Lithes Sonderband 5 (Dezember 2017)

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Lithes Sonderband 5 (Dezember 2017) Zeitschrift für Literatur- und Theatersoziologie Herausgegeben von Beatrix Müller-Kampel und Marion Linhardt JAHRGANG 10 (2017) SONDERBAND 5 Musiktheater in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Räume – Ästhetik – Strukturen. Bd. 1 Herausgegeben von Marion Linhardt und Thomas Steiert Publiziert mit Unterstützung der Karl-Franzens-Universität Graz. Medieninhaber LiTheS. Ein Forschungs-, Dokumentations- und Lehrschwerpunkt am Institut für Germanistik der Karl-Franzens-Universität Graz Leitung: Beatrix Müller-Kampel Herausgeberinnen Ao. Univ.-Prof. Dr. Beatrix Müller-Kampel Institut für Germanistik der Karl-Franzens-Universität Graz Mozartgasse 8 / P, 8010 Graz Tel.: ++43 / (0)316 / 380–2453 E-Mail: [email protected] Fax: ++43 / (0)316 / 380–9761 Prof. Dr. Marion Linhardt Universität Bayreuth Sprach- und Literaturwissenschaftliche Fakultät, Gebäude GW I Universitätsstraße 30, 95447 Bayreuth E-Mail: [email protected] ISSN 2071-6346=LiTheS Covergestaltung Dr. Margarete Payer, www.margarete-payer.at Satz mp – design und text / Dr. Margarete Payer Gartengasse 13, 8010 Graz Tel.: ++43 / (0) 664 / 32 23 790 E-Mail: [email protected] Druck Servicebetrieb ÖH-Uni Graz GmbH Der Inhalt der Beiträge sowie die Beschaffung der Abbildungen liegen in der Verantwor- tung der AutorInnen. ISBN 978-3-902666-55-0 www.unipress-graz.at Copyright 2017 by Unipress Graz Verlag GmbH. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form verarbeitet, reproduziert oder zur Verfügung gestellt werden. Alle Rechte vorbehal- ten. INHALTSVERZEICHNIS Vorwort 5 Distanz und Nähe Von Marion Linhardt 7 Vor 1900 7 Der Beginn des 20. Jahrhunderts: ein erster Blick 18 Perspektive 36 Berlin als Raum für Theater Von Marion Linhardt 41 Annäherung I: von der Spielzeit 1896 / 97 aus zurück- und nach vorn geblickt 43 Annäherung II: Berlin und die anderen deutschsprachigen „Theaterstädte“ vor und um 1900 60 Bautätigkeit um und nach 1900 – Neuausrichtung der Theatertopografie I 73 „Kommunales“ Theater, staatliches Theater 84 Neuausrichtung der Theatertopografie II: der Westen vor und nach dem Ersten Weltkrieg 97 In die Oper 110 Theater im Ruhrgebiet 1871–1945 Von Anselm Heinrich 122 Frühe Theatergeschichte 123 Der Beginn kommunaler Theaterförderung 124 Kommunaler Wettbewerb 130 Die neuen städtischen Theater nach 1918 131 Spielpläne 135 Publikum 137 Wirtschaftskrise 140 Die nationalsozialistische Machtübernahme 142 Die erste „nationale“ Spielzeit 144 „Normalisierung“ 145 3 Theater im Krieg 149 Zusammenfassende Bemerkungen 151 Theater in Kur- und Badeorten Von Marion Linhardt 154 Zur Bäderkultur in Deutschland 154 Zur frühen Praxis des Theaters in Kur- und Badeorten 163 Annäherung an ein sommerliches Vergnügen: Erlebnis „Kurtheater“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts 169 Theatergebäude: Erlebnisräume 173 Aspekte des Spielbetriebs in Kur- und Badeorten 207 Kurtheater – zeitspezifisch 217 „Die Kunst dem Volke“ Zur ökonomischen, sozialen und kulturellen Bedeutung der Theaterbesucherorganisationen 1889–1950 Von Konrad Dussel 219 Abschied vom Abonnement? 220 Theaterfinanzierung und Publikumsorganisation. Zur ökonomischen Bedeutung der Theaterbesucherorganisationen 222 Von der „Freien Bühne“ über die „Freie Volksbühne“ zur „Neuen Freien Volksbühne“. Die Anfänge im Berlin der Kaiserzeit 225 Theaterbesucherorganisation reichsweit. Volksbühnenbewegung und Bühnenvolksbund in der Weimarer Republik 230 Zur sozialen und kulturellen Bedeutung der Theaterbesucherorganisationen 236 Deutsche Bühne, Nationalsozialistische Kulturgemeinde und Kraft durch Freude. Gleichgeschaltete Theaterbesucherorganisation im NS-Staat 239 Die Aufhebung der Volksbühne im FDGB. Die kurze Geschichte der Volksbühne im Osten Deutschlands nach 1945 242 Volksbühnen und Theatergemeinden. Die Neuorganisation der Verbände im Westen Deutschlands 243 Ausblick 246 Bildnachweis 248 4 Vorwort Der vorliegende Band präsentiert erste Ergebnisse einer Forschungsinitiative, die sich mit Funktionsmechanismen im System des Musiktheaters in Deutschland in der ers- ten Hälfte des 20. Jahrhunderts auseinandersetzt. Die drei Abbildungen, die für das Cover zu einer Collage zusammengestellt wurden, deuten den methodischen Zugriff und das Spektrum der Untersuchungsfelder an: Den Unter- oder Hintergrund bildet eine kartografische Darstellung des Deutschen Reiches in der Kaiserzeit, in der Ebene darüber befindet sich das Opernhaus Nürnberg in einer Fotografie aus dem Jahr 1917, dem Betrachter am nächsten ist eine Szene aus Richard Strauss’ Ariadne auf Naxos an den Preußischen Staatstheatern Berlin 1926. Die Collage eröffnet damit den Blick auf zentrale Parameter, die den Alltag des Theaters prägten und prägen: der geografische und politische Raum als Bedingungs- und Ermöglichungsstruktur für spezifische in- stitutionelle Formate, Bauten als repräsentative Setzungen wie als Produktions- und Erlebnisräume, das Bühnenereignis, in dem ein Theatertext in Szenerie, Bewegung und Klang versinnlicht wird. Auf diese und weitere Aspekte von (Musik-)Theater verweisen die Begriffe „Räume“, „Ästhetik“ und „Strukturen“, die für den Untertitel der Publika- tion gewählt wurden. Die vier Hauptkapitel des ersten Bandes befassen sich mit Berlin als Theaterstadt, mit der Theaterentwicklung im Ruhrgebiet, mit Theater in Kur- und Badeorten und mit der Bedeutung von Besucherorganisationen im institutionellen Gefüge des deutschen Theaters. Dabei handelt es sich um erste Beiträge zum theatertopografischen Teil des Projekts, der naturgemäß spartenübergreifend konzipiert und nicht ausschließlich auf das Musiktheater bezogen ist. Der einleitende Text „Distanz und Nähe“ hingegen rich- tet den Blick explizit auf das Musiktheater und versucht anhand einer Skizze wesentli- cher struktureller Verschiebungen innerhalb des musikalischen Theaters vor allem des 18. und 19. Jahrhunderts – also im Vorfeld des eigentlichen Untersuchungszeitraums –, Alltagspraktiken des Theaters in ihrer wechselseitigen Bedingtheit und bezogen auf den konkreten politischen Raum des Deutschen Reichs zu beschreiben. Eine dreijährige Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft umfasste eine wissenschaftliche Mitarbeiterstelle sowie Mittel, die Diskussionsrunden in wechselnder Besetzung zu inhaltlichen und methodischen Aspekten der Forschungsarbeit ermög- lichten. Sowohl dafür als auch für die Übernahme der Publikationskosten sei der DFG herzlich gedankt. Dank geht darüber hinaus an Beatrix Müller-Kampel für die Bereitschaft zur Koope- ration im Rahmen des von ihr initiierten Forschungs-, Dokumentations- und Lehr- schwerpunkts LiTheS an der Karl-Franzens-Universität Graz sowie an Margarete Payer für die Erarbeitung des Satzes und für die grafische Gestaltung des Bandes. Bayreuth, Herbst 2017 Die Herausgeber 5 6 Distanz und Nähe Wie sich Strukturen und Funktionsmechanismen des musikalischen Theaters in Deutschland etabliert haben Von Marion Linhardt Vor 1900 Seit ihrer „Erfindung“ in Italien an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert war die Oper ein Ereignis, das an Orte der politischen und der wirtschaftlichen Macht und geknüpft war, und sowohl den Fürsten als auch den Städten, die sie sich leisteten, und diente zur Repräsentation nach außen wie nach innen. Die Oper war ein teures Spektakel: man hatte eine Kapelle, Gesangssolisten und häufig einen Chor zu un- terhalten, dazu in aller Regel ein Ballett, das entweder in der Oper mitwirkte oder aber in selbständigen Produktionen auftrat. Die Geschichten, die die Oper erzählte, waren darüber hinaus meist von einer Art, die hohe Ansprüche an die szenische Realisierung stellte. In jenem Territorium, das ab 1871 das „Deutsche Reich“ war, verbreiteten sich Oper und Ballett, nachdem sie in Italien und Frankreich als Genres wie als Institution weitgehend professionalisiert waren. Viele kleine und mittlere Höfe in Deutschland orientierten sich im 17. und 18. Jahrhundert in ihrer Repräsentationskultur ein- schließlich der prachtvollen Darbietung theatraler Werke am Vorbild des französi- schen Hofes, und dementsprechend waren es zunächst vornehmlich die Residenzen der deutschen Klein- und Mittelstaaten, in denen sich eine Opern- und Ballettpraxis etablierte. Die in Italien bzw. in Frankreich entwickelten Ästhetiken blieben für den deutschsprachigen Raum noch lange Zeit vorbildlich, wie überhaupt Künstler aus diesen Ländern – oder deutsche Künstler, die bei Italienern oder Franzosen in die Schule gegangen waren – das Gros des Personals stellten, das deutsche Fürsten, seltener deutsche Städte, sich für die Aufführung von Opern und Balletten hielten oder für besondere Anlässe und Zeiträume verpflichteten. Die Residenzen der deutschen Fürsten bildeten ein Netz von Zentren der (zunächst feudalen) Macht und der elitären – weil fast durchwegs einem höfischen Publikum vorbehaltenen – Kunstproduktion und -rezeption. Die zugehörigen Territorien, die zahlreichen Kleinst-, Klein- und Mittelstaaten, waren aber zugleich der Raum, in dem sich Macht auf andere Weise formierte, und zwar eine Macht auf breiterer Basis, wenn auch ohne unmittelbare Herrschaftskompetenz: Gewerbe, Handel, schließlich die Anfänge der Industrialisierung verliehen Orten Gewicht, die keine Residenzfunktion besaßen, sondern „Bürgerstädte“ waren oder, später, im Zuge der einsetzenden Urbanisierung zu Sammelpunkten massenhafter Arbeitskraft wurden. In den Residenzen und den Bürgerstädten gewann Theater mit dem Fortschreiten des 18. Jahrhunderts einen neuen ideellen Bezugsrahmen: die auf die Verbesserung Marion
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