Wandel Der Gesellschaft Und Der Kirche

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Wandel Der Gesellschaft Und Der Kirche Wird gratis in alle Haushaltungen Die Zeitung von und für Biberist von Biberist verteilt Ausgabe Nr. 2, Juni 2016 Gemeinderäte mit mehr Verantwortung Seite 3 Rechnungsabschluss 2015 Seite 6 Ein rüstiger 100-Jähriger Seite 9 Die Biberister Kirchgemeinden – reformiert und katholisch Wandel der Gesellschaft und der Kirche Max Herrmann den Umbruch. «Kir- Bürki unterstreicht, dass von der re- Editorial che» passiere nicht nur an den Sonnta- formierten Seite ungenügende Öffent- gen und sei nicht mit dem Gotteshaus lichkeitsarbeit geleistet werde. Jeder sei Volksfrömmigkeit, zu vergleichen. «Wir gehen einer be- hier sein eigener Papst. In der katholi- Urvertrauen, Ehr- dürfnisorientierten Kirche zu», sagt er. schen Kirche hingegen wisse jeder, wer furcht vor Gott, Er präzisiert: «Die Kirche hat im All- verantwortlich sei. eine starke christ- tagsleben an Bedeutung verloren, an liche Tradition: So den Eckpunkten des Lebens aber zeigt Austritte nach der Steuerrechnung bezeichnete kürz- sich ein Bedürfnis nach religiösen Ri- «Ein anderer Punkt ist die Globalisie- lich der im südtiro- tualen.» Max Herrmann erwähnt als rung. Wir leben in einer viel grösseren lischen Brixen ge- Beispiel den Segnungsgottesdienst für Welt und werden mit einer Informati- troffene 85-jährige Kinder beim Übertritt vom Kindergar- onsschwemme überschüttet, die alles ten in die erste Klasse, an welchem fast relativ macht», verdeutlicht Christian katholische Geist- 100 Prozent der eingeladenen Kinder Bürki. «Das zwingt mich, meine eige- liche den Umstand, dass der Dom mit ihren Familien teilgenommen ha- ne Grundhaltung zu suchen, was eine im Sonntagsgottesdienst jeweils voll ben. Für Eltern sei eine gewisse religi- positive Herausforderung bedeutet.» besetzt ist. Ein Punkt schien ihm zu- öse Sozialisierung ihrer Kinder wichtig. Er erzählt von seiner Konfirmation, dem von ganz grosser Bedeutung, Zu den Eckpunkten gehören zudem für die er zwei Kirchenlieder und das nämlich die Frau in der Kirche. In Taufe, Erstkommunion, Firmung, Hei- Unser Vater auswendig lernen muss- Brixen seien unzählige Frauen-Orga- rat, Beerdigung. te. Seine Schüler hätten sich heuer im nisationen eingebunden. Er erwähnt «Der Wandel der Kirche vollzieht sich Konfirmationslager mit dem Hl. Geist dabei ebenso ehrwürdig das Urver- entlang dem Wandel der Gesellschaft», zu befassen. Das sei eine Riesenhe- trauen seiner Mutter, einer einfachen veranschaulicht der Diakon. Sie müsse rausforderung, entstehen würden aber Bauersfrau. Diese habe ihn bei sei- ihren Weg suchen. «Die Rolle der Tra- spannende, gemeinsame Gespräche. nem Internatseintritt als kleiner Bub dition hat nicht mehr die Bedeutung «Glaube entsteht in jeder Lebenssitua- von früher», sagt er. Das spiele auch tion neu, er muss im Jetzt eine Antwort aufgefordert, er solle jeden Abend im Alltag mit, wie etwa im Vereinsle- geben», sagt er. beten: «Heiliger Vitus, bitte weck ben, bei der Mitwirkung in kommu- Christian Bürki und Max Herrmann mich zur rechten Zeit, damit s’Bet- nalen Ämtern oder in Parteien. Früher betonen beide, dass die Kirchenaus- terl trocken bleibt.» Bettnässer seien sei man oft unter Druck und mangels tritte in erster Linie nach dem Versand nämlich aus dem Internat geflogen. Alternativen auf einen Weg gedrängt der Steuerrechnungen eintrudelten. Die Dieses Urvertrauen erinnert mich worden. Heute wolle man sich nicht meisten gäben konkret keine Gründe stark an meine Kindheit. Meine Tante mehr festlegen. Man habe Vieles nicht dafür an. Gespräche seien nicht er- höre ich heute noch sagen: «De Herr- mehr nötig. «Traditionen richten den wünscht. gott wird’s scho richte.» Als Schul- Blick zurück. Dieser genügt nicht mehr. mädchen im katholischen Reiden Dazukommen muss der Blick nach vor- Freikirche – mehr Besucher als nahm ich das kirchliche Leben unkri- Die Kirchentürme der reformierten (links) und katholischen Kirche in Biberist. Mitglieder ne.» Der Kirche eröffneten sich neue tisch hin. Jeden Sonntag besuchten Arbeitsfelder. Und er nennt «Palliative Dass die Freikirchen Zuwachs ver- wir mindestens den morgendlichen Care Biberist», Flüchtlingsarbeit, Spi- zeichnen, vermitteln die Medien. Der Die Schlagzeilen in den Zeitungen talbesuche, Seniorenarbeit, Ausbildung Biberister René Meier ist seit acht Jah- Gottesdienst und meistens zusätz- sind voll davon. Die Kirchenaustritte Austritte 2012 2013 2014 2015 von Erwachsenen, Unterstützung be- ren Pfarrer der evangelischen Freikir- lich eine Andacht gegen Abend. Ich der beiden Landeskirchen häufen sich, einträchtigter Menschen, Förderung che «Freie Missionsgemeinde Lyss» freute mich auf die abendlichen Mai- das Interesse am Sonntagsgottesdienst Ref. KG 108 99 132 97 der Freiwilligenarbeit als sinnstiftender (FMG). Er relativiert: «Viele Freikir- und Oktoberandachten, denn diese und am kirchlichen Leben schwindet. Lebensinhalt. chen sind zwar am Wachsen, aber das stellten danach einen kurzen Schwatz Konkret verzeichnet die Reformierte Mitglieder 5247 5142 4981 4880 gilt längst nicht für alle». Die FMG mit der Schulfreundin in Aussicht. Ich Landeskirche Solothurn schweizweit Jeder ist sein eigener Papst Lyss, die als Verein gegliedert ist, zählt machte in der katholischen Pfadi mit, die zweitgrösste Austrittsrate (nach Kath. KG 55 72 54 52 Der reformierte Pfarrer Christian Bür- 70 Mitglieder. Am ersten Maisonntag sang im Kinderchor, und im Religi- Basel-Stadt) und die Katholiken lie- ki hebt hervor, dass der Gottesdienst waren gut 90 erwachsene Personen – onsunterricht konnte ich den Kate- gen an dritter Stelle (nach Basel-Stadt Mitglieder 3853 3819 3849 3845 in der Kirchenarbeit nur gerade zehn plus viele Kinder im Kindertreff und chismus auswendig. Für mich war und Aargau). Daniel Kosch, General- Prozent ausmacht. Selbstkritisch müsse -hort – im Gottesdienst anwesend, also die religiöse Welt – widerstandslos sekretär der Römisch-Katholischen Während bei den Katholiken der Mit- hinterfragt werden, ob die Kirchenspra- bei weitem mehr Gläubige als Mitglie- hingenommen – in Ordnung. Zentralkonferenz der Schweiz sagt: gliederbestand aufgrund des Zuwach- che für die Bevölkerung noch verständ- der. Wie erklärt sich der Pfarrer diese «Es herrscht ein grosser Umbruch von ses von Migranten gehalten werden lich sei. «Diese wirkt oft wie eingefro- Teilnahmequote von knapp 130 Pro- Im Heute geboren, würde meine fundamentaler Bedeutung für die Stel- kann, schwindet die Zahl bei den Re- ren», präzisiert er. Und er erwähnt als zent. «Wir wollen im Gottesdienst die «Kinderfrömmigkeit» mit Sicherheit lung der Religionen in unserer Gesell- formierten beträchtlich. In Biberist Beispiel die Kirchenlieder, die vielfach Menschen auf lebensnahe Art mit dem anders verlaufen. Zu gross ist die schaft.» Seine Zahlen veranschaulichen selber leben 8419 Einwohner, Stand ein Bild aus längst vergangener Zeit Glauben in Berührung bringen», infor- Überfülle an Angeboten, an Informati- es. Lebten im Jahr 1970 in der Schweiz 31. März 2016. 2316 Personen, davon repräsentierten und damals auch ihre miert René Meier. Er versuche in seiner onen, finanziellen Möglichkeiten aber 50 Prozent Katholiken, waren es 2014 588 Ausländer, sind Katholiken, was Berechtigung gehabt hätten. «Kirche Predigt, das Evangelium wirklichkeits- auch an Möglichkeiten der Auseinan- noch 38,2 Prozent, davon haben den Migrationshintergrund verdeut- und Glaube sprechen zudem Themen nah und verständlich umzusetzen, da- dersetzung und Mitsprache. Meine 34,8 Prozent einen Migrationshinter- licht. Bei den Reformierten sind es to- an, die wir zurückdrängen und aus dem mit die Menschen etwas in den Alltag erlebten traditionellen Mechanismen grund und 23.4 Prozent keinen Schwei- tal 2486 Personen, davon 66 Ausländer. Alltag tabuisieren», sagt er. Sie zeigten mitnehmen könnten. In die Feier wür- der Weitergabe von Glaube und Kir- zer Pass. Die Zuwanderung sei ein we- Als konfessionslos sind 2013 Personen zum Beispiel mit Tod und Krankheit den moderne, zeitgemässe Elemente chenzugehörigkeit sind längst nicht sentlicher Teil des Mitgliederbestandes. gemeldet, davon 311 Ausländer. unsere Begrenztheit an. Erst die eigene eingebracht. «Die Menschen schätzen mehr gegeben, ebenso der frühere Wie beurteilen die Verantwortlichen Betroffenheit strebe nach dem Gefühl zudem die Gemeinschaft der verschie- gesellschaftliche Druck. Nun, wichtig Wie sieht es konkret in Biberist aus die Situation bezüglich der Kirchen- des Aufgehobenseins. densten Altersgruppen», sagt er. Eine erscheint mir im Rück- und Ausblick, Zur reformierten Kirchgemeinde austritte und der abnehmenden Zahl «Ältere Personen haben früher stark Frau drückt es nach dem Gottesdienst (KG) gehören neben Biberist auch der Gottesdienstbesucher aber auch aus der Gemeinschaft gelebt und dort so aus: «Ich schätze die Einfachheit im einen religiösen Weg zu finden und Lohn-Ammannsegg, Gerlafingender Gleichgültigkeit und Passivität ge- zu dienen, war sinnvoll», sagt der Pfar- Gottesdienst, die natürliche Sprache, das Leben – auch in Bezug auf Ge- und Obergerlafingen. Die katholische genüber dem kirchlichen Leben? rer. Man musste dem gesellschaftlichen die neuen fröhlichen Lieder, die freien, meinschaft und Sozialverhalten – so Kirchgemeinde umfasst neben Biberist Druck genügen. Heute sei Individuali- aus der Seele kommenden Gebete und zu gestalten, um vor dem eigenen auch Lohn-Ammannsegg und den Bu- Kirche ist nicht nur das Gotteshaus sierung sinnerfüllend. «Wir suchen den die Herzlichkeit der Anwesenden.» Gewissen bestehen zu können cheggberg. «Die Kirche bewegt sich zu den Leu- Superstar», verdeutlicht er. Dies
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