Fritz-X versenkt die "Roma"

Autor(en): Sievert, Kaj-Gunnar

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Schweizer Soldat : die führende Militärzeitschrift der Schweiz

Band (Jahr): 78 (2003)

Heft 11

PDF erstellt am: 01.10.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-716726

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Fritz-X versenkt die «Roma»

D/'e l/or/äufer der heuf/gen Präz/s/ons/en/cwarfen /'m Zwe/fen l/l/e/f/ofeg

Vor 60 Jahren wurde zum ersten Mal ein grosses Schlachtschiff mit einer «smarten» gelenkten Bombe - einem Vorgänger der heutigen Luft-Boden- Abstandswaffen - versenkt. Ein technisch-historischer Artikel über die Vorläufer der heutigen laserge- steuerten Paveway-Bomben, wie sie im Afghanistankrieg im Winter 2001 und im Irakkrieg im Frühling 2003 gegen Punktziele eingesetzt wurden.

Herbst 1943 an der Südfront des weit- historischen Ringens zwischen den demo- l/on e/ner Dorn/er 2t 7K-t wurde d/e Bombe abgeworfen. kratischen Westmächten und den totalitär

Kay-Gunnar S/evert, l/l/eff/'ngren dere an dieser Staffel war, dass es sich da- ihre Geschwindigkeit auf knapp unterhalb bei um die erste Einsatzgruppe handelte, der Schallgrenze erhöhen. Gesteuert wur- regierten Staaten Deutschland und Italien. die mit Dornier Do 217K-2 und der neuen de die «Fritz-X» von Unteroffizier Oskar Die deutsche Wehrmacht und die Luftwaf- Fallbombe Ruhrstahl «Fritz-X» (X-1) aus- Huhn, der sie während des rund 60-Se- fe kämpften im Mittelmeerraum einerseits gestattet wurde. Innerhalb von zwei Stun- kunden-Falls stets im Auge behielt. Um an verschiedenen Schauplätzen gegen die den startete Major Jope mit einem Verband 15.40 Uhr traf die Bombe das 42 000 Ton- Westalliierten, andererseits mit der Unsi- aus zwölf Do 217 und nahm Kurs Richtung nen schwere Schlachtschiff «Roma» mitt- cherheit eines italienischen Verbündeten, den italienischen Flottenverband. Jedes schiffs, durchschlug den Boden und ex- an dessen Treue und Zuverlässigkeit nicht der zweimotorigen Kampfflugzeuge hatte plodierte unter dem Schiff. Um 15.50 Uhr mehr alle im Oberkommando der Wehr- eine «Fritz-X» unter dem Flügel. Die Be- traf eine zweite abgeworfene «Fritz-X» den macht glaubten. Satzungen hatten zu diesem Zeitpunkt Schiffsrumpf kurz vor der Brücke. Zwar Am 3. September 1943 verliess Italien das noch nicht viele Erfahrungen mit dieser wurde sie noch durch das Panzerdeck ab- Bündnis der Achsenmächte und schloss neuen Waffe sammeln können, doch stieg gebremst, schlug aber trotzdem durch und mit den Alliierten ein separates Friedens- die Erfolgskurve innerhalb der ersten zwei explodierte im vorderen Magazin. Das abkommen. Nur wenige Tage später - am Wochen Einsatz mit diversen beschädig- mächtige Flaggschiff der italienischen Ma- 9. September 1943 - folgte ein weiterer ten und versenkten Schiffen steil an. Da- rine zerbrach in zwei Hälften. Über 1250 Schock. Die 5. US-Armee landete bei Sa- bei stellte sich heraus, dass die «Fritz-X» Seeleute - unter ihnen der kommandie- lerno in Süditalien. Zu diesem Zeitpunkt eine gefährliche Waffe war. rende Admiral Carlo Bergamini - fanden war bereits ein starker Verband der italie- den Tod, als die «Roma» um 16.12 Uhr un- nischen bestehend dem Marine, aus erst Zwei Volltreffer terging. Das Schwesterschiff der «Roma», einem Jahr alten Flaggschiff der Italiener, dem Schlachtschiff «Roma», dessen Zuerst flogen die Kampfflugzeuge in ge- Schwesterschiff «Italia», dem Schlacht- ringer Höhe in östlicher Richtung, bis sie schiff «Vittorio Veneto» sowie weiteren drei an die sardische Küste kamen. Nach etwa Typenbeschreibung Kreuzern und acht Zerstörern aus dem Ha- einer Flugstunde - es war nach 15.00 Uhr fen von La Spezia ausgelaufen und in süd- - machten sie den Flottenverband aus. Typ Ruhrstahl/Kramer X-1 licher Richtung unterwegs. Unklar für die Major Jope liess seine Bomber auf eine (Fritz-X oder SD 1400) Deutschen, ob der ehemalige Waffenbru- Höhe von 6500 Metern steigen. Je höher Einsatzart Funkgesteuerte der die Alliierten bei Salerno angreifen oder sie angriffen, desto weiter entfernt und Fallbombe Hersteller Ruhrstahl (Rhein- zum Gegner überlaufen würde, wurden die ausserhalb der Reichweite der Schiffs- metall-Borsig) Schiffe aus der Luft beschattet. Die Schif- konnten sie ihre Bomben Fliegerabwehr Länge 326,2 Zentimeter fe durften nicht in die Hände der Alliierten ausklinken. Das Auftauchen der deutschen Spannweite 135,2 Zentimeter fallen. blieb nicht unentdeckt, und die Durchmesser 56,2 Zentimeter italienischen Kriegsschiffe gingen während Gewicht (total) 1570 Kilo des in einen wilden Sprengkopf 320 Kilo Amatol Ein Überlaufen muss verhindert werden Angriffs Schlingerkurs über, um den Bombern ein schwierigeres Höchstgeschwindigkeit 1035 Kilometer pro Als sich schliesslich abzeichnete, dass die Ziel zu bieten. Zudem schoss ihre Flieger- Stunde Einsatzhöhe 8000 Meter Italiener überlaufen würden, ging ein Be- abwehr aus alle Rohren auf die sich (max.) Reichweite (max.) 9 Kilometer fehl an die Luftwaffe, den Verband anzu- nähernden deutschen Kampfflugzeuge. Steuerung UKW-Funkfernsteue- greifen. Die Order ging an die III. Gruppe Auch die Maschine mit Flugzeugführer rung des 100 Kampfgeschwaders (III/KG 100) Oberleutnant Heinrich Schmetz griff in den Eingeführt 1943 bis 1945 unter der Führung von Major Bernhard Kampf ein. Eine erste «Fritz-X» wurde ab- Stückzahl 1386 Jope. Das KG 100 war seit dem 29. August geworfen. Die 1570 Kilo schwere Bombe Einsatzflugzeuge Dornier Do 217K- 1943 in Istres bei Marseille stationiert und löste sich vom Flügel und ging immer 2/K-3/M-11 hatte den Auftrag, alliierte Schiffe im Mit- schneller werdend in eine ballistische Flug- Heinkel He 111H-6 telmeerraum zu bekämpfen. Das Beson- bahn über. Bis zum Einschlag sollte sich

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die «Italia», hatte mehr Glück. Eine «Fritz- X» durchschlug das Deck sowie die Seite vor dem vordersten Turm (A-Turm) und explodierte erst im Meer. Obwohl rund 800 Tonnen Wasser eindrangen, konnte die Be- Satzung das Schiff sichern und noch den Hafen von Malta anlaufen. Das Kriegsschiff fiel aus und hatte auf den Verlauf des Krie- ges keinen Einfluss mehr. Die zwölf Do 217 Gesteuerte Fa//f>om£>e kehrten alle nach Istres zurück. Ruhrsta/?/ X-t auch «Frifz-X» genannt, Weitere Angriffe und Treffer im Mittel- war e/'n e/'nfacher, meerraum aber erfo/gre/ctier F/ug/rörper. Innerhalb weniger Tage folgten weitere Er- folge für das KG 100. Am 11. September 1943 wurde als erstes amerikanisches Einsatztaktik der «Fritz-X» der Anzahl der Einsätze und der Erfolge Kriegsschiff, der 10 000-Tonnen-Kreuzer stieg auch die Erfahrung der Schützen. USS «Savannah» mit einer «Fritz-X» aus- Die «Fritz-X» war eine manuell durch den Nach dem Abwurf durfte der Flugzeugfüh- ser Gefecht geschossen, gefolgt wiederum Bombenschützen nachsteuerbare geflü- rer keinerlei Abwehrbewegungen mehr flie- zwei Tage später vom britischen 8500- gelte Fallbombe. Gesteuert durch elekt- gen. Um sich der drohenden Fliegerab- Tonnen-Kriegsschiff HMS «Uganda». Am risch betätigte Flatterruder, so genannte wehr zu entziehen, konnte er lediglich auf 16. September kam ein weiteres Schlacht- Spoiler, die in dem im hinteren Teil der eine höhere Angriffshöhe steigen. Um das schiff ins Visier. Drei Besatzungen des KG Bombe befindlichen Leitwerk eingebaut Zielen wesentlich zu vereinfachen, ver- 100 griffen um 13.35 Uhr das britische waren, konnte die Bombe im Zielde- langsamte der Pilot die Geschwindigkeit 33 000-Tonnen-Kriegsschiff HMS «War- ckungsverfahren ins Ziel gebracht werden. des Kampfflugzeugs, damit er beim Ein- spite» an. Es lag in der Bucht von Salerno Ein Kreuzflügelpaar am Bombenkörper schlag der Bombe genau über dem Ziel und schoss mit seinen mächtigen Kano- sorgte für den nötigen «Gleitwinkel». Die war. Das Lenkverfahren verlangte höchste nen Unterstützungsfeuer. Eine «Fritz-X» Reichweite der «Fritz-X» war abhängig von Konzentration und erforderte eine speziel- durchschlug sechs Decks, bevor sie deto- der Abwurfhöhe. Bei einer minimalen Ab- le Ausbildung. Es überrascht deshalb nierte. Durch das grosse Loch drangen in wurfhöhe von 4000 Metern war eine Reich- nicht, dass knapp die Hälfte der rund 1386 der Folge 5000 Tonnen Wasser in den weite von rund 4,5 Kilometern möglich; bei produzierten Exemplare für Tests und die Rumpf ein. Das Schiff verlor sämtlichen guter Sicht, idealen Voraussetzungen und Ausbildung verwendet wurden. Grundvor- Dampf und somit jede Energiezufuhr. Aber einer maximalen Einsatzhöhe von 8000 aussetzung für einen erfolgreichen Einsatz die Royal Navy hatte Glück. Die «Warspite» Metern stieg die Reichweite auf bis zu 9 waren eine einwandfreie Aufklärung und konnte nach Malta abgeschleppt werden, Kilometer an. Damit der Schütze die Flug- Navigation. Zudem sollte nicht mit einem fiel aber für den Rest des Krieges aus. bahn der Gleitbombe besser verfolgen gegnerischen Jagdschutz gerechnet wer- Weniger Glück hatten der britische Kreu- konnte, war am Rahmen im Hinterteil der den können, da das Zielobjekt im Angriff zer HMS «Spartan», der nach einem Voll- Bombe eine Heckleuchte befestigt. Mittels überflogen werden musste. Die Besatzun- treffer innerhalb von 20 Minuten kenterte, eines kleinen Steuerknüppels und via UKW gen waren vom heutigen «Fire-and-Forget» und auch der Zerstörer HMS «Janus». steuerte er sie nach dem Prinzip «Auge - noch weit entfernt. Um ein frühzeitiges Er- Beide wurden durch «Fritz-X»-Bomben Bombe - Ziel» ins Ziel. Die Korrekturmög- fassen durch den Gegner zu vermeiden, versenkt. Der amerikanische Kreuzer USS lichkeiten für die ballistische Falikurve be- erfolgten die Anflüge im Tiefstflug nur we- «Philadelphia» wurde schwer beschädigt. trugen für die Querrichtung plus/minus nige Meter über dem Meer. Einmal ins Ziel Das italienische 45 000-Tonnen-Schlacht- 200 Meter. Trotz dieses eher archaisch an- gebracht, hatte die «Fritz-X» bei einem Ab- schiff «Vittorio» wurde ebenfalls getroffen, mutenden Verfahrens betrug die Treffer- wurf aus 6000 Metern eine Durchschlags- sank aber trotz grossen Wassereinbruchs quote der ins Ziel gebrachten Flugkörper kraft von rund 130-mm-Panzerplatten. nicht. zwischen 30 und 40 Prozent. Mit steigen- Der Gegner war aber nicht ganz machtlos. Auf Grund des Gewichts der Bombe kamen nur ganz wenige spezifische Flugzeugmus- ter für deren Einsatz in Frage. Von diesen waren die Flugplätze und die technischen Daten, vor allem die Reichweite, bekannt, weshalb die Kurse der Geleitzüge ausser- halb oder an den Rand der Eindringtiefe der deutschen Kampfflugzeuge gelegt wurden. Als die Engländer zudem begannen, in küs- tennahen Regionen die Geleitzüge durch Jagdflugzeuge zu schützen, verlagerte die deutsche Luftwaffe ihre Einsätze in die Dämmerungszeiten. Dies bedeutete, dass sie zwei Minuten vor und nach Beginn der Dunkelheit überraschend über den Schif- fen aufkreuzten und angriffen. Aber auch während der Nacht mussten die Alliierten mit Angriffen rechnen. Beleuchtete der Mond die See und war die Sicht ausrei- chend, wurden die Schiffe auch nachts an- T'as rta/zen/sc/ie Sc/i/achtsc/i/ff «Roma». gegriffen. Versuche, die Ziele mit Leucht-

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bomben auszuleuchten, brachten nur ge- me, doch entwickelten deutsche Wissen- Henschel Hs 117 «Schmetterling» ringen Erfolg. Viele Flugzeugbesatzungen schaftler während des Zweiten Weltkrieges kehrten von ihren Einsätzen nicht mehr zu noch eine ganze Reihe von anderen Lenk- Die Henschel Hs 117 «Schmetterling» wur- ihren Fliegerhorsten zurück. Dies passierte waffen für unterschiedlichste Verwen- de sowohl als Boden-Luft-Flugkörper als weniger wegen Abschuss durch die Flie- dungszwecke. Sie waren für ihre Zeit weit auch Luft-Luft-Flugkörper entwickelt und gerabwehr als vielmehr auf Grund von voraus und dementsprechend exotisch. getestet. In der Boden-Luft-Variante hatte Treibstoffmangel. Eine Rettung der Männer Dazu zählen: «Ruhrstahl X-4», drahtge- sie eine Reichweite von 16 Kilometern und war nur in wenigen Fälle möglich gewesen. lenkter und damals fortschrittlichster Luft- kam bis auf eine Höhe von 11 000 Metern. Luft-Flugkörper. Es wurden auch Ver- Gelenkt wurde sie über Funk. suchsabschüsse von «Focke-Wulf Fw Die Entwicklung der «Fritz-X» Die 190»-Jagdflugzeugen durchgeführt. Während des spanischen Bürgerkriegs Weiterentwicklung «X-10» war als Panzer- und in den Feldzügen 1939 gegen Polen abwehrlenkwaffe vorgesehen. Diese Eine der V-2-Rakete äusserlich gleichen- und 1940 gegen Holland und Frankreich X-Waffen waren die Vorläufer der heutigen den Boden-Luft-Rakete mit einem Gewicht bekämpfte die deutsche Luftwaffe Punkt- drahtgelenkten Lenkwaffen. von 3,5 Tonnen, einer Reichweite von 50 ziele mit grossem Erfolg durch ihre Sturz- Kilometern und einer Dienstgipfelhöhe von Doch die «Luft- 20 000 Metern. kampfbomber. folgende Blohm & Voss BV 246 «Hagelkorn» schlacht um England» zeigte klar die Gren- Weiter wurde an Raketen, die von U-Boo- zen dieser Art der Bekämpfung von Bo- Gleitbombe und eine Art Vorläufer der ten aus auf New York hätten abgeschos- denzielen auf. Die langsamen Stukas wur- heutigen Anti-Radar-Lenkwaffe HARM sen werden sollen, oder an ungelenkten den Opfer der starken Fliegerabwehr und (Highspeed-Anti-Radiation-). Das Boden-Luft-Abwehrraketen gearbeitet. der Jagdflugzeuge. Die andere Alternative Besondere dieser reinen Luft-Boden-Gleit- Aber nicht nur die Deutschen arbeiteten an wären Flächenbombardemente aus gros- bombe BV 246 war es, dass sie jene Funk- ferngelenkten Waffen. Auch die Wissen- ser Höhe gewesen, was aber aus militäri- Stationen selbstständig anfliegen und an- schaftler der Alliierten forschten intensiv scher Sicht für die Zerstörung einzelner greifen sollte, die den britischen RAF- an verschiedenen Systemen. Nach dem Ziele nicht geeignet war. Besonders die Bombern ihre Navigationssignale sendete. Krieg wurden viele Ideen der deutschen Bekämpfung von Schiffen wurde immer Dabei sollte sie die Signale dieser Statio- Waffentechniker aufgenommen, und teil- schwieriger. Auf der Suche nach anderen nen anpeilen, diesen im Gleitflug folgen weise entwickelten sie die deutschen Spe- Lösungen kam der deutsche Wissen- und zerstören. Das Prinzip der heutigen zialisten unter alliierter Aufsicht weiter. D schaftler Dr. Max Kramer der «Deutschen Anti-Radar-Lenkwaffen. Bei einer geplan- Versuchsanstalt für Luftfahrt» (DVL) in Ber- ten Absetzhöhe von 10 500 Metern betrug lin-Adlershof auf die Idee, eine im Flug die theoretisch berechnete Reichweite 210 lenkbare Bombe zu entwickeln. Aus- Kilometer! Die Waffe wurde bereits 1942 gangspunkt seiner Forschung war die von vorgeschlagen, fand vorerst kein Interes- Rheinmetall-Borsig gebaute 1400 Kilo se, und erst als es zu spät war, erinnerte schwere Standardbombe der Luftwaffe. man sich daran. Seine Entwicklung erhielt verschiedene Namen: Im Reichs-Luftfahrt-Ministerium Henschel Hs 293 hiess sie PC 1400X, die Luftwaffe nannte sie «Fritz-X», aber auch als «FX 1400», als Neben der «Fritz-X» war die «Hs 293» die «FX» oder als «X-1» wurde sie bezeichnet. am weit verbreitetste eingesetzte Waffe. Die Fallbombe bestand aus drei Teilen: Sie wurde gegen Schiffe oder gegen einem Gefechtskopf mit 320 Kilo Amatol- Bodenziele (z.B. Brücken) eingesetzt. Sie Sprengstoff, der Kontrolleinheit und dem verfügte mit einem Flüssigkeits-Raketen- Hecksteuerteil. Aus Gründen einer besse- triebwerk über einen eigenen Antrieb und ren Aerodynamik erhielt die Bombe noch erreichte eine Geschwindigkeit und Reich- vier grosse an der Vorderkante senkrecht, weite von rund 580 Stundenkilometern an der Hinterkante gepeilte Flossen. Die respektive bis 17 Kilometern. Bei einem Erprobung begann im März/April 1942 im Totalgewicht von 1045 Kilo betrug das italienischen Foggia und konnte nach nur Gewicht des Sprengkopfs 500 Kilo. vier Wochen mit guten Ergebnissen abge- Mit ihr wurde am 27. August 1943 im Golf schlössen werden. Bei rund 50 Prozent von Biskaya mit der «HMS Egret» das ers- aller Versuchsabwürfe aus Höhen zwi- te Schiff mit einer gesteuerten Abstands- sehen 4000 und 7000 Metern wurde eine waffe versenkt. Es gab sowohl eine funk- Briefmarken erinnern Versuchsfläche von 5x5 Metern getroffen. als auch eine drahtgelenkte Version («Hs an den Waffenstillstand Eine drahtgelenkte Version der X-1 war ge- 293B»). Da bereits mit elektronischen Ge- in Korea in gen Kriegsende Fertigung. Insgesamt genmassnahmen gearbeitet wurde, hatte Mit Sondermarken machen die US-Post und wurden zwischen April 1943 und Dezem- die drahtgelenkte Version den Vorteil, nicht die Post Kanadas auf das Ende des Korea- ber 1944 insgesamt 1386 Stücke dieser gestört werden zu können. An einer TV- Krieges im Jahre 1953 aufmerksam. Das US- ersten lenkbaren Fallbombe produziert. Version wurde ebenfalls gearbeitet. Postwertzeichen zu 37 Cent zeigt das Ko- Vom grossen Erfolg der Waffe beflügelt, rean War Veterans Memorial, während die wollte das Dritte Reich monatlich 750 kanadische Gedenkmarke auf den Einsatz Henschel Hs 294 Stücke produzieren, doch nicht einmal 10 der Luft-, Marine- und Landstreitkräfte hinweist. Während des Korea-Krieges Prozent davon konnten erreicht werden. Luft-See-Flugkörper standen in der Ent- (1950-1953) mussten 37 000 Soldaten der Wicklung und in der mit einer Erprobung Vereinigten Staaten ihren Einsatz mit dem Weitere «Hightech»-Lenkwaffen Höchstgeschwindigkeit von über 800 Leben bezahlen. Auf kanadischer Seite wa- Stundenkilometern. ren es über 500. Die «X-1» blieb zwar eines der wenigen im A/bert Ebnöfber Masseneinsatz verwendeten Waffensyste-

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