Oö. Umweltanwaltschaft 4021 Linz • Kärntnerstraße 10-12

Geschäftszeichen: An das UAnw-010283/3-2014-Pö Amt der Oö. Landesregierung Direktion für Landesplanung, wirtschaftliche Bearbeiter: Mag.Dr. Mario Pöstinger Tel: (+43 732) 77 20-134 54 und ländliche Entwicklung Fax: (+43 732) 77 20-2134 59 Abteilung Naturschutz E-Mail: [email protected] Bahnhofplatz 1 www.ooe-umweltanwaltschaft.at 4021 Linz

Linz, 31. Jänner 2014

_ zu N-200830/186-2013-Has/Jo

Verordnung der Oö. Landesregierung, mit der das Gebiet "Waldaist und Naarn" als Europaschutzgebiet bezeichnet und mit der ein Landschaftspflegeplan für dieses Gebiet erlassen wird; Begutachtung -

Stellungnahme der Oö. Umweltanwaltschaft

Sehr geehrte Damen und Herren!

Die Oö. Landesregierung beabsichtigt, das SCI "Waldaist und Naarn" durch Verordnung als Europaschutzgebiet zu bezeichnen und für dieses Gebiet, welches sich über die Gemeinden Allerheiligen i.Mkr., , , , Liebenau, , , Rechberg, , St. Leonhard b.Fr., Schönau i.Mkr., , Unterweißenbach, und Windhaag b.P. erstreckt, einen Landschaftspflegeplan zu erlassen.

Der Verordnungstext beinhaltet u.a. den Schutzzweck (§ 3) zur Erhaltung und ggf. Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der angeführten Arten und Lebensräume sowie die Erlaubten Maßnahmen (§ 4), die keinesfalls zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzwecks des Europaschutzgebiets führen. Des weiteren enthält die Verordnung einen Landschaftspflegeplan (§ 6), in dem stichwortartig die Maßnahmen und Ziele zum Erhalt bzw. zur Erreichung des Schutzzwecks zusammengefasst sind.

Der nunmehr zur Begutachtung vorgelegte Verordnungsentwurf weist Mängel auf, wodurch zu erwarten ist, dass den Zielsetzungen von Natura 2000 nicht Rechnung getragen werden kann.

Unvollständige Auflistung der vorkommenden Schutzgüter

Artikel 2 Abs 2 FFH-Richtlinie legt fest: Die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen zielen darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen.

DVR: 0652334 (N:\Alle\_Post\PÖSTINGER\Sonstiges\010283_3_VO_ESG-Waldaist-Naarn_Stellungnahme.doc)

Zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten wird gemäß Artikel 3 Abs 1 ein kohärentes europäisches ökologisches Netz besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung "Natura 2000" errichtet. Dieses Netz besteht aus Gebieten, die die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I sowie die Habitate der Arten des Anhangs II umfassen, und muss den Fortbestand oder gegebenenfalls die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleisten.

Artikel 3 Abs 2 FFH-Richtlinie besagt: Jeder Staat trägt im Verhältnis der in seinem Hoheitsgebiet vorhandenen in Absatz 1 genannten natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten zur Errichtung von "Natura 2000" bei. Zu diesem Zweck weist er nach den Bestimmungen des Artikels 4 Gebiete als besondere Schutzgebiete aus, wobei er den in Absatz 1 genannten Zielen Rechnung trägt.

Diesen Bestimmungen entsprechend und unter Berücksichtigung der Regelungen hinsichtlich der Schutzgutfestlegung sind zumindest alle in einem Gebiet signifikant vorkommenden Arten und Lebensraumtypen rechtlich verbindlich als Schutzgut auszuweisen [1]. Schutzgutlisten haben demnach nicht eine mehr oder weniger repräsentative Auswahl an Schutzgütern zu enthalten, sondern alle (zumindest) signifikant vorkommenden. Als Grundlage für eine vollständige Schutzgutliste kann der Standard-Datenbogen für das jeweilige Gebiet herangezogen werden.

Dieser Anforderung auf Vollständigkeit kann nur dann Rechnung getragen werden, wenn auch tatsächlich alle in einem Gebiet vorkommenden Arten des Anhangs II und Lebensraumtypen des Anhangs I berücksichtigt werden bzw. in den Standard-Datenbögen auch erfasst sind. Dies setzt eine entsprechende Grundlagenforschung voraus.

Im ggst. Fall ist anzunehmen, dass der Kenntnisstand über die im Gebiet dauerhaft oder vorübergehend vorkommenden Arten und Lebensraumtypen entweder unzureichend ist oder mit unzureichender Sorgfalt in den Verordnungsentwurf eingearbeitet wurde. Es ist anzunehmen, dass der Standard-Datenbogen als Grundlage für die Festlegung der Schutzgüter herangezogen wurde. Die Angaben im Standard-Datenbogen sind jedoch nicht vollständig.

Einige Schutzgüter sind aufgrund der bekannten Faktenlage jedenfalls rechtlich verbindlich als Schutzgut in der Verordnung zu ergänzen. Konkret handelt es sich dabei um die Schutzgüter "8220 Silikatfelsen mit Felsspaltenvegetation", Luchs (Lynx lynx) und Biber (Castor fiber).

8220 Silikatfelsen mit Felsspaltenvegetation

Weite Bereiche des Schutzgebiets sind von mäßig steilen bis steilen Einhängen zu den namensgebenden Flüssen Waldaist und Naarn sowie zu deren Zubringern geprägt. Ein Charakteristikum dieser Hang- und Schluchtwaldbereiche ist auch das Vorkommen von unterschiedlich mächtigen Felsformationen, die als Felswände oder als Felsblöcke (Restlinge mit charakteristischer Wollsackverwitterung), zum Teil aber auch in Form kleinflächiger Blockschutthalden in Erscheinung treten.

Der Reichtum an Felsformationen im Gebiet ist bekannt und lässt sich sogar ohne Lokalaugenschein bereits anhand des digitalen Geländemodells (zB in Form der Schummerungsdarstellung im DORIS intraMAP webGIS) erahnen (vgl. dazu Abb. 1).

Im Standard-Datenbogen [2] zum Gebiet "Waldaist und Naarn" wird unter Pkt. 4.2 festgehalten, dass das Gebiet für die Erhaltung der Silikatfelsen wesentlich ist.

Die Signifikanz bzw. Repräsentativität des Lebensraumtyps Silikatfelsen mit Felsspaltenvegetation im Gebiet steht jedenfalls außer Zweifel.

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Abb. 1 Waldaisttal im Bereich Haslmühle; Felsformationen im mit Forstwegen erschlossenen Wirtschaftswald

Der weitaus größte Teil dieser Felsformationen liegt im Wald bzw. ist von Wald umgeben und ist aufgrund der Beschattung und des Lokalklimas als frische bis (luft)feuchte Ausprägung dieses Bio- bzw. Geotoptyps ausgebildet. Kennzeichnend sind eine Vielzahl an Mikrohabitaten, eine geringe Bodenbildung und eine individuenreiche Kryptogamenflora.

Die naturschutzfachliche Wertigkeit dieses Lebensraumtyps liegt insbesondere darin begründet, dass dieser aufgrund seiner Unzugänglichkeit in der Regel einen hohen Grad an Natürlichkeit aufweist und diese Felsformationen daher im Wirtschaftswald, der den Großteil der Schutzgebietsfläche einnimmt, wichtige "Biodiversitätsinseln" darstellen (vgl. dazu Abb. 1).

Das Schutzgebiet hat eine Gesamtfläche von rd. 4158 ha. Davon sind ca. 3200 ha Wald, und von diesem rd. 473 ha Schutzgut entsprechend den Lebensraumtypen des Anhangs I der FFH- Richtlinie. Die in diesen Waldtypen vorkommenden Felsformationen sind somit zumindest indirekt – als Teil des Waldökosystems – geschützt.

Etwa 2727 ha bzw. mehr als 85 % der Gesamtwaldfläche im Schutzgebiet repräsentieren aber kein Schutzgut gemäß Anhang I der FFH-Richtlinie! Diese von standortfremden Nadelhölzern überprägten Wälder bzw. Forste zeigen einen reduzierten bis nur geringen Grad an Natürlichkeit. Ausgenommen davon sind in der Regel die in diesen Wäldern situierten Felsformationen. Und obwohl diese über weite Bereiche eindeutig dem Lebensraumtyp "8220 Silikatfelsen mit Felsspaltenvegetation" zugeordnet werden können, blieben sie im Verordnungsentwurf unberücksichtigt.

Der Lebensraumtyp "8220 Silikatfelsen mit Felsspaltenvegetation" ist als repräsentativ im Gebiet vorkommendes Schutzgut des Anhangs I der FFH-Richtlinie in der Schutzgebietsverordnung zu berücksichtigen.

Die Häufigkeit und Dichte von Felsformationen in bewaldeten Abhängen beeinflusst maßgeblich die naturschutzfachliche Qualität des Standorts. Die erschwerte Zugänglichkeit führt zu einer deutlichen Reduktion anthropogen bedingter Störungen.

Seite 3 Das Vorantreiben der forstwirtschaftlichen Nutzung und die verbesserten Möglichkeiten, bislang erschwert zugängliche Waldbereiche durch den Einsatz leistungsfähiger Maschinen zu erschließen, stellt aktuell eine große Gefahr nicht nur für den Lebensraumtyp "8220 Silikatfelsen mit Felsspaltenvegetation" selbst (vgl. dazu Abb. 1), sondern auch für die Sicherung nachhaltiger Ökosystemleistungen der umgebenden Wälder dar.

Felsdurchsetzte Bereiche bestimmen direkt und indirekt die Habitatqualität von Waldlebensräumen, wobei im europäischen Kontext hier besonders auf die Bestandssituation und –entwicklung des Luchses Rücksicht zu nehmen ist.

Luchs (Lynx lynx)

Ein großer Teil des Mühlviertels kann und wird vom Luchs nachweislich als Lebensraum genutzt (Abb. 2). Von besonderer Bedeutung sind dabei die großen (grenzübergreifenden) Waldgebiete im Böhmerwald, Freiwald und Weinsbergerwald. Zwischen diesen Kerngebieten finden Aus- und Verbreitungswanderungen statt, die je nach Landschaftsausformung und Lebensraumausstattung entweder diffus oder sehr zielgerichtet entlang von Migrationskorridoren stattfinden. Mittlerweile gibt es auch Belege für Weitwanderungen (> 100 km) im Böhmischen Massiv und Nachweise, dass einzelne Exemplare die Donau überquert haben [3].

Abb. 2 Luchshinweise im Mühlviertel (Quelle: Engleder 2013; [3])

Die Europaschutzgebiete des Mühlviertels stellen daher strategisch wichtige Trittsteine und Vernetzungselemente für die Ausbreitung des Luches sowohl in Nord-Süd-Richtung (Böhmerwald/Freiwald – Alpen) als auch West-Ost-Richtung (Böhmerwald – Weinsbergerwald – Karpaten) dar [3].

Nicht zuletzt aufgrund der Verordnung zum Europaschutzgebiet "Waldaist und Naarn" handelt es sich beim gegenständlichen Schutzgebiet um ein Gebiet von gemeinschaftlichem Interesse.

Gemäß den Begriffsbestimmungen des Artikel 1 lit. k FFH-Richtlinie handelt es sich dabei um ein Gebiet, das in der oder den biogeographischen Region(en), zu welchen es gehört, in signifikantem Maße dazu beiträgt, einen natürlichen Lebensraumtyp des Anhangs I oder einer Art des Anhangs II in einem günstigen Erhaltungszustand zu bewahren oder einen solchen wiederherzustellen und auch im signifikantem Maße zur Kohärenz des in Art. 3 genannten Netzes "Natura 2000" und/oder in signifikantem Maße zur biologischen Vielfalt in der biogeographischen Region beitragen kann. Bei Tierarten, die große Lebensräume beanspruchen, entsprechen die Gebiete von gemeinschaftlichem Interesse den Orten im natürlichen Verbreitungsgebiet dieser Arten, welche

Seite 4 die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente aufweisen.

Dem Artenschutz trägt die FFH-Richtlinie im Artikel 12 Abs 1 Rechnung, indem festgelegt wird: Die Mitgliedsstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchstabe a) genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen; dieses verbietet: a) alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren dieser Arten; b) jede absichtliche Störung dieser Arten, insbesondere während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten; c) jede absichtliche Zerstörung oder Entnahme von Eiern aus der Natur; d) jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten.

Der Luchs ist in der FFH-Richtlinie sowohl im Anhang II (als Schutzgut von gemeinschaftlichem Interesse, für dessen Erhalt besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen) als auch im Anhang IV (als streng zu schützendes Schutzgut von gemeinschaftlichem Interesse) gelistet.

Im Artikel-17-Bericht wurde von österreichischer Seite die Situation des Luchses in der kontinentalen Region Österreichs mit "unfavourable – inadequate" bewertet [4]. Diese, insbesondere im Vergleich zu den Bewertungen in den angrenzenden Nachbarländern (Deutschland, Tschechien) nicht nachvollziehbare Beurteilung wurde unter Bezugnahme auf die gesamteuropäische Situation auf "unfavourable bad" korrigiert.

Die Large Carnivore Initiative Europe hat in ihrem Bericht 2008 die Bestandssituation der Böhmisch-Bayerischen Population mit rd. 75 Individuen als "critically endangered" angegeben und dies u.a. mit der geringen Populationsgröße und Isoliertheit begründet [5]. Im Bericht von 2013 wird die Populationsgröße mit nur mehr 50 Individuen angegeben. Unter Berücksichtigung von Unsicherheiten wurde der Trend von 2006 bis 2011 mit stabil oder abnehmend beurteilt. Die Gefährdungsstufe bleibt weiterhin "critically endangered" [6].

Die Qualität und Quantität an Daten über die Verbreitung des Luches im Gebiet (Böhmische Masse) hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. So können mittlerweile genauere Rückschlüsse bzgl. Dispersion und Habitatnutzung gemacht werden.

Unter Anwendung computergestützten Modellierungen der Habitateignung und der migrationsrelevanten Raumwiderstände konnten 2012 auch die am besten geeigneten Lebensräume und Migrationsrouten für weitwandernde Tierarten wie den Luchs bestimmt werden [7]. Die Landschaft im und um das Europaschutzgebiet "Waldaist und Naarn" ist zur Gänze von geeigneten Luchshabitaten umgeben.

Der überwiegende Teil des Waldaist-Teilgebiets kommt in einer Kernzone (Dauerlebensraum mit hoher Habitatqualität) zu liegen, im Norden grenzt das Gebiet unmittelbar an hochgradig geeignete Lebensräume in Tschechien an. Der Südteil befindet sich in einer Übergangszone (temporärer Lebensraum mit guter Landschaftsausstattung), die sodann in einen ausgewiesenen Wildtierkorridor mündet und der in Richtung Naarn-Teilgebiet weiterführt. Das Naarn-Teilgebiet liegt zur Gänze in einer Übergangszone (vgl. Abb. 2).

Gemäß den Angaben zur natürlichen Verbreitung und zum Vorkommensgebiet nach Artikel-17- Bericht deckt sich dieses nur zum Teil mit dem ggst. Schutzgebiet, und zwar im Südteil des Naarn- Teilgebiets. Diese Abgrenzung entspricht aber nicht der Realität; vielmehr kommt der Luchs im gesamten Europaschutzgebiet und darüber hinaus vor.

Die Luchsnachweise sowie eine weitere, aktuelle Habitatstudie demonstrieren eindrücklich die Eignung der waldreichen Gebiete östlich der Verbindungslinie zwischen Budweis und Linz als großräumigen Luchslebensraum [3]. In diesen eingebettet liegt das Europaschutzgebiet "Waldaist und Naarn".

Seite 5 Auch wenn das Europaschutzgebiet mit einer Fläche von gut 40 km² streng genommen zu klein wäre, um für sich alleine eine reproduktionsfähige Luchspopulation zu beherbergen, so stellt es jedenfalls einen wichtigen Teillebensraum, in welchem der Luchs repräsentativ vorkommt, dar. Zudem hat Oberösterreich zumindest auf nationaler Ebene zweifelsfrei eine außergewöhnlich hohe Verantwortung, was den Erhalt des Luchses und die für diese Art geeigneten Lebensräume betrifft.

Die Verankerung des Luchses als Schutzgut im Europaschutzgebiet "Waldaist und Naarn" wird daher als Mindesterfordernis angesehen.

Anmerkung: Das in der UWD-Schattenliste [8] vorgeschlagene Erweiterungsgebiet "Hochlagen der Böhmischen Masse" deckt sich über weite Bereiche auch mit dem Vorkommens- und dem natürlichen Verbreitungsgebiet des Luchses und würde sich zumindest für diese Art als Schutzgebiet von gemeinschaftlichem Interesse hervorragend eignen. Zudem gibt es Luchs- Hinweise im Bereich der Donau-Niederungen im UWD-Schattenliste-Gebiet "Machland Nord".

Biber (Castor fiber)

Der Biber ist in Österreich weiterhin in Ausbreitung begriffen. Dabei ist festzustellen, dass auch Gewässerabschnitte besiedelt werden, die ursprünglich nicht als geeigneter Lebensraum gewertet wurden. Im Gewässersystem der Waldaist und der Naarn befindet sich der Biber definitiv in Ausbreitung (s. Abb. 3). Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Druck aus den Donauniederungen (Machland) sehr hoch ist und die Jungbiber in die Mittelgebirgsflüsse auswandern müssen. Dies wird auf Dauer zu einer Besiedelung des Naarn- und Aist-Systems führen, auch wenn manche Bereiche heute ungeeignet erscheinen oder Ausbreitungshindernisse bestehen [9].

Damit wird sich der Biber als Art der Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie auch im Europaschutzgebiet "Waldaist und Naarn" als repräsentatives Schutzgut von gemeinschaftlichem Interesse dauerhaft ansiedeln.

Im Artikel-17-Bericht wurde von österreichischer Seite die Situation des Bibers in der kontinentalen Region Österreichs mit "favourable" bewertet. Diese wurde unter Bezugnahme auf die gesamteuropäische Abb. 3 Bibernachweise (Quelle: Maringer) Situation auf "unfavourable – inadequate" korrigiert [10].

Aktuell ist von einer Verbesserung der Bestandssituation auszugehen.

Der Biber findet sich als Schutzgut in den Natura-2000-Gebieten entlang der Donau (zB. Donau von Kachlet bis Jochenstein (Bayern), Oberes Donau- und Aschachtal, Traun-Donau-Auen, Machland-Süd (NÖ) Wachau (NÖ)) sowie an deren Zubringergewässern (zB. Böhmerwald und Mühltäler, Kamp- und Kremstal (NÖ), Erlau (Bayern)) [11].

Seite 6 Die Donau sowie ihre Zubringersysteme beherbergen somit geeignete und dauerhaft bewohnbare Lebensräume für den Biber. Die (Wieder-)Besiedlung verläuft dabei von der Donau hin zu den Mittelgebirgsflüssen. Im unteren Mühlviertel (Bezirk Perg) geht diese Besiedelung überwiegend von den Donau-Augebieten im Machland aus.

Artikel 3 Abs 1 FFH-Richtlinie normiert: Es wird ein kohärentes europäisches ökologisches Netz besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung "Natura 2000" errichtet. Dieses Netz besteht aus Gebieten, die die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I sowie die Habitate der Arten des Anhangs II umfassen, und muss den Fortbestand oder gegebenenfalls die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleisten.

Ganz im Sinne von Natura 2000 ergibt sich daher das Erfordernis, den Biber als Schutzgut in der Verordnung zum Europaschutzgebiet "Waldaist und Naarn" zu listen.

Anmerkung: Das in der UWD-Schattenliste [8] vorgeschlagene Erweiterungsgebiet "Machland Nord" deckt sich auch mit dem Vorkommens- und dem natürlichen Verbreitungsgebiet des Bibers und würde sich zumindest für diese Art als weiteres Schutzgebiet von gemeinschaftlichem Interesse hervorragend eignen.

Mögliche Ausweisungsmängel aufgrund unzureichender Grundlagenforschung

Aufgrund der offensichtlichen Ausweisungsmängel bei den Schutzgütern im Verordnungsentwurf zum Europaschutzgebiet "Waldaist und Naarn" ist die Vollständigkeit bzw. Plausibilität des Standard-Datenbogens (Datenstand: August 2012) zu hinterfragen. Die Zweifel an der Richtigkeit der Angaben, welche die Grundlage für die Verordnung der einzelnen Schutzgüter im jeweiligen Schutzgebiet darstellen, sollen anfolgend anhand der Fledermäuse und des Steinkrebses dargestellt werden.

Steinkrebs (Austropotamobius torrentinum)

Artikel 11 FFH-Richtlinie verpflichtet: Die Mitgliedsstaaten überwachen den Erhaltungszustand der in Artikel 2 genannten Arten und Lebensräume, wobei sie die prioritären natürlichen Lebensraumtypen und die prioritären Arten besonders berücksichtigen.

Artikel 18 Abs 1 FFH-Richtlinie lautet [auszugsweise]: Die Mitgliedsstaaten und die Kommission fördern die erforderliche Forschung und die notwendigen wissenschaftlichen Arbeiten im Hinblick auf die Ziele nach Artikel 2 und die Verpflichtung nach Artikel 11.

Artikel 18 Abs 2 FFH-Richtlinie legt fest [Auszug]: Besondere Aufmerksamkeit wird den wissenschaftlichen Arbeiten gewidmet, die zur Durchführung der Artikel 4 und 10 erforderlich sind;

Der Steinkrebs ist im Anhang II der FFH-Richtlinie als prioritäre Art von gemeinschaftlichem Interesse gelistet. Vorkommen und zum Teil gute Bestände des Steinkrebses im oberösterreichischen Teil der Böhmischen Masse sind bekannt, wobei im Unteren Mühlviertel in vielen potentiellen Steinkrebsbächen keine Bestände nachgewiesen werden konnten. Der Grund für das Fehlen ist weitgehend unklar, möglicherweise dafür verantwortlich ist die Gewässerversauerung. Von untergeordneter Bedeutung dürften Bestandsrückgänge bzw. – ausfälle aufgrund der Krebspest sein. Ein Mangel an potentiell geeigneten Habitaten liegt jedenfalls nicht vor – ganz im Gegenteil wird sogar der Besatz geeigneter Zubringerbäche zur Waldaist und Kleinen Naarn empfohlen [12].

Die vermutlich besten und repräsentativsten Steinkrebsvorkommen im Mühlviertel liegen nur zu einem Bruchteil innerhalb der Grenzen des Europaschutzgebiets "Böhmerwald und Mühltäler".

Seite 7 Aber auch hier wurde die Art aber nicht als Schutzgut verordnet. Demzufolge ist ein Ausweisungsmangel für die kontinentale Region in Österreich zu konstatieren.

Es ist nicht bekannt, dass vertiefende, systematische Erhebungen des Steinkrebsvorkommens im Gewässersystem von Waldaist und Naarn durchgeführt wurden, obwohl geeignete Habitate vorhanden und vereinzelte Vorkommen bekannt waren.

Im Standard-Datenbogen für das SCI "Waldaist und Naarn" ist der Steinkrebs nicht gelistet, wohl aber der Hinweis, dass die Qualität der Fließgewässer im Gebiet wertbestimmend ist [2]. Gerade in den kleineren Zubringerbächen kann der Steinkrebs als Indikatorart sauberer Gewässer gelten.

Der Erhaltungszustand in der kontinentalen Region wird im Artikel-17-Bericht mit "unfavourable – inadequate" bewertet, der IUCN-Status wird mit "gefährdet" angegeben [13].

Obwohl sich das Vorkommens- und das natürliche Verbreitungsgebiet des Steinkrebses bekanntermaßen über den betroffenen Großlebensraum (Mittelgebirge des Böhmischen Massivs) erstreckt und in Teilbereichen des SCI "Waldaist und Naarn" auch Einzelvorkommen nachgewiesen wurden, wurden im konkreten Gebiet keine ausreichend aussagekräftigen Erhebungen über die Bestandssituation dieser prioritären Art durchgeführt. Damit bleiben die Bestimmungen der Artikel 4 und 11 in Verbindung mit Artikel 18 unberücksichtigt.

Anmerkung: Die für den Steinkrebs repräsentativsten Vorkommensgebiete im Mühlviertel (Quellbäche im Einzugsgebiet der Kleinen Mühl und der Kleinen Rodl, Bäche nördlich/nordwestlich von Linz [12]) waren bislang nicht Gegenstand von Natura 2000.

Fledermäuse (Microchiroptera)

Fledermäuse sind im Anhang II (mehrere Arten) und Anhang IV (alle Arten) der FFH-Richtlinie erfasst. Für Österreich sind derzeit 28 Arten bekannt, in Oberösterreich konnten bislang 21 Arten (Stand: Oktober 2013) nachgewiesen werden [14].

Der Standard-Datenbogen nennt für das SCI "Waldaist und Naarn" das Große Mausohr (Myotis myotis) und die Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteini) [2].

Zur Bechsteinfledermaus wird in den Erläuternden Bemerkungen zum Verordnungsentwurf u.a. ausgeführt, dass es derzeit keine gesicherten Nachweise der Art innerhalb des Gebiets gibt. Eine bekannte Wochenstube liegt außerhalb des Europaschutzgebietes. Das Gebiet wird mit hoher Sicherheit als Jagdhabitat genutzt. Aufgrund der geringen Populationsgröße bzw. unzureichender Daten zur Reproduktion wird sie im Standard-Datenbogen mit Repräsentativität "D" angeführt. Sie wird demnach in der Verordnung nicht als Schutzgut angeführt und stellt kein Schutzgut mit Erhaltungsverpflichtung dar.

Die im letzten Halbsatz formulierte Feststellung kann nicht der Intention von Natura 2000 entsprechen.

Artikel 2 Abs 2 FFH-Richtlinie besagt: Die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen zielen darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen.

Als Anhang-IV-Art unterliegt die Bechsteinfledermaus auch den Bestimmungen des Artikels 12 der FFH-Richtlinie. Sie ist demnach eine streng zu schützende Tierart von gemeinschaftlichem Interesse, und zwar im gesamten Gebiet der Europäischen Union. Insofern ist nicht nachvollziehbar, warum im Europaschutzgebiet "Waldaist und Naarn" keine Erhaltungsverpflichtung vorliegt bzw. vorliegen kann.

Seite 8 Artikel 18 Abs 1 FFH-Richtlinie lautet [auszugsweise]: Die Mitgliedsstaaten und die Kommission fördern die erforderliche Forschung und die notwendigen wissenschaftlichen Arbeiten im Hinblick auf die Ziele nach Artikel 2 und die Verpflichtung nach Artikel 11.

Artikel 18 Abs 2 FFH-Richtlinie legt fest [Auszug]: Besondere Aufmerksamkeit wird den wissenschaftlichen Arbeiten gewidmet, die zur Durchführung der Artikel 4 und 10 erforderlich sind;

Im Artikel-17-Bericht wurde von österreichischer Seite die Situation der Bechsteinfledermaus in der kontinentalen Region Österreichs mit "unfavourable – inadequate" bewertet. Unter Bezugnahme auf die gesamteuropäische Situation musste diese Einstufung auf "unknown" korrigiert werden. Der IUCN-Schutzstatus ist "Near Threatened" [15].

Während in einigen Gebieten in Oberösterreich, z.B. im Böhmerwald, die Bestände sauber erhoben wurden, unterblieben in anderen, so etwa auch im Waldaist-Naarn-Gebiet, systematische Erhebungen. Der Beweis kann daher nicht erbracht werden, dass nicht doch die eine oder andere Fledermausart hier ein bedeutenderes Vorkommen hat. Nur wenn auf Grundlage detaillierter Erhebungen der Schluss gezogen werden kann, dass Arten in einem Gebiet nicht (signifikant) vorkommen, ist eine Nichtnennung zulässig. Der hier gezogenen Schluss jedoch, wonach ein Schutzgut nur darum nicht genannt wird, weil sein Vorkommen nicht hinreichend bekannt ist, ist argumentativ unwissenschaftlich und im Ergebnis unlogisch.

Für den gut untersuchten Böhmerwald sind im Standard-Datenbogen für das Europaschutzgebiet "Böhmerwald und Mühltäler" acht Fledermausarten gelistet [16], wobei nur die Mopsfledermaus als Schutzgut verordnet wurde. Diese Untersuchungen haben zumindest gezeigt, welches Potential einzelne Gebiete besitzen und welche Arten überhaupt vorkommen.

Fraglich ist, ob ein adäquater Fledermausschutz im Rahmen der Möglichkeiten von Natura 2000 überhaupt möglich ist. Fledermäuse nutzen viele Teillebensräume, die räumlich und zeitlich weit auseinander liegen. Für ganz viele Populationen ist es demnach praktisch unmöglich und unrealistisch, alle Teillebensräume zu schützen oder gar in einem Natura-2000-Netzwerk abzubilden.

Eine einfach umzusetzende Lösungsmöglichkeit kann leider nicht aufgezeigt werden, es erscheint aber aufgrund der grundlegenden Schutzproblematik und der irreführenden Feststellung in den Erläuternden Bemerkungen, dass es sich bei Fledermausarten mit nicht-repräsentativem Vorkommen um kein Schutzgut mit Erhaltungsverpflichtung handelt, dringend geboten, Fledermäuse aufgrund ihrer Nennung im Anhang IV der FFH-Richtlinie zumindest dann als Schutzgut im Gebiet anzuführen, wenn es in diesem vorkommt bzw. nachgewiesen wurde (Vorsorgeprinzip). Dies widerspricht auch nicht den "Nominierungsvorgaben", da Schutzgüter mit nicht-repräsentativem Vorkommen zwar nicht zwingend verordnet werden müssen, dies aber auch nicht unzulässig ist. Die FFH-Richtlinie bildet die Mindestanforderung an Natura 2000 ab; es steht den Mitgliedsstaaten frei, verstärkte Schutzmaßnahmen festzulegen.

Aufgrund der Naturraumausstattung im Europaschutzgebiet "Waldaist und Naarn" darf durchaus erwartet werden, dass mehr als die beiden im Standard-Datenbogen genannten Arten im Gebiet (zumindest zeitweise) vorkommen. Aufgrund der geografischen Lage des Gebiets, zwischen dem Machland im Süden, welches für seinen Fledermausbestände bekannt ist und dem Grenzgebiet zu Tschechien, wo zahlreiche Arten, darunter die Mopsfledermaus, die Bechsteinfledermaus und das Große Mausohr nachgewiesen wurden, erscheint es nicht nur im Sinne der Kohärenz von Natura 2000 dringend angebracht, die Fledermausbestände im Europaschutzgebiet "Waldaist und Naarn" detailliert zu erheben, sondern (zumindest) auch alle vorkommenden Anhang-II-Arten als Schutzgut zu verordnen.

Seite 9 Darstellungs- bzw. weitere Ausweisungsmängel

Bestandteile des Verordnungsentwurfes sind auch ein Übersichtslageplan sowie Teilpläne. In diesen Teilplänen im Maßstab 1:5000 sind auch die Lebensraumtypen des Anhangs I FFH-RL dargestellt bzw. abgegrenzt.

Lebensraumtyp "7110* Lebende Hochmoore"

Gemäß den Erläuternden Bemerkungen wurde eine Moorfläche im Guguwald mit einem Flächenausmaß von knapp 1 ha abgegrenzt.

Diese Moorfläche ist in den Planbeilagen (Anlage 2/1) nicht dargestellt, auch in der Kartenlegende fehlt der Lebensraumtyp. Ein Hochmoor in etwa der angegebenen Größe befindet sich zwar im Guguwald, dieses liegt jedoch knapp außerhalb der Schutzgebietsgrenzen.

Lebensraumtyp "91D0* Moorwälder"

Gemäß den Erläuternden Bemerkungen beschränkt sich die Verbreitung auf den Norden des Gebietes bei Gugu, das Flächenausmaß beträgt 5,83 ha.

Die in den Planbeilagen (Anlage 2/1) dargestellten Moorwälder umfassen jedoch lediglich ein Flächenausmaß von rd. 2,7 ha, und erreichen damit nicht einmal die Hälfte des angegebenen Wertes.

Lebensraumtyp "7120 Noch renaturierungsfähige degradierte Hochmoore"

Gemäß den Erläuternden Bemerkungen besteht dieser Lebensraumtyp auf zwei Flächen in Kleinschöneben (Anlage 2/1).

Eine dieser beiden Flächen liegt unmittelbar an der Schutzgebietsgrenze und umfasst bei einer Länge von 150 m und einer Breite von durchschnittlich 15 m eine Fläche von etwa 2300 m². Diese erstreckt sich am Westrand einer breiten, nach Norden entwässernden Geländemulde. In dieser Geländemulde konnte sich Torf bilden, wobei der Großteil dieser Flächen jedoch außerhalb des Schutzgebiets liegt. Sollte es sich bei der gesamten vermoorten Fläche ursprünglich um ein Hochmoor gehandelt haben, so ist eine Renaturierungsfähigkeit nicht von Vornherein auszuschließen bzw. vermutlich auch gegeben.

Jener Bereich allein, der sich innerhalb der Schutzgebietsgrenzen befindet, ist aufgrund der Lage und Form dieser "Teilmoorfläche" für sich allein jedoch nicht restaurierbar. Die Schutzgebietsgrenzen sind in diesem Bereich aus fachlicher Sicht definitiv falsch gezogen.

Eine Überprüfung der Plausibilität aller Flächenangaben und Plandarstellungen konnte nicht erfolgen. Da nicht auszuschließen ist, dass auch bei anderen Schutzgutflächen Abweichungen zwischen den planlichen Darstellungen und den textlichen Erläuterungen bestehen bzw. fachlich nicht argumentierbare Grenzziehungen vorliegen, sind diese auf ihre Richtigkeit zu prüfen.

Seite 10 Anmerkungen zum Schutzzweck

Der Verordnungsentwurf definiert den Schutzzweck des Europaschutzgebiets "Waldaist und Naarn" mit der Erhaltung oder gegebenenfalls Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes 1. der in der Tabelle 1 angeführten natürlichen Lebensräume des Anhangs I der "FFH- Richtlinie" und 2. der in der Tabelle 2 angeführten Tierarten des Anhangs II der "FFH-Richtlinie" und deren Lebensräume.

Artikel 2 Abs 1 FFH-Richtlinie lautet: Diese Richtlinie hat zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedsstaaten, für das der Vertrag Geltung hat, beizutragen.

Mit dieser Festlegung wird Natura 2000 den Schutzbemühungen auf allen ökologischen Organisationsebenen gerecht. Zu berücksichtigen sind nicht nur eine Auswahl an Arten, Populationen oder Lebensräumen (für sich allein), sondern das Ökosystem in seiner Gesamtheit. In der Regel finden sich in Natura-2000-Gebieten neben den Schutzgut-Lebensraumtypen noch weitere Biotoptypen, die nicht im Anhang I der FFH-Richtline genannt sind. Bei den Arten wird die weitaus überwiegende Zahl nicht vom Anhang II der FFH-Richtlinie erfasst. Aber auch diese – nicht dem strengen Schutzregime von Natura 2000 unterworfenen – Arten, Biotope und Landschaften sind Teil des Systems und somit jedenfalls zu berücksichtigender Bestandteil einer Schutzgebietsverordnung. Das künftige Europaschutzgebiet "Waldaist und Naarn" hat eine Fläche von 4158 ha, die Schutzgutflächen gemäß Anhang I der FFH-Richtlinie umfassen 522 ha. Das entspricht rd. 12,5 % der Gesamtfläche.

Der Schutzzweck in Europaschutzgebieten muss hinreichend genau in der Verordnung definiert sein. Daher bedarf es neben konkreter Festlegungen (Nennung der einzelnen Schutzgüter) auch allgemeiner Bestimmungen, die den Schutz eines Gebiets in seiner Gesamtheit – auf Landschaftsebene – gewährleisten können.

Beispiele dafür, wie sich auch ein allgemeiner, umfassender Schutzzweck in einer Europaschutzgebietsverordnung unterbringen lässt, finden sich etwa in einigen Europaschutzgebietsverordnungen im Bundesland Salzburg (RIS-Abfrage; [17]). Auszugsweise seinen einige Beispiele genannt; in fett-kursiver Schrift ist der über die Schutzgüter der Anhänge I und II der FFH-Richtlinie hinausgehende, allgemeine Schutzzweck hervorgehoben:

Europaschutzgebiet Tauglgries

Diese Verordnung dient der Erhaltung: 1. der nach Anhang I der FFH-Richtlinie zu schützenden Lebensräume alpiner Fluss mit krautiger Ufervegetation, alpiner Fluss mit Ufergehölz von Salix elaeagnos, Schlucht- und Hangmischwälder Tilio- Acerion, Mitteleuropäischer Orchideen-Kalk-Buchenwald Cephalanthero-Fagion sowie der nach Anhang II der FFH-Richtlinie zu schützenden Pflanzenarten (zB Gelber Frauenschuh) und Tierarten (Koppe); 2. der seltenen und charakteristischen Lebensgemeinschaften von Tieren und Pflanzen, insbesondere der Schotterflächen (zB Flussregenpfeifer, Kiesbankgrashüpfer, Blauflügelige Ödlandschrecke); 3. des einmaligen und weitgehend ursprünglichen Landschaftsgepräges.

Europaschutzgebiet Gerzkopf

Diese Verordnung dient der Erhaltung: 1. der weitgehenden Ursprünglichkeit eines im Land Salzburg sehr seltenen Moortyps mit den verschiedenen Moorgesellschaften einschließlich seines besonderen ästhetischen Wertes im vorhandenen Landschaftsraum; 2. geschützter und gefährdeter Pflanzen- und Tierarten;

Seite 11 3. von Lebensräumen nach Anhang I der FFH-Richtlinie (zB naturnahe lebende Hochmoore, Übergangs- und Schwingrasenmoore, Torfmoor-Schlenken, dystrophe Seen, Moorwälder, bodensaure Fichtenwälder, artenreiche montane Borstgrasrasen) auch als Habitate für geschützte und gefährdete Pflanzen- und Tierarten, insbesondere als Brutplatz für geschützte und gefährdete Vogelarten und als Rastplatz für Zugvögel.

Europaschutzgebiet Untersberg-Vorland

Diese Verordnung dient folgenden Zielen: 1. der Erhaltung der besonderen landschaftlichen Schönheit des im § 1 bezeichneten Gebietes (Verbindung des weiten ebenen Vorfeldes mit der schroffen Bergkulisse zu einer Landschaftseinheit), 2. der Erhaltung des Erholungswertes der sehr vielfältigen charakteristischen Naturlandschaft und der von der Landwirtschaft geprägten naturnahen Kulturlandschaft im Vorfeld zum Ballungsraum der Stadt Salzburg; 3. der Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der im Anhang I der FFH-Richtlinie genannten natürlichen Lebensräume (zB Pfeifengraswiesen auf kalkreichem Boden, kalkreiche Niedermoore, mitteleuropäischer Orchideen-Kalk-Buchenwald, Auen-Wälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior, feuchte Hochstaudenfluren der planaren und montanen bis alpinen Stufe, magere Flachland-Mähwiesen, Waldmeister-Buchenwald, Kalktuffquellen); 4. der Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der im Anhang II der Richtlinie genannten Tier- und Pflanzenarten (Eschen-Scheckenfalter, Skabiosen-Scheckenfalter, Heller Wiesenknopf – Ameisenbläuling, Gelbbauchunke, Windelschnecken, Mopsfledermaus, Sumpf-Glanzkraut).

Europaschutzgebiet Seetaler See

Diese Verordnung dient der Erhaltung 1. der besonderen landschaftlichen Schönheit des Schutzgebietes als Moorsee mit Schwingrasenbeständen und Latschenhochmooren, umgeben von artenreichen Mähwiesen und extensiven Magerweiden; 2. des Erholungswertes der charakteristischen Naturlandschaft und der naturnahen, vielgestaltig gegliederten Kulturlandschaft; 3. der vielfältigen Struktur an Biotoptypen in der Kernzone unter besonderer Berücksichtigung der nach Anhang I der FFH-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/105/EG) zu schützenden Lebensräume (dystropher See, lebende Hochmoore, Übergangs- und Schwingrasenmoore, montane bis alpine bodensaure Fichtenwälder [Vaccinio-Piceetea]); 4. der seltenen und gefährdeten Tier- und Pflanzenarten in der Kernzone unter besonderer Berücksichtigung der nach Anhang II der FFH-Richtlinie zu schützenden Pflanzenarten (zB Sichelmoos, Schwanenhalsmoos).

Europaschutzgebiet Schwarzbergklamm

Diese Verordnung dient der Erhaltung: 1. der weitgehenden Ursprünglichkeit des Schutzgebietes einschließlich seines besonderen ästhetischen Wertes als Klamm mit Dunkelkammern und Dunkelräumen; 2. geschützter und gefährdeter Tier- und Pflanzenarten (zB Wasseramsel, Gebirgsstelze, Hirschzunge und andere Farne, Moose und Flechten); 3. der nach Anhang I der FFH-Richtlinie zu schützenden Lebensräume (alpine Flüsse mit krautiger Ufervegetation, Kalkfelsen mit Felsspaltenvegetation, Waldmeister-Buchenwald, Schlucht- und Hangmischwälder, Auen-Wälder mit Schwarzerle und Esche).

Europaschutzgebiet Rotmoos-Käfertal

Diese Verordnung dient folgenden Zielen: 1. der Erhaltung der völligen bis weit gehenden Ursprünglichkeit des Schutzgebietes einschließlich seines besonderen ästhetischen Wertes; 2. der Erhaltung der vielfältigen Struktur an Biotoptypen unter besonderer Berücksichtigung der nach Anhang I der FFH-Richtlinie zu schützenden Lebensräume (Rotmoos und Moor im Käfertal als kalkreiche Niedermoore,

Seite 12 Kalkschutthalden im Käfertal als Kalk- und Schieferschutthalden der montanen bis alpinen Stufe, Moor im Käfertal als Torfmoor-Schlenken); 3. der Erhaltung des außergewöhnlichen Reichtums an seltenen und gefährdeten Pflanzenarten (zB Orchideengewächse, Sonnentau) und Tierarten (zB zahlreiche Vogel- und Großschmetterlingsarten); und 4. der Erhaltung charakteristischer und in den Zentralalpen seltener Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren.

Ein umfassender Schutz im Rahmen von Natura 2000 ist nur bei einer gesamtheitlichen Betrachtung des Schutzgebiets und der Schutzbemühungen möglich. Demnach sind auch allgemeine Erhaltungsziele als Schutzzweck zu formulieren, wie etwa die Erhaltung der besonderen landschaftlichen Schönheit, die Erhaltung der vielfältigen Natur- und Kulturlandschaft und ihres Erholungswerts, die Erhaltung des Strukturreichtums und der Biotoptypenvielfalt, die Erhaltung seltener Tier-, Pilz- und Pflanzenarten usw.

Maßnahmen zur Umsetzung des Schutzzwecks

Erlaubte Maßnahmen

Artikel 6 Abs 3 FFH-Richtlinie besagt [Auszug]: Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen.

In der österreichischen Naturschutzgesetzgebung werden in der Regel Bewilligungspflichten oder Verbote für bestimmte Vorhabenstypen in den Landesnaturschutzgesetzen festgelegt. Bei der Verordnung nationaler Schutzgebiete in Oberösterreich wird ein generelles Eingriffsverbot normiert und für eine Auswahl an Maßnahmen werden Ausnahmen vom generellen Verbot festgelegt. Die Anzahl dieser Maßnahmen bleibt dabei in der Regel überschaubar und somit erweist sich diese Form der Schutzgebietsverordnung auch als praxistaugliches Instrumentarium.

Ein derart dezidiertes und gleichzeitig praxistaugliches generelles Eingriffsverbot gibt bzw. kann es bei Europaschutzgebieten nicht geben. Die im Verordnungsentwurf gewählte alternative Herangehensweise, anstelle von Verboten und Bewilligungspflichten eine Unzahl an teils kompliziert formulierten, erlaubten Maßnahmen zu definieren, geht jedoch am Ziel vorbei und führt auch keinesfalls zu einer Verwaltungsvereinfachung. Aus Erfahrung ergibt sich eher ein erhöhter – nicht selten auch konfliktträchtiger – Aufklärungs-, Informations- und Nachjustierungsbedarf.

Dies liegt sicherlich auch daran, weil für den betroffenen rechtskundlichen Laien aus dem Verordnungstext nicht eindeutig hervorgeht, dass die Bestimmungen des Oö. NSchG 2001 auch innerhalb der Europaschutzgebietsgrenzen ihre Gültigkeit haben und Maßnahmen per Gesetz einer Bewilligungspflicht unterworfen sind, die in der Verordnung als erlaubte Maßnahmen angeführt sind. Die vermeintliche Harmlosigkeit dieser Maßnahmen wird noch besonders hervorgehoben, indem vermerkt wird, dass diese Maßnahmen keinesfalls zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzweckes führen. Demnach bedürfen diese Maßnahmen weder einer naturschutzfachlichen Prüfung noch einer Bewilligung nach § 24 Abs 3 Oö. NSchG 2001.

Gemäß § 24 Abs 7 Oö. NSchG 2001 ersetzt eine Bewilligung nach Abs. 3 andere nach diesem Landesgesetz erforderliche Bewilligungen, Feststellungen oder Anzeigen; die jeweiligen materiell- rechtlichen Vorschriften sind jedoch bei der Erteilung einer Bewilligung gemäß Abs. 3 mitanzuwenden. Wenn nun eine erlaubte Maßnahme, bei der nicht explizit auf eine rechtmäßige Ausführung hingewiesen wurde (zB § 4 Abs 2 Z 1.4, 2.1 oder 3.2), keiner Bewilligung nach § 24 Abs 3 Oö. NSchG 2001 bedarf, so entfällt diese und damit können auch die jeweiligen materiell-rechtlichen Vorschriften nicht mit angewendet werden.

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Auf dieses Verständnisproblem wurde schon mehrfach hingewiesen, es konnte jedoch bislang noch nicht zufriedenstellend gelöst werden. Ein ähnlich lautender Vermerk wie jener in den Erläuternden Bemerkungen (der lautet: Es ist mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass sonstige naturschutzrechtliche Bestimmungen, genauso wie Bestimmungen anderer rechtlicher Materien, zu beachten sind und die "erlaubten" Maßnahmen nur von einer Bewilligung gemäß § 24 Abs. 3 Oö. NSchG 2001 befreien) an geeigneter Stelle im Verordnungstext würde jedenfalls mehr Klarheit über die rechtliche Situation verschaffen und Missverständnissen vorbeugen. Dies insbesondere auch deshalb, weil – wie bereits im voran stehenden Absatz vermerkt – bei der Aufzählung der Erlaubten Maßnahmen im § 4 Abs 2 Z 1-6 des Verordnungsentwurfes die (erforderliche) Rechtmäßigkeit bestimmter Maßnahmen nicht in allen Fällen angeführt ist. Beispielsweise stellt im Bereich Forstwirtschaft die Neuaufforstung eine erlaubte Maßnahme dar, sofern sie nicht auf explizit genannten Schutzgutflächen bzw. in deren unmittelbarem Nahbereich liegt. Die Neuaufforstung ist mit Ausnahme von Sonderstandorten (§ 5 Z 18 Oö. NSchG 2001) zwar auch nicht naturschutzbehördlich bewilligungspflichtig, wenn sie jedoch innerhalb der Gewässerschutzbereiche gemäß §§ 9 und 10 Oö. NSchG 2001 zu liegen kommen, sind sie dies sehr wohl. Indem nicht auf die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme hingewiesen wird, erweckt der Verordnungstext für den rechtkundigen Laien den Anschein, innerhalb von Europaschutzgebieten gelten die Bestimmungen der §§ 9 und 10 Oö. NschG 2001 nicht. Eine entsprechende Feinabstimmung der Erlaubten Maßnahmen ist daher vorzunehmen, wobei nicht nur rechtliche sondern auch fachliche Aspekte zu überprüfen sind. Die Formulierung erlaubter Maßnahmen wird grundsätzlich kritisch und aufgrund bisheriger Erfahrungen auch nicht wirklich als zweckmäßig angesehen, denn dass Auswirkungen von Maßnahmen a priori dahingehend beurteilt werden können, dass sie keinesfalls zu wesentlichen Beeinträchtigungen des Schutzzwecks führen können, würde hellseherischer Fähigkeiten bedürfen.

Beispiele für erlaubte Maßnahmen, die zu einer maßgeblichen Beeinträchtigung führen können:

Erlaubt ist (§ 4 Abs 2 Z 2.2) auf Waldflächen, die einem Lebensraumtyp der Tabelle 1 zugeordnet sind, die forstliche Bewirtschaftung in Form von Kleinkahlhieben bis 0,5 ha im Wirtschaftswald bzw. 0,2 ha im Schutzwald.

Dies gilt demgemäß auch für den LRT "91D0* Moorwälder", der im Gebiet eine Fläche von 5,83 ha einnimmt. Vorbehaltlich der Richtigkeit dieser Angaben – in den Plänen finden sich lediglich rd. 2,7 ha wieder – erfahren mit dieser erlaubten Maßnahme (im Wirtschaftswald) im Einzelfall knapp 9 % der gesamten Schutzgutfläche eine Beeinträchtigung, da ein Kahlhieb zumindest eine Veränderung der Licht- und Temperaturverhältnisse (Mikroklima) und der Moorhydrologie nach sich zieht. Die abiotischen Faktoren bestimmen aber maßgeblich die Zusammensetzung der Moorvegetation, die Entwicklung der Moorstrukturen und die Torfakkumulationsrate.

Erlaubt ist (§ 4 Abs 2 Z 2.2) auf Waldflächen, die einem Lebensraumtyp der Tabelle 1 zugeordnet sind, die forstliche Bewirtschaftung in Form der Katastrophen- und Schadholzaufarbeitung im erforderlichen Umfang.

Diese erlaubte Maßnahme ist nicht hinreichend bestimmt, da der "erforderliche Umfang" nicht eindeutig definiert ist. Daher kann nicht a priori davon ausgegangen werden, dass Maßnahmen zur Katastrophen- und Schadholzaufarbeitung keinesfalls zu wesentlichen Beeinträchtigungen führen. Neben dem Ausmaß ist auch festzulegen, in welcher Form die Aufarbeitung oder die Schädlingsbekämpfung zulässig ist.

Erlaubt ist (§ 4 Abs 2 Z 2.3) die rechtmäßige Durchführung von Kahlhieben bis 2 ha in den Lebensraumtypen "9110 Hainsimsen-Buchenwald" und "9130 Waldmeister-Buchenwald".

Seite 14 Das Flächenausmaß für den Hainsimsen-Buchenwald im Europaschutzgebiet wird mit 233,85 ha, jenes des Waldmeister-Buchenwaldes mit 37,68 ha angegeben. Unter den Waldlebensraumtypen des Anhangs I der FFH-Richtlinie ist der Hainsimsen-Buchenwald damit die im Gebiet am weitesten verbreitete Waldgesellschaft. Dabei darf aber keinesfalls übersehen werden, dass der Erhaltungszustand der Hainsimsen-Buchenwälder in der kontinentalen Region Europas (und auch Österreichs) im Artikel-17-Bericht mit "unfavourable bad" bewertet wurde [18]. Die erlaubte Maßnahme einer 2-Hektar-Rodung betrifft somit für einen Einzelfall bereits knapp 1 % des gesamten im Gebiet vorkommenden Lebensraumtyps (mit "ungünstig-schlechtem" Erhaltungszustand). Berücksichtigt man nur die hiebsreifen Bestände, so verschärft sich die Situation maßgeblich. Im Forstverfahren bleiben waldökologische Gesichtspunkte – betreffend Natura 2000 auch mangels entsprechender Umsetzung der FFH-Richtlinie im Forstgesetz – erfahrungsgemäß unberücksichtigt. Kahlhiebe bis zu 2 ha dürfen in Waldlebensraumtypen mit "ungünstig- schlechtem" Erhaltungszustand nicht bewilligungsfrei sein, da maßgebliche Beeinträchtigungen des Schutzzwecks (nämlich auch der Arten, die in diesen Lebensräumen vorkommen) nicht auszuschließen sind. Vergleichbares gilt für die Waldmeister-Buchenwälder, deren Erhaltungszustand zwar mit "unfavourable-inadequate" angegeben ist, die jedoch im Gebiet mit knapp 38 ha (edaphisch bedingt) deutlich seltener vorkommen wie die Hainsimsen-Buchenwälder.

Erlaubt ist (§ 4 Abs 2 Z 2.11) die mechanische Kulturvorbereitung, -pflege und mechanische Forstschutzmaßnahmen.

Weder ist hineichend genau bestimmt, welche Maßnahmen eine mechanische Kulturvorbereitung umfassen, noch gibt es Ausnahmen unter Rücksichtnahme auf die Schutzgüter der Tabelle 1. Wenn als mechanische Kulturvorbereitung die Vorbereitung einer Fläche für eine Aufforstung gemeint ist, so könnte dies etwa bei Moorflächen auch eine entsprechende Vorentwässerung und Flächenaufbereitung (Moorpflug) umfassen. Auf Moorflächen stellt zwar die Neuaufforstung keine erlaubte Maßnahme dar, wohl aber die Flächenvorbereitung – und diese alleine reicht, um eine maßgebliche Beeinträchtigung des Schutzzwecks zu bewirken.

Weitere Anmerkungen zu den erlaubten Maßnahmen:

Zu § 4 Abs 2 Z 2.12:

Wenngleich auf die Rechtmäßigkeit der Anwendung chemischer Präparate u.a. in der Kulturpflege hingewiesen wird, so birgt diese erlaubte Maßnahme die Gefahr, dass etwa nährstoffarme Waldökosysteme (zB Moorwälder) gedüngt werden und diese Maßnahme dann irreversible Beeinträchtigungen zur Folge hat. Die generelle Bewilligungspflicht (§ 5 Z 18 Oö. NSchG 2001) sollte daher nicht aufgeweicht werden.

Zu § 4 Abs 2 Z 3.3:

Der Besatz von Fließgewässern mit nicht heimischen Wassertieren ist unzulässig – ausgenommen ist der Besatz mit Regenbogenforellen und Bachsaiblingen im bisherigen Umfang. Die Flussperlmuschelvorkommen in der Waldaist sind extrem bedeutend, möglicherweise die wichtigsten in ganz Österreich [19]. Angesichts dieser Tatsache ist es unverständlich, dass nicht einmal hier der Besatz mit Regenbogenforellen und Bachsaiblingen unterbunden werden kann.

Zu § 4 Abs 2 Z 4.1:

Die Ausnahmeliste betreffend die Anlage und Erweiterung von Wildäckern und Fütterungen ist um den Lebensraumtypen "91D0* Moorwälder" zu erweitern. Fütterungen führen hier zu unerwünschten Nährstoffeinträgen.

Seite 15 Zu § 4 Abs 2 Z 2.8 und 5.1:

Nicht nachvollziehbar ist, warum der Bau und die Erweiterung von Forststraßen und Rückewegen auf Flächen der Lebensraumtypen "9110 Hainsimsen-Buchenwald", "9130 Waldmeister- Buchenwald" und "9170 Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald" erlaubt ist, nicht jedoch die Anlage und Erweiterung von Wander- und Reitwegen oder Langlaufloipen. Demnach führt der Forstwegebau keinesfalls zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzwecks, bei einem in der Regel weitaus geringer dimensionierten Wanderweg lässt sich dies aber unverständlicherweise nicht von vornherein ausschließen.

Zu § 4 Abs 2 Z 6.2:

Bewilligungsfreie Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen werden nicht selten großzügiger als eigentlich notwendig umgesetzt. Deshalb ist jedenfalls genau festzulegen, was unter "im erforderlichen Umfang" gemeint ist. Bei Maßnahmen, die direkten Einfluss auf den Wasserhaushalt einer Fläche haben, und insbesondere bei Drainagen und Gräben, ist von dieser großzügigen Formulierung einer "Bewilligungsfreiheit" Abstand zu nehmen. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf die Flussperlmuschelvorkommen, auf die Sedimenteinträge (aus Drainagen und Gräben) bestandsgefährdend wirken.

Herstellung und Gewährleistung eines günstigen Erhaltungszustands

Artikel 6 Abs 1 FFH-Richtlinie gibt vor: Für die besonderen Schutzgebiete legen die Mitgliedsstaaten die nötigen Erhaltungsmaßnahmen fest, die gegebenenfalls geeignete, eigens für die Gebiet aufgestellte oder in andere Entwicklungspläne integrierte Bewirtschaftungspläne und geeigneter rechtlicher, administrativer oder vertraglicher Art umfassen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen.

Artikel 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie ergänzt: Die Mitgliedsstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken können.

Der Schutzzweck begründet sich in dem Ziel, einen günstigen Erhaltungszustand der in der Verordnung genannten Schutzgüter zu erhalten oder gegebenenfalls wieder herzustellen. Zu diesem Zweck wird per Verordnung für das Gebiet ein Landschaftspflegeplan erlassen.

§ 5 Abs 1 des Verordnungsentwurfs definiert: Langfristiges Ziel des Landschaftspflegeplans ist es, durch geeignete Pflegemaßnahmen gemäß § 6 einen günstigen Erhaltungszustand der in diesem Gebiet vorkommenden Lebensraumtypen gemäß Tabelle 1 und der Tierarten gemäß Tabelle 2 zu gewährleisten.

Im Landschaftspflegeplan (§ 6) werden jene Maßnahmen bezeichnet, die geeignet sind, einen günstigen Erhaltungszustand der genannten natürlichen Lebensräume und Tierarten zu gewährleisten. Dies erfolgt in tabellarischer Form unter stichwortartiger und eher allgemein gehaltener Formulierung der Pflegemaßnahmen.

Die Erhaltungsmaßnahmen sollen laut Kommission allerdings detailliert und konkret genug sein, um sicherstellen zu können, dass deren Umsetzung die Erhaltungsziele des entsprechenden Gebiets bedient und zum Gesamtziel der Richtlinie beiträgt. Die Mitgliedstaaten müssen garantieren, dass die notwendigen Erhaltungsmaßnahmen ausreichend spezifisch, präzise und klar sind, um Rechtssicherheit zu schaffen – unabhängig davon, welche Mechanismen gewählt werden [20].

Seite 16 Bei der Annahme, dass alle im Gebiet genannten Arten und Lebensräume bereits einen günstigen Erhaltungszustand aufweisen, kann davon ausgegangen werden, dass die formulierten Pflegemaßnahmen diesen günstigen Erhaltungszustand auch gewährleisten können.

Gemäß den Artikel-17-Berichten ist der Erhaltungszustand der in der Verordnung genannten Lebensraumtypen generell ungünstig ("unfavourable-inadequate" bzw. "unfavourable bad") [21]. Da sich der Landschaftspflegeplan an den vorhandenen Beständen der Lebensraumtypen von gemeinschaftlichem Interesse orientiert und keinerlei Festlegungen enthält, wie bzw. welchen Beitrag das gegenständliche Schutzgebiet bei der Zielerreichung – nämlich der Wiederherstellung des günstigen Erhaltungszustands – leisten kann, konterkariert dieser die Grundprinzipien von Natura 2000.

Gleichsam konservativ erweisen sich Formulierungen der Pflegemaßnahmen für die Tierarten des Anhangs 2. In der Regel geht es um den Erhalt der aktuellen Bestandssituation bzw. der vorhandenen Habitate, gelegentlich sollen auch Habitate der Arten wiederhergestellt werden. Maßnahmen, wo gezielt Habitate entwickelt und damit Lebensräume für die betroffenen Arten "neu" geschaffen werden, fehlen zumeist. In den Artikel-17-Berichten [21] wurde nur für die Koppe und die Spanische Flagge ein günstiger Erhaltungszustand ausgewiesen – bei allen anderen Arten gilt es, diesen durch geeignete pro- aktive Maßnahmen zu erreichen.

Mit freundlichen Grüßen!

Für den Oö. Umweltanwalt:

Mag. Dr. Mario Pöstinger

Quellen (Internetabfragen vom 30.1.2014):

1 http://ec.europa.eu/environment/nature/legislation/habitatsdirective/docs/commission_note.pdf

2 http://natura2000.eea.europa.eu/Natura2000/SDF.aspx?site=AT3120000

3 http://homepage.univie.ac.at/thomas.engleder/tom/pdf/bericht122013_luchs_allgem.pdf

4 http://forum.eionet.europa.eu/x_habitat- art17report/library/datasheets/species/mammals/mammals/lynx_lynxpdf/download/1/Lynx%20lynx.pdf?acti on=view

5 Linell, J. et al 2008: Guidelines for Population Level Management Plans for Large Carnivores. Final Version 1. Juli 2008. 85 S.

6 http://www1.nina.no/lcie_new/pdf/635010989996563545_2013_03_25_Updated%20status%20of%20LC%2 0in%20Europe_Part1.pdf

7 http://www.ooe-umweltanwaltschaft.at/xbcr/SID-1F7CA004-C7C07407/wildtierkorridore_ooe_2012.pdf

8 http://www.umweltdachverband.at/fileadmin/user_upload/pdfs/Natura_2000/UWD_Natura2000_Schattenlist e_2012_Web.pdf

9 mündl. Mitteilung Alexander Maringer

10 http://forum.eionet.europa.eu/x_habitat- art17report/library/datasheets/species/mammals/mammals/castor_fiberpdf/download/1/Castor%20fiber.pdf ?action=view

11 Abfrage auf: http://natura2000.eea.europa.eu/#

12 Weißmair, W. & J. Moser 2001: Flusskrebse in Oberösterreich. Pilotstudie Mühlviertler Fließgewässer. 41 S.

Seite 17 13 http://forum.eionet.europa.eu/x_habitat- art17report/library/datasheets/species/invertebrates/invertebrates/austropotamobius_1/download/1/Austrop otamobius%20torrentium.pdf?action=view

14 http://www.fledermausschutz.at/start.htm

15 http://forum.eionet.europa.eu/x_habitat- art17report/library/datasheets/species/mammals/mammals/myotis_bechsteiniipdf/download/1/Myotis%20be chsteinii.pdf?action=view

16 http://natura2000.eea.europa.eu/Natura2000/SDF.aspx?site=AT3121000

17 https://www.ris.bka.gv.at/

18 http://forum.eionet.europa.eu/x_habitat-art17report/library/datasheets/habitats/forests/forests/9110-luzulo- fagetum/download/1/9110-Luzulo-Fagetum%20beech%20forests.pdf?action=view

19 mündl. Mitteilung Clemens Gumpinger

20 Umweltdachverband 2013: Natura 2000-Ausweisung & -Gebietsverordnungen. Analyse des Ausweisungsstands und der Verordnungspraxis in Österreich. 44 S.

21 Abfrage auf: http://bd.eionet.europa.eu/activities/Reporting/Article_17/Reports_2007/chapter9

Hinweis: Wenn Sie mit uns schriftlich in Verbindung treten wollen, richten Sie Ihr Schreiben bitte an die / Oö. Umweltanwaltschaft, Kärntnerstraße 10-12, 4021 Linz, und führen Sie das Geschäftszeichen dieses Schreibens an.

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