Die Phantastischen Welten Des Jean Rollin N I L L O R
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Die phantastischen Welten des Jean Rollin n i l l o R n a e J 6 E R I P M A V U D L O I V E L u z n e t i e b r a h e r D n e d i e b n i l l o R n a e J Jean Rollin polarisiert. Für die einen ist er der Schöpfer tern. Sie ist ein Prüfstein dafür, wie viel Toleranz eine dilettantischer Machwerke mit amateurhaft agierenden Filmkultur dem scheinbar Abseitigen und dezidiert Per - Darstellerinnen, die als lesbisch-exhibitionistische Vam - sönlichen gegenüber aufbringt und ob Kritiker über das pirinnen ihre Brüste entblößen, um die Löcher in den geeignete Instrumentarium verfügen, um ihre Vermitt - unlogischen Handlungsabläufen zu kaschieren. Für die lungsfunktion zu erfüllen, statt das der Norm Trotzende anderen ist er der abseits des kommerziellen Erzähl - a priori abzulehnen. Wie viel persönliche Vision verträgt kinos wandelnde und deshalb häufig missverstandene der Mainstream, ohne sein Publikum zu vergrätzen? Regisseur einiger Juwelen des phantastischen Films, Wie viel braucht er, um nicht steril zu werden? Wie be - die sich durch eine surrealistische, stets originelle und stimmt man, ob jemand gegen die etablierten Regeln in ihrer Art unvergleichliche Bildsprache auszeichnen des Filmemachens verstößt, weil er sie studiert und für und traumhaft-poetische Welten der Imagination auf untauglich befunden hat oder ob er sie nicht einhalten die Kinoleinwand zaubern. Nachdem die Rollin-Veräch - kann, weil er sie nicht kennt? Wo verläuft die Grenze ter lange in der Überzahl waren und die oft vernich - zwischen dem Kunstwillen der Avantgarde und der tende Kritik bestimmten, holen die Rollin-Connaisseure ganz persönlichen Kunst des Dilettanten? Und spielt inzwischen auf. Die Feuilletons großer Tageszeitungen, das überhaupt eine Rolle, solange das Ergebnis origi - die Rollin früher als pathetischen Nichtskönner und nell ist? Das sind Fragen, mit denen man sich beim »Sultan der Verderbtheit« schmähten, berichten heute manchmal enigmatischen, gelegentlich enervierenden wohlwollend darüber, wenn seine Filme in digital über - und immer wieder erstaunlichen und faszinierenden arbeiteten Fassungen auf DVD erscheinen. Der vom Werk von Jean Rollin konfrontiert sieht. Wer sich ihnen British Film Institute herausgegebene »Companion to stellt, erfährt viel über den Film an sich. Horror« erteilt ihm den Ritterschlag der Cineasten, Jean Michel Rollin le Gentil (193 8–2010), wie er mit indem er ihn als den einzigen auteur des Horrorgenres vollem Namen hieß, stammte aus einer der Kunst zu - würdigt, den Frankreich hervorgebracht hat. gewandten Familie und wuchs nach der Trennung der Rollins Karriere ist auch für Filmliebhaber interessant, Eltern im noblen Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine unter die sich eher nicht für Horror und Sex-Vampire begeis - Frauen auf. Seine Mutter war mit Georges Bataille be - freundet, der dem kleinen Jean zum Einschlafen Ge - romane. Das Nebeneinander von Vergangenheit und schichten von einem als Priester getarnten Wolf er - Gegenwart. Das Trügerische der Erinnerung. Die Liebe zählte. Rollin würde später Filme mit viel Eros und reli - zu alten, dem Untergang geweihten Bauten, vom giöser Ikonographie drehen, die man auch als Märchen Schloss über die Villa auf dem Lande bis zu von der Ab - für Erwachsene bezeichnen könnte. Wer diese in einen rissbirne bedrohten Mietquartieren im Pariser Arbeiter- n i kulturgeschichtlichen Zusammenhang einordnen will, und Einwandererviertel Belleville. Die hypnotisch lang - l l o hat in Batailles Schriften einen guten Ausgangspunkt. same Erzählweise. Und ein unheimlicher Strand, der in R Rollin verfügte nur über rudimentäre praktische Kennt - Rollins Filmen immer wieder auftauchen und zu seiner n a e nisse, als er mit 20 Jahren seinen ersten Kurzfilm in - Seelenlandschaft werden sollte wie das Monument Val - J szenierte. Nachdem er mit einem selbst finanzierten, ley für John Ford. Kritiker sahen darin ein Sammel - unvollendet gebliebenen Langfilm (mit Dialogen von surium von Idiosynkrasien und den fehlgeleiteten Aus - 7 Marguerite Duras) seine Ersparnisse verloren hatte, druckswillen eines Dilettanten. Das greift zu kurz. entdeckte er eine Nische, die ihm einen Grad an künst - Rollin schrieb das »Szenario« für den 1967 erschiene - lerischer Freiheit gewährte, von der renommiertere Kol - nen Kult-Comic »Saga de Xam«, in dem eine Agentin legen nur träumen konnten, solange er sich an zwei von einem fernen Planeten zur Erde und dort durch Zeit simple Regeln hielt: Er musste ein fast nicht existentes und Dimensionen reist. Das gibt die Richtung für seine Budget einhalten, und seine Darstellerinnen mussten in filmischen »Traumflüge« vor (wie er sie nennt), auf gewissen Abständen die Hüllen fallen lassen, damit der denen er falsch und richtig Erinnertes, Träume und Produzent Abnehmer fand. Realität, Vergangenes und soeben Erlebtes mischt, Rollins erster Vampirfilm, auf dem Höhepunkt der Stu - ohne die Übergänge immer kenntlich zu machen. Im dentenunruhen im Mai 1968 in Paris uraufgeführt, war Idealfall gelingen ihm atmosphärische, von einer morbi - ein Skandalerfolg. Bei LE VIOL DU VAMPIRE deuten den Melancholie durchdrungene Bilder, die aus sich sich schon einige der Elemente an, die dann zu seinen selbst heraus so stark sind, dass sie sich mit anderen Markenzeichen werden sollten: Die ungewöhnlich star - solchen Bildern zu einer zusätzlichen, parallel zur Hand - ken Frauenfiguren. Die meditative Mischung des Melo - lung verlaufenden oder diese kreuzenden Bedeutungs - dramatischen mit dem Bizarren. Das Anzitieren von ebene verbinden. Statt mit den Mitteln des realisti - Autoren wie Gaston Leroux und Gustave Gailhard sowie schen Kinos phantastische Inhalte zu erzählen, ver - der surrealistischen, von Illustratoren wie Gino Starace sucht Rollin in seinen Filmen, eine dem Phantastischen gestalteten Umschläge ihrer Sensations- und Kriminal - adäquate Form zu finden, »eine Öffnung hin zu einer S E R I P M A V S E D N O S S I R F E L eigene Phantasie walten lassen und die sich nicht am Gängelband durch eine vorgegebene Geschichte füh - ren lassen wollen, hat diese wilde, auf Kinokonventio - nen keine Rücksicht nehmende Melange etwas unge - mein Befreiendes. Aber sie war auch so originell, dass n i l sie zu keiner Gruppierung passte. l o R Rollins Filme fragen, ob die Lebenden von den Toten n oder die Toten von den Lebenden träumen, ob die a e J Toten tot sind oder die Lebenden noch nicht lebendig. Es wird nicht überraschen, dass er, selbst mehrfacher 8 Außenseiter, den Außenseitern seine Sympathien schenkte. Aus dem gängigen Horrorpersonal suchte er sich die Vampire aus, weil sie den Menschen am nächsten sind. Oft sind Rollins Monster sogar humaner als die Menschen. Seine Vampirfrauen sind oft blind oder stumm, werden das Opfer von männlichen Über - griffen, von Umweltsünden oder von die Normabwei - chung nicht tolerierenden Familien, müssen sich einen Platz am Rande einer Gesellschaft erstreiten, die sie nicht haben will. Er mag Frauen, die in einer männli - chen Welt wie Schwestern sind und ein auch sexuelles Verhältnis zueinander haben. Das Ungekünstelte und Laienhafte der Darstellerinnen verleiht seinen Sexsze - Poesie des Anderswo«, wie er es im Spätwerk LA NUIT nen eine mit Unschuld gepaarte Erotik, die sie von DES HORLOGES formuliert, mit dem er ein Resümee denen anderer Regisseure unterscheidet. Dabei sind seines Schaffens zieht. seine Frauen beileibe nicht nur Opfer und Lustobjekte. Rollin war ein echter auteur : also einer, der einem Film, Das Rachemotiv nimmt in seinem Werk eine zentrale obwohl Produkt der Anstrengung von vielen Leuten, Stelle ein. Vermutlich war es all das, was Rollin so inte - seinen ganz persönlichen Stempel aufdrückt. Das be - ressant für Ovidie machte, Frankreichs prominenteste streiten nicht einmal seine Gegner. Im Nachhinein fragt Vertreterin des »sex-positiven Feminismus«. man sich, warum es ihm nicht glückte, als Teil der nou - »Wir müssen uns der Idee hinter der offiziellen Filmge - velle vague zu Ruhm und Ehre zu gelangen. Mit Truf - schichte widersetzen, dieser würdevollen Prozession faut, Chabrol und Godard, die alle ein paar Jahre älter von ›wichtigen Werken‹, die einige der aufregendsten als er waren, verband ihn die Lust an der Dekonstruk - Filme und Filmemacher im Schatten versteckt hält«, tion überkommener Genremuster. Doch das Trennende schreibt Martin Scorsese in einem seiner Texte zu den überwog (am ehesten lässt er sich noch mit Jacques abseits der großen Studios und der institutionalisierten Rivette vergleichen). Rollin bewunderte den poetischen Finanzstrukturen operierenden Helden der No-Budget- Realismus der Filme von Marcel Carné und Jacques Produktion. »Je anrüchiger das Genre und je niedriger Prévert, gegen den sich die Kritiker der Cahiers du ci - das Budget, desto weniger hat man zu verlieren und néma um Truffaut polemisch abgrenzten, mischte ihn desto mehr Freiheit hat man, zu experimentieren und mit Horror-, Comic- und Pop-Art-Elementen, gab Sur - neue Bereiche auszuloten.« Kaum einer machte davon realismus, Fetischkostüme, nackte Busen, alte Ge - mehr Gebrauch als Jean Rollin. Holen wir ihn also aus mäuer, Geheimgesellschaften sowie Verweise auf Ma - dem Schatten. Hans Schmid lerei und Literatur mit dazu, inszenierte lyrische Dialog - passagen im deklamatorischen Stil von Prévert und iro - LES PAYS LOINS (DAS WEITE LAND) – Frankreich nisierte diesen durch von den Darstellern improvisierte 1965 – R+B: Jean Rollin – K: Gérard de Battista – D: Unsinnssätze, ersetzte die psychologisch-realistische Pascal Fardoulis, Nadine Ninio, Bernard Papineau,