Planung Von Biotopverbundsystemen Im Mittelgebirge
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Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt Sonderheft 2006: 52–59 Planung von Biotopverbundsystemen im Mittelgebirge WERNER LEDERER Das Harzgebirge und das Kyffhäusergebirge gehö- Das Klima des Gebietes ist primär durch Ex- ren zu den Landschaften, die Höhenlagen von 400/ treme in den Niederschlagsmengen geprägt. Der 500 m NN übersteigen und wegen ihrer überwie- Brocken ist einer der regenreichsten Punkte gend montanen Klima- und Vegetationsausprä- Deutschlands, dagegen weist das östlich angren- gung als Mittelgebirge bezeichnet werden [71]. zende mitteldeutsche (hercynische) Trockenge- biet, bedingt durch den Regenschatten des Har- zes, die geringsten Niederschläge auf. Aufgrund 1 Der Landschaftsraum Mittelgebirge der sehr unterschiedlichen klimatischen Bedin- gungen und der Höhenlagen sowie vielfältiger In Sachsen-Anhalt stellen die Mittelgebirgsland- Gesteinsformationen bieten der Harz und seine schaften des Harzes und des Kyffhäusers aus na- Vorländer einer außergewöhnlichen Vielfalt an turschutzfachlicher Sicht besonders wichtige Räu- Pflanzen- und Tierarten Lebensraum, von subal- me dar, weil hier die naturnahen montanen Bu- pin-montanen Biozönosen bis hin zu extremen chenwaldgesellschaften verbreitet sind, an den Trockengebieten mit subkontinentalen Pflanzen- Gebirgsrändern vielfältige Schluchtwälder auftre- gesellschaften [41]. ten und im Harz die natürliche Wandlung der Ve- Typisch für den Harz sind die in sich geschlos- getation von den kollin-submontanen Waldgesell- senen (miteinander verbundenen) Wald- und schaften über die hochmontane Buchen-Fichten- Forstgebiete unterschiedlicher Standortbedin- Stufe bis zur subalpinen Mattenregion des Bro- gungen, Baumartenzusammensetzungen und ckengipfels zu beobachten ist. Das Harzgebirge damit unterschiedlicher Pflanzengesellschaften wird gegliedert in die Landschaftseinheiten Hoch-, bzw. Biotoptypen. Zahlreiche Fließgewässersys- Mittel- und Unterharz (5.1.1, 5.1.2 und 5.1.3). Auf- teme, mit vielen Quellbereichen und temporär grund der besonderen landschaftlichen und öko- oder permanent Wasser führenden, zumeist na- logischen Gegebenheiten werden der Nördliche turnahen Bächen, durchziehen die Berghänge und Südliche Harzrand (5.1.4 und 5.1.5) als eigene und Täler. Bei den größeren Stillgewässern han- Landschaftseinheiten betrachtet. Der Kyffhäuser delt es sich zumeist um Stauseen. (5.2) ragt nur mit einem schmalen Streifen des Ein Charakteristikum der Harzlandschaft nördlichen Randes nach Sachsen-Anhalt hinein sind die so genannten Rodungsinseln, in denen (vgl. Beitrag SZEKELY, Abb. 15). einzelne Dörfer liegen und in denen Landwirt- Das Harzgebirge erstreckt sich in west-östlicher schaft in Form von Grünland und Ackerbau be- Richtung von Niedersachsen nach Sachsen-Anhalt, trieben wird. Wie die Wald- und Forstflächen wobei ein Teil des südlichen Randes des Harzes in werden diese offenen Landschaftsbestandteile Thüringen liegt. Insbesondere die westlichen, nörd- teilweise von Bächen durchzogen. Neben den lichen und südlichen Ränder des Gebirges heben Fließgewässern können Quellbereiche, Sümpfe, sich deutlich von den umgebenden Landschaften Niedermoore, Sumpf- und Bruchwälder, Nasswie- ab. Mit 1.142 m NN ist der Brocken die höchste Erhe- sen, Röhrichte und feuchte Hochstaudenfluren bung, nach Osten hin fällt das Gebirge langsam ab sowohl in den Rodungsinseln als auch in den of- und geht allmählich in das Mansfelder Bergland bei fenen Talniederungen der Gebirge vorkommen. Höhen von ca. 200 m NN über. In Abhängigkeit der Intensität der Nutzung, des 52 Ausmaßes der Melioration der Niederung sowie gewässer stellen die Verbindung zwischen den der Begradigung und Vertiefung der Bachläufe ist Mittelgebirgslandschaften und dem Vorland bis der ökologische Zustand dieser Bachtälchen sehr hin zu den Niederungs- und Flusslandschaften unterschiedlich. Insbesondere schmale Tälchen, der Saale, der Unstrut, der Bode und schließlich die bisher nicht melioriert wurden, liegen oftmals der Elbe dar. Die ökologische Durchgängigkeit brach und verbuschen bzw. verwalden zuneh- muss gewahrt bleiben bzw. wieder hergestellt mend, wobei aus den ökologisch sehr wertvollen werden. Die größeren waldfreien Bachtäler des Feuchtwiesen und Sümpfen nicht minder wert- Harzes sowie die offenen Rodungsinseln sind be- volle feuchte Gehölzbiotope entstehen können. deutende Teillebensräume für zahlreiche Tierar- Dennoch ist insgesamt im Harz ein deutlicher ten, z. B. als Nahrungshabitate für Greifvogelar- Verlust dieser besonderen Kulturbiotope zu bekla- ten oder für den Schwarzstorch. Darüber hinaus gen, es sei denn, es werden gezielt Pflegemaßnah- erhöhen diese Bereiche aufgrund des Vorkom- men durchgeführt. mens von Pflanzen- und Tierarten des Offenlan- Der Hochharz umfasst im Wesentlichen das des die Diversität des Gesamtraumes. Von beson- Brockenmassiv. Die obersten Bereiche des Bro- derer Bedeutung sind dabei die in Höhenlagen ckengipfels bilden eine von Natur aus waldfreie verbreiteten artenreichen Bergwiesen. Diese Of- Zone, die von der subalpinen Bergheide einge- fenlandbereiche sollen daher durch entsprechen- nommen wird. Die Plateaulandschaft des Mittel- de Nutzungen oder Pflege erhalten bleiben und harzes mit Höhenlagen zwischen 450 und 650 in ihrer ökologischen Funktion verbessert wer- m NN wird durch ausgedehnte flache Hochflä- den. Darüber hinaus sind die Ausweisung und der chen im Wechsel mit markant eingetieften mit- Erhaltung von Totalreservaten (Naturwaldflä- tel- bis steilhängigen Sohlenkerbtälern der Bode chen) für den Arten- und Biotopschutz von mit ihren Zuflüssen geprägt. Die ausgedehnten besonders hohem Wert. flachen Plateauflächen des Unterharzes mit Hö- hen von rund 300 bis 450 m NN werden von den 2 Die Planung des überörtlichen bis zu 150 m tief eingeschnittenen Talsystemen Biotopverbundes in der Land- von Bode, Selke, Leine und Wipper durchzogen. schaftseinheit „Unterharz“ Der Nördliche und Südliche Harzrand umfassen die weitgehend bewaldeten, steilen und engräu- 2.1 Charakteristik der Landschaftsein- mig mit Tälern durchzogenen Abhänge des Har- heit „Unterharz“ zes. Im Gegensatz zu den ausgedehnten Fichten- kulturen des Mittel- und Unterharzes sind die Als Beispiel für den Landschaftsraum Mittelge- Harzränder reich an naturnahen und aufgrund birge soll im Folgenden die Landschaftseinheit sehr unterschiedlicher Standortbedingungen „Unterharz“ betrachtet werden, welche sich in sehr vielfältigen Waldgesellschaften. Die Natur- den Landkreisen Quedlinburg, Aschersleben- ausstattung des Harzes ist im „Arten- und Biotop- Staßfurt, Mansfelder Land und Sangerhausen (ab schutzprogramm - Landschaftsraum Harz“ doku- 2007: Landkreise Harz und Mansfeld-Südharz) mentiert [49]. erstreckt. Große Waldgebiete sind insbesondere Le- Insgesamt weisen die Landschaftseinheiten bensraum von Tierarten mit großem Aktionsra- der Mittelgebirge einen Waldflächenanteil von dius und hoher Störanfälligkeit wie Wildkatze, 67,3 % auf (vgl. Beitrag SZEKELY, Abb. 16), wobei der Luchs oder Schwarzstorch. Alle drei Arten kom- „Hochharz“ sowie der „Nördliche Harzrand“ und men im Harz vor. Primäres Ziel ist es, die zusam- der „Südliche Harzrand“ fast vollständig mit Wald menhängenden Waldgebiete einschließlich grö- bedeckt sind. Beim „Unterharz“ ist dagegen auf- ßerer unzerschnittener Räume zu erhalten und grund der großen Rodungsinseln der Waldanteil die Fichtenmonokulturen allmählich in Waldbi- am geringsten (vgl. Beitrag SZEKELY, Abb. 18). Den- otope entsprechend der PNV umzuwandeln. noch sind auch in dieser Landschaftseinheit gro- Weiterhin sind die zahlreichen Fließgewässersys- ße, in sich geschlossene und weitgehend teme sowohl in den Wald- und Forstgebieten als miteinander verbundene Waldflächen vorhan- auch in den Rodungsinseln bedeutende Elemen- den, die die Landschaft prägen. Unterbrochen te des Verbundsystems. Insbesondere die Fließ- werden die Waldflächen durch offene Bereiche in 53 den breiten Talniederungen der Selke, Eine, Lei- Waldes mit großem Aktionsradius sowie die öko- ne und Wipper. Im Süden besteht eine direkte logische Durchgängigkeit der Fließgewässer von Verbindung zu dem nahezu vollständig bewalde- den Quellbereichen bis in die Harzvorländer. Von ten „Südlichen Harzrand“. besonderer Bedeutung sind die Komplexe von Der gesamte Unterharz ist mit Ausnahme der Natur- und Kulturbiotopen mit unterschiedlichen besiedelten Bereiche als LSG ausgewiesen. Das Grünlandtypen in den Niederungen der Täler und größte und damit bedeutendste NSG im „Unter- in den Rodungsinseln sowie deren funktionale harz“ ist das NSG „Oberes Selketal“ (NSG0178), und räumliche Verzahnung mit den angrenzen- welches nahezu die gesamte Selke einschließlich den Wäldern. der Bachniederung und ausgewählter Nebentäl- Folgende allgemeine Leitlinien lassen sich chen umfasst. Eine Reihe kleinerer NSG sowie flä- formulieren: chenhafter Naturdenkmale (FND bzw. NDF), mit • Erhaltung großräumiger, unzerschnittener denen sowohl besonders wertvolle Waldflächen Waldflächen als Teil des gesamten, in sich ge- als auch Offenlandbereiche mit Nasswiesen, schlossenen Waldsystems des Harzes, Sümpfen, Kleingewässern sowie Gesteinsauf- • Entwicklung von standortfremden Forstflä- schlüsse usw. erfasst werden, ergänzen das chen mit Monokulturen in standortgerechte Schutzgebietssystem. Waldbiotope, Das Natura-2000-Gebietssystem des „Unter- • Erhaltung und Verbesserung der ökologi- harzes“ umfasst insbesondere einen großen Teil schen Durchgängigkeit der Fließgewässer, des ausgedehnten SPA-Gebietes „Nordöstlicher • Erhaltung und Entwicklung von artenreichen Unterharz“ (SPA0019LSA)