FDP Gegen SVP, Manager Gegen Unternehmer

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FDP Gegen SVP, Manager Gegen Unternehmer IM GESPRÄCH «Eine Hodler- Ausstellung wäre schon interessant.» «Da können Sie auf mich zählen.» FDP gegen SVP, 345 Manager gegen NZZ FOLIO — NR. NZZ FOLIO Unternehmer, verhinderter Hotelier gegen verhinderten Knecht: Walter Kielholz trifft Christoph Blocher. 54 Sie gelten als Feinde. Als Alphatiere, die seit Jahr- zehnten ihre gegenseitige Abneigung pflegen. Walter Kielholz warf Christoph Blocher vor, aus der SVP eine «rechtsbürgerliche Kampfpartei» gemacht zu haben. Blocher sagte im vergangenen Jahr der «Weltwoche»: «Die NZZ ist zurzeit das Sprachrohr gegen die selbstbewusste Schweiz. Die treibenden Kräfte findet man im Epizentrum der Credit Suisse und deren Umgebung.» Damit meinte er Kielholz. Nun treffen sich die beiden Herren im getäfelten Komiteezimmer der «Neuen Zürcher Zeitung» zu ihrem ersten Doppelinterview. Christoph Blocher ist mit dem Zug gekommen, Walter Kielholz zu Fuss. Sie sprechen über die EU, das institutionelle Abkom- men, die eigene Herkunft, die Migros und ignorante ausländische Manager. Nach über zwei Stunden wird klar: Die alten Kontrahenten haben mehr gemeinsam, als ihnen lieb sein kann. Wann sind Sie sich zum ersten Mal begegnet? Christoph Blocher: Keine Ahnung. Es scheint kein bleibendes Ereignis gewesen zu sein. Walter Kielholz: Ich weiss es noch. Das war nach der Abstimmung über die Bilateralen I vor 20 Jahren bei einer Tagung in Vevey bei Nestlé. Sie gelten als Antipoden: Walter Kielholz, Manager, graue Eminenz der FDP, Ex-Verwal- tungsratspräsident der Credit Suisse und Freund der EU. Christoph Blocher, Unterneh- mer, SVP-Patron, Ex-UBS-Verwaltungsrat und EU-Gegner. Wie stehen Sie zueinander? Kielholz: Diese Ambivalenz ist jetzt etwas kon- struiert. Ich bin übrigens nicht sicher, wie stark Herr Blocher wirklich Teil des UBS-Netzwerks war. Blocher: Also rückblickend betrachtet, war ich der einzige, der sich für die Bank eingesetzt hat! Kielholz: Aber es hat schon etwas: Ich stamme aus dem FDP-Milieu, und dazu gehörte in der Stadt Zürich auch die Nähe zur CS, die damals noch Kreditanstalt hiess. CS, Swiss Life, Zürich- Versicherung, Rück – alles ein einziger Haufen. Dagegen ist Herr Blocher dann auch mit Vehe- menz angetreten. Sie meinen seinen Kampf gegen den Filz. Kielholz: Damals sagte man Filz. Ich würde es eher als Macht-Cluster bezeichnen. Die UBS, damals noch die Bankgesellschaft (SBG), war anders. Sie war SEPTEMBER — 2020 nicht erzprotestantisch wie die CS und hat ihre Wurzeln auch nicht in der Stadt Zürich, sondern in Winterthur. Zudem galt sie als Bank des Mittelstands, während die CS diejenige des Grosskapitals war. Blocher: Ich wurde von der SBG angegangen, weil die Bank junge Unternehmer aus der Industrie im Verwaltungsrat wollte. Ob Bankgesellschaft oder CS war für mich Hans was Heiri. Aber parteipolitisch gibt es heute tatsächlich beachtliche Differenzen zwischen SVP und FDP. Als ich 1969 nach Meilen zog, gehörte ich noch keiner Partei an. Dann wehrte ich mich in der Gemeindeversammlung gegen ein grosskotziges Projekt der Alusuisse. Danach kamen Vertreter der SVP, der FDP und der CVP auf mich zu, ob ich nicht bei ihnen Mitglied werden wolle. Ich wählte die SVP, hätte aber gerade so gut in die FDP eintreten können. Politisch gab es damals kaum Unterschiede, bei der SVP waren einfach die lustige- ren Leute. Die Differenzen begannen Ende der 80er Annick Ramp Jahre, als die Frage nach der Unabhängigkeit der 55 Schweiz immer wichtiger wurde. Erst da haben wir nie einen getroffen, der gesagt hat: «Ihr chliine uns auseinandergelebt – dann aber tüchtig. Cheibe. Ihr sind ja nöd emol i dr EU.» Die Neutra- Am tüchtigsten in der Europafrage. lität preisgeben? Die Schweiz würde nicht nur Kielholz: Nicht nur. Bei der Migrationspolitik und untergehen, sondern verrecken. bei verschiedenen gesellschaftspolitischen Haben sich die Schweizer Strukturen bewährt, Fragen bin ich auch nicht auf SVP-Linie. Im Herr Kielholz? Vergleich bin ich wahrscheinlich schon fast Kielholz: Die vergangenen 30 Jahre sind geprägt progressiv. durch eine Auseinandersetzung zwischen dem Blocher: In der Migrationspolitik waren sich SVP Standpunkt der SVP und demjenigen der anderen und FDP bis in die 90er Jahre einig. Ihr Partei- Parteien. Druck und Gegendruck haben dazu ge- kollege, Herr Kielholz, der ehemalige Direktor führt, dass wir gute Lösungen erarbeiten konnten, des Wirtschaftsdachverbands Vorort, Gerhard zum Beispiel die bilateralen Verträge. Winterberger, hat damals schon gesagt, die Sie sind der SVP dankbar für ihre Opposition Personenfreizügigkeit bedeute «den Anfang des gegen den EWR in den 1990er Jahren? Untergangs der Schweizerischen Eidgenossen- Kielholz: Etwa so dankbar wie ich als Fan des FC schaft». Heute predigt ihr das Gegenteil. 1989 – Zürich dem FC Basel bin. Reibung ist grundsätz- nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion – lich richtig. Wenn ich der SVP für etwas dankbar verloren führende Politiker, Wirtschaftsleute, bin, dann dafür, dass sie mit ihrer Politik radika- viele Gebildete völlig den Kopf: Landesgrenzen lere Kräfte zur Rechten eingebunden hat. und Kriege werde es in Zukunft nicht mehr Mit der Begrenzungsinitiative, über die wir am geben. Jacques Delors, der schlaue Präsident 27. September abstimmen, will die SVP faktisch die der Europäischen Kommission, witterte seine Personenfreizügigkeit abschaffen. Chance, die Schweiz in die EU zu führen. Zu- Kielholz: Ich sehe die Personenfreizügigkeit über- nächst mit dem Europäischen Wirtschaftsraum haupt nicht so negativ wie Herr Blocher. Wir haben als Vorstufe zu einem EU-Beitritt. eine Demographie der grauen Haare. Die Covid- Gegen einen EWR-Beitritt hatten auch Sie nichts Krise hat uns auch deshalb so stark getroffen, weil einzuwenden. das Durchschnittsalter so hoch ist. Wir müssen Blocher: Der Bundesrat beschloss anfänglich, einen neue Arbeitskräfte ins Land holen können. EWR-Beitritt gebe es nur mit einem Vetorecht. Das Blocher: Gegen Arbeitskräfte, die wir dringend fanden wir noch knapp akzeptabel. Doch das Veto- brauchen, hat niemand etwas. Woher sollen wir recht wurde dann in der Schlussverhandlung still- unsere Ingenieure und Chemiker denn hernehmen, schweigend fallengelassen. FDP und CVP beschlos- wenn an den hiesigen Universitäten lauter Sozio- sen, nicht nur dem EWR, sondern auch der EU logen und Politologen ausgebildet werden? Aber beizutreten. Heute ist Herr Kielholz wahrscheinlich heute kommen Krethi und Plethi. noch der einzige, der dazu steht und in die EU will. Das Saisonnierstatut ist Geschichte. Wollen Sie in die EU, Herr Kielholz? Blocher: Die Schwarzenbach-Initiative wäre Kielholz: Ich bin mittlerweile zum Gegner eines Anfang der 70er Jahre fast angenommen wor- EU-Beitritts geworden. Die Dinge haben sich vor den, weil die Schweiz bis zu diesem Zeitpunkt allem seit dem Austritt der Briten nicht nur zum faktisch die Personenfreizügigkeit hatte. Ich Guten entwickelt. Aber man darf nicht verges- begleitete als Protokollführer den Ems-Eigen- sen, dass der Fall des Eisernen Vorhangs 1989 tümer Oswald, den Industriellen René Bühler die geopolitische Lage in Europa grundlegend und SGB-Präsident Alfred Schaefer, die beim 345 verändert hat. Die EU hat gravierende Verwer- Bundesrat vorsprachen, um eine Begrenzung fungen verhindert. Ohne den Staatenbund hätte der Einwanderung zu erreichen. Dies übrigens nach der Wende der Zusammenbruch Europas dem Land zuliebe und gegen die eigenen Inter- gedroht. essen. Bundesrat und Parlament handelten und Blocher: Wir bekämpfen nicht die EU. Aber die schufen ein neues Ausländergesetz, das sich bis Schweiz darf nicht beitreten und sich nicht 2007 bewährte. Seither haben wir nun die NZZ FOLIO — NR. NZZ FOLIO aufgeben, sonst verliert sie ihre Eigenständig- Personenfreizügigkeit. Das Volk hat die negati- keit und ihre Erfolgsfaktoren, die nicht nur im ven Folgen schnell erkannt und 2014 der Zuwan- Wirtschaftlichen liegen. Die EU ist eine Organi- derungsinitiative zugestimmt. Was ist dann sation, die von französischem Zentralismus und passiert? Nichts. Parlament und Bundesrat einer Verachtung für direktdemokratische haben die Bundesverfassung missachtet. Des- Entscheide geprägt ist. Eine Mitgliedschaft dort halb stimmen wir nun über die Begrenzungs- wäre das Ende der föderalistischen, freiheit- initiative ab. lichen Schweiz. Die Umfragen deuten auf ein Nein hin. Kielholz: Bei der Entwicklung der EU aus der Blocher: Wenn Abstimmungsprognosen mass- EWG hat sich das napoleonische Modell gegen- gebend wären, wären wir längst in der EU. über einem föderalistischen durchgesetzt. Die Kielholz: Allerdings ist das Problem auch bei einem heutige zentralistische Funktionsweise ist Nein nicht vom Tisch. Der grosse Lohnunterschied tatsächlich eine sehr französische Konstruktion. zwischen der Schweiz und den EU-Ländern und die Sie baut auf einem Verständnis, das demjenigen unterschiedliche Beschäftigungslage werden das jeden Schweizers diametral entgegensteht. Problem noch verschärfen. Wir – bei mir ist das jedenfalls so – sind ja dem Was schlagen Sie vor? Staat gegenüber grundsätzlich misstrauisch. Kielholz: Wir sollten Verbündete unter den Aber in Frankreich ist das anders. europäischen Staaten suchen, die die uneinge- Blocher: Dass die Schweiz so erfolgreich ist, hat schränkte Zuwanderung auch mehr und mehr 56 viel mit ihrer Struktur zu tun. Ich habe auch noch als Problem wahrnehmen und sie deshalb be- schränken wollen. Das Personenfreizügigkeits- mehr in den vergangenen 13 Jahren! Die unbe- abkommen zwischen der Schweiz und der EU grenzte Zuwanderung wird böse Folgen haben für enthielt ja ursprünglich eine Ventilklausel,
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