Reinhard Klimmt Bundesminister A.D. Im Gespräch Mit Susanne Franke
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks http://www.br-online.de/alpha/forum/vor0708/20070816.shtml Sendung vom 16.08.2007, 20.15 Uhr Reinhard Klimmt Bundesminister a.D. im Gespräch mit Susanne Franke Franke: Herzlich willkommen zum alpha-forum. Heute ist bei uns ein Mann zu Gast, den man kennt, und zwar als ehemaligen Verkehrsminister, Bauminister und Minister für Wohnungswesen, aber auch als Ministerpräsidenten des Saarlandes: Herzlich willkommen, Reinhard Klimmt. Klimmt: Guten Tag. Franke: Was man nicht so kennt, ist Ihre große Leidenschaft für afrikanische Kunst, denn die sammeln Sie seit langem. Wie kommt man denn dazu, solche Kunst zu sammeln? Klimmt: Wenn man politisch tätig ist, dann braucht man ja etwas, bei dem der Geist sich ein bisschen erholen kann. Wo ginge das besser als in Kunst und Kultur? Ich habe mich entschieden, afrikanische Kunst zu sammeln, weil sie sehr expressiv, sehr ausdrucksstark ist und qualitativ mit der klassischen Moderne durchaus mithalten kann. Da aber ein Picasso, den ich natürlich auch gerne sammeln würde, oder ein Giacometti für mich finanziell unerreichbar ist, habe ich mich auf die afrikanische Kunst gestürzt. Sie bietet für mich eine vergleichbare ästhetische Qualität wie die klassische Moderne. Mir gefällt sie jedenfalls sehr. Und das ist natürlich auch die ideale Ergänzung zu meiner anderen Leidenschaft, nämlich zu den Büchern. Denn die Skulpturen kann man vor die Regale stellen, während sonst Bücherregale und Bilder ja immer miteinander im Wettstreit stehen. Das ist nämlich der Kampf, den ich zu Hause mit meiner Frau immer ausfechten muss: Wie viel Platz an den Wänden meinen Büchern gehören darf und wie viel für Bilder frei bleiben muss, die sie nämlich sehr gerne hat. Franke: Sie sagen, Sie sammeln Skulpturen. Unter afrikanischer Kunst verstehe ich allerdings auch Masken. Ich dachte daher, in Ihrem Wohnzimmer würden lauter Masken an der Wand hängen. Klimmt: Nun ja, die Masken stehen bei uns auf Ständern und sind sozusagen freischwebend im Raum. Ein paar hängen auch an der Wand, aber sie geben einfach mehr her, wenn sie wirklich im Raum platziert sind: Auf diese Weise haben Sie dann auch etwas von einer Skulptur an sich. Franke: Und Türen sammeln Sie ebenfalls, afrikanische Türen. Warum denn Türen? Klimmt: Nein, nicht die Tatsache, dass das Türen sind, ist das Entscheidende, sondern das Entscheidende ist, dass sie mit Skulpturen und Schnitzereien versehen sind. Sie sind wie Tafelbilder: Man kann sie an die Wand hängen, man kann sie aber auch irgendwo hinstellen. Das sind jedenfalls richtige Kunstwerke. Man kann anhand des Katalogs auch sehr gut zeigen, wie solche Türen aussehen, wie sie gestaltet sind. Denn das sind Kunstwerke für sich. Hier sehen wir im Katalog eine solche Tür, die ich meine. Hier sehen wir wiederum zwei kleinere solcher Türen von den Dogon: Das sind Speichertüren. Sie haben in meinen Augen eine ungeheure ästhetische Qualität. Das gefällt mir einfach. Franke: Muss man sich das so vorstellen, dass Sie immer wieder mal nach Afrika fahren und dort dann zu jemandem sagen: "Oh, Ihre Speichertür gefällt mir, die würde ich gerne mitnehmen!"? Klimmt: Nein, diese Zeiten sind vorbei. Die Dinge, die ich gesammelt habe, habe ich fast alle in Europa erworben; die befanden sich auch schon länger hier in Europa in Galerien oder Kollektionen. Auf Flohmärkten findet man hingegen nur noch selten etwas, denn in Afrika wird nun in großem Stile ganz einfach direkt für den Markt produziert: Das sind dann keine authentischen Stücke mehr, sondern Touristenstücke. Diese sammle ich jedoch nicht, ich möchte vielmehr, dass diese Dinge möglichst authentisch sind und die Kultur dieser Menschen widerspiegeln. Denn damit kommt ja auch immer noch etwas Magisches hinzu. Das hat damit zu tun, dass Afrika für mich ein faszinierender Kontinent ist. Ansonsten neigen wir Menschen in Mitteleuropa ja normalerweise leider dazu, etwas von oben herab auf diesen Kontinent zu schauen. Aber wir müssen einfach wissen, dass ein großer Teil unserer Kultur hier ganz entscheidend von Afrika mitbestimmt ist. Unsere Musik wäre doch ziemlich langweilig, wenn wir nicht den Rhythmus aus Afrika mitbekommen hätten, der über den Jazz zu uns gekommen ist. Oder denken Sie an unsere Malerei und unsere bildende Kunst: Die sind sehr stark inspiriert von Afrika. Wir würden wahrscheinlich immer noch im Stechschritt tanzen, wenn wir nicht von den Afrikanern gelernt hätten, uns ganz anders zu bewegen. Unsere Kultur, unsere Art zu leben ist also sehr stark von der afrikanischen Kultur mitbestimmt. Und genau das umgibt mich bei mir zu Hause sehr stark. Ich höre z. B. sehr gerne Reggae, der ja ebenfalls mit Afrika zu tun hat. Ich höre aber auch Musik direkt aus Afrika: Das ist eine Musik, die heutzutage durchaus auf der Höhe des Weltpop und des Weltjazz steht. All das bildet sozusagen eine Einheit; dies hat mir auch früher schon neben den politischen Problemen, die sich ja selten auf Afrika bezogen, sondern viel mehr auf deutsche und europäische Themen, die notwendige Entspannung verschafft. Franke: Gab es denn einen speziellen Auslöser dafür, warum Sie gerade afrikanische Kunst sammeln? Klimmt: Das ist schwer zu sagen. Das hängt erstens mit den Büchern zusammen, die ich gelesen habe. Es war einfach immer sehr spannend von den Entdeckern Afrikas zu erfahren, wie sie z. B. diesen Kontinent erforscht haben. Als kleiner Junge ist man ja recht an Waffen interessiert: Mein Bruder hat mir deswegen sogar einmal echte Speerspitzen mitgebracht. Bereits als 16-Jähriger habe ich damals auf der Weltausstellung in Brüssel meine erste kleine Figur erstanden, weil sie mir so gut gefallen hat. Franke: Wie alt ist denn die älteste Figur, die Sie besitzen? Kann man das überhaupt angeben? Klimmt: Ich glaube schon, dass einige sogar aus dem 18. bzw. dem frühen 19. Jahrhundert sind. Franke: Sie haben vorhin gesagt, das Sammeln von afrikanischer Kunst sei ein Ausgleich für Ihre politische Tätigkeit. Fangen wir bei Ihrem Werdegang doch einfach mal von vorne an. Sie stammen aus einer sozialdemokratischen Familie: Wie hat sich das geäußert? War Ihr Vater SPD-Mitglied? Klimmt: Er war vor der Nazizeit Parteimitglied und ist deswegen auch nie zu etwas gekommen. Er war dann nach dem Krieg nicht mehr in der Partei, aber das ganze familiäre Umfeld war doch dadurch geprägt. Meine Mutter hatte z. B. in ihrem Poesiealbum, das ich nach ihrem Tod geerbt habe, vorne drin den Spruch stehen, der die ganze sozialdemokratische Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts beeinflusste, nämlich den Satz: "Der Mensch ist gut." Damit war der Glaube an eine bessere Zukunft gemeint, die man erarbeiten kann, und die Vorstellung von der Verantwortung der Menschen. Meine Eltern waren beide Lehrer: Ich stand zwar oft in Opposition zu ihnen, aber ich muss doch zugeben, dass sie glaubwürdig vorgelebt haben, was sie mir einzutrichtern versucht haben. Nach einer gewissen anarchischen Phase des Widerstandes ist dieser Same dann eben doch bei mir aufgegangen und ich habe mich an den Dingen orientiert, die sie mir vorgelebt haben und die sie mir beizubringen versucht hatten. Franke: Sie haben dann ja im Saarland angefangen zu studieren und lernten dabei noch während des Studiums Oskar Lafontaine kennen. Stimmt das? Klimmt: Ja. Ich ging zum Studieren nach Saarbrücken: Ich wollte in die Nähe Frankreichs, weil mich die französische Kultur immer schon sehr stark interessiert hat. Mich interessierten französische Filme, französische Literatur oder auch französische Musik, die ja in Deutschland ansonsten bis auf wenige Ausnahmen nicht so sehr geliebt wird. Saarbrücken war also mein Studienort. Dort habe ich Geschichte studiert und irgendwann lief mir dann auch Oskar Lafontaine über den Weg. Wir trafen uns im Bus und daraus entstand eine Freundschaft und eine jahrzehntelange politische Zusammenarbeit, in der wir sehr erfolgreich waren als Doppel. Franke: Entwickelte sich damals bei Ihnen auch schon Ihr Engagement für den linken Flügel bei den Sozialdemokraten? Klimmt: Nun, ich glaube, das ist bei uns beiden doch etwas unterschiedlich gewesen. Ich war immer auf der gemäßigten Linken positioniert, während er immer so ein bisschen danach gesucht hat, wo am besten das Loch zu finden ist, um nach vorne zu kommen. Deswegen hat er dann auch mehrfach seine Position relativiert, wie ich das ausdrücken möchte. Lange Zeit war ich der "Linkere" von uns beiden. Mit diesen unterschiedlichen Profilen waren wir auch sehr erfolgreich. Denn im Saarland, wo wir zusammengearbeitet haben, haben wir auf diese Weise beide Spektren der SPD gut abgedeckt. Heute ist das allerdings etwas anders geworden: Ich bin der Meinung, ich bin immer noch ein Linker, befinde mich immer noch auf der geraden Linie, die ich einst eingeschlagen habe – natürlich einschließlich der notwendigen Veränderungen, weil die Realität sich verändert hat und immer noch verändert. Er jedoch hat sich nun anders positioniert. Ich glaube, dass das bei ihm wohl leider eher eine strategisch- taktische Überlegung ist, als dass das seiner wirklichen Überzeugung entspränge. Und das führt eben auch dazu, dass eine Reihe der Positionen, die er zurzeit vertritt, im Grunde genommen eher eine taktische Linie darstellt. Ein realistisches Angebot zur Lösung der Probleme unseres Landes stellen sie leider nicht mehr dar. Franke: 1964 traten Sie in die SPD ein. Begann bereits damals diese Zusammenarbeit mit Oskar Lafontaine? Haben Sie von da an alles zusammen gemacht in politischer wie in privater Hinsicht? Klimmt: Ich war etwas früher in der SPD als er. Damals begann dann auch gleich die Arbeit bei den Jungsozialisten. Manchmal war er Vorsitzender und ich sein Stellvertreter, aber es gab auch mal eine Phase, in der ich Vorsitzender und er mein Stellvertreter war. Ja, wir haben das damals immer im Doppelpack gemacht. In der Tat, wir sind von 1966 an bis 1999, also 33 Jahre lang, eigentlich unzertrennlich gewesen. Wir waren wie eine Doppelverglasung kaum zu knacken, weil jeder wusste: "Wenn wir den einen schaffen, dann ist der andere immer noch da!" Und deswegen hat das auch zu Recht nie jemand ernsthaft versucht.