Monte Argentario Almanach Kultur > Essen & Trinken
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Monte Argentario Almanach Kultur > Essen & Trinken Essen & Trinken — de im Hause, oder schon zubereitet sei“. Goethe be - richtet, schon sein Vater hätte ihm „eine äußerste Pastaküche ist Abneigung gegen alle Gasthöfe eingeflößt“. Essen Mammaküche gehen war lange Zeit kein Zuckerschlecken. Allerdings galt es bereits zu Goethes Zeiten als ausgesprochen schick, die etwas bessere Adresse zu Von Wolfgang Abel kennen. Seine Reisenotizen über die böhmischen Die Einkehr in der Fremde war über Jahrtausende Bäder lesen sich abschnittsweise wie kulinarische hinweg ein Abenteuer, das niemanden reizte. Zeit - Abhandlungen und auf der Italienreise von 1786– genössische Reiseberichte sind gespickt mit drasti - 1788 schrieb Goethe ausführlich über Nudelzuberei - schen Schilderungen der Unbill, die dem Gast im tung und Genuss. Gasthaus zustoßen kann. Wer es sich leisten konn - Exakt in diese Zeit fällt auch die Geburtsstunde te, Kriegsherren, Fürsten, Päpste, nahm seinen eige - des gehobenen, gutbürgerlichen Restaurants im ei - nen Koch mit auf die Reise. Wer sich wenig leisten gentlichen Sinne: Bis zur französischen Revolution konnte, Scholaren, Vagabunden, Bettler, alles war es dem dritten Stand, den Bürgerlichen, un - Fußvolk, hatte unterwegs eine Wegzehrung dabei möglich, aufwendige Menüs gegen Bezahlung aus - und vermied ebenfalls die nähere Bekanntschaft mit richten zu lassen. Schließlich arbeiteten die Fach - einem Gasthaus. Es war wohl das fahrende Volk, leute ausschließlich bei Hofe. Erst durch die Revo - Gaukler, Künstler, Handelsleute, Boten und Gelehr - lutionswirren und mit dem Sturm auf die Bastille te, wagemutige Aufsteiger also, die eine erste am 14. Juli 1789 verloren zahlreiche Hofköche, Vor - „Schlechte Der Autor: Stammkundschaft in den Einkehren längs der Rei - schneider, Zuckerbäcker und Dekorateure ihre al - Menschen leben, Wolfgang Abel um zu essen (*1957) lebt als sewege bildeten, mehr dem Hunger als einer kuli - ten Arbeitgeber (und manche ihren eigenen Kopf). und zu trinken. Verleger, Publizist Gute Menschen und Gastronomie- narischen Lust folgend. Erasmus von Rotterdam , Wer überlebte und beruflich weiterkommen wollte, essen und trinken, beobachter in über den Wirt eines deutschen Gasthauses: „Ein musste in einem gänzlich neuen Berufsfeld selbst - um zu leben.“ Deutsch-Südwest. graubärtiger, sauer blickender und schmutziger Ga - ständig werden, als Restaurateur. So entstanden die Sokrates 468–399 v.Chr. nymed mit geschorenem Haupthaar überzählt mit ersten – im Wortsinne – gutbürgerlichen Restau - griechischer grämlicher Miene wortlos mit den Augen die anwe - rants als Folge der Revolution. Dabei pflegten diese Philosoph senden Gäste“. Häuser keine neue Küche, sie zelebrierten vielmehr Gleich ob Kaffeesieder, Bierzäpfler, Gar- oder Su - das gewohnte, altfeudale Programm. Mit aufwändi - delköche, immer schon standen die öffentlichen gen Kompositionen und Menüfolgen hatten sie aber Speisegeber in der Kritik ihrer Kundschaft. Freiherr auch beim neuen Publikum Erfolg. Offensichtlich von Knigge warnte seine Leser ausdrücklich vor den lernten auch jene Bürger, die für Freiheit und finanziellen Risiken, die durch Sonderwünsche ent - Gleichheit votiert hatten, die fürstliche Speisekultur stehen könnten: „Man verlange nichts, als was gera - ihrer Opfer schätzen. 202 203 Monte Argentario Almanach Kultur > Essen & Trinken So erscheint das postrevolutionäre französische Seit ein paar Jahren treten neben diese klassi - Restaurant im Kern als höfische Veranstaltung in schen Restauranttypen unablässig neue Formen der bürgerlichem Aufzug. Bis heute konnten sich Relik - Einkehr. Entwürfe mit kurzem Verfallsdatum, wie te dieser Epoche im gehoben Restaurantmilieu hal - sie für die Postmoderne typisch sind. Regeln fehlen, ten, bisweilen als eingefrorenes Zeremoniell oder nichts ist unmöglich. Einrichtung und Karte kön - auch nur als verkapptes Zitat: Man denke an livrier - nen sich jederzeit ändern. Einkehren, nur um satt te, stühlerückende Kellner, das brokatschwere Ge - zu werden, ist so unmöglich, wie Kleidung zu tra - pränge in Luxushäusern, neckische Besteckbänk- gen, nur um nicht nackt zu sein. Zitronengrassuppe chen, Rechnungskästchen mit eingebauter Spieluhr. passt zu Escada, Rindsroulade zum Trachtenjanker, Oder auch an eine bis heute populäre Galantinen- Reisrand Casimir zu Feinripp-Unterwäsche. Am und Terrinenküche, die ihre Energie darauf verwen - Tisch flambieren lassen, wirkt heute so peinlich wie „[…] Lasset uns det, den Speisen ihren ursprünglichen Geschmack ein schräges Toupet. Filetsteak Lukullus kann ei - „Essen und essen und trinken, Beischlaf sind denn morgen auszutreiben. Bei Hofe soll es nie schmecken wie gentlich nur jemand bestellen, der auch leberwurst - die beiden sind wir tot.“ frisch vom Acker und noch heute meidet gerade der beige Trevirahosen schätzt. großen Begierden des Mannes.“ 1. Korinther 15,32 Aufsteiger den Geschmack seiner Vorfahren wie die Ein Heer von Spezialisten kümmert sich mittler- Konfuzius , Pest. Dem Kohldampf von gestern wird gerne mit ei - weile um die Ausdeutung neuer Stile, auch für die (551– 479 v. Chr.) chinesischer nem Schaumsüppchen zu Leibe gerückt. An- und Absage von gastronomischen Plätzen gibt Philosoph In anderen Ländern Europas ist die Geschichte der es Fachleute. Die Neue Zürcher Zeitung schreibt bürgerlichen Einkehr weniger mit dem politischen dazu: „An den Wänden hängen jetzt Schwarzweiß Geschehen verbunden als in Frankreich. Besonders Fotos von karibischen Stränden und zerbeulten in Italien, wo Trattorien und Osterien nicht durch ar - amerikanischen Limousinen aus den fünfziger Jah - beitslose Hofköche Auftrieb bekamen, sondern ren. Dort, wo früher der Garderobenständer stand, durch eine Öffnung der häuslichen Küche. Pasta- sorgt eine Kübelpalme für tropische Atmosphäre. küche ist Mammaküche, Pastetenküche ist Herr - Der Gemüsevollreis heißt jetzt ‘Arroz a la Cubana’. schaftsküche. Die passende Musik stammt natürlich vom Buena Im Grunde sind es diese beiden Gasthaustypen, Vista Social Club.“ auf die sich eine bürgerliche Einkehr reduzieren läs - In unseren neuen Gasthäusern hat die Einkehr st. In der einen wird mit dem Essen auch Status ver - bisweilen wieder etwas von jenem Abenteuercharak - kauft, in der anderen kommen neben den Kalorien ter zurückbekommen, den sie vor Jahrhunderten auch Emotion zu Tisch. Gänseleberschaum an Ge- für Erasmus von Rotterdam hatte. Man ist den Lau - müse-pot-pourrie macht Eindruck, ein Teller damp - nen des Personals schier hilflos ausgeliefert, Her - fender Nudeln macht Laune. Natürlich durchdrin - kunft und Zubereitungsweise der Speisen bleiben gen sich beide Momente in Varianten, Mischformen im Dunkel, auch der kulinarische Sinn mancher und Irrtümern. Kreation erschließt sich nicht auf den ersten Biss. 204 205 Monte Argentario Almanach Kultur > Literaturliste Dazu Woody Allen in einer Restaurantkritik: „Ich Baschieri, SaIvadori, Ciriaco: Relazione Literaturliste zum sull’opportunità dell’impianto di uno sta - begann das Essen mit einem Antipasto, das zu - bilimento siderurgico sul Monte Argenta - rio, presentata dal Comune al Ministro nächst absichtslos wirkte, aber als ich die Anchovis Monte Argentario delle Finanze. Roma: Pucci, 1891. näher in meine Überlegungen einbezog, wurde Baschieri, SaIvadori, Ciriaco: Richiesta di Ademollo, Alfonso: Appunti sul colera in allacciamento ferroviario Orbetello – Porto sein Kernanliegen klarer.“ Maremma nel 1855 e relative considera - S. Stefano. Roma: Tipografia Affissioni e zioni. [s.n.]. Pubblicità, 1897. Es könnte sein, dass die bürgerliche Mitte auch Ademollo, Stefano: Quando nella Arcipretale Battani, A.M.: Giannutri fra cielo e terra. di Porto S. Stefano all’anima del cav. Gio - [s.n.]. | mit ihren klassischen Restauranttypen in einigen vanni Sordini Gonfaloniere della Comunità Becci, Leone: Il Monte Argentario e la sua © † dell’Argentario il dì XXXI maggio LVI storia: Porto S. Stefano, Porto Ercole, Querverweis Jahren nur noch eine Randexistenz führt. Rauch - solenni trigesimali esequie celebravansi a Santa Liberata (con cenni turistico – pano - testimoniare devozione e venerazione alla ramici di Mario Pelizzon). Grosseto: Politik > glasscheibe wie Kübelpalme, Jägerschnitzel wie ‘Ar - memoria di tanto raro uomo, effige vera S.T.E.M., 1964. Vernetztes roz a la Cubana’ haben gegenüber Dritturlaub und della personificata carità, questa funebre Becci, Leone: La Costa d’Argento. Storia del Dorf, Websites orazione Stefano Ademollo diceva. Siena: Monte Argentario (Porto S. Stefano, Porto Restaurants gut durchkomponierten Erlebniswelten wenig Mucci, 1856. Ercole, Santa Liberata) con brevi cenni Agenzia Immobiliare Etrusca: Guida storico- storici sull’Isola del Giglio. Grosseto: Chancen. Im gehobenen Dekorationsgewerbe wird turistica dell’Argentario. Orbetello: Alba, La Commerciale, 1978. [s. d.]. Belluardo, Pietro: Porto S. Stefano nel Monte es eng werden, Mangomousse und Sesammantel Agnelli, Susanna: Addio, addio mio ultimo Argentario: raccolta di cenni storici. amore. Milano: Mondadori, 1985. Modica: Maltese Abela, 1926. versprechen auf die Dauer zu wenig Distinktions- Alocci, Nazzareno: Pale a Prua. Il palio mari - Benvenuti, Lucia / Moles, Massimo / Vichi, gewinn. naro dell’Argentario tra realtà, fede e leg - Massimo: Guida Talamone, Orbetello, genda. APT, Grosseto, 1991. Porto S. Stefano, Capalbio, Porto Ercole, Manches in der nachbürgerlichen Phase könnte Alocci, Nazzareno / Milani, Cosmo / Tosi, Isola del Giglio. Monte Argentario: Archi - Antonio: Rione Croce. Palio Marinaro media, 1987.