Ausgabe 02 • 2015 I Jg. 40 I EUR 5,00 P.b.b. Verlagspostamt 1010 Wien I 02Z031460M 1010 Wien I 02Z031460M Verlagspostamt P.b.b.

Musik und digitale Musik- Musik und digitale Musikwirtschaft

2015: wirtschaft  OCG Journal Ausgabe 02 NEUERSCHEINUNGEN in der OCG Schriftenreihe

In Memoriam Heinz Zemanek

Hinter allen Ehrungen, Laudationes, Lebensläufen und Memora- Es ist nicht verwunderlich, dass fast jeder Beitrag mehreren Katego- bilien einer großen öffentlichen Persönlichkeit wie Prof. Heinz Ze- rien zugeordnet werden kann – ein Phänomen typisch für Zemaneks manek steht immer auch der Mensch. Diese Sicht kommt leider Vernetzung und Interdisziplinarität. manchmal zu kurz. Die Beiträge wurden praktisch unredigiert übernommen, auch In- formations-Redundanz zwischen den Beiträgen wurde bewusst Mit diesem Erinnerungsband wollen die Herausgeber genau diese belassen. Sicht auf eine faszinierende Persönlichkeit für die Nachwelt erhal- ten: seine Internationalität, seine starke Vernetzung, seine Men- Die vorliegende Sammlung eröffnet eine Sicht auf den Menschen schenfreundlichkeit und Lebensphilosophie und auch seine Schlag- Heinz Zemanek, die oft vergessen wird, aber von den Personen in fertigkeit. seinem Umfeld immer besonders geschätzt wurde.

Freunde, Mitarbeiter, Wegbegleiter und Bekannte schrieben Beiträ- ge, die sich, ohne scharfe Trennung und mit vielen Überlappungen, in folgende Kategorien einteilen lassen: IN MEMORIAM

• Gemeinsame Zeit in der OCG (Österreichische Computer Gesell- schaft) und IFIP (International Federation for Information Proces- sing) Karl Anton Fröschl, Gerhard • Gemeinsame Zeit bei IBM Chroust, Johann Stockinger, • Erinnerungen von (ehemaligen) Studenten und österreichischen Norbert Rozsenich (Hrsg.) Fachkollegen „In memoriam Heinz Zemanek“ • Erinnerungen von Fachkollegen und Freunden aus dem Ausland Band 311 • Erinnerungen von Freunden aus anderen Fachgebieten ISBN 978-3-903035-00-3 Heinz Zemanek • Erinnerungen an gemeinsam erlebte Episoden Preis: EUR 21,50 1920-2014

***

Festschrift und Tagungsband – 40 Jahre OCG

Das im Jahre 1975 von den Gründern definierte Ziel – Förderung von IKT/Informatik im Wechselspiel mit Mensch und Informatik – er- scheint in seiner Fokussierung auf die Schnittstelle IKT-Gesellschaft immer aktueller. Die Jahrestagung mit dem Thema Mensch und Informatik: Digitale Lebenswelten gestalten nimmt die ursprüng- Festschrift und liche Zielvorgabe der OCG wieder auf und interpretiert diese starke Tagungsband

Vision aktuell: Wo steht IKT/Informatik heute? Wie wollen wir da- 40 Jahre OCG mit umgehen? Welche Entwicklungen sind sichtbar? Wie wollen 1975 wir an der Gestaltung dieser digitalen Lebenswelten teilhaben? Reinhard Goebl (Hrsg.) 2015 „Festschrift und Tagungsband, Die Festschrift als Tagungsband versammelt Reflexionen zu den gro- 40 Jahre OCG, 1975-2015“ ßen und aktuellen Themen der IT (Cloud Computing, Big Data, Ener- Band 312 gie-Informatik, Visual Computing, Security & Privacy u.a.), Grußbot- ISBN 978-3-903035-01-0 schaften und Meilensteine aus 40 Jahren OCG. Preis: EUR 21,50

Bestellung: E-Mail an [email protected] Editorial

Die digitale Musikindustrie als Themenschwer- bisherigen Gesetzesvorlagen die technologisch punkt dieser Ausgabe: Die Branche steht vor der und gesellschaftlich absehbaren elementaren zweiten großen Umwälzung seit ihrem Eintritt Veränderungen in Bezug auf die angebotenen ins digitale Zeitalter. Während in der ersten Pha- Dienste und das entsprechende Benutzungs- se Steve Jobs noch höchstpersönlich die Kon- verhalten bislang keine Berücksichtigung fan- zernchefs großer Musikverlage davon überzeu- den. gen musste, dass in einem legalen digitalen Es freut mich außerordentlich, dass der Beitrag Musikgeschäft – mit relativ viel Freiraum für der OCG über die Arbeit des Österreichischen Kundinnen und Kunden, Stichwort: Fairplay – Integrationsfonds den Best Practice Award der die Zukunft und letzte Hoffnung einer ganzen ECDL Foundation in der Kategorie „ECDL in Industrie lag (und er sollte Recht behalten), Society“ gewonnen hat. Das zeigt deutlich, kommt der neue Umbruch leiser, unauffälliger dass Weiterbildungsmaßnahmen wie ECDL und mit weniger Widerstand seitens der Bran- und ECDL Advanced für Personen mit Migra- che: Musik im Abo, zu einem monatlichen Pau- tionshintergrund von grundlegender Bedeu- schalpreis. Noch sind die Marktanteile der An- tung sind. Die OCG ist seit Jahren bemüht, den bieter im Verhältnis zu den digitalen Verkäufen Nutzen der IT für Menschen, die nicht die op- relativ gering. Die Umsätze des Marktführers timalen Startbedingungen erhalten haben, zu iTunes Music Store sind heuer jedoch erstmalig erhöhen. In meiner neuen Funktion als Präsi- rückläufig; die Content-Industrie mit Mo- dent der OCG werde ich mich dafür einsetzen, natspauschalen verzeichnet dagegen hohe in den nächsten Jahren mit noch stärkerem zweistellige Wachstumsraten. Nicht nur bei Engagement konkrete Konzepte und Verbes- Musik, sondern auch bei Printverlagen und in serungsansätze zu erarbeiten sowie mit der der Filmindustrie gehen viele Entwicklungen in Politik in Dialog zu treten, um diese Heraus- diese Richtung: Niederschwellige Pauschalie- forderung gemeinsam zu adressieren. Funkti- rung für die Nutzungsmöglichkeit auf Zeit statt onierende Integrationskonzepte für Menschen Verrechnung für die tatsächliche Einzelnut- aus anderen Ländern zu entwickeln und um- zung – so lautet das einfache, aber erfolgver- zusetzen wird in den kommenden Jahren eine sprechende Konzept. der politisch größten Aufgaben in westlichen Umso erstaunlicher ist, dass in der Vorlage zur Industrienationen sein – sich hier als OCG in Urheberrechtsnovelle 2015 zwar die anachro- Bezug auf IT aktiv, konstruktiv und unterstüt- nistisch anmutende Speicherabgabe vorgese- zend einzubringen ist für mich ein Gebot der hen ist, abonnierte und legale Streaming-Dien- Stunde. Wenn auch Sie sich an diesem Prozess ste, die lokale Privatkopien obsolet machen, beteiligen wollen, zögern Sie bitte nicht, mich jedoch überhaupt nicht berücksichtigt werden. zu kontaktieren – bei diesen großen Themen Ich behaupte, dass auf der Mehrzahl der heu- unserer Zeit können wir gemeinsam noch mehr tigen privaten Smartphones und Tablets mit bewegen. Speicherkapazitäten jenseits der 120 GB keine urheberrechtlich geschützten Inhalte, sondern private Fotos und Videos eben jenen Speicher- platz benötigen, für den die Content-Industrie einen pauschalen Obolus fordert (von Firmen- geräten ganz abgesehen). Schade, dass in den Markus Klemen, Präsident OCG

Mag. Markus D. Klemen Studium der internationalen Betriebswirtschaftslehre an der Universität Wien 1991-2003 Selbständige Tätigkeit (Softwareentwicklung, Netzwerktechnik und IT-Sicherheit) 2003-2006 Mitarbeiter am Institut für Softwaretechnik und interaktive Systeme (IFS) der TU Wien seit 2006 Mitbegründer und kaufmännischer Geschäftsführer von SBA Research, Forschungszentrum für IT-Sicherheit (www.sba-research.org) ab 2014 Elected President der OCG und seit Juni 2015 aktiver Präsident der OCG Inhalt

[ 6

Themenschwerpunkt: IKT in der Ausbildung Musik und digitale Musikwirtschaft 27 ECDL Kurse für Migrantinnen und Migranten sind Gold wert 6 Der Musikant mit Taschenrech- 17 Klingende Bausteine für die ECDL Austria gewinnt Gold und ner in der Hand Industrie Silber beim ECDL Best Practice Algorithmen zur Musikanalyse Ein Projekt ebnet der Musiktech- Award 2015 mit Anwendungen in der Krea- nologie den Weg in den Markt 29 Papier, Schere und Laptop – tivwirtschaft 19 Die Online jam Community Maker Days für Kinder 9 Die Digitalisierung der Musik­ Wie Technologie den musika- Die erste offene digitale industrie und ihre Folgen lischen Kreativprozess beeinflusst Werkstatt für Kinder Die Musikindustrie auf dem Weg 20 Der hörbare Programmierfehler ins digitale Zeitalter Musik als Trägerprinzip für Infor- 12 Marktteilnehmer, Machtver- matik-Didaktik schiebungen und die Hoffnung 23 „Informatik hat mich schon auf Transparenz immer fasziniert“ Der digitale Musikmarkt im Ein Gespräch mit Michael Wandel Tschuggnall 15 Ästhetische Wahrnehmung und 25 Vienna Symphonic Library Erfahrung von Musik in der digitalisiert Instrumente und digitalen Gegenwart Räume Musik hören – Zeit für den Die Klangdatenbank mit Echt- Augenblick haben zeitsteuerung

4 OCG Journal | 02  2015 [ 9

[ 37

[ 47

Wissenschaft und Digitale Zivilgesellschaft Wettbewerbe und Preise Technologie 40 Europa zwischen Untätigkeit 45 Finaltag computer creativ 30 Neue Spielregeln für den Nach- und Interessenskonflikten – wettbewerb 2015 lass von Online-Identitäten der Google-Fall, der digitale Die SiegerInnen 2015 Trauer & Tod im Internet Binnenmarkt und das TTIP 46 Bundesfinale für die Informatik- 33 Möglichkeiten und Grenzen im Kamingespräch mit Michael Olympiade 3D-Druck Reimon Das Team für die IOI 2015 steht Präsentation einer Studie fest 34 „Independence Day – Time for a European Internet?“ Central and Eastern European e|Dem and e|Gov Days: ein Ta- Gesellschaftliche Kohäsion Plattform OCG gungsbericht 37 Forschungsnahe IT und Innova- 42 Es ist normal, verschieden zu 47 Mensch und Informatik: digitale tionen aus Österreich sein Lebensräume gestalten Das war die IMAGINE 15 Der Beitrag der Informatik OCG Jahrestagung 2015 zur Verwirklichung eines 51 OCG Veranstaltungen Menschenbildes OCG Schriftenreihe Impressum

02  2015 | OCG Journal 5 Themenschwerpunkt: Musik und digitale Musikwirtschaft

Algorithmen zur Musikanalyse mit Anwendungen in der Kreativwirtschaft

von Peter Knees Der Musikant mit Taschen- rechner in der Hand

Die Entwicklung der analogen und digita- weise günstigen, physischen elektro- damit einhergehend) haben diese neuen len Musikreproduktionsmöglichkeiten der nischen Instrumenten, die sich entweder technischen Möglichkeiten auch zu einer letzten hundert Jahre – bis zum Ende des als eigenständige Klangmaschinen präsen- neuen Klangästhetik und in Folge zur Ent- 19. Jahrhunderts war Musikgenuss immer tieren – wie Keyboards oder Drum Machi- stehung und Etablierung elektronischer mit der konkreten instrumentalen Auffüh- nes – oder als ergänzende Eingabegeräte Musik als dezidierter Kunstform und als rung von Musik und damit auch der Not- zu bestehenden Digital Audio Worksta- musikalisches Genre geführt. Darüber hi- wendigkeit der Beherrschung der Instru- tions (DAWs) wie Pro Tools (Avid), Logic naus findet sich elektronisch produzierte mente verbunden, während Musik heute (Apple), Cubase (Steinberg), Live (Ableton) Musik heute in allen Bereichen der Kreativ- ein digital verbreitetes und geradezu bei- oder Maschine (Native Instruments). wirtschaft und stellt dadurch einen bedeu- läufiges Massenkonsumprodukt ist – hat tenden ökonomischen Faktor dar (siehe nicht nur zu einem Paradigmenwechsel In der Praxis haben diese Entwicklungen Infotext auf Seite 8). des Musikkonsums geführt, sondern auch nicht zuletzt zu Innovationen musikali- zu einem Paradigmenwechsel in der Pro- scher Natur geführt, beispielsweise durch Trotz der angesprochenen Demokratisie- duktion von Musik. die Verwendung synthetischer und digital rung und aller technischen Errungenschaf- bearbeiteter Klänge sowie der Möglichkeit ten und Möglichkeiten sind wir jedoch Als Resultat sind heutzutage sämtliche bestehende Sounds zu sampeln und in ei- immer noch davon entfernt, dass tatsäch- Schritte der Schöpfung von Musik digital nem neuen Kontext wiederzuverwenden lich jeder zum Musikschaffenden werden umsetzbar: von der Synthese von Instru- (z.B. als Loop). Diese Revolution, Musik und sich musikalisch-kreativ verwirklichen menten und Klängen über die (symboli- direkt auf der Basis von Klängen und ohne kann. Tatsächlich sind interessierte Anwen- sche) Komposition bzw. der zeitlichen An- die Notwendigkeit der Beherrschung mu- derInnen, so sie die damit verbundenen ordnung dieser bis zur fertigen Produktion sikalischer Notationen oder die Kenntnis Anschaffungskosten nicht scheuen, oft und Mischung. Benötigt werden für all dies jeglicher Harmonielehre oder Musiktheo- mit technischen Problemen konfrontiert mittlerweile nur noch ein Laptop oder Ta- rie zu komponieren, kann als Beitrag zu ei- oder schlichtweg mit all den Optionen, blet und die passende . Begleitet ner Demokratisierung des Musikschaffens die aktuelle DAWs bieten, überfordert. wird dieser Trend von neuen, vergleichs- gesehen werden. Nebenbei (und teilweise Das reicht von der Vielzahl an Elementen

Bildnachweis/Copyright: Native Instruments

6 OCG Journal | 02  2015 Neuartige Musikcontroller ermög- lichen neue Zugänge zu Kompo- sition und Live-Performance. Hier im Bildvordergrund der Reactable, ein virtueller modularer Synthesi- zer, der durch das Platzieren von Objekten, sogenannten Tangibles, und Gesten auf der Tischober- fläche gesteuert wird. Tangibles können Oszillatoren, Filter, Sequen- zer oder Samples repräsentieren. Benachbarte Objekte beeinflussen

einander und erlauben so, Klänge Bildnachweis/Copyright: Reactable zu erzeugen oder zu manipulieren.

in der Benutzerschnittstelle bis zu den „Verstehens“ von Musik und typischer der Anwendungsschwerpunkt dieser For- scheinbar unbegrenzten Bibliotheken von Bearbeitungsschritte heraus. Um der Be- schungsrichtung in den letzten 10 Jahren Instrumenten, Samples und Effekten. Als nutzerin oder dem Benutzer, sagen wir, stark auf die MusikkonsumentInnen ausge- Konsequenz sind digitale Musikprodukti- es handelt sich um professionelle DJs, richtet, etwa durch Methoden zur Musik- onsumgebungen oft bei Weitem nicht so die zwei Tracks synchronisieren wollen, empfehlung und Playlisten-Erzeugung, so intuitiv in der Bedienung wie ein traditio- lästige Arbeiten wie die Markierung des nähert sich die Genauigkeit der Algorith- nelles akustisches Musikinstrument. Für Beats oder die Bestimmung des Tempos men mittlerweile einem Qualitätslevel an, die professionellen BenutzerInnen beein- abnehmen zu können, braucht es Mu- das bei BenutzerInnen genügend Akzep- trächtigt dies den Arbeitsfluss, für die Laien sikanalyse-Algorithmen, die den Beat in tanz erfährt, um auch in professionellen macht es den Einstieg unnötig kompliziert. einem Stück präzise finden können. Um – Produktionssystemen eingesetzt werden Und schließlich bleibt in vielen Fällen das inspiriert von einem bestehenden Song – zu können. Um die zuvor angesprochenen grundlegende Problem bestehen, dass das ohne Unterbrechung im Arbeitsfluss Algorithmen zu realisieren und den Durch- erreichbare Niveau der produzierten Musik interessante Elemente aus diesem Song bruch intelligenter Methoden zur Musika- im Falle fehlender musikalischer Expertise zu extrahieren, zum Beispiel die Melodie nalyse in der Musikproduktion auf einer der Komponistin bzw. des Komponisten oder Sequenzen, die sich als Loop eignen, breiteren Basis zu ermöglichen, erscheinen nicht allzu hoch werden dürfte. braucht es intelligente Algorithmen, die drei Zielsetzungen erfolgversprechend: dieses schnell und zuverlässig im Hinter- INTELLIGENTE MUSIKANALYSE grund erledigen. Um die Unmengen an 1. Genauere und effizientere Algorith- ALS SCHRITT ZUR FÖRDERUNG Instrumentensamples, die sich üblicher- men, die auch auf portablen Geräten VON KREATIVITÄT weise in einer schnöden und endlosen al- mit geringeren Hardware-Ressourcen Wie kann mit derartigen Situationen, die phabetisch sortierten Liste befinden, über- ausgeführt werden und dadurch in NovizInnen wie ExpertInnen gleicherma- sichtlich zu präsentieren, benötigt man kostengünstigen Apps zum Einsatz ßen betreffen, umgegangen werden? deskriptive Audiofeatures und intelligente kommen können. Konkret, welche Schritte können unter- Visualisierungsmethoden. Und um gar 2. Echtzeitfähigkeit der entwickelten nommen werden, um Musikproduktions- eine Hilfestellung in musikalisch heraus- Musikanalyse-Algorithmen, um live umgebungen und -instrumente intuitiver fordernden Passagen zu bieten, braucht auf der Bühne eingesetzt werden zu zu gestalten und einen Mangel an musi- es Algorithmen, die ein Verständnis von können und damit Improvisationen, kalischem Vorwissen zu kompensieren? Rhythmusstruktur, Tonskalen, Harmoni- Reaktionen und Interaktionen von und en oder bestimmten Musikstilen haben. mit MusikerInnen mit akustischen wie Was zuerst nach einer reinen Frage des elektronischen Instrumenten zu unter- Interface-Designs klingt, stellt sich bald Methoden dieser Art werden im Bereich stützen. als Herausforderung des maschinellen Music Information Retrieval erforscht. War 3. Entwicklung von autonomen Exper-

02  2015 | OCG Journal 7 tensystemen für Musikkomposition, die Maschine führt dabei möglicherweise sogenannte „Musikalische Agenten“, zu einer neuen Ästhetik. Und wer weiß, die im Prozess des Musikschaffens vielleicht kommt der Klang der nächsten Vorschläge bzgl. Rhythmus, Melodie, Musikrevolution bereits aus einer dieser Arrangement, Material oder Struktur neuen, intelligenten Musikmaschinen. << GiantSteps – Seven League unterbreiten. Diese Agenten können Boots for Music Creation für ihre Vorschläge sowohl auf musik- and Performance theoretischem Wissen als auch auf Re- Im Rahmen des EU-geförderten trans- ferenzwerken aufbauen. nationalen Forschungsprojekts Giant- Kreativwirtschaft Steps (Projektzeitraum: 2013-2016) In Kombination mit verbesserten Interfaces Abseits der Musikindustrie finden werden neue Methoden, Anwendun- und Eingabegeräten könnte dadurch eine professionelle Systeme zur Audio gen und Interfaces zur Unterstützung neue Generation von computerbasierten Content-Erstellung in allen Sparten der der Kreativität von Musikschaffenden Musikproduktionsumgebungen entstehen. Kreativwirtschaft Anwendung – von entwickelt. In enger Zusammenarbeit Videoproduktion, über Radio, TV, Film, mit AnwenderInnen werden dabei im DIE (MÖGLICHEN) und Videospieldesign bis zur Werbebran- Rahmen von Workshops und Events KONSEQUENZEN che. Allein in den Vereinigten Staaten (bspw. der Red Bull Music Academy) Die beschriebenen Weiterentwicklungen generierte der Verkaufssektor in den Unzulänglichkeiten bestehender Mu- würden einerseits zu effizienteren und intu- Bereichen Digitale Musikproduktion und sikproduktionssysteme identifiziert itiveren Arbeitsabläufen für ProduzentInnen Elektronische Musikinstrumente im Jahr und Anforderungen an zukünftige und MusikerInnen führen, die bei Bedarf 2013 Handelswerte von über 350 Milli- Systeme formuliert. Die gewonnenen auf Hilfestellungen durch den Computer onen bzw. 220 Millionen US Dollar; der Erkenntnisse dienen als Leitlinien für zurückgreifen können, andererseits für globale Marktwert der Industrie rund um praxisnahe und benutzerzentrierte AmateurInnen und EinsteigerInnen durch Electronic Dance Music (EDM) bewegt sich Forschung in den Bereichen Music erschwingliche Tools und Apps mit fokus- Schätzungen zufolge für das Jahr 2012 im Information Retrieval, Human-Com- sierter Funktionalität die Hemmschwelle Bereich von 15-20 Milliarden US Dollar. puter Interaction und Interface De- zum digitalen Musizieren erheblich senken. sign. Durch die Zusammenarbeit mit Speziell die Möglichkeiten auch ohne musi- Quellen: kommerziellen Partnern innerhalb des kalische Vorbildung Musikstücke inhaltlich The 2014 NAMM Global Report. National Konsortiums werden die entwickelten zu analysieren und weiterzuverwenden Association of Music Merchants Inc. Algorithmen und Benutzerschnitt- und beim Komponieren „richtige“ Ent- www.namm.org/files/ihdp-viewer/global- stellen auf die aktuellen Marktanfor- scheidungen treffen zu können, laden ein, report-2014 derungen abgestimmt, um eine rei- eigene Ideen auszudrücken und zu probie- Kiendl, W. The Economics of EDM. Music bungslose Integration in kommerzielle ren. Dies könnte neue Märkte erschließen Business Journal, Dez. 2013. Produkte zu ermöglichen. und zu einer weiteren Demokratisierung www.thembj.org/2013/12/the-econo- Das Institut für Computational Percep- des Musikschaffens beitragen. mics-of-the-electronic-dance-industry tion der Johannes Kepler Universität Linz kooperiert im Rahmen dieses Auch für erfahrene AnwenderInnen und Projektes mit der Music Technology MusikerInnen bieten neue Produkte und Group der Universitat Pompeu Fabra Features neue Chancen zur Erweiterung in Barcelona, dem Studio voor Elec- des künstlerischen Spektrums und Aus- tro-Instrumentale Muziek (STEIM) in druck der Kreativität auf und abseits der Dr. Peter Knees studierte Amsterdam, der Red Bull Music Aca- Bühne. Die Möglichkeit auf sehr gut funk- an der TU Wien und demy, Native Instruments, Reactable tionierende und verlässliche Algorithmen der Johannes Kepler Systems und JCP-Connect (Projekt- zurückgreifen zu können, etwa um live Universität Linz leitung). Der Forschungsschwerpunkt elektronische Instrumente mit akustischen Informatik. Er ist des Instituts liegt dabei auf Music In- zu synchronisieren oder abwechselnd mit Universitätsassistent am Institut für formation Retrieval in den Bereichen der Maschine Variationen eines Themas zu Computational Perception der JKU Linz Beat Erkennung, Drum Transkription, improvisieren, eröffnet neue Spielräume. und verantwortlich für das EU Projekt Rhythmusanalyse und Empfehlungen Überhaupt wird durch den Einsatz intel- GiantSteps zur Entwicklung intelligen- zur Variation von Rhythmen sowie der ligenter Methoden die Maschine Partner ter Musikproduktionstechnologien. Integration von semantischer Infor- aber auch Gegenpol im kreativen Prozess. mation aus dem Web in stilbasierte Für beide Seiten, Mensch wie Maschine, Analyse. sind dabei sowohl Imitation als auch Sub- Weiterführende Informationen: version kreative Impulsgeber. Das Aus- www.giantsteps-project.eu lagern eines Teils der kreativen Arbeit an

8 OCG Journal | 02  2015 Themenschwerpunkt: Musik und digitale Musikwirtschaft

Die Musikindustrie auf dem Weg ins digitale Zeitalter

von Peter Tschmuck Die Digitalisierung der Musik- industrie und ihre Folgen

Als die beiden Elektronikkonzerne Phi- DIE DIGITALE REVOLUTION henflug beschert. Niemals zuvor wurden lips und Sony 1983 die Compact Disc, IN DER MUSIKINDUSTRIE weltweit so viele Tonträger verkauft wie im besser bekannt als CD, 1983 am Markt BRICHT LOS Milleniumsjahr. Die Musikindustrie war so einführten, war weder ihnen noch den Der Dammbruch erfolgte, als der 19jähri- profitabel, dass in den 1990er Jahren zahl- anderen Protagonisten der Musikindus- ge College-Abbrecher Shawn Fanning ge- reiche branchenfremde Konzerne wie der trie bewusst, dass sie die Grundlagen ei- meinsam mit seinen Hackerfreunden eine kanadische Spirituosenkonzern Seagram, ner Revolution legten, deren Opfer sie Software programmierte, die es erlaubte, der japanische Mischkonzern Matsushi- später werden sollten (siehe dazu aus- direkt auf die Festplatten anderer Compu- ta, das französische Medienkonglomerat führlich Tschmuck 2012: 166). Erstmals ter zuzugreifen, um nach herunterladbarer Vivendi oder der japanische Elektronik- war Musik in digitaler Form auf einem Musik zu suchen. Das Programm wurde riese Sony durch Milliardenakquisitionen Tonträger gespeichert worden. Es war nach Fannings Hackernamen Napster ge- in das Musikbusiness eingestiegen sind lediglich eine Frage der Zeit, dass Musik tauft und brachte die digitale Revolution (Tschmuck 2012: 174-182). In dieser Fei- in unkörperlicher Form unabhängig von in der Musikindustrie endgültig ins Rollen erstimmung platzte die Erfolgsnachricht einem Trägermedium verbreitet wird. (zur Geschichte von Napster siehe Menn über das P2P-Filesharing-Netzwerk Naps- 2003). ter, über das buchstäblich der gesamte Dazu bedurfte es zum einen des Internets, damals verfügbare Musikkatalog gratis das seine Wurzeln im 1969 etablierten Als Napster im Jahr 2000 dem Gipfel sei- verfügbar gemacht wurde. Bei den Ver- ARPANET hatte, und zum anderen eines ner Popularität zusteuerte, stand die Mu- antwortlichen der Musikkonzerne schrill- Audioformats, das über die noch lang- sikindustrie – und damit war vor allem ten die Alarmglocken und schwere juris- samen Internetverbindungen der 1990er die Tonträgerindustrie gemeint – am wirt- tische Geschütze wurden gegen Napster Jahre leicht und schnell verschickt werden schaftlichen Höhepunkt. Die CDs hatten und seine Protagonisten aufgefahren. An- konnte (ibid.: 183). Ein solches Format den Plattenfirmen einen historischen Hö- fang Dezember 1999 hatte der US-ame- stand 1990 bereits zur Verfügung, nach- dem das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen die Datenkom- pressionsmethode Motion Picture Expert Group-1/Layer 3, alias MP3, entwickelt hatte. Beta-Versionen von MP3-Dateien, die sich hervorragend für die Speicherung und Verbreitung von Musik eigneten, ver- breiteten sich bereits Mitte der 1990er Jahre über Newsgroups und Chatrooms im ganzen Netz (ibid.). Allerdings stand die damals noch sehr langsame Übertra- gungsrate im Internet einer weiteren Ver- breitung der neuen Digitaltechnologie im Wege.

Der Kampf der Musikkonzerne gegen das Filesharing ging verloren. Nutznie- ser war Apple mit einem funktionie- renden Musikdownload-Shop. © freeimages.com / Raven3k

02  2015 | OCG Journal 9 rikanische Musikindustrieverband – Re- Federführung der Londoner IFPI-Zentrale nente Musikdownloads – zum zeitlich wie cordings Industry Association of America wurden in vielen anderen Ländern ähn- räumlich unbegrenzten Zugang zu Musik. (RIAA) – im Namen der Musik-Majors Kla- liche Kampagnen gegen FilesharerInnen Musikstreaming wurde zum Zauberwort ge gegen Napster erhoben. Obzwar sich lanciert, die in Deutschland zu einem or- für die gesamte Branche. Vorreiter in Euro- die deutsche Bertelsmann AG bei Napster ganisierten Abmahnwesen führten, das pa war der schwedische Streamingdienst einkaufte und sich damit den Konflikt mit bis heute jährliche tausende Internetnut- , der sich bezeichnender Weise am dem hauseigenen Plattenkonzern Bertels- zerInnen abstraft.3 Höhepunkt des The Pirate Bay Gerichts- mann Music Group einhandelte, unterlag prozesses im Jahr 2008 als wirkungsvolle Napster schließlich vor Gericht den Mu- UMSTRUKTURIERUNG UND Alternative zum Filesharing am Markt po- sikkonzernen und musste 2002 Konkurs REORGANISATION DES sitionierte. anmelden (siehe Menn 2003). GESCHÄFTSMODELLS Die massive Kritik an den Musikkonzer- Die Plattenfirmen, allen voran die Mu- DER KAMPF DER MUSIK­ nen, kein nutzerfreundliches Angebot sikkonzerne, witterten nun Morgenluft. KONZERNE GEGEN DAS dem Filesharing entgegenzustellen, trieb Kein Musikstreamingdienst konnte ohne FILESHARING die Plattenfirmen in die Arme von Apple ihre riesigen Musikkataloge in den Markt Aber schon während des Gerichtsverfah- und seinem iTunes Downloadshop, der eintreten. Allerdings machten die Majors rens gegen Napster hatten sich alternative seit 2003 auch für Nicht-Apple-UserInnen nicht den gleichen Fehler wie noch bei P2P-Clients, die sich dezentraler Internet- zugänglich gemacht wurde. In kürzester Apple/iTunes. Den unterkapitalisierten protokolle wie Gnutella oder Fasttrack Zeit stieg Apple zum Marktführer für Mu- Musikstreaming-Anbietern wurden harte bedienten, etabliert und Napster an Po- sikdownloads auf und kontrolliert bis heu- Bedingungen gestellt. Wer den Katalog pularität rasch überflügelt. Die Musik- te weltweit dieses Marktsegment. der Majors nutzen will, muss sowohl Vor- industrie reagierte darauf mit weiteren schusszahlungen in zweistelliger US$-Mil- Millionenklagen, die sich meist über Jahre Die Musik-Majors hatten zu spät erkannt, lionenhöhe – die nicht mit den Künstle- hinzogen und Anbieter wie Audiogalagy, dass sie die Kontrolle über die legale Mu- rInnen geteilt werden müssen – als auch , LimeWire, The Pirate Bay, Mega- sikdistribution verloren hatten. Digital hohe Lizenzentgelte akzeptieren. Da für upload, Grooveshark etc. letztendlich in Rights Management Maßnahmen ver- die Streamingplattformen diese Bedin- die Knie zwangen.1 2003 ging die RIAA sagten ebenso wie die Etablierung haus- gungen nicht leistbar sind, haben sich die sogar soweit, individuelle FilesharerInnen eigener Musikdownload-Shops. Die Um- Majors wie auch die Lizenzierungsagentur von Musikdateien ausfindig zu machen satzzuwächse im Digitalgeschäft wurden für Indie-Labels, MERLIN, mit Unterneh- und mit Klage zu bedrohen. Mehr als durch massiv sinkende Tonträgerverkäufe 35.000 InternetnutzerInnen gingen den wieder zunichtegemacht. Die Folge waren RIAA-Fahndern ins Netz und kauften sich massive Umstrukturierungsmaßnahmen, Die Vinylschallplatte hat überlebt und mit Abschlagzahlungen um die US $3.000 in denen Kernkompetenzen wie Tonstu- sich als Nischenprodukt etabaliert. von einer Anklage frei. Lediglich zwei Fälle dios, CD-Presswerke, der Tonträgervertrieb © freeimages.com / StefanG81 landeten vor Gericht, die mit Verurteilun- und bis zu einem gewissen Grad auch das gen zu Schadenersatzzahlungen in der Artist- & Repertoire-Management (siehe Höhe von US $222.000 für 24 geteilte dazu ausführlich Klembas 2015) ausge- Musikfiles (Jammie Thomas-Rasset, eine lagert wurden. Das alles ging mit starken Hausfrau und alleinerziehende Mutter Einschnitten beim Personalstand einher von vier Kindern) und US $675.000 für 30 und die Schrumpfkur sorgte dafür, dass Musik-MP3s (Joel Tenenbaum, ein Physik- nur mehr drei Musik-Majors – Universal student aus Boston) endeten.2 Unter der Music Group, Sony Music Entertainment und Warner Music Group – überlebten.

1 Siehe dazu die 12teilige Blog-Serie „Der Die digitale Revolution in der Musikindus- Kampf der Musikindustrie gegen Files- trie blieb aber nicht beim Musikdownload haring & Co.“, https://musikwirtschafts- stehen. Das Nachfrageverhalten der Mu- forschung.wordpress.com/2014/12/08/ sikkonsumentInnen wandelte sich vom der-kampf-der-musikindustrie-gegen-fi- Streben nach Besitz von Musik – egal ob lesharing-co-teil-12-schlussfolgerungen/ in Form von Tonträgern oder als perma- (letzter Zugriff am 28.05.2015). 2 Siehe dazu die 4teilige Blog-Serie „Die US-Musikindustrie vs. die FilesharerInnen“, https://musikwirtschaftsforschung.word- 3 Siehe dazu die Interessengemeinschaft press.com/2015/03/25/die-us-musikindus- gegen den Abmahnwahn: http://www. trie-vs-die-filesharerinnen-teil-4-cui-bono/ iggdaw.de/cms/?id=1 (letzter Zugriff am (letzter Zugriff am 28.05.2015). 28.05.2015).

10 OCG Journal | 02  2015 mensanteilen wie im Fall von Spotify „ent- schädigen“ lassen.4 Damit befinden sich die Musikkonzerne in einer Win-win-Si- tuation. Ohne sie geht aufgrund der nö- tigen Musiklizenzierung nichts. Sollten die Streamingdienste, von denen derzeit noch kein Einziger in der Gewinnzone Wird die CD zum Nischenprodukt? wirtschaftet, kommerziell erfolgreich sein Die Zahlen sprechen dafür. © freeimages.com / inya und an die Börse gehen, dann hat sich das Investment der Plattenfirmen gelohnt. Sollten die Streamingdienste wirtschaftlich nicht überleben, dann hat man zumindest dukt sein wie die Vinylschallplatte oder ganz gut an ihnen verdient. die Musikkassette. Der Großteil der Mu- sik wird dann digital distribuiert, und das Dr. Peter Tschmuck, ist AUSBLICK wahrscheinlich vor allem über Musikstrea­ Universitätsprofessor Derzeit boomt der Musikstreamingmarkt mingdienste. Von deren Wachstum wird für das Fach Kulturbe- noch. Von 2013 auf 2014 sind die Umsät- es abhängen, ob sich der phonografische triebslehre am Institut ze mit gestreamter Musik (Musikabos wie Markt in absehbarer Zeit stabilisieren wird, für Kulturmanagement auch Werbeumsätze) weltweit um fast oder ob sich die Talfahrt aufgrund weiter und Kulturwissenschaft (IKM) der 40 Prozent auf US $2,2 Mrd. gestiegen. sinkender Tonträger- aber auch Down- Universität für Musik und darstellende Damit wurde mit Musikstreams mehr ver- load-Umsätze fortsetzt. Darüber entschei- Kunst Wien. Seine Forschungsschwer- dient als mit Singletrack-Downloads, die den letztendlich die MusikkonsumentIn- punkte sind Musikwirtschaftsfor- ebenso wie die Album-Downloads 2014 nen, die nicht nur jederzeit und jeden Orts schung, Ökonomik des Urheberrechts, Umsatzeinbußen hinnehmen mussten aus einer unüberschaubaren Flut an Musik Kunst- und Kulturökonomik, Kulturpo- (IFPI 2015: 9). Global betrachtet wurde mit auswählen wollen, sondern mit kuratier- litikforschung sowie Kulturmanage- dem digitalen Musikverkauf 2014 erstmals ten und interaktiven Musikangeboten an ment. Er lehrt zudem an der Wirt- mehr Umsatz generiert (US $6,85 Mio.) als der Stange gehalten werden müssen. Die schaftsuniversität Wien, an der mit Tonträgerverkäufen (US $6,82 Mio.) Zeiten, in denen auf der einen Seite passi- Donau-Universität Krems und an der (ibid.: 8). Wenn dieser Trend anhält, dann ve KonsumentInnen und auf der anderen Hochschule für Musik, Theater und wird die CD bald ebenso ein Nischenpro- Seite aktive ProduzentInnen standen, sind Medien Hannover. Regelmäßig endgültig vorbei. Es etabliert sich nun das, erscheinen von ihm Aufsätze und was Alvin Toffler 1980 in seinem Bestseller Kommentare im Blog zur Musikwirt- „The Third Wave“ als ProsumerIn bezeich- schaft: 4 Siehe dazu The Verge: „This was Sony net hat. Eine Person also, die gleichzeitig http://musikwirtschaftsforschung. Music‘s contract with Spotify“, http:// www.theverge.com/2015/5/19/8621581/ konsumiert und produziert. Diese Prosu- wordpress.com sony-music-spotify-contract (letzter Zugriff merIn wird also die weitere Entwicklung http://musicbusinessresearch. am 29.05.2015). der Musikindustrie bestimmen. << wordpress.com

Literaturquellen: International Federation of the Phonographic Industry (IFPI), 2015, The Recording Industry in Numbers 2014. London: IFPI. Klembas, Robert, 2015, Das A&R Management im digitalen Paradigmenwechsel. Doktorarbeit an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Menn, Joseph, 2003, All the rave. The rise and fall of Shawn Fanning‘s Napster. New York: Crown Business. Toffler, Alvin (1980), The Third Wave. New York: Bantam Books. Tschmuck, Peter, 2012, Creativity and Innovation in the Music Industry, 2. Auflage. Heidelberg etc.: Springer.

Internetquellen: Blog zur Musikwirtschaftsforschung von Peter Tschmuck: „Der Kampf der Musikindustrie gegen Filesharing & Co.“, https://musikwirt- schaftsforschung.wordpress.com/2014/12/08/der-kampf-der-musikindustrie-gegen-filesharing-co-teil-12-schlussfolgerungen/ (letzter Zugriff am 28.05.2015). Blog zur Musikwirtschaftsforschung von Peter Tschmuck: „Die US-Musikindustrie vs. die FilesharerInnen“, https://musikwirtschaftsfor- schung.wordpress.com/2015/03/25/die-us-musikindustrie-vs-die-filesharerinnen-teil-4-cui-bono/ (letzter Zugriff am 28.05.2015). The Verge: „This was Sony Music‘s contract with Spotify“, http://www.theverge.com/2015/5/19/8621581/sony-music-spotify-contract (letzter Zugriff am 29.05.2015).

02  2015 | OCG Journal 11 Der digitale Musikmarkt im Wandel

von Christine Bauer Marktteilnehmer, Machtver- schiebungen und die Hoffnung auf Transparenz

ZAHLEN – DATEN – FAKTEN 6,85 Milliarden US-Dollar, was 46 Pro- nen am Feld. Die UrheberInnen, das sind Der digitale Musikmarkt bezieht sich auf zent des Musikmarkts an Tonaufnahmen KomponistInnen und MusiktexterInnen, den Markt von Musikaufnahmen im Ge- ausmacht, und damit erstmals mit dem kreieren den eigentlichen „Wert“ – näm- gensatz zum Livemusik-Sektor, und zwar Anteil physischer Tonträger gleichzog lich die Musik. InterpretInnen in Form von konkret auf jenen Teil, bei dem Musiktitel (Abbildung 1). Der Umsatz an Downloads Bands oder SolokünstlerInnen plus Studio- digital über Datenwege (und eben nicht macht nach wie vor den größten Teil des musikerInnen (die meist in der einen oder auf einem physischen Medium wie einer digitalen Musikmarkts aus (52 Prozent), anderen Form auf professionellen Auf- CD oder DVD) übermittelt werden. Wenn wobei Streaming als der aktuelle Markt- nahmen vertreten sind) bringen die Musik vom digitalen Musikmarkt gesprochen motor gepriesen wird. Mit einem Anteil zum Klingen. Derzeit bringen über 400 wird, lesen wir dabei stets das Zahlenma- an 23 Prozent für Streaming-Bezahldiens- Musikdienste1, zumeist Neulinge in der terial, das von der International Federation te und neun Prozent für werbefinanzier- Musikbranche, die Musik zu den Endkon- of the Phonographic Industry (IFPI) be- te Streaming-Dienste verzeichnen diese sumentInnen. Bei einem Weltrepertoire2 richtet wird. Dahinter stehen im Wesent- derzeit große Zuwachsraten. Im Vergleich von mehr als 70 Millionen Musikwerken lichen die drei Musikriesen Universal Music dazu stecken mobile, personalisierte Mu- und einem jährlichen Zuwachs von einer Group, Warner Music Group und Sony sikdienste mit drei Prozent noch in den Music Entertainment sowie eine Reihe von Kinderschuhen (Abbildung 2). verhältnismäßig kleinen Independent La- 1 Laufend aktualisierte Liste von legalen Musikdiensten weltweit: http://www. bels (sogenannte „Indies“). MARKTTEILNEHMER pro-music.org. Wenn am Markt die Musik spielen soll, 2 Weltrepertoire bezieht sich hier auf die Das Gesamtvolumen des globalen digi- dann sind nicht nur Plattenfirmen und La- aktuell von Verwertungsgesellschaften talen Musikmarkts betrug im Jahr 2014 bels, sondern auch viele weitere SpielerIn- verwalteten Musikwerke.

Abbildung 1: Abbildung 2: Anteile am globalen Anteile am digitalen Musikmarkt von Musikmarkt nach Musikaufnahmen Sparten 2014 2014 (IFPI 2015) (IFPI 2015)

12 OCG Journal | 02  2015 Themenschwerpunkt: Musik und digitale Musikwirtschaft

Million mit jeweils oftmals einer Vielzahl konsumentInnen bringen möchten, ist nicht bzw. in marginalem Ausmaß an die an UrheberInnen und einer Vielzahl un- Information ein wichtiger Anhaltspunkt, jeweiligen InterpretInnen und UrheberIn- terschiedlicher Aufnahmen pro Werk ist sei es für Werbestrategien, Inspiration für nen weitergegeben wurden. Das Resultat: es nicht verwunderlich, dass sich Interme- neue Musikwerke etc. – oder auch für das Das Misstrauen in der Branche wird (noch) diäre und Aggregatoren am Markt schon Selbstwertgefühl. Information ist wich- größer und der Ruf nach Transparenz wird früh etablieren konnten; sei es durch die tig – jedoch derzeit nur bruchstückhaft immer lauter! kollektive Rechtewahrnehmung von Urhe- zugänglich. berInnen durch Verwertungsgesellschaf- Vorfälle wie dieser geben neuen Anbietern ten, durch den Aufbau von Vertriebsnetz- Aus ähnlichen Gründen wie für Urhebe- in der Branche Rückenwind, die sich der werken durch Plattenfirmen und Labels, rInnen und InterpretInnen ist für Musik- Informationstransparenz – noch dazu in Content-Aggregatoren zwischen den dienste-Anbieter Information über das Ge- (nahezu) Echtzeit – verschreiben. Promi- unterschiedlichen RechteinhaberInnen schehen – und damit Transparenz – für die nente Beispiele sind Kobalt und Rebeat, und Musikdienste-Anbietern oder durch Ausrichtung der eigenen Aktivitäten von die ihren KundInnen (UrheberInnen und IT-Diensteanbieter für Kommunikation, enormer Bedeutung. Anbieter, die sich mit InterpretInnen) Detaillierung der Nutzun- Analyse und Abrechnung zwischen den den Hörgewohnheiten von Musikkonsu- gen und Geldflüsse in den Netzwerken einzelnen MarktteilnehmerInnen. Der di- mentInnen auseinandersetzen sind bei- der wichtigsten Musikdienste-Anbieter gitale Musikmarkt und sein Verwertungs- spielsweise Spotify und Last.fm. (z.B. Spotify, Vevo) bieten, und das bei ver- system sind nicht nur komplex, sondern gleichsweise – gegenüber den branchen- auch dicht besiedelt und von ungleichen Intermediäre und Aggregatoren orien- weit üblichen 20 bis 30 Prozent – geringen Machtverhältnissen geprägt. tieren sich je nach Geschäftsausrichtung Verwaltungsgebühren. Das bringt neuen entweder an Musikdienste-Anbietern, Wind in die sonst manchmal schwerfällige HERAUSFORDERUNG: UrheberInnen, InterpretInnen oder Kon- Musikbranche. IT-fokussierte Anbieter wie INFORMATION sumentInnen. Als Bindeglied am Markt Kobalt erfüllen dabei am Markt eine ähn- Information stellt die größte Herausfor- sind sie an umfassender Information in liche Funktion wie andere branchenetab- derung am digitalen Musikmarkt dar: alle Richtungen interessiert. Hauptfunkti- lierte Intermediäre – allerdings mit neuer Welches Musikstück wird in welcher Auf- on für viele Intermediäre ist – neben der Strategie: Transparenz statt Marktmacht. nahme wie oft angeboten/gehört/gestre- größeren Verhandlungsmacht durch Zu- amt/heruntergeladen? Wer macht wie viel sammenschluss – die Zuordnung von der Mit IT-Lösungen kann Informationstrans- Umsatz damit? Und wie viel Umsatz hätte Nutzung von Musikaufnahmen zu den parenz geschaffen werden, die für alle man eigentlich damit machen können/ dazugehörigen Geldflüssen und den an- Beteiligten am digitalen Musikmarkt eine sollen – ist der Geldwert verhältnismäßig? spruchsberechtigten RechteinhaberInnen. Win-win-Lösung darstellt. Dazu ist es Wann und wo ist welche Musikkonsumen- notwendig zusammenzuarbeiten, denn tin bzw. welcher Musikkonsument bereit, MusikkonsumentInnen möchten in der um Musiktitel, RechteinhaberInnen, Nut- für Musikaufnahmen Geld auszugeben – Regel die Musik hören, die ihnen gefällt. zungsdaten und Geldflüsse miteinander und für welche? Und woher weiß eine Sie möchten sich im Wirrwarr des schier verknüpfen und abgleichen zu können, Musikkonsumentin bzw. ein Musikkonsu- unerschöpflich scheinenden Angebots an ist der Zugang zu allen Datensegmenten ment, welche Aufnahme sie bzw. er aus Musikaufnahmen zurechtfinden. Persön- notwendig. der enormen Vielfalt an Musikaufnahmen liche Geschmäcker sind sehr individuell. auswählen soll? Die Selektionskosten sind derzeit durch- ANSATZPUNKTE FÜR DIE aus hoch. Personalisierungs- und Emp- INFORMATIK AUF UrheberInnen und InterpretInnen möch- fehlungsdienste sind gefragt, jedoch die VERSCHIEDENEN EBENEN ten in der Regel wissen, wann, wie und Kriterien und Selektionsmechanismen in Das Problemfeld zur Schaffung von Infor- wo die eigenen Stücke genutzt werden Theorie sowie Praxis noch verbesserungs- mationstransparenz in der digitalen Musik- und wer wie viel daran verdient. Ob man fähig. wirtschaft ist groß und vielschichtig, wobei selbst die Lizenzen verhandeln möchte die Wirtschafts-/Informatik auf verschieden und das Inkasso macht oder diese Tätig- DATEN SIND VORHANDEN, Ebenen gefragt ist, um zur Problemlösung keiten jemanden in Auftrag gibt (sei es an ABER TRANSPARENZ FEHLT beizutragen. Domänen-Knowhow ist dabei ManagerInnen, eine Agentur, eine Ver- An dem erst kürzlich offen gelegten Deal essentiell. Darum ist es besonders wichtig, wertungsgesellschaft, ein Label oder eine zwischen Sony Music Entertainment und sich mit den Strukturen, Machtverhält- andere Form von Intermediär), das ist eine dem Streaming-Anbieter Spotify zeigt nissen, Informationsbedarfen der Markt- Frage von Zeit und Geld – und der jewei- sich das Informationsungleichgewicht am teilnehmerInnen, Verwertungsketten, ligen Zielsetzung. Doch selbst für jene, digitalen Musikmarkt: Während seit Be- Urheber- und Verwertungsrechten sowie die – aus welchen Gründen auch immer – ginn des Streaming-Dienstes propagiert Wertvorstellungen etc. in der Musikwirt- nicht kommerziell orientiert sind oder eine wurde, dass mit Streaming „kein Geld schaft intensiv auseinanderzusetzen. Mög- einzelne Aufnahme beispielsweise für eine zu verdienen“ sei, stellte sich nun her- liche Ansatzpunkte für Beiträge der Infor- gewisse Zeit „frei“ an potentielle Musik- aus, dass Geldflüsse zwar vorhanden, nur matik sind – unter anderem – folgende:

02  2015 | OCG Journal 13 • Big Data Analytics: Wie kann effizient INFORMIERTE ENTSCHEIDUN­ text-adaptive Musikdienste bieten, was mit den enormen Datenmengen an Mu- GEN DURCH INFORMATIONS­ den nächsten großen Entwicklungsschritt siknutzungen umgegangen werden? TRANSPARENZ ERMÖGLICHEN darstellen wird. << Welche Methoden und Architekturen Zu Beginn des Millenniums wurde an- können dies unterstützen? Wie können gekündigt, dass man schon in den kom- vorhandene strukturierte sowie unstruk- menden Jahren ganz genau mitverfolgen turierte, musikbezogene Datenquellen könne, wann wer was wo anhört, und dazu genutzt werden, Mehrwert für die somit sekundengenau abrechnen und au- einzelnen TeilnehmerInnen am digitalen tomatisiert Entgelte transferieren werde. Musikmarkt zu schaffen? Mittlerweile, also 15 Jahre später, stellt • Kompetenzaufbau: Welche Qualifika- sich die Frage: Welcher Institution würden Mag. DI Dr. Christine tionsmaßnahmen können geschaffen wir weltweit zutrauen, alle Datenströme Bauer ist Universitätsas- werden, um (freischaffende) Urhebe- zu beobachten, anwendungskonform sistentin im Depart- rInnen und InterpretInnen im Umgang zu analysieren und detailliert sowie nut- ment für Informations- mit Selbstpräsentationstools aber auch zungsgetreu abzurechnen, und dabei verarbeitung & mit Analyse-Tools zu unterstützen? Was darauf vertrauen (ob nun als UrheberIn, Prozessmanagement an der WU Wien. sind die zukünftigen Anforderungen an InterpretIn, Musikdienste-Anbieter, Agg- Derzeit ist sie Visiting Scholar an der solche Tools für diese spezifische Nut- regator oder MusikkonsumentIn), dass ein Carnegie Mellon University in Pittsbur- zergruppe? fairer Modus zwischen den Beteiligten ge- gh, PA, USA. Zudem ist sie Lektorin an • Trusted Services: Wie kann das Moni- funden wird, der nicht nur temporär gilt, der Universität Wien und Gastlektorin toring der Nutzung von Musikwerken sondern nachhaltig Bestand hat? an der Popakademie Baden-Württem- bzw. -aufnahmen umgesetzt werden? berg. Sie studierte Internationale Was sind die zukünftigen Anforderun- Wir stehen eher vor einer Zukunft, in der Betriebswirtschaftslehre an der gen an Tools, die Zugriff auf die Daten die TeilnehmerInnen am digitalen Musik- Universität Wien, Wirtschaftsinformatik zu den (eigenen) Musikwerken bzw. markt gemeinsam in Richtung Informati- an der TU Wien und promovierte in -aufnahmen gewähren? Wie kann Ide- onstransparenz arbeiten, die als Basis für Wirtschaftsinformatik an der Universi- endiebstahl identifiziert werden? informierte Entscheidungen dient, nicht tät Wien. Vor ihrer akademischen • Kontext-adaptive Musikempfehlungs- jedoch für automatisierte Abbuchungen Laufbahn arbeitete sie in der AKM systeme: Welche Faktoren beeinflussen vom Bankkonto. Aus aktueller Sicht stellt (Autoren, Komponisten, Musikverleger) die Musikpräferenzen in unterschiedli- diese Vision eine Machtverlagerung zu- und baute den Bereich der Online-Mu- chen Situationen? Wie können Informa- gunsten der UrheberInnen und Interpre- siklizenzierung von der Wiege an auf. tionen dazu (in Echtzeit) gewonnen und tInnen dar, was vor allem für den „Long Ihre aktuellen Forschungsschwerpunk- analysiert werden? Wie können Infor- Tail“ der „Nicht-Superstars“ von enormer te liegen in den Bereichen: Kontext-ad- mationen aus sozialen Netzwerkporta- Bedeutung sein wird. Aus Angebotssicht aptive Informations- und Empfehlungs- len dazu genutzt werden? Wie können wird die Informationstransparenz zu einer systeme, Methoden für das Design von die ubiquitär vorhandenen Sensoren besseren Markt- und Marketingorientie- kontext-adaptiven Systemen und und Nutzergeräte zur Informationsge- rung in der Branche führen und vor allem E-Business in der Kreativwirtschaft, winnung beitragen? verbesserte, personalisierte bzw. kon- insbes. im Musiksektor.

Literatur: Bauer, Christine 2012. Bands as Virtual Organisations: Improving the Processes of Band and Event Management with Information and Communication Technologies. Frankfurt: Peter Lang Bauer, Christine & Kratschmar, Anna 2015. Designing a Music-controlled Running Application: a Sports Science and Psychological Perspective. CHI AE 2015, Seoul, 18.-23. April, 1379-1384 Bauer, Christine & Strauss, Christine 2015. Educating artists in management: An analysis of art education programmes in DACH region. Cogent Education, 2(1) Bauer, Christine & Waldner, Florian 2013. Reactive Music: When User Behavior affects Sounds in Real-Time. CHI AE 2013, Paris, 27. April – 2. Mai, 739-744 CISAC Global Collections Reports 2012-2015, http://www.cisac.org/Cisac-University/Materials/Royalty-Reports Gray, Kevin 2015. How data saved Music. Wired, Mai 2015 IFPI Digital Music Reports 2006-2015, http://www.ifpi.org/digital-music-report.php Singleton, Micah 2015. This was Sony Music‘s contract with Spotify, The Verge, 19. Mai 2015, http://www.theverge. com/2015/5/19/8621581/sony-music-spotify-contract Tschmuck, Peter. Blog rund um das Thema der Musikwirtschaftsforschung, https://musicbusinessresearch.wordpress.com

14 OCG Journal | 02  2015 Themenschwerpunkt: Musik und digitale Musikwirtschaft

Musik hören – Zeit für den Augenblick haben

von Eva Maria Stöckler Ästhetische Wahrnehmung und Erfahrung von Musik in der digitalen Gegenwart

Die sogenannte „digitale Revolution“ der schriftlichung von Musik eine Trennung Zeit braucht, in ein Spannungsfeld zu ei- letzten Jahrzehnte hat einen radikalen Pa- von Musikschaffen und Musikmachen nem Raum und einer Zeit, die nicht für radigmenwechsel in vielen Lebensberei- bewirkt, später die Elektrifizierung diese das Verweilen im Hier und Jetzt geeignet chen bewirkt, denn sie ist keine „Optimie- Trennung teilweise wieder aufgehoben erscheinen. rung alter Systeme, sondern setzt neue; und damit das Verhältnis von „Original“ ihre Technologie ist disruptiv“ (Kreidler und „Kopie“ infrage gestellt. Die Digitali- Der Berliner Hauptbahnhof versetzt dabei 2010, S. 55). Sie hat durch die allgemei- sierung fügt mit der Möglichkeit von Real- das Kunstwerk in einen Raum des Alltäg- ne Verfügbarkeit ihrer Codes einerseits time Kompositionen „die Ausführung aller lichen, gleichzeitig macht er die künstlich emanzipatorische und demokratische Be- musikantischen Formen von Musik, die im erzeugten Klänge einer Bearbeitung durch wegungen in vielen Bereichen (Bildung, Hier und Jetzt ihre Genese finden (...)“, den Alltagsraum, durch das Publikum, Politik usw.) initiiert und unterstützt, (Jauk 2009, S. 431f) hinzu. Darüber hin- die Reisenden, die Umweltgeräusche, zu- andererseits, begünstigt durch die fort- aus wird der digital gespeicherte Klang in gänglich. schreitende Ökonomisierung der Lebens- der Abfolge von Codes repräsentiert und welt, zu umfassenden Steuerungs- und kann willkürlich gestaltet werden. „Di- PIANO PHASE Überwachungsmechanismen geführt, die gitale Codes ermöglichen die Schaffung Die damit zusammenhängende Entkör- Privatheit, wie sie bislang bekannt war, von Parallelexistenzen zur physikalischen perlichung bewirkt eine völlig neue Kör- neu definieren. Gleichzeitig hat sie zu ei- Welt.“ (Jauk 2009, S. 435) per-Umwelt-Interaktion, ein Umstand, der nem radikalen Paradigmenwechsel in der Kunst geführt, nicht nur im Kunstschaffen, SOUNDING D – BERLIN sondern auch in der Rezeption, in der Ver- 26. AUGUST 20101 „Piano Phase“ von Steve Reich wird auch breitung von Kunst, in Kunsttheorie und Ein Beispiel dafür ist das von der Zentrale von einem Pianisten auf zwei Klavieren Ästhetik. Kunst, zumal Medienkunst, wird des Netzwerks Neue Musik in Berlin, ei- aufgeführt. digital geschaffen, in virtuellen Räumen nem Förderprojekt der Bundeskulturstif- © «Peter Aidu» par ok, today. – originally posted to Flickr as Peter Aidu. Sous licence präsentiert und in digitalen Welten disku- tung der Bundesrepublik Deutschland, CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons – tiert, frei von physischer Materialität. Die initiierte Projekt „Sounding D“, das drei https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pe- digitale Welt ist nicht nur eine übersetzte Wagons und eine Lok ausgestattet mit ter_Aidu.jpg#/media/File:Peter_Aidu.jpg Welt – in Form einer Umwandlung von Sound-Art Containern, 19 Tage lang durch analogen messbaren Größen (Informati- Deutschland schickte und Konzerte und onen) in ein digitales Signal aus diskreten Klangprojekte an Bahnhöfen veranstalte- Werten –, sondern auch eine Welt ohne te. Zeitgenössische Musik erklang nun an sinnliche Erscheinung. Orten, die kaum zum Verweilen und Zu- hören einladen, die geradezu geprägt sind PARALLELEXISTENZEN ZUR von Bewegung, Ankommen, Durchreisen PHYSIKALISCHEN WELT und Abfahren. Hier tritt der Aspekt, dass Digitalisierung verstanden als Virtuali- die Wahrnehmung von Kunst Raum und sierung der Welt durch ein Codesystem ähnelt der Musik, die somit zu einer ex- emplarischen Kunstform im Kontext der 1 Siehe: https://www.youtube.com/watch?- Digitalisierung wird. Zunächst hat die Ver- v=5dIF9xRKKWM

02  2015 | OCG Journal 15 besonders bei Musik wirksam wird, weil Aus einem „Naturphänomen“ – der Un- Abgesehen von den völlig veränderten sie im Hören einen künstlichen, einen vir- möglichkeit der Synchronisierung von ana- Produktions- und Distributionsmöglich- tuellen Klangraum schafft, in dem die Sub- logen Tonbändern – wird künstlerisches keiten, die durch die Digitalisierung von jekt-Objekt-Relation aufgehoben wird. Mu- Material und kann durch digitale Instru- Musik entstanden sind, der Außerkrafts- sik wie Steve Reichs „Piano Phase“ (1967) mente in „Piano Phase“ auf die Ebene des etzung traditioneller und der Etablierung unterläuft dabei traditionelle Hörerfahrun- Virtuellen versetzt werden. Hier trifft das neuer Geschäftsmodelle in der Musikwirt- gen, da dieses Stück geradezu statisch und Phänomen Digitalisierung mit dem Phä- schaft, lässt die Digitalisierung Körper und bewegungslos ist und die Zeit stillstehen nomen Musik: Zwar verweist das Material Technologie zusammenwachsen, auch lässt, ohne sie jedoch aufzuheben. Klang referentiell auf einen schwingenden „Kunst und Leben sind in der digitalen Körper (oder eine Luftsäule), und es wird Kultur als Alltags- und Massenkultur zu- Zwei identische Pattern2, die zunächst syn- Musik als ein System von Codes für Klän- sammengeführt.“ (Jauk 2009, S. 460). chron von zwei PianistInnen gespielt wer- ge beschrieben, dennoch trägt Musik als den, driften nach und nach zeitlich ausei- solche keine Bedeutung in sich. Dieser Text beruht auf einem Aufsatz der nander, indem eine der Linien unmerklich Autorin, der im Juni 2014 im „Magazin schneller gespielt wird. Dadurch entsteht EIN SINNLICHER VORGANG Erwachsenenbildung“ erschienen ist und eine zunehmende Verschiebung der bei- Auch wenn digital repräsentierte Kunst downloadbar ist.5 << den Pattern, die so lange anhält, bis beide frei von Materialität ist, sind digitale Küns- Linien wieder synchron erklingen. Diese te auch Körperkünste und damit ästheti- „Phasenverschiebung“ hat eine kontem- scher Anschauung zugänglich, denn äs- plative, hypnotische Wirkung, die durch thetisches Denken braucht Wahrnehmung die geringe Variation innerhalb der mu- und Wahrnehmung ist ein sinnlicher, ein Siehe: http://erwachsenenbildung.at/magazin/ sikalischen Struktur und ein beständiges körperlicher Vorgang. Dies zeigt sich in archiv_artikel.php?mid=7513&aid=7539 In-sich-Kreisen der Melodiebögen hervor- besonderem Maße in musikalischen Ju- gerufen wird. gendkulturen wie Hip-Hop, die zwar auf ihrer materialen Ebene durch die Möglich- Steve Reich hat diese Technik in den keiten der Digitaltechnik determiniert sind, Musiktechnologie verbindet Hard- ware, Software und Tangible Devices 1960er Jahren zunächst im Studio für gleichzeitig aber wesentlich auf Aspekte zu völlig neuartigen Musikanwen- Tonband entwickelt3, heute wird „Piano von Körperlichkeit abzielen. dungen. Phase“ meist von zwei PianistInnen, mit- unter sogar von einer Pianistin bzw. einem Hip-Hop ist eine kulturelle Praxis, die auch Pianisten auf zwei Klavieren aufgeführt. aus einem Wechselverhältnis von kreati- Die Digitalisierung und die Möglichkeit, ven Alltagspraktiken und durch Kommer- Mag. Dr. phil. Eva mit Samples und digitalen Instrumenten zialisierung hervorgerufene Trivialisierung Maria Stöckler hat wie Turntables zu arbeiten, hat neue In- besteht und sich besonders durch die Musikwissenschaft und terpretationsmöglichkeiten geschaffen, Praxis des Recycelns von Überliefertem Germanistik studiert wie die Visualisierung durch David Cossin, auszeichnet. Die digitale Samplingtechnik und ist Leiterin des der durch das Anschlagen von Pads mittels hat dem Hip-Hop in den 1990er Jahren zu Zentrums für Zeitgenössische Musik Sticks die entsprechenden Klaviersamples einer Kunstform gemacht, in der es keine sowie Leiterin des Departments für erklingen lässt.4 Originale gibt. Sie besteht aus dem Aneig- Kunst- und Kulturwissenschaften an nen von Angeeignetem, aus dem Umge- der Donau-Universität Krems. Sie ist stalten von bereits Dekonstruiertem und Mitglied in zahlreichen wissenschaftli- 2 Pattern sind wiederkehrende, musikalische sie unterläuft durch diese Praktiken die chen Kommissionen und Beiräten, u.a. Strukturen Funktionsweisen der kommerzialisierten der Ernst Krenek Institut Privatstiftung 3 Hintergrund war die Entdeckung, dass zwei Musikindustrie, wenngleich sie diese je- sowie Mitglied des Editorial Board des gleichzeitig ablaufende Tonbänder nie voll- kommen synchron laufen, da sie minimale doch nach und nach eingeholt hat. Durch International Journals of Music Längenunterschiede aufweisen. die mediale Verbreitung konnte Hip-Hop Business Research, Wien/Hertfordshire/ 4 Siehe: https://www.youtube.com/watch?- Identitätsmuster globaler Bedeutung her- Hannover. v=8zAcUBZ2yvc vorrufen. (vgl. Jauk 2009) www.donau-uni.ac.at/zzm

Literatur: Werner Jauk (2009): pop/music + medien/kunst. Der musikalisierte Alltag der digital culture. Electronic Publishing Osnabrück Johannes Kreidler (2010): Digital Naives oder Digital Natives? In: Johannes Kreidler, Harry Lehmann, Claus-Steffen Mahnkopf (2010): Musik, Ästhetik, Digitalisierung. Eine Kontroverse. Wolke Verlag Hofheim. S. 55-65 Harry Lehmann (2012): Die digitale Revolution der Musik. Eine Musikphilosophie. Schott Mainz

16 OCG Journal | 02  2015 Themenschwerpunkt: Musik und digitale Musikwirtschaft

Ein Projekt ebnet der Musiktechnologie den Weg in den Markt

von Thomas Lidy und Alexander Schindler Klingende Bausteine für die Industrie

Das neue Horizon 2020 Projekt Mu- nung, Takt-Erkennung uvm. mit Anwen- nisse aus der Forschung nicht unmittelbar sicBricks fördert die Verbreitung von dungsbereichen in Suche und Sortierung einsetzbar, da die entsprechenden Pro- Musik-Technologien aus der Forschung von Musik sowie Musikempfehlung vorge- totypen noch nicht nutzerfreundlich ge- in die Creative Industries und wirkt stellt. Dennoch sind viele davon nach wie nug oder mangels Kommunikation nach als Beschleuniger, um kreative Mu- vor (trotz einer florierenden Online-Musik- außen gar nicht bekannt sind. Auch die sic-Tech-Ideen marktreif zu machen. branche in Europa) nicht in der Industrie Interoperabilität zwischen den Technologi- angekommen. en, oder deren Einsatzbarkeit auf mobilen In den letzten 10 Jahren wurden in der und vernetzten Geräten ist oft noch nicht Musik-Technologie-Forschung (Music Das Projekt MusicBricks – eine EU Horizon vorhanden. Information Retrieval) viele Fortschritte 2020 Innovation Action – hat das Ziel, gemacht, und neben dem Identifizieren eine Brücke zwischen der erfolgreichen von Liedern und KünstlerInnen per Smart- Forschung in Europa auf diesem Gebiet phone auch viele neue Methoden wie und kreativen Start-ups und KMUs zu Musiktechnologie verbindet Hard- ware, Software und Tangible Devices automatische Musikklassifikation (etwa in bauen, um die neuesten Technologien in zu völlig neuartigen Musikanwen- Genre, Stil und Stimmung), Tonart-Erken- die Wirtschaft zu bringen. Oft sind Ergeb- dungen. (c) MusicBricks / MusicTechFest

02  2015 | OCG Journal 17 (c) MusicBricks / MusicTechFest

Die Mission des Projekts ist es, den Aus- oder Raspberry Pi sowie Tangible Devices tausch zwischen den Musiktechnolo- verbunden – es entsteht eine Art Internet gie-ExpertInnen aus akademischen For- of Music Things. Auf vergangenen Events schungsinstitutionen und den kreativen wurden der Wearable Axoloti Music Hu- MusikerInnen, Content-ErstellerInnen und man Synthesizer und der Brainwave Mu- Dipl.-Ing. Thomas Lidy der Creative Industry SMEs zu fördern. sic Hat erfunden, der Gehirnwellen und und Dipl.-Ing. Bakk. Dabei agiert das Projekt, dessen Konsorti- Kopfbewegungen zu Musik und Effekten techn. Alexander um aus sieben europäischen Partnern be- umsetzt. Die besten Ideen werden nicht Schindler arbeiten als steht, als Bindeglied zwischen Forschung nur prämiert, sondern von MusicBricks Projektassistenten am und Industrie: Existierende Tools aus auch durch ein Inkubationsprogramm Institut für Software- Forschungsergebnissen werden identifi- unterstützt, das es ermöglicht, die vielver- technik und Interaktive ziert, optimiert, mit leicht verwendbaren sprechendsten Anwendungen zu marktfä- Systeme der Techni- Schnittstellen und zugänglicher Doku- higen Prototypen weiterzuentwickeln und schen Universität Wien, mentation versehen. Dadurch sollen sie zu anschließend Investoren vorzustellen. Das wo sie seit mehreren „Bausteinen“ („bricks”) werden, um kre- Feedback, das im Zuge der Marktinkuba- Jahren an der semantischen Analyse ative neue Anwendungen zu realisieren. tion gesammelt wird, dient auch den For- von Musik und Musik-Videos forschen. MusicBricks veranstaltet eine Reihe von scherInnen, um die Research-Prototypen Events, wie das Music Tech Fest oder den in Richtung Markt weiterzuentwickeln. Music Hackday auf dem sogenannte Digi- Music Tech Fest und Music Bricks Projekt: tal Makers oder Hacker aus unterschied- Die nächste Veranstaltung bei der die http://musictechfest.org lichsten Richtungen (Musik, Performance, MusicBricks zum Einsatz kommen ist das IT, Neuroscience, …) in 24 Stunden krea- Music Tech Fest Central Europe vom 18.- Music Hackday: tive Ideen und völlig neuartige Anwen- 20. September 2015 in Ljubljana. Auch http://musichackday.upf.edu/mhd/2015 dungsarten entwickeln. dort werden wieder die besten Projekte für das MusicBricks Inkubationsprogramm Ergebnisse und Videos vergangener Mu- INTERNET OF MUSIC THINGS nominiert. << sic Tech Fests: Dabei werden Software-Tools mit Web- http://musictechfest.tumblr.com APIs verknüpft, mit tragbaren Geräten, https://www.youtube.com/user/ mobilen Plattformen wie dem Arduino MusicTechFest

18 OCG Journal | 02  2015 Themenschwerpunkt: Musik und digitale Musikwirtschaft

Wie Technologie den musikalischen Kreativprozess beeinflusst

von Helmut Herglotz Die Online jam Community

Die Musikwirtschaft befindet sich in einem sizieren, ist ein logischer Schritt. Der Dienst Technologie. In Zukunft wird sofasession enormen Umbruch. Im Jahr 2014 haben sofasession wurde genau dafür konzipiert neben dem kreativen Schaffensprozess Umsätze aus dem digitalen Vertrieb von und wurde das erste Mal auf der Frankfur- auch Vertriebsmöglichkeiten für MusikerIn- Musik (6,85 Mrd. US$) das erste Mal Ver- ter Musikmesse im April 2015 vorgestellt, nen bieten, damit es ein einziges, digitales käufe physischer Tonträger (6,82 Mrd. US$) mit sehr guter Resonanz durch die Zielgrup- Werkzeug gibt, um musikalisch aktiv sein überholt. Dieses Wachstum ist hauptsäch- pe. Es existiert ein großer Bedarf danach, zu können. << lich von Streaming Plattformen wie z.B. kreative, musikalische Prozesse auch online Spotify getrieben, die in einigen Ländern verfügbar zu machen. wie Schweden bereits für 92% der gesam- ten digitalen Umsätze verantwortlich sind. ANALOGE VERSUS DIGITALE Mag. Helmut Herglotz PRODUKTION ist einer der Mitgrün- Neue Technologien durchdringen auch an- Die Produktion von Musik war früher stark der und CEO von dere Bereiche: Madonna hat vor kurzem ihr an physische Dinge gebunden: Instrumen- sofasession. Er hat neues Video „Ghosttown“ über die Live-Vi- te, ein Studio mit Verstärkern, Effektprozes- einen Abschluss der deo-Streaming-App Meerkat veröffentlich soren und einem Mischpult. Es gibt natür- Wirtschaftsuniversität Wien und ist bei (nicht ganz ohne technische Probleme) und lich auch heute noch genug Produzenten, sofasession für Produktentwicklung, bekannte Künstler wie Dr. Dre und Jay Z die an dieser Art der analogen Produktion Wachstum und Business Development stehen hinter Firmen wie Beats Music und festhalten. Es ist aber bereits möglich, allein zuständig. TIDAL. mit Software Musik auf professionellem Level zu produzieren und alle diese physi- EIN LIED STEHT AM ENDE schen Dinge durch digitale zu ersetzen. sofasession ist ein Wiener IT-Start-up, des- EINES LANGES PROZESSES sen Vision es ist, MusikerInnen aus aller Jedem Lied ist ein langer kreativer Prozess Musik ist ein digitales Produkt geworden. Welt zu verbinden und es zu ermögli- vorgelagert, nämlich der des gemeinsamen Die Produktion von Musik findet in großen chen, dass man über das Internet in Echt- Schaffens von Musik. Ein Lied entsteht, Teilen digital statt, genauso wie der Vertrieb zeit Musik machen kann. Die Software wenn sich MusikerInnen treffen, gemein- und der Konsum. Unsere Vision mit sofa- überträgt Musik besonders schnell über sam Ideen austauschen, spontan mit einan- session ist es, MusikerInnen den kreativen das Internet, sodass fast keine Verzöge- der musizieren und diese Ideen letztendlich Prozess mit Technologie zu erleichtern, rung zwischen Sender und Empfänger aufnehmen. Klassischerweise findet die- damit einfach großartige, musikalische Ide- entsteht und somit in Echtzeit musiziert ser Prozess offline statt, aber die erhöhte en entstehen können, mithilfe moderner werden kann. Mobilität von MusikerInnen und Personen generell, sowie die zeitliche Dynamisie- rung machen es immer komplexer, diesen Und so einfach geht es um Prozess offline durchzuführen. sofasession mit der ganzen Welt zu ermöglicht es MusikerInnen, den gesam- musizieren. © www.sofasession.com ten kreativen Prozess in das Internet zu verlagern: Die richtigen MitmusikerInnen finden, zu kreativen Projekten beitragen, MusikerInnen zu eigenen Projekten beitra- gen lassen und gemeinsam Musik schaffen.

Zusammenarbeit und Interaktion über das Internet sind in vielen Bereichen heute be- reits Standard; (man denke an Telearbeit, Online Spiele und die jeweiligen Technolo- gien, die das ermöglichen.) Online zu mu-

02  2015 | OCG Journal 19 tion.com/software und http://abcmusicno- Musik als Trägerprinzip für Informatik-Didaktik tation.weebly.com/tutorial.html).

von Erich Neuwirth Eine andere Darstellung desselben Liedes ist Abb. 2. Der hörbare Diese Darstellung kann man auf so einem Gerät als Musik abspielen: Programmierfehler

Das Lehramtsstudium Informatik an der Studierenden an musikalischen Fragestel- Dieses Notenbild wurde mit folgendem Universität Wien ist in ganz Österreich die lungen interessiert sind. Außerdem hat Code erzeugt: Einrichtung mit den meisten Studierenden Österreich einen Standortvorteil, viele un- dieses Faches (ca. 40-50 Studienanfänger serer Studierenden haben eine im interna- X:1 pro Jahr). tionale Vergleich gute Grundausbildung in T: Fr\‘ere Jacques elementarer Musiktheorie; die meisten be- C: Trad. Diese Studierenden besuchen Lehrveran- herrschen zum Beispiel die Notenschrift für M: C| staltungen zur Didaktik der Informatik. In einfache Musikbeispiele. L: 1/4 Schreibt man nur die Tonhöhen als Zahlen- diesen LVs geht es darum, Kernkonzepte K: C folge, dann sieht das aus wie auf Abb. 3. der Informatik an Hand von unterrichtsver- Diesen „Standortvorteil“ ausnutzend C D E C | C D E C | E F G2 | wendbaren Beispielen aufzubereiten. Infor- sind alle Projekte der Lehrveranstaltung E F G2 | Diese Darstellung legt nahe, das ganze in matik hat im Vergleich zu anderen Fächern „Kernthemen der Fachdidaktik Informa- G/2A/2G/2F/2 E C| G/2A/2G/2F/2 einer Tabellenkalkulation aufzuschreiben, den enormen Vorteil, sehr viel Projektar- tik” musikalischer Natur. E C| und in einer etwas anderen Schreibweise beit zu ermöglichen. Wenn Projektarbeit C G, C2| C G, C2|] sieht das dann so aus: gelingt, ist die Motivation der Lernenden Eine wichtige Aufgabe der Informatik ist sehr hoch und sie sind bereit, viel Zeit und die Umwandlung von Darstellungen in ver- Wenn man die „Sprechweise“ der Noten- Mühe zu investieren. Dabei ist es wichtig, schiedenen Notationen, z.B. Ablaufplan, schrift kennt, ist die Übersetzung ziemlich Projekte so zu entwerfen, dass möglichst Struktogramm, UML, verschiedene Pro- einfach. Die verwendete Beschreibungs- alle Lernenden Interesse an den zu bearbei- grammiersprachen, ... Das Problem der No- sprache heißt ABC Musiknotation und es tenden Aufgabenstellungen haben. tation stellt sich der Musik schon sehr lang. gibt für alle üblichen Plattformen Software, die die Textdarstellung in Notenschrift um- Da das Lehramtsstudium zumeist aus zwei Die folgende Darstellung ist in der Musik wandelt und oft auch (mit Hilfe von MIDI) Fächern besteht, haben natürlich alle Stu- üblich: (siehe Abb. 1) gleich abspielt (siehe etwa http://abcnota- dierenden ein Zweitfach. Im Sommerse- mester 2015 waren unter anderem folgen- Diese Darstellung ist bereits eine Mini-Pro- de 9 Fächer vertreten: grammiersprache für Musik, sie beschreibt in den einzelnen Spalten den Beginn eines Abb 1. • Bewegung und Sport Frére Jacques Ereignisses bezogen auf den Beginn des • Darstellende Geometrie Trad. vorhergehenden Ereignisses (in Millisekun- • Deutsch den), dann die Art des Ereignisses (note), • Geographie und Wirtschaftskunde dann die Zuordnung zu einem Musiker, • Geschichte und Politische Bildung und dann die Lautstärke und die Dauer. • Mathematik • Philosophie und Psychologie Es handelt sich wieder um die ersten bei- • Physik den Takte von Frère Jacques. • Spanisch Aus der Sicht der Informatik haben wir also Bei Projektarbeit stellt sich also das Prob- eine kleine Sprache zur Prozessteuerung Abb 2. lem, Projekte zu finden, die möglichst alle Studierenden interessieren. Bei der vor- gegebenen Vielfalt an Interessen der Stu- dierenden stellt das eine Herausforderung dar. Es hat sich gezeigt, dass die meisten

20 OCG Journal | 02  2015 Themenschwerpunkt: Musik und digitale Musikwirtschaft tion.com/software und http://abcmusicno- mit mehreren Agenten (den Musikern, die der ausführende Musiker (die Zahl in der tation.weebly.com/tutorial.html). in Spalte 3 angegeben werden). 3 Spalte) muss geändert werden. Beim Ändern solcher Tabellenteile ist es enorm Eine andere Darstellung desselben Liedes Wir wollen diese Sprache Phrasensprache praktische, dass das Werkzeug innerhalb ist Abb. 2. nennen, weil sie musikalische Phrasen be- von Excel funktioniert, alle Arbeitshilfsmit- schreibt. tel von Excel (Kopieren, Suchen, Ändern, Diese Darstellung kann man auf so einem ...) stehen ohne weiteren Lernaufwand zur Gerät als Musik abspielen: Es gibt (ein vom Autor dieses Artikels ge- Verfügung. schriebenes) Excel-Add-In namens Mi- diCSD, das über die Homepage von Erich Zeitversetzte Kopien von Teilen von Musik- Neuwirth (http://homepage.univie.ac.at/ stücken zu erzeugen ist aber in der Musik erich.neuwirth/) heruntergeladen werden ein wichtiges Gestaltungsprinzip, sehr oft kann. werden Teile von Musikstücken schließlich wiederholt. Daher bietet es sich an, dafür Mit diesem Add-In ist es ganz leicht mög- eine weiteres Werkzeug zur Verfügung zu lich, in dieser Tabellensprache codierte Mu- stellen. Es gibt im System nämlich noch sikstücke abzuspielen. Man braucht dazu eine weitere kleine Programmiersprache, nur den Bereich mit dem Code und dann die etwa so aussieht. einen Menüpunkt auszuwählen.

Schreibt man nur die Tonhöhen als Zahlen- Dass das geht überrascht die meisten folge, dann sieht das aus wie auf Abb. 3. Studierenden (und auch andere Zuhörer, vielleicht sogar die Leser dieses Artikels). Diese Darstellung legt nahe, das ganze in Viele Computernutzer wissen nicht, dass einer Tabellenkalkulation aufzuschreiben, Windows und auch Mac OSX einen kom- und in einer etwas anderen Schreibweise pletten Synthesizer mitbringen, der aus sieht das dann so aus: vielen Programmen mittels MIDI (Musical Instruments Digital Interface) gesteuert werden kann. Genau diese Tatsache macht Die erste Spalte bezeichnet Namen oder sich das Add-In zu Nutze. Variablen (und damit Speicherbereiche oder musikalische Phrasen), die zweite Dieses Add-In erlaubt auch das simulta- Spalte enthält Befehle, und die dritte und ne Abspielen mehrere Musikskripts. Wir möglicherweise zusätzliche Spalten geben setzen uns also mit dem Konzept syn- an, worauf diese Operationen angewendet chronisierter Prozesse auseinander! Ein werden. Unser obiges Programm löscht zu- wesentlicher didaktischer Aspekte unseres nächst den ganzen Speicher, danach gibt Werkzeugs ist, dass man Programmier- es zwei bestimmten Bereichen der Tabelle Diese Darstellung ist bereits eine Mini-Pro- fehler unmittelbar hört, die Rückmeldung jeweils einen Namen, danach erzeugt es grammiersprache für Musik, sie beschreibt über die Korrektheit des Programms ist eine Kopie eines Bereichs, ordnet die ei- in den einzelnen Spalten den Beginn eines sehr unmittelbar. nem anderen Musiker (technisch gesehen Ereignisses bezogen auf den Beginn des MIDI-Kanal) zu und verschiebt diese Kopie vorhergehenden Ereignisses (in Millisekun- Die Wahl des Musikstücks Frère Jacques zeitlich nach hinten. Zum Schluss werden den), dann die Art des Ereignisses (note), ist nicht zufällig. Frère Jacques ist einer alle neu erzeugten Phrasen zusammen ge- dann die Zuordnung zu einem Musiker, der einfachsten und bekanntesten Ka- mischt und synchron abgespielt. Das Kon- und dann die Lautstärke und die Dauer. nons. Um den Kanon abzuspielen muss zept des Kanons ist also in eine Metaspra- man zeitversetzte Kopien derselben „Stim- che, die auf der Phrasensprache operiert, Es handelt sich wieder um die ersten bei- me“ synchronisiert wiedergeben. Das ist beschrieben worden. Den play-Befehl kann den Takte von Frère Jacques. möglich, indem man die Tabelle mit der man übrigens auch durch den write-Befehl Stimme kopiert und in der Kopie die ers- ersetzen. Dann wird das Musikstück als Aus der Sicht der Informatik haben wir also te Verzögerung ändert (dann beginnt die MIDI-Datei ausgegeben. Derartige Datei- eine kleine Sprache zur Prozessteuerung kopierte Stimme später zu spielen). Auch en können unter Windows sofort durch

Abb 3.

02  2015 | OCG Journal 21 Doppelklicken wiedergegeben werden. In- zeigen, dass man existierende Softwaresys- formatisch ausgedrückt gibt es in unserem teme in manchmal überraschender Weise ao. Univ.-Prof. i.R. Dr. System also nicht nur einen Interpreter, der erweitern und so den eigenen Bedürfnis- Erich Neuwirth war vor die Programme innerhalb der Arbeitsum- sen anpassen kann. Dabei stehen aber die seinem Ruhestand gebung ausführt, sondern auch einen Hilfsmittel des Basissystems (in unserem Leiter des Fachdidaktik- Compiler, der lauffähige Binärdateien er- Fall Excel) die ganze Zeit zur Verfügung. zentrums für Informa- zeugt, die auch ohne Quellcode lauffähig tik an der Universität Wien. sind. MidiCSD ist mittlerweile jahrelang in der Schon ab Mitte der 80er-Jahre forcierte Lehre im Einsatz und die Studierenden er die Informatik- und IKT-Ausbildung Das System bietet noch einiges Weite- verwenden es mit großer Begeisterung. Es für LehramtskandidatInnen. re: Die Musiker können lauter und leiser wurde auch bereits mehrfach in Projektta- Er war Gastprofessor in den USA und spielen und mit Stereolautsprechern sogar gen für Jugendliche eingesetzt. Oft wollten in Japan und war einer der Mitinitiato- zwischen links und rechts herumwan- die Jugendlichen auch nach Ende der Ver- ren des Lehramtstudiums Informatik. dern. Man kann also auch die Bewegung anstaltung noch weiter ihre musikalischen Aus seiner ursprünglich für die Lehre der Musikanten simulieren. In einem der Ideen damit realisieren. entwickelten Software zur Verbindung Projekte müssen die Lernenden einen im von Excel und dem Statistik-Pro- Kreis marschierenden Trommler realisie- Da Excel als Ausgangspunkt verwendet gramm R ist mittlerweile ein von vielen ren. Das Schlussbeispiel ist die Simulation wird, gibt es praktisch keine Einstiegs- internationalen Firmen eingesetztes, eines vorbeifahrenden Rettungsautos. Da schwelle und die Benutzer können nach kommerzielles Produkt geworden. Sein muss zusätzlich zur Bewegung des Fahr- einer nur wenige Minuten langen Einfüh- Multimedia-Projekt Musikalische Stim- zeugs auch noch der Dopplereffekt (also rung sofort zu arbeiten beginnen und pro- mungen, das Informatik, Musik und die sich kontinuierlich ändernde Tonhöhe) duzieren sofort Musik. Mathematik verbindet, gewann den simuliert werden. European Academic Software Award. Es gibt auch eine didaktische Erweiterung Musikalisch ist die Programmierumge- des Werkzeugkastens. Es gibt eine funkti- bung, die das Add-In zur Verfügung stellt, onsgleiche Bibliothek für die Programmier- recht umfangreich, es gibt 128 Melodiein- sprache LOGO. Außerdem bietet MidiCSD strumente und 47 Schlaginstrumente. Da- in Excel die Möglichkeit, Phrasen direkt in mit lassen sich auch anspruchsvolle musi- LOGO zu kopieren und dort weiterzuver- kalische Projekte erzielen.

In Großbritannien ist in letzter Zeit ein ähn- liches Projekt entstanden: Sonic Pi. Das ist eine Programmierumgebung, mit der ebenfalls Musik gemacht wird, und die auch (aber nicht nur) auf dem Raspberry Pi läuft. Das Ziel ist ebenso wie bei MidiCSD, Musik als Anreiz zum programmieren Lernen zu benutzen. Die Sprache, in der man Sonic Pi programmiert, ist eine mo- difizierte Form von Ruby, einer klassischen Programmiersprache, die in Ruby on Rails auch zur Web-Programmierung eingesetzt wird. Ziel des Sonic-Pi-Projekts ist es, Kin- dern erste Erfahrungen im Gebrauch einer klassischen Programmiersprache zu geben und den Einstieg möglichst einfach zu machen. MidiCSD hat ein etwas anderes wenden. LOGO ist eine volle Programmier- Auch der Raspberry Pi kann zur Pro- grammierung von Musik herangezogen Ziel: In einer bereits bekannten Umgebung sprache und durch die Kombination der werden. (Excel) werden musikalische Konzepte an- beiden Systeme kann man sehr schön zei- hand zweier Beschreibungssprachen von gen, ab welcher Komplexität der Fragestel- © „Raspberry Pi 2 Model B v1.1 top new (bg cut out)“ by Multicherry. Licensed Musik realisiert. Die ganz grundlegenden lungen sich der Einsatz eines anspruchs- under CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Konzepte im Umgang mit Software sind volleren Systems als sinnvoll erweist. Der Commons - https://commons.wikimedia. meist bereits vorhanden, weil die Lernen- LOGO-Werkzeugkasten wird in einem Fol- org/wiki/File:Raspberry_Pi_2_Model_B_ v1.1_top_new_(bg_cut_out).jpg#/media/ << den schon mit Excel gearbeitet haben. geartikel beschrieben werden. File:Raspberry_Pi_2_Model_B_v1.1_top_ Eine wichtige Botschaft des Add-Ins ist, zu new_(bg_cut_out).jpg

22 OCG Journal | 02  2015 Themenschwerpunkt: Musik und digitale Musikwirtschaft

Ein Gespräch mit Michael Tschuggnall

von Rupert Lemmel-Seedorf „Informatik hat mich schon immer fasziniert“

Sie waren vor einigen Jahren ein sehr Professor Thomas A. Troge, Hochschu- bekannter Musiker in Österreich – und le für Musik Karlsruhe, sagt, dass fast darüber hinaus. Wieso wird ein Musi- alle Bereiche des musikalischen Alltags ker Informatiker? heute von digitaler Technologie „zu Die Informatik hat mich schon immer fas- 98 oder 99 Prozent“ geprägt wären. ziniert und ich habe mich mit dem Com- Kann ihrer Meinung nach der Compu- puter schon seit meinen Hauptschultagen ter auch schon kreative Prozesse des intensiv beschäftigt. Natürlich war und ist Menschen in Algorithmen fassen? die Musik auch immer präsent, und ich Obwohl ich diese Frage als Forscher gerne könnte nicht ohne sie, aber ich sah sie mit „Ja“ beantworten würde, so bin ich immer mehr als großes Hobby als eine doch gegenteiliger Meinung. Computer berufliche Tätigkeit. So spielte und sang können sehr viel, aber Kreativität gehört ich zwar in einigen Bands und Gruppie- sicherlich nicht dazu, da dies bedeuten rungen, begann aber dann aus berufli- würde, dass ein Algorithmus „aus dem cher Sicht mit dem Informatikstudium. Nichts“ heraus etwas erfinden müss- Mit der Teilnahme an Starmania hat sich te – und das wird noch einige Zeit nicht diese Anschauung klarerweise etwas ge- möglich sein. Und wenn, dann nur unter ändert, aber nach einigen Jahren im Mu- Zuhilfenahme von vorher von Menschen sikbusiness folgte dann wieder der Schritt definierten „kreativen“ Regeln. „zurück“ in die Informatik – wo ich heute auch noch tätig bin. Welche Veränderung haben Sie selbst durch digitale Technologien/Informati- Was fasziniert Sie am Computer? onstechnologie in der Musikkomposi- Mich fasziniert u.a., dass man mit diesem tion und -produktion kennengelernt? „Gerät“ das tägliche Leben verbessern Für die Unterstützung kreativer Prozesse Nachdem die irische Popband U2 ihr kann, indem viele Arbeiten delegiert wer- ist ein Computer andererseits optimal: letztes Album „Songs of Innocence“ den können, während die nahezu unend- angefangen von Internetrecherchen bzgl. via Apples iTunes-Store allen Nutzern lichen Verwendungsmöglichkeiten neuer eines Liedtextes bis hin zur Verwendung geschenkt hatte schrieb die Musikpres- Soft- und Hardware zur Aufwertung des von Musik-Spezialsoftware, die es er- se von einer Marginalisierung der Mu- täglichen Lifestyles beiträgt. Für mich als möglicht, mit verschiedenen Klängen, sik. Wie sehen Sie eine solche Aktion? wissenschaftlicher Mitarbeiter ist Letzteres Akkorden, Tempi usw. nach Belieben zu Solche Aktionen sind immer sehr schwer besonders interessant, v.a. wenn es darum experimentieren. In Kombination mit mo- zu beurteilen: U2 und Apple haben das geht, Neues zu entdecken und dies für die bilen Endgeräten, wie etwa einem iPad sicher gut gemeint und wollten die Mu- Allgemeinheit nutzbar zu machen. ist es zusätzlich möglich, mit der Compu- sik den Nutzern auf legale Weise anbie- ter-Software zu kommunizieren. Beispiels- ten und illegale Downloads vermeiden. Andererseits entsteht vor allem durch die weise erarbeite ich mir eine experimentelle Andererseits verstehe ich jeden Künstler, weite Verbreitung mobiler Endgeräte die Sequenz am Computer, setze mich dann der dies kritisch sieht, denn es ist leider Gefahr, sich in der digital sozialen Welt zu ans Klavier und navigiere von dort mit dem immer noch so, dass etwas, das gratis ist, verlieren: ein Mittagessen im Kreise der iPad das Abspielen und editiere on-the-fly auch nichts wert ist. Und für den Groß- Familie sollte nicht so aussehen, dass alle verschiedenste Dinge wie etwa Tempo teil der Musikschaffenden ist dies natür- Teilnehmer auf Ihrem Gerät E-Mails che- oder Tonhöhe – das erleichtert natürlich lich eine Ansage in die falsche Richtung. cken, Facebook-Meldungen posten oder sehr viel. Aber nochmal: Ich glaube, dass U2 einfach Nachrichten verschicken. großzügig sein wollte und für Ihre Fans auf

02  2015 | OCG Journal 23 die Einnahmen schlicht verzichten wollte. von ist sicher das wichtigste, authentisch mp3-Verfahren wird 20 Jahre alt zu bleiben und etwas zu machen, hinter Trotz permanenter Verfügbarkeit dem man selbst zu 100% stehen kann. von Rupert Lemmel-Seedorf von Musik durch das Internet (Stich- wort Streaming-Dienste) feiert die Wird es in 20 Jahren noch Musiker Ein „kulturelles Phänomen“ Vinyl-Platte ein großes Comeback. In geben oder Musiker noch gebraucht feiert runden Geburtstag Deutschland wurden 2014 um 30% werden … mehr Platten verkauft – oder insgesamt Natürlich wird es in 20 Jahren noch Mu- 1,8 Mio. Stück – als im Jahr davor. Wie siker geben. Genauso, wie es auch Maler Das mp3-Verfahren zur Komprimierung erklären Sie sich diese Entwicklung? oder Kabarettisten geben wird... von Musik wird in diesen Tagen 20 Jahre Ich glaube das liegt daran, dass immer „alt“. 1995 bekam mp3 seinen Namen mehr digital verfügbar ist, ein angreifbares … und wie wird Musik klingen? und war zur rechten Zeit am rechten Ort. Medium wie etwa einer Vinyl-Platte aber Das ist schwer zu sagen, aber ich denke, Heinz Gerhäuser, mp3-Entwickler: „mp3 einen deutlichen Mehrwert hat. Es ist auch dass Pop (im weitesten Sinne) auch in 20 war eine bahnbrechende Technologie ge- bei mir so: Es macht einen Unterschied, ob Jahren noch dominieren wird. Klanglich nau zur richtigen Zeit. Denn nicht lange ich ein Album digital erwerbe oder es vor könnte ich mir allerdings schon vorstellen, nach der mp3-Entwicklung kamen auch mir liegen habe und es während dem Hö- dass einige elektronische Elemente dazu- leistungsfähige PCs auf den Markt, die ren durchblättern kann – so wird es wieder kommen, um dem Zeitgeist zu entspre- Speicherpreise sanken und das Internet zu dem Gesamtwerk, das es früher einmal chen – wir werden sehen! breitete sich aus. Die technischen Voraus- war. setzungen für den Markterfolg waren also Wir danken für das Gespräch! << vorhanden. Jetzt mussten wir der Welt Machen Sie heute auch noch Musik nur noch erklären, wozu man die neue und wenn ja, welche? mp3-Technologie nutzen kann.“ Ja, definitiv. Ich spiele sehr viel bei mir zu Michael Tschuggnall, PhD, 33, beginnt Hause und komponiere dort auch, zum mit sechs Jahren Klavier zu spielen, mit Diese Arbeit wurde dem Fraunhofer Ins- Teil für mich und zum Teil auch auftrags- 14 Jahren Bass und gewinnt mit seiner titut abgenommen, kaufte doch ein aus- mäßig für andere. Vereinzelt spiele/singe Eigenkomposition „Tears of Happi- tralischer Student mit einer gestohlenen ich auch noch öffentlich, wenn sich die ness“ 2003 das Finale der ORF- Kreditkarte die Software um sie anschlie- Gelegenheit ergibt, aber ich suche mo- Castingshow Starmania (vor der zweit- ßend im Internet öffentlich verfügbar zu mentan nicht aktiv danach. Vom Stil her platzierten Christina Stürmer). Seine machen. Damit war den Entwicklern zwar hat sich denke ich nicht viel verändert: Bal- Single erreicht im gleichen Jahr die das Geschäftsmodell abhanden gekom- laden, Pop, Rock, Jazz auf den Instrumen- Spitzenposition der Österreichischen men, der Popularität des Formats brachte ten Klavier, Gitarre, Bass und neuerdings Charts und er wird im darauffolgenden es aber viel. Harald Popp, mp3-Entwickler: auch Saxophon. Jahr drei Mal für den größten heimi- „mp3 wurde zum Erfolg, obwohl nur we- schen Musikerpreis, den Amadeus nige daran geglaubt haben, und obwohl Welche Rolle spielt digitale Technolo- Austrian Music Award, nominiert. Von große Konzerne und Rundfunkanstalten gie von der Produktion bis zum Ver- 2003 bis 2006 war Tschuggnall haupt- versuchten, mp3 aus dem Markt zu drän- trieb in Ihrer Musik? beruflich Musiker. Seit 2007 tritt er nur gen. Schon bald wurde mp3 zum Welt- Wie schon erwähnt verwende ich gerne mehr gelegentlich auf. standard und kein Hersteller konnte es neue Technologien. Hier verlasse ich mich Sein beruflicher Werdegang – neben sich mehr leisten, auf mp3 zu verzichten.“ aber viel auf die Empfehlungen meines äl- der Musik – führte ihn nach der HTL teren Bruders, der ein eigenes Tonstudio Matura (Schwerpunkt Betriebsinforma- Und mp3 ist eine finanzielle Erfolgsge- betreibt. Er verwendet viel Zeit, um up-to- tik) an die Universität Innsbruck zum schichte: Mit rund 300 Millionen Euro date zu bleiben – Zeit, die ich nicht auf- Studium der Informatik. Seit 2011 ist er pro Jahr beziffert Fraunhofer selbst die wenden kann. Aber durch ihn bekomme Universitätsassistent im Bereich Daten- „induzierten Steuereinnahmen für Bund ich auch so immer die wichtigsten Neue- banken und Informationssysteme. 2014 und Länder“ und die unmittelbaren Lizen- rungen mit. promovierte er mit Auszeichnung. zerträge der Fraunhofer-Gesellschaft aus mp3-Patenten werden mit einem „hohen Was muss Ihrer Meinung nach ein jun- zweistelligen Millionenbetrag“ jährlich an- ger Mensch heute mitbringen, um er- gegeben. folgreicher Musiker zu werden? Große Erfolge im Musikgeschäft sind in Quelle: Österreich leider noch immer viel mit Glück MP3-Forschung, Entwicklung und Ver- verbunden. Man muss hier im richtigen marktung in Deutschland. Fraunhofer-Ins- Augenblick am richtigen Ort sein und mit titut für Integrierte Schalunten IIS. den richtigen Menschen reden. Abseits da-

24 OCG Journal | 02  2015 Themenschwerpunkt: Musik und digitale Musikwirtschaft

Die Klangdatenbank mit Echtzeitsteuerung

von Herbert Tucmandl Vienna Symphonic Library digitalisiert Instrumente und Räume

„Du bist verrückt. Ganz abgesehen da- gerecht wurden, entwickelte er ein völlig technologie rasch weiterentwickeln und von, dass so etwas nicht finanzierbar ist, neues Konzept einer authentischen Or- die Systeme auch für den Endverbraucher gibt es nicht einmal die Computer, um chester-Klangbibliothek (engl.: „Samp- erschwinglicher werden würden. Die pa- das alles überhaupt abspielen zu kön- le-Library“). Das System bestach vor allem rallel zur Klangdatenbank entwickelte nen. Vergiss es!“ Wohlmeinende Kom- durch den Ansatz, nicht ausschließlich Software basiert auf einer mächtigen Stre- mentare wie diese legten den Grund- einzelne Töne, sondern auch Tonverbin- aming Audio-Engine und kann über 3.000 stein zur Erfolgsgeschichte der Vienna dungen aufzunehmen, zudem wurden Spielweisen („Patches“) auf nur einem Symphonic Library, die im Jahr 2000 von Tonwiederholungen, Triller, rasche Läufe einzigen MIDI-Kanal verwalten. Ausgeklü- Herbert Tucmandl in Wien gegründet sowie eine Vielzahl von Spielweisen wie Le- gelte Algorithmen erkennen dabei nicht wurde. gato, Staccato, Pizzicato usw. eingeplant. nur Lautstärke (Anschlagstärke), Intervalle Dies hatte eine schier unendlich große Da- und Spielgeschwindigkeit, sondern auch DAS GANZE IST MEHR ALS tenmenge zur Folge und es wurde schnell Tonrepetitionen oder Triller in Echtzeit DIE SUMME SEINER TEILE klar, dass das Vorhaben die Anforderun- und rufen automatisch die „richtigen“ Mitte der 1990er-Jahre avancierte Herbert gen an Rechenleistung und Speicherplatz Samples ab. Dies ermöglicht auch tech- Tucmandl, früher Cellist und Substitut bei der damals erhältlichen Computer um ein nisch weniger versierten Musikern und den Wiener Philharmonikern, vom Kame- Vielfaches übersteigen würde. Komponisten eine intuitive und rasche Ar- ramann zum Regisseur und produzierte beitsweise. Das Geheimnis des Realismus zunächst notdürftig – aufgrund der knap- KOMBINATION AUS SAMPLES der Vienna Symphonic Library liegt dem- pen Budgets – mit Hilfe von Computern UND SOFTWARE nach in der Kombination einer immensen orchestrale Filmmusiken für seine Projek- Ungeachtet dessen setze Herbert Tuc- Klangdatenbank und der Möglichkeit der te. Da die damals verfügbaren Mittel sei- mandl seine Pläne konsequent fort – auch Echtzeit-Steuerung durch ein musikerge- nen Klangvorstellungen in keiner Weise in der Hoffnung, dass sich die Computer- rechtes User-Interface.

WELTMARKTFÜHRER MIT 2 MILLIONEN SAMPLES Heute umfasst das Portfolio des Wiener Sample- und Musiksoftwareherstellers über zwei Millionen digitalisierte Klänge („Samples“), die dank eines speziellen Komprimierungsverfahrens ca. ein Tera- byte Speicherkapazität beanspruchen und sich problemlos auf jedem handelsübli- chen Computer abspielen lassen. Nahezu alle Orchesterinstrumente, von der Picco- lo-Flöte bis zum Kontrabass, sind einzeln Aufnahme einer als auch in Gruppen (z. B. 10 Kontrabässe) Horn-Gruppe in der verfügbar. Auch seltene Instrumente wie „Silent Stage. © Vienna Symphonic z. B. die Wagnertuba oder das Heckel- Library GmbH phon wurden in der eigens hierfür errich-

02  2015 | OCG Journal 25 Räumen (u. a. renommierte Konzertsäle gleichberechtigt nebeneinander stehen. wie jene des Wiener Konzerthauses, Stu- Intelligente Algorithmen ermöglichen die dios und Kirchen) stehen dem User in der Echtzeit-Steuerung der virtuellen Instru- Software zur Verfügung. mente am Computer durch die Live-Musi- ker. Der Dirigent, der durch eine spezielle KUNDEN IN ALLER WELT Datenbrille sowohl die Live-Musiker als Zu den 40.000 Kunden der Vienna Sym- auch deren digitale Kollegen nebenein- phonic Library zählen namhafte inter- ander sehen kann, hat die Kontrolle über nationale Filmkomponisten wie Danny den gesamten Klangkörper und bestimmt Elfman, Alan Silvestri, sowie Oscar-Gewin- Tempo und Dynamik in Interaktion mit ner Alexandre Desplat und A.R. Rahman. den realen und virtuellen Musikern. Die Jazz-, Pop- und Rock-Musiker wie Herbie eigens entwickelte Software, die auch auf Hancock, Lenny Kravitz, Beyoncé, Céline der „Multi Response“ Faltungs- Dion oder Pete Townshend vertrauen den hall-Technologie basiert, stellt dabei den Produkten des Wiener Unternehmens im digitalisierten Raum in allen akustischen Studio und auf der Bühne, ebenso wie Details zur Verfügung und berücksichtigt die Bands Massive Attack, Korn oder Nine neben der genauen Position auch das Inch Nails. Auch Ausbildungs-Institutionen spezifische Abstrahlverhalten jedes Instru- Auch so seltene Instrumente wie das wie das Berklee College of Music oder die ments. Die neue Technologie ermöglicht Heckelphon wurden aufgenommen. Academy of Arts University San Francisco Komponisten und Dirigenten größtmögli- © Vienna Symphonic Library GmbH setzen virtuelle Instrumente der Vienna che Flexibilität in Bezug auf die Besetzung Symphonic Library im Musikunterricht ein. und das angestrebte Klangbild. <<

ZUKUNFTSMUSIK „SYNCHRON STAGE VIENNA“ teten „Silent Stage“ aufgenommen. Das In naher Zukunft möchte die Vienna Sym- Sortiment wird laufend erweitert, mittler- phonic Library die Welthauptstadt der weile ist als Pendant zum symphonischen Musik auch zu einem High-End-Produk- Orchester ein großer, gemischter Chor tionsstandort für Orchester- und interna- erhältlich, mit dem sich auch menschliche tionale Filmmusik etablieren. Der Grund- Stimmen am Computer realisieren lassen stein hierzu wurde im Sommer 2013 (dem User stehen hierfür ausgewählte Vo- durch den Kauf der denkmalgeschützten kale und Silben zur Verfügung). „Synchronhalle“ im Areal der ehemaligen Filmstadt Wien am Rosenhügel gelegt. WIENER RAUMFORSCHUNG: Das historische Bauwerk aus den 1940er VIENNA MIR Jahren wurde zunächst für Filmmusik- Nach demselben Prinzip wie Orchesterins- produktionen der Wien-Film genutzt, in trumente wird seit einigen Jahren auch die weiterer Folge entstanden in den 1960er Akustik von Räumen digitalisiert. Die „Ant- Jahren aufgrund der einzigartigen Akustik Herbert Tucmandl, wort“ eines beliebigen Raumes auf einen legendäre Schallplatten-Aufnahmen (u. Geschäftsführer Vienna genau definierten akustischen Impuls a. mit Herbert von Karajan, Karl Böhm, Symphonic Library wird hierfür aufgenommen und in einem Wilhelm Backhaus, Yehudi Menuhin oder GmbH mathematischen Prozess (dt.: „Faltung“, Mstislav Rostropovitch). Nach der Renovie- engl.: „Convolution“) einem anderen, be- rung und dem technischen Ausbau wird • Musikstudium an der Hochschule für liebigen Signal aufgeprägt. Das Ergebnis die Synchron Stage Vienna ab dem Jahr Musik u. darst. Kunst, Wien ist ident mit dem Klangeindruck, der beim 2016 wieder für bildsynchrone Orches- • Cellist (u.a. Substitut bei den Wiener tatsächlichen Abspielen und Aufzeichnen teraufnahmen und damit gemäß ihrem Philharmonikern), Kameramann und des Signals in diesem Raum entsteht. Die ursprünglichen Errichtungszweck genutzt Regisseur eigens hierfür entwickelte Raumsimula- werden können. • Komponist von Film- und TV-Musiken tions-Software Vienna MIR PRO basiert • 2000 Gründung der Vienna Sympho- auf vielfachen Impulsantworten („Multi INTERAKTIVE HYBRIDE nic Library GmbH Impulse Responses“) und erlaubt auch das MUSIKPRODUKTIONEN • 2011 Österreichischer Filmpreis Einspeisen externer Audio-Signalquellen, Als „hybrid“ wird in der Musikprodukti- („Beste Musik“ für „Atmen“; Regie: die in den virtuellen Konzertsälen platziert on die Kombination von realen Musikern Karl Markovics) und präzise im Klang bearbeitet werden und virtuellen Instrumenten bezeichnet, können. Eine Vielzahl an digitalisierten die in der Synchron Stage Vienna erstmals www.vsl.co.at

26 OCG Journal | 02  2015 IKT in der Ausbildung

ECDL Austria gewinnt Gold und Silber beim ECDL Best Practice Award 2015

von Rupert Lemmel-Seedorf ECDL Kurse für Migrantinnen und Migranten sind Gold wert

Die OCG konnte auch in diesem Jahr Im Jahr 2010 hat der Österreichische Inte- der ÖIF nachhaltig dazu bei, die Migrantin- beim Best Practice Award 2015 der grationsfonds zum ersten Mal einen ECDL nen erfolgreich sprachlich und beruflich in ECDL Foundation einen Sieger stellen: Core Kurs und auch Kurse für Anfänger Österreich zu integrieren. Mit der Einreichung „Fit for the labour angeboten. Die ECDL Core Tests wurden market: ECDL courses for migrants” extern durchgeführt. Seit 2011 ist das wurde die Kategorie ECDL in Society IZW ein akkreditiertes ECDL Test Center gewonnen. Zusätzlich gab es in der und hat im Herbst 2011 dann zum ersten Kategorie ECDL in Education einen Mal auch ECDL Advanced Kurse in sein zweiten Platz („Runner-up“) für die Programm aufgenommen. Was als Expe- Einreichung aus Österreich. riment begonnen hat, wurde zu einem durchschlagenden Erfolg. Die schwieri- Der Best Practice Award wird von der ECDL geren ECDL Advanced Kurse sind zu den Foundation einmal im Jahr vergeben. Ein- beliebtesten Kursen geworden, da sie eine reichungen aus 150 ECDL/ICDL-Ländern ausgezeichnete Vorbereitung für eine An- weltweit werden berücksichtigt. An der stellung bieten. Der Österreichische Inte- Herr Aladin Naksh Bandi, Abstimmung im Mai haben Repräsentan- grationsfonds ist stolz darauf bereits 231 MBA, hat erst vor kurzem tInnen aus mehr als 100 Ländern im Rah- ECDL Standard und 288 ECDL Advanced erfolgreich den ECDL men der ECDL Foundation Best Practice AbsolventInnen zu haben. Advanced Expert Kurs Awards Ceremony in Warschau (Polen) abgeschlossen. Der teilgenommen und ihre Stimme für vier DIE WIRKUNG 49-jährige Syrer hat 21 Jahre lang als Kategorien abgegeben. Die ÖIF Kurse haben einen besonderer Entwicklungsmanager und Kommunikati- Vorteil gegenüber anderen Ausbildungs- onsexperte in internationalen Unterneh- 1. DER GEWINNER institutionen: Sie sind länger und kosten men gearbeitet, bevor er 2012 nach Der Beitrag der OCG über die Arbeit des trotzdem gleich viel oder sogar weniger. Österreich kam. „Ich habe mich immer Österreichischen Intergrationsfonds konnte Der ÖIF bietet ein hervorragendes ECDL gerne Herausforderungen gestellt und in der Kategorie ECDL in Society gewinnen. Training an, daher bestehen die ECDL brauche dafür ein gutes Rüstzeug. Der Standard Kurse aus 240 und die ECDL Ad- ECDL Advanced ist für mich daher die DIE EINREICHUNG IM vanced Kurse aus 140 Trainingseinheiten. beste Lösung”, sagt Bandi. Analyse, WORTLAUT Präsentation und Forschung sind Bereiche, Der Österreichische Integrationsfonds Der längere Trainingszeitraum hat noch die für das Masterstudium Internationale (ÖIF) bildet seit 2010 Migrantinnen und einen weiteren positive Effekt: Durch das Entwicklung der Universität Wien wichtig Migranten in seinem Integrationszentrum ECDL Training erweitern die TeilnehmerIn- sind. „Ich brauche Textverarbeitung Wien (IZW) aus, um ihnen eine sprachliche, nen ihren Wortschatz und lernen das für Advanced, Tabellenkalkulation Advanced berufliche und soziale Integration in Öster- die heutige IKT-Umgebung so wichtige und Präsentation Advanced und noch reich zu ermöglichen. Heute sind Compu- Fachvokabular. So geht die professionelle weiterer Programme, um eine hervorra- terfertigkeiten und der kompetente Um- Qualifikation Hand in Hand mit einer Ver- gende Masterarbeit zu schreiben, mit der gang mit dem Internet eine wesentliche besserung der sprachlichen Kompetenz. ich einen bleibenden Eindruck auf die Anforderung bei der Arbeitssuche. Daher Universitätsprofessorinnen und -professo- bietet der ÖIF neben vielen Deutschkursen Der ÖIF unterstützt jene sozial benachteilig- ren machen kann”, erklärt Bandi. Der auch eine umfassende ECDL Ausbildung ten MigrantInnen, die sich die ECDL Kurse Österreichische Integrationsfonds und der im IZW an. selbst nicht leisten könnten, indem er ihnen ECDL helfen ihm dabei, dieses Ziel zu eine Teilnahme in diesem Ausbildungszent- erreichen. rum ermöglicht. Mit den ECDL Kursen trägt

02  2015 | OCG Journal 27 2. DER ZWEITE PLATZ DIE WIRKUNG In der Kategorie ECDL in Education beleg- Die Lehrerinnen und Lehrer werden im te die Einreichung der OCG den zweiten Umgang mit digitalen Medien gestärkt. Platz. Inhaltlich wurde die Initiative von Dies erleichtert die tägliche Arbeit an der Vorarlberger Berufsschullehrern gewür- Schule. Die Verwaltungsarbeiten sind ne- digt, die als gemeinsamen Standard den ben dem Vorbereiten und Unterrichten ECDL eingeführt haben. nicht zu unterschätzen. Die Digitalisierung bringt den Lehrerinnen und Lehrern vie- DIE PRÄMIERTE EINREICHUNG le Erleichterungen. Allerdings nur dann, IM WORTLAUT wenn sie über entsprechenden Kompe- Digitale Medien haben Einzug in das Klas- tenzen verfügt. Diese Kompetenzen wer- senzimmer gehalten. Computer, Note- den über den ECDL antrainiert. Auch die Mag. Bruno Bereuter, book, Tablet und Smart Phone sind Be- Sicherheit im Umgang mit kompetenten Lehrer Landesberufs- standteile des regulären Unterrichts. Die Schülerinnen und Schülern im Bereich schule Dornbirn 2 Schülerinnen und Schüler wachsen mit neuer Medien wird erhöht. Denn nach der den digitalen Medien auf. Umso wich- ECDL Prüfung sind den Lehrenden Fach- „Die digitale Welt verändert sich tiger ist es, dass sich auch die Lehrkräfte ausdrücke aus der digitalen Welt geläufig. sehr rasch. Für mich als Lehrer ist Medienkompetenz aneignen und auf dem es eine große Herausforderung mit Laufenden bleiben. Sonst kann es relativ Die SchülerInnen können sich durch den dieser Geschwindigkeit mitzuhalten. schnell passieren, dass die SchülerInnen ECDL die Fähigkeiten am Computer zer- Das erfordert ständiges Lernen und in der digitalen Welt mehr Kompetenzen tifizieren lassen. Dies ist besonders im das Wissen zertifizieren zu lassen. aufweisen, als die LehrerInnen. Außerdem Rahmen von Bewerbungen wichtig. Der Hier bietet der ECDL eine optimale wird die Schulverwaltung über digitale neue Dienstgeber kann sich durch einheit- Möglichkeit, auch weil das Zertifikat Medien abgewickelt. Kein Lehrender kann liche Zertifikate ein besseres Bild über die international standardisiert ist. Inhalte sich der Digitalisierung der Schulverwal- Kompetenz der BewerberInnen machen. tung entziehen. Fehlzeiten werden ebenso Zusätzlich erhöht der ECDL mit dem Test- wie Textverarbeitung, Präsentation über Computerprogramme erfasst wie die system Sophia die Lesekompetenz. Le- und Tabellenkalkulation können Eingabe von Prüfungsterminen und Noten. sekompetenz ist ein wesentlicher Faktor, eins zu eins im Unterricht verwendet Auch die Vorbereitung wird digital erstellt. um beruflich erfolgreich zu sein. Daher werden. Das erleichtert mir die Arbeit Somit muss jede Lehrkraft über ein Min- werden auch die Lehrbetriebe durch die als Lehrer sehr.“ destmaß an Medienkompetenz verfügen. Übernahme der Kosten unterstützt. <<

Im Rahmen der LehrerInnenausbildung (Berufsschullehrer) wird an der PH Vorar- lberg das Fach Angewandte Informatik Berufsschullehrer an der PH Vorarlberg – Absolventen des ECDL Base unterrichtet. Ziel der Ausbildung ist die Steigerung der Medienkompetenz. Im Rahmen dieses Faches werden die Lehr- kräfte auf den ECDL vorbereitet. Ziel ist die Absolvierung des ECDL Base. Das Land Vorarlberg unterstützt diese Prüfung in- dem sie den Lehrerinnen und Lehrern bei positivem Abschluss 50 % der Prüfungs- gebühren (das sind ca. EUR 80,00) ersetzt.

Im weiteren werden die LehrerInnen dazu motiviert, die ECDL Unterlagen im Unter- richt einzusetzen. Auch an den Berufs- schulen wird der ECDL für SchülerInnen angeboten. Einige LehrerInnen bereiten die SchülerInnen im Rahmen des Unter- richts an der Schule auf die ECDL Prüfung vor. Bei den SchülerInnen übernehmen zu 80 % die Lehrbetriebe die Kosten für die Prüfungsgebühren (ca. EUR 225,00).

28 OCG Journal | 02  2015 IKT in der Ausbildung

Die erste offene digitale Werkstatt für Kinder

von Martin Ebner und Sandra Schön Papier, Schere und Laptop – Maker Days für Kinder

Die Veranstaltung „Maker Days for Realität ermöglichen. Und natürlich gab Kids“ war eine viertägige, offene, kre- es auch Computer: Im „DevLab“ wurde Univ.-Doz. Dipl.-Ing. ative und digitale Werkstatt für Kinder an Laptops und Phablets mit Scratch pro- Dr.techn. Martin Ebner zwischen 10 und 14 Jahren. 160 jungen grammiert und standen 3D-Software zum ist Abteilungsleiter der TagesbesucherInnen standen dabei Ma- Erzeugen von 3D-Objekten sowie Bildbear- Abteilung Vernetztes terialien und Werkzeuge zur freien Ver- beitungsprogramme für die Erstellung von Lernen am Zentralen fügung. (Peer-)TutorInnen, Challenges, Bildern für den Vinylcutter zur Verfügung. Informatikdienst der TU Graz und in kurze Workshops und Selbstlernmate- Auch Lego Mindstorm Roboter konnten dieser Funktion verantwortlich für rialien unterstützten dabei das freie di- ins Leben gerufen werden. sämtliche E-Learning-Belange der gitale Tüfteln und kreative Erfinden der Universität. Weiters ist er Senior-Resea- TeilnehmerInnen. GESAMMELTE ERFAHRUNGEN cher am Institut für Informationssysteme Darüber hinaus gab es noch spezielle und Computer Medien zu den Themen Mit der Zielsetzung, kreatives (digitales) Hardware wie ein programmierbarer Ro- E-Learning, Mobile Learning, Social Gestalten zu ermöglichen und zu för- boter, eine Drohne und ein LeapMotion Media, Open Educational Resources dern, wurde bei den Maker Days v.a. auf für Gestensteuerung. Im Film- und Foto- und Educational Data Mining. ein offenes, niederschwelliges Angebot, studio wurde mit Trickfilm, Lightpainting, www.martinebner.at auf Partizipation der Teilnehmenden, die Greenscreen u.a. experimentiert. Jeden Förderung ihrer Ideen- (und Innovations-) Tag versammelten sich alle in der „Ideen Dr. Sandra Schon ist Entwicklung sowie eine (auch selbstge- Lounge“: Auf Sofa und Sitzsäcken wur- promovierte Erzie- steuerte) Medien- und IT-(MINT) - Kompe- den gezielt Ideen gesammelt, ausgewählt, hungswissenschafterin, tenzerweiterung gesetzt. entwickelt, diskutiert und stolz die Werke die seit mehreren Berufsschullehrer an der PH Vorarlberg – des Tages präsentiert. Dabei unterstützten Jahren zu IT-gestützte Absolventen des ECDL Base PAPIER, SCHERE UND LAPTOP Plakate, Schreibmaterial, zahlreiche Bücher (Bildungs-) Innovationen forscht. Sie Die Werkstatt, eigentlich der Veranstal- und weitere Geräte für Internetrecherchen. arbeitet seit 2006 bei der Salzburg tungsaal und Bühne im Jugendzentrum, Research Forschungsgesellschaft, mehr: war in verschiedene Bereiche unterteilt. Damit die gesammelten Erfahrungen auch www.sandra-schoen.de Im Lager fanden sich zum Beispiel Farben, anderen zugänglich werden, ist, neben Papiere, Scheren und viele weitere Mate- dem Weblog, eine ausführliche Dokumen- rialien bei denen sich alle selbst bedienen tation in Arbeit und im Oktober 2015 ein Die erste Maker-Veranstaltung dieser konnten. Traditionelles Werkzeug, u.a. kostenloser Online-Kurs zum „Making mit Art im deutschsprachigen Raum ver- zur Holzbearbeitung oder eine Nähma- Kindern“. Anmelden kann man sich dazu anstalte der BIMS e.V., Bad Reichen- schine („Atelier“) standen ebenfalls zur heute schon unter: http://imoox.at << hall, mit Unterstützung der HIT-Stif- Verfügung. Gewerkt, gemalt, genäht und tung – Kinder brauchen Zukunft, der gebastelt wurden so ein großes Insekten- Salzburg Research Forschungsgesell- hotel, Samenbomben, Upcycling-Mode schaft und der Technischen Universität und Acrylbilder. Im Bereich „Technik Wer- Graz im April 2015 in Bad Reichenhall. ken“ wurde mit elektronischen Bausätzen; Bei der Abschlusspräsentation Lötkolben und Hardware gearbeitet. Wa- wurden Eltern, FreundInnen und der ckelroboter und LED-Objekte wurden hier Öffentlichkeit ausgewählte Projekte gelötet und so manche Brandwunde ent- präsentiert, und im Projekt-Weblog stand. Aus Pappdeckeln wurden 3D-Brillen dokumentiert: zusammengeklebt, die mit Smartphones http://makerdays.wordpress.com ausgestattet, Abenteuer in der virtuellen

02  2015 | OCG Journal 29 Trauer & Tod im Internet

von Daniela Drobna Neue Spielregeln für den Nachlass von Online- Identitäten

Testament, Begräbnis, Trauer und Nach- europäischer Ebene. Das Erbrecht ist in Lobo schrieb in diesem Zusammenhang lass: vier Worte, mit denen die meisten fast allen Staaten der Welt unterschiedlich, in einem im März erschienenen Artikel auf Menschen etwas verbinden und assozi- beispielsweise gibt es bereits (große) Unter- Spiegel.de von „netzkollektiver Trauer“. Es ieren. Das Testament regelt den Umgang schiede zwischen Österreich und Deutsch- ist mittlerweile nicht mehr unüblich, dass mit dem Nachlass und dem Erbe, das Be- land. Verkompliziert wird die Sache zudem, Nachrufe und Beileidsbekundungen aus gräbnis ermöglicht den Angehörigen kol- wenn ein Todesfall mehrere Staaten betrifft; dem Freundes- und Bekanntenkreis (auch) lektives Trauern und Abschied zu nehmen. beispielsweise hat die verstorbene Person über Facebook & Co geteilt werden. Doch im Zuge von neuen Kommunikati- in Österreich gelebt und den E-Mail-Dienst onsmitteln und dem Internet verändert eines US-amerikanischen Unternehmens Facebook hat als einer der ersten On- sich auch das Umfeld des Todes: Trauer genutzt. Zu all diesen Herausforderungen line-Dienste auf diese Herausforderung und Anteilnahme passieren zunehmend kommt hinzu, dass sich auch die Unterneh- reagiert und einen eigenen „Gedenkzu- auch online, gleichzeitig können digitale men vor Betrug schützen müssen. Es mag stand“ für die Profile Verstorbener ein- Identitäten ihre Eigentümerinnen und Ei- auf den ersten Blick den Anschein haben, geführt: Die Profile werden eingefroren, gentümer überleben. dass die Verfahren und Regelungen rund Freundinnen und Freunde können aber um den digitalen Nachlass teilweise sehr an der Pinnwand Nachrichten und Erin- Als digitaler Nachlass werden jene Daten bürokratisch und kompliziert sind, doch nerungen hinterlassen und miteinander bezeichnet, die nach dem Tod einer Userin dies ist mitunter notwendig, um Miss- teilen. Die nächste Evolutionsstufe in die- oder eines Users im Internet weiter beste- brauch zu vermeiden. sem Zusammenhang ist die – einstweilen hen; dazu zählen Profile in sozialen Netz- nur im amerikanischen Raum verfügbare – werken oder Partnervermittlungsbörsen, VIER MÖGLICHKEITEN Funktion, das eigene Konto jemandem zu Mail-Konten, Mitgliedschaften bei kosten- In Bezug auf die Regelung des digitalen vererben; also noch zu Lebzeiten eine Ver- pflichtigen Multimedia-Diensten, Profile Nachlasses gibt es grundsätzlich vier Mög- walterin oder einen Verwalter festzulegen, bei Online-Games, Daten in Cloud-Ser- lichkeiten, wie mit den entsprechenden die oder der bestimmte Rechte über das vices, aber auch Online-Banking oder Kon- Daten umgegangen werden kann: Profil erhält. ten bei Online-Bezahldiensten. Natürlich gehören auch Blogs, Domainnamen und • Erhaltung Google setzt wiederum schon seit mehre- Websites dazu. • Löschung ren Jahren auf selbstbestimmte Vorsorge: • Archivierung Mit dem Kontoinaktivität-Manager be- DIGITALES WAS? • Übertragung der Daten an Erben kommen Userinnen und User die Option Mittlerweile können sich die meisten Use- auf individuelle Lösungen. Dazu gehört rinnen und User etwas unter dem Begriff Stirbt ein Mensch, bekunden immer mehr das Informieren von (vorher festgeleg- des digitalen Nachlasses vorstellen, doch Betroffene heute auch online ihre Trauer, ten) vertrauenswürdigen Dritten, wenn eine allgemeingültige Definition, was al- beispielsweise häufen sich besonders nach das Konto länger unbenützt geblieben ist les unter diesen Begriff fällt, gibt es nicht. dem Tod von Prominenten die „R.I.P.“-Pos- oder im Falle des Ablebens die Weitergabe Ebenso ist rechtlich nicht geklärt, wie mit tings in sozialen Netzwerken. Wie sich der Daten an diese. Bei der Nutzung von einer Hinterlassenschaft in der Online-Welt andere Aspekte des Lebens durch das In- mehreren Google-Services kann zielgenau umzugehen ist. Viele Punkte sind noch un- ternet und seine Nutzung verändern, wird festgelegt werden, wer was „erben“ darf. klar und die Materie weitgehend ungere- auch die Privatangelegenheit des Trau- Beispielsweise können die Fotoalben auf gelt, sowohl auf österreichischer als auch erns öffentlicher. Der Netzaktivist Sascha Picasa mit der Familie geteilt werden, die

30 OCG Journal | 02  2015 Wissenschaft und Technologie

Videos von YouTube an die Freundinnen Verstorbenen und den Befragten bei den Erschwert wird das Ganze, da viele dieser und Freunde und der Inhalt von Goog- Online-Aktivitäten geben kann. Dienste und Firmen ihren Sitz im Ausland le-Drive an die Kollegenschaft gehen. haben und sich sprachliche Barrieren oder WAS MACHT DIE INDUSTRIE? bürokratische Herausforderungen resultie- MÖGLICHKEITEN & Viele Online-Dienste haben für den Fall rend aus den unterschiedlichen Gesetzes- LÖSUNGEN des Ablebens von Userinnen oder Usern lagen ergeben. Einige Dienste haben noch Diese zwei Lösungen sind nur ein Aus- standardisierte Prozedere eingeführt und kein ausgewiesenes Prozedere oder For- druck einer immer wichtiger werdenden bemühen sich, den schwierigen Prozess mular, sodass sich die Angehörigen oder Problematik: dem Umgang mit dem digi- der Nachlassverwaltung für die Hinter- Erben individuell an den Kundenservice talen Erbe. Nutzerinnen und Nutzer stel- bliebenen trotz der schwierigen Rahmen- wenden müssen. Einen ersten Überblick len sich vermehrt die Frage, was mit ihren bedingungen so einfach wie möglich zu gewährt der Onlinedienst www.justdele- Online-Identitäten, Daten, Rechten und gestalten. Links zu entsprechenden An- te.me. Diese Webseite informiert über die Mitgliedschaften nach dem Tod passiert. tragsformularen finden sich meist in den Möglichkeiten, wie die Online-Profile bei Als Erstes können Nutzerinnen und Nut- häufig gestellten Fragen (FAQ), ebenso den jeweiligen Diensten gelöscht werden zer vorsorgen. Ein verantwortungsvoller sind die allgemeinen Geschäftsbedingun- können und markiert die unterschiedlichen Umgang mit der eigenen Online-Identität gen (AGB) ein Anlaufpunkt für Informa- Schwierigkeitsgrade bzw. den notwendi- schließt Vorkehrungen für das „danach“ tionen. Reißen alle (Informations-)Stricke, gen Aufwand in Farbcodes: Grün steht für mit ein. Beispielsweise kann eine Liste hilft eine Internetrecherche nach dem einfache und standardisierte Löschmög- über alle Aktivitäten und Profile im Inter- Namen des Dienstes und den Begriffen lichkeiten, Rot für komplizierte oder nicht net geführt werden, die dem Testament „Tod“, „löschen“ oder dergleichen. Die standardisierte Vorgehen, Schwarz mar- beigelegt wird. Ebenfalls sollte aber auch Wahrscheinlichkeit, dass eine ähnliche kiert jene Dienste, die noch gar keine festgehalten werden, wie mit dem digita- Frage bereits gestellt (und beantwortet) Handhabe zu diesem Thema haben. len Nachlass umzugehen ist: Bestehen las- wurde, ist recht groß. sen, löschen, archivieren oder an die Erben LETZTE WORTE übertragen? Zusätzlich sollte bedacht wer- Die meisten Dienste sind gut aufgestellt Mittlerweile hat auch die Industrie diesen den, dass jene Person, der die Verwaltung und bieten zumindest eine Kontolöschung Markt entdeckt, zahlreiche Unternehmen des digitalen Erbes vererbt wird, die not- an. Hierfür muss üblicherweise ein Antrag spezialisieren sich auf die Verwaltung des wendigen Computer- und Internet-Skills gestellt und eine Sterbeurkunde vorgelegt digitalen Erbes. Eine Variante ist, dass die- besitzen sollte, um die Anweisungen um- werden, in einigen Fällen auch eine Ein- se Unternehmen Daten und Passwörter in setzen zu können. antwortungsurkunde (offizieller Nachweis einem digitalen Schließfach aufbewahren der Rechtsnachfolge). Nach Vorlage dieser und diese nach dem Ableben der Userin Wird keine Vorsorge getroffen, kann es Unterlagen und deren Bearbeitung seitens oder des Users an die vorher festgelegten für Angehörige mitunter schwierig wer- der Online-Dienste werden – je nach Be- Erben weiterleiten. Diese digitale Aufbe- den; beispielsweise ist oft bereits die ers- darf und Angebot des Online-Dienstes – wahrung birgt jedoch einige Risiken; oft te Hürde, dass es keine Aufzeichnungen die Konten gelöscht oder die Daten an die ist unklar, ob und in welchem Rahmen zu den Online-Aktivitäten gibt. Hier ist Erben weitergegeben. Die Dauer dieses ein Unternehmen langfristig Datensicher- eine erste Möglichkeit, mittels Internet- Verfahren variiert stark, in manchen Fällen heit gewährleisten kann bzw. was mit den suchmaschinen zu recherchieren, da bei- kann es bis zu mehreren Monaten dauern. Daten passiert, sofern das Unternehmen spielsweise zahlreiche Profile auf sozialen Netzwerken standardmäßig von Suchma- schinen indiziert werden. Oftmals können auch Bekannte Auskunft über die On- line-Aktivitäten der oder des Verstorbenen geben, hier empfiehlt es sich sowohl die Kollegenschaft, (Ehe-)Partnerinnen oder Partner, Verwandte und den Freundes- kreis zu befragen, da es unterschiedliche Schnittmengen zwischen der oder dem

Scheidet ein User für immer aus dem im Inter- net aus hinterlässt er eine Vielzahl an Daten. Wem gehören diese? Wer hat Zugriff darauf? Kann etwas davon vererbt werden? Der digita- le Nachlass ist gegenwärtig ein nicht gelöstes Rechtsproblem. © freeimages.com / OeilDeNuit

02  2015 | OCG Journal 31 Konkurs anmelden muss. Sollte die Firma sem Thema auseinandersetzen, schließlich ihren Sitz im Ausland haben, können auch spielen sich immer größere Teile der be- Mag. Daniela Drobna, juristische Unklarheiten oder eine unter- ruflichen und privaten Aktivitäten online Bakk. (27) studierte schiedliche Rechtslage zu Problemen füh- ab. Ebenso betrifft es aber auch Unter- Kommunikationswis- ren. Eine andere Variante sind sogenannte nehmen, die Dienstleistungen im Inter- senschaft und „Online-Bestatter“. Solche Firmen bieten net oder über das Internet anbieten; sie Germanistik an der die Dienstleistung, das Internet nach On- müssen ihren Communitys sinnvolle und Universität Wien, mit den Forschungs- line-Aktivitäten von Verstorbenen zu einfach handhabbare Lösungen bieten. schwerpunkten Media Literacy und durchsuchen und sich beispielsweise um Und zu guter Letzt sollte sich auch der Digitale Medien. Aktuell ist sie die Löschung von Profilen oder der Kündi- Gesetzgeber dieses bis dato weitgehend Projektmanagerin bei der ISPA (Internet gung von Verträgen und Mitgliedschaften ungeregelten Themas annehmen und mit Service Providers Austria) und leitet das zu kümmern. Aktuell gibt es noch keine entsprechender Legislatur die Rahmenbe- Projekt Safer Internet. Neben der deutschsprachige Lösung, die ihre Dienste dingungen für die Gesellschaft und den Projektleitung ist sie auch für die inhalt- auch in Österreich anbietet. Markt liefern. Eines ist jedenfalls klar: Der liche Entwicklung und Durchführung digitale Nachlass ist ein Thema, welches der Publikationen und Bildungsprojekte Ob Vorsorge oder Nachsorge, immer mehr an Wichtigkeit und Dringlichkeit weiter rund um die Themen Online-Sicherheit Userinnen und User müssen sich mit die- zunehmen wird. << und Medienkompetenzförderung zuständig.

CHECKLISTE Die Broschüre

Kommunikation Mögliche Antwor- †† E-Mail-Accounts/Postfächer ten rund um dieses †† Soziale Netzwerke: Facebook, Twitter, Google+, Myspace Thema gibt die ISPA †† Business Netzwerke: Xing, LinkedIn Broschüre „Digitaler †† Fotodienste: Flickr, Picasa, Instagram Nachlass“, die regel- †† Instant Messenger: WhatsApp, Kik, Viber, Signal, , MSN mäßig überarbeitet †† Blog-Dienste: blogger.com, Tumblr, Wordpress und auf den neuesten †† Partnerbörsen & Dating-Apps: Parship, Tinder, Lovoo Stand gebracht wird. Das Informations- †† Vlog- und Videodienste: YouTube, Vine material erklärt verständlich, warum der digitale Nachlass rechtlich eine Herausfor- Bezahlung/Einkauf derung darstellt und wie Nutzerinnen und †† Online-Banking Nutzer rechtzeitig vorsorgen können, ent- †† Online-Bezahlsysteme: Paypal hält aber auch Tipps für Angehörige und †† Konten bei Versandhandel: eBay, Amazon liefert eine Linkliste zu den Regelungen †† Wettanbieter der in Österreich beliebtesten Dienste. †† Spiele-Plattformen †† Kostenpflichtige Online-Dienste: z.B. Mitgliedschaften bei Partnerbörsen Der kostenlose Download der Broschüre †† Abos: Video-on-demand Mediendienste (z.B. Netflix), Online-Zeitungen ist unter www.ispa.at/nachlass möglich. †† Multimedia-Verwaltungs- und Vertriebsplattformen: iTunes, Blackberry World, Google Playstore, Windows (Phone) Store †† Internetwährungen (& Wallets): Bitcoin, Ripple etc.

Sonstige Internetaktivitäten †† Cloud-Dienste: Dropbox, Google Drive, Rapidshare, iCloud etc. †† Blogs & Websites †† Rechte für Domains

Offline †† Persönliche Dokumente (Fotos oder gespeicherte E-Mails) †† Mediale Inhalte (Musik-Dateien, Filme, elektronische Bücher) †† Softwarelizenzen †† Hardware mit Speicherkarten

32 OCG Journal | 02  2015 Wissenschaft und Technologie

Präsentation einer Studie

von Johannes Gartner Möglichkeiten und Grenzen im 3D-Druck

3D-Druck ist in aller Munde - spekta- Insgesamt profitiert die Gesellschaft bis- kuläre Berichte über das Drucken von lang nur in wenigen Bereichen von die- künstlichem Fleisch und Organen mit ser Technologie, was die Zuweisung von Hilfe generativer Fertigungsverfahren Steuergeldern für die weitere Entwicklung führten zu euphorischen Vorhersagen dieser Technologie in Frage stellen könnte. zu den Potentialen dieser Technologie. Was aber kann die neue Technologie TECHNOLOGIEFOLGEN­ wirklich leisten, und wie widersprechen ABSCHÄTZUNG sich diese Potentiale und die öffentliche Um die Bedeutung generativer Fertigungs- Erwartung? Die InnovationsforscherIn- verfahren klären zu können, führten die nen Johannes Gartner, Daniela Maresch IFI-JKU ForscherInnen eine Technologie- und Matthias vom IFI Institut für folgenabschätzung durch, mit Hilfe derer Innovationsmanagement der Johan- Erkenntnisse über neue Technologien und nes Kepler Universität (JKU) Linz haben ihre möglichen gesellschaftlichen Auswir- dazu den diesjährigen „IFI-JKU Report kungen gewonnen werden sollen. „Im zu Generativen Fertigungsverfahren“ Zuge der von uns durchgeführten groß- präsentiert. zahligen Befragung, wurden die Erwartun- gen von über 400 ExpertInnen, politischen Der Begriff „generative Fertigungsver- EntscheidungsträgerInnen und Personen fahren“ umschreibt Produktionsprozesse, der allgemeinen Bevölkerung hinsichtlich bei denen Materialien meist Schicht für der Potentiale dieser Technologie erho- Die politischen EntscheidungsträgerInnen Schicht aufgetragen und verbunden wer- ben“, erklärt Institutsvorstand Prof. Fink. schätzen den Beitrag generativer Ferti- den, um aus 3D-Modelldaten feste Objek- gungsverfahren in den Bereichen Beschäf- te herzustellen. Vielfach wurde erwartet, Dabei wurden ExpertInnen – die LeserIn- tigung sowie Bekämpfung von Armut und dass diese Technologie nicht nur die Tür nen des größten deutschsprachigen On- sozialer Ausgrenzung zwar realistisch ein, zu einer neuen industriellen Revolution line Magazins zu generativen Fertigungs- unterschätzen jedoch den Beitrag zu den öffnet, sondern auch zu einer Demokrati- verfahren (www.3Druck.com) – befragt: Zielen Klimawandel und Energie sowie sierung der Produktion führt. Gleichzeitig Diese sind an der Entwicklung der Tech- F&E und Bildung. Die allgemeine Bevölke- wurden jedoch auch Stimmen laut, die die nologie unmittelbar beteiligt und können rung unterschätzt hingegen ausschließlich rosige Zukunft dieser Fertigungsverfahren daher die möglichen zukünftigen Entwick- den Beitrag generativer Fertigungsverfah- als Allheilmittel für Wirtschaft und Ge- lungen realistisch einschätzen. Sowohl ren zu F&E und Bildung und hat hinsicht- sellschaft in Frage stellen. Immerhin wur- politischen EntscheidungsträgerInnen als lich der übrigen Ziele Einschätzungen, die de die Technologie bereits vor 30 Jahren auch die Allgemeinheit haben hingegen sich mit jenen der ExpertInnen weitge- entwickelt, erlangte aber dennoch nur in weder unmittelbare praktische Erfahrun- hend decken. begrenzten Bereichen – etwa zur Herstel- gen noch theoretisches Wissen über neue lung von Prototypen, sowie zur Produktion Technologien. HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN von Werkzeugen und Gussformen für die „Daraus ergibt sich, dass die verschiede- Industrie – Bedeutung. VERSCHIEDENE nen Gruppen gezielter informiert werden EINSATZGEBIETE müssen“, analysiert Prof. Fink. Die Feh- Schlüsselanwendungen wie die in den Der Vergleich der unter ExpertInnen, po- leinschätzungen könnten sonst zu Fehl- Medien häufig angekündigte Herstellung litischen EntscheidungsträgerInnen und allokationen der Ressourcen führen. Die von künstlichem Gewebe verblieben hin- der allgemeinen Bevölkerung erhobenen JKU-WissenschafterInnen schlagen daher gegen bis dato auf experimenteller Ebene. Einschätzungen zeigt ein deutliches Bild: vor, bereits an der Schule Unterrichtspro-

02  2015 | OCG Journal 33 gramme einzuführen, mit deren Hilfe die Maresch auch auf rechtlichen Handlungs- Potentiale generativer Fertigungsverfahren bedarf hin. Ing. Mag. Johannes für das spätere Berufsleben verdeutlicht Gartner ist wissen- werden. Ein solches Programm wurde be- Im kommenden Jahr wird sich der IFI schaftlicher Mitarbeiter reits vom britischen Unterrichtsministeri- Report zu Generativen Fertigungsver- am Institut für um entwickelt und in einer Pilotstudie in fahren – neben der allgemeinen Potenti- Innovation Manage- den Jahren 2012 und 2013 erfolgreich alabschätzung – mit dem Schwerpunkt ment an der der Johannes Kepler getestet. Ebenso könnte der Austausch Medizintechnik befassen. << Universität Linz und forscht neben zwischen ExpertInnen und der allgemei- seiner Doktorarbeit im Bereich der nen Bevölkerung über den aktuellen Stand disruptive Technologien wie der der Forschung durch Einrichtung offener additiven Fertigung. Er arbeitete für Werkstätten wie z.B. „Hackerspaces“ internationale Unternehmen wie gefördert werden. „Es darf jedoch nicht Hewlett Packard und ist seit 2011 auch vergessen werden, dass die Potentiale Gründer sowie Geschäftsführer eines generativer Fertigungsverfahren nur dann Start-up-Unternehmens in Wien. Er ist ausgeschöpft werden können, wenn auch Herausgeber von 3Druck.com, dem entsprechende rechtliche Rahmenbedin- größten deutschsprachigen Online gungen bestehen“, weist IFI-Forscherin Magazins für additive Fertigung und 3D-Drucktechnologien.

Central and Eastern European e|Dem and e|Gov Days: ein Tagungsbericht

von Alexander Balthasar, Robert Müller-Török und Alexander Prosser „Independence Day – Time for a European Internet?“

Eine intensive politische Debatte über Die Tagungsserie entstand aus den 2003 Parallel zu den 16 Paper-Sessions der Ta- Sicherheit und Datenschutz im Inter- von Prof. Roland Traunmüller gegründeten gung fanden mehrere Workshops statt. net, die Deutsche Telekom mit „Nati- Eastern European e|Gov Days und der von Der Workshop des European Committee onal Routing“ im Angebot, Frankreich Prof. Alexander Prosser 2007 mitbegrün- on Democracy and Governance (CDDG) und Deutschland mit der Forderung deten EDEM-Serie über elektronische De- des Europarats, der von Priv.-Doz. MinR. nach einem „Europäischen Internet“ – mokratie, beides Formate der OCG. 2015 Alexander Balthasar (Leiter des Instituts das sind nur einige der Reaktionen auf wurde die Tagung bereits zum zweiten für Staatsorganisation und Verwaltungs- den stetigen Strom an Enthüllungen Male in Budapest an der National Universi- reform im Österreichischen Bundeskanz- über Eingriffe in die Privatsphäre von ty of Public Service (NKE) und der deutsch- leramt und österreichischer Delegierter außerhalb der EU, wobei kurz vor der sprachigen Andrássy Universität Budapest im CDDG) – mit ausdrücklicher Billigung Tagung auch der Vorwurf der massi- (AUB) abgehalten; frühere Veranstaltungs- Ungarns – organisiert wurde, stand unter ven Industriespionage seitens der NSA orte waren Prag und Ljubljana. Weitere dem Titel „Current State of use of electro- im Raum stand. Diesen Entwicklungen Co-Veranstalter sind das Österreichische nic tools in the context of citizens‘ parti- Rechnung tragend, stand die diesjäh- Bundeskanzleramt, die Hochschule für cipation“. Insgesamt waren aus 20 Euro- rige Tagung unter dem Generalthema Öffentliche Verwaltung und Finanzen Lud- paratsmitgliedern durchwegs hochrangige „Independence Day – Time for a Euro- wigsburg, das Österreichische Institut für nationale VertreterInnen angereist, um pean Internet?“ Europäische Rechtspolitik in Salzburg und über den jeweiligen Stand in ihrem Land das GoForesight-Institut Ljubljana. zu berichten; Österreich war durch SC Dr.

34 OCG Journal | 02  2015 Wissenschaft und Technologie

Manfred Matzka, Präsidialchef des Öster- reichischen Bundeskanzleramtes, vertre- ten. Selten wird zu einem Thema in einer Wieviel Vertrauen haben die Vor- derart komprimierten Weise ein internati- würfe des massiven Industrie- onaler Überblick über den Stand der Ent- spionage seitens der NSA schon zerschlagen? Wie fit ist Europa wicklung geboten. für ein eigenes, unabhängiges In- ternet? Wäre es das „Gelbe vom In dem von Prof. Johannes W. Pichler Ei“? Antworten darauf gaben die Central and Eastern European (Direktor des Österreichischen Instituts e|Dem and e|Gov Days. für Europäische Rechtspolitik) geleiteten © freeimages.com Workshop ging es um Art 11 EUV und Art 17(3) AEUV. Hinter diesen sperrigen Titeln verbergen sich einerseits die Werkzeuge Am Ende der Tagung wurde der im Verlag der partizipativen Demokratie in der EU, der OCG erschienene Tagungsband Prof. Nach der Habilitation andererseits der Dialog über Werte mit Pichler, dem er anlässlich seiner Emeri- 1998 arbeitete ao.Univ. Kirchen und anderen religiösen Gemein- tierung gewidmet wurde, übergeben. In Prof. Dr. Alexander schaften. Vorträge hielten unter anderem ihrer mit persönlichen Erinnerungen ver- Prosser an der HEC Dr. Anne-Marie Sigmund, ehemalige Präsi- sehenen Laudatio hob Dr. Anne-Marie Paris und der University dentin des Europäischen Wirtschafts- und Sigmund die langjährigen Verdienste des of Technology Sydney, wo er einen Sozialausschusses, die das Potential eines Geehrten um die Entwicklung der europä- Lehrbereich mit SAP umfassenden Wertedialoges für die eu- ischen Rechtspolitik hervor. aufbaute. Er ist gegenwärtig ao Univ. ropäische Identität hervorhob, sowie Dr. Prof. an der WU Wien und Mitglied Friedhelm Frischenschlager, ehemaliger Wie bei wissenschaftlichen Tagungen des Vorstandes der OCG sowie Vorsitz- österreichischer BM für Landesverteidi- üblich, wurden auch Best Paper Awards ender des Forums e|Government. Seine gung und MEP, der die Umsetzung der vergeben: In der Kategorie „Theorie“ ge- Lehrtätigkeit umfasst ERP und Business Europäischen Bürgerinitiative als versäum- wann Prof. Hiroko Kudo (Università Bocco- Intelligence sowie IT-Sicherheit. te Chance kritisierte. Auch in anderen ni) mit ihrem Beitrag „Reinventing Panop- Vorträgen zeigte sich, dass Anspruch und ticon to Reconsider the Safety and Security MMag. Dr. Alexander Wirklichkeit bei diesen Instrumenten oft- vs. Privacy Issue“; in Kategorie „Empirie“ Balthasar ist Privat-Do- mals weit auseinander liegen; so kritisierte gewannen Prof. Heungsuk Choi und zent für „Verfassungs- Prof. Prosser in seinem Vortrag die Ausge- Kyungsoo Lee (beide Korea Universität Se- recht und Allgemeine staltung des Europäischen Konsultations- oul) mit „The Efficiency of e-Participation Staatslehre“ an der prozesses als vollkommen insuffizient. In and Mobilization of Bias: A South Korean Karl-Franzens-Universität Graz und seit einem weiteren Workshop, der gemeinsa- experience“; Postserver.at stiftete den vor 2012 ist er Leiter des Instituts für men von der AUB, der NKE und der Hoch- Ort von den TeilnehmerInnenn gewählten Staatsorganisation und Verwaltungsre- schule Ludwigsburg veranstaltet wurde, Publikumspreis, der an Matija Miloš (Uni- form im Bundeskanzleramt, dem er konnten Studierende dieser Hochschulen versität Rijeka) für seinen Beitrag „Func- zuvor als Mitarbeiter in der Leitung der Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit zu eGo- tions and perspectives of the right to be Sektion I (Präsidium) zuständig für vernment-Themen präsentieren. forgotten by a search engine” ging. „grundsätzliche Rechtsfragen“ angehörte. Die Paper-Sessions der Tagung spiegel- Unser Dank als Co-Organisatoren gilt ten die aktuell wesentlichen Themen der den Kooperationspartnern, dem Österrei- Prof. Dr. Robert Müller- Debatte im Bereich der IT im öffentlichen chischen Kulturforum Budapest und der Török wurde 1969 in Sektor wider: Der Komplex Cybersecuri- Konrad-Adenauer-Stiftung, sowie den Wien geboren und ty-Privacy-eID sowie elektronische Demo- Sponsoren der Tagung, namentlich der Ba- studierte nach Absol- kratie stellten jeweils einen Block mit meh- den-Württemberg Stiftung und Austrian vierung der HTL für reren Sessions. Daneben aber widmeten Airlines. Die erfolgreiche Tagungsserie wird EDV und Organisation (Spengergasse) sich mehrere Beiträge den Auswirkungen auch 2016, wiederum in Budapest, fort- an der WU Wien. Nach der Promotion von eGovernment auf Gesellschaft und gesetzt werden. Die nächsten CEE e|Dem 1997 ging er als Unternehmensberater Umwelt, sei es als Teil eines Smart City and e|Gov Days finden am 12. und 13. nach Deutschland und ist seit März Konzepts oder im Rahmen einer alternden Mai 2016 unter dem Motto „Multi-Level 2012 Professor für e-Government an Gesellschaft. Hier wird ersichtlich, dass (e)Governance“ statt. Bezüglich CfP und der Hochschule für Öffentliche eGovernment kein Selbstzweck ist, son- weiterer organisatorischer Details können Verwaltung und Finanzen in Ludwigs- dern immer mehr als tragendes Element Sie uns unter twitter.com/ceeegov folgen. burg, Baden-Württemberg. Robert in einer Gesamtstrategie den Standort be- Müller-Török ist auch stellvertretender treffend wahrgenommen wird. Vorsitzender des Forums e|Government.

02  2015 | OCG Journal 35 PANEL DISKUSSION: „TIME FOR A EUROPEAN INTERNET?“

Am Ende des ersten Tagungstages diskutierten vier ExpertInnen aus Ungarn, Deutschland und Österreich unter der Moderation von Blaž Golob (GoForeSight Institute Laibach/Slowenien) im Spie- gelsaal der Andrássy Universität das Motto der Tagung: „Time for a European Internet?“. Hier konnten sehr gut die unterschiedlichen Positionen der europäischen Debatte beobachtet werden.

Frederick Richter, Präsident der Bundesstiftung Datenschutz, Deutschland forderte in seinem Eröffnungsstatement ein, dass man zunächst klären müsse, was unter dem Begriff „Europäisches Internet“ zu verstehen sei. Technisch separabel wäre die Techno- logie nämlich nicht. Wenn, dann könne sich nach Richters Auf- fassung der Begriff „Europäisches Internet“ ausschließlich auf den (wohl unions-)rechtlichen Regelungsrahmen und die politischen Leitsätze beziehen. Dies sahen auch die anderen Mitglieder des Panels so und um genau diese Leitsätze ging es in der weiteren Debatte.

Frischenschlager hob hervor, dass eine gemeinsame europäische IT-Strategie notwendig sei, um aktuellen Gefahren, wie bspw. dem Szenen einer recht lebhaft geführten Debatte. Cyberkrieg, begegnen zu können und sah drin- genden Bedarf nach einer europäischen Iden- tität in diesem Zusammenhang: „We [die EU, Anm.] have to define our Internet organisati- onally and legally.“ Frischenschlager forderte in dieser Frage europäische Autonomie und Selbstbestimmung ein.

Ganz anders argumentierte der ungarische stv. Staatssekretär im Verteidigungsministerium Siklósi; er betonte zunächst, dass der Cyberspa- ce eine neue Dimension der Kriegführung – ne- ben Land, See, Luft und Weltraum – geschaffen habe und verwies auf die enorme Bedeutung des Cyberspace für die Djihadistenszene. Sikló- Im Spiegelsaal der Andrássy Universität; das Panel, v.l.n.r.: Frederick Richter, Deutsche Bundes- si wies auch darauf hin, dass der Cyberspace stiftung Datenschutz, Friedhelm Frischenschlager, ehem. Verteidigungsminister und MEP, Blaž Golob, GoForeSight Institut, Laibach, Claudia Luciani, Europarat, Péter Siklósi, ungarischer Teil der NATO Verteidigungsklauseln geworden Vizestaatssekretär für Verteidigungspolitik. sei. Obwohl er die reale Möglichkeit von Indus- triespionage gegen europäische Unternehmen durchaus einräumte, betonte er, dass die EU und die USA im selben Boot säßen. Ein wie auch immer definiertes „Europäisches Inter- net“ würde die Sicherheit Europas nicht stärken. Links: • Tagungshomepage: ceeegov2015.ocg.at Claudia Luciani, Direktorin für Demokratie und Governance im Ge- • NKE: en.uni-nke.hu neralsekretariat des Europarates, betonte, dass sich Europa nicht ab- • Andrássy Universität: www.andrassyuni.eu schotten dürfe („no firewall around Europe“), sehr wohl aber gehe • Institut für Staatsorganisation und Verwaltungsreform: es um den Schutz der individuellen Privatsphäre und persönlicher www.bka.gv.at Daten. Wenn wir diesen Gefahren begegneten, dürften wir die • Hochschule für Öffentliche Verwaltung und Finanzen: menschlichen Grundrechte nie aus dem Blick verlieren, betonte sie. www.hs-ludwigsburg.de • Europarat CDDG: www.coe.int Im Anschluss an die Paneldiskussion ergab sich eine lebhafte De- • Europarat Rec 2009(1): www.coe.int batte mit Fragen des Publikums an die Panelisten. << • „Behörden im Netz“ – das österreichische­ eGovernment ABC: www.digitales.oesterreich.gv.at

36 OCG Journal | 02  2015 Wissenschaft und Technologie

Das war die IMAGINE 15

vom Redaktionsteam der OCG Forschungsnahe IT und Innovationen aus Österreich

Am 11. Juni fand die zweite Ausgabe der Konferenzserie IMAGINE in Wien statt. Er- neut wurde das Thema Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) der Zu- kunft interaktiv, kreativ und mit informa- tiven Elementen dem interessierten Publi- kum vorgestellt.

Vier Keynotesprecher stimmten das Publi- kum ein und 16 Themencluster (u.a. Start- ups, Digital Science Tools, Industrie 4.0) ver- Die Eröffnung tieften und verbreiterten das Themenfeld der IMAGINE 15 übernahm auch in für mehr als 150 Teilnehmer aus Wirtschaft, diesem Jahr Michael Forschung, Lehre, Schule und Politik. Als Wiesmüller vom Bun- Location wurde das Metro Kino gewählt, desministeriums für Verkehr, Innovation in dem an drei unterschiedlichen Räumlich- und Technologie keiten und einer Networking Lounge IKT (BMVIT). F&E Spitzenleistungen aus Österreich einen Tag lang besprochen wurden. (Anmerkung: Herbert Tucmandl, der mit hören. Sein Bericht findet sich im Schwer- seiner Vienna Symphonic Library interna- punktthema dieser OCG Journal-Ausgabe Im Folgenden werden einige der präsen- tionale Erfolge feierte, war als einer der an anderer Stelle.) tierten Projekte und Produkte vorgestellt. Keynotesprecher auf der IMAGINE zu

FUTURE ENERGY resultierenden Vorteile der verteilten Ener- DIGITALE PRODUKTION Durch die rasant steigenden Anteile an gieversorgung werden bei Versorgungsaus- FÜR ALLE! erneuerbaren und verteilten Energieerzeu- fällen eine Ausbreitung auf großflächige Ideen sind die Triebfedern unserer Gesell- gern werden sich zukünftige Energiesyste- Versorgungsgebiete einschränken und da- schaft. Oft scheitert ihre Umsetzung je- me sehr stark von derzeitigen Energiesys- durch die regionale Versorgungssicherheit doch am fehlenden Zugang zu den benö- temen unterscheiden. Die Einbindung aller erhöhen. Die unterschiedlichen Normungs- tigten Geräten, mangelndem Know-How Beteiligten (Stakeholder) im gesamten Pro- und Standardisierungsbehörden arbeiten oder Berührungsängsten vor moderner zess der Energieerzeugung, Übertragung, schon seit Jahren an Modellen, Architek- Technik. Ideen zur Umsetzung verhelfen Abrechnung und dem Verbrauch wird turen und Lösungsvorschlägen für ein zu- und per Mausklick Wirklichkeit werden auch mit dem immer wieder verwende- künftiges Energiesystem. lassen – dieses Ziel verfolgt das Happylab. ten Begriff des Prosumers in Energiesyste- men deutlich. Es werden sich dabei neue DI(FH) Thomas Pfeiffenberger Als so genanntes „Fab Lab“ (engl. „fab- Marktmodelle wie z.B. Vergütungsmodelle, Researcher/Advanced Networking Center rication laboratory“ – dt. „Fabrikationsla- dynamisch Tarife und neue Marktrollen eta- Salzburg Research Forschungsgesellschaft bor“) ermöglicht das Happylab den freien blieren. Virtuelle Kraftwerke werden dabei mbH Zugang zu digitalen Produktionsmaschi- hohe Anforderungen an die Automatisie- www.salzburgresearch.at nen – wie 3D-Drucker, CNC-Fräse, Laser rungsebenen und die Kommunikation der Cutter und Schneidplotter – mit denen verteilten Kraftwerke stellen. Die daraus *** eigene Ideen und Projekte umgesetzt wer-

02  2015 | OCG Journal 37 den können. Vom Architekturstudenten by Design“ etwa meint, dass instandhal- zur Unternehmensgründerin, vom Elektro- tungs-relevante Maßnahmen bereits bei techniker zur Schmuckdesignerin – täglich der Planung und Beschaffung von Anla- nutzen Menschen aus den verschiedens- gen berücksichtigt werden. ten Tätigkeitsbereichen die Maschinen im Happylab für ihre eigenen Ideen und Diese und viele weitere Zukunftsfragen für Projekte. die Instandhaltung werden in der Anfang Mai veröffentlichten „Roadmap der In- Karim Jafarmadar standhaltung 4.0“ (http://srfg.at/ih40-er- Founder/CEO gebnisse) behandelt. Das Projekt „Instand- Michael Altrichter von Speed Beteiligungs GmbH, einer der aktivsten österreichischen Happylab GmbH haltung 4.0“ wird vom bmvit und von der Business Angels, in seiner Keynote über erfolg- www.happylab.at FFG im Rahmen der FTI-Initiative „Produk- reiche und weniger erfolgreiche Start-ups und tion der Zukunft“ gefördert. was den Unterscheid ausmacht. *** Bibliografische Referenz: INSTANDHALTUNG 4.0: Georg Güntner, Michael Benisch, Andreas WIE NEUE SICHTWEISEN DIE Dankl, Jutta Isopp (Hrsg.): “Roadmap der INSTANDHALTUNG REVOLU- Instandhaltung 4.0 ”, Salzburg Research, geben. Die technischen Voraussetzungen TIONIEREN http://bit.ly/1IFGJfu, Mai 2015 dafür sind weitestgehend erfüllt.

Teil 1: Salzburg Research Im Bereich der Automatisierung existieren In seinem Referat bei der IMAGINE 2015 eine Vielzahl von Standards und Protokol- gab Projektleiter Georg Güntner (Salzburg len, die spezielle Anwendungsbereiche Research Forschungsgesellschaft mbH) adressieren. Jedoch gibt es wenige offene einen Überblick über die Ergebnisse des Schnittstellen. In vielen Fällen müssen die Sondierungsprojekts „Instandhaltung Lösungen daher individuell gestaltet wer- 4.0“ (http://srfg.at/ih40). Unter der Lei- den. Die Anbieter schützen sich damit vor tung von Salzburg Research untersuchen Austauschbarkeit. Dennoch kommt gera- Bilfinger Chemserv, dankl+partner consul- de durch Industrie 4.0 Bewegung in diese ting und Messfeld, wie sich die vierte in- Landschaft. Der Druck zur Virtualisierung dustrielle Revolution auf die Instandhal- wird in diesen Bereich zur Vereinheitli- tungsbranche auswirkt. Die im Rahmen chung offener Schnittstellen und Protokol- des Projekts befragten Expert/-innen sind len führen. sich weitestgehend einig, dass die größ- ten Herausforderungen für den Instand- Diese Entwicklung birgt Herausforderun- haltungssektor nicht technologischer Art gen, aber auch enorme Chancen für die sind, sondern vielmehr im organisatori- Instandhaltung – gerade in einem schwer schen und methodischen Bereich liegen. umkämpften internationalen Markt. Es Dennoch sind technologische Trends wie geht um den Wandel klassischer Instand- das Internets der Dinge, sowie Fragen der Teil 2: Messfeld GmbH haltung, von der Kostenstelle und Er- Informations-Integration und der Analytik füllungsorgan der Produktion zu einem zu meistern. Moderne Instandhaltung umfasst ein ge- kostbaren Wertschöpfungspartner als samtheitliches Anlagen- und Leistungs- strategisch positionierter (interner) Dienst- Der Referent forderte seine ZuhörerIn- management und ist auf strategische leister. nen zu einem Gedankenexperiment über Problemvermeidung ausgerichtet. Sie ent- mögliche Instandhaltungsstrategien für ihr scheidet fakten-basiert und forciert eine Detailliertere Ergebnisse aus dem FFG-Son- eigenes Auto heraus: Diese reichen von systematische Personalentwicklung (Fach-/ dierungsprojekt Instandhaltung 4.0 sind in „Ich fahre so lange, bis es ein Problem gibt Führungs-/Sozial-/Methodenkompetenz). der „Roadmap der Instandhaltung 4.0“ und lasse es dann beheben“ bis zum Fahr- (http://srfg.at/ih40-ergebnisse) nachzule- zeug, das aufgrund der eingebauten Sen- Abzusehen ist bereits jetzt, dass in den sen. sorik autonom einen Servicetermin in der kommenden Jahren mit einer umfassen- Werkstätte vereinbart. Von solchen Sze- den Digitalisierung, Überwachung und Stefan Leitner, BSc narien ausgehend wurden die im Projekt Auswertung aller Produktionsanlagen Messfeld GmbH identifizierten Herausforderungen für die gerechnet werden muss. Durch die neue www.messfeld.com Instandhaltung der Zukunft vorgestellt: Vernetzung können sich (unternehmens-) Der gesamtheitliche Ansatz „Maintenance übergreifende Wettbewerbsvorteile er- ***

38 OCG Journal | 02  2015 Wissenschaft und Technologie

Judith Simon, IT University of Copenhagen/Universität Wien, berichtete über ihre Arbeit an der Schnittstelle von Philosophie und Informatik. Als Mitglied der Onlife-Initi- ative der Europäischen Kommission untersuchte sie die neuen Herausforderungen, die sich im digitalen Zeitalter für die Gestaltung von Politik ergeben.

Michael Altrichter von Speed Beteiligungs GmbH, einer der aktivsten österreichischen Business Angels, in seiner Keynote über erfolg- reiche und weniger erfolgreiche Start-ups und was den Unterscheid ausmacht.

In der Experience Lounge fanden auf über 170m² Fläche Demonstrationen und Workshops statt. Das Mit- und Selbermachen stand im Vordergrund.

IMAGINE & IMAGINE BITS OF TOMORROW Im Mittelpunkt der IMAGINE ste- hen Spitzenleistungen in Forschung, Entwicklung und Anwendungen mit einem Blick in die Zukunft. Die Veranstaltung war 2015 Teil der Veranstaltungswoche „Imagine bits of tomorrow“, die unter diesem Titel eine Vielzahl unterschiedlicher IT-Veranstaltungen zusammenge- fasst hat. Getragen und organisiert Ein Mars Raumanzugsimulator aus Österreich. werden diese Aktivitäten von einem © ÖWF/Zanella-Kux Netzwerk aus IT-Experten, IT-For- schern, IT-Interessierten und IT-Sta- keholdern, die für einen breiten IT UND EIN RAUMANZUG Getestet wird das System in marsähnli- Informationsaustausch stehen um MADE IN AUSTRIA chen Umgebungen auf der Erde, etwa im den IT-Standort Österreich weiter Das Österreichische Weltraum Forum August 2015 auf dem Kaunertaler Glet- zu entwickeln: AAL Austria, Offene (ÖWF) entwickelt eine Mars Rauman- scher in Tirol auf 3000m um die Erkun- Daten Österreichs, bmvit, Digital zugsimulator als Forschungsplattform für dung eines Marsgletschers zu simulieren – networked Data, eutema GmbH, zukünftige bemannte Expeditionen zum mehr dazu, inkl. Livestream von dem Test Österreichische Forschungsförde- Roten Planeten. unter www.oewf.org, bzw am 3. August rungsgesellschaft FFG, Gesellschaft gibt es einen Publikumstag, wo man die für Mess-, Automatisierungs- und Aouda.X ist der experimentelle Prototyp Hardware in Aktion erleben kann. Viel- Robotertechnik, International Fe- für den Mars: Mit 45kg Eigengewicht ist er leicht auch ein guter Anlass, dass sich auch deration for Information Processing, eine Art „Raumschiff und Computer zum Österreich stärker als bisher in bemannten Know-Center, Österreichische Com- Anziehen“ inkl. Spracherkennung. Auf- Raumfahrt im Rahmen der European Spa- puter Gesellschaft und Photonics grund der Erde-Mars Distanz ergibt sich ce Agency engagiert? << Austria. eine durchschnittliche Lichtlaufzeit von etwa 10 Minuten, um die etwa 60 Mes- Dr. Gernot Grömer www.imagine-ikt.at sparameter zur „Erde“ zu senden. Österreichisches Weltraum Forum www.imagine-bits.at www.oewf.org

02  2015 | OCG Journal 39 Kamingespräch mit Michael Reimon

aufgezeichnet von Rupert Lemmel-Seedorf Europa zwischen Untätigkeit und Interessenskonflikten – der Google-Fall, der digitale Binnenmarkt und das TTIP

Michael Reimon war unser erster Gast Natürlich wird kein Handyhersteller zu spanische, Medien- und Telekommunter- beim OCG Kamingespräch am 16. April. einem Vertragsabschluss gezwungen. Da nehmen (nämlich Bertelsmann, Springer Michel Reimon ist österreichischer Ab- die Kundinnen und Kunden jedoch diesen und Telefónica) haben ein besonderes In- geordneter im EU-Parlament und dort App-Store verwenden möchte, gewinnt teresse daran, dass Google verurteilt wird. Mitglied des Ausschusses für Industrie, Google eine hohe Marktmacht. Deshalb wird intensiv in den Medien darü- Forschung und Energie. In dieser Funkti- ber berichtet, um Druck auf die Politiker zu on ist er in die Verhandlungen zu inter- Der juristische Punkt ist: Google wird vor- machen. So ist die juristische Frage auch nationalen Freihandelsabkommen (z.B. geworfen, den Zugang zum Play Store zu einer politischen geworden. Man muss TTIP) eingebunden. Außerdem beschäf- an Bedingungen zu knüpfen, die einen aber klar sagen: Als Politiker habe ich hier tigt er sich intensiv mit Urheberrecht. Missbrauch der Marktmacht darstellen. Es keine Entscheidungskompetenz und das Thematische Schwerpunkte für das Ka- stellt sich damit die Frage, ob Google sei- EU Parlament wird in dieser Sache nicht mingespräch waren der Google-Fall, der ne Marktmacht unfair im Sinne des Euro- aktiv, weil wir kein Initiativrecht haben. digitale Binnenmarkt und das TTIP päischen Wettbewerbsrechts verwendet. Wir können nicht selbst Gesetzesinitiati- Google drängt z. B. die Handyhersteller ven starten, sondern dürfen nur dann da- DER GOOGLE-FALL dazu YouTube vorzuinstallieren, was dazu ran arbeiten, wenn die Kommission eine Es geht dabei nicht darum, ob man Goo- führt, das YouTube die hauptsächlich ver- eingebracht hat. Bislang liegt nichts von gle nun mag oder nicht. Die Kommission wendete VideoApp auf dem Handy ist. So der Kommission vor. untersucht seit viereinhalb Jahren wie sich wird das de facto Monopol von YouTube Google am Markt verhält. Der Gegenstand weiter gestärkt und alternative Videopor- DIGITALER BINNENMARKT der Untersuchung ist dabei aber nicht die tale haben es auf diesen Handys einfach Die Marketingvision der Kommission ist: marktbeherrschende Stellung von Google. schwerer. Was müssen wir machen, damit wir 28 Es geht vielmehr um die folgenden zwei Silicon Valleys bekommen? EU-Kommissar Fragen: Eigentlich sind diese Fragen juristisch und Günther Oettinger, zuständig für Digitale nicht politisch zu klären. Darum prüft die Wirtschaft und Gesellschaft, hat jedoch 1. Bevorzugt Google mit seinen 90% EU derzeit auf Beamtenebene. Das sehr bis jetzt fast nichts vorgestellt. Diese Wo- Marktanteil in manchen europäischen komplexe Verfahren wird jetzt eingeleitet che [Anm. April 2015] hat er seit seinem Ländern seinen eigenen Preisver- und das Zusammentragen der Informatio- Amtsantritt im letzten Jahr die erste kon- gleichsdienst Google-Shopping? nen wird bis zu zweieinhalb Jahre dauern. zeptionelle Sache präsentiert, und zwar 2. Wie ist es zu bewerten, dass Android Wenn es gegen die dann gefällte Entschei- zu Industrie 4.0. Seine Ideen zum Binnen- einerseits als Open Software verwen- dung von Google einen Einwand gibt, markt sollen noch folgen. Hinter Oettinger det wird, andererseits Handyhersteller führt der nächste Schritt zum Europäische steht Deutschland, das mächtigste Land in aber mit Google einen Vertrag ab- Gerichtshof. der Union: Deutschland hat sich weder für schließen müssen, um den AppStore den Kommissionpräsidenten noch für ei- benutzen zu können? Warum wird gerade dieser Fall so intensiv nen der sieben Vizepräsidenten entschie- diskutiert? Europäische, d.h. deutsche und den, sondern für einen Fachkommissar.

40 OCG Journal | 02  2015 Digitale Zivilgesellschaft

Die Google-Datenbrille gewährt Einblicke. Die gleiche Transparenz wird vom Internetkonzern auch im Umgang mit seinen Kunden erwartet. Die Europäische Union hat Zweifel daran und untersucht ob Google seine Marktmacht missbraucht. © freeimages.com / l4red0

USA und Europa Regulierungen ausarbei- ten. Grundsätzlich ist es nicht schlecht, wenn man Standards einander angleicht. Wir haben aber eine ganz große Sor- ge, dass wir vertraglich dazu verpflichtet Ich gehe davon aus, dass wesentliche Play- ihre eigenen Beschlüsse, würden das vor werden, Regulierungen in Zukunft so zu er der deutschen Industrie dahinter waren dem heimischen Parlament nie zugeben. gestalten, dass die Ergebnisse mit dem Re- und Merkel dem nachgegeben hat. Wenn Dafür haben wir jetzt das Gegenangebot gulierungsrat übereinstimmen. D.h. wenn Oettinger sein Konzept präsentiert, glaube des Europarates bekommen: 1. An den das EU Parlament eine Regulierung erlässt, ich also nicht, dass wir ein Open-Source, Frequenzen ändert sich nichts. Der gesamt die dem widerspricht, verstoßen wir ge- Open-Data und eine am freien Internet Punkt wird gestrichen. 2. Netzneutralität gen einen internationalen, völkerrechtlich orientierte IT-Industrie konzipiert bekom- ja, aber mit „Special Services“, d.h. jeder abgesicherten Vertrag und sind straffällig. men. Es wird massive Investitionen geben, Sonderdienst im Internet darf eingeführt Nehmen wir an, dass der Gegenstand der Leistungsschutzrecht, Möglichkeiten wie werden, der Rest soll neutral sein. 3. Ro- Verhandlungen im TTIP eine Regelung des nationale Grenzen aufgehoben werden aming-Gebühren: Sieben Tage im Jahr je geistigen Eigentums ist, die auch Soft- können und ähnliches. Ich glaube, es wird fünf Minuten roaming-frei telefonieren warepatente umfasst und das Europapar- vor allem darum gehen, großen Unterneh- und fünf freie SMS pro Tag. lament sagt nein, das machen wir nicht – men wie Siemens, Mercedes oder Bosch dann verletzen wir einen Vertrag und sind Möglichkeiten zu bieten: Was brauchen Das ist aus meiner Sicht in keiner Weise straffällig. << wir in Europa, um mit dem selbstfahren- ernst zu nehmen. Das ist kein Angebot, den Auto schneller zu sein als die Ameri- sondern ein Affront, auf den wir nicht kaner. In diese Richtung geht alles, was wir eingehen werden. Dann lassen wir es lie- bisher bekommen haben. ber scheitern und die Regierungen sollen Michael Reimon, BSc, erklären, warum sie den Beschluss des MBA Offizielle startet die Diskussion über den EU-Parlaments verhindert haben. Wir er- 1971 in Eisenstadt digitalen Binnenmarkt in Kürze. Bei einer leben jetzt, dass die Regierungen unseren geboren, besuchte die Schnittmenge davon, nämlich dem Tele- Vorschlag blockieren und die EU-Kommis- HTBLVA Spengergasse, kom Single Market (TSM), sind wir schon sion wäre verpflichtet, wenn Europarat erwarb anschließend an der University mitten in den Verhandlungen. Dabei wer- und EU-Parlamente keine Einigung erzie- of Derby den BSc in Computer Science den Netzneutralität, Funkfrequenzen in len, einen Kompromissvorschlag vorzule- und dann einen MBA an der Universi- der Union und Roaming-Gebühren ver- gen, legt jedoch seit Monaten keinen vor. tät Augsburg und der Johns Hopkins handelt. Wenn das gesamte Paket kippt, wird die University (Baltimore). Er arbeitete als Netzneutralität nicht als EU-Recht veran- Journalist, Kommunikationsberater Vor einigen Monaten hat es einen wun- kert. und Universitäts-Lektor. Seit 2005 ist derbaren Beschluss in der Union gegeben, er Mitglied des Landesvorstandes der dass jeder Datenverkehr gleich behandelt TRANSATLANTISCHES Grünen im Burgenland, von 2010 bis werden muss, dass Roaming-Gebühren in FREIHANDELSABKOMMEN - 2012 war er Mitglied im erweiterten der EU Ende 2015 enden müssen und das TTIP Bundesvorstand der Grünen, von 2010 Spektrum der Funkfrequenzen europaweit Beim TTIP geht es neben dem Senken von bis 2014 war er Landtagsabgeordneter verwaltet und versteigert wird. Das war der Steuern und dem Investitionsschutz um der Grünen im Burgenland und seit Juli Beschluss des EU Parlaments. Der braucht die Einrichtung eines regulatorischen Ko- 2014 ist er Abgeordneter zum EU Par- aber auch die Zustimmung der nationalen operationsrates. Es gibt dazu noch kaum lament als Vertreter der Grünen bzw. Regierungen - und dort wird er verweigert. Informationen, wie er gestaltet werden für die Freie Europäische Allianz. Die eigenen Regierungen verweigern also soll. Dieses Gremium soll zwischen den www.reimon.net

02  2015 | OCG Journal 41 Der Beitrag der Informatik zur Verwirklichung eines Menschenbildes

von Joachim Klaus Es ist normal, verschieden zu sein

Der Artikel von Joachim Klaus wurde vom uns gehen muss. In der Wirklichkeit frei- sozialen Schichten immer wieder zu ent- Autor als Keynote im Rahmen der OCG lich ist Behinderung nach wie vor die Art wickeln. Ideale und erwünschte Zustände Jahresveranstaltung „40 Jahre OCG“ am von Verschiedenheit, die benachteiligt, sind kontinuierliche Herausforderungen an 9. Juni 2015 vorgetragen. Die untenste- ja bestraft wird. Es ist eine schwere, aber jeden von uns im privaten und beruflichen hende Version ist die gekürzte Version des notwendige, eine gemeinsame Aufgabe Alltag. Vortrags. für uns alle, diese Benachteiligung zu über- Stabilisatoren jenseits emotionaler Irritati- winden.“ onen und Unwägbarkeiten sind gefordert, „ES IST NORMAL, feste Netzwerke und Gesetze als zugrun- VERSCHIEDEN ZU SEIN –“ Doch auch nach 22 Jahren sind wir kaum de liegende Instrumentarien – und hier Welch eine Binsenwahrheit, Banalität – weiter gekommen – trotz „UN-Über- können Informations- und Kommunikati- wird man auf den ersten Blick reagieren, einkommen über die Rechte von Men- onstechnologien eine entscheidende Rolle aber noch in den 90er Jahren mussten Blin- schen mit Behinderungen“, 2006 von der spielen. de im öffentlichen Raum eine Armbinde UNO-Generalversammlung einhellig verab- wie ein Straßenschild tragen - andersfarbi- schiedet und in der Zwischenzeit von über Lassen Sie mich dies im Folgenden näher ge Fahrgäste in öffentlichen Verkehrsmit- 200 Ländern und der EU und ihren Mit- erläutern, einen roten Faden ziehen, ex- teln werden auch heute um ein Vielfaches gliedsländern ratifiziert – ein „menschen- emplarisch den Pfad gehen von unserem häufiger aufgefordert, ihren Fahrschein zu rechtliches Modell“, wie es im Text heißt. Karlsruher Modellversuch „Informatik für zeigen. Diskriminierung unverändert auch Blinde und Sehbehinderte“ bis hin zu der in unserem 21. Jahrhundert - und Einhalt „ES IST NORMAL, VERSCHIE­ Vielfalt von Aktivitäten und Initiativen hier ist kaum sichtbar. DEN ZU SEIN“ in Österreich auch und vor allem unter dem Aber was ist normal? Worin besteht Nor- Dach der OCG. Ist es also so etwas wie ein Bestandteil un- malität? seres Menschseins, ein Ausdruck von Mit- Allgemein ist es als das Selbstverständnis in Im Herbst 1987 im wissenschaftlichen Um- einander und Abgrenzung? Ein unverrück- einer Gesellschaftsordnung, das Miteinan- feld einer sich zwischen Mathematik und bares Gen? der, das nicht weiterer Erklärungen bedarf, Elektrotechnik emanzipierenden Informatik soziale Normen und konkrete Verhaltens- startete der Karlsruher Modellversuch Der vor Kurzem verstorbene ehemalige weisen von Menschen, Mit-Menschlichkeit, „Informatik für Blinde – Studium für deutsche Bundespräsident Richard von Aufgeschlossenheit und gegenseitige Ak- Sehgeschädigte in Informatik und Wirt- Weizsäcker formulierte 1993 auf einer Ta- zeptanz – ein Bild gezeichnet aus Verschie- schaftsingenieurwesen“. gung der „Bundesarbeitsgemeinschaft: denheit, aus Geben und Nehmen, Offen- Ziel des in Neuland vorstoßenden Modell- Hilfe für Behinderte“, wie folgt: heit und der freien Entfaltung von Stärken vorhabens war es, Blinden und hochgra- und Schwächen einer erfüllt gelebten und dig Sehbehinderten Studiengänge und „…Es ist normal, verschieden zu sein. Es erfahrenen Gemeinsamkeit. entsprechende Berufsfelder zu eröffnen, gibt keine Norm für den Menschen. Man- Erziehung und Sozialisation sind ihre Träger, die ihnen bisher verschlossen waren – vor che Menschen sind blind oder taub, ande- die Sicherheit und Handlungskompetenz in allem im natur-, ingenieur- und wirtschafts- re haben Lernschwierigkeiten, eine geistige einer Gesellschaft gewährleisten. Abwei- wissenschaftlichen Bereich. Grundlage oder körperliche Behinderung – aber es chendes Verhalten, das der Vorstellung von bildete dabei die Überzeugung, dass Infor- gibt auch Menschen ohne Humor, ewige Normalität nicht entspricht, verursacht Rei- mations- und Kommunikationstechnolo- Pessimisten, unsoziale oder sogar gewalt- bungen, Konflikte bis hin zu kriegerischen gien die entscheidenden Schlüssel für die tätige Männer und Frauen. Auseinandersetzungen. Entwicklung persönlicher und beruflicher So gilt es, die Balance zwischen Normalität Selbstständigkeit und Eigenverantwortlich- Dass Behinderung nur als Verschiedenheit und abweichendem Verhalten vor allem keit sein können. Durch die unterstützen- aufgefasst wird, das ist ein Ziel, um das es innerhalb und zwischen unterschiedlichen de Arbeit des SZS – studienvorbereitend,

42 OCG Journal | 02  2015 Gesellschaftliche Kohäsion studienbegleitend und beim Übergang schen Gesellschaft für Astronomie und Das Szenario ließe sich weiter fortset- ins Arbeitsleben – können Sehgeschädigte hat gerade sein erstes Buch „Blind zu zen – Beispiele der Normalität von hoch- gemeinsam mit ihren sehenden Kommilito- den Sternen – mein Weg als Astronom“ schulischer Ausbildung und beruflicher nen studieren. herausgegeben. Er plant – in den Spu- Integration und sie tauchen in keiner Be- ren des ICC – ein Astro-Camp für Seh- hindertenstatistik auf! Es ist normal, ver- Heute kaum mehr vorstellbar: auf politi- geschädigte. schieden zu sein. scher und gesellschaftlicher Ebene galt es, sich mit den Behindertenverbänden ausein- • Eine Herausforderung besonderer Art Das Karlsruher Modell fand vielfältige ander zu setzen, die in dem Vorhaben eine war die hochgradig sehbehinderte Bio- Übertragungen an Hochschulen und In- zu verhindernde Elitebildung sahen. Noch logiestudentin. Im 2. Semester hatte das formatikfakultäten, Anregungen in Hoch- verbreitete die Bundesanstalt für Arbeit in Botanik-Institut die Teilnahme an einer schulministerien, so z.B. TU Dresden, TU ihren Leitfäden und in Beratungsgesprä- Exkursion in den Hochalpen aus Sicher- Prag, Comenius Universität Bratislava, TU chen die Ansicht, dass Studiengänge der heitsgründen abgelehnt. Wir finanzier- Budapest. An der Universtät Chisinau/Mol- Mathematik, Natur- und Ingenieurwissen- ten eine Assistenz, die neben ihr kletter- dawien widmete sich ein EU-Projekt der schaften für Sehgeschädigte nicht geeignet te. In Tränen bedankte sie sich für das Weiterentwicklung der Lehrerbildung in seien. haptische Erleben auf 2000 m Höhe, Richtung „Inklusive Schule“. Heute ist all dies selbstverständliches Allge- Flechten zu sammeln und zu bestimmen. meingut! Das Institut erhielt aus Zentralmitteln Der ECDL – European Computer Driving Und das SZS – vor 4 Jahren erfuhr es seine ein Spezialmikroskop mit Spezialsoft- Licence – ein international anerkannter feste Verankerung im Bildungssystem und ware, was gleichzeitig dem Institut neue Standard für digitale Kompetenz wurde wurde es in einen Lehrstuhl „Informatiksys- Forschungsmöglichkeiten eröffnete. in Richtung berufsbegleitender Qualifi- teme für Sehgeschädigte und andere Be- Heute promoviert sie in der „Bioinfor- zierung für Sehgeschädigte erweitert, die hinderungen“ überführt. matik“ an der Universität Erlangen und ECDL-Module und Prüfungsmodalitäten strebt eine Stelle in der Industriefor- auf Barrierefreiheit umgewandelt. Eine Erlauben Sie mir einige der Absolventinnen schung an. SZS-Mitarbeiterin schulte bundesweit das und Absolventen auf diesem Weg zu skiz- Prüfungspersonal in diese Richtung. Als zieren: • Mit speziellen Programmen zur Ver- erster Blinder absolvierte ein SZS-Mitarbei- mittlung von Musiknoten wurde ein ter die ECDL-Module, somit konnte das SZS • Da ist einer unserer ersten Diplomin- blinder Pianist an der Staatlichen Hoch- selbst Prüfungen abnehmen. formatiker, als Kind dem Vietnamkrieg schule für Musik vom SZS unterstützt. Ziel des SZS in diesem Programm war es, entkommen, erblindet und beidsei- Heute ist er Dozent und folgt nationalen den ECDL allen Studierenden der Universi- tig unterarmamputiert. So kam er und internationalen Verpflichtungen. tät Karlsruhe anzubieten und ihn als fakul- nach Deutschland ins Friedensdorf nach Oberhausen, kämpfte sich bis zum Abitur durch und kam nach Kar- lsruhe. Zusammen mit der Fa. Baum wurde eine Spezialtastatur mit ent- sprechender Software für ihn entwi- ckelt, Zwei Spezial-Kassettenrecorder von TSI waren didaktische Hilfsmittel für den Lern- und Prüfungsprozess. Heute nimmt er Beratungsfunktionen in einem Reha-Zentrum wahr.

• Da ist der in der Kindheit voll erblinde- te Diplom-Informatiker – noch heute eine tragende Säule im Forschungs- und Betreuungsbetrieb des SZS – dessen Hobby ist die Astronomie. Er ist Mitglied der hoch angesehenen Deut-

Informations- und Kommunikationstechnik haben das Potenzial persönliche wie berufliche Selbstständigkeit und Eigenverantwortung zu fördern.

02  2015 | OCG Journal 43 Ein Touchdisplay für blinde Menschen. Eine mit dem Wissenschaftspreis „European Champion“ ausgezeichnete Entwicklung von Studenten der Johannes Kepler Uni- versität (siehe dazu den Beitrag im OCG Journal 1/2014).

sollte weiterhin erhalten bleiben oder gar intensiviert werden.

1992 in einem Workshop im Rahmen ei- nes TEMPUS II Programms des SZS, in dem es um den Aufbau von Studienzen- tren für Sehgeschädigte in der damaligen Tschechoslowakei ging, trafen sich die Pro- jektpartner CSUN/USA, RNIB/GB, Linz/A, Karlsruhe/D und die tschechoslowakische Arbeitsgruppe in den slowakischen Al- pen. Dabei brachten die österreichischen tatives Ergänzungsfach in das Curriculum sion, Design for All und Universal Design Kollegen die Idee eines Computer-Camps aller Studiengänge einzubinden. Damit gerichtet. für sehgeschädigte Jugendliche zur Vor- könnte Medien- und IT-Kompetenz eine Die jährlich stattfindende ICCHP Sum- bereitung auf ein Studium oder einen Grundkompetenz aller Studienrichtungen mer-University bildet dabei ein homogenes Beruf in die Diskussion. Das ICC – Inter- sein und die berufliche Integration positiv Ganzes, indem es Young Researcher und national Computer Camp (heute: Inter- beeinflussen. vor allem betroffene Schüler und Studie- national Camp on Communication and Leider scheiterten wir an der Hochschulbü- rende zum Dialog einlädt. Computers) war aus der Taufe gehoben. rokratie und an fehlender Aufgeschlossen- 1993 startete das in der Zwischenzeit euro- heit des Lehrkörpers. 1991 wird dann an der Johannes Kep- pa-weite Erfolgsmodell. ler-Universität in Linz das „Institut Integriert Sicher lässt es sich schwer rekonstruierten, Studieren“ gegründet. Blickt man heute Lassen Sie mich zusammenfassen: wann und wie dieses Karlsruher Modell zurück, so hat sich diese Einrichtung über In 25 Jahren hat sich hier in Österreich ein den Weg nach Österreich und – vor allem – das Karlsruher Modell hinweg zu einer beeindruckendes Know-how entwickelt, nach Linz fand. weltweit führenden Einrichtung entwi- hat sich ein internationales Forum der In- Der Linzer Informatik-Professor Roland ckelt. Kaum ein internationales Projekt in formation und Kommunikation von und Wagner und sein Wiener Kollege A Min „eAccessibility“, „Mathematik und Ga- für Menschen mit Behinderungen und Tjoa hatten 1989 die ICCHP – Internatio- mes“ und „Soziale Integration“, an der chronischen Krankheiten, eine Quelle der nal Conference on Computers Helping nicht Klaus Miesenberger mit seinem Team Kreativität und Innovation etabliert. with Special Needs – ins Leben beteiligt, wenn nicht gar federführend, ist. Gerade zum 40. Jubiläum der OCG weist gerufen. IT und AT für Menschen mit Be- dieser Rückblick auf Wege in die Zukunft. hinderungen und einer älter werdenden Eine wichtige Ergänzung zur Thematik Die OCG ist an vielen des von mir Darge- Generation war die Botschaft. Neben der „Hochschulstudium und Behinderung „ legten direkt oder indirekt beteiligt. << 4 Jahre vorher von der California State Uni- bildet die alle drei Jahre an der Universi- versity und ihrem „Center on Disabilities“ tät Innsbruck stattfindende International gegründeten CSUN – Annual Internati- Conference on Higher Education and Joachim Klaus onal Technology and Persons with Di- Disability 1992 aus der Jumelage der Gründer und ehe- sabilities entwickelte sich die alle 2 Jahre Universitäten Innsbruck und New Orleans maliger Leiter des stattfindende ICCHP sehr bald zu der welt- und dem dortigen „TRAC – Training, Re- Studienzentrums für weit bedeutendsten Plattform für den wis- source and Assitive Technology Center“ Sehgeschädigte (SZS), senschaftlichen Austausch von Forschern, entstanden und seitdem vor allem von den Karlsruher Institut für Technologie – Entwicklern und Betroffenen. Universitäten Leuven und Karlsruhe unter- KIT. Er ist Träger des Österreichischen Zur 15. ICCHP im Sommer 2016 werden stützt. Damit ist die Innsbruck-Konferenz Ehrenzeichens für Wissenschaft und wieder ca. 400 internationale und 200 mit ihrer pädagogisch-psychologischen Kunst (2005) und damit der höchsten weitere nationale Teilnehmer erwartet. Ein und bildungspolitischen Ausrichtung ein staatlichen Auszeichnung für Wissen- besonderes Augenmerk ist dabei auf visio- wichtiger Baustein eines globalen Inklusi- schaft und Kunst, die die Republik näre Ideen z. B. in E-Accessibility, E-Inclu- onsgedankens. Die Vernetzung zur ICCHP Österreich vergibt.

44 OCG Journal | 02  2015 Wettbewerbe und Preise

Die SiegerInnen 2015

von Elisabeth Maier-Gabriel Finaltag computer creativ wettbewerb 2015

Am 10. Juni war es endlich soweit! Einge- • Lorena Montellano-Flores und Team, Der CCW wird vom BMBF finanziell und bettet in die Jahrestagung der OCG starte- NMS Golling (Wasser, Quelle des Lebens) fachliche unterstützt. Als wichtiger Sponsor ten ab 9 Uhr die Präsentationen der besten ex äquo mit des Wettbewerbs war die Rieder Software- Arbeiten vor der Jury. Vier Projektgruppen • Gabriel Mewald, NÖMS Wr. Neustadt firma RZL mit dabei. << aus der Sekundarstufe I und sechs Projekt- (6 steps to make your password stronger) gruppen aus der Sekundarstufe II wurden dazu eingeladen. Sekundarstufe II Der computer creativ wettbewerb (CCW) In den folgenden drei Stunden waren alle • Stefanie Gregull und Team, HTL Ottak- folgt dem Jugend Informatik Wettbe- TeilnehmerInnen aufgefordert ihr Projekt ring (Rehab Fun Ball) werb, dem ältesten Informatikwettbe- vorzustellen. Die Jury, bestehend aus Ver- • Michael Schlichting, HTBLA Braunau werb in Österreich (die OCG hat ihn treterInnen aus Schule, Universität und (e-Lab) erstmals 1980 ausgeschrieben). Wirtschaft, bewertete anschließend die ge- • Andreas Roither und Team, HTBLA Der CCW ist ein IT-Kreativwettbewerb, an zeigten Arbeiten. Um 14 Uhr standen die Braunau (Universal Communication Sys- dem Schülerinnen und Schüler von sechs Platzierungen fest: tem for Gastronomy) bis 20 Jahren teilnehmen können. Ziel ist die Ausarbeitung eines Projekts, das sich DIE GEWINNERINNEN Die OCG gratuliert allen PreisträgerInnen kreativ mit Informatik auseinandersetzt. Sekundarstufe I und freut sich schon auf die Einreichungen Es gibt keine konkrete Themenstellung – • Manuel Eiter und Team, NMS Telfs (Ro- zum computer creative wettbewerb´16. alles ist möglich. bot Dance) ex äquo mit • Deniz Yilmaz und Team, BG Feldkirch Bilder und Details über die Arbeiten finden (Scratch me if you can) Sie unter blog.ocg.at Stefanie Gregull (vorne, 2. v.r.) und ihre beiden Teamkollegen der HTL Ottakring sowie die CCW Jury.

02  2015 | OCG Journal 45 Das Team für die IOI 2015 steht fest

von Elisabeth Maier-Gabriel Bundesfinale für die Informatik-Olympiade

Vom 7.-10. April 2015 fand in Wörgl der • Simon Lehner-Dittenberger (HTL St. Jedes Land darf bis zu vier Teilnehmer ent- zweite Vorbereitungsworkshop für die Pölten, 162 P.). senden. Informatik-Olympiade (IOI) statt. Wieder unterstützt von ehemaligen Olympiateil- Bisher haben sich die österreichischen Teil- Die IOI 2015 findet von 26. Juli bis 2. Au- nehmern und Helmut Achleitner, Johann nehmerInnen sehr gut geschlagen: Bei 23 gust in Kasachstan statt. << Fellner und Gerald Futschek wurde wieder Antritten konnten sie 28 Medaillen errin- fleißig trainiert und unter simulierten Wett- gen (davon drei Goldene!). Die Messlatte Mit freundlicher Unterstützung durch bewerbsbedingungen programmiert. liegt also ziemlich hoch. Wir sind zuver- sichtlich, dass sich die Vier in Kasachstan Am letzten Tag wurden im Bundeswettbe- gut schlagen werden. werb die vier Besten ermittelt, die Öster- reich bei der IOI vertreten: Die Internationale Informatik-Olympiade (International Olympiad in Informatics, • Florian Leimgruber (HTL Leonding, IOI) ist ein jährlich ausgetragener Informa- 387 P.) tik-Wettbewerb für Schüler. Die erste IOI • Gary Ye (HTL TGM Wien, er ist schon wurde 1989 in Bulgarien veranstaltet. das 3. Mal dabei!! 362 P.) • Peter Ralbovsky (Wiedner Gymnasium, 327 P.)

Die Teilnehmer des zweiten Vorbereitungs- workshop für die IOI 2015.

46 OCG Journal | 02  2015 Plattform OCG

OCG Jahrestagung 2015

vom Redaktionsteam der OCG Mensch und Informatik: digitale Lebensräume gestalten

Die Österreichische Computer Gesell- TAG 1: MONTAG, 8 JUNI Die Moderation übernahm Helmut Veith schaft feierte heuer vom 8. bis 10. Juni ihr Tagesmotto: 40 Jahre auf dem Weg in von der TU Wien. 40-Jahr-Jubiläum mit einer dreitägigen die Zukunft Veranstaltung. Das Motto lautete Mensch Nach einer kurzen Pause ging es um ein und Informatik: digitale Lebensräume Den Beginn machte eine Gesprächsrunde nicht minder wichtiges Thema: Die Zu- gestalten. Das Thema spiegelt den Auf- mit Norbert Rozsenich (Gründungsmit- kunft der Informatik. Die Diskutanten trag der Informatik für den Menschen glied und OCG Präsident von 1981 bis beschäftigten sich eingehend mit den und die Gesellschaft wider und erlaubt 1985), Otto Zich (Gründungsmitglied und Themen Governance, Souveränität und den Blick sowohl auf die 40 Jahre OCG langjähriger Vertreter der OCG in der IFIP), Datenschutz. Geschichte zu richten wie auch auf die Günter Haring (OCG Präsident von 1989 Zukunft. Rund 300 Besucher folgten der bis 1993), A Min Tjoa (OCG Präsident Nachfolgend einige Statements daraus: Einladung. von 1999 bis 2003). Die Moderation über- nahm Reinhard Goebl (OCG Präsident Neben dem Generalmotto der Jahresver- von 2011 bis 2015). Gegenstand war die anstaltung wurden die drei Konferenztage Geschichte der OCG von der Gründung mit thematischen Schwerpunkten konzi- bis hin zur Professionalisierung. Zu Beginn Die Teilnehmer des zweiten Vorbereitungs- piert. Der erste Tag trug den Titel 40 Jahre wurde ein Filmtrailer der OCG Witness Se- workshop für die IOI 2015. OCG auf dem Weg in die Zukunft und gab minare gezeigt. spannende Einblicke in die Geschichte des Vereins, der Informatik in Österreich wie Im Anschluss folgte eine Paneldiskussion der Informatik generell. In einem hochka- zum Thema The Future of Professional rätig besetzen Panel wurde diskutiert, wie Informatics Associations (Presidents man Erfahrungen der letzten Jahrzehnte Summit) mit einer Diskussionsrunde, wie für die Zukunft nutzbar machen kann. Der es sie in solcher hochkarätigen Zusam- zweite Tag fokussierte unter dem Motto mensetzung noch nicht gegeben hat. Am Mensch, Bildung und Karriere in beson- Podium saßen: derem Maße auf die beruflichen Perspek- tiven, die Informatik bietet. Der dritte Tag • Alexander L. Wolf, President, Associati- rückte die Wissenschaft in das Zentrum on for Computing Machinery (ACM) und stand unter dem Motto Informatik: • Jörg Ruegg, President, Council of Euro- Leitwissenschaft der Informationsgesell- pean Professional Informatics Societies schaft? Entlang der Themen Security & Pri- (CEPIS) vacy, Cloud & Big Data, Visual Computing, • Leon Strous, President, International Fe- Energie und Industrie 4.0 spannte sich deration for Information Processing (IFIP) Roland Ledinger, Leitung IKT-Strategie ein Bogen hochinteressanter Vorträge, in • A Min Tjoa, Past-President, Austrian des Bundes und Geschäftsführer der Platt- denen ExpertInnen aus Wissenschaft und Computer Society (OCG) form Digitales Österreich, ging zu Beginn Forschung gegenwärtige und prognosti- • Markus Klemen, President, Austrian der Diskussion auf die „Digital Roadmap“ zierte mittel- und langfristige Herausfor- Computer Society (OCG) des Bundes ein, die im Juni 2015 startet, derungen thematisierten. „Anfang 2016 aufgesetzt sein und danach

02  2015 | OCG Journal 47 Plattform OCG umgesetzt werden“ soll. „Wir verfolgen darauf hin, dass tiefgreifende technologi- damit drei Ziele: Das Leben der Menschen sche Änderungen neue gesellschaftliche soll erleichtert, die Wirtschaft gefördert und ethische Fragestellungen aufwerfen: und die Verwaltung vereinfacht werden“, “Die Gesellschaft sieht sich zunehmend so Ledinger. „Der IKT-Sektor ist mit seiner gefordert, die Anforderungen an Techno- Wertschöpfung sehr wichtig geworden – logie zu definieren und damit neu entste- dort wollen wir einen Schwerpunkt set- hende ethische Fragen zu reflektieren. Die- zen. Österreich soll man in zehn Jahren se Position einzunehmen ist Aufgabe einer nicht nur als Tourismusland, sondern auch postulierten digitalen Zivilgesellschaft, die als IKT-Standort wahrnehmen.” in dieser Form erst in Ansätzen existiert und noch keineswegs auf Augenhöhe mit der global agierenden Industrie aus- geformt ist. Eine Co-Evolution von Tech- nologie und Gesellschaft ist anzustreben, mit vitalem Austausch der Interessen und Beobachtung der Wechselwirkungen.“

Und zur Lage der IKT in Österreich meinte Anderst-Kotsis: „Österreich als IKT-Stand- Reinhard Posch, Chief Information ort ist zum Teil international gut po- Officer der Österreichischen Bundesre- sitioniert, hat durch die Zersplitterung gierung, sah die Lage der IKT-Branche im an Kompetenzen aber viel ungenutztes Rahmen der Diskussion deutlich kritischer: Potential und könnte mit den Ansätzen „Europa ist in einer ungünstigen Startpo- vergleichbarer Länder, die Spitzenpositio- sition beim Wettlauf der Neuen Techno- nen einnehmen, noch einiges profitieren. logien. Für die langfristige Entwicklung Die Sichtbarkeit von IKT in der öffentli- ist es wesentlich, dass Europa zumindest chen Wahrnehmung ist vergleichsweise in einigen Kernbereichen die Steuerung bescheiden, IKT als Querschnittsmaterie zurückgewinnt oder so einwirkt, dass die ist unterrepräsentiert.“ Das liege zum Teil Steuerung nicht von außen dominiert auch an den Universitäten, denen es nicht wird. Zu diesen Kernbereichen zählen mo- gelänge, die Informatik als Kernthema zu Michael Wiesmüller, Abteilungsleiter bile Geräte und Systeme, Sicherheitstech- positionieren. „Wir müssen lernen, diese für Informations- und industrielle Techno- nologien und Verschlüsselung sowie die Themen besser zu kommunizieren“, so logien, Nano und Raumfahrt im Bundes- Dokumentenverarbeitung, als dritter und Anderst-Kotsis. ministerium für Verkehr, Innovation und besonders kritischer Punkt.“ Technologie, sieht den Forschungs- und IKT-Standort Österreich bereits jetzt gut Posch sprach auch die gesellschaftliche positioniert. Zwar seien die USA und Asi- und politische Dimension der technolo- TAG 2: DIENSTAG, 9. JUNI en gut „im Rennen“, und „der größere gischen Veränderungen an: “Diskussio- Der 2. Tag der OCG Jahresveranstaltung Konkurrent in der IKT-Ausbildung ist Chi- nen um TTIP, NSA oder Snowden leisten stand unter dem Motto Mensch, Bil- na, nicht die USA“. Trotzdem sieht Wies- zwar einen positiven Beitrag zur Bildung dung und Karriere. Der Vormittag war müller den Status quo und die Zukunfts- eines längst notwendigen Bewusstseins. dem Thema eInclusion gewidmet und perspektiven in Europa und Österreich Doch letztlich geht es darum, ob die Ge- am Nachmittag kamen in Lightning Talks, positiv: „Wir sehen, dass die Performance sellschaft hinnimmt, dass die Steuerung Open Space Runden und einer Gala her- der österreichischen Forschung jedes Jahr weg von Staaten hin zu Megakonzernen ausragende Persönlichkeiten zu Wort. steigt. Der Forschungsstandort Österreich verschoben wird – Google zeigt uns dies ist schon jetzt unter den Top 5 in Europa eindrucksvoll vor.“ Die „konzernorientier- Es ist normal, verschieden zu sein! Die- einzureihen.“ Allerdings gelte es, sich auf te Steuerung“ der IKT sei „absolut nicht ser Tag der OCG Jahrestagung zeigte ein- tiefgreifende Änderungen vorzubereiten: demokratisch“, so Posch: „Wird die Füh- drücklich, welch große Begabungen und „Wir leben im Zeitalter eines tiefen Struk- rungsebene einiger weniger Megakon- Kapazitäten in Menschen zu finden sind, turwandels. Themen wie Robotic oder zerne die verspätete Nachfolge fürstlicher die gewöhnlich einfach in die Schublade Artificial Intelligence werden im Zentrum Herrscher – ohne demokratische Legitima- „behindert“ gesteckt werden. Joachim der Diskussion der nächsten zehn Jahre tion?“ Klaus schilderte in seiner Keynote die stehen“, so Wiesmüller. außergewöhnlichen Lebensläufe von Be- Gabriele Anderst-Kotsis, Vizerektorin an hinderten, die am Karlsruher Institut für der Johannes Kepler Universität Linz, wies Technologie studierten (siehe dazu seinen

48 OCG Journal | 02  2015 Die Gala der OCG PreisträgerInnen fand am Abend des ersten Tages statt.

Viktor Mayer-Schönberger (Oxford Internet Institute) und sein damaliger Teamkollege Jürgen Geißelbrecht (Gymnasium Dachsberg), die den JPW im Jahr 1985 gewannen (v. links) Reinhard Goebl (Past-President der OCG), Gabriele Anderst- Kotsis (Vizerektorin an der Johannes Kepler Universität Linz), die bisher einzige, die sowohl den OCG Förderpreis als auch den Heinz Zemanek Preis gewann, Stefanie Rinderle-Ma (Universität Wien, Programmdirektorin der OCG Jahrestagung 2015)

Beitrag an anderer Stelle in diesem OCG forderte, dass „Barrierefreiheit Grundlage wichtig leicht verständliche Sprache für Journal). jedes digitalen Denkens, Teil der Bildung Menschen mit Lese- und Lernschwierig- und der Praxis werden muss“. keiten ist. Gerhard Nussbaum lies einen Im Workshop eAccessibility & AAL zeigte Quadrocopter ferngesteuert fliegen. Diese Daniel Pöll, selbst blind seit Geburt, wie Kerstin Matausch-Mahr vom Kompetenz- für Nicht-Behinderte außergewöhnliche er die Website der OCG sieht. So wurde netzwerk Informationstechnologie zur För- Leistung ist umso bemerkenswerter, als bewusst, was Klaus Miesenberger vom derung der Integration von Menschen mit Nussbaum seit seinem 18. Lebensjahr vom Institut Integriert Studieren der JKU Linz Behinderungen (KI-I) sprach darüber, wie Hals abwärts gelähmt ist. Herr Nussbaum

02  2015 | OCG Journal 49 hat Informatik studiert und arbeitet als • Viktor Mayer-Schönberger (Oxford Data behandelte aktuelle technische Fra- Geschäftsführer beim KI-I und bei incite, Internet Institute) und sein damaliger gen und Herausforderungen aus dem Um- der Qualitätsakademie des Fachverbandes Teamkollege Jürgen Geißelbrecht feld der verteilten Systeme. Die Teilneh- UBIT der Wirtschaftskammer Österreich. (Gymnasium Dachsberg), die den JPW menden des Workshops erhielten einen im Jahr 1985 gewannen, guten Überblick über diese Themen und Lightnig Talks und Open Space The- • Preisträgerin aus dem ersten Wettbe- anschließend wurde vertiefend Interoper- menrunden werbsjahr Margit Jonas, heute Bundes- abilität behandelt. In den Lightning Talks gaben, unter der rechenzentrum, Moderation von Stefanie Rinderle-Ma, • Thomas Würthinger, heute Oracle Parallel dazu wurde vom Arbeitskreis Universität Wien, sechs hervorragende Per- Labs, der den Jugendpreis mehrfach Energie-IKT über neue E-Business Model- sönlichkeiten in ihre IT-Karrieren Einblick: gewann, bei der IOI eine Goldene holte le zwischen sozialer Utopie & Wirklichkeit und 2012 auch noch den HZP erhielt, gesprochen. • Stefan Rass, Universität Klagenfurt • Wolfgang Thaller, mehrfacher JPW • Monika Henzinger, Universität Wien Gewinner und mit 2 Goldenen und 2 Sil- Zur humorvollen Auflockerung gab es in • Wolfgang Hafenscher, CMO & bernen der erfolgreichste IOI Teilnehmer der Mittagspause die Präsentation Hol- Mit-Gründer LineMetrics • Gabriele Anderst-Kotsis, die bisher ein- lywood-Hacking: Ein Reality-Check. • Carina Schmidseder, Mitgründerin von zige, die sowohl den OCG Förderpreis Dabei wurden von den beiden Vortra- offisy als auch den Heinz Zemanek Preis ge- genden „Hacking“-Szenen aus Film und • Rene Thiemann, Universität Innsbruck wann, Fernsehen einem Realitätsabgleich unter- • Gabriele Anderst-Kotsis, JKU Linz zogen. Das Ergebnis war eine blendende und viele mehr. Unterhaltung über abenteuerliche Hol- Es folgten drei Open Space Themenrun- lywood-Fantasien, die mit der realen Welt den: der IT-Security wenig zu tun haben. • Entwicklung der Informatik, mode- TAG 3: MITTWOCH, 10. JUNI riert von Alois Ferscha, JKU Linz Der letzte Tag der OCG Jahresveranstal- Im Workshop des Arbeitskreises Visual • Neue Wege in der Förderung des IT tung begann mit einer Keynote von Max Computing gaben am Nachmittag inter- Nachwuchses, moderiert von Gerald Schrems und stand danach ganz im Zei- nationale Experten Einblick in ihre wissen- Futschek, TU Wien chen der OCG Arbeitskreise. schaftlichen Tätigkeiten und einen Aus- • IT-Standort Österreich, moderiert von blick auf zukünftige Entwicklungen des Wilfried Seyruck, Programmierfabrik Durchsetzung des Rechts auf Daten- Visual Computing als wichtige Technolo- schutz nannte Max Schrems (www.euro- gie zur Gestaltung digitaler Lebenswelten. Am Abend folgte die Gala der OCG Preis- pe-v-facebook.org) seine Keynote, in der trägerInnen. Bei der Gala hatten zahlrei- er detailreich von seiner Klage gegen Fa- Der Workshop Security & Privacy – Der che PreistägerInnen spannende Geschich- cebook berichtete. Mensch zwischen Privatsphäre und ten und Lebensläufe zu erzählen. Dazu Sicherheitsbedürfnis warf den Blick auf zählen u.a. Der nachfolgende Workshop Cloud & Big technische Strategien zum Schutz der ei- genen Identität in Internet (Tor-Netzwerk) und die Möglichkeit, die Überwacher zu überwachen (IMSI-Catcher-Catcher). Wei- ters wurde der Frage nachgegangen, wie es mit Datenschutz und Privatsphäre am Arbeitsplatz aussieht bzw. wie sich beste- hende und zukünftige Anti-Terror-Gesetze in Österreich evaluieren lassen (respektive „HEAT“).

Mit dem Topthema Industrie 4.0 – Cy- ber-Physical Production Systems Rese- arch at TU Wien wurde der inhaltliche Teil des dritten Tages, und damit die OCG Jahrestagung­ 2015, abgeschlossen. Max Schrems berichtete in Details zu allen Vortragenden, Prä- seiner Keynote sentationen, Kontaktdaten und vie- detailreich von seiner Klage le Bilder finden Sie im Internet unter gegen Facebook. blog.ocg.at. <<

50 OCG Journal | 02  2015 Plattform OCG Veranstaltungen Schriftenreihe

Einen ausführlichen Überblick bietet Ihnen der Veranstal- [email protected] tungskalender unter blog.ocg.at NCMA2015 Seventh Workshop on Non-Classical Models of Auto- Wiener Forschungsfest mata and Applications Der Weg von der Forschung zum Produkt Band 318, EUR 21,50/EUR 16,- (für OCG Mitglieder) 12.-13.09.2015, Nähe Wiener Naschmarkt Rudolf Freund, Markus Holzer, Nelma Moreira, Rogério Kontakt: wirtschaftsagentur.at/news/alle-wollen-zum-for- Reis schungsfest-2015-37 ISBN 978-3-903035-07-2

IBM-OCG Education Day für PädagogInnen 2015 Elektronische Schnittstellen in der Der Weg von der Forschung zum Produkt Staatsorganisation 18.09.2015, IBM Client Center, Wien Band 314, EUR 21,50,-/EUR 16,- (für OCG Mitglieder) Kontakt: www.ocg.at/educationday15 Beate Glück, Friedrich Lachmayer, Günther Schefbeck, Erich Schweighofer Runtime Verification 2015 (RV‘15) ISBN 978-3-903035-03-4 The 15th International Conference on Runtime Verification 22.-25.09.2015, Technische Universität Wien Kontakt: rv2015.conf.tuwien.ac.at/ Karl Anton Fröschl, Gerhard Chroust, Johann Stockinger, IN MEMORIAM 7. Informatiktag 2015 Norbert Rozsenich (Hrsg.) Kostenlose Fortbildung für Lehrende ab der Sekundarstufe In memoriam Heinz Zemanek 28.09.2015, Technische Universität Wien Band 311 Kontakt: www.ocg.at/informatiktag15 ISBN 978-3-903035-00-3 Preis: EUR 21,50 10. eLearning Didaktik Fachtagung eLearning und Neue Medien im Unterricht und in der Lehre 22.-23.10.2015, PH der Diözese Linz, OÖ Heinz Zemanek 1920-2014 Kontakt: edidaktik.at

Reinhard Goebl (Hrsg.) Festschrift und Tagungsband – 40 Jahre OCG, 1975-2015

Festschrift und Band 312 Tagungsband

ISBN 978-3-903035-01-0 1975 40 Jahre OCG Preis: EUR 21,50 2015

IMPRESSUM Medieninhaber und Herausgeber: Österreichische Computer Gesellschaft (OCG) Präsident: Mag. Markus D. Klemen | Generalsekretär: Dr. Ronald Bieber Chefredakteur: Dr. Ronald Bieber – DW 27 Leitung der Redaktion: Dr. Rupert Lemmel-Seedorf – DW 58 Layout: Elisabeth Waldbauer, Dr. Rupert Lemmel-Seedorf | Desktop Publishing: Elisabeth Waldbauer Das OCG Journal ist die Mitgliederzeitschrift Fotos: Archiv OCG, Autoren, Privatarchive, sxc.hu, freeimages.com, istockphoto.com der Österreichischen Computer Gesellschaft Kontakt: [email protected] | URL: www.ocg.at (OCG). Inhaltlich wird das Journal in völliger Alle: Wollzeile 1, 1010 Wien | Tel.: +43 1 512 02 35-0 | Fax: +43 1 512 02 35-9 Unabhängigkeit gestaltet und berichtet über Druck: die 2gstelle fulfillment OG, Parndorf die OCG Leitthemen Ausbildung und Quali- Gefördert durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie tät, Innovation und Start-ups, internationale ISSN 1728-743X Vernetzung und digitale Zivilgesellschaft.

02  2015 | OCG Journal 51 Austria Sicher. Aktuell. ECDL

Jetzt NEU! Social Media Cloud-Computing IT-Security ILLS CA Tablets K R S D UNBEFRISTET

G Der Europäische Computer Führerschein Ü LTIG (ECDL) beweist solide Computerkenntnisse und sichert Vorteile für Schule und Ein- Sie haben schon eine stieg in Studium oder Job! ECDL Skills Card? Machen Sie ein ECDL Update! „Die effiziente Nutzung von Computern ist in unserer Wissensgesellschaft längst zu einer Alle Infos unter www.ecdl.at Kulturtechnik geworden, deren Beherrschung absolut notwendig ist, um zahlreiche beruf- liche Herausforderungen erfolgreich meistern zu können. Ein entsprechender Nachweis der Beherrschung dieser Kulturtechnik wird da- her insbesondere bei der Personalauswahl immer wichtiger. Der ECDL eignet sich dazu hervorragend.“ Dipl.-Ing. Wilfried Seyruck, PROGRAMMIERFABRIK GmbH

Europäischer Computer Führerschein – eine Initiative der Österreichische Computer Gesellschaft • 1010 Wien • Wollzeile 1 ECDL Foundation und der Österreichischen Computer Gesellschaft Wollzeile 1 I 1010 Wien I Tel: + 43 1 512 02 35-50 I [email protected] I www.ocg.at | /ECDL.Austria