he can be out-maneu- [email protected] [...] is therefore policy itself, which takes up the sword vered and surprised.”ibid., 110.

Military Power Revue der Schweizer Armee Nr.2-2008, Beilage zur ASMZ 8/2008 21 ARMEE

has evolved mainly from an Air Force ori- the entire system of systems of the adver- EBAO, the NATO version of EBW ented operational concept to the status of a sary with fewer and better used resources.15 strategic instrument in the hands of the As the U.S. Armed Forces entered the NATO’s version of EBW,the EBAO,de- state or of an alliance. Both NATO and realm of Information Age Warfare, stressing rives from the Alliance’s broader approach non-NATO countries are working on the importance of the cognitive domain – to security (i.e. not only military, but the their respective versions of such an effects- the behavior – EBAO opened to the wider need for coherence of all instruments of world of transformation.16 JFCOM, the power in action), as defined in its 1999 Al- Headquarters in charge of Transformation, liance Strategic Concept.20 Considering EBAO is closely associated to the Doctrine, and Training, started working on that forces can be engaged in a broad array the concept in the late nineties.It published of operations and in a context where the development of air warfare. various pre-doctrinal documents,including delineation of peace and war is blurred, its Commander’s Handbook for an Effects- EBAO is the instrument used to guide the Based Approach to Joint Operations. Al- development of capabilities and operational based concept.10 It is fairly safe, however, to though the Commander’s Handbook has concepts through the process of transfor- assert that the Effects-Based Approach to not been endorsed by any of the Services, mation, while framing the decision making Operations (EBAO) was born in the USA the concept – albeit limited to the discus- at both the operational and strategic lev- as an offspring of the Effects Based Opera- sions of effects – has nevertheless been em- els.21 In NATO the “effects-based approach tions (EBO).While both names tend to be bedded in the latest versions of the major to operations is the coherent and compre- used indiscriminately in the early literature, U.S. Joint Publications.17 hensive application of the various instru- EBAO generally now represents a widen- To this date the Services of the U.S. ments of the Alliance,combined with prac- ing of EBO, in scope as well as in the im- Armed Forces, apart from sharing the view tical cooperation with non-NATO actors plementation. that this “body of thought is about a com- (NNA) involved, to create effects necessary EBAO is closely associated to the devel- mand ‘approach’ to national and military to achieve planned objectives and ultimate- opment of air warfare, more particularly to strategy,”18 rather to operations only, or ly the NATO end-state.”22 bombing operations.With the goal to im- even targeting per se, have not yet come up The development of information tech- prove the effectiveness of their operations, with a common and shared level of under- nologies and of technology as a whole is airmen looked for those essential capabili- standing and integration of EBAO. The perceived as the key enabler for such a con- ties nested in the adversary’s economic or- USAF is the most advanced in the imple- cept. Whereas interoperability remains of ganization which, when destroyed, should mentation of an Effects-Based Approach significant importance as an instrument,the bring the war machine to a halt, and bring (EBA) which now represents the core ele- ultimate goal is to achieve coherence of the the adversary to his knees. During the Sec- ment of its doctrine.19 Alliance’s actions and end-states, from the ond World War, Allied analysts identified political-military level down to the tacti- many of such capabilities in the German cal level. This consequently requires that economy11 but, missing the proper analyti- NATO forces achieve their own coherence 10 For her part, Switzerland has identified EBAO as cal tools,they failed to agree on which ones the fundamental intellectual framework for the work - and the yet to be identified steps beyond were pivotal to the Nazi war effort. In the done in the context of its future concept of Network it - while ensuring successful coordination years following the Second World War the Enabled Operations (NEO). with all the NNAs involved. U.S.military further researched ways to en- 11 Such as ball bearing factories, rail lines, oil pro- The efforts focus on improving “the hance and measure the effectiveness of mil- duction facilities, etc. three COs”: COherence, COmprehensive 12 itary operations. The trend switched to Meilinger, 160-61. and COordination: 13 ibid. counting “things” and to mistaking this 14 Warden’s five rings are, from the core to the out- a. Improving the coherence from end- count for effectiveness. On the ground, the er ring: leadership, organic essentials, infrastructure, state to action (end-state, objectives, effects, “body count” was “the epitome of a mea- population, fielded forces. actions) across the entire board of NATO sure of effectiveness gone wrong”.12 In the 15 David A. Deptula,“Firing for Effects,”Air Force capabilities, and vertically from the politi- air, the U.S. Air Force (USAF) focused on Magazine, April 2001, 46–53, and Effects-Based Op- cal-military level down to the tactical levels. tracking sorties, bomb tonnage, destroyed erations: Change in the Nature of Warfare (Arlington: b. Comprehensive application of 13 Aerospace Education Foundation, 2001). bridges, etc. 16 On EBAO and Transformation, see E.A. Smith: NATO’s own crisis management tools, The theoretical constructs of J.Boyd and Complexity, Networking, and Effects-Based Ap- drawing military and non-military tools to- J.Warden who focused on affecting the ad- proaches (Washington, D.C.: CCRP, 2006), and Ef- gether within NATO. versary’s behavior by depriving the leader- fects-Based Operations: Applying Network Centric ship of its ability to make decisions, issue Warfare in Peace, Crisis and War (Washington, D.C.: 17 3-0, Joint Operations and 5-0, Joint Operations CCRP,2002?). Planning, 3-60, Joint Targeting. and implement orders finally broke the 18 14 In the USA, transformation is generally under- R. Thompson, Securboration Inc., e-mail mes- deadlock. In addition, with technology stood as “the act of creating and harnessing a revolu- sage to the author, November 9, 2007. providing command and control, and also tion in military affairs” [Hans Binnendijk, ed.,Trans- 19 Air Force Doctrine Document 2: Operations precision,stealth and speed to replace num- forming America’s Military (Washington: National and Organizations, 3 April 2007. bers and to increase mass, the air campaign Defense University Press, 2002), xvii.] that aims at 20 NAC-S(99)65,The Alliance’s Strategic Concept, shaping “the changing nature of military competition 24 April 1999. of the 1991 Gulf War capitalized on the si- 21 multaneity of attacks in time,space and lev- of cooperation through new combinations of con- The key military document that merged these cepts, capabilities, people and organizations” ([Donald ideas was the Bi-SC Concepts for Alliance Future els of war, thus operationalizing “parallel H. Rumsfeld], Transformation Planning Guidance Joint Operations, or CAFJO,from February 20, 2006. warfare”. Building on the lessons of the air (April 2003), 3.) in order to maintain a technological Although CAFJO has not been formally endorsed by campaign, D. Deptula further developed and operational advantage. the members of NATO,its key ideas,and more partic- the idea, replacing the traditional concept As of para 4 c, The NATO Military Command ularly EBAO, have been integrated in important doc- of annihilation by the one of control.With- Structure (MC 324/1), 7 May 2004,“transformation uments like the 2006 MC Position on an Effects Based in this concept the neutralization of select- in the context of the Alliance is defined as a continu- Approach to Operations (MCM-0052-2006), and the ous and pro-active process of developing and integrat- Comprehensive Political Guidance published at the ed targets, by the law of causes and effect, ing innovative concepts, doctrines and capabilities in NATO Summit in Riga, 29 November 2006. aims at affecting essential system compo- order to improve the effectiveness and interoperability 22 MCM-0052-2006, MC Position on an Effects nents, thus allowing gaining control over of NATO and Partner forces, as appropriate.” Based Approach to Operations, 6 June 2006.

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c. Coordination with NNAs: under- road to making the Alliance’s broad ap- standing the different linkages between end proach to security a comprehensive one re- The fall of a tree state, strategic objectives, effects and actions mains a rocky path. as they are meant by all the actors, and co- A couple of years ago, a tree falling on a ordinating them within NATO and with power line crossing the Swiss Alps shut the NNAs.23 How does EBW work? down Italy’s power grid generating a national state of emergency.In an EBW The work on the military component The idea understanding of this event, the tree is of EBAO is moving forward steadily.It re- the “action”.The state of emergency is flects the shared views of Allied Com- John Boyd’s idea of the “OODA loop”26 the “effect:” the system of systems mand Operations (ACO) and Allied was to help understand and explain the dy- “Italy”reacts to the action by altering its Command Transformation (ACT), the namics of the decision cycle.This would al- shape. It is unknown however, prior to two Strategic Commands, and has the tac- low not only faster decision-making, but the crisis, which configuration, which it support of the Alliance. The process of action aimed at the disruption of the oppo- shape, the system of systems will chose, revising the Guidelines for Operational nent’s OODA loop, therefore affecting his how well this new configuration will Planning (GOP) will also probably begin capability to make decisions and act. The perform, and what the resulting conse- in the course of this year. At this stage focus on both physical and cognitive capa- quences will be. The analysis and the however, EBAO is not approved NATO bilities, with kinetic and non-kinetic ac- simulation of the system of systems doctrine. tions within an EBW follows a similar path. “Italy” reacting to the action “tree It is at the grand strategic level that the In addition, by widening the usual military falling” would bring some answers, as Alliance encounters the most difficulties in planning scope up to a MPEC27-integrated well as highlight unforeseen other possi- dealing with an effects-based concept. To strategic level, EBW provides more options ble effects. support the execution of an EBAO,NATO within the strategic and the operational en- discusses the implementation of an overar- vironments for selecting physical and non- Of course, the action “tree falling” not ching concept, the Comprehensive Ap- physical areas where to fix and ‘effect’ an being the result of intent, this example proach (CA).A CA is not only necessary to elusive adversary,as operational capability is involves neither objectives nor end- coordinate the Military and Political in- no longer limited to military outputs but state. struments of power within the Alliance,but extended to the entire MPEC spectrum. also with the Military, Political, Economic A successful EBW represents the harmo- and Civil (MPEC) elements of its individ- nization of military and civilian activities The NATO concept 30 ual members and of the NNAs.The use of across the band of the instruments of pow- a. Actors and the engagement space the military instrument of power is not the er in order to influence the behavior of all sole guarantee of success, therefore stabi- the actors, friends, foes, and neutrals. Plan- EBAO develops in a wide operational lization and reconstruction, both during ning, execution and assessment aim at environment referred to as the engagement and post conflict, must be taken into con- generating the necessary effects at all levels. space.The engagement space is part of the sideration from the very onset of planning, Using EBW requires thinking comprehen- strategic context in which NATO will en- thus requiring a strong role to be played by sively about the situation while planning gage, but also where the interaction of the the North Atlantic Council (NAC). Such and acting with regard to the conse- various actors may impact on the end- issues are sensitive among NATO nations, quences. state.31 This space consists of systems divid- and despite their commitment to an en- EBW is output focused. It focuses on the ed along the lines of what both the U.S.and hanced civil-military cooperation the CA ends and not on the means, or inputs. EBW NATO describe as PMESII, the acronym debate may last for a while as it touches on relies on the principle that actions cause ef- that stands for Political,Military,Economic, the very core of the understanding of the fects and that these effects influence the way Social, Infrastructure and Informational. Alliance’s role and mission, and would ulti- one thinks and acts.Therefore, while EBW mately call for a review of the Alliance’s in- requires planners to deliberately plan ac- ternal organization and processes.24 The tions in order to produce specific effects to 23 ibid, para 16-19. alter the behavior and the capabilities of dif- 24 Decision by the higher NATO authorities on 28 ferent actors, it also requires that they be The Future Comprehensive Civil-Military Interac- NATO’s EBAO Handbook aware of the possible effects of their intend- tion Concept (FCCMI), an important enabler of an ed actions outside of their particular fields of improved vertical (inside of NATO), and horizontal The latest NATO product on EBAO is interest. Any Effects-Based concept, what- (with the NNAs) civil-military cooperation has been the Effects-Based Approach to Opera- ever the label, begins with the understand- expected for almost half a year already! 25 Effects-Based Approach to Operations (EBAO) - tions Handbook. Published in Decem- ing that undertakings have intended and Bi-SC pre-doctrinal handbook, Dec. 4, 2007. Further 25 ber 2007, this edition of the Hand- unintended (as well as unforeseen) conse- referred to in the text and the footnotes as the book is considerably leaner than its quences and that all these consequences, es- NATO’s EBAO Handbook. original draft,and has been cleared of al- pecially in the complex and transparent en- 26 Observe, Orient, Decide,Act. most all references to the political- vironment of the Information Age, need to 27 The U.S. uses the acronym DIME (Diplomatic, strategic level.This supports a previous be taken into account during planning and Information, Military, Economic) which may be re- placed by DIMEFIL (DIME + Finance, Intelligence, assumption that, in NATO, EBAO execution. The end-state results from the Law Enforcement). refers strictly to the use of the military achievement of various objectives. These 28 Development of NATO’s Effects-Based Ap- instrument, including the topic of “mil- objectives are the result of one or more ef- proach to Operations (EBAO) - Bi-Strategic Com- itary/non-military harmonization.” fects. Actions generate effects aimed at the mand Discussion Paper, July 2, 2007, 2. achievement of the objectives.A continuous 29 [NATO], Engagement Space Assessment Hand- book, v.1.0, 10 August 2007, 4. Other documents and tools are in assessment cycle, in the spirit of a results- 30 29 This part is based on the NATO’s EBAO Hand- preparation under the auspices of the based management, constantly measures book.The reader interested in more details is advised Bi-SC EBAO Working Group. the progress towards the end-state, objec- to consult the Handbook. tives and effects. 31 Bi-Strategic Command Discussion Paper, 3-4.

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1) Knowledge Development (KD)

Knowledge Development provides a comprehensive understanding of the en- gagement space which is accessible to all from a common pool of knowledge.39 Knowledge is not only directed at the op- posing party’s capabilities, but also towards its behavior (i.e the motives for/behind its actions). The own party (Blue), as well as the neutrals (Green), are also considered in the KD process.This, according to the the- ory, can be achieved through the systemic analysis of the different systems constituting the engagement space, or PMESII. Sys- temic analysis is a permanent process sup- ported by special cells, the Red, Green and Blue Teams.They focus on the key actors and contribute to the simulations, the mis- The illustration shows the relationship between the end state to be achieved, and the sion analysis and the wargaming by elabo- actions to be taken in order to generate the effects aimed at different objectives across rating their own effects and their own reac- the MPEC spectrum. tions to the effects applied to the systems they represent. It is therefore accepted that a crisis can the dynamic elements that produce effects. be described as a friction or clash of two or In the NATO jargon, an action is “the 2) Planning more systems of systems,and that other sys- process of engaging any Alliance instru- tems gravitate close to those. Neutral par- ment at each level in the engagement space NATO considers EBAO as an en- ties to the conflict and non-governmental in order to create (a) specific effect(s) in hancement of its Operational Planning organizations (NGO) all represent systems support of an objective.”36 Process (OPP); an add-on that will im- of systems whose interaction also needs to Effects are directed either at the capabil- prove the ability to plan. Planning and ex- be taken into account. All these other sys- ities or at the behavior of actors in order to ecution strive to achieve the coordinated tems are referred to as Non-NATO Actors induce or prevent change, or to thwart the and synchronized application of actions,in (NNA). use of capabilities. Effects can be primary the form of missions and tasks, to generate or subsequent as they cascade from other the desired effects and attain the objec- b.End-state effects, physical, as well as non-physical tives.A continuous cycle of assessment en- ones.Although the intent is to produce ef- sures that actions, creation of effects, and End-state: “A single, agreed unambiguous fects that are desired, actions may also gen- achievement of objectives all progress to- concluding situation attained by the achievement erate undesired ones. Effects, desired and wards the accomplishment of the end- of one or more strategic objectives determined by undesired,are achieved directly or indirect- state. the [North Atlantic Council] NAC.”32 ly (i.e. through other effects). The attain- ment of the objectives is the final measure 3) Execution The nature of the end-state is political, of the success of the effects. and the NATO end-state must be written Planning encompasses the definition of NATO states that “execution in an in such a way that a range of acceptable en- the desired effects to be achieved,as well as EBAO requires the command and control gagement space behavior is described.33 the identification of undesired effects to of military forces and interaction with oth- The instruments of power (MPEC) con- be avoided, and that of the effects generat- er non-military means to conduct inte- tribute to the end-state by achieving objec- ed by other instruments that could sup- grated, coordinated or synchronized ac- tives in a supported/supporting role. In port or impact the objectives. Further tions to create desired effects.”40 Generat- NATO, an objective is a “clearly defined analysis of the effects supports the design- ing effects is the responsibility of the mili- and attainable goal in the engagement ing of courses of action.The goals for as- tary-strategic and of the operational levels. space, essential to military commanders’ sessment are produced while the effects To be successful, execution requires the plans. Objectives are achieved by the out- are defined. feedback provided by the fourth function come of an aggregation of intended effects of EBAO, the assessment. Through this and are derived from the end-state. Their d.The four activities of EBAO process, ongoing operations can be adapt- completion should lead to the achievement of the end-state.”34 To put this construct in motion, EBAO

requires four activities, known in NATO as 32 c. Effects and actions ‘functions’: Knowledge Development NATO’s EBAO Handbook, 2-1. 33 From the draft version of NATO’s EBAO Hand- (KD), Planning, Execution and Assess- book, June 19, 2007, 24. 37 Effect:“The cumulative consequence of one or ment. The implementation of these func- 34 NATO’s EBAO Handbook, 2-1. more actions across the engagement space that tions in the decision making process,as well 35 ibid. leads to a change in the situation in one or more as the development of adequate procedures 36 ibid. domains.Aggregation of intended effects leads to and tools, for example the socio-cultural 37 Also referred to as Effects-based planning (EBP), 35 -execution (EBE), and -assessment (EBA). the achievement of objectives.” and behavioral analytical and simulation 38 38 www.simulexinc.com softwares SEAS VIS and NRT, currently 39 Bi-Strategic Command Discussion Paper, 6. / Effects play the central role in EBAO. represent the main challenge generally en- NATO’s EBAO Handbook, 2-7. They link objectives to actions.Actions are countered in the realization of EBAO. 40 NATO’s EBAO Handbook, 2-8.

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ed, and the plan amended. In addition, ex- the interconnections between the actors construct when it can be argued that it can ecution also focuses on the synchroniza- and the issues. It mostly answers the either be a node, a link, a system, a system tion of actions and actors across MPEC. “how” systems work.The U.S. and, so far, element, or the fabric that keep elements NATO have focused on structuring the together thus leading to a endless multipli- 4) Assessment environment according to six elements, cation of CoGs,or its melting into one sin- gle entity?47 EBAO depends upon developing the In a systemic approach the link between most appropriate measures of effectiveness The U.S. and, so far, NATO have focu- the action and the objective is a causal link. (MoE)41 as well as of performance (MoP). A basic underpinning of EBW is that all Assessment is crucial to the success of exe- sed on structuring the environment causal links between intended effects and cution, and more generally to the concept according to six elements, Political, planned actions are deduced using some of EBAO itself.Assessment ensures the nec- logical construct or analysis.All causal links essary adaptations of plans at all levels as the Military, Economic, Social, Information should be sensibly viewed as planning as- adversary systems react to the effects applied and Infrastructure, or PMSEII. sumptions and not as planning facts in or- to it,in order to capitalize on gains and mit- der to avoid planning the unknown, for a igate the consequences of undesired effects. crisis is neither linear nor predictable in na- It is recommended to share MoE and MoP Political,Military,Economic,Social,Infor- ture.The view that it is possible (indeed a across all levels of commands and the mation and Infrastructure, or PMSEII. necessary requirement for EBW) for all MPEC in order to enhance awareness and PMSEII is built on the assumption that all causal links to be identified with high ‘as- facilitate synchronization. On the military systems and their components are linked surity’ appears to be misguided, as is the as- side, assessment does not replace, but rather together,and therefore are not fields with- sumption of linearity in effect-chain mod- complements, and is enriched by, what the out common elements.45 The product is a eling.48 In addition, effects may not yield U.S. call combat assessment.42 set of models which represent the envi- results immediately and it is difficult to ap-

Measures of Effectiveness (MoE) “Was the intended new system state - the A crisis is neither linear nor desired effect - created?” predictable in nature. Focus is on how system behavior or capa- bilities have been affected by actions. Apart from describing the system element preciate this lapse of time, especially when it applies to and how it is expected to applying cognitive effects. Delay, continu- change, an MOE must be observable and ance of validity,‘assurity’,49 and the mainte- quantifiable, and must include a threshold value to describe the effect status. 41 Meilinger, 164. 42 Combat assessment is composed of 3 related ele- Measures of Performance (MoP) Focus is on the evaluation of the actions ments: battle damage assessment, munitions effective- to determine if they are accomplished or ness assessment, and future targeting or re-attack rec- not. ommendations. (Commander’s Handbook for an Ef- fects-Based Approach to Joint Operations, IV-9). 43 Marc Humbert,“Effects Based Approach to Op- erations; Faire de l’EBAO ou ne pas en faire?,”Paper, The assessment criteria are developed ronment and support decision making. [2007]. during the planning and implemented The same way field commanders use 44 The U.S.tested ONA and the simulator SEAS in concurrently with the plan. Assessment sketches and maps to better understand Afghanistan.The German KD concept and tools have aims at providing an evaluation of progress the terrain, decision makers of the 21st been tested in Kosovo. towards the achievement of the objectives Century can use models to better grasp 45 Knowledge Development. Draft Concept, and of the end-state.Therefore, assessment the systems’ complexity. Spring 2007, 7. 46 NATO’s EBAO Handbook, B-3.This definition focuses on the effects and on the actions. A system can be defined as “a function- draws directly from the U.S.definition (JP 3-0,Rev.2): ally, physically, or behaviorally related “A functionally, physically, or behaviorally related group of interdependent elements, which group of regularly interacting or interdependent ele- The tenets of EBW forms a unified whole.”46 Each system is ments; that group of elements forming a unified therefore coherent, and so is the system of whole. Systems associated with national security in- The fundamental, and original, tenets of systems. This coherence becomes a focus clude political,military,economic,social,information- al, infrastructure, and others.” EBW are threefold: the systemic approach, for effects in any attempt to affect control 47 J. Neureuther, Bundeswehr, e-mail message to 43 causality, and reliance on technology. over the opponent.The role of analysis is to the author, Nov. 22, 2007; R.Thompson, Securbora- Technology aims principally at achieving highlight those links and actors that stand tion Inc., e-mail message to the author, November 9, information dominance. It supports EBW out,while supporting the understanding of 2007. See also Robert Umstead and David R. Den- by providing knowledge development, the dynamic behavior of systems. Using a hard, “Viewing the Center of Gravity through the knowledge sharing and planning tools de- collaborative and permanent process, Prism of Effects-Based Operations,”Military Review, Sept.-Oct. 2006: 90–95. signed at facilitating the analysis and shar- SoSA aims at identifying and understand- 48 R. Thompson, Securboration Inc., e-mail mes- ing of data.Technology works as a powerful ing key system elements, nodes, leverage sage to the author, November 9, 2007. It is also worth enabler from which EBW reaps the bene- points, relationships, dependencies and noting that, in the earlier stages of EBAO develop- fits as the tools continue to evolve.44 vulnerabilities by which capabilities, per- ment,Paul K.Davis proposed that “different degrees of The systemic analysis of the engage- ceptions, decision making and behavior probability” be part of the definition. Paul K. Davis, ment space, a process known as System of could be influenced. Systemic analysis Effects-Based Operations:A Grand Challenge for the Analytical Community.(RAND: 2001), 7. Systems Analysis, or SoSA, is central to therefore brings along the need to rethink 49 Redvers Thompson. Effects-Based Approach to KD. SoSA is an analytical methodology the concept of the Center of Gravity Operational Design:Toward a new paradigm for cam- aimed at providing the user with a view of (CoG). Is the CoG still needed in such a paign design & tactical planning.Briefing.8 May 2007.

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technology and engineering can eliminate, Two U.S. concepts you should but built-in or structural features of the vi- The “T” word know about: ONA and CIE olent interaction between opposing groups we call war.”55 The human element remains Targeting is essential to EBW.It defines By realizing the synthesis of the context, in the loop, even if the decision maker can the selection of ‘targets’, physical and of the knowledge of the own capabili- rely on a variety of tools and instruments to non physical, to which apply kinetic or ties, and of the capabilities of the oppo- support him. Both the users and the devel- non-kinetic actions in order to achieve nent with the effects models, Opera- opers of KD and assessment have to solve the desired effects.The process also en- tional Net Assessment (ONA) provides this challenge to ensure a successful imple- compasses the gathering and analysis of the planners with options for action by mentation of the EBW. In addition, they the actions’ results. identifying actions that could be taken will have to clearly define the roles of KD against the various PMSEII nodes. and of intelligence and establish how they Targets are to be found in the entire These options are expressed in terms share their processes and outputs. PMESII of all actors, and the ways and of effect-node-action-resource links means to engage them depend of who (ENAR). ONA can thus help to plan engages what (diplomatic effort, infor- not only faster, but to produce more mation campaign, distribution of hu- comprehensive and better synchronized manitarian aid, destruction of selected plans. infrastructure, etc.). A target can be en- ONA is a “knowledge-centered process gaged by many instruments of power in for leveraging information and expert a synchronized manner, or with one in analysis for the operational needs com- the lead and one or more in a support- manders and decision makers,yielding a ing role. Targeting also highlights the product that enables more effective important role that non-kinetic instru- planning.”50 ONA integrates people, ments like Information Operations can processes and tools using “multiple in- play in an EBW. formation sources and collaborative analysis to build shared knowledge of History plays an important role in the The major issue with targeting lays in the adversary, the environment, and way cultures and societies develop. Such a the word itself, which is generally asso- ourselves.”51 It does not replace the complexity is not only the focus of EBW,it ciated with the use of kinetic means in work of intelligence, but supplements it also represents the major hurdle it has to order to achieve destruction. In EBW, by “filling in the knowledge gaps on deal with:The main risk inherent to SoSA the meaning of targeting is as wide as non-military systems and nodes […].”52 is mirror-imaging the other systems with the range of options created by the in- A synchronization of intelligence, more the one to whom the planners belong (e.g. struments of powers and by all other as- precisely of Joint Intelligence, Surveil- the belief that all societies strive at democ- sociated actors. Therefore, in order not lance and Reconnaissance (JISR) with racy).This can easily be made worse if plan- to hurt non-military sensitivities there is ONA is necessary,“ONA and JISR [be- ners, fed by machines, mistake this virtual a need of a new term to divorce the ing] intended to be mutually supporting reality for the truth! In addition,socio-cul- “targets” from the “fires”… even if the processes that develop complementary tural elements cannot, or only with ex- world of economy and media, for ex- products.”53 ample, freely uses the “T” word (e.g.: To support ONA,and ensure collabora- target audience) without raising any 57 tive and integrated planning, the U.S. The human element complaints! have developed the Collaborative Infor- mation Environment (CIE), “A virtual remains in the loop. aggregation of individuals, organiza- must not forget that our values, and with tions, systems infrastructure, and them our understanding of war and peace, processes to create and share the data, treme difficulty, be measured in a way to have evolved since the end of the Second information, and knowledge needed to support assessment. Finally,stating the end- World War. In a world where the U.N. plan, execute, and assess joint force op- state is setting the “public standard for suc- erations and to enable a commander to cess or failure,”56 and our socio-cultural un- 50 Pieter W.Wielhouwer,“Towards Information Su- make decisions better and faster than derstanding of victory and defeat may well periority; The Contribution of Operational Net As- 54 sessment,”Air & Space Power Journal, Fall 2005, 85. the adversary.” obstruct the setting of proper standards es- 51 pecially when engaged in a struggle not Doctrinal Implications of Operational Net As- sessment (ONA) (2004), 1. fought on a common moral and ethical 52 Wielhouwer, 89. nance of effects have therefore to be taken ground by all actors. 53 ONA, 17. into consideration. KD and assessment are 54 Operational Implications of the Collaborative tools to overcome linearity; the one by the Information Environment (CIE) (2004), 3. constant systemic evaluation of all the rele- So what? 55 Barry D.Watts, Clausewitzian Friction and Fu- vant factors within the engagement space, ture War, McNair Paper 52 (Washington, D.C.: Oct. 1996), 122, quoted in Colin S. Gray,Modern Strategy by considering change over time, and by If EBW is burdened with the fragility of (Oxford: Oxford University Press, 1999), 246. highlighting subsequent effects;the second, its own basic tenets, why keep it? Initially, 56 Ralph Peters, “Speed the Kill: Updating the by tracking the effects,and both,ultimately, EBW was designed with expeditionary op- American Way of War,” in Rethinking the Principles by feeding the planning process. erations in mind where, as during the two of War, ed. Anthony Mc Ivor (Annapolis: Naval Insti- tute Press, 2005), 99. Nothing can however completely lift the Gulf Wars, a rapid decisive military victory 57 “fog of war” or reduce Clausewitzian fric- was the goal. The concept stood the test, The Swiss Military Doctrine Directorate uses the term “Ziel- und Wirkungsanalyse” (ZAWiA) to de- tion to a mere disturbance:“Human limita- and demonstrated its validity. Effectiveness scribe the process as it better highlights the impor- tions,informational uncertainties,and non- of the military instruments is no substitute tance of the process that leads to the selection of not linearity are not pesky difficulties better to insufficient planning however, and we only targets, but also of the means to ‘effect’them.

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stands as the symbol of a shared interest in whole of government, the CA contributes level of discussion and understanding from stability,the measure of success is no longer to addressing the complex and global issues platforms to strategy.The human is the ma- the military “victory” only but the success- of the 21st Century with a global and syn- jor hurdle in the application of a CA: Bu- chronized response. reaucracies build cultural and administra- The CA, like EBW,rests on at least three tive stovepipes, while the horizon of most The measure of success is no longer enablers: a common understanding of the politicians remains limited to their time in situation, a synchronized response and a office. In addition, the CA requires think- the military “victory” only. clear C2 structure. The CA necessitates ing about the roles of the instruments of power in new supported/supporting terms. In the past, the military played the ful achievement of the stabilization and The Effects-Based way is not key role and was supported. Nowadays the reconstruction efforts that follow the modern crises often require a different mastering of the crisis considered in its limited to the military. command and control structure to imple- geo-strategic, socio-cultural and economi- ment the CA. Having, for example, the cal complexity.This might be particularly Foreign Affairs in charge of all peace-sup- be true in war, but also in emergency re- sharing all the instruments of power’s un- port operations may appear preposterous to sponse situations such as a tsunami or an derstanding of the context,of the end-state, some but it makes perfect sense in the cur- earthquake.States are no longer the sole ac- and of the way to achieve outcomes that is rent security environment for the military tors. Intergovernmental organizations, in- output-based.The CA is not only a tool to to be the supporting element. ternational organizations, non-govern- produce a response, but an instrument to Domestic and external security being mental organizations (NGO), the private prepare for the crisis. It clearly raises the increasingly interwoven, interoperability sector, etc., are all involved and act under requires that all must be ready to operate in the watchful eye of the public opinion and a strategic and operational environment its spontaneous, or instrumented, actions MNE 5 shaped by EBW and the CA, at home and and reactions. abroad. Success requires understanding the EBW has naturally evolved to embrace The major international venue for the the challenge of achieving more lasting and developing of EBW and the CA is the durable outcomes in the long term ap- US-led series of experiments known as The CA is not only a tool to produce proach to prevent, mitigate and/or resolve the Multinational Experiment series a response, but an instrument crises.Unfortunately,EBW means different (MNE). MNE 5 began in Spring 2007 things to different people, and the reader and will last until Spring 2009.The cli- to prepare for the crisis. should always consider the context when max of the experiment is a capstone in- dealing with effects-based concepts. EBW tegrating event which will benefit from is the method, the way, of solving an issue the lessons learned during various mi- context, achieving information domi- with military means: The responsive, yet nor and major integrating events, all nance, addressing both the physical and discriminating use of force, or threat to use lead by the participant in charge of the cognitive domains, and being aware of the force, in a situation where results must be focus area tested at this occasion. The consequences of one’s actions. Nothing achieved at the cost of fewer casualties and central theme in MNE 5 is a compre- new,indeed, but a knowledge surely frozen limited collateral damage in order to avoid hensive approach applied in a crisis sce- in the misperceptions induced by the negating post-conflict stabilization and re- nario based on Africa. The purpose of force-on-force focus of the Cold War. construction efforts.At the operational lev- the experiment is to develop and broad- el, this is the path currently followed by the en the understanding of both a crisis development of a Multinational EBAO and the tools to solve it, as well as to de- Conclusion where Sweden plays an important and ac- velop the necessary capabilities. tive role.The intent is to come up with an When dealing with EBW,there is a risk improved conceptual framework that MNE 5 key players and their focus areas of confusion. Not only has the concept would build on the broader strategic per- are: evolved from an operational concept to a spectives that have emerged from EBAO, France: Multinational Interagency way of thinking (which underpins current and contribute to a multinational agreed Strategic Planning doctrinal explorations) but there exist concept where the military version of Finland: Shared Information Frame- many understandings and many versions of EBW would benefit from the greater in- work and Technology (SHIFT) the concept, all generating their own ter- volvement of the other instruments of Germany: Knowledge Development, minology. It also encompasses the strategic power, as well as from independent actors and Coalition Information Strategy/In- level, highlighting the need for the whole like the NGOs.58 formation Operations of government to adopt the comprehensive EBW is also a method to analyze com- Sweden: Information Exchange Archi- approach. Finally, although already partly plex situations and develop proper respons- tecture Technology implemented, the concept is still subject to es.Acting in an effects-based way is not,and U.K.: Cooperative Implementation development and experimentation. should not, be limited to the military! Both Planning Successful crisis management in a com- as an instrument, and as a conceptual USA: Cooperative Implementation plex transnational environment requires framework, EBW therefore benefits from Management and Evaluation, and the proper tools. Built on logic of causes being imbedded in a wider framework to Multinational Logistics and effects, EBW is not about weapons or guarantee the strategic significance of its ef- NATO ACT:Effects Based Approach to platforms: it aims at depriving the oppo- fects. The CA is this framework. As for Multinational Operations,and Multina- nent of its ability to act by affecting its es- EBW there exist various definitions of the tional Effects Based Assessment. CA, but at least one understanding, namely 58 A Multinational Conceptual Framework for the sharing of a common goal and strategy Switzerland is not involved in MNE 5. EBAO, HQ Swedish Armed Forces, 20 January 2007, by all the instruments of power. In such a draft paper.

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“[...] it is not merely the militaries that need And Switzerland? to be reformed for war amongst the people. We Acknowledgment must adapt all our institutional patterns of The doctrinal developments in NATO thought and logic. Our institutions, for example The steps leading to this article benefit- influence all of Switzerland’s neighbors, the ministries, armed forces and alliances, have ed greatly from the exchange of views directly, as members of the Alliance, or processes that are founded in the experience of in- with subject matter experts, in France, indirectly as members of the E.U.and of dustrial war,which structure thinking and tend to Germany, The Netherlands, Sweden, the Partnership for Peace. EBW,and ul- lead information to be marshaled and assessed in Switzerland,the USA,U.K.and NATO. timately the CA, have thus reached the terms of that model of war.The institutional pat- Mr. R.Thompson, from Securboration level of benchmarks.These concepts be- tern of thought needs to change to one in which Inc., a Florida-based firm specialized in ing pervasive in the doctrinal thinking the use of the military force is routinely considered the transition of effects-based operations of all major Western countries, Swiss as one of the possible supporting measures for concepts to usable systems, also provid- planners have to understand their other endeavors and vice versa. In these circum- ed me with the valuable advice resulting strengths and weaknesses. EBW-related stances force may not be an act of last resort, and from his long personal experience in concepts and ideas were experimented it will need to be applied precisely within the dealing with effects-based concepts. with during the November 2007 com- greater context of the measures it is intended to mand post exercise “STABILO” con- support.” 62 I am deeply grateful for the time these ducted at the military-strategic level. experts took to consider my questions With the moral ground as the crucible of and challenge my assumptions. That Switzerland is accustomed to using the success and failure, Lani Kass, Professor of such an exchange of views is possible re- military in a supporting role when deal- Strategy at the National War College, and a flects not only the generosity and open- ing with domestic issues like natural cat- proponent of Clausewitz, always insisted ness of these colleagues,it also highlights astrophic events. It also kept the institu- that even before they consider the Ends, that ideas can no longer be developed in tional knowledge of her “Total De- Ways and Means, her students should first a national vacuum as we share a com- fense” concept alive through various in- define the nature of the crisis and their mo- mon interest to secure our countries stitutions, including its civil defense or- tives to enter and sustain the fight. EBW from threats that have global outreach. ganization.The country therefore owns stresses the value of the holistic and contin- English not being my first language I am a reservoir of best practices that would uous assessment of the context, using a sys- also indebted to my wife,Teresa, and to be most helpful in the definition and tem of systems perspective. It aims at the my British colleague, Peter, for review- implementation of EBW and of the ing my text before it was submitted to CA. the editor of the “Military Power Re- The bending of the opponent’s vue” for publication. However, the strategic instruments will is facilitated by the synchronized which were put in place in the nineties and in the wake of the 1999 Report on action of all instruments of power. the Security Policy of Switzerland59 will not reach their full capability without a cultural change in the hearts and minds planning and delivery of a strategic end- of the people,the State’s servants and the state that will guide all further planning,ex- politicians. In the century of unrestrict- ecution and assessment. It thus forces us to ed warfare, where the delineation be- focus first on what is to be achieved instead tween peace and war is blurred, if not of on the means to achieve it. It is a way of erased,deterrence takes on a new mean- thinking that encourages a broader and ing: It is not the number of battalions, longer term view of the context, and to but the ability of the State to detect, as- dealing not only with the symptoms, but sess and handle risks,and counter threats with the underlying causes of crises.63 holistically that counts first. The key to EBW, and of course to the CA, is to agree to think differently about security, and to consider the consequences of our actions not only geographically, but sential capabilities as well as its behavior by in the broader strategic environment of the using effects that are either physical or cog- Information Age.A better grasp of the con- nitive. The power of EBW lies beyond text and of the environment also entails un- force-on-force application:The bending of derstanding our own strategic and war the opponent’s will is facilitated by the syn- fighting cultures, and defining who we are. chronized action of all instruments of pow- If we do not, others will, and at our ex- er. EBW offers the opportunity to not on- pense: The first line of defense is in our 59 Report of the Federal Council to the Federal As- ly re-discover the lost meaning of strategy60 minds and in the fabric of our society.Not sembly on the Security Policy of Switzerland, 7 June 1999. but also reconcile the civilian and the mili- at the border. 60 Hew Strachan,“The Lost Meaning of Strategy,” tary in the conduct of crisis management. Survival, no. 3 (2005): 33-54. The waves of ideological and humanitarian 61 Patrice Buffotot, “Politique d’intervention et “crusades”of the post-Cold War subsided,61 pensée stratégique,” Revue Militaire Suisse, no 3 (2007), 35. EBW can help us further General Sir Ru- 62 pert Smith’s reflections on the use of force Rupert Smith,The Utility of Force.The Art of War in the Modern World (New York: A. Knopf, in this Century,this post-Nation and post- 2007), 397. industrial era that he defines as that of the 63 A National Perspective to Baseline Effects-Based “war amongst the people”: Matters, DCDC, Briefing, Nov.19, 2007.

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Sûreté sectorielle – une réponse à des défis sécuritaires complexes

L’environnement géopolitique qui est le nôtre et les défis qu’il pose à lutte contre la violence de portée stratégique, no- notre sécurité nécessitent un changement de paradigme dans la façon de tamment des engagements destinés à maîtriser penser l’engagement de notre armée. Privilégiant la désescalade plutôt des événements auxquels les moyens et les possi- bilités des cantons ne peuvent faire face. Si la si- que la montée aux extrêmes, la sûreté sectorielle s’inscrit dans un tuation l’exige, elle en reprend le commande- concept élargi de déploiement et d’emploi de la force militaire apte à ment.»6 répondre, de concert avec les moyens civils, à des défis sécuritaires com- plexes. Sûreté sectorielle avec ou sans contre-concentration Alain Vuitel* criminels,d’attentats à l’explosif ou avec des matériaux chimiques,radioactifs,voire bio- On comprendra bien que la menace de La sûreté sectorielle occupe aujour- logiques. Soutenues par des ressources im- portée stratégique décrite plus haut ne d’hui, du fait des caractéristiques particu- portantes,découlant d’une stratégie globale saurait automatiquement déboucher sur lières de la menace qui la rend nécessaire, ou d’une idéologie commune, ces mul- une escalade menant à un conflit armé une place unique à l’intérieur de l’éventail tiples actions prennent une dimension stra- classique. Bien au contraire, et ceci est ra- des engagements de l’armée.Ces spécifici- tégique par leurs capacités à entraver nota- dicalement nouveau, on peut aujourd’hui tés la distinguent des autres types d’opéra- blement le fonctionnement de la société tout à fait imaginer des situations où la tions;elles demandent dès lors un effort de toute entière et, par là même, de l’Etat. La Suisse et ses partenaires internationaux se compréhension de la part des cadres, habi- population, cible prioritaire, se sent alors verraient mis en danger par de telles me- tués à penser et à œuvrer dans un contex- menacée et le gouvernement se voit placé naces non-conventionnelles, sans qu’au- te strictement militaire. Les compléments sous une énorme pression pour conserver cuns soldats ou véhicules de combat ne à la Conduite opérative XXI1 et à la la confiance du peuple d’une part et assurer mettent en danger nos frontières ou celles Conduite tactique XXI2, entrés en vi- sa propre liberté d’action d’autre part. de l’Europe. gueur l’an dernier, constituent le cadre ré- Confronté à une menace de portée straté- On se trouve dès lors placé devant deux glementaire à sa mise en œuvre. Ils fixent gique, des mesures dans le cadre de la dé- alternatives de mise en œuvre d’une opéra- les principes généraux de son application. fense nationale s’imposent. Dans un tel cas, tion de sûreté sectorielle. S’il n’y a pas de Cet article fait le point sur l’environne- comme le précise le rapport de politique de risques d’escalade militaire, l’armée assure, ment, les caractéristiques particulières et sécurité 2000, «la Confédération coordonne la selon la terminologie arrêtée dans le Com- les défis qui se présentent lors de la mise en œuvre d’une opération de sûreté secto- rielle.

Violence de portée stratégique

Le terme de sûreté sectorielle trouve son origine dans le Rapport du Conseil fédéral à l’Assemblée fédérale sur la politique de sécurité de la Suisse (RAPOLSEC 2000). En tant que mission de l’armée, la sûreté sectorielle «consiste à protéger le peuple et l’Etat contre une application de la violence de portée stratégique»3, c’est-à-dire «ayant un im- pact suprarégional, national ou international af- fectant ainsi des éléments importants de l’Etat et de la société»4. Fait nouveau, la violence de portée stratégique n’est plus exclusivement liée, comme elle l’était auparavant, à l’exis- tence d’une menace militaire classique. La combinaison de phénomènes tels que le terrorisme, la prolifération tant nucléaire que d’autres types d’armements ou de technologies, la radicalisation des esprits, la Figure 1: Une menace non-conventionnelle de portée stratégique. globalisation des échanges, l’existence d’Etats défaillants, voire le crime organisé, 1Chef de l’armée,Sûreté sectorielle/Complément au rè- litique de sécurité de la Suisse (RAPOLSEC 2000), 3003 sont susceptibles de déboucher sur une uti- glement 51.070f-Conduite opérative XXI, 3003 Berne, Berne, 7.6.1999, p. 55. 1.1.2008. Internet: http://www.vtg.admin.ch/inter 4 Ibid. p. 9. lisation méthodique de la violence par une 5 5 net/vtg/fr/home/dokumentation/fuhrungsregle «On entend par partie adverse des personnes, des ou plusieurs parties adverses . Celle-ci, mente/operative.parsys.0012.downloadList.00121.D groupes de personnes ou des organisations (à l’exception des comme le suggère la Figure 1, pourrait se ownloadFile.tmp/ofxxicomplementf07.pdf Etats et des forces armées régulières) qui, pour atteindre manifester par exemple par l’intermédiaire 2Chef de l’armée,Sûreté sectorielle/Complément au rè- leurs objectifs, sont prêts à recourir à la violence ainsi qu’à d’une combinaison ciblée d’attaques dans glement 51.020f-Conduite tactique XXI, 3003 Berne, d’autres mesures ou moyens afin d’empêcher l’Etat, les le champ cybernétique, de meurtres, d’en- 1.8.2008. Internet: http://www.vtg.admin.ch/inter forces civiles de sécurité et l’armée de remplir leurs tâches; le lèvements, de prises d’otages, d’incendies net/vtg/fr/home/dokumentation/fuhrungsregle bon fonctionnement de la vie économique,politique et socia- mente/taktische.parsys.0021.downloadList.00211.Do le est également visé.», Sûreté sectorielle/Complé- * Alain Vuitel, Colonel EMG, Chef doctrine mili- wnloadFile.tmp/ergtfxxif1207.pdf ment au règlement Conduite tactique XXI, p. 5, ch. taire/Etat-major de planification de l’armée, DDPS, 3Conseil fédéral, La sécurité par la coopération. 16. 3003 Berne. Rapport du Conseil fédéral à l’Assemblée fédérale sur la po- 6 Conseil fédéral, op cit, p. 65.

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confiée par les autorités politiques ainsi que des règles d’engagement et de com- portement.Plus que tout,il s’agit d’un état d’esprit que la troupe doit adopter jus- qu’aux plus bas échelons pour prévenir l’escalade de la violence et, le cas échéant, stabiliser la situation. Faire face à une par- tie adverse utilisant le couvert de la popu- lation pour perpétrer ses actions nécessite un entraînement spécifique. Comme l’illustre la Figure 3, la transpo- sition tactique d’une opération de sûreté Figure 2: Opération de sûreté sectorielle - positionnement. sectorielle se traduit par quatre tâches qui requièrent un degré croissant d’utilisation de la force militaire.Chacune est accomplie plément à la Conduite opérative XXI, les perception par les autorités civiles qui font en étroite collaboration avec les autorités tâches opératives suivantes: de la sûreté sectorielle un type d’opération civiles. On distingue: • contrôle de l’espace aérien, distinct des autres. Sur le plan militaire, • Les tâches générales qui consistent à as- • protection d’ouvrages importants, même s’il s’agit à chaque fois d’agir dans surer des services tels que le soutien logis- • protection de grands secteurs frontières, une logique de maîtrise de la violence, cet- tique,la mise en œuvre d’un réseau de télé- • protection de transversales, te appréciation de la menace débouche sur communication voire, si jugé nécessaire, • protection de secteurs-clés. deux modes d’action différents selon qu’il l’établissement et la diffusion d’une situa- Un aspect important relève ici de la co- existe ou non un potentiel d’escalade en un tion générale dans le cadre du renseigne- opération avec les pays voisins qui seraient conflit armé. C’est la raison pour laquelle ment intégré. vraisemblablement soumis, dans un tel cas, on distingue: • Les tâches de protection regroupent les à des manifestations de violence asymé- • une opération de sûreté sectorielle sans activités destinées à préserver ou à soustrai- trique semblables. Les autorités politiques contre-concentration, re de l’influence de la partie adverse, des de la Confédération délivrent alors les au- • une opération de sûreté sectorielle avec personnes,des objets et/ou des secteurs dé- torisations nécessaires à la coopération avec contre-concentration. terminés. l’étranger et formulent les directives qui La suite de cet article se concentrera • Les tâches de stabilisation visent à limi- s’imposent. essentiellement sur les caractéristiques ter la liberté d’action de la partie adverse. La deuxième alternative se présente si un propres à une opération de sûreté sectoriel- En rendant imprévisibles nos actions, on risque d’attaque militaire contre la Suisse le sans contre-concentration. parvient à imposer notre rythme d’opéra- devait se manifester. Il serait alors vital de tion et on augmente d’autant la probabilité prendre les dispositions nécessaires pour as- de déjouer en amont des actions clandes- surer une transition sans délai dans une Mise en œuvre tines. Le déploiement par surprise d’élé- opération de défense. Une telle situation ments mobiles (p. ex. patrouilles, escortes) nécessite la poursuite des prestations de La maîtrise de la violence est le princi- combinés à d’autres agissant de manière protection mentionnées ci-dessus et la pe fondamental qui anime l’action militai- statique (p. ex. «checkpoints», postes de mise en œuvre conjointe d’une sixième re dans le cadre d’une opération de sûreté contrôle) contribue par exemple à réaliser tâche appelée: sectorielle. Maîtriser la violence signifie, cet objectif. • contre-concentration. indépendamment de la responsabilité • Les tâches d’imposition consistent à re- Le déploiement de troupes supplémen- d’engagement, être capable de doser l’in- prendre l’initiative sur la partie adverse en la taires s’impose alors. Celles-ci, libérées de tensité de l’emploi de la force militaire en recherchant activement pour la neutraliser toutes autres activités que la préparation fonction de la situation, de la mission et l’empêcher de poursuivre ses actions. d’une opération de défense, démontrent notre résolution ainsi que notre capacité à mener, le cas échéant, un conflit militaire de haute intensité. La contre-concentra- tion constitue ainsi l’ultime tentative d’agir de manière dissuasive, sans avoir à mener de combats ouverts. Sa mise en œuvre avec succès dépend de deux fac- teurs clés: l’existence de moyens préparés et équipés à mener le combat interforces d’une part et,d’autre part,un déploiement de ceux-ci dans le cadre d’une conception d’engagement qui dérive directement du ou des plans d’opérations établis pour s’opposer à une attaque militaire. Une montée en puissance préalable représente la condition indispensable pour pouvoir atteindre la qualité et le volume de forces nécessaires à l’atteinte de l’objectif militai- re-stratégique de dissuasion. Comme l’illustre la Figure 2, c’est donc bien la portée de la menace et surtout sa Figure 3: Opération de sûreté sectorielle - transposition à l’échelon tactique.

30 Military Power Revue der Schweizer Armee Nr.2-2008, Beilage zur ASMZ 8/2008 ARMEE

Les règles d’engagement et de compor- Responsabilité d’engagement pour les habituer à raisonner et à décider tement,élaborées de concert avec l’autori- dans un cadre changeant, où il n’existe té politique qui les approuve, définissent La question de la responsabilité d’enga- plus aucune solution d’école. les circonstances et les conditions requises gement8 a malheureusement longtemps pour le recours à la force militaire, tout en constitué une pierre d’achoppement ma- fixant les moyens et méthodes applicables. jeure à la compréhension de la sûreté sec- Référence clé à la transposition tactique torielle. Or, ce sont les caractéristiques d’une opération de sûreté sectorielle, elles mêmes de la menace, tant sa nature que sa servent à autoriser, limiter ou interdire portée stratégique et le volume de moyens l’engagement des moyens de contrainte. militaires déployés pour y faire face qui Les règles d’engagement et de comporte- conditionnent, indépendamment de la ment conditionnent l’activité des com- responsabilité d’engagement, la mise en mandants. Lors de l’appréciation de situa- œuvre ou non d’une opération de sûreté tion, elles constituent le filtre à travers le- sectorielle. Elle constitue de ce fait le type quel l’analyse de la mission devra être ef- d’opération avec lequel l’armée entend fectuée. Celle-ci devra prendre en consi- répondre à des menaces irrégulières de dération le fait que la menace est issue portée nationale requérant, à la demande d’une partie adverse, immergée le plus des autorités civiles, la mise en œuvre de souvent au sein même de la population ci- moyens militaires substantiels. L’engage- vile pour couvrir ses actions, et non pas ment de ceux-ci répond toujours au prin- d’un adversaire militaire classique. Dès cipe de la subsidiarité9 et la responsabilité lors, la façon de réaliser une mission tac- d’engagement appartient en principe aux tique, telle que par exemple «empêcher», autorités civiles. Ces dernières peuvent «pousser» ou «barrer», sera largement dif- toutefois «attribuer la responsabilité d’engage- férente de ce que l’on mettrait en œuvre ment à l’armée pour une durée et une étendue pour les accomplir dans le cadre d’un géographique limitées» si elles le jugent né- conflit de haute intensité. L’articulation cessaire. Quelle que soit la responsabilité des moyens découle également de cette d’engagement,le degré d’emploi de la for- appréciation de la situation. On veillera à ce militaire ainsi que les moyens et armes déployer, aux côtés des éléments civils, des autorisés pour l’engagement sont arrêtés troupes et matériels qui répondent aux par les autorités civiles dans les règles principes de proportionnalité et de déses- d’engagement et de comportement. Le calade. principe de la maîtrise de la violence et celui de la proportionnalité s’appliquent dans tous les cas. Défis opératifs

Une opération de sûreté sectorielle re- Synthèse présente la contribution militaire à l’en- semble des efforts entrepris par l’Etat Dans un contexte où la violence straté- pour faire face à une menace de portée gique de nature irrégulière prend une im- stratégique. Puisque cette dernière est portance croissante, il est nécessaire de dé- susceptible de mettre en danger la majori- velopper les capacités militaires suscep- té, voire même l’entier du territoire na- tibles d’apporter une plus-value au delà de tional, une conception opérative de l’en- la seule défense contre une attaque mili- gagement des moyens combinés7 s’impo- taire. L’étape de développement 08/11 a se. Elle permet d’assurer la cohérence de pris en compte cette réalité. Le concept l’ensemble des actions réalisées à l’éche- d’opération de la sûreté sectorielle consti- lon tactique d’une part et leur mise en tue la réponse doctrinale à cette évolu- phase avec les objectifs définis par les au- tion; il met l’accent sur la maîtrise de la torités civiles d’autre part. Cette dimen- violence et se garde de considérer auto- sion opérative de la sûreté sectorielle la matiquement toute situation sécuritaire 7 Engagement des moyens combinés: «Action différencie des engagements subsidiaires critique comme un préalable à la défense conjointe,dans le temps et dans l’espace,de moyens provenant de sûreté qui ne déploient leurs effets que militaire du pays. Alors que toutes les pré- d’armes différentes et de partenaires civils sous un comman- sur des secteurs de taille réduite et qui ne cisions ont désormais été apportées, y dement unique, majoritairement sans mission de combat». sont pas intégrés à l’intérieur d’un dispo- compris celles relatives à la responsabilité Chef de l’Armée. Règlement 52.055 f - Terminologie sitif de portée nationale. La nécessité d’as- d’engagement, l’enjeu à tous les échelons des règlements de conduite de l’armée. 3003 Berne, surer pour une durée indéterminée une se situe aujourd’hui résolument sur le 1.1.2004. 8 Responsabilité d’engagement: «Compétence de dis- telle posture signifie que le seul recours champ de l’instruction. Il s’agit ici, plus poser de la prestation de moyens subordonnés ou attribués et aux troupes en service selon le plan des que jamais encore, d’apprendre à nos de leur confier des missions dans ce cadre. Elle englobe la res- cours ne suffit plus; une mise sur pied de cadres l’utilisation de nos méthodes ponsabilité d’assumer les conséquences de l’engagement.», moyens supplémentaires s’impose. Puis- éprouvées d’appréciation de la situation et Sûreté sectorielle/Complément au règlement Conduite opérative XXI, p. 11. qu’une opération de sûreté sectorielle re- de prise de décision. Sur la base de ce sa- 9 présente la somme de toutes les actions voir-faire incontournable, il convient de Subsidiarité: «Engagement de moyens militaires à la demande des autorités civiles lorsque la tâche relève de l’inté- réalisées à l’échelon tactique, sa mise en les confronter régulièrement, lors d’exer- rêt public et que les instances civiles ne sont plus en mesure œuvre conjoint d’une sixième tâche ap- cices multiples et variés, à des dilemmes d’assumer leurs tâches sur le plan du personnel, du matériel pelée: contre-concentration. résultant d’un champ conflictuel élargi ou des délais». Ibidem.

Military Power Revue der Schweizer Armee Nr.2-2008, Beilage zur ASMZ 8/2008 31 GESCHICHTE

Militärstrategie im Lichte der Kuba-Krise von 1962

Im Oktober 1962 stand die Welt am Abgrund eines Atomkrieges, der nur b) Verteidigung Kubas dank dem besonnenen Verhalten der beteiligten Hauptakteure vermieden Anfang 1959 verjagte Fidel Castro das werden konnte. Die als Kuba-Krise in die Geschichte eingegangene Kon- Batista-Regime und errichtete im Lauf der Zeit eine kommunistische Diktatur in Ku- frontation zwischen den USA und der UdSSR stellte einen Höhepunkt ba. Dabei lehnte er sich immer stärker an des Kalten Krieges dar. Sie ist glimpflich verlaufen und bietet ein hervor- die UdSSR an. Im April 1961 landeten ragendes Lehrstück für militärstrategisches Denken, für die Entscheid- rund 1400 Exilkubaner mit Unterstützung findung und das Handeln. Da sich die USA in der Rolle des Verteidigers der CIA in der Schweinebucht auf Kuba, befanden, lassen sich für die Schweiz daraus wertvolle Lehren ziehen. um Castro zu vertreiben, wurden jedoch von dessen Truppen aufgerieben. Chruschtschew,der Kuba stets sehr schätz- Matthias Kuster* Chruschtschew (1894-1971),Truppen und te,10 hielt später fest, der Verlust Kubas (an Atomraketen nach Kuba zu entsenden.2 Er den Westen) wäre ein schwerer Schlag für unterlag dabei einer krassen Fehleinschät- den Marxismus-Leninismus insbesondere Verlauf der Kuba-Krise von 1962 zung, weil er nicht damit rechnete, dass die in Lateinamerika gewesen. USA als demokratisches Land sich ent- Die Stationierung von Atomraketen A.Vorgeschichte schlossen gegen die Stationierung zur Wehr konnte somit auch als Verteidigungsmass- Zwischen November 1961 und März setzen würden; er war sich vielmehr seines nahme vor einer amerikanischen Invasion 1962 stationierten die USA 15 nuklearbe- Erfolges derart sicher, dass er nicht einmal in Kuba verstanden werden. Nicht erklär- stückte Atomraketen (Jupiter-Raketen) in eine Exitstrategie vorbereitete.3 Die Grün- bar ist damit allerdings, warum die UdSSR der Türkei mit einer Reichweite von rund de, die ihn auch zur Stationierung von nicht nur Mittelstreckenraketen mit mittle- 2300km,1 welche in der Kuba-Krise noch Atomraketen auf Kuba bewogen, sind bis rer Reichweite (2000 km, sogenannte eine wichtige Rolle spielen sollten. heute nicht ganz geklärt.4 In Frage kom- MRBM = Medium Range Ballistic Mis- Im Mai 1962 beschloss die UdSSR unter men folgende: der Führung von Nikita Sergejewitsch a) Lösung des Westberlin-Problems

Bereits 1948 hatte Stalin erfolglos ver- sucht, die Alliierten (USA, Grossbritannien und Frankreich) mittels einer Blockade der Versorgungswege aus ihren Sektoren des geteilten Westberlin zu vertreiben.5 Die Al- liierten errichteten daraufhin eine Luft- brücke und versorgten während Monaten ihre Sektoren erfolgreich aus der Luft («Rosinenbomber»), bis Stalin schliesslich wieder einlenkte. 1961 verlangte Chruschtschew von den Reichweiten der SS-4 (MRBM) und SS-5 Alliierten erneut erfolglos den Abzug ihrer (IRBM). Truppen aus Westberlin,um das immer läs- tiger werdende Problem der Existenz einer kapitalistischen Enklave inmitten des kom- munistischen Ostdeutschlands aus der Welt zu schaffen.6 Im August 1961 begann die 1Graham Allison/Philip Zelikow,Essence of Deci- DDR (nach ausdrücklicher Einwilligung sion, 2. A. New York etc. 1999, S. 97. Die Jupiter- Chruschtschews) mit dem Bau der Berli- Raketen konnten Moskau erreichen. Die Aufstellung der Jupiter-Raketen stellte eine Antwort auf die Ent- ner Mauer, um weitere hoch qualifizierte wicklung des Sputnik durch die UdSSR und ihren DDR-Bürgerinnen und -Bürger an der (damaligen) Vorsprung in der Raketentechnologie dar Flucht ins Ausland zu hindern.7 Nachdem (a.a.O.,S. 252, Fussnote 116). weder Drohungen noch Blockaden zum 2 Graham Allison/Philip Zelikow,Essence of Deci- sion, 2.A. New York etc. 1999, S. 106. Ziel führten, die Alliierten zum Rückzug 3 aus Westberlin zu bewegen, und zudem James Daniel/John Hubbell, Als der Westen schlief..., Bern, 2.A. 1963, S. 94. Chruschtschew von Seiten der DDR un- 4 John Lewis Gaddis, Der Kalte Krieg, München ter Druck geriet, das Problem zu lösen, 2007, S. 100. versuchte er offenbar, die Berlinfrage auf 5 Die Blockade dauerte vom 24. Juni 1948 bis 12. Kennedy (links) und Chruschtschew indirektem Weg zu bereinigen durch Mai 1949. (rechts) an der Gipfelkonferenz in Wien Druck auf die USA und damit auch auf 6 Graham Allison/Philip Zelikow,Essence of Deci- 1961. deren Verbündete, indem er im Hinterhof sion,2.A.New York etc.1999,S.105.John Lewis Gad- 8 dis, Der Kalte Krieg, München 2007, S. 92. der USA Atomraketen stationieren liess. 7 John Lewis Gaddis, Der Kalte Krieg, München Dabei kamen ihm die Spannungen zwi- 2007, S. 146. schen Kuba und den USA sehr gelegen. 8 Graham Allison/Philip Zelikow,Essence of Deci- Das ungelöste Problem Westberlin dürfte sion, 2. A. New York etc. 1999, S. 106; gleicher Mei- vermutlich der Hauptgrund für die Statio- nung James Daniel/John Hubbell, Als der Westen nierung gewesen sein, 9 während die Ver- schlief..., Bern, 2.A. 1963, S. 108. * Matthias Kuster, Oberst i Gst, selbständiger Rechts- 9 Graham Allison/Philip Zelikow,Essence of Deci- anwalt, Stab Operative Schulung, Mitglied des Inter- teidigung Kubas vor einer amerikanischen sion, 2.A. New York etc. 1999, S. 105. nationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) in Invasion den willkommenen Vorwand 10 John Lewis Gaddis, Der Kalte Krieg, München London, Bahnhofstrasse 24, 8002 Zürich dafür lieferte. 2007, S. 101.

32 Military Power Revue der Schweizer Armee Nr.2-2008, Beilage zur ASMZ 8/2008 GESCHICHTE

sile, auch SS-4 genannt), sondern auch sol- che mit grösserer Reichweite (4000 km, sogenannte IRBM = Intermediate Range Ballistic Missile, auch SS-5 genannt) auf Kuba stationierte, welche unter dem Aspekt der Verteidigung nicht erforderlich gewesen wären. Auch die Menge der Ra- keten, die stationiert werden sollten (36 MRBM, 24 IRBM) sowie die rund 100 Nuklearsprengköpfe für die Kurzstrecken- raketen und IL-28-Bomber11 ist unter die- sem Aspekt nicht nachvollziehbar. c) Machtdemonstration der UdSSR

Die Stationierung der Atomraketen soll- te der Welt zeigen,dass die USA trotz ihrer massiven Überlegenheit an Atomspreng- Mittelstreckenraketenstellung in der Nähe von San Cristobal am 23.10.1962. köpfen und Abschussvorrichtungen nicht Missile Shelter Tent = Raketenzelt, Cable = Kontrollkabel, Missile Erector = Raketen- mehr stark genug waren, um die UdSSR aufrichtestation,Tracked Prime Movers = Raupenkettenschlepper, Fuel Tank Trailer = davon abzuhalten, im Hinterhof der USA Treibstoff-Tankwagen, Oxidizer Tank Trailers = Sauerstoff-Tankwagen. aufzutauchen.12 Diese Hypothese ist indes- Oben rechts im Bild Lagekarte der Stellung auf Kuba. sen eher weniger wahrscheinlich, obwohl Chruschtschew als impulsiv galt und im April 1962 nach dem Entscheid, Truppen auf Kuba zu entsenden, die Stationierung von Atomraketen mit folgenden Worten vorgeschlagen haben soll: «Warum werfen wir den Amerikanern nicht einen Igel in die Hose?»13 d) Verbreitung der Revolution in Lateinamerika

Ob die Stationierung der Atomraketen tatsächlich vor allem der Verbreitung der (kommunistischen) Revolution in Latein- amerika hätte dienen sollen, wie Prof. John Lewis Gaddis festhält, ist zwar nicht auszu- schliessen, aber eher fraglich.14

B. Entdeckung der Abschussbasen am 14. Oktober 1962 durch die USA Ab Mai 1962 begann die UdSSR, Kriegsmaterial und Truppen nach Kuba zu entsenden.Während die USA von der Ent- sendung sowjetischer Truppen (mehr als Mittelstreckenraketenstellung in der Nähe von San Cristobal am 14.10.1962. 40000 Mann) und Kriegsmaterial15 nach Tent Area = Zeltlager,Vehicles = Sauerstoff-Tankwagen, Missile Trailers = Kuba bald Kenntnis erlangten, blieb ihnen Raketentransportfahrzeuge, Erectors = Raketenaufrichtestation der Transport der Atomraketen (Operation ANADYR16) und der Aufbau der Ab- schussbasen lange Zeit verborgen; die ganze Operation sollte geheim gehalten werden, 11 Im Oktober 1962 befanden sich die MRBM so- 17 Siehe die Beschreibung dieses Flugzeugtyps bei bis die Raketen einsatzbereit waren.Am 14. wie die 24 Nuklearsprengköpfe für die IRBM bereits James Daniel/John Hubbell,Als der Westen schlief..., Oktober 1962 entdeckte jedoch ein ameri- auf Kuba. Nur die Raketenkörper der IRBM waren Bern, 2.A. 1963, S. 20. kanisches U-2-Aufklärungsflugzeug17 die noch auf Schiffen der UdSSR nach Kuba unterwegs. 18 Ulrich Zwygart, Wie entscheiden Sie?, (erstaunlicherweise ungetarnten) Raketen- Zum gesamten Waffenarsenal der UdSSR auf Kuba Bern/Stuttgart/Wien, 2007, S. 152. Kennedy konnte abschussbasen der Sowjets auf Kuba. John F. siehe Graham Allison/Philip Zelikow,Essence of De- kaum fassen, dass die Atomwaffen stationiert worden Kennedy erfuhr davon allerdings erst am cision, 2.A. New York etc. 1999, S. 204; Ulrich Zwy- waren; er soll am 16. Oktober wiederholt gesagt ha- gart, Wie entscheiden Sie?, Bern/Stuttgart/Wien, ben:«Das ist mir ein gottverdammtes Rätsel.» Trotz di- Morgen des 16.Oktober 1962.Da die USA 2007, S. 162. versen Berichten von kubanischen Flüchtlingen woll- nicht mit der Stationierung von Atomrake- 12 Graham Allison/Philip Zelikow, Essence of ten die USA nicht wahrhaben,dass die UdSSR Atom- ten auf Kuba durch die UdSSR gerechnet Decision, 2.A. New York etc. 1999, S. 88. raketen auf Kuba stationierten,weil diese bis anhin nie hatten, war diese Entdeckung überra- 13 Graham Allison/Philip Zelikow, Essence of Atomraketen ausserhalb der Sowjetunion stationiert 18 Decision, 2.A. New York etc. 1999, S. 97. hatten. schend. Die UdSSR hatte noch im Sep- 14 19 tember 1962 verlauten lassen,die USA seien John Lewis Gaddis, Der Kalte Krieg, München Ulrich Zwygart, Wie entscheiden Sie?, 2007, S. 98. Bern/Stuttgart/Wien, 2007, S. 148; James Daniel/ nicht bedroht und Moskau hätte keinen 15 Graham Allison/Philip Zelikow, Essence of John Hubbell, Als der Westen schlief..., Bern, 2. A. Grund für eine Stationierung von Atom- Decision, 2. A. New York etc. 1999, S. 206. 1963, S. 12. waffen auf Kuba.19 16 Der Name stammt von einem Fluss in Sibirien.

Military Power Revue der Schweizer Armee Nr.2-2008, Beilage zur ASMZ 8/2008 33 GESCHICHTE

D. Zielsetzung und Ausarbeitung von Optionen durch die USA Zielsetzung der USA war es, den Einsatz der sowjetischen Atomraketen gegen die USA oder sonst ein Land zu verhindern und sicherzustellen, dass sie aus der westli- chen Hemisphäre zurückgenommen oder vernichtet werden.25 Im Zuge der Beratungen des Nationalen Sicherheitsausschusses arbeiteten die Bera- ter sechs Optionen zur Erreichung des (militärstrategischen) Zieles aus,die bewer- tet und gegeneinander abgewogen wur- den.26 John F.Kennedy drängte seine Bera- U-2 Aufklärungsflugzeug. ter immer wieder, die Folgen jeder Option vertieft zu überprüfen und zu hinterfragen, C. Beratung der Optionen durch die – Aleksei Kosygin, Erster stellvertretender um sicherzustellen,dass keine unüberlegten Administration Kennedy Vorsitzender des Ministerrats und Mitglied Schritte unternommen würden.27 In der Folge beriet Präsident John F. des Präsidiums Kennedy (1917–1963; ab 1961 Präsident – Frol Kozlov,Mitglied des Präsidiums 1. Nichts unternehmen der USA) mit seinen Beratern20 ab dem 16. – Otto Kuusinen, Mitglied des Präsidiums Vorgeschlagen von Bundy (Berater des Oktober 1962 unter grossem Zeitdruck – Vasily Kuznetsov, Stellvertretender Aus- Präsidenten in Fragen nationaler Sicher- während mehreren Tagen die geeignete senminister heit). Reaktion auf die sowjetische Herausforde- – Rodion Malinovsky,Verteidigungsminis- Die Option der Passivität wurde nur am rung. Der Kreis der Berater von John F. ter 18. Oktober 1962 erwogen, jedoch schon Kennedy umfasste zuerst rund 34 Perso- – ,Stellvertretender Vorsit- aus innenpolitischen Gründen verworfen; nen, wurde jedoch ab dem 20. Oktober zender des Ministerrats und Mitglied des John F.Kennedy fürchtete sich im Falle des 1962 auf 16 reduziert, die den Nationalen Präsidiums Nichtstuns vor einem Impeachment-Ver- Sicherheitsausschuss (EXCOM: Executive – , Erster Sekretär der fahren, war doch sein Ruf wegen des Miss- Committee of the National Security ukrainischen Partei und Mitglied des Präsi- erfolgs der Schweinebucht-Invasion ange- Council)21 bildeten. Es handelte sich um diums schlagen. 28 folgende Personen:22 – Dimitri Polyansky, Vorsitzender des – Robert Kennedy, Bundesanwalt und Ministerrats und Mitglied des Präsidiums 2. Diplomatischer Druck Bruder des Präsidenten23 – Boris Ponomarev, Sekretär des Zentral- Vorgeschlagen von Rusk (Aussenminis- – Robert McNamara,Verteidigungsminister komitees, Verantwortungsbereich Verbin- ter), Bohlen und Thompson (US-Diplo- – Dean Rusk,Aussenminister dungen zu blockfreien Staaten maten). – George Ball, stellvertretender Aussen- – Vladimir Semichastny,Chef des KGB In Frage kam ein geheimes Ultimatum minister – Aleksandr Shelepin,Sekretär des Zentral- an Chruschtschew oder ein Appell an die – Adlai Stevenson, US-Botschafter bei der komitees,Verantwortungsbereich Parteidis- UNO.Die USA hätten den Abzug der Ju- UNO ziplin – Dean Acheson,ehemaliger Aussenminister – Gennadi Voronov, Mitglied des Präsi- – John McCone, Direktor der CIA diums – Douglas Dillon, Finanzminister – Nikolai Shvernik, Mitglied des Präsi- 20 Siehe die vollständige Liste bei Graham Alli- – McGeorge Bundy, Berater des Präsiden- diums son/Philip Zelikow, Essence of Decision, 2. A. New ten in Fragen der nationalen Sicherheit – , Sekretär des Zentralko- York etc. 1999, S. 326. 21 Graham Allison/Philip Zelikow, Essence of De- – Pierre Salinger, Pressesprecher des Präsi- mitees und Mitglied des Präsidiums cision,2.A.New York etc.1999,S.327.In der Schweiz denten – Matvei Zakharov, Generalstabschef der dürfte dieses Gremium der Lenkungsgruppe Sicher- – Theodore Sorensen, Persönlicher Berater Streitkräfte und Erster stellvertretender heit entsprechen. des Präsidenten Verteidigungsminister 22 Ulrich Zwygart, Wie entscheiden Sie?, – Maxwell Taylor, General und Vorsitzen- Bern/Stuttgart/Wien, 2007, S. 152 f.; Graham Alli- der der Joint Chiefs of Staff son/Philip Zelikow, Essence of Decision, 2. A. New York etc. 1999, S. 110. – Curtis LeMay,General und Stabschef der 23 Robert Kennedy hatte massgeblichen Einfluss Air Force auf die Entscheidfindung im EXCOM und wesentli- – Charles Bohlen, US-Diplomat chen Anteil am Erfolg der USA in der Kuba-Krise. – Llewellyn Thompson,US-Diplomat 24 Siehe die Liste bei Graham Allison/Philip Zeli- Auf sowjetischer Seite dürften nebst kow, Essence of Decision, 2. A. New York etc. 1999, Chruschtschew rund 20 Personen mit der S. 328 mit der vollständigen Angabe der Funktion je- Entscheidfindung betraut gewesen sein, des Teilnehmers; eine genaue Liste ist bis heute nicht 24 bekannt. darunter insbesondere: 25 Kennedy anlässlich einer Fernsehansprache am – Leonid Breschnew als Vorsitzender des 22. Oktober 1962. Obersten Sowjet und Mitglied des Präsi- 26 Graham Allison/Philip Zelikow, Essence of diums Decision, 2. A. New York etc. 1999, S. 111 ff.; Ulrich – ,Aussenminister Zwygart, Wie entscheiden Sie?, Bern/Stuttgart/ Wien, 2007, S. 157 ff. – Andrei Kirilenko, Erster stellvertretender 27 Graham Allison/Philip Zelikow, Essence of Vorsitzender der Russischen Sozialistischen Sitzung des EXCOM (Executive Com- Decision, 2.A. New York etc. 1999, S. 357. Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) und mittee of the National Security Council) 28 Graham Allison/Philip Zelikow, Essence of Mitglied des Präsidiums mit John F.Kennedy im Oktober 1962. Decision, 2.A. New York etc. 1999, 113.

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piter-Raketen in der Türkei als Verhand- Die Blockade hätte von der UdSSR als lungsmasse einbringen können. Aus feindseliger Akt angesehen und mit einer Furcht vor dem Verlust der diplomatischen Blockade Berlins beantwortet werden kön- Initiative sowie der Glaubwürdigkeit nen.30 Zudem bestand die Gefahr, dass die beim NATO-Partner Türkei, welcher be- sowjetischen Schiffe der Aufforderung zum reits 1961 auf der Stationierung beharrt Abdrehen nicht Folge leisten würden, was hatte, wurde diese Option verworfen. die US-Marine zum Waffeneinsatz ge- zwungen hätte. Eine Konfliktausweitung 3. Geheimgespräche mit Fidel Castro wäre möglicherweise die Folge gewesen. Vorgeschlagen von Rusk (Aussenminis- Zudem hätte sie die Erstellung der Einsatz- ter). bereitschaft der bereits auf Kuba vorhande- Castro hätte mit der Drohung einer In- nen Waffensysteme nicht verhindern kön- vasion und der damit verbundenen Abset- nen.Allerdings barg sie Chancen, indem sie zung als Staatschef dazu gebracht werden einen guten Kompromiss zwischen Nichts- sollen, von Moskau abzufallen und die tun und Invasion oder Luftschlag darstellte UdSSR zum Abzug der Raketen zu bewe- und zudem Entschlossenheit demonstrier- gen («split or fall»). Die Chance, dass Castro te. Sie räumte Chruschtschew ferner die einlenken würde, wurde als sehr gering Möglichkeit ein, den nächsten Schritt aus- eingeschätzt, weshalb die Option verwor- zuwählen und einer Eskalation auszuwei- fen wurde. chen («face saving»). Dillon (Finanzminister) schlug vor, die 4. Invasion Blockade mit einem zeitlichen Ultimatum Vorgeschlagen von Taylor (General und zu verknüpfen, bis zu dessen Ablauf die Vorsitzender der Joint Chiefs of Staff) und Nuklearwaffen abzuziehen wären. Diese Curtis LeMay (General und Stabschef der Option barg allerdings das erhebliche Risi- Air Force). ko, dass sich Chruschtschew in die Enge Mit einer militärischen Aktion hätten getrieben fühlen würde,da er nur zwischen die Atomraketen ausgeschaltet werden sol- Nachgeben und Eskalation hätte wählen len. Dazu wären indessen rund 250000 können. Soldaten notwendig gewesen. Die Opera- Robert Kennedy (Bundesanwalt) schlug tion wäre teuer gewesen und möglicher- vor,die Blockade als ersten konventionellen weise sehr verlustreich ausgefallen. Zudem Schritt zu unternehmen, das heisst, mit den barg sie die Gefahr einer nuklearen Aus- Muskeln zu spielen und sich auf einen län- weitung des Konflikts, weshalb sie nur als ger dauernden Konflikt vorzubereiten. Die letzte Option in Frage kam. Blockade konnte mit der Aufforderung ver- bunden werden, die Nuklearwaffen sofort 5. Luftschlag aus Kuba zu entfernen, ohne jedoch einen Aufnahme des Decks der Poltava mit Vorgeschlagen von Taylor (General und bestimmten Zeitpunkt vorzugeben. zwei Lastwagen (Pfeile), auf welchen Vorsitzender der Joint Chiefs of Staff) und John F. Kennedy entschied sich Werferringe für IRBM (Intermediate Curtis LeMay (General und Stabschef der schliesslich für die Option Blockade als Range Ballistic Missiles) montiert sind. Air Force), Acheson (ehemaliger Aussen- ersten Schritt, verbunden mit der Auf- minister), McCone (Direktor der CIA), forderung, die Raketen abzuziehen, oh- Bundy (Berater des Präsidenten) und Dil- ne aber die weiteren Schritte, die von 1962 nach aussen zwar gelassen, doch liess lon (Finanzminister). den USA unternommen würden, näher Chruschtschew einen Teil der bereits aus- Mit einem (ohne Vorwarnung geführ- zu umreissen. gelaufenen Schiffe stoppen, allerdings mit ten) Luftschlag hätten die Abschussram- Ausnahme von vier Schiffen, welche die pen, Raketen, Fliegerabwehrstellungen E. Dramatische Entwicklung der Lage IRBM geladen hatten,sowie eines fünften und Flugpisten auf Kuba zerstört werden Am 22. Oktober 1962 trat John F.Ken- Schiffes mit Nuklearsprengkörpern, die sollen. Ein Luftschlag wäre zwar wesent- nedy vor die Medien und verkündete den weiterfuhren. Er drohte, er würde Schiffe lich weniger verlustreich als eine Invasion getroffenen Entscheid via Fernsehanspra- der USA versenken lassen, welche die gewesen, hätte aber rund 5 Tage dauern che der Weltöffentlichkeit: Sämtliche Waf- sowjetischen Schiffe vor Kuba aufhielten. müssen,bis alle wichtigen Ziele (Raketen, fenlieferungen (nicht aber Lieferung von Am 24. Oktober 1962 errichtete die Bomber, MIG-21 und Flugabwehrrake- Nahrungsmitteln, Rohstoffen und ziviler US-Marine mit rund 180 Schiffen die ten) zerstört worden wären.29 Ausserdem Güter) auf dem Seeweg sollten unterbun- Blockade der Schiffswege nach Kuba, wo- hätten die Tötung von Sowjetsoldaten den werden; die Sowjets hätten ihre Nuk- bei der ursprünglich geplante Radius von und die Gefahr einer nuklearen Auswei- learwaffen aus Kuba abzuziehen. Verbun- 800 Seemeilen vor Kuba,innerhalb dessen tung in Kauf genommen werden müssen. den damit war sein Hinweis, es handle sich die Blockade aktiv war, auf 500 Seemeilen Aussenpolitisch bestand die Gefahr, dass lediglich um einen ersten Schritt, und er der Luftschlag mit dem japanischen An- drohte mit weiteren Massnahmen im Fall griff auf Pearl Harbor vom 7. Dezember des Nichteinlenkens, ohne diese jedoch 1941 verglichen worden wäre und damit näher zu konkretisieren.31 Inzwischen hat- 29 Graham Allison/Philip Zelikow, Essence of das Prestige der USA erheblich beein- ten die US-Streitkräfte begonnen, in Flo- Decision, 2.A. New York etc. 1999, S. 227; 340. trächtigt hätte. rida in aller Öffentlichkeit rund 200000 30 Ulrich Zwygart, Wie entscheiden Sie?, Bern/Stuttgart/Wien, 2007, S. 160. Mann bereitzustellen und Hunderte von 31 32 Ulrich Zwygart, Wie entscheiden Sie?, 6. Blockade Kampff lugzeugen zu stationieren. Bern/Stuttgart/Wien, 2007, S. 161. Vorgeschlagen von McNamara (Vertei- Die Sowjetunion äusserte sich zur Mit- 32 Graham Allison/Philip Zelikow, Essence of digungsminister). teilung Kennedys bereits am 23. Oktober Decision, 2.A. New York etc. 1999, S. 122.

Military Power Revue der Schweizer Armee Nr.2-2008, Beilage zur ASMZ 8/2008 35 GESCHICHTE

(925 km) zurückgenommen wurde, um nedy drängte ebenfalls auf einen sofor- Politik und Strategie der UdSSR mehr Zeit für eine Entschei- tigen Abzug der Raketen und verlangte dung zu lassen.33 Die US-Marine sollte innert 24 Stunden eine Zustimmung der Die Sicherheitspolitik ist als Teil der Ge- dabei nur solche Schiffe anhalten, welche UdSSR, andernfalls würden militärische samtpolitik der Strategie übergeordnet. Sie Material für die Atomraketen transpor- Massnahmen (Bombardierung der Ab- setzt die Ziele der Selbstbehauptung und tierten. Schiffe mit Versorgungsgütern da- schussbasen auf Kuba) ergriffen. Der In- bestimmt den konzeptionellen Rahmen,in gegen konnten passieren. An Bord der halt dieses Gesprächs erreichte Chruscht- dem sich das strategische Denken und US-Kriegsschiffe befanden sich Russisch schew allerdings erst, als er den USA sein Handeln bewegen soll.37 sprechende Übersetzer, um zeitliche Ver- Einlenken, die Raketen aus Kuba wieder Die nationale Strategie ist Sache der Po- zögerungen mit dem Risiko einer Eskala- abzuziehen, mitgeteilt hatte. litik. Gustav Däniker hält dazu fest: «Strate- tion wegen Sprachproblemen zu verhin- Chruschtschew hatte am Morgen des gie ist ein Mittel zur Erreichung sicher- dern. 27. Oktober 1962 verschiedene Geheim- Chruschtschew liess in der Folge die dienstberichte über den Zusammenzug Schiffe mit den IRBM stoppen, liess aber militärischer Kräfte in Florida erhalten.Aus Die nationale Strategie das Tankschiff «Bucharest» sowie die einem Agentenbericht erfuhr er von einem «Grosny», welche weniger brisante Güter Gespräch zwischen Warren Rogers, einem ist Sache der Politik. geladen hatten, weiterfahren. Die Ameri- amerikanischen Journalisten der «New kaner liessen die «Bucharest» ohne nähere York Herald Tribune», und einem KGB- Prüfung weiterfahren, begleiteten sie aber. Agenten. Der Journalist, der nicht wusste, heitspolitischer Ziele; sie ist eine zweckge- Die «Grosny» erreichte die 500-Meilen- wer sein Zuhörer war,teilte mit,der Angriff richtete Tätigkeit der allgemeinen Politik Zone erst, als die Krise zu Ende war. der USA auf Kuba sei bis ins letzte Detail und ihr untergeordnet.»38 Am 25. Oktober 1962 antwortete Ken- vorbereitet und könne jeden Moment be- Die Strategie bedient sich (nach schwei- nedy der Sowjetregierung und forderte sie ginnen; er drückte dabei seine höchstper- zerischer Auffassung)39 folgender Instru- auf, den vorherigen Zustand auf Kuba sönliche (und durch nichts abgestützte) mente: wieder herbeizuführen. Chruschtschew Meinung aus.35 – Information/Kommunikation, rief eine Präsidiumssitzung ein und schlug In der Folge begannen bei Chruscht- – Aussenpolitik, vor, zur Vermeidung eines Schlagabtau- schew die Zweifel über die Raketenstatio- – Armee (Streitkräfte), sches die Schiffe mit den IRBM zu stop- nierung zu wachsen. Als am selben Tag – Bevölkerungsschutz, pen (ohne allerdings darauf hinzuweisen, die sowjetischen Truppen ein U-2-Auf- – Wirtschaftspolitik, dass er diese bereits aus eigenem Ent- klärungsflugzeug über Kuba abschossen – wirtschaftliche Landesversorgung, schluss hatte stoppen lassen) und den USA und dessen Pilot, Maj Anderson, ums Le- – Staatsschutz und Polizei. vorzuschlagen, die Raketen wieder abzu- ben kam, stieg die Spannung weiter an. ziehen, falls die USA den Verzicht auf eine Am Morgen des 28. Oktober 1962 er- Invasion Kubas erklären würden. Das Prä- hielt Chruschtschew eine Mitteilung von Militärstrategie sidium war damit einverstanden, und Fidel Castro. Dieser liess verlauten, er rech- Chruschtschew unterbreitete diesen Vor- ne mit einem Angriff der USA auf Kuba Die Militärstrategie als Teil der Strategie schlag in einem privaten Schreiben an innert 24 bis 72 Stunden und verlangte für liegt in der Verantwortung der Politik und John F. Kennedy. Ohne dessen Antwort diesen Fall einen Atomwaffeneinsatz der nicht der Militärs.40 Für eine erfolgreiche abzuwarten, verlangte er am 25. Oktober UdSSR. Militärstrategieentwicklung ist aber ein en- 1962 unerwarteterweise öffentlich über Am Nachmittag des 28. Oktober 1962 Radio auch den Abzug der Jupiter-Rake- rief Chruschtschew wiederum eine Ple- ten aus der Türkei. narsitzung ein und erläuterte seine inzwi- 33 Graham Allison/Philip Zelikow, Essence of Am 26. Oktober 1962 stoppte die US- schen deutlich geänderte Einschätzung der Decision, 2.A. New York etc. 1999, S. 233. Die gesam- Marine die «Marucla», einen libanesi- Lage. Er wies darauf hin, dass die reale Ge- te Länge der Blockadelinie, die überwacht werden musste, betrug 7000 Seemeilen (rund 13000 km!). schen Frachter, den die Sowjets gechartert fahr eines Krieges und einer atomaren Ka- 34 hatten, und durchsuchte sie während tastrophe, welche die Menschheit auslö- Graham Allison/Philip Zelikow, Essence of De- cision, 2.A. New York etc. 1999, S. 235. zwei Stunden, bevor sie ihn weiterfahren schen könnte,bestehe.Chruschtschew fand 35 Graham Allison/Philip Zelikow, Essence of 34 liess. sich in der Lage wieder, als Erster Atom- Decision, 2.A. New York etc. 1999, S. 350. Die USA teilten der UdSSR am 27. waffen einsetzen zu müssen und damit eine 36 Graham Allison/Philip Zelikow, Essence of Oktober 1962 mit, sie akzeptierten den atomare Katastrophe auszulösen. Er teilte Decision, 2.A. New York etc. 1999, S. 362. Vorschlag und würden versprechen, auf daher seinen Entscheid mit den Worten 37 Generalstabschef Hans Senn – Auf Wache im die Invasion Kubas zu verzichten. Zuerst mit: «Um die Welt zu retten, müssen wir Kalten Krieg, Heft 28 der Schriftenreihe der Gesell- 36 schaft für militärhistorische Studienreisen, Wädens- müssten allerdings die Raketen entfernt uns zurückziehen.» wil/Zürich (ohne Datum), S. 75. werden, und man verlange eine rasche 38 Gustav Däniker, Schweizerische Selbstbehaup- Entscheidung der Sowjets. Den zweiten F.Abzug der Raketen tungsstrategie im Kalten Krieg,Frauenfeld 1996,S.27. Vorschlag, die Jupiter-Raketen aus der Kurz darauf liess er (ohne Rücksprache 39 Bericht des Bundesrates an die Bundesversamm- Türkei zu entfernen, wiesen sie jedoch mit Fidel Castro) über Radio mitteilen, die lung über die Sicherheitspolitik der Schweiz (SIPOL öffentlich zurück, da die Türkei unmiss- UdSSR zögen ihre Atomwaffen aus Kuba B 2000) vom 7. Juni 1999, Ziff. 6 (S. 52 ff.), abrufbar unter http://www.parlament.ch/SiteCollectionDo verständlich gegen einen solchen Deal ab; die Kuba-Krise war zu Ende. Im April cuments/do-archiv-armee21-sipol_b.pdf (besucht am bzw. Abzug war. In einem vertraulichen 1963 bauten die USA ihre Jupiter-Raketen 16.4.2008). Gespräch mit dem sowjetischen Botschaf- in der Türkei ab und stationierten an deren 40 Vgl. aber Operative Führung XXI (OF XXI), ter Anatoly Dobrynin in Washington Stelle mit Polaris-Raketen bestückte U- Regl 51.7 d, 2004, Ziff. 123, welche die Verantwor- sicherte Robert Kennedy allerdings zu, Boote im Mittelmeer. tung für die Militärstrategie dem CdA zuweist, was die Angelegenheit der Jupiter-Raketen Im Folgenden soll nun unter Erläute- dem Grundsatz, wonach Strategie stets Sache der Po- litik ist, widerspricht. In der NATO obliegt die Mi- nach ca. vier bis fünf Monaten zu regeln. rung der theoretischen Grundlagen das litärstrategie ebenfalls der militärischen Spitze; in Eu- Die USA wollten aber nach aussen kein militärstrategische Denken und Handeln ropa ist dies der Supreme Allied Commander Europe solches Junktim zugestehen. Robert Ken- näher beleuchtet werden. (SACEUR), zurzeit US-General Bantz J. Craddock.

36 Military Power Revue der Schweizer Armee Nr.2-2008, Beilage zur ASMZ 8/2008 GESCHICHTE

(englisch: ends - means - ways) in Einklang Begriffe zu bringen.44 Die strategischen Ziele der Schweiz sind in Art.2 und Art.57 der Bun- • Strategie: Plan über den Mittelein- desverfassung festgelegt.45 satz zur Zielerreichung Die drei strategischen Faktoren hat be- (Matthias Kuster) reits Carl von Clausewitz (1780-1831) in seinem Werk «Vom Kriege» formuliert. Er • Militärstrategie: Teil der nationalen umschreibt das (militär-)strategische Den- Strategie, welche Entwicklung und ken wie folgt: «Ein Fürst oder Feldherr, wel- Anwendung militärischer Macht zur cher seinen Krieg genau nach seinen Zwecken Erreichung nationaler Ziele und In- und Mitteln einzurichten weiss, nicht zu viel teressen aufzeigt (Regl Begriffe und nicht zu wenig tut, gibt dadurch den gröss- Führungsreglemente der Armee).41 ten Beweis seines Genies.»46 Die Synchronisa- tion der Faktoren Ziel - Mittel - Einsatz • Operation: Teilstreitkräfteübergrei- stellt die grosse Herausforderung dar und fende Handlung zur Erfüllung militär- kann nur erfolgreich sein, wenn das Zu- strategischer Ziele (Regl Begriffe sammenspiel der Faktoren vollständig ver- Führungsreglemente der Armee). standen wird. Zu unterscheiden ist zwischen der kurz- • Taktik: Lehre von der Führung des fristigen und der langfristigen Militärstrate- Gefechts der Einheit bis Brigade und gie. Unterscheidungskriterium ist die Zeit. dem bestmöglichen Zusammenwir- Die langfristige Militärstrategie bezweckt, ken ihrer Mittel auf dem Gefechtsfeld die von der Politik gesteckten Ziele zu er- (Regl Begriffe Führungsreglemente reichen, indem insbesondere die dafür not- der Armee). wendigen Mittel, das heisst Rüstungsgüter, beschafft werden und eine geeignete Dok- Mit Taktik gewinnt man das Gefecht, trin entwickelt wird; die Ziele bestimmen Commander W.B.Ecker, Kommandant mit Operationen den Feldzug und mit Mittel und Einsatz.Vereinfacht ausgedrückt der Marineaufklärungsstaffel 62 (RF-8 Strategie den Krieg.42 Die Unterschei- lässt sich die langfristige Militärstrategie Crusader), erklärt einen Aufklärungsflug dung der drei Stufen dient vor allem der über Kuba. Zuweisung von Verantwortlichkeiten: Die Strategie (inklusive Militärstrategie) Zu unterscheiden ist zwischen ist Sache der Politik, die Operation Sa- will, die Streitkräfte sagen, ob sie es kön- che der Armeeführung und die Taktik der kurzfristigen und der langfristigen nen. Sir Basil Henry Liddell Hart (1895- Sache der Truppenkommandanten. Militärstrategie. 1970) hält in gleicher Weise fest: «Stimme dein Ziel auf die zur Verfügung stehenden Mit- • Militärdoktrin: Fundamentale Prin- tel ab.»48 Die Synchronisation der Faktoren zipien, nach denen die Armee oder Ziel - Mittel - Einsatz stellt die grosse Her- Teile davon ihre Aufgaben zur Errei- wie folgt umschreiben:Die Politik sagt,was ausforderung der politischen und militäri- chung der nationalen Ziele erfüllen. sie will, die Streitkräfte sagen, was sie dazu schen Spitze dar. Diese Prinzipien sind bindend, bedür- benötigen. Die langfristige Militärstrategie fen aber in der praktischen Umset- dient der Vorbereitung zur erfolgreichen zung der situativen Überprüfung. Die Bewältigung zukünftiger Bedrohungen. Militärdoktrin gibt gleichzeitig Rah- Ein Staat,der nur über sehr begrenzte Rüs- menbedingungen für die Weiter- tungsgüter verfügt, kann nicht die gleichen militärstrategischen Ziele verfolgen wie ei- entwicklung der Armee vor (Regl 41 Abrufbar unter http://www.vtg.admin.ch/in Begriffe Führungsreglemente der ne Grossmacht. ternet/vtg/de/home/dokumentation/fuhrungsregle Armee). In der Kuba-Krise 1962 verfügten die mente/begriffe.html. USA über eine Dominanz atomarer Waffen 42 Gustav Däniker, Schweizerische Selbstbehaup- gegenüber der UdSSR, womit sie ein der- tungsstrategie im Kalten Krieg,Frauenfeld 1996,S.27. art hohes Abschreckungspotenzial besassen, 43 Guidelines for operational planning (GOP) der ges Zusammenwirken zwischen Politikern dass sich Chruschtschew schliesslich veran- NATO,Ausgabe 2005, Ziff. 3–9. 44 Diese Faktoren sind heute allgemein anerkannt und der Spitze der Streitkräfte unerlässlich. lasst sah, die Atomraketen wieder aus Kuba (vgl.Albert Stahel, Strategisch denken – Ziel - Mittel In der Kuba-Krise behielten sowohl auf abzuziehen; ein Einsatz der Raketen gegen - Einsatz in Politik, Wirtschaft und Armee, Zürich Seiten der USA als auch der UdSSR die die USA hätte zu massiven atomaren Ge- 1997). Politiker die Entscheidungsbefugnis über genschlägen und damit zu grossen Verwüs- 45 Art. 2 Abs. 2 lautet: «Die Schweizerische Eidgenos- das Vorgehen in ihrer Hand, liessen sich tungen in der UdSSR geführt.47 Dabei senschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und aber umfassend von den Spitzen der Streit- wäre eine weitere Eskalation mit Gegen- wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.» Art. 57 lautet: «Bund und Kantone sorgen im Rahmen kräfte über die Machbarkeit der vorge- Gegenschlägen durch diese nicht a priori ihrer Zuständigkeit für die Sicherheit des Landes und den schlagenen (militärischen) Optionen bera- ausgeschlossen gewesen. Schutz der Bevölkerung. Sie koordinieren ihre Anstrengun- ten. Die kurzfristige Militärstrategie ist die gen im Bereich der inneren Sicherheit.» Die Kunst des strategischen und damit Reaktion auf eine konkrete Bedrohung. 46 Carl von Clausewitz, Vom Kriege, 3. Kapitel, I. Buch. auch des militärstrategischen Denkens und Hier bestimmen die vorhandenen Mittel 47 Handelns (die strategischen Faktoren gel- bzw. Rüstungsgüter die Ziele, die erreicht Die Wirkung der Atomwaffen liegt primär in ih- 43 rer Abschreckung (vgl. dazu André Beaufre, Totale ten auch in der Militärstrategie) besteht werden sollen.Vereinfacht ausgedrückt lässt Kriegskunst im Frieden,Berlin/Frauenfeld 1964,S.93 darin,die drei strategischen Faktoren,näm- sich die kurzfristige Militärstrategie wie ff. (Kapitel «Die Atomstrategie»). lich Ziel, Mittel und Einsatz der Mittel folgt umschreiben: Die Politik sagt, was sie 48 Basil Henry Liddell Hart, Strategie, XX. Kap.

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Als die USA entdeckten, dass die Fehleinschätzung und Vorurteile nommen wird (Vorurteil). Chruschtschew UdSSR Atomraketen auf Kuba stationiert rechnete 1962 offenbar nicht mit einer hatte, setzten sie sich folgende Ziele:Verhin- «Wenn du den Feind und dich selber kennst, derart deutlichen Entschlossenheit der derung des Einsatzes der sowjetischen Ra- brauchst du den Ausgang von hundert Schlach- USA und vor allem nicht mit der konse- keten gegen die USA oder sonst ein Land ten nicht zu fürchten.» (Sun Tzu, Die Kunst quenten Haltung des jungen Präsidenten, und Sicherstellung des Abzuges der Rake- des Krieges, 3. Kap.) ihre Ziele,nämlich den Abzug der Atomra- ten aus der westlichen Hemisphäre. Diese Ausgangspunkt und Richtschnur jeder keten aus Kuba, durchzusetzen. Er glaubte Ziele konnten die USA nur dank ihren Militärstrategie ist die Bedrohung. Die vielmehr, eine Demokratie wäre zu schlagkräftigen Streitkräften und der Exis- Festlegung der Ziele richtet sich bei der schwach, um sich einer derart massiven tenz eines grossen Atomwaffenarsenals er- kurzfristigen Militärstrategie nach der ak- Drohung zu widersetzen.50 Die USA woll- reichen. Hätten die USA nicht über Atom- tuellen, bei der langfristigen Militärstrate- ten trotz gegenteiligen Hinweisen bis am waffen verfügt, hätten sie die UdSSR kaum gie nach der zukünftigen Bedrohung. Die 14. Oktober 1962 (Entdeckung der Atom- zum Abzug ihrer Atomwaffen bewegen Herausforderung der Militärstrategie liegt raketen auf Kuba durch ein Aufklärungs- können. Die Mittel hätten nicht ausge- in der richtigen Einschätzung der Bedro- flugzeug) nicht wahrhaben, dass die reicht,um das angestrebte Ziel zu erreichen. hungslage. Sie richtet sich stets nach den UdSSR in Kuba, also quasi vor ihrer Haus- Bei der Festlegung der Ziele muss die türe,Atomwaffen stationieren würde. Politik (Regierung) mit den Spitzen der Fehleinschätzungen und Vorurteile sind Streitkräfte eng zusammenarbeiten. Ent- Die Herausforderung der die treuesten Begleiter der Strategie.Sie sind scheidend ist, dass keine Ziele festgelegt tief in der menschlichen Natur verankert werden, welche die Streitkräfte mit den zur Militärstrategie liegt in der richtigen und können nie ganz ausgeschlossen wer- Verfügung stehenden Mitteln nicht errei- Einschätzung der Bedrohungslage. den. Bei der Beurteilung der Bedrohungs- chen können. Setzt die Politik Ziele, die lage wird zu oft davon ausgegangen, der mit den vorhandenen Mitteln nicht er- Gegner (oder die Gegenseite) handle aus- reichbar sind, muss sie entweder die Finan- beiden Faktoren Eintretenswahrscheinlich- zierung der erforderlichen Mittel sicher- keit und Gefährlichkeit. Diese beiden Fak- stellen (langfristige Militärstrategie) oder toren müssen gegeneinander abgewogen Fehleinschätzungen und Vorurteile die Ziele anpassen (kurzfristige Militärstra- werden; man spricht dabei von Risikoma- tegie). Insbesondere das Parlament, welches nagement. Professionelles Risikomanage- sind die treuesten Begleiter in vielen Ländern über das Militärbudget ment richtet sich auf die gefährlichsten Ri- der Strategie. abstimmt, muss diesen Mechanismus ver- siken aus, deckt die wahrscheinlichsten ab stehen, was leider nicht immer der Fall ist. und muss Restrisiken in Kauf nehmen.49 Der Einsatz von Streitkräften muss stets Bei der Beurteilung der Bedrohungslage schliesslich rational.Gerade unter Zeitdruck das letzte Mittel zur Zielerreichung dar- ist das Erkennen der gegnerischen Ziele handelt der Mensch indessen oft irrational, stellen (Prinzip der Subsidiarität). Die und der gegnerischen Entschlossenheit von weil ihm Zeit und Ruhe für nüchternes Politik hat laufend zu prüfen, ob die entscheidender Bedeutung. Aus dem Re- Denken und Handeln fehlt. Dies ist bei je- gesteckten Ziele mit anderen Mitteln sultat lässt sich ableiten, wie weit ein Geg- der Lagebeurteilung zu berücksichtigen. (Diplomatie, Polizei, Nachrichtendienst) ner gehen wird. Entsprechend kann die Vorurteile verhindern ebenfalls eine rea- erreichbar sind. In der Kuba-Krise gelang Wirkung der eigenen Gegenmassnahmen listische Beurteilung einer Bedrohungslage. es den USA, mit einem minimalen Ge- abgeschätzt werden (genügt eine Drohung Politiker und Generäle sind davon glei- walteinsatz (Blockade), jedoch verbunden oder bedarf es eines Militärschlages?). chermassen betroffen. Die Administration mit der Drohung einer Invasion auf Kuba Wer den Gegner falsch einschätzt, läuft Bush wollte 2003 trotz klaren Expertenbe- und diplomatischen Verhandlungen (Ab- Gefahr, unerreichbare Ziele zu verfolgen richten nicht wahrhaben, dass sich die Ver- gabe des Versprechens, Kuba nicht anzu- oder seine Mittel falsch einzusetzen. Oft hältnisse nach einem Einmarsch im Irak greifen und die Jupiter-Raketen aus der liegt der Grund der Fehleinschätzung dar- katastrophal entwickeln würden.51 Der Türkei abzuziehen), die UdSSR zum Ab- in, dass das Ausmass einer Bedrohungslage französische General Gamelin war Anfang zug der Atomraketen zu bewegen. Die entweder mangels Sachkompetenz nicht 1940 fest davon überzeugt, dass der erwar- Kuba-Krise forderte auf Seiten der USA erkannt wird (Unvermögen) oder wegen tete Angriff der Deutschen Wehrmacht wie wenige Opfer. vorgefasster Meinungen verzerrt wahrge- im Ersten Weltkrieg wiederum schwerge- wichtig durch Holland und Belgien erfolge und ein Angriff durch die Ardennen mit gepanzerten Kräften ausgeschlossen sei. Er hielt selbst dann an seiner Meinung fest, als im Rahmen einer Stabsübung festgestellt wurde,dass ein Angriff durch die Ardennen sehr wohl möglich wäre!52 Wer sich lange Zeit mit zukünftigen Bedrohungslagen auseinandersetzt, läuft offenbar Gefahr,

49 Sicherheitspolitische Information Januar 2007 des VSWW,Was darf Sicherheit kosten? 50 James Daniel/John Hubbell, Als der Westen schlief..., Bern, 2.A. 1963, S. 117. 51 Dana H.Allin/Steven Simon,America’s Predica- ment, in: Survival (Hrsg. Internationales Institut für strategische Studien in London), vol. 46, no. 4, winter 2004-2005, S. 18. 52 Jacques Engeli, Frankreich 1940 – Wege in die Eine Aufnahme mutmasslicher Lagerungsplätze von nuklearen Gefechtsköpfen. Niederlage, Baden 2005, S. 558, 568 und 578.

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krieges wurden sämtliche Optionen aus- führlich beurteilt und abgewogen. John F. Kennedy wies seine Berater immer wieder an, die vorgeschlagenen Optionen vertieft zu prüfen.56

b) Zentrum der Kraftentfaltung

Voraussetzung für eine erfolgreiche Op- tion ist die Ausrichtung des Mitteleinsatzes auf das gegnerische Zentrum der Kraftent- faltung. Clausewitz schreibt dazu: «Was sich die Theorie hier sagen kann, ist folgendes: Es kommt darauf an, die vorherrschenden Verhält- Das Clausewitz’sche Dreieck. nisse beider Staaten im Auge zu haben. Aus ihnen wird sich ein gewisser Schwerpunkt, ein Vermutungen über die Zukunft zur Ge- Die Grösse des Beratergremiums ist Zentrum der Kraft und Bewegung bilden, von wissheit werden zu lassen und dann alles ebenfalls entscheidend. Es darf insbesonde- welchem das Ganze abhängt, und auf diesen auszublenden, was nicht mehr der eigenen re nicht zu gross sein, damit sich niemand Schwerpunkt des Gegners muss der gesammelte Überzeugung entspricht.Die Priorisierung aus der Verantwortung stehlen kann und Stoss aller Kräfte gerichtet sein.»57 ... «Diese von Bedrohungsszenarien birgt zudem die die Konsensfindung nicht zu stark er- Centra gravitatis in der feindlichen Kriegsmacht Gefahr,dass man sich im Laufe der Zeit nur schwert wird. John F.Kennedy verkleinerte zu unterscheiden, ihre Wirkungskreise zu erken- noch auf ein Szenario beschränkt und alle das Beratergremium auf 16 Personen, nen, ist also ein Hauptakt des strategischen Ur- weiteren verdrängt (in der Schweiz beginnt Chruschtschew beschränkte den Berater- teils.»58 das Szenario von Unruhen im Innern,dem kreis auf 20 Personen. mit Raumsicherungseinsätzen begegnet Mit Blick auf die Aufgaben eines militär- Auf (militär-)strategischer Stufe sind die werden soll, alle weiteren Bedrohungs- strategischen Gremiums ist eine Stabsglie- Zentren der Kraftentfaltung: Macht der szenarien in den Hintergrund zu drängen). derung nach militärischen Führungs- Regierung,Widerstandswille der Bevölke- Bedrohungsanalysen sind daher immer grundgebieten unzweckmässig; diese Glie- rung, nationaler Zusammenhalt, wirt- wieder kritisch zu hinterfragen und gege- derung eignet sich nur für die operative schaftliche Stärke, Sitz der Regierung benenfalls zu revidieren. und taktische Stufe.55 (Hauptstadt) sowie die Streitkräfte.59 Beim klassischen Krieg bezeichnet Clausewitz drei Schwerpunkte: «Wir glauben daher, dass Zusammensetzung eines militär- Ausarbeitung von Optionen nach der Masse der Erfahrungen folgende Um- strategischen Stabes stände die Niederwerfung des Gegners a) Mitteleinsatz hauptsächlich ausmachen: Bemerkenswert ist die Zusammenset- 1. Zertrümmerung seines Heeres, wenn es ei- zung des Beratergremiums sowohl von John Bei der kurzfristigen Militärstrategie nigermassen eine Potenz bildet. F. Kennedy als auch von Nikita Chruscht- hängt der Erfolg wesentlich davon ab, die 2. Einnahme der feindlichen Hauptstadt, schew. Obwohl der Einsatz militärischer vorhandenen Mittel so einzusetzen, dass die wenn sie nicht bloss der Mittelpunkt der Staats- Mittel im Zentrum stand, waren sowohl bei gesteckten Ziele erreicht werden. Der rich- gewalten, sondern auch der Sitz politischer Kör- den USA als auch bei der UdSSR die tige Einsatz der vorhandenen Mittel ist ent- per und Parteiungen ist. Mehrheit der Berater Nichtmilitärs. scheidend für die Zielerreichung. Der 3. Ein wirksamer Stoss gegen den hauptsäch- Die Vorschläge für Optionen,welche die erfolgreiche Mitteleinsatz ist an geschicktes lichsten Bundesgenossen,wenn dieser an sich be- einzelnen Berater seitens der USA vor- Ausarbeiten und Abwägen von Optionen deutender ist als der Gegner.»60 brachten, entsprachen durchwegs den Ar- beitsgebieten, in welchen sie tätig waren. Die Diplomaten schlugen diplomatische Die wichtigste Aufgabe Lösungen vor, die Generäle Militärschläge. 53 Graham Allison/Philip Zelikow, Essence of Robert Kennedy hielt nach der Kuba-Kri- der Streitkräfte besteht darin, Decision, 2.A. New York etc. 1999, S. 325. se in einem Interview fest, dass sich nicht 54 Vgl. etwa die Sorgfalt, mit welcher Geschworene weniger als 6 der 16 Mitglieder des die Machbarkeit des geplanten eines US-Gerichts durch die Anwälte ausgewählt werden; je nach Zusammensetzung des Geschwore- EXCOM für eine Option entschieden Mitteleinsatzes zu prüfen. nenkreises kann das Urteil anders ausfallen. hätten, bei welcher die Welt vermutlich in 55 So ausdrücklich Helmut Habermayer, Das neue die Luft geflogen wäre.53 Konzeptionssystem des Österreichischen Bundeshee- (auf taktischer und operativer Stufe wird res, in: ÖMZ 2/2008, S. 145. Der Auswahl der Personen, die in einem von Varianten gesprochen) geknüpft. Die 56 Graham Allison/Philip Zelikow, Essence of militärstrategischen Gremium Einsitz neh- wichtigste Aufgabe der Streitkräfte besteht Decision, 2.A. New York etc. 1999,S. 346 und 347. 57 Carl von Clausewitz, Vom Kriege, 8. Buch, men, kommt daher entscheidende Bedeu- darin, die Machbarkeit des geplanten VI. Kapitel. tung zu. Massgebend ist dabei die berufli- Mitteleinsatzes zu prüfen. Ist ein Ziel mit 58 Carl von Clausewitz, Vom Kriege, 6. Buch, che Herkunft und Tätigkeit (Militär, den vorhandenen Mitteln nicht erreichbar, XXVII. Kapitel. Politik, Wirtschaft etc.). Je nach Zusam- muss es angepasst werden. Die Kuba-Krise 59 Vgl. Operative Führung XXI (OF XXI), Regl mensetzung des Gremiums können gänz- 1962 liefert ein hervorragendes Beispiel für 51.7 d, 2004, S. 215, und Guidelines for operational lich unterschiedliche Optionen zur Aus- die Ausarbeitung und Beurteilung von Op- planning (GOP) der NATO, Ausgabe 2005, Ziff. 54 3-16. führung gelangen. Wichtig ist zudem,dass tionen zur Bewältigung der Bedrohung. 60 Carl von Clausewitz,Vom Kriege, 8. Buch, IV. sich sämtliche Mitglieder frei über Zielset- Zwischen Nichtsunternehmen und Inva- Kapitel, nennt die Hauptstadt ausdrücklich als Zent- zung und Optionen äussern können. sion Kubas unter Inkaufnahme eines Atom- rum der Kraftentfaltung.

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und er innenpolitisch als unentschlossener Präsident unter Druck geraten wäre. Die Option, mittels Luftschlägen Abschussram- pen und Atomraketen auszuschalten, wur- de seitens der US-Luftwaffe als nicht machbar eingestuft, da sie zu viel Zeit benötigte und damit ein Abfeuern eines Teils der Atomraketen durch die UdSSR nicht verhindert hätte.66

Die USA machten mit dem Konzept der wunderlichen Dreifaltigkeit im Vietnam- krieg ihre bittere Erfahrung; obwohl die US-Armee militärisch nicht besiegt wurde, musste sie wegen der Kriegsmüdigkeit des amerikanischen Volkes schliesslich aus Viet- Ein Marineaufklärungsflugzeug vom Typ P-2 Neptune der Aufklärungsstaffel VP-18 nam abziehen. Massgeblicher Auslöser überfliegt den sowjetischen Frachter «Oxotck», der zugedeckte Militärmaschinen dafür waren u.a. die über die Massenme- nach Kuba bringt. dien (vor allem TV) verbreiteten Bilder der Hinrichtung eines Vietcong-Kämpfers per c) Clausewitz’sches Dreieck sitzt es auch bei asymmetrischen Bedro- Kopfschuss durch den südvietnamesischen hungen unverändert Gültigkeit: Solange General Nguyen Ngoc Loan. Die Bilder Militärstrategische Optionen dürfen Staaten Bedrohungen bewältigen müssen, gingen rund um die Welt.Berichte über das aber nicht nur darauf überprüft werden, ob bewegen sie sich im Clausewitz’schen Massaker von My Lai 1968, über den Ein- damit die gesteckten Ziele erreicht werden Dreieck der wunderlichen Dreifaltigkeit.65 satz von Agent Orange sowie über Na- können. Bei deren Beurteilung sind weite- Jede Option ist darauf zu prüfen, ob sie palmbomben untergruben den Rückhalt re Kriterien einzubeziehen, die Carl von angemessen, machbar und akzeptierbar ist. der öffentlichen Meinung in den USA Clausewitz aus der von ihm definierten Nach dem Clausewitz’schen Dreieck ist aus weiter. Harry Summers wies in seiner Stu- «wunderlichen Dreifaltigkeit» abgeleitet der Sicht der Politik die Angemessenheit, die über die Gründe des Scheiterns der hat.61 Er schreibt dazu: «Der Krieg ist also aus der Sicht des Volkes die Akzeptanz und USA in Vietnam darauf hin,dass ein demo- nicht nur ein wahres Chamäleon, weil er in je- aus der Sicht der Armee die Machbarkeit kratischer Staat keinen Krieg über längere dem konkreten Falle seine Natur etwas ändert, jeder Option zu prüfen. Eine Strategie Zeit führen kann, wenn sich Volk und Re- sondern er ist auch seinen Gesamterscheinungen kann nur dann erfolgreich sein, wenn sich gierung nicht stark mit dem (klar definier- nach in Beziehung auf die ihm herrschenden Politik, Volk und Armee bzw. Streitkräfte ten) Kriegsziel und den zum Erreichen Tendenzen eine wunderliche Dreifaltigkeit, zu- über die drei strategischen Faktoren Ziel, dieses Zieles entsandten Streitkräften iden- sammengesetzt aus der ursprünglichen Gewalt- Mittel und Einsatz einig sind.Versteht das tifizieren.67 samkeit seines Elementes, dem Hass und der Volk die Kriegsziele der Regierung nicht, Optionen sollten also stets nach folgen- Feindschaft, die wie ein blinder Naturtrieb an- wird es seine Unterstützung versagen. den Kriterien geprüft werden: zusehen sind,aus dem Spiel der Wahrscheinlich- In der heutigen Zeit kommt der Prü- – Ist das Ziel klar und verständlich? keit und des Zufalles,die ihn zu einer freien See- fung der drei Kriterien erhöhte Bedeutung – Wird das Ziel vom Volk akzeptiert? lentätigkeit machen,und aus der untergeordneten zu, weil die Medien diese kritisch hinter- – Ist der Einsatz der Mittel national und in- Natur eines politischen Werkzeuges, wodurch er fragen und (gewollt oder ungewollt) für ternational akzeptierbar? dem blossen Verstand anheimfällt. Die erste die- Spannungen im Clausewitz’schen Dreieck – Richten sich die eingesetzten Mittel auf ser drei Seiten ist mehr dem Volke, die zweite sorgen. das Zentrum der Kraftentfaltung aus? mehr dem Feldherrn und seinem Heer,die dritte Der Begriff «Volk» muss heute nicht nur 61 mehr der Regierung zugewendet.»62 national, sondern auch international ver- Siehe dazu insbesondere Andreas Herberg-Ro- the,Die wunderliche Dreifaltigkeit,in:ÖMZ 2/2008, Clausewitz umschreibt in diesem Zitat, standen werden. Beginnt eine Nation S. 163 ff. welches auch als Clausewitz’sches Dreieck einen Krieg, den die Staatengemeinschaft 62 Carl von Clausewitz,Vom Kriege, 1. Buch, I. Ka- bezeichnet wird, das Verhältnis zwischen pitel, Ziff. 28. Regierung (Politik), Volk und Armee 63 Die Gültigkeit des Modells ist unabhängig von (Streitkräfte)63. Er bringt damit die ent- Der Begriff «Volk» muss heute der Natur der Streitkräfte. Es gilt für Berufsarmeen scheidende Bedeutung der Einigkeit zwi- ebenso wie für Wehrpflichtarmeen. Zu beachten ist, nicht nur national, sondern auch dass Clausewitz das Modell mit Blick auf die französi- schen den drei genannten Teilen der Bevöl- sche levée en masse von 1793 (Pflicht aller unverhei- kerung zum Ausdruck. Geschichtlicher international verstanden werden. rateten Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren zum Hintergrund für dieses Zitat ist der Erfolg Kriegsdienst) entwickelt hat. 1814 führte auch Preus- der napoleonischen Kriegführung: Napo- sen die allgemeine Wehrpflicht ein.Clausewitz begann leon siegte in zahlreichen Schlachten, weil als ungerechtfertigt beurteilt, wird Erstere erst 1816 mit der Niederschrift seines Werkes «Vom das ganze französische Volk für seine Ziele früher oder später unter erheblichen Druck Kriege». Daraus kann geschlossen werden, dass er un- ter dem Begriff Armee eine Wehrpflichtigenarmee mobilisiert werden konnte. Der Krieg war geraten, den Krieg einzustellen, ausser es und keine Berufsarmee verstand. mit der Französischen Revolution wieder handle sich um eine Supermacht. Serbien 64 Beatrice Heuser, Clausewitz lesen!, München eine Sache des ganzen Volkes geworden, zog den Angriff der NATO auf sich, als es 2005, S. 66. weil es einer Ideologie folgte.Mao Zedong den Kosovo mit militärischen Mitteln be- 65 Zur Diskussion über die Aktualität der «wunder- erkannte den Wert (und damit auch die setzte und säubern wollte, und musste sich lichen Dreifaltigkeit» siehe Beatrice Heuser, Clause- witz lesen!, München 2005, S. 65 ff. Gefahr) der Mobilisierung der Volksmassen wieder zurückziehen.John F.Kennedy ver- 66 64 Graham Allison/Philip Zelikow, Essence of durch eine Ideologie ebenfalls. Obwohl warf 1962 die Option des Nichtsunterneh- Decision, 2.A. New York etc. 1999, S. 227 und 340. das Clausewitz’sche Dreieck für den klassi- mens,da diese von der amerikanischen Be- 67 Harry G. Summers, On Strategy:A Critical Ana- schen Staatenkrieg entwickelt wurde, be- völkerung kaum akzeptiert worden wäre lysis of the Vietnam War, Novato 1982.

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– Reichen die Mittel aus, um das gesteckte werden und bergen weniger Wider- Ziel zu erreichen? sprüche. Der operativen Stufe soll grösst- – Stehen die eingesetzten Mittel für die mögliche Handlungsfreiheit eingeräumt Zielerreichung in einem vernünftigen Ver- werden. hältnis? Planung und Durchführung der mili- tärischen Aktionen, das heisst Einsatz der (militärischen) Mittel, obliegt der operati- Umsetzung der gewählten Option ven Stufe. Diese erlässt gestützt auf die mi- litärstrategische Weisung eine Planungs- Hat sich die militärstrategische Stufe für richtlinie, in welcher die operativen Ideen eine Option entschieden, erlässt sie eine umschrieben werden und die als Grundla- (militärstrategische) Weisung an die Streit- ge des operativen Konzeptes dient. Sie sol- kräfte.Laut OF XXI68 legt die militärstrate- len die zu erfüllenden Aufgaben knapp und gische Weisung den Rahmen für die Ope- klar umreissen und bereits eine formulierte rationsplanung bzw. Operationsführung Grobabsicht enthalten.71 fest. Sie sollte folgende Punkte regeln: Die militärstrategische Stufe muss im – die politische Problemstellung, Falle eines kombinierten Einsatzes mi- – das militärstrategische Ziel, d.h. den an- litärischer, wirtschaftlicher und politischer gestrebten militärischen Endzustand auf- Mittel für die Synchronisation besorgt grund der politischen Vorgaben, sein. In der Kuba-Krise wurde die Errich- – die Führungsverantwortlichkeiten, tung der Blockade durch die USA zu- Begegnung von Chruschtschew und – zeitliche Vorgaben (z.B. für die Opera- gleich mit einem Truppenaufmarsch in Kennedy. tionsplanung), Florida und dem Versprechen kombiniert, – je nach Lage die eigenen und gegneri- im Falle eines Abzuges der Atomraketen schen Zentren der Kraftentfaltung auf mi- durch die UdSSR auf eine Invasion Kubas Die militärstrategische Stufe beschränkt litärstrategischer Stufe, zu verzichten und die Jupiter-Raketen aus sich somit im Wesentlichen auf die Zielset- – die für die Operation zur Verfügung ge- der Türkei abzuziehen. Der zeitlich syn- zung, Ausarbeitung von Optionen, Über- stellten Kräfte (nach Umfang, Art und al- chrone Einsatz militärischer (Blockade, wachung des Mitteleinsatzes und die Syn- lenfalls zeitlicher Verfügbarkeit), Truppenaufmarsch) und diplomatischer chronisation. In der Kuba-Krise lag das – Einsatzrichtlinien (insbesondere im Be- Mittel (Abgabe des Versprechens, auf eine Schwergewicht des Mitteleinsatzes bei der reich der Kraftanwendung), Invasion Kubas zu verzichten) bewirkte US-Marine. Diese hatte die Seeblockade zu – Richtlinien zur zivil-militärischen Zu- schliesslich den Abzug der Atomraketen errichten. Ab 24. Oktober 1962 war diese sammenarbeit, aus Kuba. aktiv, wobei der ursprünglich geplante Ra- – andere politische,rechtliche und militäri- Entscheidend ist, dass die Vertreter der dius von 800 Seemeilen, innerhalb dessen sche Vorgaben und Einschränkungen sowie militärstrategischen Stufe dem operativen die Blockade aktiv war, auf 500 Seemeilen Vorbedingungen für den Erfolg einer Ope- Führer bei der Umsetzung der militärstra- zurückgenommen wurde, um der UdSSR ration, tegischen Weisung freie Hand lassen (Auf- mehr Zeit für eine Entscheidung zu lassen.73 – Aufträge und Handlungsspielraum für die tragstaktik).Bereits Sun Tzu warnte vor der operative Führung.69 übermässigen Einflussnahme der politi- Die US-Marine war strikte angewiesen schen Stufe auf die Streitkräfte: «Siegen worden, nur solche Schiffe anzuhalten, wel- Die militärstrategische Weisung muss wird der, welcher militärisch fähig ist und che Teile von Atomraketen transportierten; möglichst knapp und konzis abgefasst wer- nicht mit der Einmischung seines Herr- Schiffe mit Versorgungsgütern dagegen soll- den.70 Kurze Texte können rascher gelesen schers rechnen muss.»72 ten passieren können.Damit sollte einerseits jegliche Provokation der UdSSR vermie- den und andererseits die Akzeptanz der Blockade bei der eigenen Bevölkerung ge- wahrt werden.

68 Operative Führung XXI (OF XXI),Regl 51.7 d, 2004, abrufbar unter http://www.vtg.admin.ch/in ternet/vtg/de/home/dokumentation/fuhrungsregle mente.html 69 Operative Führung XXI (OF XXI),Regl 51.7 d, 2004, Ziff. 247. 70 Die Weisung für die Durchführung der Opera- tion WESERÜBUNG (siehe dazu Military Power Revue Nr. 1-2008, S. 40 ff.) der Deutschen Wehr- macht 1940 umfasst ganze zwei Seiten (!). 71 Operative Führung XXI (OF XXI),Regl 51.7 d, 2004, Ziff. 248. 72 Sun Tzu,Die Kunst des Krieges, 3. Kap. Der sowjetische Frachter «Bratsk» auf dem Weg nach Kuba. Zwei gegen Aufklärung 73 Graham Allison/Philip Zelikow, Essence of und Korrosion geschützte Raketen sind gut erkennbar. Decision, 2.A. New York etc. 1999, S. 233.

Military Power Revue der Schweizer Armee Nr.2-2008, Beilage zur ASMZ 8/2008 41 GESCHICHTE

Zusammenfassung Die Kuba-Krise von 1962 ist ein her- vorragend dokumentiertes Beispiel für militärstrategisches Denken und Handeln

Die Militärstrategie verbindet die Sicherheitspolitik mit der operativen Führung der Streitkräfte und hat damit eine Scharnierfunktion. in Krisenlagen. Die Militärstrategie ver- bindet die Sicherheitspolitik mit der ope- rativen Führung der Streitkräfte und hat damit eine Scharnierfunktion. Politiker und Militärs arbeiten auf dieser Stufe eng zusammen. Aufgabe der Politik ist es, die zu erreichenden Ziele festzulegen und in enger Zusammenarbeit mit den Militärs Optionen zur Zielerreichung auszuarbei- ten. Die Militärs sind dabei für die Beur- teilung der Machbarkeit der Optionen zuständig. Dem Naturell der beteiligten Berater und Entscheidungsträger kommt sehr hohe Bedeutung zu. Fehleinschät- zung der Lage und Vorurteile sind die Die Karte (aus Seemacht, Bernard&Graefe, 1974) zeigt den Blockaderadius, den die US Navy 1962 um Kuba errichtet hatte.

Schwächen, die über Krieg oder Frieden die Lage, sich in eine Situation mit dem Es sind die menschlichen Schwächen, entscheiden. Rücken zur Wand gedrängt zu fühlen.Eine die über Krieg oder Frieden Das Beispiel Kuba-Krise belegt muster- solche hätte unweigerlich zu unüberlegten gültig, wie subtil das Team und vor allem und gefährlichen Reaktionen geführt. Bei entscheiden. Präsident Kennedy persönlich die Kunst aller Entschlossenheit Kennedys liess dieser des entschlossenen Auftretens einerseits mit dem Gegner stets eine deeskalierende Op- dem klaren Aussenden von Signalen ande- tion offen. Und Kennedy wusste ferner treuesten Begleiter der Militärstrategie rerseits zu kombinieren wusste, die der ebenso geschickt die eigenen Falken (z.B. und können wohl nie ganz verhindert Gegenseite stets eine Tür offen liess. General LeMay) im Zaume zu halten. werden: Es sind die menschlichen Chruschtschew kam dadurch kaum je in

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Muster einer militärstrategischen Weisung in der Kuba-Krise

Nachstehend soll eine (militärstrategische) Weisung des Präsi- Seeblockade einzusetzen. Die geplante Invasion Kubas ist mit denten der USA während der Kuba-Krise präsentiert werden, maximal 250000 Mann vorzubereiten. wie sie nach den vorstehend beschriebenen Kriterien hätte er- lassen werden können. Sie ist fiktiv, basiert aber auf den Anga- Auftrag ben in der Literatur. Ab 24. Oktober 1962, Morgendämmerung, ist bis auf Widerruf Weisung an General Maxwell Taylor (Chairman Joint eine Schiffsblockade im Abstand von 500 Seemeilen vor der Chiefs of Staff) Küste Kubas zu errichten. Sämtliche Schiffe, egal welcher Na- tion, die Boden-Boden-Raketen, Bomber, Luft-Boden-Rake- Ausgangslage ten,Sprengköpfe für all diese Waffen,mechanische oder elektri- sche Ausrüstung zur Bedienung dieser Waffen und jede andere, Die UdSSR hat Atomwaffen in noch unbekannter Anzahl auf vom Verteidigungsminister noch zu bestimmende Art von Ma- Kuba stationiert. Nebst MRBM sind auch IL-28-Bomber und terial transportieren, sind zu stoppen und an einer Weiterfahrt Nuklearsprengköpfe auf Kuba stationiert. Die Truppenstärke nach Kuba zu hindern, notfalls mit Waffengewalt.75 der UdSSR auf Kuba beträgt rund 40000 Mann. Die Luftab- wehr ist bereits stark ausgebaut. Die US-Luftwaffe hat entlang der Blockadegrenze Stärke zu zeigen. Zurzeit sind weitere Schiffsladungen mit Teilen von IRBM un- terwegs. Es ist damit zu rechnen, dass sie innert weniger Tage in Die für eine Invasion Kubas erforderlichen Landstreitkräfte sind Kuba eintreffen werden. ohne Beachtung von Geheimhaltungsmassnahmen umgehend in Florida zusammenzuziehen. Der Operationsplan der Invasion Militärstrategische Ziele der USA Kubas ist bis am 28.Oktober 1962 zur Genehmigung vorzulegen.

Verhinderung des Einsatzes sowjetischer Atomraketen gegen Einsatzrichtlinien die USA oder sonst ein Land und Sicherstellung, dass sie aus der westlichen Hemisphäre zurückgenommen oder vernichtet – Ankommende Schiffe oder Flugzeuge müssen sich beim Zu- werden. Verhinderung von sowjetischen «Erpressungs- oder sammentreffen mit unseren Schiffen oder Flugzeugen zu er- Vergeltungsaktionen» anderswo, z.B. in Korea oder Berlin. kennen geben und ihre Ladung sowie ihr Ziel bekannt geben. – Schiffe, die möglicherweise das beschriebene Material trans- Gegnerisches Zentrum der Kraftentfaltung portieren, sind nötigenfalls zu durchsuchen. – Jedes Schiff, welches das beschriebene Material geladen hat, – Entschlossenheit der UdSSR,allenfalls Atomwaffen gegen die ist in Gewahrsam zu nehmen, falls es nicht freiwillig seine USA einzusetzen; Richtung ändert. – Atomraketen auf Kuba; – Jegliche Provokation der gegnerischen Schiffsbesatzungen ist – Schiffstransporte von Atomraketenteilen nach Kuba. zu unterlassen. – Auf jedem an der Blockade beteiligten US-Kriegsschiff sind Eigenes Zentrum der Kraftentfaltung für die Kommunikation mit den Besatzungen der UdSSR- Schiffe Russisch sprechende Offiziere einzusetzen, um Miss- – Entschlossenheit der USA, der Bedrohung zu begegnen; verständnisse in der Kommunikation und eine daraus entste- – Atomwaffenarsenal der USA und der NATO; hende Eskalation zu verhindern. – US-Streitkräfte; – Jedes zu stoppende Schiff ist unmissverständlich vor den – Rückhalt der Regierung in der Bevölkerung. Konsequenzen einer Weiterfahrt zu warnen, bevor Waffen eingesetzt werden. Führungsverantwortlichkeiten und einzusetzende – Die Entdeckung von Schiffen, die Teile von Atomraketen Streitkräfte oder verbotenes Material transportieren, ist unverzüglich an den Verteidigungsminister zu melden. Commander-in-Chief of Atlantic Forces (CINCLANT), Ad- – Aufklärungsflüge über Kuba sind weiterhin durchzuführen. miral Robert Dennison, übernimmt das Kommando des Ein- – Dem Schutz der eigenen Kräfte ist hohe Priorität einzuräu- satzes der Streitkräfte im Operationsraum. General Walter men. Sweeney übernimmt das Kommando über die Luftwaffe des CINCLANT.74 God bless America!

Es sind sämtliche im Operationsraum verfügbaren und erfor- (Unterzeichnet) John F.Kennedy,76 derlichen Kräfte der US-Marine und der US-Luftwaffe für die Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika

74 Graham Allison/Philip Zelikow, Essence of De- cision, 2.A. New York etc. 1999, S. 226. 75 Siehe dazu James Daniel/John Hubbell, Als der Westen schlief..., Bern, 2.A. 1963, S. 102 f. 76 Als Oberbefehlshaber der Streitkräfte (siehe Art. II Abs. 2 der US-Verfassung) unterzeichnet der Präsi- dent, nicht der Verteidigungsminister die Weisung.

Military Power Revue der Schweizer Armee Nr.2-2008, Beilage zur ASMZ 8/2008 43 Die Military Power Revue La Military Power Revue ist ein offenes Forum. Sie constitue un forum ouvert. fördert das Studium und die Elle est destinée à encourager Diskussion aktueller sicher- l'étude et la discussion sur des heitsrelevanter Themen, thèmes actuels de politique insbesondere in Bezug auf de sécurité, en particulier die Anwendung ceux liés à la mise en œuvre militärischer Macht. de la puissance militaire.

Die Military Power Revue La Military Power Revue unterstützt die Armee apporte une contribution ● mit Beiträgen zur sicher- ● au débat en matière de heitspolitischen Debatte politique de sécurité, ● in der Förderung des ● à la promotion du dialogue nationalen und internatio- national et international, nalen Dialoges sowie ● aux réflexions doctrinales ● bei der Entwicklung von Doktrin und Konzepten