Geschichte Der Pharmazie 57. Jahrgang 2005, 4

Geschichte Der Pharmazie 57. Jahrgang 2005, 4

Redaktion Prof. Dr. Wolf-Dieter Müller-Jahncke · Prof. Dr. Ch ri stoph Friedrich ISSN 0939 - 334X · Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart 57. Jah rgang · Dezember 2005 Die Apotheke des Collegia Pharmazie auf internationaler Romano im internationalen Heilmitteltransfer Ebene - die Apotheke des Während der Ruhm des Collegio Collegio Romano vom 16. bis Romano (Abb. 1) in der Pontificia Universita Gregoriana weiterlebt3, ist es bisher weniger bekannt, dass 18. Jahrhundert* die dem Kolleg angehörende Apo­ theke vom 16. bis 18. Jahrhundert Von Sabine Anag_nostou, Marburg_ +- zu einem internationalen Zentrum der Heilmittelversorgung und des Wissenstransfers heranwuchs. Das 1551 gegründete Collegia Romano war eine der bedeutendsten Lehr- und Diese Entwicklung wurde dadurch Bildungsstätten der Gesellschaft Jesu. Im Machtzentrum der Katholischen Kirche begünstigt, dass die Kollegsapo­ gelegen, die durch die Ausbreitung und Intensivierung der christlichen Mission theke in die intensiven interdis­ in der frühen Neuzeit schon über globale Strukturen verfügte, stellte diese Insti­ ziplinären und internationalen wissenschaftlichen Aktivitäten tution zugleich einen Ort der internationalen Begegnung auf zahlreichen Gebieten am Collegio Romano eingebunden der Wissenschaft dar: Theorien und Erkenntnisse wurden ausgetauscht, diskutiert war und die Ordensapotheker wohl und in verschiedene Disziplinen integriert. Eine essentielle Rolle nahmen dabei die selbst Forschungen - medizinische Glaubensboten ein, da sie gleichsam als Mittler zwischen Europa und den fernen und pharmazeutische ebenso wie Missionsländern wirkten; sei es, dass sie Kenntnisse aus der europäischen Heimat in fremde Länder brachten, sei es, dass sie Forschungsergebnisse über außereuropä• * Erweiterte Fassung eines Vor­ ische Regionen in Europa verbreiteten. 1 Von diesem Wissenstransfer profitierte übri• trags gehalten beim Internationa­ gens kein Geringerer als der berühmte Universalgelehrte Athanasius Kircher (1601- len Kongress für Geschichte der 1680), der am Collegia Romano bekanntlich das ,Museum Kircherianum' einrichtete, Pharmazie am 24. Juni 2005 in das er selbstverständlich mit Naturalien aus den Missionsländern bereicherte. 2 Edinburgh ~ EDITORIAL +- Die Pharmaziegeschichte lebt! der Gesellschaft herausgegebene wesen oder in verschiedenen Institu­ Reihe „Veröffentlichungen zur Phar­ tionen wahrnehmen, geschätzt wird. Erst vor wenigen Wochen konnte das maziegeschichte" und der vom Deut­ Sicherlich werden sich die Aufgaben von Professor Dr. Rudolf Schmitz be­ schen Apotheker Verlag herausge­ des Apothekers in den nächsten Jah­ gründete „Institut für Geschichte der brachte "Illustrierte Apothekenkalen­ ren weiter wandeln, wobei es aber Pharmazie" am legendären Roten der" von eifriger wissenschaftlicher der Pharmaziegeschichte zukommt, Graben 10 in Marburg an der Lahn Tätigkeit. Die Biennalen der DGGP dem veränderten Berufsbild histo­ das vierzigjährige Bestehen feiern. und die Veranstaltungen der Regio­ rische Inhalte zu vermitteln. Wozu Und vor einigen Tagen erschien der nalgruppen sind regelmäßig - und Politik und Wirtschaft ohne histo­ zweite Band des gleichfalls von Ru­ nicht nur von Altapotheker/innen risches Bewusstsein verkommen, dolf Schmitz initiierten Lehrbuchs - gut besucht. An den meisten Uni­ erleben wir täglich - zu Inhumanität, „Geschlchte der Pharmazie", der die versitäten wird Pharmaziegeschlchte mangelnder Bildung, Dünkel und Spanne von der Früben Neuzeit bis im Rahmen der Curricula angeboten, Dummheit - und nicht zuletzt dies zur Gegenwart umfasst Die der Deut­ und an manchen Orten kann man führt zu brennenden Quartieren. In schen Apotheker Zeitung beiliegende auch promovieren. Dies alles zeigt, der Hoffnung, dass auch Sie im näch­ ,,Geschichte der Pharmazie", die drei­ dass die Pharmaziegeschichte nicht sten Jahr die Pharmaziegeschlchte oder viermal im Jahr auch als Mittei­ ausschließlich von praktischen Apo­ fördern und interessiert begleiten lungsorgan der "Deutschen Gesell­ thekern betrieben, sondern auch von verbleibt mit den besten Wünschen schaft für Geschichte der Pharmazie" Pharmazeuten, die andere Aufgaben, Ihre Redaktion der" Geschichte der erscheint, zeugt ebenso wie die von sei es in der Industrie, dem Verlags- Pharmazie". 57 Geschichte der Pharmazie 57. Jahrgang· Dezember 2005 schon damals bestens für zum Beispiel nach SiziJjen, Frank­ eine intensive, weitrei­ reich, eugranada IO oder Goa mit chende pharmazeutische und trugen so zur weiten Ver­ Tätigkeit ausgerüstet breitung von Heilmitteln aus der (Abb. 2) Ko llegsa potheke bei. 11 Wenngleich diese Apo­ theke ursprünglich Triaca Romana - von Rom nur die Arzneiversor­ aus in die ganze Welt gung der Kollegiaten gewährleisten sollte, Eines der bedeutendsten Medi­ Abb.J: Das Collegio Romano war vom 16. bis 18. Jahrhundert belieferte sie bereits im kamente, in dem sich gleichsam eine der bedeutendsten lehr- und Bildungsstätten der Jesuiten. 17. Jahrhundert neben die internationale Dimension der den Kranken in der Apotheke widerspiegelt, war der speziell pharmakobotanische - an­ Stadt Rom ein breites internati- ,Römische Theriak'.12 Mit dem stellten.4 Zudem entspann sich ein onales Kundenklientel, das von Vertrieb der Panazee avancierte internationaler Heilmittelverkehr, den Mitgliedern der Gesellschaft sie zu einem Zentrum der überre• indem von der Apotheke des Rö• Jesu selbst, Gönnern des Ordens, gionalen Arzneiversorgung; denn mischen Kollegs traditionelle euro­ Magnaten bis hin zu Päpsten und als Variante der traditionellen päische Arzneien wie der Theriak hauptsächlich mit den durchreisen­ den Glaubensboten ihren Weg in ferne Lande fanden und exotische Drogen wie Chlnarinde, Mexika­ nisches Traubenkraut und Hibiskus nicht selten über diese Offizin in die Materia medica der Alten Welt gelangten. Die Kollegsapotheke von Rom war damit einer der Dreh- und Angelpunkte innerhalb des welt­ umspannenden pharmazeutischen Netzwerks des Jesuitenordens. Ihren Anfang soll die Apotheke des Collegia Romano in einem Gebäude am Torre Rossa (südwestlich des t>UNT:t JJFI J.1/:l'f, .t"T ~ftl COlffl;f(• RO.\fA N(l Vatikans) genommen haben, das die Abb.2: Plan des Col/egio Romano, 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts (aus: Cerchiai [wie Anm. 1], S. 76). Gesellschaft Jesu 1555 erworben hatte, um ein Krankenhaus - und dazu gehörte mit Sicherheit eine Art gekrönten Häuptern reichte. och ,Theriaca Andromachi' stand das Apotheke - für ihre Mitglieder ein­ heute erinnert eine Gedenktafel Kompositum innerhalb des Or­ zurichten.5 Im 16. Jahrhundert sind an den Besuch des englischen dens in so hohem Ansehen, dass Nachrichten über die Ordensapo­ Königs Jakob III. am 2. Juni 1742. 8 es, wie Korrespondenzen und theke eher spärlich, wenngleich die Die hohen Gäste wurden in der Rechnungsbücher belegen, etliche Personalkataloge der Gesellschaft Regel mit Arzneien wie diversen europäische Kollegien bzw. deren Jesu die Tätigkeit eines Pharmazeu­ Essenzen, Balsamum apoplecti­ eigene Apotheken, beispielsweise ten (farmacopola) schon für das Jahr cum, Theriak, Mithridat, Hyazinth in Freiburg, München, Konstanz, 1560 zweifelsohne belegen.6 Späte• und Alkakermes in nicht selten Augsburg, Florenz, Venedig und stens im ersten Drittel des 17. Jahr­ wertvollen Gefäßen aus Edelme­ Trient, direkt aus Rom zu bezie­ hunderts aber richtete man dann tallen bedacht. Die Medikamente hen wünschten.13 So versteht es eigens im Collegia Romano eine blieben aJJerdings nicht den Rei­ sich fast von selbst, dass in einer neue Offizin ein, die Papst Urban chen und Mächtigen allein vorbe­ der Lünetten, die heute noch die VIII. im April 1631 persönlich in Au­ halten, sondern Arme empfingen Räume der einstigen Offizin zieren, genschein nahrn. 7 Mit ihren insge­ sie als Almosen.9 kein Geringerer als Andromachos samt fünf Räumen und dem daran Wie aus den Rechnungsbüchern der Ältere, einer der Leibärzte des angrenzenden, reich ausgestatteten zu ersehen ist, bezogen zudem Kaisers ero (reg. 54-68), thront Arzneipflanzengarten stellte die zahlreiche durchreisende Ordens­ und neben ihm, dem „magni medi­ Apotheke einen eigenen Komplex männer Arzneien, nahmen diese camenti conditor", eben ein Theri­ innerhalb des Kollegs dar und war an ihre eigentlichen Wirkstätten, akgefäß abgebildet ist14 (Abb. 3) 58 Geschichte der Pharmazie 57. Jahrgang· Dezember 2005 selbst und Kranke auf ihrem meist Arzneipflanzen ersetzte. Selbst in langen und gefahrvollen Weg in den entlegensten Winkeln der Mjs­ die fernen Missionsgebiete und sionsgebiete entwickelte sich der Rö• schließlich vor Ort im Bedarfsfall mjsche Theriak zu einem der wich­ behandeln konnten. Dabei verzich­ tigsten Medikamente überhaupt. So tete man wohlweislich nj cht auf lobte etwa ein Missionar in ayarit den Hinweis, dass sich gerade der (Mexiko) ,Triaca Romana' als be­ Römische Theriak als Arznei aus­ währtes Hejjmjttel gegen Bisse und gezeichnet bewährt habe. 16 Stiche giftiger Tiere insbesondere Abb.3: Andromachos der Ältere mit einem The­ So erscheint es nur folgeri chtig, dass aber dort häufig vorkommender 18 riakgefäß in einer Lünette der einstigen Apoth e­ der Theriak bald zum Standardin­ Skorpione. kenräume des Collegia Romano (aus: Cerchiai ventar der Ordensapotheken in den Schüeßlich fand das berühmte {wie Anm. 1] , S. 248). Missionsländern rund um den Glo­ Kompositum Eingang in die außer­ bus zählte, und in der aus dem Jahre europäischen Materiae medicae Bekanntlich hatte Andromachos 1766 stammenden Handschrift ,Coll­ und wurde, wie es etwa die Farma­ der Ältere dem Theriak eines der eccaö de varias receitas

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