Redaktion Prof. Dr. Wolf-Dieter Müller-Jahncke · Prof. Dr. Ch ri stoph Friedrich

ISSN 0939 - 334X · Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart 57. Jah rgang · Dezember 2005

Die Apotheke des Collegia Pharmazie auf internationaler Romano im internationalen Heilmitteltransfer Ebene - die Apotheke des Während der Ruhm des Collegio Collegio Romano vom 16. bis Romano (Abb. 1) in der Pontificia Universita Gregoriana weiterlebt3, ist es bisher weniger bekannt, dass 18. Jahrhundert* die dem Kolleg angehörende Apo­ theke vom 16. bis 18. Jahrhundert Von Sabine Anag_nostou, Marburg_ +- zu einem internationalen Zentrum der Heilmittelversorgung und des Wissenstransfers heranwuchs. Das 1551 gegründete Collegia Romano war eine der bedeutendsten Lehr- und Diese Entwicklung wurde dadurch Bildungsstätten der Gesellschaft Jesu. Im Machtzentrum der Katholischen Kirche begünstigt, dass die Kollegsapo­ gelegen, die durch die Ausbreitung und Intensivierung der christlichen Mission theke in die intensiven interdis­ in der frühen Neuzeit schon über globale Strukturen verfügte, stellte diese Insti­ ziplinären und internationalen wissenschaftlichen Aktivitäten tution zugleich einen Ort der internationalen Begegnung auf zahlreichen Gebieten am Collegio Romano eingebunden der Wissenschaft dar: Theorien und Erkenntnisse wurden ausgetauscht, diskutiert war und die Ordensapotheker wohl und in verschiedene Disziplinen integriert. Eine essentielle Rolle nahmen dabei die selbst Forschungen - medizinische Glaubensboten ein, da sie gleichsam als Mittler zwischen Europa und den fernen und pharmazeutische ebenso wie Missionsländern wirkten; sei es, dass sie Kenntnisse aus der europäischen Heimat in fremde Länder brachten, sei es, dass sie Forschungsergebnisse über außereuropä• * Erweiterte Fassung eines Vor­ ische Regionen in Europa verbreiteten. 1 Von diesem Wissenstransfer profitierte übri• trags gehalten beim Internationa­ gens kein Geringerer als der berühmte Universalgelehrte Athanasius Kircher (1601- len Kongress für Geschichte der 1680), der am Collegia Romano bekanntlich das ,Museum Kircherianum' einrichtete, Pharmazie am 24. Juni 2005 in das er selbstverständlich mit Naturalien aus den Missionsländern bereicherte. 2 Edinburgh

~ EDITORIAL +-

Die Pharmaziegeschichte lebt! der Gesellschaft herausgegebene wesen oder in verschiedenen Institu­ Reihe „Veröffentlichungen zur Phar­ tionen wahrnehmen, geschätzt wird. Erst vor wenigen Wochen konnte das maziegeschichte" und der vom Deut­ Sicherlich werden sich die Aufgaben von Professor Dr. Rudolf Schmitz be­ schen Apotheker Verlag herausge­ des Apothekers in den nächsten Jah­ gründete „Institut für Geschichte der brachte "Illustrierte Apothekenkalen­ ren weiter wandeln, wobei es aber Pharmazie" am legendären Roten der" von eifriger wissenschaftlicher der Pharmaziegeschichte zukommt, Graben 10 in Marburg an der Lahn Tätigkeit. Die Biennalen der DGGP dem veränderten Berufsbild histo­ das vierzigjährige Bestehen feiern. und die Veranstaltungen der Regio­ rische Inhalte zu vermitteln. Wozu Und vor einigen Tagen erschien der nalgruppen sind regelmäßig - und Politik und Wirtschaft ohne histo­ zweite Band des gleichfalls von Ru­ nicht nur von Altapotheker/innen risches Bewusstsein verkommen, dolf Schmitz initiierten Lehrbuchs - gut besucht. An den meisten Uni­ erleben wir täglich - zu Inhumanität, „Geschlchte der Pharmazie", der die versitäten wird Pharmaziegeschlchte mangelnder Bildung, Dünkel und Spanne von der Früben Neuzeit bis im Rahmen der Curricula angeboten, Dummheit - und nicht zuletzt dies zur Gegenwart umfasst Die der Deut­ und an manchen Orten kann man führt zu brennenden Quartieren. In schen Apotheker Zeitung beiliegende auch promovieren. Dies alles zeigt, der Hoffnung, dass auch Sie im näch­ ,,Geschichte der Pharmazie", die drei­ dass die Pharmaziegeschichte nicht sten Jahr die Pharmaziegeschlchte oder viermal im Jahr auch als Mittei­ ausschließlich von praktischen Apo­ fördern und interessiert begleiten lungsorgan der "Deutschen Gesell­ thekern betrieben, sondern auch von verbleibt mit den besten Wünschen schaft für Geschichte der Pharmazie" Pharmazeuten, die andere Aufgaben, Ihre Redaktion der" Geschichte der erscheint, zeugt ebenso wie die von sei es in der Industrie, dem Verlags- Pharmazie". 57 Geschichte der Pharmazie 57. Jahrgang· Dezember 2005

schon damals bestens für zum Beispiel nach SiziJjen, Frank­ eine intensive, weitrei­ reich, eugranada IO oder Goa mit chende pharmazeutische und trugen so zur weiten Ver­ Tätigkeit ausgerüstet breitung von Heilmitteln aus der (Abb. 2) Ko llegsa potheke bei. 11 Wenngleich diese Apo­ theke ursprünglich Triaca Romana - von Rom nur die Arzneiversor­ aus in die ganze Welt gung der Kollegiaten gewährleisten sollte, Eines der bedeutendsten Medi­ Abb.J: Das Collegio Romano war vom 16. bis 18. Jahrhundert belieferte sie bereits im kamente, in dem sich gleichsam eine der bedeutendsten lehr- und Bildungsstätten der Jesuiten. 17. Jahrhundert neben die internationale Dimension der den Kranken in der Apotheke widerspiegelt, war der speziell pharmakobotanische - an­ Stadt Rom ein breites internati- ,Römische Theriak'.12 Mit dem stellten.4 Zudem entspann sich ein onales Kundenklientel, das von Vertrieb der Panazee avancierte internationaler Heilmittelverkehr, den Mitgliedern der Gesellschaft sie zu einem Zentrum der überre• indem von der Apotheke des Rö• Jesu selbst, Gönnern des Ordens, gionalen Arzneiversorgung; denn mischen Kollegs traditionelle euro­ Magnaten bis hin zu Päpsten und als Variante der traditionellen päische Arzneien wie der Theriak hauptsächlich mit den durchreisen­ den Glaubensboten ihren Weg in ferne Lande fanden und exotische Drogen wie Chlnarinde, Mexika­ nisches Traubenkraut und Hibiskus nicht selten über diese Offizin in die Materia medica der Alten Welt gelangten. Die Kollegsapotheke von Rom war damit einer der Dreh- und Angelpunkte innerhalb des welt­ umspannenden pharmazeutischen Netzwerks des Jesuitenordens. Ihren Anfang soll die Apotheke des Collegia Romano in einem Gebäude

am Torre Rossa (südwestlich des t>UNT:t JJFI J.1/:l'f, .t"T ~ftl COlffl;f(• RO.\fA N(l Vatikans) genommen haben, das die Abb.2: Plan des Col/egio Romano, 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts (aus: Cerchiai [wie Anm. 1], S. 76). Gesellschaft Jesu 1555 erworben hatte, um ein Krankenhaus - und dazu gehörte mit Sicherheit eine Art gekrönten Häuptern reichte. och ,Theriaca Andromachi' stand das Apotheke - für ihre Mitglieder ein­ heute erinnert eine Gedenktafel Kompositum innerhalb des Or­ zurichten.5 Im 16. Jahrhundert sind an den Besuch des englischen dens in so hohem Ansehen, dass Nachrichten über die Ordensapo­ Königs Jakob III. am 2. Juni 1742. 8 es, wie Korrespondenzen und theke eher spärlich, wenngleich die Die hohen Gäste wurden in der Rechnungsbücher belegen, etliche Personalkataloge der Gesellschaft Regel mit Arzneien wie diversen europäische Kollegien bzw. deren Jesu die Tätigkeit eines Pharmazeu­ Essenzen, Balsamum apoplecti­ eigene Apotheken, beispielsweise ten (farmacopola) schon für das Jahr cum, Theriak, Mithridat, Hyazinth in Freiburg, München, Konstanz, 1560 zweifelsohne belegen.6 Späte• und Alkakermes in nicht selten Augsburg, Florenz, Venedig und stens im ersten Drittel des 17. Jahr­ wertvollen Gefäßen aus Edelme­ Trient, direkt aus Rom zu bezie­ hunderts aber richtete man dann tallen bedacht. Die Medikamente hen wünschten.13 So versteht es eigens im Collegia Romano eine blieben aJJerdings nicht den Rei­ sich fast von selbst, dass in einer neue Offizin ein, die Papst Urban chen und Mächtigen allein vorbe­ der Lünetten, die heute noch die VIII. im April 1631 persönlich in Au­ halten, sondern Arme empfingen Räume der einstigen Offizin zieren, genschein nahrn. 7 Mit ihren insge­ sie als Almosen.9 kein Geringerer als Andromachos samt fünf Räumen und dem daran Wie aus den Rechnungsbüchern der Ältere, einer der Leibärzte des angrenzenden, reich ausgestatteten zu ersehen ist, bezogen zudem Kaisers ero (reg. 54-68), thront Arzneipflanzengarten stellte die zahlreiche durchreisende Ordens­ und neben ihm, dem „magni medi­ Apotheke einen eigenen Komplex männer Arzneien, nahmen diese camenti conditor", eben ein Theri­ innerhalb des Kollegs dar und war an ihre eigentlichen Wirkstätten, akgefäß abgebildet ist14 (Abb. 3)

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selbst und Kranke auf ihrem meist Arzneipflanzen ersetzte. Selbst in langen und gefahrvollen Weg in den entlegensten Winkeln der Mjs­ die fernen Missionsgebiete und sionsgebiete entwickelte sich der Rö• schließlich vor Ort im Bedarfsfall mjsche Theriak zu einem der wich­ behandeln konnten. Dabei verzich­ tigsten Medikamente überhaupt. So tete man wohlweislich nj cht auf lobte etwa ein Missionar in ayarit den Hinweis, dass sich gerade der (Mexiko) ,Triaca Romana' als be­ Römische Theriak als Arznei aus­ währtes Hejjmjttel gegen Bisse und gezeichnet bewährt habe. 16 Stiche giftiger Tiere insbesondere

Abb.3: Andromachos der Ältere mit einem The­ So erscheint es nur folgeri chtig, dass aber dort häufig vorkommender 18 riakgefäß in einer Lünette der einstigen Apoth e­ der Theriak bald zum Standardin­ Skorpione. kenräume des Collegia Romano (aus: Cerchiai ventar der Ordensapotheken in den Schüeßlich fand das berühmte {wie Anm. 1] , S. 248). Missionsländern rund um den Glo­ Kompositum Eingang in die außer­ bus zählte, und in der aus dem Jahre europäischen Materiae medicae Bekanntlich hatte Andromachos 1766 stammenden Handschrift ,Coll­ und wurde, wie es etwa die Farma­ der Ältere dem Theriak eines der eccaö de varias receitas e segredos copoea Mexicana von 1846 belegt, typischen Ingredienzien, nämlich in verschiedenen Variationen ein getrocknetes Vipernfleisch, beige­ E·lement der offizinellen Pharma­ mischt und damit eine wenn auch zie der Missionsländer. 19 später vielfach variierte Standard­ rezeptur geschaffen, die unter dem Rezepturen aus der Namen ,Theriaca Andromachi' Kollegsapotheke in fernen größte Berühmtheit erlangte. landen ~mw10. Wie aus überlieferten Rezepten aus der Apotheke des Römischen Einer großen Beliebtheit erfreute Kollegs ersichtlich ist, unterschied sich unter den Ordensapothekern sich die Zusammensetzung des das legendäre ,Acqua vita deJJa Re­ Römischen Theriaks nicht signi­ gina d'Hungheria' oder ,Aqua Regi­ fikant von der des traditionellen nae Hungariae·.20 Das angebüch dem Theriaks. 15 Sie zeichnete sich auch Brevier der Königin IsabeJJa von Un­ nicht gegenüber damals gängigen garn von 1562 entnommene und mH Theriaksorten durch irgendein In­ der Jahreszahl 1681 versehene hand­ gredienz aus; allein die Provenienz schriftliche Rezept in italienischer aus einer geistlichen Institution Sprache samt der lateinischen Über­ samt der sorgfältigen Geheimhal­ setzung der Einnahmevorschrift für tung der Rezeptur - selbst inner­ Abb.4: Ausschnitt der Rezeptur für den Rö• die im wesentlichen aus Rosmarin halb des Ordens war diese nur mischen Theriak in der Co/leccaö de varias und Branntwein hergestellte Arznei den Apothekern des Römischen receitas 1766. (Archivum Romanum Societatis wurde im Collegia Romano sorgfäl• Kollegs bekannt - scheint dem les u, Rom, Opp. NN. 11, fol. 413). tig aufbewahrt. 21 Das wundersame ,Römischen Theriak' den Nimbus Medikament sollte vor allem die einer vortrefflichen Arznei verlie­ particulares das principaes boticas Körperkräfte wiederherstellen, die hen zu haben. Die unübersehbare da nossa Companhia de Portugal, da Lebensgeister stärken, den Verstand Absicht der Ordensapotheker aber, India, de Macao e do Brasil', einer schärfen, den Blick klären und zu das Monopol für seine Herstellung umfangreichen Sammlung von Re­ einem langen Leben verhelfen kön• zu bewahren, legt die Vermutung zepten aus verschledenen Kollegs­ nen - im Prinzip ein AJJheilmittel. nahe, dass diese zweifelsohne apotheken des portugiesischen Kolo­ Dieses ,Ungarische Wasser' gehörte, fachlich kompetenten Pharmazeu­ nialreichs, nicht fehlen durfte. Darin wie aus lnventarlisten hervorgeht, ten zudem sehr geschäftstüchtig wird unmissverständlich kundgetan, zum Arzneibestand zahlreicher waren. um welchen Theriak es sich bei dem Kollegsapotheken in Übersee, bei­ Mit den Missionaren überschritt Römjschen handelt: ,Triaga optirna' spielsweise der berühmten Ordens­ der Römische Theriak die Grenzen - den besten Theriak. 17 (Abb. 4) apotheke von Santiago de Chile, die Europas und erreichte sch ließlich Es entstanden sogar landestypische im 18. Jahrhundert lange Zeit unter die überseeischen Länder. Generell Varianten wie der ,Brasilianische der Leitung des bayerischen Apo­ empfahl man den Glaubensboten, Theriak', bei denen man die in thekers Joseph Zeitler (1724 - 1789) mindestens vier Unzen (umgerech­ den fremden Regionen nicht oder stand. 22 Zudem findet es sich in net ca. 120g) Theriak als Reisepro­ nur schwer zu beziehenden euro­ medizinisch-pharmazeutischen viant mitzunehmen, damit sie sich pfuschen Drogen durch heimjsche Kompendien zur Krankenbehand-

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lung in den Missionen wieder. So Visdelou, den chinesischen Kaiser brachten oder sandten Missionare empfiehlt der in den nordmexika­ K'angh-Xi von einem wiederkeh­ Samen von Arzneipflanzen nach nischen Missionsgebieten wirkende renden Fieber zu heilen, so dass der Rom, die dann zweifellos im Apo­ Jesuitenapotheker Johann Steinhöfer Herrscher verkünden Jjeß, die Jesu­ thekengarten ausgebracht wurden. (1664-1716) in seinem berühmten iten hätten ihm das Leben gerettet Davon kündet auch die Schrift des ,Florilegio medicinal' (1712) das - eine Entwicklung, die ihrer Sache Arztes Michael Lochner (1662-1720) Ungarische Wasser zur Behandlung gewiss zum Vorteil gereichte. 24 aus dem Jahre 171 7. Darin heißt es, diverser Augenleiden. 23 Angesichts Desgleichen war die Apotheke des dass Jesuitenmissionare große Men­ der engen Vernetzung und des Coll egia Romano eine Bezugsquelle gen von Samen des Krautes ,Botrys bestens funktionierenden Kommuni­ für die geheimnisvolle Panazee Mexicana ambrosioides' - gemeint kationssystem innerhalb des Ordens ,Lapi s de Goa', im Prinzip ein künst• ist das Mexikanische Traubenkraut ist auch in diesem Fall ein Einfluss licher Bezoar, den der Kollegsapo­ (Chenopodium ambrosioides L.) - der Apotheke des Collegia Romano theker Gaspar Antonio in Goa nach aus Peru mitgebracht hätten. Es er­ durchaus wahrscheinlich. einer geheimen Rezeptur herstellte freue sich in Bayern und Schwaben - diese wurde übrigens in besagter bereits einer großen achfrage.28 Drogen aus den Missions­ ,Colleccaö de varias receitas e se­ Diese Arzneipflanze der , euen ländern erobern Europa gredos particulares' festgehalten. 25 Welt' blickt bei den süd- und mittel­ Die Ordensapotheker des Collegia amerikanischen und wahrscheinlich Die Apotheke des Römischen Romano ließen den ,Lapis de Goa' auch den nordamerikanischen Kollegs stellte einerseits einen für ihre Patienten aus dem Fernen Ureinwohnern auf eine lange, sicher­ Ausgangspunkt der internationalen Osten über Lissabon nach Rom lich präkolumbische Tradition in der Verbreitung europäischer Arzneien kommen. 26 Heilkunde zurück und erreichte in dar und entwickelte sich anderer­ Europa zeitweilig Bedeutung als viel­ seits zugleich zu einem Zentrum für Exotica im ,Orto dei Semplici' fach verwendete Medizinalpflanze. die Einführung fremder Drogen in des Collegio Romano Zudem ersetzte sie hier fast zwei Europa und deren globalen Transfer. Jahrhunderte lang den Chinesischen Der bekannteste Vertreter außer­ Zur wohlbestellten Apotheke des Tee. Weil sie von den Ordensmän• europäischer Heilmittel, die über Collegia Romano gehörte selbst­ nern nach Rom gebracht, dort, wie diese Ordensapotheke in alle Welt verständli ch ein Arz neipflan­ der ,Catalogus plantarum' belegt, im gebracht wurden, ist die aus Süd• zengarten, dessen Vegetabili en Arzneipflanzengarten des Collegia amerika stammende Chinarinde, vor all em zur Herstellung von Romano kultiviert und dann als Arz­ das erste wirksame Malariamittel. Medikamenten vorgesehen waren. nei- und Teepflanze rege vertrieben Von den'Jesuiten meist aus Lima, Doch darf man ihn mit Sicherheit wurde, trug sie den volkstümlichen wo sich die Apotheke des Kollegs zudem als eine Forschungsstätte Namen ,Römischer Tee' oder ,Jesu­ San Pablo als Hauptlieferant von betrachten, wo außereuropä• iter-Tee' .29 Chinarinde innerhalb Spanisch­ ische, medizinisch verwendbare Bemerkenswert ist die Tatsache, Amerikas und nach Europa etabliert Gewächse gezogen und unter dass eine Passiflora-Art im Apo- hatte, in die Alte Welt eingeführt, pharmakobotanischen Aspekten trat sie im Gefolge der Glaubensbo­ studiert wurden. ten ihren Siegeszug um den Globus Der Heilpflanzenbestand dieses Gar­ an. Der wohlbekannte Jesuit Kardi­ tens spiegelt ebenfalls die zentrale CATALOC:VS nal Juan de Lugo (1583- 1660) ließ Stellung der Apotheke innerhalb des PLANTARVM große Mengen der kostbaren Arznei internationalen Heilmitteltransfers aus Übersee herbeischaffen, um des Ordens und ihre signifikante QYlßV.S CONSLTVS EST sie mit Hilfe des Apothekers Pietro Funktion fiir die Einführung und RO.MA: Paolo Pucciarini vom Römischen Etablierung exotischer Drogen in HORTV.S AROMAT.Afillt Kolleg während einer verheerenden Europa wider. Der im Jahre 1753 R'.R·P

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thekergarten gezogen wurde. Die ovanni Battista Ferrari (1584- 1655) aus der Ethnomedlzin der amerika­ auf die Gestaltung des zum Kolleg nischen Ureinwohner stammende gehörenden Apothekergartens. Passionsblume, die der in Paraguay Ferrari verfasste 1633 sein wohlbe­ wirkende heilkundige Missionar kanntes Opus ,De florum cultura' Pedro Montenegro (1663-1728) über die Kultivierung von europä• schon Anfang des 18. Jahrhunderts ischen und exotischen Blütenpflan­ in seinem Heilpflanzenthesaurus zen. Darin merkt er an, er selbst ,Materia medica misionera' als sei der erste gewesen, der ,Rosa Sedativum30 - und mit dieser In­ chinense' (Hibiscus rosa-sinensis L.) dikation ist Passiflora incarnata L. (Abb. 6), in Rom gesät und erfolg­ dann bei uns im 20. Jahrhundert reich aufgezogen habe. Es erstaunt offizinell geworden - empfohlen daher keineswegs, dass diese auch hatte, stellte damals in Europa arzneilich verwendete Pflanze unter wegen der Symbolträchtigkeit ihrer dem Namen ,Synensis Rosa' unter Blüten, in denen man die Insignien Verweis auf Ferrari dann im Apo­ des Leidens Christi versinnbildlicht thekergarten des Römischen Kollegs sah, eine höchst beliebte Zierpflanze ihren Platz gefunden hatte und Abb. 6: Abbildung von Hibiscus rosa-sinensis L., dar. Die Apotheker des Collegio - wie ein Blick in die Rechnungs­ ,Rosa chinense', aus: Giovanni Battista Ferrari: Romano aber scheinen sie schon als bücher vermuten läßt - möglicher­ Flora overo cu/turo di fiori. Rom 1638, S. 489. Heilmittel geschätzt zu haben; viel­ weise zur Herstellung von ,Sirupus Mit freundlicher Genehmigung der Universitätsbi­ bliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt leicht war ihnen die medizinische Hibisci' diente. am Main. Verwendbarkeit der aparten Pflanze sogar im Kontext der ordensinternen Joseph Knuist - Apotheker­ Informationsübermittlung bekannt kunst auf internationaler Apotheker, die als Mittelsmänner geworden. Ebene seine Geschäfte erledigten - in Ve­ Doch zeugt der ,Catalogus planta­ nedig, Livorno, Genua, Ancona und rum' nicht nur von der Vielfalt der Ende der 30-iger bis Anfang der 50- Lissabon.31 in der Offizin des Collegio Romano iger Jahre des 18. Jahrhunderts stand Zudem betrieb Knuist am Römischen verwendeten Vegetabilien. Die zu der Belgier Joseph Knuist (1603 -nach Kolleg die Schokoladenproduktion. den einzelnen Pflanzen zitierten 1677) der Apotheke vor. Er war einer Dank seiner internationalen Han­ und in einem separaten Verzeichnis der versierten Pharmazeuten, in delsbeziehungen und des ordens­ zusammengefassten Referenzwerke denen die internationale Dimension eigenen Kommunikationssystems von auf dem Gebiet der Pflanzen­ der Institution gleichsam personifi­ konnte er dafür einmal über seinen kunde hochangesehenen Autoren ziert erscheint, denn er hatte zahl­ Kollegen und Ordensbruder Arnold wie die ,Historia plantarum' (1686- reiche, eng vernetzte Handelsbezie­ Brings am Kolleg in Köln eine Tonne 1704) von John Ray (1627 -1705), hungen innerhalb Europas und nach voll Kakao aus Caracas von der die ,Rariorum plantarum historia' Übersee gekn üpft, um vor allem ,, allerbesten Qualität" für seine Scho­ (1601) von Carolus Clusius (1526 - Arzneidrogen, aber auch Fachlite­ koladenherstellung ordern und über 1609) und das ,Theatrum botani­ ratur, zu beschaffen und zu liefern. Livorno nach Rom kommen lassen.32 cum' (1658) von Caspar Bauhin Im Mittelpunkt seines pharmazeu­ (1560-1624) samt Pflanzenkataloge tischen Wirkens stand zweifellos der Das Schicksal der Apotheke renommierter botanischer Gärten berühmte Römische Theriak. Für die nach der Auflösung der Ge­ etwa in Paris und Amsterdam lassen Herstellung der begehrten Panazee, sellschaft Jesu den Schluss zu, dass man am Col­ deren genaue Zusammensetzung legio Romano mit den Kenntnissen er sorgsam geheim hielt, genoss er ach der Auflösung der Gesellschaft und neuesten Forschungen der im Kreise seiner Ordensbrüder ein Jesu im Jahre 1773 verlor die Kollegs­ zeitgenössischen Botanik bestens außerordentlich hohes Ansehen, und apotheke ihre internationale Rele­ vertraut war. manch einer versuchte eindringlich, vanz, doch wurde dort noch bis zum Wie groß das Interesse der Ordens­ Knuist das Berufsgeheimnis zu Jahre 1877 Pharmazie auf hohem Ni­ männer, allen voran der Apotheker, entlocken. Zur Beschaffung der In­ veau ausgeübt. Ende der 1830-iger am Studium und der Einführung gredienzien zum Theriak, aber auch Jahre - der Orden war inzwischen insbesondere außereuropäischer anderer Simplizia und Komposita, restauriert - übernahm der Laien­ Gewächse war - sei es zur Zierde darunter der sagenhafte ,Lapis de bruder Pietro Antonacci (1801-1874) der Gärten, sei es zur arzneilichen Goa', stand er in reger Verbindung die Leitung der Kollegsapotheke. Verwendung - offenbart der Einfluss zu Materiali sten selbst oder zu Antonacci war eine Zeitlang dem des botanisch versierten Jesuiten Gi- seinen Ordensbrüdern - mitunter Studium der Medizin nachgegangen

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und wurde anschließend mit den bemerkenswerter, als es freilich Historiae Ecclesiasticae Sectio A (n . 2]). Aufgaben eines lnfümarius und ni cht die primäre Aufgabe eines Or­ S. 275. 8 Die Gedenktafel ist abgebildet in: Bar­ 33 Pharmazeuten zugleich betraut. densmannes war, sich rege auf dem biellini Amidei (wie Anm. 4], 243. Obschon ihm die eigentliche Be­ Gebiet der Pharmazie zu betätigen. 9 ViUoslada (wie Anm. 7], 279, 281 , 283; rufsausbildung fehlte, übte er die Gleichwohl ist aber die Versorgung und 1ordrheinwestfä.lisches Staatsarchiv Apothekerkunst in kompetenter des kranken Mitmenschen mit Arz­ Münster (im folgenden StA Münster), Studienfonds Münster 7925, fol. 599r_ Weise aus und dürfte - sicherlich neien ein essentielles Element der 10 Das Vizekönigreich eugranada auch aufgrund eigenständiger For­ christlichen Karitas, die im Kontext umfasste das heutige Kolumbien. schungen - umfassende Kenntnisse der Spiritualität und der Philoso­ Zeitweilig waren ihm auch Panama auf dem Gebiet der Pharmazie ein­ phie des Ordens eine der Grund­ sowie Teile Ecuadors und Venezuelas schließlich ihrer Hilfswissenschaften lagen für die Entwicklu ng eines ei ngegliedert. 11 ARS!, Rom, Fondo Gesuitico 1143, fol. besessen haben, wie seine überlie­ blühenden Apothekenwesens inner­ 92v, 108\ 111'. ferten Schriften erkennen lassen. halb der Gesellschaft Jesu bildete. 12 Siehe hierzu auch Sabine Anagnostou: So beschäftigte er sich mit der che­ Die Apotheke des Collegia Romano Vom Römisch en und Brasilianischen mischen Analytik (,Metodi analitici war daher ebenso Repräsentantin Theriak. In: Christoph Friedrich/Sa­ sul modo di riconoscere le frodi nei der internationalen Ordensphar­ bine Bernschneider-Reif (Hrsg.): Ro­ sarium litterarum. Beiträge zur Phar­ cibi, bevande, condimenti e nei piu mazie wie Spiegel des jesuitischen mazie- und Wissenschaftsgeschichte. usitati medicinali'; Rom 1860) und Selbstverständnisses und ein her­ Festschrift für Peter Dilg zum 65. mit chemischen Prozessen (,Reper­ vorragendes Exempel für die Ent­ Geburtstag. Eschborn 2003. S. 17 -32. torio generale delle piu ovvie e piu wicklung globaler Strukturen auf IJ StA Münster, Studienfonds Münster utili operazioni fisico-chimiche ed der Basis einer engen Verquickung 7926, fol. 646', 656Vf., 661 r, 663'; F. industriali '; Rom 1859) ebenso wie von Religion und Pharmaz ie in der Ampringer in Rom an S. Grueber in München am 2. März 1680 und am mit der Zubereitung von Arzneien, frühen Neuzeit. 30. März 1680, Bayerisches Haupt­ wie aus einem handschriftl ichen staatsarchiv (im Folgenden : BHSA) , Rezeptbuch hervorgeht, in dem es Literatur und Anmerkungen München, Jesu itica 655/11; und BHSA, heißt: ,,Indice de' Preparati chimici München, Jesuitica 655/1. 1 14 Zur Geschichte des Theriaks siehe farmaceutici experirnentati da Je Zur Geschichte des Collegia Romano siehe Claudia Cerchiai: II Co llegia Ro­ Peter Dilg: Th eriaca - die Königin der Signore Professore Antonacci nel mano da!Je origini al Ministero per i Beni Arzneien. In: Deutsche Apotheker Zei­ 34 Collegia Romano". e le Attivita CuJturali. Rom 2003. Zum tung 126 (1986), 2677-2682. Es ist bezeichnend für das globale Wissensaustausch siehe beispielsweise is Zum Vergleich mit zeitgenössischen Denken der Ordensleute, dass Anto­ Pasquale M. D' Elia SJ: Galileo in China: Rezepten siehe di e Abbildung eines Theriak-Rezepts aus der Jesuitenapo­ nacci ein medizinisch-pharmazeu­ Relations through the Roman Co ll ege between Galileo and the Jesu it Scientist­ theke von Rom. In: Lyd ia Mez-Man­ für tisches Manual die Missionare Missionaries (1610-1640). Trans lated gold: Aus der Ge ch ichte des Med ika­ mit dem Titel ,Compendio practico by Rufus Suter and Matthew Sciascia. ments. Basel 1971. S. 41; eine weitere di medicina, chirurgia e farmacia Cambridge/Massachusetts 1960. Rezeptur für den Römischen Theriak ossia manuaJe per cornrnodo dei 2 Georgius de Sepibus: Romani Collegii befindet sich in der Biblioteca azi­ missionarii' (Rom 1864) verfasste Soc ietatus (!] Jesu Musaeum ce leberri­ onale Centrale di Rom a, Rom, fondo mum. Amsterdam 1678. S. 3 und 27. Gesuitico 1382. und damit die internationale Tradi­ 1 3 Das Collegia Romano ging im Jahre 6 Universitätsbibliothek München, 4 tion des über die Kollegsapotheke 1873 in die Pontificia Universita Grego­ Cod. ms 118, fol. 12 v. fließenden Heilmittel- und Wissens­ riana, heute an der Piazza della Pilotta, 17 ARS!, Rom, Opp. . 17, fol. 413-415. transfer fortzusetzen suchte. Den­ über. In den Gebäuden des ehemaligen 18 Archivo Hist6ri co del lnstituto 1 aci­ onaJ de Antropologia e Historia, Me­ noch konnte die Institution nicht Collegia Romano befinden sich heute das Ministero per i Beni e le Attivita xiko-Stadt, Papele Jesuitas, Carpeta mehr an glorreiche alte Ze ite n an­ Cu lturali und ein Gymnas ium . VI, Doc. 5, fol. 6'. knüpften und wurde 1877 schließ• 4 Siehe hierzu Rosanna Barbiellini Amidei: l9 Farmacopoea Mex ica na. Formada y lich endgültig aufgelöst.35 Le decorazioni del Collegia Romano. Lo publicada por la Academia Farma­ sforzo Gregoriano 1581-1585. In: Cer­ ceutica de la Capital de la Republica. Mexico 1846. S. 300. Res ümee chiai [wie Anm . 1] , 201 -264, hier 243. 5 Siehe Charles E. O'Neill SJ/Joaquin 20 Der Legende nach - und so ist es auch M. Dominguez SJ (Hrsg.): Diccionario in der Rezepturvorschrift aus dem Col­ Vom 16. bis 18. Jahrhundert war hist6rico de la Compaiiia de Jesus bio­ legio Romano zu lesen - erhielt lsabella mit der Apotheke des Collegia Ro­ grafico-tematico. Rom, fadrid 2001. von Ungarn im Alter von 72 Jahren die mano nicht nur eine Stätte der Arz­ Bd. 2. S. 1377-1379 [S. AnagnostoujC. wundersame Arznei gegen verschiedene Gesundheitsbeschwerden von einem neiversorgung, sondern zugleich J. McNaspy]. 6 Archivum Romanum Societatis lesu (im Eremiten. Daraufhin kam sie nicht nur ein Zentrum des internationalen folgenden ARSJ), Rom, Rom. 78b, fol. 13'. wieder zu Kräften, sondern erschien Heilmittel- und Wissenstransfer 7 Riccardo G. Villos lada SJ: Storia del auch wieder so jung und chön, dass entstanden, das in das globale Collegia Romano dal suo inizio (1551) der König von Polen um ihre Hand an­ etzwerk des Jesuitenordens alla soppressione della Compagnia gehalten hätte. Da Ungarische Was er war in Europa ein beliebtes Heilmittel eingebunden war. Dies ist umso di Gesu (1773). Rom 1954 (Analecta Gregoriana, Bd. 66, Series Facultatis und findet sich bis ins 19. Jahrhundert 62 Geschichte der Pharmazie 57. Jahrgang· Dezember 2005

in etlichen Pharmakopöen und medizi­ Sammeln, Vernetzen, Auswerten. Fach Kunstgeschichte, die im Herbst niscb-pharmazeutischen Kompendien Missionare und ihr Beitrag zum 2005 unter dem Titel ,La Spezeria del wieder. Siehe z. B.: Jacob Reinbold Wandel europäischer Weitsicht. Collegia Rom ano' als Buch erscheinen Spielmann: Pharmacopoea Generalis. Tübingen 2001. S. 23-43, hi er S. 23 wird. Wir danken Dottore Antonio Straßburg 1783. S. 39; Philipp Lorenz und S. 36-38. Corvi, Presidente dell'Accademia lta­ Geiger: Pharmacopoea unlversalis. Pars 25 ARS!, Rom, Opp. N . 17, fol. 262. liana di storia della farmacla, für den posterior. Heidelberg 1845. S. 69f.; und 26 StA Münster, Studienfonds Münster freundlichen Hinweis auf di ese Disser­ auch Johann Heinrich Zedler: Großes 7926, fo l. 648V, 658·, 659'. tation und die Vermittlung des Kon­ vollständiges Universal-Lexikon aller 27 Biblioteca azionale Centrale di Roma, takts zur Autorin. Frau Capodimonti Wissenschaften und Künste. Halle/Leip­ Rom , Fondo Gesuitico 972. danken wir für ihre wertvoll en Infor­ zig. 1732-1754; Nachdruck Graz 1961- 28 Michael Friedrich Lochner: De novis et mationen zu den Deckengemälden in 1964, Bd. 49, Sp. 1340-1343. exoticis Tbee et Cafe succedaneis. Dis­ den einstigen Apotheken.räumen, dem 21 Archivo dell a Pontificia Universita Gre­ sertatio Epistolica Michaelis Friderici Verbleib von Apothekengefäßen aus goriana (im Folgenden APUG), Rom, Lochneri. Nürnberg 1717. S. 3-6. der ehemaligen Offizin und der heu­ Fo ndo Curia 2022, nicht paginiert. 29 Siehe hierzu Sabine Anagnostou: Je­ tigen Nutzung der früheren Gebäude 22 Archi vo Nacional Hist6rico de Chile, San­ suiten in Spanisch-Amerika als Über• des Collegia Romano. tiago de Chile, Jesultas vol. 7, fol. 262'; mittler von heilkundlichem Wissen. und Sabine AnagnostoujMichael Müller: Stuttgart 2000. S. 187-189. Joseph Zeitler - Auf den Spuren eines 30 Pedro Montenegro: Materia medica bayerischen Apothekers in Chile. In: Ge­ mi sionera. Noticia preliminar de Raul schichte der Pharmazie 56 (2004). 16-23. Quintana. Buenos Aires 1945. S. 101. 23 Juan de Esteyneffer: Florilegio medicinal 31 Zum Wirken von Joseph Knuist s iehe Anschrift der Verfasserin: de todas las enfermedades. [Mexico 1712] . Anagnostou [wie Anm. 12). 21 -23. Edici6n, estudio preliminar, notas, glosario 32 StA Münster, Studienfonds Münster Dr. Sabine Anagnostou e indice analiti co por Carmen Anzures y 7926, fo l. 637'. Institut für Geschichte der Bolaiios. Bd. 1. Mexico 1978. S. 219. 33 Carlo Pedrazzini: La farmacia storica ed Pharmazie der Philipps-Uni­ 24 Siehe Reinhard Wendt: Des Kaisers artistica italiana. Ma iland 1934. S. 260. versität Marburg wu ndersame Heilung. Zum Zusam­ 34 APUG, Ro m, Fondo Curia 152. Roter Graben 10 menhang von Mission, Medizin und 35 Zur Geschichte der Apotheke des interkontinentalem Pflanzenaus­ Collegia Romano verfasste Simona 35032 Marburg/Lahn tausch. In: Reinhard Wendt (Hrsg.): Capodimonti ihre Disseration im [email protected]

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Geschichte der Pharmazie von Prof. Dr. Christoph Friedrich, Marburg, mazie" außerhalb der Grenzen des Urheber­ und Priv.-Doz. Dr. Frank Leimkugel, Mülheim. rechts-Gesetzes ist unzulässig und strafbar. Im Beilage Redaktionelle Bearbeitung: Dr. Angela Rein­ Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für thal, Heidelberg. Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleich­ Geschichte der Pharmazie e. V. bare Verfahren sowie für die Speicherung in .Geschichte der Pharmazie" bis 1989 Redaktionsbeirat: Dr. K. H. Barteis, Lohr; Datenverarbeitungsanlagen. .Beiträge zur Geschichte der Pharmazie", Prof. Dr. P. Dilg, Marburg; Dr. J. Hermann, erscheint vierteljährli ch als regelmäßige Bei­ Duivendrecht, iederlande; Dr. L. Leibrock­ lage der . Deutschen Apotheker Zeitung". Plehn, Brackenheim; Dr. K. Meyer, Münster; Dr. U. Meyer, . Verantwortlich für den Inhalt: Prof. Dr. W.-D. Müller-Jahncke, Hermann­ Bei Einzelbezug jährlich 12,- €(zzgl.Porto). Schelenz-lnstitut für Pharmazie- und Kultur­ Einzelheft 6,- €zzgl.Porto) (einschließlich © 2005 Deutscher Apotheker Ve rlag, geschichte in Heidelberg e.V., Friedrich­ der gesetzli chen Umsatzsteuer). Stuttgart. straße 3, 69117 Heidelberg, unter Mitarbeit Jede Verwe rtung der .Geschichte der Phar- Printed in . ISSN 0939-334X.

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Ein weiteres Zeichen eines „Ich habe buchstäblich fehlenden Antisemitismus bei Tschirch kann zudem darin ge­ mein Vaterland verloren" sehen werden, dass einer seiner Hauptnekrologe vo n Theodor Sabalitschka 15, Extraordinarius - Alexander Tschirch, die im Berliner Pharmazeutischen In­ stitut1&, verfaßt wurde, der „seine Juden und die Nazis Ablehnung des ationalsozialis­ mus offen" zeigte.17 Ein anderer Ko nflikt mit einem jüdischen Kollegen prägte die Von Franr;ois Ledermann, Bern ~ Berner akademische Karriere vo n Tschirch, nämlich mit Carl Friedheim18. Friedheim, der in Möglicherweise ist Alexander Tsch irch (1856-1939) bei der Basis der Apotheker Berlin als Titularprofe ssor und als vergessen, wie es Kirsten Bork kürzlich in einer Dissertation behauptet. 1 Der Mitglied des kaiserlichen Patent­ Berner Gelehrte ist aber gewiß im Kreis der Pharmaziehistoriker kein Unbe­ amtes wirkte, wurde 18 97 nach Bern berufe n und übernahm das kannter. Zahlreich sind die ihm gewidmeten Texte, welche entweder zu seinen Ex traordinariat für anorgani sche 2 3 Lebzeiten , nach dessen Tod als Nekrologe oder später als pharmaziehisto­ Chemie. Zuerst als geschätzter 4 rische Beiträge erschienen sind . Zudem trägt seine 1921 herausgegebene Gelehrter angesehen, schien er Autobiographie5, die allerdings nur bis zu den Anfängen in Bern um 1890 füh rt, später die Aufsicht seines von rus­ au ch zur „inneren" Kenntnis des Menschen Tschirch be i. sischen Studierenden überfüllten Auch wenn die professionelle Karriere und das wissenschaftliche Werk gut Laboratoriums vernachlässigt zu haben. Zudem war er durch erforscht sind, bleiben dennoch weite Teile seiner Persönlichkeit im Dunkeln, Krankheit nicht mehr in der Lage, insbesondere Tschirchs Einstellung zum Antisemitismus und seine Haltung sein Amt vollständig auszuüben. gegenüber dem Aufstieg des Nationalsozialismus, den er noch in den letzten Um 1908 fi elen im pharmazeu­ Jahren seines Lebens erlebte. tischen Staatsexamen drei vo n vier Kandidaten in analytischer Chemie durch, di e sie bei Fried­ Tschirch, die Juden und dische Doktoranden, und er selbst heim besuchen mußten.19 die Nazis hatte 1914 zur Berufung Rosentha­ Di es veranlaßte Tschirch, der zu lers nach Bern beigetragen 10, so dieser Zeit als Rektor amtete, bei Bei dieser Frage sind die meisten dass es zweifelhaft ist, dass, wie der Unterrichtsdirektion zu bean­ 11 Biographen beinahe stumm geblie­ von Leimkugel vermutet , ,, der tragen, Friedheim die chemische ben. Einige Autoren, unter ande­ Konflikt zwischen den beiden Ausbildung der Pharmazeuten rem Hörrnann 6 und in ihrer Folge Hochschullehrern" auf „nationalso­ zu entziehen, um sie in das vo n Bork7 erwähnen den nach dem zialisti sche Tendenzen" zurückzu­ Tschirch geleitete Pharmazeu­ Ersten Weltkrieg stattfindenden führen ist. Auch einer seiner dama­ tische Institut zu verlegen. Der Streit mit Leopold Rosenthaler ligen Schüler im Pharmazeutischen Leiter der Unterrichtsdirektion, 12 (1875-1962)8, den Hörmann als Institut, Fritz Lüdy-Tenger , der Regierungsrat Go bat, entsprach ,, Krieg im Pharmazeutischen Insti­ dieser Querelle beiwohnte, ist nicht dieser Forderung Tschirchs, ohne tut" bezeichnet. Die Auseinander­ ganz eindeutig: Er meint, dass Fri edheim anzuhören, so dass der setzungen zwischen den beiden das „immer üppiger auftretende jüdische Professor kurz darauf aus Deutschland stammenden und azi-Deutschturn (. .. ] den Konflikt seine Demi ssion einreichte.20 Er im gleichen Haus tätigen Profes­ förderte", gibt aber im gleichen starb ein Jahr später. soren, die zum Weggang des jü­ Satz an, daß Tschirch „kein ati­ Auch wenn di eser Konflikt als dischen Gelehrten führten, beruhen onalsozialist war". 13 In einem an­ Hintergrund den starken Andrang aber wohl, wie Hörmann feststellt, deren Aufsatz über die Geschichte von - zum größten Teil jüdischen auf beruflichen Differenzen und auf der Flückiger-Stiftung schreibt - russischen Studierenden hatte, Charakterunterschieden, nicht Lüdy, dass Tschirch „s ich mit der scheint hier die Haltung Tschirchs jedoch auf einer antisemitischen Entwicklung in Deutschland rue gewiß vom Machtbewusstsein und Haltung Tschirchs, sondern auf abgefunden hat" und dass er sich vo m Willen, den gesamten pharma­ seiner autoritären Persönlichkeit.9 ,, besonders gegen den Antisemitis­ zeutischen Unterricht un ter seine Zudem hatte Tschirch mehrere jü- mus hefti g geäussert (hat)".14 Leitung zu stellen, geprägt zu sein

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- man könnte darin sogar einen Edition gänzlichen Mangel an Kollegialität sehen - aber ohne, dass antise­ Prof Dr. A. TSCHIRCH mitische Gefühle nachzuweisen BERN oder fes tzustellen sind. Kollerweg 3224 14/ IV/ 37 Tschirchs Briefwechsel Mein liebes Ma rtha/, Die umfangreiche Korrespondenz [. . .} von Alexander Tschirch wurde Ich wollte nun eigentlich nicht mehr noch einige Jahre vor seinem politisieren, aber eine Bemerkung Tod von ihm selbst gesichtet und in Deinem Briefe veranlaßt mich zum Teil vernichtet. Mit den Do­ doch dazu in diesem Zwischen-Briefe kum enten, die er persönlich als darauf zurück zu kommen, was bedeutsam ansah, bildete er eine Du von den Juden sagst [an einem "Autographen- und Porträtsamm­ verregneten Sonntag]. Du schreibst: lung", die sich nun im Basler ,,Du überschätzest das Vo lk (d. Juden) Ph armaziehistorischen Museum stark, es ist 4-5Jahrta usende alt und Abb./: Auszug aus dem Brief Tschirchs. 21 befind et . Nach seinem Tod wurde hat gar keine bleibenden Kultur­ der achlaß von seiner Familie werke geschaffen". Dieser Satz, den - Tschirch hatte zwei Töchter und ein Buch, eine Zeitung der anderen ten. Und da finde ich dann, daß gar drei Enkel - zuerst vo llständig gedankenlos nachschreibt, ist Un­ viele Juden sehr Beträchtliches ge­ belassen. Später wurden einzelne sinn. Ein „ Volk" schafft überhaupt leistet haben, was dann immer der Dokumente und Schreiben an keine Kulturwerke, das sind immer Nation gut geschrieben wird bei der diverse Forscher verteilt, zum Bei­ nur einige Wenige und ein jüdisches sie lebten - aus neuester Zeit nenne spiel an den Schweizer Pharmazie­ ,, Vo lk" gab es überhaupt nicht mehr, ich nur die Deutschen Einstein, Ehr­ historiker Gottfried Schramm, der nachdem Nero und Vespasian es lich, Willstätter, Mendelsohn und verschiedene Briefe veröffentlicht zertrümmert, Titus den Tempel Liebermann (um einen Physiker, hat. 22 Vieles bleibt jedoch leider zerstört und Hadrian (133 n. Chr. einen Biologen, einen Chemiker, verschollen. [wenn ich nicht irre}) das jüdische einen Musiker und einen Ma ler zu Erst vor kurzer Zeit erhielt das Vo lk zerstört hatten. Dadurch nennen) - Unzä hlig sind die guten Berner Institut für Medizinge­ kamen die Juden nie als Gäste in jüdischen Schriftsteller. Das ganz schichte 50 Briefe, die Tschirch alle Vö lker und wurden hier ein objektive Nobelkomitee hat schon von 1896 bis 1939 an eine Freun­ Ferment im guten und bösen Sinne. sehr vielen Juden den Nobelpreis din, Martha Bernoulli, schrieb. Da der Jude im allgemeinen sehr ge­ zugeschrieben. Seine Mitglieder Diese private Korrespondenz, die scheit und betriebsam ist, wurde er sind - genau wie ich auch - weder 23 ediert werden soll , wirft, als durch die Unterdrückung gerissen Juden noch Judengenossen, weder Spiegel einer engen Beziehung, und vertrieben und da man ihn von Nazis noch Fascisten, weder Bol­ einen neuen, bis dahin unbe­ seiner Heimath vertrieben hatte, schewiken noch Antisemiten. Wenn kannten Blick auf Tschirchs Per­ hängen nun überall die zerstreuten man jemandem einen Vo rwurf da­ sönlichkeit, auf das Berner akade­ Juden [die Diaspora] wie die Kletten raus machen soll, daß in den Juden mische Leben während 50 Jahren an einander. Das ist heute noch sich auch schlechte Eigenschaften und auf seine familiären Verhält­ so und habe ich am eigenen Leibe entwickelt haben (wie übrigens nisse. Der Berner Profe ssor drückt in 3 Fällen erfahren, die mir wohl auch in den Angehörigen anderer sich mit grosser Freiheit aus und Noth machten 25. Aber man darf sich Völker) dann muß man den Vorwwf liefert damit tiefe Einblicke über durch sein „Gefühl " nicht beirren den römischen Kaisern machen, die sein Denken, seine Meinungen lassen, eine Sache richtig zu be­ die Juden aus Palästina vertrieben und über sein e Probleme. In dieser urtheilen. Mir sind auch nicht alle haben. - Korrespondenz befinden sich meh­ Juden sympathisch, aber ich habe Friedrich der Grosse hat einmal rere Schreiben, die die Haltung doch auch viele sympathische ken­ gesagt " Wenn ich einen Sohn hätte, Tschirchs gegenüber dem nati onal­ nen und lieben gelernt, unter mei­ hätte ich nichts dagegen, daß er sozialisti schen Regim e beleuchten. nen Schülern und Co /legen. Denn eine Jüdin heirathe" und die Auf Als Beispiel wird hier ein Auszug ich bemühe mich über der Sache, hebung des Gh etto wird überall als eines Briefes aus dem Jahre 1937 über den Menschen, über den Nati­ eine Kulturthat gefeiert. Doch will pu bliziert, der ganz klar seine onen ja sogar über den Rassen zu ich gar nicht leugnen, daß es ande­ Verachtung und seinen Abscheu stehen, wenn es gilt etwas objektiv rerseits ganz gut ist die Juden nicht ausdrückt. und un voreingenommen zu betrach- gar zu üppig werden zu lassen;

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aber das versteht man hier in der Biographie. Stuttgart 1978 (Veröffent• 21 Schweizerisches Pharmaziehisto­ risches Museum Basel. Nachlaß Ale­ Schweiz ausgezeichnet, wo keine lichungen der Internationalen Gesell­ schaft für Geschichte der Pharmazie, xander Tschirch. große Bank, keine große Zeitung, 46). S. 696-697. Fran~ois Ledermann: 22 Gottfried Schramm: Ein Weih nachts­ kein großes Theater in jüdischen Schweizer Apotheker-Biographie. Bern brief Prof. Dr. Alexander Tschirchs, Händen ist. Die deutsche Methode 1993 (Veröffentlichungen der Schwei­ Bern, an sein en Bruder Prof. Dr. finde ich brutal und kulturlos. Sie zerischen Gesellschaft für Geschichte Otto Tschirch, Brandenburg a.d. Have l (191 1). In: Gesnerus 45 (1988), hat unzählige brave und aufrichtige der Pharmazie, 13). S. 339-342. Ursula Hörmann: Die akademische Ausbil­ 475-482. Gottfried Schramm: Ame­ Familien ins Elend gestürzt. dung der Apotheker im Ka nton Bern. rika-Im pr.essionen ein es Schweizer Du machst Dir keinen Begriff Bern 1998 (Veröffentlichungen der Pharmakognosten: ein unbekannter wie sehr ich unter all' dem leide, Schweizeri schen Gesellschaft für Ge­ Brief Friedrich August Fl ückigers besonders darunter, daß sich die schichte der Pharmazie, 18). Christoph (1828-1894) an Alexander Tschirch (1856-1939) vom 17. August 1894. In: Vo lksgenossen bei alledem unter Friedrich und Ferdinand Schmidt: Wissenschaftliche Schulen in der Beiträge zur Geschichte der Pharma­ dem Terror glücklich fühlen. Als Pharmazie. Teil 5: Alexander Tschirch zie 31 (1979), 6-7. Gottfried Schramm: man die Sklaven Amerikas befreien (1856-1939) und sein Schülerkreis. In: Zwei Briefe vo n Hermann Schelenz wollte sagten sie auch: ,,Danke, Pharmazie 45 (1990), 928-932. Bork (1848-192 2), Cassel, an Alexand er nicht nöthig, wir fühlen uns glück• [wieAnm. 1]. Tschirch (1856-1939), Bern. In: Phar­ 5 mazeutische Zeitung 125 (1980), 408- lich". Ich habe buchstäblich mein Alexander Tschi rch: Erlebtes und Er- strebtes. Bonn 1921. 423. Go ttfried Schramm: Einige Briefe Vaterland verloren. Und das ist 6 Hörmann [wie Anm . 4], 283-287. und otizen Alexander Tschirchs doch keine Kleinigkeit. Es bleibt 7 Bork [wi e Anm. 1], 89-92. ( 1856-1939), Bern, zur Geschichte mir nun nichts anderes übrig, als 8 Ledermann [wie Anm. 4], 289-291. der Arzneimittel. In: Schweizerische meiner Devise: 9 Hörm ann [wi e Anm. 4] , 254. Apotheker-Zeitung 11 3 (1975), 479- 10 481. Gottfried Schramm: Eine Prise „Sich selbst treu bleiben - Oberstes Hörm ann [wi e Anm. 4], 275. 11 Ledermann [wie An m. 4] , 290. akademischen Humors bei Alexander Gesetz" 12 Ledermann [wi e Anm. 4], 23 2-233. Tschirch. In: Gesch ichte der Pharma­ gemäß, einen vaterländischen Altar 13 Fritz Lüdy-Tenger: In memoriam Prof. zie 56 (2004), 75. in meinem Herzen zu errichten Dr. Leopold Rosenthaler 1875-1962. 23 Fran~ois Ledermann: Briefe von Ale­ froh undfrei In: Schweizerische Apotheker-Ze itung xander Tschirch an Martha Bernoulli. klar und wahr 100 (1962), 577-583. Vgl. auch Ye lcin In Vorbereitung. Topalglu: Deutsche Hochsch ulleh rer 24 Im Jahre 1904 ließ Tschirch ein Haus 26 lautet mein Wahlspruch . Ihm in der türkischen Pharm azie. In: am Ko llerweg im Berner Kirchenfeld folgend will ich mir mein gutes altes Geschi chte der Pharmazie 46 (1994), bauen, das er mit seiner Familie bis Deutschthum erhalten. 13-16. zu seinem Tod bewohnte. Die Unter­ 14 [ .. .} Fritz Lüd y-Tenger: Die „Flückiger-Stif­ streichungen im Text stammen von tung" im Wandel der.Zeit. In: Schwei­ Tschi rch. ze rische Apotheker-Zeitung 99 (1961) , 25 Gewiß denkt Tschirch an die Konflikte Anmer~ungen 413-422, hier 419. mit Friedheim und mit Rosenthaler. 15 Sabalitschka [wie Anm. 3]. Der dritte Fall ist bi s anhin unbe­ 1 Kirsten Bork: Alexander Tschirch. Eine 16 Wolfgang-Hagen Hein/ Holrn-Dietmar kannt. Studie über das Leben eines wegwei­ Schwarz (Hrsg.): Deutsche Apotheker­ 26 Siehe Tschirch [wi e Anm. 5], S. VI: senden Pharmakognosten und dessen Biographie. Ergänzungsband. Stuttgart ,, ,Froh und frei, klar und wahr' habe Auffassung von Pharmakognosie mit 1986 (Veröffentlichungen der Internati­ ich als Motto über mein Leben ge­ besonderer Berücksichtigung seines onalen Gesellschaft für Geschichte der schrieben". Hauptwerkes (Handbuch der Pharmako­ Pharmazie, 55). S. 377-378. gnosie) . Würzburg 2003 (Würzburger 17 Urs ula Pohl: Hochschul pharmazie in medizinhistorische Forschungen, 78). der NS-Zeit. In: Christoph Friedrich/ 2 Vgl. zum Beispiel Otto Raubenheim er: Wolf-Dieter Mü ller-Jahncke (Hrsg.): Tschirch, Master of pharmacognosy. Apotheker und Universität. Die Vor­ In: Journal of the Arn erican Phar­ träge der Pharmazehistor. Biennale maceutical Association 15 ( 1926), vom 12. bis 14. Mai 2000 u. d. Gedenk­ Anschrift des Verfassers: 886-892. Emil Niemann: Professor veranstaltung „Wiegleb 2000" zum Prof. Dr. Franc;:ois Ledermann Tschirch's Abschied vo n seinen Schü­ 200. Todestag von Johann Christian Institut für Medizingeschichte lern. In : Schweize rische Apotheker­ Wiegleb (1732-1800) ani. 15. und 16. Bühlstrasse 26 Ze itung 70 (1932), 405-410. März in Bad Langensalza. Stuttgart 3 Vgl. zum Beispiel Hans Flück: Prof. 2002. S. 55-66, hier S. 59. CH-3000 Bern 9 Dr. Alexander Tschirch und sein wis­ 18 Die Dozenten der bernischen Hoch­ [email protected] senschaftliches Werk. In: ekrologe schule. Ergänzungsband zu: Hoch­ verstorbener Mitglieder der Schweize­ schulgeschichte Berns 1528-1984. rischen Naturforschenden Gesellschaft Bern 1984. S. 167. und Verzeichnisse ihrer Publikationen. 19 Ri chard Feiler: Die Universität Bern Aarau 1940. S. 503-523, und Theodor 1834-1934 dargestellt im Auftrag der Sabalitschka: Alexander Tschirch. In: Unterrichtsdirektion des Kantons Berichte der deutschen Botanischen Bern und des Senats der Universität. Gesellschaft 59 (1 940), 67-108. Bern und Leipzig 1935. S. 487. 4 Wolfgang-Hagen Hein/ Holm-Dietmar 20 Anna Friedheim: Der Fall Friedhei m. Schwarz (Hrsg.): Deutsche Apotheker- aumburg a.d.S. 1910. 66 Geschichte der Pharmazie 57. Jahrgang · Dezember 2005

Alexander Tschirch: Apotheker Fritz Ferchl (1892-1953) ins Fremdenbuch

Liebenswürdigerweise jedoch richtungsweisend zugleich blieben uns nachstehende Verse ethischen Inhalts erhalten: Autographen sind authentische Zeugnisse und mithin Dokumente historischer Quel lenforschung. Vorliegendes handschriftliche Blatt ( 16,3 x 21 cm), ohne Datum , aus dem Nachlass des aus / Niederschlesien stammenden, Apotheker Ferchl ins später an der Universität Bern wirkenden weltbekannten und berühmten Hoch­ Fremdenbuch schullehrers für Pharmazie, Pharmakognosie, pharmazeutische und gerichtliche Chemie Alexander Tsch irch ( 1856-1939) vermag dies zu beweisen. Möchten Menschen Dich besuchen Die nicht schmeicheln und nicht f luchen Menschen edleren Geblüthes Menschen zarteren Gemüthes Die nach der Vollendung trachten Oder gar Geschichte machten Oder doch Geschichte schrieben Die die Wissenschaften lieben Die vom Born der Weisheit trinken Und sich nicht unfehlbar dünken Die stets streben noch zu wachsen Aufgehn nicht nur in den Taxen Nicht nur nehmen, die auch geben Wissen was es heisst zu leben Für die Zeit und Ewigkeit Kurz: Die n 'e Persönlichkeit

Wohldurchdachte ethische Di­ mensionen im Zusammenwirken von Regeln der Wissenschaft und Kultur erscheinen als Sinn und Zweck für Verantwortlichkeit und moralisches Handeln.

Anschrift des Verfassers: PD Dr. Dr. Gottfried Schramm Am Brunnenbächli 12 CH 8125 Zollikerberg / Zürich

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Jahrhunderts" berichtete Dr. K. Das Medizinalwesen im H. Barteis (Lohr}. Diese galten für Amts-Ärzte, Ärzte, Wundärzte und mittelalterlichen Breslau Apotheker und waren mit einer Arzneitaxe verbunden; sie zählen zu den ältesten deutschsprachigen Apotheker- ormen. Es wurden der Von Karl Heinz Barteis, Lohr am Main Rahmen der Statuten behandelt: der Beginn eines Medizinalwe­ sens in der Oderstadt ( 12 / 14. „Das mittelalterliche Breslau und sein Schriftwesen" war das Thema eines Jahrhundert), der Autor Thomas Kongresses am 10. und 11 .6.2005 in Warschau, der vom Historischen Institut von Sarepta, die Stadt Breslau als der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau und dem Gerhard­ Gesetzgeber und die Datierung. Die Vorschriften der Breslauer Möbus-lnstitut für Schlesienforschung an der Universität Würzburg veranstaltet Statuten wurden im Einzelnen wurde. Die Veranstaltung fand im Wa rschauer Institut statt, das sich in histo­ vorgestellt und mögliche Zusam­ rischem Ambiente im Eckhaus ,zu r hl. Anna' am Altstädter Marktplatz befindet; menhänge mit anderen Medizi­ das Gebäude weist Teile der gotischen Außenmauer (15. Jahrhundert), einen nalordnungen wie den sizilischen Renaissance-Erker ( 1635/ 37), ein gotisches und ein Renaissance-Portal auf und südfranzösischen Medizinal- und besitzt ein historisches Innenleben im weitesten Sinne. ormen sowie Auswirkungen auf spätere gesetzliche Regelungen (Brünn) erörtert. In der Rubrik „Quellenkunde" Unter der Rubrik „Medizinal­ Breslauer Werk unter anderem der Vortragsreihe über das wesen" wurden drei Vorträge auf dem Arznei-Kräuterbuch ,De Breslauer Schriftwesen wurden zusammengefasst. Zwei von ihnen viribus herbarum' des deutschspra­ Stadtschreiber und Kanzlei der behandelten das sogenannte chigen älteren ,Macer floridus ' (um spätmittelalterlichen Oderstadt ,Breslauer Arzneibuch'. Diese 1070), eines der zur damaligen Zeit behandelt, die „mittelalterliche medizinisch-pharmazeutische bekanntesten medizinisch-pharma­ Geschichtsschreibung Breslaus" Sammelhandschrift ist aus zeutischen Texte; auch die ,Freiber­ sowie mittelalterliche Pilgerreisen acht Teilen zusammengesetzt, ger Arzneimittellehre' (vor 1300), insbesondere nach Rom aus Bres­ ein „Verbund von Einzeltexten die sich mit galenischen Ratschlä­ lauer Quellen. Unter dem Oberbe­ mit inhaltlich-kommunikativen gen an die Arzneimittelhersteller griff „Handel und Gewerbe" waren Gemeinsamkeiten"; sie enthält richtete, diente als Vorbild. Prof. zusammengefasst therapeutische, pharmazeutische, Keil stellte darüber hinaus die For­ Vorträge über Handel und Poli- drogenkundliche und diätetische schungsergebnisse zum ,Breslauer tik der schlesischen Metropole Texte. Die ältere Fassung entstand Arzneibuch' aus den letzten zwei von Oberitalien bis Ruthenien, um 1295, die jüngere um 1305; Jahrhunderten vor. über wirtschaftliche Kontakte beide zeigen schlesische Mundart Frau Magister H. M. Groß (Würz• zwischen Breslau und Regensburg und waren für Fachleute, Laien burg) wies in ihrem Vortrag (,,Le­ und über die Wollweberei (Tuch­ und Schüler gedacht. xikographische Beobachtungen macherei) in der ursprünglich Prof. Dr. Dr. G. Keil (,,Das ,Bres­ zum Breslauer Fachwortschatz selbständigen Breslauer eustadt lauer Arzneibuch' und sein fach­ des 13. Jahrhunderts") darauf hin, in Bezug zu anderen mitteleuropä• literarisches Umfeld") arbeitete dass neben der Literatur im klas­ ischen Städten. Bei der Thematik insbesondere die Grundlagen sischen Sinn wie die Dichtung nun „Kirche" schließlich befassten dieses Arzneibuches heraus: ein­ auch die Fachprosa als medizi­ sich die Vortragenden mit den mal das ,Deutsche salernitanische nische und naturwissenschaftliche Prozessen um Besitz-Verhältnisse Arzneibuch', eine Übersetzung Literaturdenkmäler in der Philo­ des "Praemonstratenserklosters ins Deutsche im 13. Jahrhundert logie anerkannt sind. Sie brachte auf dem Elbing in Breslau" und von Fachliteratur aus der medizi­ Beispiele aus dem Wortschatz des mit dem geistlichen Besitz (,,zur nischen Hochschule Salerno. Des ,Breslauer Arzneibuches': medika­ toten Hand") in der Oderstadt im Weiteren diente als Grundlage der mentös verwendete Pflanzenteile, Allgemeinen. sogenannte ,Bartholomäus', Ende tierische Drogen und mineralische des 12 . Jahrhunderts hauptsächlich bzw. pharmazeutisch-chemische als Rezepturbuch aus salernita­ Arzneien. nischen Kompendien zusammen­ Über „Die Breslauer Medizinal­ gestellt. Außerdem beruhte das Statuten aus der Mitte des 14.

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Am 8. Oktober wurde sie darüber nach wie vor wirkt er als alleiniger Akadem. Nachrichten +- hinaus in Ilmenau vo n der Aka­ Herausgeber der „Berichte zur Wis­ demie gemeinnütziger Wissen­ senschaftsgeschichte". schaften zu Erfurt in Verbindung Fritz Krafft, in Ha mburg geboren, Im Fachbereich Pharmazie der mit den Thüringer Hochschulen studierte an der dortigen Universi­ Philipps-Universität Marburg mit dem erstmalig vergebenen tät ab 1955 klassische Philologie, wurden promoviert zum Dr. rer. ,,Dalberg-Preis für transdiszi­ Philosophie und Geschichte der nat. aus dem Fach Geschichte der plinäre Nachwuchsforschung" aturwissenschaften. ach der Pro­ Pharmazie: ausgezeichnet. Diesen Preis er­ motion mit einem klassisch-philo­ hielt sie für ihre ägyptologische logischen Thema (1962) habilitierte am 4. Oktober 2005 Dissertation „Die altägyptischen er sich 1968 an der Universität Apotheker Rudolf Theisen: ,, Die er­ Hohlmaße" , die 2005 in der Reihe Hamburg für das Fach „Geschichte sten 40 Jahre Röntgenkontrastmit­ ,, Studien zur altägyptischen Ku l­ der Naturwissenschaft" mit einer tel". Die Arbeit stand unter Leitung tur" im Hamburger Helmut Buske Arbeit zum Thema „Dynamische von Herrn Prof. Dr. Krafft. Verlag erschienen ist. und statische Betrachtungsweise in der antiken Mechanik und ihre 4. Oktober 2005 neuzeitliche Umformung durch Ga­ Apothekerin Gudrun Jost: ,,Alfred lileo Galilei". 1970 erfolgte ein Ruf Partheil (1861-1909) - ein Pharma­ Frau Apothekerin Dr. Daniela auf di e Professur für Geschichte zeutischer Chemiker". Die Arbeit Schierhorn erhielt für ihre 2004 der Naturwissenschaften an der stand unter Leitung von Herrn ,, mit Auszeichnung" abgeschlos­ Johannes Gutenberg-Universität Prof. Dr. Krafft. sene Dissertation „Von der Apothe­ Mainz. Hier entfaltete Krafft eine kenhelfe rin zur Pharmazeutisch­ rege Publikationstätigkeit und 5. Oktober 2005 kaufm ännischen Angestellten engagierte sich in zahlreichen Apotheker Ansgar Schockmann: (PKA) - Zur historischen Entwick­ wissenschaftlichen Gesellschaften; „Der preußische Apothekerrat und lung eines typischen Frauenberufes u.a. wirkte er von 1977 bis 1983 als die Medizinal- und Apothekenver­ unter besonderer Berücksichtigung Präsident der Gesellschaft für Wi s­ waltung zu Beginn des 19. Jahrhun­ der ehemaligen DDR" anlässlich senschaftsgeschichte. Auf vielen derts bis zum Jahre 1921 - Vorge­ des Tages der Pharmazie am 12 .1 1. Tagungen, so auch auf denen der schichte, Organisation, Zusammen­ 2005 in der „Alten Aula" Marburg Deutschen und Internationalen Ge­ setzung und Tätigkeit des Beirats". den Promotionspreis des Fachbe­ sellschaft für Geschichte der Phar­ Die Arbeit stand unter Leitung von reiches Pharmazie der Philipps­ mazie, war Krafft als Vortragender, Herrn Prof. Dr. Friedrich. Universität Marburg. Die Arbeit anregender Diskussionsleiter und entstand am Institut für Geschichte -redner stets präsent. der Pharmazie unter Leitung von 1988 erhielt Fritz Krafft einen Prof. Dr. Ch. Friedrich. Ruf auf di e C4-Professur für Ge­ Auszeichnungen schichte der Pharmazie an der Philipps-Universität Marburg und Frau Dr. phil. des. Tanja Pom­ leitete hier bis September 2000 merening wurde mit dem Jerry Laudationes das einzige Institut für dieses Fach Stannard Memorial Award 2005 im deutschsprachigen Raum. Mit ausgezeichnet. Frau Pommerening Fritz Krafft, 70 Jahre der ihm eigenen Gründlichkeit ist Apothekerin und Ägyptologin und Hingabe widmete er sich hier und wissenschaftliche Mitarbei­ einer großen Doktorandenschar, terin am Institut für Geschichte Wer Fritz Krafft in der letzten Zeit di e er in die Arbeitsweise des Wis­ der Pharmazie in Marburg. Sie auf Tagungen oder bei Vorträgen senschaftshistorikers einführte. erhielt die Auszeichnung fü r ihren erleben konnte, wird kaum glau­ In den letzten Jahren entstanden Aufsatz „Altägyptische Rezepturen ben, dass er am 10. Juli 2005 das insbesondere zu „Christus als Apo­ metrologisch neu interpretiert", siebte Lebensjahrzehnt vollendet theker" mehrere Monographien der 2003 in den von Prof. Dr. Fritz hat. Sein Schriftenverzeichnis, das und gründliche Einzelstudien Krafft herausgegebenen „Berich­ 44 Bücher und 300 Publikationen sowie Aufs ätze zur Pharmazie im ten zur Wissenschaftsgeschichte" umfasst, spiegelt eine ungebro­ 18. und 19. Jahrhundert. Dem er­ erschien. chene Produktivität wider und fo lgreichen und anregenden Wis- 69 Geschichte der Pharmazie 57. Jahrgang· Dezember 2005

senschaftl er wünscht der Vo rstan d der Pharmazie interessiert, ent­ gewesen war. Seine außerschwei­ der Deutschen Gesellschaft für Ge­ schloß sich Hans-Rudolf Fehlmann, zerischen Kontakte und seine schichte der Pharmazie vo r all em Pharmaziegeschichte zu studieren Öffnung zur Welt brachten ihm Ges undh eit und eine noch lange, un d arbeitete unter der AnJeitung wichtige Ämter in internationalen fr uchtbare Schaffensperiode. von Prof. Dr. Rudolf Schmitz an Gremien: von 1967 bis 1977 am­ einer Dissertatio n über das Mira­ tierte Hans-Rudolf Fehlmann als Christoph Friedrich, Marburg kelbuch Annos II., des Erzbischofs Vize-Präsident der Internationalen von Köln. Nach der Promotion zum Gesellschaft für Geschichte der Dr. phil. im Jahre 1963 verließ er Pharmazie. Er war lange Jahre das Feld der Pharmaz iegeschichte Sekretär, dann Vize-Präsident der Persönliches +- ni cht und begann eine reichhaltige Academ ie Internationale d'Histoire Tätigkeit als Autor von Büchern de Ja Pharmacie. So blieben auch Zum Gedenken an Dr. Hans-Rudolf und Aufsä tzen, aber auch als Orga­ internationale Auszeichnungen Fehlmann nisator und Mitwirkender in phar­ ni cht aus: Als korrespondierendes mazeutischen, beso nders in phar­ Mitglied der Deutschen Gesell­ Am 6. Sep­ maziehistorischen Gesellschaften. schaft für Geschichte der Pharma­ tember Neben eng wissenschaftli chen zie, Ehrenmitglied der rumänischen 2005 ist Fo rschungen zeichnen sich bei Gesell schaft fü r Geschichte der Hans-Rudolf den Arbeiten des Verstorbenen, Pharmazie (19 94), der ungarischen. Fehlmann auf als Spiegel seiner Offenheit, auch Gesellschaft (1 979), wurde das tragische Art seine eigung zum koll ektiven Wirken von Hans-Rudolf Fehlmann verstorben: Wirken ab; so zum Beispiel beim 1975 auch mit der Winkler-Plakette Er wurde Pharmazeutischen Re iseführer und 1989 mit der Schelenz-Plakette in seiner der Schweiz, den er mit mehreren geehrt. icht so sehr die Ehrerwei­ Heimatstadt Schweizer Kollegen verfaßte. Sein sungen waren ihm wichtig, sondern Dr. Hans-Rudolf Fehlmann Aarau von breites Netz von inländischen und die damit bewiesene Anerkennung einem Last- ausländischen Freunden innerhalb sein er fre undschaftli chen Kontakte, wage n überfahren. Dieser schreck­ der Pharmaziegeschi chte zeigt zum Beispiel mit den ungarischen liche Unfall beendete ein langes sich in den zahlreichen Beiträgen Pharmaziehistorikern, insbeson­ Leben, das weitgehend der Phar­ zu Festschriften. Auch die 1979 dere mit Prof. K. Zalai. Noch vor der mazie, insbesondere der Pharma­ von Gottfried Schramm heraus­ Wende unternahm er einige Reisen ziegeschichte gewidmet war. gegebene und ihm gewidmete nach Ungarn, wo er pharmaziehis­ 1919 in Aarau, wo sein Vater eine Festschrift ze ugt vom Sympathie­ torische Vorträge hielt. Auch nach Offizin bes'aß, geboren, folgte Hans­ kapital, das Hans-Rud olf Fehlmann Paris, zu den Sitzungen der Societe Rudolf Fehlmann der Familientra­ bei den Pharmaziehistorikern an­ de Pharmacie in der Salle des Actes dition und studierte Pharmazie in gesammelt hatte. reiste er gerne, ebenso zum achtes­ Genf und an der ETH Zürich, wobei Dass aber Hans-Rudolf Fehlmann sen zu seinem Freund Pierre Julien. ihn schon früh sein Besuch der Gen­ nicht der einsame Forscher war, Seine Auseinandersetzung mit der fer Universität zur französischen zeigt eine andere Facette seines pharmazeutischen Vergangenheit Sprache und Kultur hinführte, was Wirkens: diejenige im Rahmen der hinderte ihn nicht, förderte viel­ später seine engen Kontakte mit akademischen und beruflichen leicht sogar sein Interesse für aktu­ fran zösischen Pharmaziehistori­ Gesellschaften. Von 1970 bis 1988 elle berufspolitische Fragen. Hans­ kern förderte. Nach Ablegung des leitete er als Präsident die Schwei­ Rudolf Fehlmann war von 1964 eidgenössischen Staatsexamens zerische Gesellschaft für Geschichte bis 197 0 Vorstandsmitglied des im Jahre 1946 heiratete er 1947 die der Pharmazie, die ihn zum Ehren­ Schweizerischen Apotheker-Ver­ Klavierlehrerin Lisbeth Aebi, eine präsident ernannte. Unter seiner eins und lange Jahre Redakteur für Lebensgefährtin, di e ihm 2 Kinder Leitung wurde neben vielen natio­ die deutsche Schweiz der Schwei­ schenkte und die ihn während nalen Tagungen der Internationale zerischen Apotheker-Zeitung, für manchen pharmaziehistorischen Kongreß für Geschichte der Phar­ die er mehr als 400 Artikel verfasst Veranstaltungen begleitete. Zuerst mazie von Basel und Lausanne im hat, in denen er stets versuchte, während 10 Jahren in der väter­ Jahre 1979 organisiert und die Ver­ die Pharmaziegeschichte für ein lichen Apotheke tätig, eröffnete öffentlichungen der Gesellschaft, breites Publikum zugänglich zu Fehlmann 1956 die Schloß-Apo­ die sogenannte „Grüne Reihe" be­ machen. Vor zwei Jahren machte theke in Wildegg, die er mehr als 30 gründet. Auch die Schweizerische ihn der Schweizerische Apotheker­ Jahre lang führte. In Wildegg entfal­ Paracelsus-Gesellschaft ernannte ihn Verband zu seinem Ehrenmitglied. tete er auch ein reges Vereinsleben. 1991 zum Ehrenmitglied, nachdem Auch nach dem Tod seiner Frau Früh an den kulturellen Belangen er lange Jahre Vorstandsmitglied im Jahre 1997, die er während

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ihrer langen Krankheit beispiel­ wer sie kennt, weiß um ihre wache öffentlichte haft begleitete, verlor Hans-Rudolf Intelligenz (wie Montesquieu) und über 200 Fehlmann in seinen letzten Jahren ihren scharfsinnigen Witz (wie Vol­ Publikati­ nichts von seiner Lebhaftigkeit. Er taire). Also eine aufgeklärte Frau des onen und hatte im Altenwohnheim Chester­ Spätbarocks? Keineswegs: Am 24. betreute berg in Wildegg ein neues Heim ovember 1940 in Gießen geboren 14 Disser­ gefunden und bereicherte immer und in Bayern sozialisiert, studierte tationen, wieder den pharrnaziehistorischen Christa Habrich - wie ihr Vater schrieb Rezensionsteil der Schweizerischen - Pharmazie, um eine ordentliche Film-und Apotheker-Zeitung; so erschien ,,obrhässische" Apothekerin zu wer­ Videodreh­ praktisch am Tag seines Todes sein den. Doch vor der Gründung einer bücher zur letzter Text über die „Geschichte eigenen Apotheke in Gießen, der sie Wissen­ Prof Dr. Dr. Christa Habrich der Arzneimittel" von Wolf-Dieter bis heute vorsteht, promovierte sie schaftsge­ Müller-Jahncke und Christoph 1969 bei Prof. Dr. Günter Kallinich schichte Friedrich. in München im Fach Pharmaziege­ und „machte" immer wieder Aus­ Die Pharmaziegeschichte verliert schichte - und leckte wissenschafts­ stellungen in „ihrem" Museum. Ein mit Hans-Rudolf Fehlmann nicht historisches Drachenblut, das ihr bis großer Erfolg war der Ausstellung nur einen Gelehrten, sondern heute gut schmeckt. Der Aufstieg „Carl Spitzweg - Der Maler und einen Mann, der rni.t Leidenschaft, war folgerichtig unaufhaltsam: 1982 Apotheker" 2003/ 2004 beschieden, Weltoffenheit und Begeisterung Habilitation in München für Medi­ in der sie vorher nie gesehene Ölge­ ein wichtiges Glied unseres Faches zingeschichte, 1983 ehrenamtliche mälde und Zeichnungen Spitzwegs war. Sein Sinn für Freundschaft Direktorin des Deutschen Medizin­ aus Privatbesitz zeigte. wird uns allen fehlen. historischen Museums in Ingolstadt, Nun lehn Dich mal zurück, Christa 1988 Ernennung zur außerplanmä• - Du glaubst selbst nicht, was Du in Franr;ois Ledermann ßigen Professorin für Geschichte der Deinem Leben als Apothekerin, Wis­ Medizin und der Pharmazie an der senschaftlerin und „Macherin" alles Ludwigs-Maximilians-Universität vollbracht hast - alles ehrenamtlich München, 1990 Wahl zur Präsi­ und das meiste, wie man so schön Prof. Dr. Dr. Ch ri sta Habrich 65 dentin der „European Association sagt, ,,auf eigene Kosten". Aber Du Jah re alt! of Museums of History of Medical ruhst ja nicht aus, denn „mit 65 Jah­ Sciences" und schließlich 1991 Wahl ren, da fängt das Leben an". In einem Alter, in dem sich manch zur Ersten Vorsitzenden der ,,Julius­ Und, bitte, bleib weiter so: neugie­ Einer bequem in den Lehnstuhl Hirschberg-Gesellschaft", die sich rig und wissensdurstig, charmant zurückfallen lässt, gibt sie noch ein­ der Geschichte der Augenheilkunde und unprätentiös, zeige uns noch mal Vollgas: Wie Figaro in Rossinis widmet. Ehrungen folgten: 1999 viele Ausstell ungen und belehre „Barbier von Sevilla" wird sie überall die Verleihung des Bundesver­ uns mit Deinen Vorträgen und gebraucht, ist sie überall zu sehen, dienstkreuzes 1. Klasse, 2000 die Studien. singt zwar nicht ganz so schön, spielt Verleihung der „Schelenz-Plakette" aber dafür gut Klavier. Ihre Aus­ der „Internationalen Gesellschaft für Dies wünschen Dir alle Mitglieder stellungen im Medizinhistorischen Geschichte der Pharmazie", 2004 der „Deutschen Gesellschaft für Ge­ Museum Ingolstadt sind ebenso der Bayerische Verdienstorden und schichte der Pharmazie" und Deine Legende wie ihre mit bayerischem 2005 die Bürgermedaille in Gold der Wolf Dieter Müller-Jahncke und Charme dargebotenen Vorträge. Und Stadt Ingolstadt. Christa Habrich ver- Christoph Friedrich

Internationaler Kongress über den Kult und die Ikonographie der Heiligen Kosmas und Damian

Der Internationale Kongress über den Kult und die Ikonographie der Heiligen Kosmas und Damian findet vom 29. September bis zum 1. Oktober 2006 im Mercogliano (Avellino, Italien) unter dem Patronat der lni.ernationalen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie und der Academ ie Internationale d' Histoire de la Pharmacie statt.

Informationen über Fax 00390825788795.

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Neue DGGP-Mitglieder Iven, Holger; Vorderreihe 39, Schulz, Brigitte; Beethovenstraße 3, 23570 Reavemünde 68723 Schwetzingen Künzl, Harald; K.ronenstraße 7, Starke-Kreil, Elke; Bruderstraße 20, Arndt, Marcus; An der Lettkante 1b, 75057 Kürnbach 06712 Zeitz 64354 Reinheim Lamping, Sebastian; Königsberger Strölin, Dr. Susanne; Hölderlin• Framm, Dr. Ed ith; Am Markt 29, Straße 31, 61191 Rosbach weg 144, 73728 Esslingen 23966 Wismar Mack-Gräsle, Dr. Beate; Stumm, Petra; Wengert 2, Framm, Dr. Joachim; Am Markt 29, Friederica-Kocher-Straße 3/1, 74931 Lobbach 23966 Wismar 70825 Korntal-Münchingen Theuerkauf, Pierre; Ernst-Ludwig­ Franßen, Jürgen; Schwalbenweg 6 Mocka, Stefanie; Frühlingsstraße 1, Straße 48, 63329 Egelsbach 74357 Bönnigheim 73110 Hattenhofen Wecker, Manfred; Kolberg-Körli n­ Glänzer, Andrea; Eider-Apotheke, Patenge, Michael; Erlenweg 15, Straße 95, 23843 Bad Oldeslohe Rosenberg 22, 24220 Flintbek 31840 Hessisch Oldendorf Gottwald, Thorsten; Langeworth 79, Ricken, Peter; Krausstr. 3, 48159 Münster 24118 Kiel Hoffmann, Sylvia; Bergstraße 1, Ritter, Anke; Erfurter Straße 15, 99947 Bad La ngensalza 99310 Arnstadt Hug, Hubertus; Damerowsweg 9, Schlick, Carotine; Silberweg 7, 22081 Hamburg 61350 Bad Homburg

Jahresregister 2005------

Themen Sonstiges Auszeichnungen Afrika 25 37. Internationaler Kongress für die Borchardt, Albrecht 22 Apotheke des Coll egio Rom ano 57 Geschi chte der Pharmazie 54 Nell, Michael 56 Arguin, Medizin und Pharmazie in 25 Kongreß „Das Medizinalwesen im Pomerening, Tanja 69 Breslau 68 mittelalterlichen Breslau" 68 Poth, Susanne 56 Ferch] , Fritz 67 Ne ue DGGP-M itglieder 72 Schierhorn, Daniela 69 Ga rten des Heidelberger Hof­ Pharmaziehistorische apothekers Philipp Stephan Biennale 2006 22 Persönliches Sprenger 5 Glauber, Johann Rudolph 4 Autoren Fehlmann, Hans-Rudolf 70 Gri echenl and 41 Gensthaler, Gerhard 22 Hahnemann, Samuel 52 Anagnostou, Sabine 57 Habrich, Christa 71 Jesuiten 57 Bartels, Karl Heinz 4, 68 Helrnstädter, Axel 39 ,,Museo delle Erbe" in SansepoJcro/ Koltermann, Till Philip 25 Hoppe, Brigitte 56 Italien 1 Ledermann, Franc;;ois 64 Krafft, Fritz 69 Nationalsoziali smus 64 Meyer, Ulrich 35 Leimkugel, Marlene 56 Osteoporose 35 Müller-Jahncke, Wolf-Dieter 1 Morck, Hartmut 40 Rinderpest 47 Plehn, Marcus 25 Rumpf-Lehmann, Barbara 56 Schwarzbach, Anna Franziska 52 Reinthal, Angela 54 Unschuld, Ruth 22 Sprenger, Philipp Stephan 5 Schofer, Ulrike 5 Strontium-Therapie 35 Schramm, Gottfried 67 Tschirch, Alexander 64, 67 Varella, Evangelia A. 41 Viehseuche und -krankheiten Wissing, Wolfgang 52 im 18. Jahrhundert 47 Wolff, Klaus 47

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