Franz Schubert
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
2. MITTWOCHSKONZERT 2020/2021 2. Dezember 2020 Konzert ohne Publikum im Saal PRINZREGENTENTHEATER Direktübertragung des Konzerts im Hörfunk auf BR-KLASSIK 20.05 Uhr: Musik und Gespräch. 20.30 Uhr: live aus dem Prinzregententheater Video-Livestream ab 20.30 Uhr: br-klassik.de / rundfunkorchester.de Das Konzert kann anschließend abgerufen werden: rundfunkorchester.de/konzerte-digital br-klassik.de/concert FRANZ SCHUBERT Eine musikalische Biografie mit Udo Wachtveitl Udo Wachtveitl REZITATION Benjamin Appl BARITON Jörg Handstein MANUSKRIPT Münchner Rundfunkorchester Alessandro De Marchi LEITUNG Leider musste George Petrou infolge der bestehenden Reisebeschränkungen seine Mitwirkung in diesem Konzert absagen. Dankenswerterweise hat sich Alessandro De Marchi kurzfristig bereit erklärt, das Programm unverändert zu übernehmen. Die CD zum Konzert: Schubert. Die Liebe liebt das Wandern. Eine Hörbiografie von Jörg Handstein. Gelesen von Udo Wachtveitl und Robert Stadlober. Erschienen beim Label BR-KLASSIK PROGRAMM JÖRG HANDSTEIN „DU HOLDE KUNST!“ Lieder und Instrumentalmusik von Franz Schubert FRANZ SCHUBERT (1797–1828) „Der Teufel als Hydraulicus“ Streichquartett Nr. 14 d-Moll, D 810 Warum Schubert-Lieder mit Orchester? rin hören zu müssen, die zu der spindel- Ouvertüre zur gleichnamigen Komödie, („Der Tod und das Mädchen“) Ist nicht die Begleitung genau auf die dürren Klavierbegleitung Lieder singt!“ D 4 Bearb. für Streichorchester: Möglichkeiten des Klaviers abgestimmt? So schimpfte etwa Max Reger – und zog Gustav Mahler Nicht umsonst nennt man die Gattung ja die Konsequenzen, indem er eine ganze 1. Satz: Allegro auch „Klavierlied“. Franz Schubert (1797– Menge Klavierlieder orchestrierte, darun- An die Musik. „Du holde Kunst“ 1828) hat sie erst so richtig etabliert – ter dreizehn von Schubert. Viele berühmte D 547 / Orchestrierung: Max Reger aber er konnte nicht ahnen, dass seine Komponisten waren sich nicht zu schade, Im Abendrot. „Oh, wie schön ist Lieder bald nach seinem Tod in großen hier die Rolle des Arrangeurs einzuneh- „Abendstern“ deine Welt“ Konzertsälen und Theatern gesungen wür- men. Ja, sie sahen sogar eine künstlerische D 806 / Orchestrierung: D 799 / Orchestrierung: Max Reger den. Dort hörte man gerne einmal ein Herausforderung darin, das Lied mit den Alexander Schmalcz Lied zwischen Ouvertüren, Konzerten ganz anderen Möglichkeiten des Orches- „An Silvia“ und Symphonien. Der Dirigent setzte sich ters neu und farbenreich zu „inszenieren“ „Die Forelle“ D 891 / Orchestrierung: dann einfach ans Klavier. Das aber war – ohne dabei die musikalische Substanz D 550 / Orchestrierung: Tim Jackson Alexander Schmalcz nicht jedermanns Geschmack: „Für mein zu verändern. Reger sah noch einen wei- Ohr ist es oftmals direkt eine Beleidigung, teren Vorteil: „[…] es braucht da auch „Erlkönig“ „Der Wegweiser“ aus „Winterreise“ in einem Riesen- nicht extra ein D 328 / Orchestrierung: Max Reger D 911 / Orchestrierung: Anton Webern saal nach einer Flügel aufs Po- Orchesternum- dium geschleppt „Der Tod und das Mädchen“ Benjamin Appl BARITON mer eine Sänge- zu werden …“ D 531 / Orchestrierung: Felix Mottl Benjamin Appl BARITON Symphonie Nr. 5 B-Dur, D 485 4. Satz: Allegro vivace Franz Schubert (1797–1828) 2 3 FRANZ SCHUBERT FRANZ SCHUBERT Franz Schubert musizierend im Freundeskreis. Zeichnung von Ferdinand Georg Waldmüller (1827) Schuberts bedeutendster dichtender Freund war Johann Mayrhofer, als idea- listischer Künstler und zugleich pflicht- treuer Zensurbeamter eine tragisch zer- rissene Existenz. Gegen die Hoffnung, die Kunst könne eine kalte, lieblose Welt heilen, stehen Resignation und Trauer. Sein Gedicht an den Abendstern, also die Venus, spricht genau von dieser Situ- ation einer hilflosen, isolierten Kunst. Schubert kleidet (im März 1824) den Text Scharade der Schubertianer auf Schloss Atzenbrugg mit Franz Schubert (vorne links). in eine milde, weiche Melancholie, setzt Bildnis von Leopold Kupelwieser (1821) kleine, gleichsam planetenferne Hoff- nungsschimmer und lässt doch eindring- Wenn auch seine Themenpalette bald lich die Resignation spüren. reicher wurde, gelangen ihm auf diesem Die Ouvertüre D 4, entstanden um 1811/ besondere sein wohl wichtigster Freund Im Bild der tückisch geangelten Forelle Gebiet weiterhin Geniestreiche. So auch 1812 für eine Schul- oder Privataufführung Franz von Schober, bei dem er im Herbst chiffrierte der eingekerkerte Dichter und sein erster und größter Hit: der Erlkönig der Komödie Der Teufel als Hydraulicus, 1816 einzog, vermittelte ihm wichtige Regimekritiker Christian Friedrich Daniel (Herbst 1815). Einzigartig ist die freie, ist Schuberts erstes vollständig erhaltenes Impulse aus Literatur und Philosophie. Schubart wohl auch seine eigene Gefan- entlang der Handlung durchkomponierte Orchesterstück. Ohne sich um die klassi- Schubert revanchierte sich mit der Verto- gennahme. Schuberts Lied (Ende 1816) Form, die aber dennoch von einem star- sche Sonatenform zu bekümmern, mon- nung von sechzehn seiner Gedichte, und malt in den aufschnellenden Begleitfigu- ken musikalischen Kontinuum zusam- tierte er einfach, immer in D-Dur bleibend, das berühmte Lied An die Musik (März ren die blinkende, bewegliche Forelle, mengehalten wird: den erregten, jagenden thematische Bausteine, deren letzter 1817) verdankt sich wohl wechselseitiger doch wo der Angler aktiv wird, bricht er Triolen und der „Sturmbö“ im Bass. Ge- zum dramaturgischen Höhepunkt führt. Inspiration. Schubert veredelte den eher das Strophenschema dramatisch auf. nial bringt Schubert zudem die verschie- Ein „Hydraulicus“ war übrigens kein mittelmäßigen Text mit einer ausdrucks- Dass nach dem Fang die muntere Bewe- denen Grade der Bedrohung und Angst Klempner, sondern baute große Anlagen vollen Melodie, wie sie auch in einer Ge- gung weiterläuft, als sei nichts gewesen, zum Ausdruck. Nie zuvor hatte es ein zur Hebung und Beförderung von Wasser betsarie stehen könnte. Ein wenig Kunst- gibt der scheinbar heiter-harmlosen Ver- Lied von dieser Dramatik und atmosphä- („Wasserkunst“). Genug Möglichkeit für religion schwingt also mit. Der Instru- tonung eine hintergründige Ironie. rischen Dichte gegeben. 1821 als Schu- den Teufel, Schaden anzurichten … mentalpart scheint nur zu begleiten, aber berts Opus 1 veröffentlicht, wurde der in Wirklichkeit verkörpert er, das Motiv Ausschließlich um Schrecken, Tod und Erlkönig sofort ein Bestseller. Die romantische Vorstellung, die Musik der „holden Kunst“ aufnehmend, die Trauer kreisten Schuberts erste Lieder: Eine ganz außergewöhnliche Form wählte lasse eine bessere Welt ahnen, übernahm Musik selbst. Mit 14 hatte er eine – wie man heute Schubert, der Rollenverteilung folgend, Schubert aus seinem Freundeskreis. Ins- vielleicht sagen würde – Grufti-Phase. für das Lied Der Tod und das Mädchen 4 5 FRANZ SCHUBERT FRANZ SCHUBERT (Februar 1817). Das flehende, verzweifelte Hauptmotiv. Es ist einer von Schuberts inne und überdenkt seinen einsamen Weg. Mädchen singt ein Rezitativ: in kurzen, motivisch dichtesten Sätzen in Sonaten- Die Harmonik gerät dabei buchstäblich abgerissenen Phrasen, begleitet von einem form, getrieben von Schmerz und Angst. auf ferne, fremdartige Abwege. Weberns Rhythmus von drei Achteln, der traditio- Gegen Schluss spielt Schubert versteckt exzellente Orchestrierung (1903 für ein nell Schrecken symbolisiert. Der Tod tritt auf eine Stelle aus seiner Oper Fierabras musikwissenschaftliches Seminar ent- dann quasi mit einem anderen Musik- an, wo es heißt: „Mich fassen die bleichen standen!) lässt das abgründige Lied noch stück auf: feierlich und düster, aber pas- Gestalten der Nacht.“ Im März 1824 erlitt fahler und gebrochener wirken. Am send zu seiner tröstenden, besänftigen- Schubert einen Rückfall seiner schreckli- Schluss macht die Musik deutlicher als den Absicht. Dieser Totentanz ist eine chen Geschlechtskrankheit, und ohne der Text, wohin die Reise gehen soll: Die Pavane, ein ruhiger, würdevoller Schreit- Zweifel verarbeitete er seinen psychischen starren Tonwiederholungen illustrieren tanz. Der Rhythmus entspricht auch Zustand in diesem Quartett. natürlich den „unverrückten“ Wegweiser, Schuberts bekanntem Wanderer-Motiv: sind aber auch – bekannt aus Der Tod und Wir alle, so will er sagen, wandern dem Viele Lieder Schuberts geben Aufschluss das Mädchen – ein Symbol für den Tod. Tod entgegen. über seine sehr subjektive, spontane Re- Leise schwingen in der chromatisierten Die einleitende Todesmusik übernimmt ligiosität. Das berühmte Ave Maria wirke Begleitung Schrecken und Trauer mit. Schubert auch in sein Streichquartett deshalb so stark, „weil ich mich zur An- d-Moll, D 810 (März 1824). Sie liegt dort dacht nie forciere, und, außer wenn ich „Wie von ferne leise hallen mir noch die dem langsamen Variationssatz zugrunde. von ihr unwillkürlich übermannt werde, Zaubertöne von Mozarts Musik. […] Sie Aber eigentlich ist das ganze Werk von nie dergleichen Hymnen oder Gebete sönlicher Empfindung durchbrochen zeigen uns in den Finsternissen dieses der Thematik des Liedes durchzogen. Und komponiere“. Ähnliches gilt für das Ge- wird. Die schlichte, choralartige Beglei- Lebens eine lichte, helle, schöne Ferne, der Tod entpuppt sich dort eben doch als bet Im Abendrot (Februar 1825). Hier tung lässt in Regers Bearbeitung an eine worauf wir mit Zuversicht hoffen.“ Schu- der „wilde Knochenmann“. Im ersten Satz herrscht eine weihevolle, sakrale Ruhe, Orgel denken, und die warmen Bläser- berts romantisches Mozart-Erlebnis im des Quartetts wird der Schreckensrhyth- die bei den Fragen „Könnt’ ich klagen? farben